Antigon^ nach dem Griechischen des Sophokles ! ! mit dem leitenden Gedichte von Ehr. Kassner. Musik von FeliX Mendelssohn-Bartholdy. Laibach 1889. Verlag der philharmonischen Gesellschaft. 66758 Buchdruckern von Kleinniavr L Bamberg SS8 SS I. ^'as wahrhaft groß und edel ist im Menschen, Entflammt das Menschenherz, erhebt den Geist, Sind auch Jahrhunderte dahingeschwunden; Es bleibt das Herz der Liebe Heiligthum, So lang ein Herz iin Menschenbusen schlägt. Heiß wogt das Blut, die Lebenskraft entzückt; Doch auch dem Aschenkrug gebürt seiu Recht. Umschlingt das Dasein uns mit tausend Armen, Bleibt heilig doch des Grabes stiller Traum. Natur und Menschlichkeit gebieten uns Zu ehren ewig, was wir einst geliebt. Was Einer litt, das fühlen Tausende, Was Einem gab des Glückes guter Stern, Was Einer Schönes schuf und Großes that, — Es lebt und wirkt, so lange Menschen leben. Der Hass schlägt Wunden, lange blutend, doch Der Liebe Balsam quillt für jeden Schmerz. Was einst geschah, hallt aus der dunkeln Vorwelt Herüber in lichte Gegenwart. Ein Königswort rief ans dem Grab der Zeit Herauf den Schatten eines Dichterkönigs, Der, Hellas Zierde einst, noch jetzt, Noch heut ein Ganymed der Poesie, Den reinsten Nektar Euch credenzen soll. Was er vom Leben der Heroenzeit Gestaltet für die Bühne seines Volkes, Zieht nun vor Eurer Phantasie dahin. Gehoben durch die hehre Geisterstimme, Mit der ein Zeitgenoss, ein edler Meister Der Töne, jenes Meisterwerk Des alten Dichters neu ins Leben rief, 4 Getragen auf der Himmelstöne Schwingen, Führt er Euch auf den fernen Schauplatz hin, Wo Thaten, schön und schrecklich, sich entfalten. Vernehmt und horchet ihm! Oedipos, König einst in Thebens Stadt, Er, dessen Leben eine Reihe war Von schweren Schlügen feindlichen Geschicks, Die schmerzlich trafen des Schuldlosen Haupt, — Ach! wer ist schuldlos vor des Schicksals Macht? — Er, dessen Muth dem Unglück unterlag, Beraubte selbst des Augenlichtes sich. Hiuwandelnd durch die düst're Lebensnacht, Fleht er, dass Theben ihn vom Thron verbanne; Sein Volk, von ihm geliebt, ihm liebend treu, Will selbst den blinden König nicht vermissen; Doch seiner Söhne Paar, von Herrschbegier Entflammt, sie rauben ihm des Volkes Liebe, Und er entsteigt dem Thron, verlässt die Stadt; Doch scheidend trifft des Vaters Fluch die Söhne, Die lieblos und undankbar sich zeigen. Als nun hinwandert der Verstoßene, Schließt Eteokles jubelnd mit Dem Bruder Polynikes rasch Den Bund, zu theilen unter sich den Thron, Dass jeder ein Jahr wechselnd sich erfreue. Den Herrscherreih'n beginnt Eteokles. Zu lieblich strahlt der gold'nen Krone Glanz, Zu mächtig ist der Herrschaft Zauberreiz, — Trotzend dem Schwur, dem Bruder und den Göttern, Will er nicht weichen vom bestiegenen Thron, Will, was einmal ihm war zutheil geworden, Festhalten als sein festes Eigenthum, Des Lebens Höchstes mit dem Leben nur Hiugeben. Polynikes, hoch entflammt Von gleicher Herrschbegier, von Schwur und Recht Und lechzend nach dem ihm bestimmten Thron, Flieht zu Adrast, dem Könige von Argos. d Sechs Fürsten schließen sich dem Bunde an; Schon steht vor Theben das vereinte Heer. Der Kampf beginnt. Die Brüder, wnthentglüht, Begegnen sich ans leichenvvllem Schlachtfeld. Sich sehen, sich entgegenstürzen, die Gehob'nen Speere in die Brust sich stoßen, — Es ist ein Werk von einem Augenblick! Sie sinken; mit dem Blut entströmt das Leben. Des Hochmuths Opfer, ruh'n die Feindlichen, Im Tode versöhnt, nun friedlich aufeinander. — Kreon, der Brüder Ohm, besteigt den Thron, Er, hold dem Eteokles, gibt dem Liebling Tie Todtenfeier und des Grabmals Ehre; Doch nimmer sei Beerdigung vergönnt Dem Polynikes — so ist Kreons Wille; — Des Unglücklichen Leichnam, unbegraben, Er sei der Geier und der Hunde Raub: Tod treffe jeden, der den Todten ehrt! — Im stillen wird des Armen Los beklagt; Doch fügt sich jeder schweigend dem Gebot. Die Schwesterliebe nur vermag es nicht, Der Leiche Schmach, des Schattens Qual zu dulden; Ein Heldenmuts; entflammt das weiche Herz — Antigone, die zarte Jungfrau, sie Beschließet zu vollbringen eine That, Vor welcher selbst des Mannes Muth erbleicht. Geheimnisvoll vor dem Palast des Königs Erscheint sie mit der Schwester, ihr allein Vertrauend, was die Seele ihr bewegt; Erfüllt vom Pflichtgefühl der Menschlichkeit, Will des geliebten Bruders Leiche sie, Unmenschlichen Geboten trotzend, ehren, Den Unbegrabenen dem Grabe weihn. Sie schreckt kein Königsspruch, kein Droh'n, kein Tod, Und unerschrocken eilt sie, zu vollziehen Die schönste Heldenthat, die je Ein Frauenherz vollbracht. 6 Versammelt hat sich Thebens Volk Mit Sang und Tanz in allen Tempeln, Des holden Friedens Glück zu feiern. Froh tönt ihr Jubel durch die Stadt. G H o v. Strophe I. Strahl des Helios, schönstes Licht, das der siebeuthorigen Stadt Thebe's nimmer zuvor erschien; du strahlst endlich des gold- neu Tages Aufblick, herrlich herauf, über Dirke's strömende Fluten wandelnd; und ihn, der mit leuchtendem Schild kam von Argos in voller Wehr, triebest du flüchtig in eilendem Lauf fort mit hastigem Zügel; ihn, der durch Polynikes feindlichen Zwist zu dem Kampfe geführt auf unsere Gau'n, mit scharfem Getön wie ein Adler daher¬ flog über das Land, von der Schwinge gedeckt, hellglänzend wie Schnee, mit der Rüstungen viel und mähnenumflatterten Helmen. Gegenstrophe I. Uber unserem Dach umgähnt er den siebeuthorigen Mund mit blutlechzenden Speeren rings, und floh, ehe mit unserem Blute er voll Gierde den Schlund füllen mocht und ehe der Thürme Umkränzung tilgt Hephästos in Fackelglut. Also tost im Rücken ihm her Ares Gewühl, schwer wurde sein Kampf, denn ihn drängte der Drache. Ja, schwer hasst Zeus großsprechender Zung' aufblähenden Stolz, und als er ihr Herr, den heranwogenden Strom schimmernd in Gold, im Geräusch unbänd'gen Trotzes ersah, traf er den Mann mit geschwungenem Strahl, der schon an die Höhen, Siegesruf erhebend, empordrang. Strophe Ick. Niedergeschmettert zur dröhnenden Erde stürzt er, welcher, bewehrt mit der Fackel, in trunknem Wahnsinn, in wnthschnau- bendem Drang uns anblies mit feindlichem Hauch; doch es gieng anders aus! Andern verhängt andere Los' Ares, der wildwirrende Treiber, schaltend zur Rechten. Recitativ. Denn die Sieben, um sieben der Thore gestellt, Mann wider den Mann, sie ließen die Wehr, rings starrend von Erz, dem besiegenden Zeus. Nur die Zweie voll Grimm, aus demselben Blut, aus demselben Schoß, die gegen sich selbst die gewaltigen Speer' erhoben, umfieng des gemeinsamen Todes Verhängnis! Gegenstrophe II. Aber die namenverleihende Nike kam ja, gnädig vergeltend der wagenberühmten Thebe; deshalb denkt nach dem Kampf ihr auch nicht des jetzigen mehr! Lasst in Nachtreigen uns tanzend umherzieh'u zu der Stadt Tempeln; voran hebe sich Baccheus, Theben erschütternd! Der Chorführer. Doch hier naht uns des Menökeus Sohn, Kreon, der neuwaltende Herrscher, erregt von dem neuen Geschick, das Götter verhängt. 7 Cho r. Ihm wogt ein hoher Gedank' in der Brnst, weil eben der Greis" ehrwürdigen Rath er hieher lnd zum Versammlungsort, durch He¬ rolds Ruf sie bescheideud. II. Die Stimme des Frohlockens schweigt. Hervor tritt Kreon, kündend seinem Volk Das Machtgebot: «Es bleibe unbegraben Des Polynikes Leiche; Schmach und Tod, Sie treffen jeden kühnen Uebertreter Des königlichen Spruch's.» — Ein Bote, kaum Des Wortes mächtig, bleich und zitternd, eilt Herbei, die Schreckenskunde überbringend: Begraben sei der Leib des Polynikes, Doch wessen Hand die kühne That gewagt, Sei selbst dem schärfsten Späher unbekannt. — Hoch lodert auf des Königs Zorn; er schwört: Nichts bleibe unversucht, die Folter selbst, Den Thäter des Verbrechens zu entdecken; Nicht ruhen will er, bis durch Macht und List Ergriffen sei das Haupt des Schuldigen. Vor dem Gewaltigen bebt Thebens Volk; Es preist des Menschen hochbegabten Geist. Erfindungsreich, allfähig, alles wagend, So zeigt er sich in seiner Herrlichkeit, Und doch harrt unvermeidbar sein der Tod. K H o v. Strophe I. Vieles Gewaltige lebt, und nichts ist gewaltiger als der Mensch, drum selbst über die dunkele Meerflut zieht er, vom Süd umstürmt, hinwandelnd zwischen den Wogen, den rings umtosten Pfad. Er müdet ab die höchste Göttin, Gäa, die ewige, nie zu er¬ mattende, während die Pflüge sich wenden von Jahr zu Jahr, mit der Rosse Stamm sie furchend. Gegen st rophe I. Flüchtiger Vögel leichte Schar und wildschwär¬ mendes Volk im Wald, Thier' auch, welche das Meer erzog, fängt er, listig umstellend, ein in netzgesponnener Windung, der viel- 8 erfahrne Mensch; gewandt bezwingt er auch des Landes Berge durchwandelndes Wild, und den mähnigen Nacken umschirrt er dein Ross mit dem Joche rings, auch dem unbezwnugneu Bergstier. Strophe II. Uud das Wort und den lustigen Flug des Gedankens erlernt' er, ersann staatordneude Satzungen, weiß dem ungastlichen Froste des Reifes nnd Zeus' Regenpfeilen zu entfliehen. Ueberall weiß er Rath, rathlos trifft ihn nie das Künftige. Nnr nicht den Tod zu fliehen ward ihm vergönnt, doch schwere Krankheit bannt er durch sichere Heilung. G e g e n st r o p h e II. In Erfindungen listiger Kunst Wohl über Verhoffen gewandt, neigt bald er zum Argen, zum Guten bald, achtet hoch der Heimat Gesetz, der Götter schwurheilig Recht; Segen der Stadt! Aber zum Fluche lebt ihr, wer, gesellt dem Laster, voll Trotz sich bläht; nicht an meinen Herd mit mir gelange, noch in meinem Rath solch ein Frevler. Recitativ. Was seh' ich? Erscheint von den Göttern gesandt dies Wunder? Ich weiß, wie leugnet' ich's noch, dass die Jungfrau dort Antigone sei. Unglückliches Kind von dem Unglücksvater, dem Oedipus, ach! Was ahnt mir? Führen sie dich hieher, weil du die Gebote des Königs brachst und ergriffen dich über dem Wagstück? III. So schnell ereilt die Strafe das Vergeh'n! Weh! dass ein Herz durch Liebe strafbar wird! Antigone, sie hat die fromme That Vollbracht; die Erde deckt des Bruders Grab, Bethaut von: Schmuck der Schwesterthräuen; Doch nichts entgeht dem Spüherblick der Wächter; Wo sie den Himmel nur als Zeugen sah, Ergriffen auf der That, wird sie Von rauhen Männerarmen hingeführt Vor Kreons grimmentflammtes Angesicht, Der sie zur Rede stellt ob jener That. Die Jungfrau spricht voll Würde edelstolz: «Nicht feige Furcht verschließe mir den Mund! «Was ich vollbracht, des war der Himmel Zeuge, «Der leuchtend blickte auf die fromme That. 9 «Was Menschlichkeit mir in das Herz geschrieben «Mit unvertilgbar heil'gen Flammenzügen, «Dem folgte ich, gehorchend ohne Scheu «Dem Götterwillen, nicht der Menschensatzung.» Der König zürnt der Unerschrockenen: «Und weißt du, dass der Tod den Frevler trifft, «Der dem Gebot des Herrschers wagt zu trotzen?» — Sie spricht: «Mich treffe ehrenvoller Tod! «Schmach war's, zu unterlassen, was ich that.» Ergrimmt ob solchem Trotz, der König ruft: «So steige lebend in das Felsengrab! «Nicht länger sollst du schau'n den Sonnenstrahl, «Vergehend qualvoll in der Todesnacht!» Mit schmerzbeklomm'ner Stimme flüstert sie: «Wohlan! so tödte deines Sohnes Braut! «Ich werde einsam und wehklagend sterben, «Doch des Erkornen Liebe wird «Mir folgen in das Schattenreich.» Den König rühret nicht der Jungfrau Tod, Rührt nicht des eig'nen Sohnes Schmerz; Der Liebelose horchet nur dem Hass; — Zum Grabe wird Antigone geführt. Wehklag' und Trauer folgt der Scheidenden, Doch muss aus ihrer Gruft ein böser Dämon Anfsteigen, denn beschlossen hat Des Königshauses Untergang Zeus, der Hochstrahlende, Allwaltende. K H o r. Strophe I. Der Chorführer. Ihr Seligen, deren Geschick nie kostet' Unheil! Wem sein Wohnhaus Götter erschütterten, niemals lässt der Fluch ihn, von Geschlecht zu Geschlecht sich wälzend. Chor. So wie das aufgeschwoll'ne Meer, wann vom Thrakersturm erregt, machtvoll es in die umdüsterte Tief' hinab sich wälzt, vom Abgrund auf den schwarzen Meersand wühlt und dumpf im stöhnenden Orkan die flutgeschlag'nen Ufer tosen. 10 G eg en st rop h e 1. Der Chorführer. Wohl seh' ich im Labdakos Haus uraltes Leide» fort und fort aufs Leid der Geschied'ueu sich häufen; nicht Be¬ freiung schafft ein Geschlecht dein Geschlecht; hinab stürzt ein Gott sie, löst nicht ihren Fluch! Chor. Denn die letzte Wurzel, der glücklicheres Licht erstrahlt in dem Haus des Oedipus, auch die mäht nun der Todesgötter blutigrothe Sichel ab, des Sinnes Thorheit und der Seel' Erinnys. Strophe II. Wer mag deine Gewalt, o Zeus, kühn anfhalten in frevlem Hochmuth? Die nimmer der Schlaf fesselt, der Allentkräfter, nimmer der Götter rasche Monden. In nie alternder Zeit bewohnst dn des Olympos lichten, strahlenden Gipfel, Herrscher! Für ver¬ gangene Zeit und Zukunft und jetzo besteht dies Gesetz. Nimmer nahet im Leben das Glück lanter und frei vom Leide. Gegenstrophe II. Denn die schweifende Hoffnung bringt oft wohl vielen der Männer Segen, doch vielen der leichtsinnigen Wünsche Täuschung; manchen beschleicht sie arglos, bis er den Fuß senget an heißer Flamme. Das gepriesene Wort drum scholl von des Weisen Munde, es bedünke Böses gut oft dem, welchem ein Gott den Sinn ins Verderben lenke. Nur flüchtige Zeit wandeln wir frei vom Leide. Recita tiv. Sieh, Hämon erscheint, der deinem Geschlecht am letzten entspross; wohl über das Los der verbundenen Braut Autigone naht er, von Jammer erfüllt, um der Hochzeit Raub sich betrübend. IV. Schon hat vernommen Hämon, Kreons Sohu, Des harten Vaters grausen Todesspruch Der ihm verlobten, heißgeliebten Braut. Der Jüngling, edlen Geistes, sanften Herzens, Tritt vor den Vater, ehrend seinen Willen, Dem er, und bräch' ihm auch das Herz, sich beugt; Nicht wagt er es, zu klagen seinen Schmerz, Doch drängt ihn das Gefühl der Kindespflicht, Dem König kund zu thun, wie Tadel schleicht, Missbilligend den harten Tvdcsspruch: O hemme steht er — deinen Zorn nnd öffne «Dem Recht, dem Edelsinn dein Herz! «Ihr, die des Lebens Ehr und Zierde ist, «Ihr gönne du des Lebens Freud und Ruhm! 11 «Was sie vollbracht, bringt dir und Theben Ruhm; «Den Zorn der Todten aber reize nicht! «Die Reine steht im Schutz der Himmlischen; «Wen Götter lieben, hasse nicht der Mensch!» — Des Jünglings Flehen trifft ein Herz von Stein. Das Haupt gesenkt, den Blick voll düstrer Glut, Spricht Kreon dumpfen Lautes vor sich hin: «Ihr Brautbett sei die Felsenkluft!» Von Hämvns bleicher Lippe stöhnt es leise: «Sie stirbt — und ihrem Tod folgt and'rer Tod.» — Deni inhaltschweren Wort horcht Kreon nicht. Er steht unbeugsam, ein Gebild von Erz. Es siegt der Hass und durch den Hass der Tod; Der Stern der Lieb' erlischt und mit ihm das Leben. Das Mitgefühl bewegt des Volkes Brust, Und aus des Herzens Tiefe tönt ein Lied. Es preist der Liebe Macht, Es klagt der Liebe Leid. Sol'oquarttett, KHor und Wel'oörcrrn. Soli. Strophe I. O Eros, Allsieger im Kampf! O Eros, einstürmend in Herden, der nachts auf schlummernder Jungfrau zartblühende Wangen webet! Du schweifst ob Meerfluten, besuchst hirtliche Wohnstätten; kein unsterblicher Gott kann dir entrinnen, kein Sterblicher auch, des Tages Sohn, der Ergriffene raset. Gegen st rophe I. In böse Schuld lockst du den Sinn des edlen Mannes, ihn zu verderben. Auch diesen Hader erregtest du bei den verwandten Männern. Im Blick der holdseligen Braut waltet der Sehnsucht Macht siegreich, die in dem Rath der höchsten Gesetze thront, und es gewinnt im Spiele den Sieg Aphrodite kampflos. Und horch! der Wehruf der Braut; Dem Tod geweiht, Tönt in das Klagelied, Wie Nachtigall den Schmerz Im Schoße der Nacht hinweint. Chor. Auch mich führt schon, was ich ansehn muss, weit über die Bahn des Gesetzes hinaus; nicht länger bezwing ich der Thrünen Erguss, da ich sehe, wie nun Antigone dort in das allesverschlin- gende Grab eilt. 12 O seh't mich, seh't, Bürger der Väterheimat, wie ich den letzten Weg dahin wandle, — den letzten Strahl sehen soll von Helios' Glanz, und nie wieder. — Bebend entführt Hades, all ausnehmend in Ruh, mich zu den Ufern Acherons; Hymenäen erschollen nicht, kein bräutliches Lied feierte mich mit Festklängen, Acheron ruft ins Brautbett mich! Chor. Doch würdig des Ruhms und mit Lobe geschmückt wandelst du hin dort in der Todten Gemach; nicht zehrende Krankheit raffte dich hin, noch traf dich ein Schwert, das Rache gezückt; nach eigener Wahl und lebend, allein von den Sterblichen, gehst du zum Hades. Ich horte, wie Tantalos Tochter, jene Phrygerin, jammervoll einst auf Sipylos Höhn erstarrt. Gleich des Epheus schlingendem Grün rankt nm sie der sprossende Fels; — rastlos zehrt der Regen an ihr, lautet die Sage, der Schnee lässet sie nimmer und badet unter den thränenden Brau'n ewig den Busen ihr! Also bettet der Tod zur Ruh auch mich! — Chor. Ja, sie war Göttin, göttlichen Stammes, wir Sterbliche nur aus Menschengeschlecht. Doch groß ist auch des Geschiednen Ruhm, ein Los mit Göttern zu theilen! Weh, Weh! Verlacht werd ich! O Götter meiner Väter! Wie kannst du mich lebend höhnen, eh ich ins Grab sank? Stadt und o meiner Stadt Männer, reich an Besitzung! Und du, Dirka's Brunnquell, Lusthain du der wagenberühmten Thebe! Als Zeu¬ gen beschwör ich euch alle, wie uubeweint von Freunden, kraft welchen Spruchs ins enge Grabgewölb hinab zur neuen Gruft ich steigen muss! — O weh! Unsel'ge! — Nicht unter Menschen — nicht unter Todten, im Leben nicht heimisch, noch im Tode! Chor. Vorschreitend bis zu des Muthes Ziel, stießest du an Dike's hohen Thron gewaltig an, verwegnes Kind! Du kämpfst wohl aus den Kampf des Vaters! Du regest herzkräukende Qual mir auf im Buseu, das Jammer¬ geschick des Vaters, kündbar in aller Welt, und das ganze Los, das uns, Labdakos Stamm, fiel. Weh! Weh! flnchvoll mütterlich Eh'bett, aus welchem ich entspross, die Unsel'ge, die fluchbeladen, unvermählt, nunmehr zu diesem niedersteigt. O Weh! — Unselig war mir, o Bruder, dein Eh'bund auch! — Du stirbst, und mich raffst du fort vom Leben! Chor. Fromm handelt, wer die Todten ehrt; doch dessen Macht, dem Macht gebürt, zu verachten, ziemt sich nimmermehr; ja, dich stürzt eig'ue Wahl ins Unheil! Unbeweint, ohne Freund, unvermühlt, dahin werd ich geführt, schon bereit ist der Pfad; nimmer das heilige Auge der himmlischen Leuchte darf ich sehen, ich Arme! — Meinen Tod ehren die Freunde nicht nnt Thränen noch mit Klage. 1.8 V. Den Pfad des Todes wandelt sie dahin. Erblichen ist der Wange Jugendroth, Erloschen ist der Angen Sternenlicht. Beklagt von allen und verlassen doch Von allen schreitet schweigend sie einher. Groß war. was sie vollbracht; groß will sie enden; Sie leidet, — doch die Götter wissen es; Sie stirbt, — doch ihrer harrt Elysium. Im Aeußern Ruh', hochwogend das Gemüth, So scheidet sie, die holde Grabgestalt, Vom Leben, von der theuren Vaterstadt Und vom geliebten Jüngling, dem sie einst Freudig entgegeneilt im Schattenreich. Schon öffnet sich die dunkle Felsengruft, Sie steigt hinab; das Himmelslicht erlischt; Der leisen Stimme letzten Ton Hört nur die Todesnacht, kein Menschenohr. — Nachhallt der einsam Sterbenden Wehmnthig schauerlich das Trauerlied, Wehrufend, dass des eh'rnen Schicksals Macht Den Reinen, den Schuldlosen auch zermalmt. WeLoövarn. Weh, Thebe's heimische Burg! Und ihr Gottheiten des Stamm's — Sie reißen mich ohne Verzug fort -- Und ihr, Oberherrscher von Thebe, seht Von der Könige Blut mich übrig allein! Welch Los und von wem ich es dulde, Dieweil mir Heiliges gegolten. G H o 77. trop heI. Auch der Danaö Reiz musste des Himmels Lichtstrahl einst mit der Nacht tauschen im erzdichten Haus und verborgen im grab- ühnlichen Nnhgemach wohnen. Und doch war sie, o Kind, von Geburt edel und trug hegend im Schoß goldener Saat Ströme von Zeus. Ja wohl ist des Geschicks Obergewalt furchtbar. Nicht kann der Reichthnm, Ares nicht, kein Thurm ihr, noch das dunkle Schiff entflieh'n, das rings die Woge umbranset. 14 G e g e n stro p h e I. Dryas zornigen Sohn, Herrn der Edonen, als er wider den Gott frevelte, hohnlachend band Dionysos, in felsstarrende Kluft ihn einzwängend. Also schwindet in nichts eitelen Wahnsinnes wild- anfbrausende Kraft; jener empfand's, dass er den Gott mit Hohnworten in wahnsinniger Wuth reizte; denn gottenzückter Frauen Schwarm, die Glut des Evios wehrt' er ab und höhnt' euch, flötenfrohe Musen. Strophe II. An der kyanischen Flut des verschwisterten Meeres hin dehnt sich Bosporos Strand, und der thrakische Salmydessos, wo Ares, im Land waltend als Gott, an Phineus zwei Söhnen schaute die grause Wunde, nachdem die ruchlose Gattin, blendend der Augen Sterne beiden, nicht mit dem Speere, nein, ergrimmt ausstach mit blutigen Händen, mit ihres Webschiffes scharfen Spitzen. Gegen strop he II. Und es vergiengen im Leiden die Elenden, über ihr Elend weinend, entsprossen dem Unglücksbnnd der Blutter, die doch an dem uralten Geblüt des Erechtheus theilhatte, und bei den väterlichen Sturmwinden aufwnchs in fernen Grotten, die ross'- ereilende Boread' ans steilen Höh'n, ein Gottkind, doch auch sie bestürmte die Macht der uralten Moira, Tochter. VI. Kreon! die Götter senden dir Noch einen Himmelswink, noch eine Mahnung; Lass Eingang sie in deine Seele finden; Tiresias, der Sehergreis, beraubt Des Augenlichts, tritt vor dich, dir kündend, Was dich erschüttern soll, das Unheil wenden. «Die Götter zürnen dir; erloschen ist «Das Opferfener ans dem heil'gen Herd, «Von Aar und Geier der Altar entweiht, «Die Götter nehmen von uns nicht Gebet, -Nicht Opfer, nicht des Weihrauchs Duft und Glut. «O König! kämpfe mit den Todten nicht, -So spricht Tiresias, der Sehergreis, «Zu dir im Namen deines Volks.» — Auch dieser Warnung bleibt des Königs Sinn Verschlossen. Falsch schilt er die Kunde, nennt Erkauft des greisen Sehers feilen Spruch. Da ruft Tiresias scheidend noch die Worte: «Du frevelst; doch es lauern schon ans dich «Die rächenden Erynnien, und schnell 15 «Eh' noch die Sonne ihren Lauf vollendet, «Trifft einen Sprössling deines Blut's die Strafe «Für jene Frevelthat, die du verschuldet.» — So zürnend schreitet hin der Sehergreis. Stumm blickt der König dem Entschwnnd'nen nach, Da plötzlich, wie ein Zauberschlag, fasst ihn Grau'n und Entsetzen. Wehruf tönt und Klage; Der Eumeniden Schlangengeißel schwirrt; Er stöhnt, er rast, sinkt, rafft sich auf und eilt Zur Felsengruft, mit eig'ner Hand Die Jungfrau, die sein Wort dem Tode hingab, Heraufzuführen an das Sonnenlicht. Von banger Sorge zitternd steht das Volk, Noch tönt in seinem Ohr des Sehers Fluch; Es sieht des Königshauses Untergang. Zu Thebens Schutzgott steigt, um Hilfe flehend, Ergrauter Manner Bittgesang empor. G H o r. S tr o p h e I. Vielnamiger! Wonu' und Stolz der Kadmosjungfrau, du des stark erdonnernden Zeus Geschlecht! Du Schutz der herrlichen Italia, des gemeinsamen Meerbusens Herrscher am Strand, wo auch Deo thront. Hör uns Baccheus! in Thebe, der Bacchanten Stadt, wohnend an Jsmenos feuchtem Gewässer, vereint der Saat des wilden Drachen! Gegenstrophe I. Soli. Auf dem Felsen mit dopplem Haupt sieht dich des Blitzes Flamme, wo korykische Mädchen froh der Bacchen Tanz begehn; dich sieht der Born Kastalias, dich feiern nystscher Berg' Anhöh'n, Epheus voll! Chor. Dir singt grüner Strand traubenbekränzt, dich grüßt mit fest¬ lichem Hall' ein Chor heiliger Lieder, so oft du Thebe's Gassen heimsnchst. Hör uns Baccheus! Strophe II. Die Stadt, die du stets vor allen Städten verehrst; sammt der Mutter, die im Blitz dich umfieng. Auch nun, da so gewaltig grause Noth die gesammte Stadt ergriff, komm rettend über des Parnassos Höh'u daher oder durch das Gestöhn des Meeres! Hör uns, Baccheus! Gegen strop he II. O du glutaussprüh'nder Gestirn' Anführer, der Nacht Jubeltönen vorgesetzt! Zeus entspross'ner Knabe. Hör uns! Im Gefolg der naxischen, der entzückten Mägde komm, komm, die ganz die Nächte hindurch schwärmend dich im Chortanz den Herrscher Jacchos feiern. Hör uns, Baccheus! 16 Vil. Es ist zu spät! Schnell wie der Flammenpfeil Des Blitzes aus der Wolken dunklem Schoß Zur Erde fährst hat sich des Sehers Fluch Erfüllt. Hinab steigt Kreon in die Gruft, Ein leises Aechzen tönt ihm aus der Tiefe Entgegen, und beim düsterrothen Glanz Der Fackeln, die den Schoß der Nacht beglüh'n, Erblickt er der Gestalten zwei: Die Todte und den Sterbenden. Erdrosselt mit dem Gürtel des Gewandes, Ruht an dem Felsgestein Antigone In Hämons Arni. Ihr Ehbett ist die Gruft. Als nun des Vaters Jammerruf Der Jüngling hört, starrt er mit wildem Blick, Hebt schweigend das gezückte Schwert und senkt Den Stahl sich in die eigne Brust, Und auf der Jungfrau todeskalter Wange Stirbt seines Odems liebeglüh'nder Hauch. Der Vater trügt in feinen Armen Des Sohnes Leiche aus dem Grab. Glanzlos erscheint ihm nun des Lebens Pracht; Nichts sind ihm Thron und Krone, Todt sinkt er mit Mm todten Sohn zur Erde. Scßtu s s ch o r. Hier kommt er ja selbst, der Gebieter heran, in den Armen das lautredende Denkmal nicht fremden Vergehens, nein, eigener Schuld, wenn mir es zu sagen vergönnt ist. Schwer drückt den Sterblichen des Schicksals Macht, Doch lastet schwerer noch die eig'ne Schuld, Und untergehen muss ein Königshaus, Wenn Liebe in des Hasses Flammen starb! Viel köstlicher ist als Glückesgenuss der bedächtige Sinn; stets hege darum vor dem Göttlichen Scheu! Der Vermesseue büßt das vermessene Wort init schwerem Gericht; dann lernt er wohl, noch weise zu werden im Alter.