^IH Fünfter Jahrgang. ^6. März R8GI. Im Frühling. N vl-nn keimt und blüht es allcrwärtö, i Die Drossel singt im Waldcsgrün, ! Mir ist, als fiihlt' ich auch mein Herz Nun mit dcS Waldes Blumen blüh'n. Die ganze Welt crncnt sich, Und jedes Wiirmchcn freut sich; Wie Alles duftet, treibt und ringt In woimevollcin Werden — Was auch das Leben Trübes bringt: Es ist doch schön auf Erden! Dort siuucnd wandelt eine Frau, Schon furcht sich alternd ihr Gesicht; Das schwarze Haar wird silbcrgrau, Sie denkt der Jugendzeit und spricht: Die Vöglcin zwitschern wieder Die alten Frühlingslicdcr, Sie kennen nicht Veränderung In Antlitz und Gcbcrdcn — Doch, bleibt man auch nicht immer jung: Es ist gar schön auf Erden! Es fiel vom Bauin ein welkes Blatt, Ein Greis schloß sciue Augen zu, Ein Traucrzug wallt aus der Stadt, Man trägt den Leib zur cw'grn Nuh'; Der Geist auf lichtcrn Bahnen Sieht schon, was wir nur ahnen, Er geht zn neuem Frühling ein, Frei aller Noth zu werden — Wohl mag's im Himmel schöner sein, Doch schön ist's auch auf Erden. ^ . ^ Ein weibliches Herz. Novelle von Ludwig Vowitsch. (Schluß.) ,<^ft dir beiftr, lieber Vater?" frug Adele, an das Kranken« lager zurücktretend. „Ja, mein Kind — der Athem ist freier — der Schmerz hat nachgelassen —" Diese Besserung beruhte aber nach der Aeußerung des Arztes nicht auf einer C'rstarkung der Lebenskräfte, sondern auf einer Abspannung derselben. Als der Sonne letzte Strahlen an den Wänden des Gemaches zitterten, streiften sie an einer Leiche vorüber. Thalhannner hatte mit seinen langen Leiden abgeschlossen. Adele mußte ein neues Leben beginnen, aus der stillen, trüben und doch in vieler Rücksicht ihr so werthen Wohnung scheiden, hinaus wandern in die ihr nun so fremde, laute Welt. Das kleine Erb: nach ihrem Vater reichte nicht im Ent« ferntestcn zurFristung einer, wenngleich bescheidensten Eristenz. Nach längerer Anfrage fand sich endlich ein Unterkommen als Gesellschafterin einer hochbctagten reichen Witwe. Adele griff ohne Bedenken zu. „Mir bleibt schon," äußerte sie, milde lächelnd, „das Loos einer Krankenwärtern! beschieden." Frau v. Heller war voll wunderbarer Laune, jedoch im Wesen gut. Als eine für Adele höchst angenehme Erscheinung erwies üch der Hausfrau Lieblingsnichtc Lcnore, die sehr häufig zu Besuch kam. Das Mädchen war kaum 17 Sommer, besaß jedoch ein sehr scharfes Urtheil, heiterste Laune und ein trefflichstes Herz. Mit aufrichtiger Neigung schmiegte es sich an Adele und erhellte derselben manche Stunde der Wehmulh und des Nach« sinnens. Mälig fand Adele i.n neuen Haushalt sich heimisch. War das Leben desselben auch eben kein bewegtes, so bot es doch der erfreulichen Abwechslungen mehr, als die vormalige Krankenstube. Lenorc, in ihrer ewig regen Laune, brachte sogar oft eine Art Uebermuth in den kleinen Kreis. „Du mußt mir ganz gehören, wie ich dir gehören will, Adele, laß uns Freundinnen sein im echtesten Sinne." »Wer sollte es dir nicht sein!" Das zärtliche Verhältniß erfuhr auch durch mebrfältige kleine Reisen, welche Adele mit ihrer Gebieterin unternehmen mußte, keine Lockerung; im Gegentheile fühlten beide Mädchen erst in der Entfernung so recht das Bedürfniß desselben. Lenore gewann in der sanften ernsten Adele einen gewissen Halt für das eigene, bewegliche Wesen und ließ sich gerne von derselben beherrschen; Adele aber, liebevoll und licbeschnend, fand in der Freundin einen Ersatz für erlittene Verluste und liebte dieselbe mit der Wehmuth ihrer Erinnerungen. Lenore umfing in Adele das zukünftige, diese in jener das vergangene Glück. Nicht fester, wohl aber noch traulicher wob sich das Vündniß, als Frau v. Heller eine Neise in eine ferne Provinz« 42 stadt, wo ihr Besitzungen eigen waren, untcriuihm und auch i h Lenore theilnehmen ließ. a Nun lebten die Beiden gemeinsam jegliches Ereigniß durch li und theilten sich gleichmäßig in Tisch und Gemach. Frau v. Heller hatte Verschiedenes zu ordnen. Unter l Anderm kam auch eine Verlasscnschafts «Angelegenheit mit r einigen minorennen Miterben zu begleichen, als deren Kurator ! ^ der fürstliche Schloßverwalter fungirte. i Adele hatte sich um aU diese il)r gleichgiltigen Angelegenheiten nicht gekümmert. „Heute wird uns der Schloßverwalter besuchen," äußerte i Lenore, „ich habe ihn vor einigen Tagen in der Vorüber" ^ eile gesehen. — Ein bildschöner Mann, Adele —" Und es öffneten sich die Flügelthüren. Adele zitterte und trat in eine Fensterbrüstuug. Sie war nicht gesehen, nicht erkannt worden. Ihr Auge aber hatte den Fremden allsoglcich erfaßt — der Schloßverwalter war: C'rnest Walter. Frau v. Heller besprach sich mit dem Bevollmächtigten und dieser pflichtete ihren Anträgen bei. „Ist das nicht eine prächtige Erscheinung!" rief Lenore, als Walter sich entfernt. „Ja," entgegnetc tonlos Adele und fuhr sich mit der Hand über die Stirne. »Uebermorgcn wird er bei unö speisen — da haben wir dann Gelegenheit, weitere und eindringliche Beobachtungen über ihn anzustellen —" „Meinetwegen," bedeutete Adele. „Du bist ja völlig betroffen. — Ei — ei — so bist > du am Ende doch nicht gar so unempfänglich für — uuu —> muß deßhalb nicht so vorwurfsvoll mich anblicken —" Und der Schloßvrrwalter stattete den erwarteten Besuch ab. Adele beschloß, ihm auszuweichen, traf aber, diesen Vorsatz auszuführen gedenkend, eben mit dem Gaste unmittelbar zusammen. Das Herz quoll über; die Empfindung überwältigte den Willen: „Ernest, du!? klang ihr bebendes Wort. Der Angerufene prüfte nun die Frauengestalt mit schär» ferem Blick — die Stimme schien wie aus weiter Entfernung ihn anzuklingen — aus Nebelgrauen dämmerten die Erinne-rungen der Jugendzeit. „Grüßt mich Adele?" Ernest hatte, nachdem ihm durch Adelen's Vriefe jede letzte Hoffnung einer Vereinigung benommen worden war, seinen Gram in neuer Liebe zu bezwingen versucht. Die eingegangene Ehe bewährte sich jedoch als keine glückliche. Ernest's Gattin war eine leidenschaftliche, jähzornige Frau, deren Eude eben in Folge heftiger Gemüthsaufwallungeu, erfolgte. War Ernest's frühere bürgerliche Stellung keine zu vcr« achtende gewesen, so konnte doch seine Berufung zum Amte eines Schloßverwaltcrs vollends als ein Glücksfall betrachtet werden. Er säumte uicht, mit seinem ^jährigen Töchterlein die Wanderschaft anzutreten. Erncst war nun ein Mann von 38 Jahren; mochte auch der eigenthümliche Zauber erster Jugend erloschen sein; so itte dagegen sein ganzes Wesen an kraftigem Ausdruck ewonnen. Es spiegelte sich ein imponirender Ernst und eine ewinuende Milde zugleich in seinem Angesichte. Adele entrang sich zuerst der Bestürzung. Mit feier-!cher Ruhe, die jedoch als Preis eines Kampfes uicht zu erkennen war, frug sie nach den Verhältnissen, die ihn des Leges geführt, versichernd, seiner oft mit Wchmuth und iebe gedacht zu haben. Ernest gab Bescheid. War der Eindruck, den Adele im ersten Momente auf hu geübt, mehr auf den Grund der Ueberraschung zu basiren, >nd minder auf ein altes, schlummerndes Gefühl zurückzueilen, das erwachend wieder von feinen Rechten über das öerz Besitz zu uehmen sich anstrengte, so zollten die Ein-)n'lcke der späteren Begegnungen vorwiegend und bald aus-'chließend den aus dem Schütte des Lebens sich erhebenden Erinnerungen ferner Zeiten. War auch Adele nicht jene Adele, die sie war vor nahe 13 Jahren, stammte im Auge auch nicht mehr jenes räthsel« )aste Feuer, blühten die Lippen nicht mehr so rosenroth: es ließ sich die Schönheit doch uoch immer in den edleu Zügen nnden, und Ernest fand diese Schönheit und bildete aus ihr die einst so heiß Geliebte wieder. Der feierliche Friede in Adelen's Brust erlitt mächtige und mächtigere Erschütterungen. Da« Herz, so im Banne der Resignation längst stürmische Hoffnungen und Wünsche zu hegen aufgehört hatte, schlug heftiger und heißer. Nun galt es keinem kranken Vater zu Liebe mehr zu entsagen! Ernest stand frei und erklärte, daß der verklungene Liebestraum mit neuem Zauber durch seine Seele töne. Konnte er seinem Kinde eine bessere Mutter geben? Aber während über Adelen's bleiche Wangen die Freude einen matten Noscnschimmer goß, schwand die Rothe vom Antlitz Lenoren's. Das sonst so heitere, wilofrohe Mädchen wurde tiefsinnig und ernst. „Nein," sprach es zur Freundin, „es soll dir nicht vorenthalten sein. — Ein nie cmpfuudeues Gefühl ist es, das mich Waltern gegenüber durchbebt — ein namenloses Sehnen zieht durch die tiefsten Schachte meiucr Seele, wenn er fern — Adele—ich liebe den schönen, stattlichen, milb'düstern Mann!" Adele zuckte zusammen. Mit seltsam flackerndem Blicke maß sie ihre Nebenbuhlerin. — Nur die Gewohnheit des Kampfes ließ sie über die sie zu betäuben drohende Aufregung siegen. '„Du liebst ihn — Walter ist auch eiu trefflicher Mensch—" Das vordem so gleichmäßig verrauschte Leben wechselte nun zwischen hoher Flutb und tiefer Ebbe. Ernest erbat sich Adelcn's Hand uud Herz zum Gange durch die Welt. Schweigend lehnte sich die Vielgeprüfte an des Theuren Brust. Aber nicht der Schmerz allein, auch das Entzücken bricht dcs Körpers Kräfte. 43 Adele erkrankte schwer. Lenore pflegte der Freundin mit aller Sorgfalt aller Selbstucrläugnung. Ernest konnte dem schönen Mädchen seine Anerkennung nicht versagen. Er äußerte sich in diesem Sinne selbst gegen seine Vraut und pries den künftigen Gatten Lenoren's glücklich. Adele genas. Der Sturm, der über ihr Herz dahingegangen, hatte sich erschöpft. „Nein — Lenore — nein — nein — die blühende Nose soll sein Leben schmücken — nein —" fuhr Adele nach einem tiefen Athemzuge, flüchtig in den Spiegel blickend, fort — „wie ich gealtert bin —" „Du wirst dich in Bälde erholen —" „Ja — die Kraft meiner Seele hoffe ich wieder zu gewinnen —" Als Erncst kam, empfing ihn Adele ruhig, feierlich. „Du hast dich getäuscht, Walter — nicht mich kannst du lieben, nur die Erinnerung an mich — dein, alteö, in der Brust entschlummcrtes Gefühl ist neu erwacht beim Anblicke eines Schattens ferner Zeit! Ja — ich bin ein Schatten nur jcner Adele, die dir einst so theuer war — du sollst nicht, wer weiß, wie bald, bereuen, dich getäuscht zu haben und nicht grollen, von mir in der Täuschung belassen worden zu sein. — Ich gebe dir dein Wort zurück — gib mir das meine —" „Was hör' ich, Adele? —" „Soll ich nach 13 Jahren weniger Kraft zur Entsagung finden? Soll die alternde von der jugendlichen Adele sich beschämen lassen? Ich bandle nicht als Schwärmerin — ich entscheide mit klarem Einblick in die Verhältnisse mit unbefangenem Willen!" Ernest fand vor Betroffenheit lange kein Wort. Endlich ermannte er sich zu Vorstellungen und Widerlegungen. „Es ist entschieden — ich halte an meinem Entschlüsse unwandelbar, wie ich gehalten habe, als es meinem Vater z>l Liebe von dir zu scheiden galt — du hast dich selbst geäußert, welch einen tiefen Eindruck Lenore auf dich geübt. — Gewähre mir, wo ich dich nicht zu beglücken vermag, die Freude, dir das Glück durch meine Freundin zuzuführen — Lenore liebt dich mit allem Feuer der Jugend!" »Und du wendest dich von mir -—" „Weil du mir über Alles theuer bist —" Sprach's und blieb unwandelbar. Legte der Freundin Hand in die des Geliebten. Schmückte am Hochzeittage selbst die Braut, wandelte gleich einer Heiligen durch die festlich erleuchteten Zimmer. „Wolle dic Erinnerung an mich Euch einander segnend umschweben —" rief sie, umarmte die Tiefergriffenen und stieg in den Ncisewagen. Tante Heller winkte ihrer Nichte noch lange mit dem weißen Taschentuche. Adele verlor sich iü die Betrachtung der cben mit all ihren Wundern und Wonnen aufsprossenden Frühlingslandschaft. Wie Ratten. Die Natten, deren Zahl Legion ist, bestehen nur aus drei Abarten, nämlich: die braune, schwarze und Wasserratte. Diese, ein harmloses, unschädliches Geschöpf, lebt und stirbt auf den aus dem Wasser hervorragenden Wurzeln und ist eigentlich mehr dem Biber als der Natte verwandt, so daß sie sich eigentlich in eine Familie eingedrungen, mit welcher sie keinc Aehnlichkeit hat. Was die schwarze Ratte betrifft, welche vorzüglich England zu ihrem Vaterlande erwählt, so ist die Zeit ihrer Einwanderung dahin unbekannt, dürfte jedoch in das sechs« zehnte Jahrhundert fallen, da dieß unersättliche kleine Thier schon den Unterthanen der Königin Elisabeth bekannt war. Während langer Zeit blieb die schwarze Ratte die ein^ zige Vertreterin ihrer Nace in England, bis das Schiff, welches den Churfürsten Georg nach England brachte, auch die braune Ratte (M15 llceumunu«), welche bestimmt war, ihn von seinem Vcsitzthum zu vertreiben, mit sich führte. Ob diese neuen Eindringlinge aus Indien, Persien oder Gibraltar stammen, ist unentschieden; in Frankreich leben die braune und schwarze Nace friedlich zusamiüen. Seit dem Einfalle der Braunen hatten sie anderthalb Jahrhunderte Zeit, um sich zu vermehren, was auch in unglaublich« Weise geschah. Man hat berechnet, daß in einem einzigen Jahre 631.9dl) Natten aus einem einzigen Paare entstehen, und wenn auch diese Zahl zu groß erscheint, um richtig zu sein, so wäre es doch schwer, die Zahl dieser Thiere zu überschätzen, da zu Paris 6W.9W Natten in dem kurzen Zeitraume von 14 Tagen zu dem einzigen Zwecke, um ihr Fell für ein Paar Fabriken zu erhalten, erschlagen worden sind. , ^ Die Gefräßigkeit der Ratten gleicht ihrer Fruchtbarkeit. ' Ihr Geschmack ist ein universeller, so daß beinahe Alles ihrem Gaumen mundet. Für die sorgsame Hausfrau sind sie eine beständige Plage, da sie Schinken und Vackwerk, Butter und Oel, ja sogar Schuhe und Stiefel genießen; zudem bohren sie Löcher in die Dielen, untergraben das Steinpflaster, todten Hühner und Enten oder lagern sich inmitten der Getreide» schober. Im Frühlinge verläßt die Natte ihren Stapelplatz, in dem sie den Winter verborgen verlebt hat und begibt sich in die Felder, wo sie unter den jungen Hasen und Wildpret aller Art eine fürchterliche Verheerung anrichtet, und nicht zufrieden damit, das Getreide in den Feldern zu verzehren, sich noch einen Vorrath davon ansammelt. Mit dem heran» nahcndcn Herbste kehrt der größte Theil der Natten in seine alten Wohnungen zurück, obschon einige das wilde Leben in den Wäldern vorziehen und regelmäßige Wilddiebe werden. Diese werden länger und mehr dem Wiesel ähnlich, ihr Fell ist rauher, der ganze Charakter ausgesprochener und grali« samcr. Im Punkte ihrer Vorliebe für Eier entwickeln sie großen Verstand. Da es fast unmöglich scheint, eine so , gebrechliche Ware unzerbrochen fortzuschaffen, so verfahrcn D 44 sie damit auf folgende Weise: Wird der Raub ohne einen ^ Mithelfer begangen, so streckt die Natte ein Bein unter das Ei, hält es an die Wange an und kriecht vorsichtig auf drei Fußen davon; soll jedoch ein Ei vom Keller eines Hauses hinaufgeschafft werden, so wird dieß nur mit Hilfe eines j Gefährten folgendermaßen ermöglicht: Das Männchen stellt sich auf den Kopf und hebt das Ei mit den Hinterbeinen, worauf daS Weibchen es ?nit den Vorderfüßen ergreift und j so lange hält, bis sein Gebieter eine Stufe aufwärts ge» stiegen, und so geht es alle Stiegen durch, bis die Beute in Sicherheit gebracht ist. Es gibt noch eine Speise, welche ! für einen Rattengaumen so verlockend ist, daß er für sie jeden andern Leckerbissen hingibt, und dieß ist: ein verstorbener Verwandter. Geschieht es, daß zwei Ratten ihre Differenzen durch einen Zwcikampf beilegen, so sehen deren Freunde und Verwandten mit ebenso viel Vergnügen zu, als die Spanier einem Stiergefecht; sobald jedoch das Gemetzel mit dem Tode eines der Kä'mpfenden schließt, brechen die Zuschauer den Kreis, fallen sogleich über die Sieger und j Besiegten her und verzehren sie mit Haut und Haar. Die Natte kann kaum als ein muthigcs Thier betrachtet ! werden; sie verläßt sich mehr auf ihre Schlauheit als Stärke, j und denkt einem mächtigern Feinde gegenüber nur an's Entwischen; wird sie jedoch durch das Verfolgen und Drücken in einen Winkel zur Verzweiflung gebracht, so stürzt sie sich auf ihren Feind — wobei die Wasserratte verhältnißmäßig i wilder als ihre Gevattern ist. Die Angriffs- und Vertheidigungswaffen der Natten bestehen in vier langen und scharfen Ober« und Unierzähnen, welche, Keilen gleichend, immer eine feine, scharfschneidende Ecke, mit einer harten Glasur überzogen, bilden; der innere Theil besteht aus einer dünnen, elfenbeinartigen Komposition. Die Zähne des Oberkiefers beißen genau in die des untern ein, und der durch die Wirkung des Nagcns sich abnützende Theil wird beständig durch neuen Wachsthum ersetzt. Die Hinterfüße des Thieres sind so biegsam, daß sie gedreht werden können, bis das Fersenbein auswärts kommt, wo« durch es in den Stand gesetzt wird, sich mit den Hinterzehen an Bäume, Geländer und Mauern zu halten, während es sanft herniedelgleitet. Obschon als Gegenstand allgemeinen Mißfallens bezeich« net, dürfen seine guten Eigenschaften doch nicht unerwähnt bleiben. Die Ratte ist nicht alles Gefühls und jeder Neigung bar, und man hat häufig Beispiele, daß sie gezähmt, gegen Diejenigen, welche sie füttern und liebkosen, eine Anhänglichkeit zeigt; ebenso kann sie dahingebracht werden, mit ihren natürlichen Feinden, dem Frettchen, der Katze und dem Hunde in Freundschaft zu leben. Im Zustande der Freiheit scheinen die Natten auch von jeglicher Krankheit frei zu sein, was wohl ihrer großen Reinlichkeit zuzuschreiben ist, da sie die ganze Zeit ihrer Muße mit dem Putzen ihres Fells zubringen. Gegen das Naßwerdcn der Füße hegen selbst die Wasser» rattcn einen großen Widerwillen, was sie jedoch nicht hindert. ! sich in Schiffen einzuwohnen, die sie oft so überfallen, daß sie nur durch Schwefel und Steinkohlen daraus vertilgt werden können. Rezepte zur Vertilgung der Ratten sind ebenso wirksam, als jene für Gicht und Zahnschmerzen. Todte, mit Arsenik bestreute Ratten, in ihre Löcher gelegt, Räuche-rungen mit Salz, Vitriolöl u. s. w., gestoßene Hundezungen in ihre Hö'hl-en gesireut, sollen diese ungebetenen Gäste sicher hinwegtreiben. Ebenso anempfehleuswerth ist: Phosphor, mit ! Wasser gemengt; 3 Unzen Theriak, eine Unze Kux vnmicn, ! fein gestoßen und mit dem besten Wcißmehl vermengt, ein halbes Vfiind Brotkrumen und 6 Tropfen Kümniclöl, wohl vermischt und in die Löcher gestopft. Sollte einer von unseren Lesern je von einer Ratte gebissen werden, so wird er keinen Schaden erleiden, wenn , er die gebissene Stelle sogleich mit gelber Seife und heißem Wasser wäscht. Sehnsucht nach der Heimat. Als Kaiser Karl V., der Thatenmuthige, seine berühmte Erpedition nach dem Eeeräubcrstaate Tunis unternahm, be« fand sich auch der spanische Held Ferdinand Cortez, der Eroberer Meriko's, in seinem Geleite. Dieser besaß eine überaus schöne und kostbare Perle, von welcher der Kaiser wußte, die er aber noch nie gesehen hatte. Als sie eines Tages auf dem Verdeck standen, erinnerte sich Karl V. dieses Kleinod's und äußerte den Wunsch, es zu sehen. Auf das griff Cortez in hastiger Dienstfertigkeit in die Tasche, zog die Kapsel heraus, welche den Schaß enthielt, öffnete sie mit eben so viel Unglück als Ungeschick, denn die Perle fiel auf den Boden, rollte weiter und versank im Meere. Als der erschreckte Monarch sein Bedauern über diesen Verlust ausdrückte, entgeguete Cortez ganz ruhig und gelassen: „Lassen wir dem kleinen Ding die Freude der Heimkehr in die Heimat, und hoffen wir um dieses Opfer umsomehr, daß auch wir heil in das Vaterland zurückkehren werden!" Feuersichere Crinolinen. Bei der letzten Versammlung der pharmazeutischen Gesellschaft in Vdinburg zeiqte Dr. Stevenson Macadam eine Crino-line vor, deren eine Hälfte in eine Lösung von schwefelsaurem Ammoniak getaucht worden war. Er hielt sie sodann über eine brennende Kerze und augenblicklich stand diejenige Hälfte der Crinoline, welche nicht mit der Ammoniak-Lösung getränkt war, in vollen Flammen, wahrend das Feuer auf die zweite Hälfte keine andere Wirkung äußerte, als daß es dieselbe theil-weise verkohlte. Man kann dieses Resultat als ein sehr befrie« digendes betrachten, denn das schwefelsaure Ammoniak ist im Handel um einrn ziemlich niedrigen Preis zu haben, und würde bei einer allgemeineren Anwendung die vielen Unglücks« fälle, die durch die leichte Entzündbarkeit der Crinolinen entstehen können, verhindern. Literatu r. Von der bei Friedrich Ma n z in Wien erscheinenden Sammlung der S t a a t s g r u n d g e se tz e sind soeben das 2., 3. und 4. Bändchcn ausgegeben worden, welche die Verfassung vom 26. Februar, sowie säiumtliche L a n de s - O r d n u u g e n enthalten. Jedes Vändchen dieser praktischen Sammlung kostet nur 30 Nkr. und ist auch einzeln zu habcn. Druck und Verlag vrn Igu. v. Kleinmayr L5 F. Bamberg in Laibach. - ------