Belehrung über das Wesen, das Tluftreten und die Verbreitung der asiatischen Cholera und über die zu beobachtenden Maßregeln H^chei einer Lholera-Lpidemie. - X ——- ' k / verfasst von Mrd. Dr. Friedrich Aeesbacher 'M Lcribcrch 1886. Belehrung über das Wesen, das Auftreten und die Verbreitung asiatischen Cholera über die zu beobachtenden Maßregeln bei einer Lholera-Lpidemie. verfasst von Med. Dr. Friedrich Aeesbacher Ritter des Franz-Josefs - Ordens, k. k. Regierungsrath und Landes- Sanitätsreferent für Arain. - ch" *- ' LcriöcrcH Druck und Verlag von Jg. v. Kleinmayr Lc Fed. Bamberg 1886. Einleitung. Die Cholera, welche seit drei Jahren, zuerst vvn Egypten, dann von Frankreich, Spanien nnd Italien aus unser Vaterland mit einer Invasion bedrohte, ist nun auch in dein benachbarten Triest ausgetreten, sie steht svmit sozusagen vor unserer Thüre, und ist es daher zum mindesten zeitgemäß, wenn man sich beizeiten schon, ehe die Krankheit da ist, mit ihrem Wesen, der Art ihres Auftretens und ihrer Verschleppung svwie darüber Kennt¬ nis verschafft, wie ihr am wirksamsten begegnet werden könne, was man gegen ihr Weiterschreiten und was der Einzelne thnn kann, um sich vor dem Erkranken zu schützen. Nnd dies ist der Zweck dieser Belehrung. Das Wesen der Cholera. Die Cholera ist eine in Asien einheimische Krank¬ heit, welche bei uns von selbst nicht entsteht, sondern so oft sie nach Europa kam, von Asien zn uns eingeschleppt wurde, daher man sie die asiatische Cholera nennt zum Unterschiede von einer ihr ähnlichen, auch bei uns vvn selbst entstehenden Krankheit, der sogenannten «heimischen Cholera» (Obolsru nostras), welche der asiatischen Cho¬ lera ähnliche Erscheinungen zeigt, aber selten tvdtlich ist und nicht epidemisch anftritt. Die Cholera ist übrigens in Europa keine neue Erscheinung, denn seit den dreißiger Jahren, in welchen 4 sie zum erstenmale in unseren Gegenden sich gezeigt hat, ist sie bereits fünfmal bei uns ausgetreten. Darin liegt für uns ein großer Trost, denn wir stehen heute dieser Krankheit nicht mehr so rath- und hilflos gegenüber, wie dies bei ihrem ersten Auftreten der Fall war, und die Aerzte haben nun vielseitige Be¬ obachtungen und Erfahrungen über die Cholera gemacht und sind sogar schon imstande, uns erprobte Ma߬ regeln an die Hand zu geben, nm einer Erkrankung vvrzubengeu oder den bereits Erkrankten erfolgreich zu behandeln. Es liegt für uns ein weiterer Trost darin, dass die Cholera nicht, wie man bisher allgemein glaubte, plötzlich anftrete, ihr Opfer gleichsam überrasche und in einigen Stunden wegraffe. Es ist vielmehr festgestellt, dass sie sich schon viel früher durch gewisse Erschei¬ nungen ankündige, welche Vorboten, wenn sie zeitlich genug berücksichtigt werden, oft leicht zn beheben sind, so dass einen: Ausbruche der Cholera ii: vielen Fallen vorgebeugt werden kann. Endlich tritt die Cholera jetzt überhaupt nicht mehr nut jener Heftigkeit auf, wie bei ihrem ersten Erscheinen in Europa; sie ist milder geworden in ihrer Form, weniger verheerend, daher auch leichter zn bekämpfen. Wie die Cholera entsteht, auf welche Weise sie sich weiter verbreitet und wodurch die Ansteckung vermittelt wird, das ist noch nicht genügend bekannt, obwohl die neuesten Beobachtungen der Gelehrten auch in diese Fragen schon Licht und Aufklärung zn bringen anfangen. Wie die Cholera entsteht, das wissen wir nicht; aber das wissen wir, dass Ausdünstungen von Sümpfen und fan- 5 lenden thierischcn Körpern zn ihrer Entwicklung beitragen und dass zn ihrer Weiterverbreitnng nichts so viel bei¬ trägt, als Unreinlichkeit und ungeregelte Lebensweise. Es ist bisher nicht gelungen, festznstellen, auf welche Weise die Austeckuug erfolgt. Oft werden Personen, welche jeden Kranken ängstlich meiden, von der Krankheit be¬ fallen, während jene, welche sich mit solchen beschäftigen, verschont bleiben. Nur so viel ist bis jetzt feststehend, dass die Ausscheidungen der Cholerakranken die H a n ptträ g e r d e s A n st e ck n n g s st v ff e s sind, daher gerade ans diese am meisten Bedacht zu nehmen ist, nm die Ansteckungsgefahr der Cholera zu verminderu. Schutzmittel gegen die Cholera, insolange dieselbe erst als Gefahr gilt. Die Schutzmittel, welche gegen die Cholera zu er¬ greifen sind, find zweifacher Art, nämlich was ist zu thnn, insolange die Cholera nur als drohende Gefahr gilt, nm diese abzuwenden, und was ist zn thnn, wenn sie wirklich ausgetreten ist, um ihre Heftigkeit und Weiter¬ verbreitnng zu vermindern. Und in beiden Fällen tritt die Frage heran: was soll nnd kann die einzelne Gemeinde, Stadt, Markt, Dorf, Ortschaft thnn, und was soll der einzelne Mensch beginnen, um sich vor der Gefahr so viel als möglich zu schützen? Insolange die Cholera noch nicht aufgetreten ist in einem Orte, wenngleich derselbe durch die Nähe der Cholera in andern Orten, Gegenden, Ländern mehr oder weniger bedroht erscheint, kann der einzelne Mensch gegen ein Eindringen der Krankheit, anßer den später des 6 näheren erörterten persönlichen Vorsichten, so gut wie nichts thun; nm so gebieterischer tritt die Verpflichtung au die Gemeinde heran, alles anfznbieten, die Krankheit möglichst abzuhaken oder ihr doch wenigstens den Boden znr Entfaltung zu entziehen. Dass die Cholera nicht ans einem benachbarten Reiche in unseres verschleppt werde, dafür zu sorgen, ist Sache der Centralregierung, welche denn auch alle Ein- brnchsstationen au den Eisenbahnstrecken ärztlich über¬ wachen lässt. Haben sich jedoch diese Vorsichten gegen die Cholera als nicht ausreichend erwiesen, und hat sie trotz¬ dem die Reichsgrenze überschritten, dann lässt sie sich weder durch Cordon noch Qnarantaine weiter znrück- halten, sondern dann werden jene Gemeinden, Städte, Märkte, Dörfer am wenigsten von ihr zu leiden haben, welche für Reinlichkeit der Wohnungen, Plätze, Gassen, Straßen, für Beschaffung guten Trinkwasscrs und Entfernung aller schädlichen Ausdünstungen, ins- besondcrs menschlicher Auswnrfsstvffe, am meisten Sorge getragen haben. Es ist also angesichts der drohenden Choleragefahr Sache der einzelnen Gemeinden, ihre Wohnstätten gesund zn machen und zu erhalten. Es müssen daher alle Wohnungen gereinigt und wöchentlich zweimal gescheuert werden, alle Aborte müssen wenigstens zweimal in der Woche mit Eisenvitriol und Carbvlsäure desinfieiert werden, die Düngerstätten, insv- ferne sie sich in der Nähe menschlicher Wohnungen be- > finden, müssen entfernt und mit Chlorkalk und Eisen¬ vitriol begossen werden. Auch ein zeitweiliges Ueberwerfeu derselben mit gesiebter Erde wird gegen die Ansdün- 7 stnngen empfohlen, wodurch, nebenbei gesagt, der Wert des Düngers in keiner Weise berührt wird. Es ist ganz besonders darauf zu achten, dass die Straßen, Gassen und Plätze innerhalb der Ortschaften rein gehalten werden; die Straßengräben, Eisenbahn- dammgräben, in welchen sich oft stehendes und faulendes Wasser befindet, sind zu reiuigeu und zu desiuficieren. Bon der größten Wichtigkeit ist die Beschaffenheit des Tränkwassers. Es ist daher darauf zu achten, dass in das Trinkwasser nirgends der Inhalt von Dünger¬ gruben, Pfützen, Abvrtansflnss, Jauche re. Zugang findet, sei es dass das Triukwasser aus Quelleitungen oder ans Cisterne», Bächen oder Flüssen gewonnen wird. Verdorbene Nahrungsmittel, nicht frisches Fleisch, unreifes Obst, verfälschte Weine, nicht ansgegvhrene junge Biere u. s. w. sind sofort zu vernichten. Dort, wo sich Canäle befinden, sind selbe zu rei¬ nigen, rein zu erhalten und wöchentlich zweimal zu des- infi eieren. Die Aborte von Häusern, in welchen größere Men¬ schenansammlungen stattfinden, in Hotels, Gasthäusern, Kaffeehäusern, Eisenbahnstationen sind ganz besonders, oft und gründlich zu desinfieicren. Ebenso sind die Effecten nnd die Leibeswäsche von Reisenden in den Hotels, besonders von solchen, welche' von Choleragegenden zureisen, einer speciell gründlichen Desinfection zu unterziehen. Die Reinlichkeit hat sich nicht bloß auf die mensch¬ lichen Wohnungen, sondern auch ans die Ställe nnd ins- besvnders die Schweinställe zu erstrecken, denn nichts be¬ günstiget das Auftreten der Cholera mehr, als die Un- 8 reinlichkeit und die Ausdünstung verwesender thierischer und pflanzlicher Stoffe; das ist anch der Grund, warum auf die Schädlichkeit von Düngerftätten in der Nähe menschlicher Wohnungen so sehr aufmerksam gemacht wird. Alle diese nun genannten Vorsichtsmaßregeln kann jedoch der einzelne Mensch nicht ausführen, denn was nützt es auch, wenn ich Haus und Hof, Stall und Duugstütte noch so rein halte, wenn mein Nachbar nicht dasselbe thnt, denn die gefährliche Ausdünstung des Nachbarhofes kommt ja auch zu mir herüber! Darum müssen diese Maßregeln von der Gemeinde-Obrigkeit in die Hand genommen werden, sie müssen nicht von ein¬ zelnen, sondern von allen Bewohnern einer Gemeinde durchgeführt werden. In vielen Orten haben sich freiwillig Männer ge¬ funden, welche zusammengetreten sind, nm die Gemeinde¬ vorstehung in ihrer Wirksamkeit zu unterstützen; diese Männer haben nun die Stadt, den Markt, die Gemeinde von Hans zu Haus begangen, alle gesundheitsschädlichen Dinge ausgeforscht, für Reinhaltung des Trinkwassers gesorgt u. s. w., sie haben mit einem Worte das gebildet, was man Gesundheits- oder Sanitätseommis- sivneu nennt und welche sich in anderen Ländern bei Krankheitsgefahr durchaus bewährt und in fortschrittlich gesinnten Orten sich sogar als permanent eingebürgert haben. Wir können daher unseren Mitbürgern nur empfehlen, auch hierzulande solche Gesundheitscommissio- ueu zu bilden, und dort, wo selbe etwa schon bestehen, diese zu unterstützen. Nachdem ans dem früher Gesagten es sich empfiehlt, Aborte, Pfützen, Jauch- und Senkgruben u. s. w. öfters 9 zu desinsicieren, nachdem die Wäsche der Reisenden, und wie wir später sehen werden, auch die wirklich an Cho¬ lera Erkrankten, desinfieiert werden müssen, so ist es auch Pflicht jeder Gemeinde, einen genügenden Borrath an Desinfektionsmitteln bereit zn halten. Es soll daher in jedem Gemeindehause am Lande, wo keine Apotheke oder Spezereiwarenhandluug besteht, ein Vorrath von Carbolsäure und Eisenvitriol bereit gehalten werden. Insofern der einzelne Bewohner eines Hauses für seinen Trinkwasserbedarf nicht einen eigenen Hausbrnnnen besitzt, sondern an einem öffentlichen Brunnen, Bach, Fluss u. s. w. sich sein Trinkwasser holt, ist es ebenfalls Sache der Gemeindeobrigkeit, resp. der Sanitäts-Com¬ mission, für Reinhaltung des Trinkwassers zn sorgen. Für die Gemeinde sowohl als den einzelnen Brnn- nenbesitzer gilt als oberster Lehrsatz, dass mit keinem anderen Mittel die Cholera so leicht weiter verbreitet wird, als mit einem Trinkwasser, in welches menschliche Auswurfstoffe oder gar solche von Cholerakranken gelangen, sei es, dass Abortjauche zum Trinkwasser Zutritt hat (durch Versickerung derselben in den Boden ans Aborten, Ca¬ nälen u. s. w.), sei es, dass Wäsche, besonders solche von Cholerakrnnken, darin gewaschen wurde. Wem also keine rein gehaltene Quellenleitnng zur Verfügung steht, der gebrauche auf die Dauer der Cholcra- gefahr oder besonders der Cholera selbst, nur jenes Trink¬ wasser, welches vorher zur Siedhitze gekocht, dann er¬ kaltet gelassen und durch eineu Zusatz von geschmacks¬ verbessernden Mitteln (Mineralwasser, etwas Rum, Wein, Limoniensäure) wieder genießbar gemacht wurde. 10 Denn es sei wiederholt gesagt, mit schlech¬ tem Trinkwasser zieht man sich die Cholera am leichtesten zu, und wer in dieser Richtung Vorsicht gebraucht, für den ist zum mindesten die halbe Gefahr beseitigt. Sollte es einer Gemeinde einfallen, um sich gegen das Eindringen der Cholera in dieselbe zn schützen, nm die Gemeinde, Stadt, Markt, Dorf einen Cordon zu ziehen oder eine Art Quarantaine zu bilden, so sei ihr an dieser Stelle gesagt, dass sie damit etwas sehr lin¬ zweckmäßiges thut. Mit solchen Schutzmaßregeln hält man die Cholera nicht ab, wohl aber schädigt man den Verkehr, den Erwerb und die Nahrungsversorgung dieser Gemeinde und erzeugt damit unter den Leuten Angst und Furcht, die auch schädlich sind und für das Er¬ kranken geneigt machen. Schuhmahregeln für den Einzelnen, sobald die Cholera im Wohnorte desselben wirklich anftritt. Fürs Erste bewahre sich der Einzelne Muth und Zuversicht, denn nichts ist erfolgreicher gegenüber der Gefahr, als wenn man den Kopf am rechten Platze be¬ hält, und nichts macht den Menschen unfähiger, einer Gefahr zn begegnen, als wenn er den Kopf verliert. Und es ist Erfahrungssache, dass diejenigen, welche sich vor der Krankheit nicht fürchten, dieselbe auch nicht so leicht bekommen, denn sonst müssten ja alle Aerzte und Krankenwärter der Cholera erliegen, was jedoch nicht der Fall ist. Das Zweite ist, dass der Einzelne eine geregelte Lebensweise führt, jedes Nebermaß im Essen 11 und Trinken, in körperlicher Anstrengung, im ge¬ schlechtlichen Umgänge vermeidet. Er lebe, vorausgesetzt, dass er auch vordem regelmäßig gelebt hat, so fort, wie er es gewohnt ist, treibe seine gewohnte Beschäftigung, halte Ordnung in seinem Haushalte, und hat er so viel irdischen Gutes, dass er davon entbehren kann, gebe er etwas an jene Mitbürger, die zu arm sind, regelmäßig leben zu können: er schenkt in diesem Falle zu seinem eigenen Besten, denn je regelrechter nnd besser alle Bewohner eines Ortes leben, je weniger Einzelne von Nvth nnd Nahrnngssorgen gedrückt werden, um so weniger wird die Krankheit die¬ sem Orte schaden können, nnd auch der Reiche ge¬ winnt durch die Verbesserung des Loses der Armen. Es ist daher eine schöne nnd echt christliche Auf¬ gabe der Gemeinde, der Gesundheitseoimnission oder eines zu diesem Zwecke etwa znsammentretenden Comites, Gelder zu sammeln, sich von der Lebensweise der Armen Neber- zengung zu bieten, nnd dort, wo es noth thnt, Hilfe zu schaffen. Dadurch wird man dem Auftreten der Krank¬ heit wirksam entgegentreten können. Das dritte Erfordernis zum Schutze gegen die Krankheit ist Reinlichkeit, und zwar Reinlichkeit der Wohnungen (von der Reinlichkeit der Straßen nnd Plätze wurde als einer Obliegenheit der Gemeinde schon ge¬ sprochen), Reinlichkeit der Hansgeräthe, der Kleidung, des Leibes n. s. w. Die Wohnungen müssen jede Woche gescheuert werden. Nebelriechende oder überhaupt einen Ge¬ ruch entwickelnde Gegenstände, wie Speisereste, nasse 12 Wäsche u. s. w., sowie jeder Unrath siud aus denselben zu entfernen. Ebenso wichtig ist die Erneuerung der Luft in den Wohnzimmern für die Erhaltung der Gesundheit. Die Lüftung durch Oeffnen der Fenster muss in jeder Jahreszeit, jeden Tag, am besten in den Mittags¬ stunden vorgenommen werden. Weder zeitlich morgens noch spät abends soll gelüftet werden, weil der um diese Tageszeit gewöhnliche Nebel oder Umschlag der Witte¬ rung und der Luftwärme der Gesundheit schädlich ist und leicht Verkühlungen veranlassen kann. Aus demselben Grunde sollen die Fenster in den Schlafzimmern des Nachts geschlossen bleiben. Im Winter müssen während des Lüftens Kinder und Kranke gut verwahrt und vor Luftzug geschützt werden. Damit die Luft in den Wohnzimmern durch über¬ mäßige Ausdünstungen nicht verderbe, muss die Anzahl der in einem Zimmer schlafenden Personen dem Ranme derselben angemessen sein. Man erhalte die sorgfältigste Reinlichkeit anch in allen andern Theilen der Behausung. In der Küche soll niemals verunreinigtes Geschirr längere Zeit stehen bleiben, und vorzüglich soll daselbst keine nasse Wäsche zum Trocknen aufgehüngt werden. Geräthe, in welchen das Trinkwasser anfbewahrt wird, müssen täglich ge- reiniget werden und immer zugedeckt sein. Ein vorzügliches Augenmerk muss derR e i n lich - keit der Aborte zngewendet werden. Die Ausdünstungen derselben sind der Gesundheit im höchsten Grade schädlich, und ebenso wie durch 13 schlechtes Trinkwasser, wird durch die menschlichen Ent¬ leerungen die Cholera verbreitet, und kann man sich die¬ selbe auf Aborten am leichtesten holen. Die Aborte sind daher stets zngedeckt und rein zu erhalten, daher öfters und jedesmal im Falle einer Verunreinigung zu reinigen und in selbe mindestens jeden zweiten Tag lim Falle des Auftretens der Cholera im Orte selbst täglich) eine Lösung von Eisenvitriol und Carbolsäure einzugießen. Bezüglich des Desinfections-Vorganges hält man sich am besten an die Bestimmungen der Verordnung des k. k. Landespräsidenten in Krain vom 24. Angnst 1885, Z. 7926 sLandesgesetzblatt 1885, VI. Stück, Seite 21), deren Wortlaut wir im Anhänge wiedergeben. Nachdem Nur in dem Vorhcrgesagten gesehen, dass Reinlichkeit ein Haupterfordernis ist, nm der Chvlera- erkranknng zu entgehen, so folgt daraus, dass auch die Reinlichkeit des Körpers nicht außeracht gelassen werden soll. Man wasche sich so oft es nöthig oder- möglich ist, hiebei sich vor Erkühlungen schützend; ebenso sollen Kleider nnd Leibwäsche stets rein sein. Die Kleidung sei der Jahreszeit angemessen nnd soll vorzüglich vor Erkältung schützen, namentlich des Unterleibes. Das Tragen einer Bauchbinde ans Wollstoff oder Flanell ist daher sehr zu empfehlen. Die Füße sollen warm gehalten nnd vor Durchnässung bewahrt werden. Dies gilt insbcsonders für Menschen, die viel im Freien sich aufhalten. Jede Unmäßigkeit im Essen und Trinken, ungewöhnliche Speisen sind zu vermeiden. Jene, welche eine geregelte Lebensweise führen, können ohne Sorge ihre gewohnte Köst nehmen. Unbedingt zu meiden sind: 14 Schweinefleisch und fette Speisen, rohes Obst, Gurken, Melonen, Salut, Fische jeder Art, vorzüglich Seefische, sonne alle jene Speisen, welche noch eigener Erfahrnng dein Einzelnen leicht Durchfall verursachen. Man nehme nur warme Speisen zn sich und halte seine Mahlzeiten so viel als möglich in regelmäßigen Zeitabschnitten. Kalte Speisen, besonders Würste und Käse, vor allem aber nicht frisches Fleisch, sei es kalt oder warm, sind abzurathen. Das zuträglichste Getränk ist unter allen Um¬ ständen reines frisches Wasser. Wo man dieses nicht hat und Wasser ans Ziehbrunnen, Cisterne», Bächen, Flüssen genießen muss, muss dieses, wie bereits erwähnt, stets vorher bis zur Siedhitze gekocht werden, dann setze man etwas Mineralwasser, Wein, Rum, Limoniensänre u. dgl. dem wieder erkalteten Wasser zn. Diese Vorsicht gilt insbesonders für die Bewohner der Lan¬ deshauptstadt Laibach, welche ein im Cholerafalle höchst gefährliches Triukwasser besitzt, da der Unrat der Canäle in den Stadtbvden, dem das Wasser entnommen wird, versickert, das Wasser also sehr leicht Cholera- Attsteckungsstoff enthalten kann. In Laibach ist auch Sodawasser, insoferne es Laibacher Wasser ist, gefährlich. Man lasse Trinkwassergesäße nie unbedeckt stehen; besitzt das Triukgefäß keinen Deckel, lege man ein Brettchen oder dgl. darauf. Von den künstlichen Getränken ist am meisten Rothwein (hierzulande schwarzer Wein ge¬ nannt), insoferne er gesund und unverfälscht ist, anzu- rathen. Ein gnter, unverfälschter Krainerwein (Öviüsk vvlksthümlich genannt), am besten mit einem Kvhlen- säuerling gemischt, kann ebenfalls empfohlen werden. 15 Säuerliche und leicht gährende Biere sind zu ver¬ meiden, desgleichen Schnaps oder Branntwein, selbst die hierzulande vvrnrtheilsmäßig im besten gesundheitlichen Rnfe stehenden Wachhvlder- und Zwetschkenschnäpse (Bri¬ novec und Slivovec) sind abznrathen. Ein gesunder Schlaf kräftigt den Körper und macht ihn widerstandsfähiger, daher hüte man sich vor künstlichem Schlafbrechen (Nachtschwärmen). Es ist ferner nothwendig, dass man zur Zeit einer Epidemie s e i n c r G e s n n d h eit in e h r A n s m e r k s a m - keit schenke, als man cs sonst zu thnn pflegt. Bei dem geringfügigsten Uebelbefinden ist sofort nach einem Arzte zu schicken. Bis der Arzt kommt, gehe mail zu Bette, lasse sich und Bett mit Wärmflaschen oder warmen Tüchern erwärmen, nehme eine Tasse Kamillen-, Pfeffer- münz- oder Melissenthee und enthalte sich von Speise und Getränk. Es müssen daher Wärmflaschen und die genannten Theegattungen stets im Hause vvrräthig ge¬ halten werden. Die Cholera kündigt sich übrigens gewöhnlich ein bis zwei Tage früher durch Vorboten an. Diese sind: Uebelbefinden, Magendrücken, Kollern im Unterleibe, endlich treten auch Durchfälle ein, welche, weil sie nicht schmerzhaft, sondern sogar oft erleichternd sind, unbeachtet bleiben, bis sich ans ihnen die Cholera entwickelt. Verhalten beim Lholera-Anfallc selbst. 'Was bis zur Ankunft des Arztes zu geschehen hat, wurde im Vorstehenden bereits erörtert, dann aber sind die Anordnungen desselben strengstens zu befolgen, be- 16 sonders dann, wenn wirkliche Symptome der Cholera sich einstellen. Diese sind: die Entleerungen werden immer häufiger, verlieren ihre braune Farbe, sind reiswasserähnlich; hef¬ tiges Erbrechen, Krämpfe, besonders in den Waden treten auf, der Kranke verliert die Eigenwärme, er fühlt sich kalt an, es verfallen die Kräfte, das Gesicht erhält einen eigenthnmlich verfallenen Ausdruck, es tritt Stimmlosig¬ keit hinzu. In diesem Zustande verabreiche man dem Kranken außer den Medieamentcn nichts ohne Wissen des Arztes, man versuche nicht, durch warme geistige Getränke (z. B. den Hierlands üblichen Glühwein) oder durch nutzlose, immer schädliche Geheimmittel Hilfe zu schaffen. Alan berede den Kranken vielmehr, den Durst so viel als möglich zu bezwingen oder nur sehr wenig zu trinken. Die Wir¬ kung des vielen Wassertrinkens muss vernünftigerweise schon deshalb schädlich sein, weil es Blagen und Därme zu raschen Entleerungen reizt, mit welchen anch die Me- dicamente entfernt werden, bevor sie eine Wirkung hervor¬ bringen können. Die Entleerungen sowie die beschmutzte Wäsche müssen so bald als möglich entfernt, erstere mit 6ch„ Carbolsänre-Lösnng übergossen, letztere in solche gelegt und in Lauge gekocht werden (siehe Desinfectivnsvvrschrift >V), und man beachte die größte Reinlichkeit im Kranken¬ zimmer. Außer den im Obigen des weiteren anseinander- gesetzten Vorsichtsmaßregeln gibt es keine sicher wir¬ kenden Präservativmittel, trvtzdem sich die Indu¬ strie anch auf diesen Geschäftszweig geworfen hat und 17 Choleratropfen und Choleratincturen zum Verkaufe aus- uud airbietet. Mau hüte sich vor solchen Anpreisungen und rufe lieber so bald als möglich eineu Arzt. Schlusswort. Sollte der gefürchtete Gast wirklich in unser Land hereiubrechen, so gehen wir zwar einer schweren Zeit entgegen, aber wir wollen mit Muth und Selbstvertrauen der Gefahr ins Auge schauen, und wir können dies um so beruhigter thun, wenn jeder in seiner Sphäre für das allgemeine Interesse eintritt. Es ist nicht genug, wenn in den Tagen allgemeiner Roth der Einzelne nur für sich bedacht ist, sondern er nimmt auch an den In¬ teressen der Gesammtheit theil. Es darf sich daher nie¬ mand über die ungeordneten Maßregeln hiuwegsetzen, weil er hiedurch nicht nur sein eigenes, sondern auch das Leben seiner Mitmenschen gefährdet. Es soll also der Einzelne für sich sorgen, aber auch für den Mitmenschen belehrend und aufmunternd ein¬ wirken, sich allen behördlichen Anordnungen willig unter¬ stellen und darauf achten, dass dies auch von anderen geschehe, Fahrlässige oder Widerspenstige der Behörde anzeigen, dieselbe auf jeden beobachteten sanitären Uebel- stand aufmerksam machen, damit diese ihn abstellen könne. Jnsbesonders sei es wiederholt gesagt, der Wohl¬ habendere nehme sich des Aermeren an, unterstütze ihn, und stehe jedermann seinem Nächsten menschenfreundlich bei. Gemeinsamer Kampf gegen die gemeinsame Gefahr, das sei unsere Losung in den Tagen der Nvth, wenn uns solche beschieden sein sollten. 18 — Anhang. Dosirrfectic>N5sr>c>rscHrift. Verordnung des k. k. Landespräsidenten in Arain vom 24. August 1885, Z. 7926 (Landesgesetzblatt 1885, VI. Stück, Seite 2t), enthaltend die Bestimmungen über die Desinfection. I. Dcsinfcction voll Locnlitätcn und geschlossenen Ränmcu. Die Desinficierung geschlossener Ränme, lvie Krankenzimmer, Arbeüssäle, Schullocaliiäten, Gefängnisräullle, Kasernen, Eisen- bahnlvaggons, Aborte, Leichenkammern u. s. Nr, hat durch Schene- rnng der Fußböden niit Carbolwasser (bereitet ans 2 bis 8 Theilen reiner Carbolsäure ans 100 Theile Wasser) oder Chlorkalklösung (1 Theil Chlorkalk auf 100 Theile Wasser), durch Tünchung der Wände und Decken mit Kalkmilch, welche in 100 Theilen je 1 bis 2 Theile Carbolsäure enthält, durch Lüften der Räumlichkeiten und dnrch Verdampfen von Holzessig oder Carbolpnlver (bereitet durch Mischling von je einem Theile in Wasser angernhrter Carbol- sänrc mit je 100 Theilen Erde oder Sand oder Gips oder Köhlen- Pulver), durch Bespreuguug des Fußbodens, der Wände und der Decken lllit Carbolwasser zu geschehen. In unbenutzten Räumen werden die Fußböden mit Chlor¬ kalklösung oder Bleichflüssigkeit oder heißer Lauge gescheuert, und werden in denselben Schalen aufgestellt, welche starken Essig oder Essigsäure und Chlorkalk oder Salpetersäure mit Steinöl enthalten, dann Schwefelräncherungen (Schwefclfäden auf Thongcschirren ver¬ brannt) vorgenommen. Hierauf sind die Räume ausgiebig zu lüften lind iliit Carbolwasser zu besprengen. Anstrich, Geschirre und Holzgeräthe aller Art werden dnrch Scheuerung mit heißer Lange oder lllit Carbolwasser desinficiert. II. Dcsinfcctio» offener Räume. Zur Desinficierung offener Räume, wie Hofränme, Markt¬ plätze, Begräbnisplätze n. s. w. eignet sich nach vorausgeheuder Säuberung und Vergrabung von etwa vorhandenen faulenden Resten am besten die Begießung mit Chlorkalk oder Kalklösnug. III. DcSinsection von Geräthschafte», Anöwurfsstosscn und Abfällen. Zur Desinficierung der bei Kranken verwendeten Geräth- schaften, als Leibschllsseln, Nachttöpfe, Nachtstühle, Spucknüpfe, 19 Eiterbccken u. s. w. dienen Ausspülungen mit Carbolwasser; fiir Abtritte, Senkgruben und deren Umgebung, für Düngerhaufen Lösungen von Eisenvitriol (Kupferwasser) in Wasser ("/? Kilo¬ gramm auf 10 Liter Wasser), daun Chlorkalklösnug und Carbol¬ wasser, welche in ein- bis zweitägigen Zwischenräumen abwechselnd eiugcgosscn werden; ferner die Eintragung einer Mischung, be¬ stehend aus je 100 Theileu Gips, »0 Theilen Kalk, 10 Theilen Holzkohle, 5 Theilen Carbolsäure; für Röhreuleituugen au Ab¬ tritten, Rinnsteinen, Canälen, Abflüssen allerlei Art, Pissoirs re. Carbolwasser oder Chlorkalklösnug. Gebrauchte Charpie, Bandagen, Eiterlappen n. s. w., Lager¬ stroh, Heu und Stroh aus Matratzen müssen verbrannt werden. I V Desinfektion der Leib- und Bettwäsche sowie der Bekleidungsstücke. Leibwäsche, Polster und Matratzennberzuge, sonstige Bett¬ wäsche sind nach dem Gebrauche in Carbolwasser zu tauchen, dann einige Zeit in Lauge zu kochen; Matratzen und Kleidungsstücke werden in Backöfen auf 80°—90° k. erhitzt, hierauf ansgeklopft und längere Zeit gelüftet. Wo das Erhitzen in Backöfen nicht thnnlich, sind besonders durchfeuchtete Stücke zu verbrennen, die andern mit Schwefel durch- znräuchern, hierauf mit Carbolivasser zu besprengen, längere Zeit an der Luft zu belassen, dann auszuklopfen. V. Desinfektion des Wassers. TriNkwasser wird durch Abkochen nm sichersten unschädlich gemacht, sonst durch Zusatz von übermangansanrein Kali, so dass das Wasser kaum gefärbt erscheint. Trübes Wasser kann durch eine Spnr Alaun oder reine Soda geklärt werden. VI. Desinfektion der Menschen, die mit ansteckenden Stossen in Berührung waren. Menschen sollen Hände und andere der Jnfection ausgesetzt gewesene Theile mit Lösungen von übermangansaurem Kali wa¬ schen, Mund und Stasenhöhle damit reinigen. 888883-46-4^6