63 Jesús Adrian Escudero EIGENTLICHKEIT UND AGENCY IN SEIN UND ZEIT1 Heideggers Begriff der Eigentlichkeit hat unendliche existenzialistiche, ethische und politische Diskussionen verursacht. In diesem Beitrag möchten wir aber die phänomenologische Dimension dieses Begriffs erläutern und sie produktiv mit dem ontologischen Sinn der Agency verkoppeln. Heideggers Formalisierung des Eigentlichkeitsbegriffs in Sein und Zeit hat keinen ethis- chen Sinn. Dort wird eine klare kritische Stellung zum modernen Begriff der Autonomie und Freiheit eingenommen. Eigentlichkeit und Freiheit werden in Heidegger nicht als Eigenschaften eines moralischen und vernünftigen Sub- jekts verstanden. Von einer strikt formalen und phänomenologischen Pers- pektive aus betrachtet, weist die Eigentlichkeit auf die direkte und unmittelbare Beziehung, die das Dasein jeweils mit sich selbst hat. “Eigentlich” sein, be- deutet hauptsächlich zwei zusammenhängende Dinge: sowohl einen bestim- mten Standpunkt gegenüber den Normen und Gründen, in denen wir schon immer leben, einzunehmen als auch die Verantwortung für solche Gründe und Norme zu übernehmen. Im ersten Teil unseres Beitrags erklären wir den Begriff der Eigentlichkeit von dieser phänomenologischen Perspektive. Im zweiten Teil entfalten wir den ontologischen Charakter der Agency, welcher 1 Dieser Beitrag wurde zuerst im folgenden Sammelband veröffentlicht: Massa, M., Thompson, J., Knauss, S., u. Kaufmann, M. (Hg.) (2018): “Regelfolgen, Regelschaffen, Regeländern. Die Herausforderung für Autonomie und Universalismus durch Ludwig Wittgenstein, Martin Heidegger und Carl Schmitt”. Frankfurt/Main: Peter Lang. Wir bedanken den Herausgebern für die Genehmigung der Reproduktionsrechte. PHAINOMENA XXVI/102-103 64 sich im Horizont einer vertrauten Alltagspraxis bewegt. Der eigentliche und entschlosssene Agent ist in der Lage die Verantwortung seiner Handlungen und Überlegungen jeweils als seine zu akzeptieren. Die Agency ist also nicht Ergebnis der freischwebenden Handlung eines automen und reflektierenden Subjekts, sondern eine aktive Modifikation der Praktiken, denen das Dasein schon immer geworfen worden ist. Der phänomenologische Sinn von Eigentlichkeit Der Begriff “Eigentlichkeit”, der in Verbindung mit Uneigentlichkeit verstanden werden soll, spielt eine zentrale Rolle in der argumentativen Struktur von Sein und Zeit. Der veröffentlichte Teil von Sein und Zeit en- tfaltet eine reiche und dichte Beschreibung der verschiedenen Seinsmo- dalitäten des Daseins. Seine Existenz vollzieht sich innerhalb einer stän- digen Oszillation zwischen Uneigentlichkeit und Eigentlichkeit, einer Schwankung zwischen anonymer Alltäglichkeit und aktiver Entschlossen- heit, einer Spannung zwischen Selbstverlorenheit und Selbstaneignung, einer Fluktuation zwischen dem Man-Selbst und dem Dasein-Selbst. Sein und Zeit bietet eine detaillierte Untersuchung dieser beiden konsti- tutiven Seinsweisen jener Person. Die erste Hälfte arbeitet eine Hermeneu- tik der Alltäglichkeit aus, in welcher die ontologischen Strukturen unseres durchschnittlichen Lebens phänomenologisch aufgezeigt werden. Unsere primäre Beziehung zu den Sachen (Umwelt), zu den Anderen (Mitwelt) und zu uns selbst (Selbstwelt) wird jeweils im Rahmen einer vertrauten bzw. athematischen Öffentlichkeit erfasst. Die anonyme Kollektivität des sogenannten Man bestimmt zunächst und zumeist den Gang unserer Entscheidungen, Handlungen und Überlegungen, bis zu dem Punkt, dass wir uns oft in der homogenen Masse der Leute auflösen. Die zweite Hälfte dagegen entwickelt, was wir gerne mit einer Hermeneutik des Selbst iden- tifizieren. Diese Hermeneutik wirft die Möglichkeit einer eigentlichen Existenz auf; eine Möglichkeit, die als Gegenbewegung zur Verlorenheit in Alltagsparametern zu verstehen ist. Letzten Endes handelt es sich um einen Kampf gegen unsere Verfallenheitstendenz in das unpersönliche und uneigentliche Man. Dieser Kampf öffnet die Möglichkeit einer aktiven ONE HUNDRED PER CENT JESÚS ADRIÁN ESCUDERO 65 Selbsttransformation, einer kreativen Selbstmodifikation, einer perfoma- tiven Umwandlung des Daseins.2 Was meint nun Heidegger mit Eigentlichkeit? Von einer streng formalen und phänomenologischen Perspektive gesehen, stehen wir vor einer direk- ten und unmittelbaren Beziehung, die das Dasein jeweils mit sich selbst hat oder, wie Taylor Carman es audrückt, “a direct first-person relation to itself, in contrast to the third-person relation of the Man” (Carman, 2005: 287). Ank- nüpfend an Carman kann man sagen, dass die erste Hälfte von Sein und Zeit eine phänomenologische Beschreibung der uneigentlichen Seinsweisen des Daseins bietet; eine Beschreibung, die vom Prisma der dritten Person des Man vollbracht wird und die wir als Hermeneutik der Alltäglichkeit bezeichnen. Stattdessen finden wir in der zweiten Hälfte eine phänomenologische Analyse der eigentlichen Seinsweisen, die jeweils von der Perspektive der ersten Person durchgeführt wird und die wir als Hermeneutik des Selbst kennzeichnen. Die Unterscheidung Uneigentlichkeit-Eigentlichkeit beinhaltet also kein- en ethischen Sinn. Rein phänomenologisch betrachtet, geht es um den Un- terschied zwischen der unmittelbaren Beziehung zu sich selbst (first-person givennness) und der vermittelten Beziehung zu den Anderen (third-person givenness).3 Heidegger koppelt den Unterschied Uneigentlichkeit und Eigen- tlichkeit mit zwei ontologisch verschiedenen Seinsweisen zusammen –näm- lich diejenigen, in denen das Dasein ein direktes Verhältnis zu sich selbst hat 2 In diesem Sinn kann man eine fruchtbare Verbindung mit dem Begriff der griechischen epimeleia heautou bzw. römischen cura sui aufbauen. Neulich haben wir eine Interpre- tation von Sein und Zeit entwickelt, die sich am Leitfaden der klassischen Tradition der Selbstsorge hält (siehe Escudero 2013, 196–202 und besonders Escudero 2015, 19-30). Dieser Interpretationsansatz erlaubt uns nicht nur eine Alternative zu den textimmanen- ten, existenzialistischen, ontologischen, pragmatischen, theologischen und anthropolo- gischen Interpretationen zu bieten, sondern auch ein produktives Gespräch mit Autoren wie Pierre Hadot, Martha Nussbaum und vor allem Michel Foucault zu schaffen. Es erlaubt auch eine fruchtbare Annäherung zu anderen Themenbereichen – wie Freiheit, Eigentlichkeit, Selbstheit, Körperlichkeit oder Agency. 3 Doch man muss jene Substantivierung dieser first-person givennes vermeiden. An- dererseits läuft man das Risiko der modernen Subjektphilosophie, die Heidegger so stark kritisiert. Das Dasein ist keine Substanz, keine selbsterkennende Subjektivität, sondern geworfener Entwurf. Zum Thema der first-person givenness in Sein und Zeit, siehe Crowell, 2001: 433–454, Carman, 2003: 299–313 und Zimmerman, 1981: 24–42. und diejenigen, in denen das Dasein ein Verhältnis zu den Anderen hat (Car- man 2005, 287–88). Das Dasein ist durch eine strukturelle Ambivalenz geprägt: einerseits durch die Uneigentlichkeit, sich selbst begründen zu können (Geworfenheit), ander- erseits aber durch die eigentliche Möglichkeit frei zu sein (Entwurf). Eigentli- chkeit hat also primär keinen normativen, moralen, ethischen oder evaluativen Sinn. Eigentlichkeit bestimmt nicht, was gut oder schlecht ist, was gerecht oder ungerecht ist. Eigentlichkeit ist ein Modalbegriff – inhaltlich leer und ohne ge- haltliche Bestimmungen. Sie offenbart den eigentümlichen Charakter unserer Jemeinigkeit. In Die Grundprobleme der Phänomenologie (1927) schreibt Hei- degger: “Wir verstehen uns alltäglich nicht eigentlich, im strengen Wortsinne nicht ständig aus den eigensten und äussersten Möglichkeiten unserer eigenen Existenz, sondern uneigentlich so wie wir uns selbst in der Alltäglichkeit des Existierens an die Dinge und Menschen verloren haben. (…) Das Verlorensein hat aber keine negative abschätzige Bedeutung, sondern meint etwas Positives, zum Dasein selbst gehöriges.” (GA 24, 228; kursiv von uns). Man sollte diese Neutralität der Alltäglichkeit im Blick halten, um nicht zu schnell in moral- ethische Bewertungen einzuspringen. 4 Eigentlichkeit enthüllt also die eigentümliche Jemeinigkeit des Daseins, die nicht zur Perspektive der dritten Person (Man) reduzierbar ist. Unabängig der Beschreibung, die ein Anderer von mir selbst macht, diese kann niemals die Gegebenheit der ersten Person ersetzen – sei es der eigenen Erlebnisse (Hus- serl), sei es der eigenen Verhaltensweisen (Heidegger). Die Meinheit (Husserl) bzw. die Jemeinigkeit (Heidegger) hat keine Qualitäten wie süß, weich oder 4 Etwas ähnliches geschieht im Fall des Gewissens. Gewissen hat nichts mit dem guten oder schlechten Gewissen zu tun; es handelt sich primär um eine direkte Apellation zum Dasein selbst. Das Gewissen ist gleichsam ein abruptes Phänomen, das direkt auf unserer stillschweigenden Selbstverlorenheit in der Alltäglichkeit des Man beruht. Dadurch öffnet sich die Möglichkeit einer Wiederereignung, d.h. ein “Nachholen der Wahl“ (GA 2, 356) Die Stimme des Gewissens bietet gerade diese Möglichkeit einer eigentlichen Existenz, sie bezeugt die Möglichkeit eines Selbstseinkönnens. Anders gesagt: Die Stimme des Gewissens ruft für eine Umwendung aus der alltäglichen Selb- stverolenheit, erzeugt eine Selbsttransformation des Daseins, provoziert eine Modi- fikation in der Weise wie das Dasein sich üblicher Weise versteht, lädt ihm zu einem Rückgang zu sich selbst ein. Ricouer spricht in diesem Kontext von einer unmittelba- ren und eigentümlichen Selbstbezeugung (1990, 401ff). PHAINOMENA XXVI/102-103 66 ONE HUNDRED PER CENT grün; sie haben keinen spezifischen Gehalt, kein konkretes Was. Sie beziehen sich eher darauf, wie sich die Erlebnisse geben (im Fall von Husserl) und wie sich das Dasein jeweils mit der Welt verhält (im Fall Heidegger). Sie spielen auf die Tatsache an, dass ich jeweils meine Erlebnisse bzw. meine Verhaltensweise anders – wenn auch nicht unbedingt besser – als eine andere Person erfahre (Zahavi 2008: 120ff und Escudero 2015: 227–228). Ein Sport-kommentator kann die Ermüdungssymptome einer Marathonläuferin sehr gut und präzise beschreiben, sogar viel besser als die Marathonläuferin selbst. Doch das unmit- telbare Erlebnis des Muskelkrampfs, der Hitze, der Feuchtigkeit, des Durstes usw. kann nur von der Sportlerin direkt in der ersten Person erlebt werden. Wir stehen vor einer eigentümlichen und unverwechselbaren Selbstgegeben- heit. Diese Art von Unverwechselbarkeit bzw. Unvertretbarkeit drückt sich be- sonders im Todesphänomen aus. Niemand kann meinen eigenen Tod tragen, niemand kann ihn an meiner Stelle erleben: »Keiner kann dem Anderen sein Sterben abnehmen.« (GA 2: 319) Ich kann mich für einen Anderen opfern, ich kann mein Herz liefern (im figurativen oder wörtlichen Sinn), aber ich kann nicht an Stelle eines Anderen sterben, ich kann ihm nicht mein Leben für seinen Tod geben. Ich kann einer Person alles geben, außer für sie sterben. Der eigene Tod ist unvertretbar. Jeder muss diese eigene Unvertretbarkeit auf sich selbst nehmen. Der eigene Tod kennzeichnet sich durch die Übernahme dieser unvertretbaren Singularität aus, dank der das Dasein ein volles Gewissen von sich selbst erhält. Wir müssen also den eigenen Tod verantwortlich akzep- tieren. Bedeutet dies eine Verwicklung des Todes? Auf keinen Fall! Es geht eher um das Vorlaufen zum Tode, um eine existenziale Antizipation dieser un- bezüglichen, unüberholbaren, unbestimmten, gewissen und eigensten Mögli- chkeit unseres Daseins (GA 2: 348–350). In der vorlaufenden Entschlossenheit unseres eigenen Todes entdecken wir unsere radikale Endlichkeit. Die vor- laufende Entschlossenheit erzeugt damit eine feine Sensibilität gegenüber un- seren alltäglichen Verpflichtungen, sie hilft uns, auf die konkreten Situationen mit Aufmerksamkeit und Klugheit zu achten. Wie Carman bemerkt, die vor- laufende Entschlossenheit ist nicht nur eng mit unserem Selbstverständnis in der ersten Person verknüpft, sondern sie leistet auch Widerstand gegen die anonyme Assimilationstendenz der Öffentlichkeit (Carman 2003: 291). JESÚS ADRIÁN ESCUDERO 67 e e .« (GA 2: 319) Ich kann mich für ein n Anderen opfern, ich kann mein Herz liefern (im figurativen oder wörtlichen Sin ), aber ich kann nicht an Stelle ines Anderen sterb n, ich kann ihm nicht mein eben geben. Ich ka n einer Person alles geben, auße für sie sterben. Der eigene Tod ist unvertretbar. Jeder mus dies eige e Unvertretbarkeit auf ich selbst nehmen. D r igene Tod kennz ichnet sich urch die Übernahme dies unve tretbaren Singularität aus, dank der das Dasein ein volle Gewis- en von ich selbst erhält. Wir müssen also den eigenen Tod verantwortlich akz ptier n. B deutet dies eine Verwicklung des Todes? Auf keinen Fall! Es geht eher um das Vorlaufen zum Tode, um e n ex st nziale Antizipation die ser unbezüglichen, unü e holbaren, unbestimmten, gewissen u d eigensten Möglichkeit unseres Daseins (GA 2: 348–350). In der vorlaufenden Ent chlos- senheit uns res eigen n To s entdecken wi unsere radikale Endl chkeit. Die vorlaufende Entschlossenh it rzeugt damit ein feine Sens bilität gegenüber 68 PHAINOMENA XXVI/102-103 Viele Interpreten von Sein und Zeit nehmen an, dass das alltägliche Verständ- nis, dass wir von uns selbst haben, einer entfremdenden Lebensform entspräche, es ein Zeichen von Konformismus sei. Es gibt natürlich viele Passagen, die einen klaren Unterschied zwischen dem uneigentlichen Bereich des Man und der ei- gentlichen Selbstheit herstellen. Die Idee, dass “das Selbst des alltäglichen Dasein das Man-Selbst (ist), welcher sich von dem eigentlichen Selbst unterscheidet” (GA 2: 172), wiederholt sich mehrmals in Sein und Zeit. Sogar die innere Struktur dieses Werkes, in welchem ein klarer Unterschied zwischen einer Hermeneutik der Alltäglichkeit und einer Hermeneutik des Selbst eingeführt wird, spricht für eine solche abwertende und negative Interpretation des Man. Heidegger unterstreicht, dass unsere Existenz zunächst und zumeist durch die öffentlichen Normen unseres alltäglichen Verständnisses bestimmt wird: “Das Man-Selbst artikuliert unseren Bedeutungshorizont” (GA 2: 172). Doch die Tatsache, dass wir primär in der Normativität und Autorität des Man ge- worfen sind, bedeutet nicht, dass wir uns passiv in die Arme dieser Normen hinwerfen. Soziologen wie Berger und Luckmann und Phänomenologen wie Schütz haben auf die positive Seite des Man hingedeutet. Das Man ist ein wertvolles Kenntnislager (stock of kwnowledge). Angleichung und Anpas- sungsfähigkeit bedeuten nicht unbedingt Entfremdung und Passivität. Sich eigentlich mit diesem Alltagswissen zu verhalten, bedeutet, sich nicht einfach von den Fesseln der Konventionen zu lösen, sondern aktive und kreative Bezie- hungen zu denselben zu eröffnen. Dementsprechend: “Eigentlich selbst sein, ist nicht eine ausgezeichnete Bedingung des Subjekts, sondern eine existenziale Modifikation des Man.” (GA 2: 173) Modifizieren bedeutet die Funktionsweise von Etwas zu wechseln, den Lauf der gewöhnliche Ereignisse oder die Ge- wohneheiten zu verändern. Eigentlich sein bedeutet nicht unbedingt das Man aufzulösen, sondern es genuin aufzunehmen, neue Möglichkeiten zu öffnen. Originale Kunstwerke, wichtige politische und persönliche Entscheidungen hängen igendwie von dem Horizont unserer Kultur und Tradition ab. Wir können uns deren Einfluss nicht einfach entbehren, aber wir können zugleich verschiedene Haltungen zur unserer Kultur und Tradition nehmen – d.h. wir können sie im Lichte neuer Situationen und Fakten andersartig deuten. Wie verhält sich nun das Dasein in Bezug zum Man, d.h. sozialen Kon- ventionen, öffentlichen Normen, moralischen Werten? Das Dasein hat die ONE HUNDRED PER CENT 69 JESÚS ADRIÁN ESCUDERO Möglichkeit, sich gegen das Man zu wenden. Ausgehend von vergangenen Brucherfahrungen und Anpassungsschwiergkeiten mit dem Man können al- ternative Möglichkeiten entworfen werden. In der Kommunikationssoziologie benutzt man den Ausdruck active audience. Damit werden die Kompetezen und Fähigkeiten eines aktiven Zuschauers gemeint, dank welcher er/sie ver- schiedene Interpretationsebenen einer audivisuellen Nachricht entfalten kann. In ähnlicher Weise kann man sagen, dass das Dasein nicht unidimensional durch die Normen des Man bestimmt ist. Die Rezeption ist nicht einfach pas- siv, sondern sie verlangt eher eine aktive Partizipation. Unser alltägliches Verhalten setzt ausgeklügelte und relativ komplizierte Kompetenzformen voraus. Es enthält auch die Möglichkeit, eine Norm, eine Kompetenz, eine Handlungsform jeweils durch eine andere zu substituieren. Entschlossen sein bedeutet auch elastisch sein, sich an die ständig wech- selnden Situationen anzupassen, die Möglichkeit einer Planveränderung immer offen zu lassen. Die Entschlossenheit ist nicht ein geschlossener und versiegelter Akt, sondern sie muss auch die Möglichkeit der Zurücknahme, der Veränderung oder der Modifikation offen lassen, sogar die Möglichkeit der Untentschlossenheit enthalten. Die vorlaufende Entschlossenheit verlangt eine aktive, kreative und flexible Beziehung zu uns selbst, zu den Anderen und zur Welt. Zum Beispiel: Ich verspreche meinen Eltern, dass ich für das Mit- tagessen am Wochenende pünktlich sein werde. Dieses Versprechen bedeu- tet nicht, dass ich unbedingt und notwendig pünktlich sein werde. Zwischen dem Augenblick meines Versprechens und der effektiven Ankunft zu meinem Elternhaus können sich neue, unvorhersehbare und unerwartete Situationen ergeben: eine Autopanne, eine ärztliche Notsituation, ein Nachbar, der meine Hilfe braucht, der Telefonanruf eines alten Freundes. In solchen Situationen kann ich entscheiden, nicht pünktlich zu sein. Entschlossenheit bedeutet auch, sich an die jeweilige Situation anzupassen, Pläne zu ändern, d.h. offen und frei für neue Möglichkeiten bleiben. Eigentlich sein bedeutet also einen bestimmten Standpunkt gegenüber den Gründen und Normen meiner praktischen Identität (Lehrer, Vater, Partner, Beamter, Freund usw.) zu entwickeln. Eigentlich beinhaltet die Verantwortung für solche Gründe und Normen zu übernehmen. Ich bin nicht für die Existenz solcher Gründe und Normen veranwortlich. Deren Existenz stammt vom Man 70 PHAINOMENA XXVI/102-103 aus. Ich handle und entschließe in eigentlicher Weise, indem ich solche Gründe und Normen als meine übernehme und mich für sie verantwortlich mache. Ein weiteres Bespiel: Ein guter Lehrer zu sein, bedeutet nicht nur die Stereotypen und sozialen Normen eines Lehrers passiv aufzunehmen und mechanisch zu reproduzieren, sondern sie als meine zu übernehmen und sie eventuell auch kreativ zu modifizieren. Ich bin in der Lage, bis zu einem bestimmten Punkt die Normen, die ein stereotypischer Lehrer folgt, zu modifizieren und trotz allem Erfolg zu haben. Aber wenn ich zu viele der kollektiv annerkannten Lehrernor- men überschreite, entsteht die Möglichkeit und die Gefahr, dass mein Redefini- tionsprojekt ernsthaft gefährdet wird. Wie gesagt, unser Alltagswissen enthält auch die Möglichkeit, die Normativität des Man im Lichte neuer Situationen zu redefinieren. Entschlossenheit ist nicht ein geschlossener Akt, sondern steht zur Möglichkeit einer Modifikation, Kritik oder Revision offen. Eigentlich sein ist hier: eine offene Haltung bezüglich unserer praktischen Identität zu nehmen. Gerade die zweite Hälfte von Sein und Zeit zeigt, wie ich jeweils eigentlich han- dle und überlege, wie ich als Agent die Verantwortung meiner Handlungen und Überlegungen als meine akzeptiere. Der ontologische Charakter der Agency Eigentlich sein bedeutet, eine bestimmte Haltung gegenüber unserer prak- tischen Identität einzunehmen. Diese Haltung hat keinen rationalen Charakter. Sie gründet nicht auf eine bewusste und moralisch motivierte Entscheidung. Deshalb wird Heidegger oft der Vorwurf gemacht, dass er keine Antwort auf ethische und moralische Fragen gäbe. Crowell bietet eine sehr interessante Ant- wort zu diesem weit verbreiteten Vorwurf: um die Frage nach der Moralität zu bestimmen, muss man zuerst die ontologische Natur der Agency analysieren und richtig verstehen (Crowell 2013: 282–283). Es handelt sich nicht um die Bestimmung des Charakters einer Person (Aristoteles) oder die Herstellung einer Handlungsmaxime (Kant). Anders gesagt: Heideggers Interesse küm- mert sich nicht darum, was eine Norm gut oder schlecht, gerecht oder ungere- cht macht. Er will die Herkunft – das Woher – der Normen phänomenologisch aufzeigen. Der zentrale Punkt der ontologischen Fragestellung in Sein und Zeit ist folgender: sich zu etwas entschließen ist nicht Ergebnis einer rationalen, ONE HUNDRED PER CENT 71 JESÚS ADRIÁN ESCUDERO freien und autonomen Wahl des Subjekts, sondern ein Akt, der im Rahmen des jeweiligen Daseinsentwurfes stattfindet. Über etwas beratschlagen, sich zu etwas entschließen, vollzieht sich schon immer im Horizont einer dem Dasein jeweils vertrauten Alltagspraxis.5 Überlegung und Entschlossenheit sind nicht freischwebende Akte eines Subjekts. Sie sind zunächst und zumeist in spezifi s- chen Praktiken eingebettet. Der normative Charakter der Praxis ist jeweils mit der Sorge verbunden, d.h. mit der Art und Weise, wie wir mit der Welt und den Anderen umge- hen. Eine Person entscheidet und entschließt sich zu etwas im Rahmen einer praktischen Identität (Lehrer, Vater, Krankenschwester, Arbeiter, Arzt Bürger usw.). Der Handelnde, der Agent, ist in allen diesen Entscheidungen, Hand- lungen und praktischem Umgehen das impersonale Man-Selbst, so wie es in der ersten Hälfte von Sein und Zeit beschrieben wird. Dieses Man beschafft primär die Normen unseres Alltagslebens. Die Frage, die jetzt ontologisch erklärt werden muss, ist nun: Wie übernimmt das Dasein die Verantwortung seiner Handlungen und Entscheidungen? Wie können die anonymen und kollektiven Gründe der Alltäglichkeit als meine anerkannt und vollzogen werden? Nach Crowells Formulierung: Wie ist der Übergang von der dritten Person des Man-Selbst zur ersten Person des eigentlichen Daseins möglich? (Crowell 2013: 223–224 ) 5 Es ist bekannt, dass Sein und Zeit mit dem Paradigma der modernen Subjektivi- tätsphilosophie bricht, gemäß dem das Subjekt einen refl exiven, theoretischen, ab-demdasSubjekt inenr flexiven,th ore isch n,ab- strakten und objektiven Standpunkt gegenüber der Welt und der Beziehungen mit den Anderen nimmt. An seiner Stelle finden wir das Dasein, dessen Aktionen und Praktiken auf der Sorge beruhen. Anders gesagt: Die Wahl gründet sich nicht primär auf der Rationalität und Gesetzlichkeit einer Norm, sondern auf dem praktischen und effektiven Vollzug einer Handlung, in dem das Dasein jeweils schon beschäftgt ist. Der Unterschied zu Kant wird hier sehr klar. Mit Heideggers Verständnis des Daseins als Sorge eher als Vernunft wird auch die Kantische Gleichung von Freiheit und Kausalität abgelehnt (GA 31: 139–298). Gemäß Kant bedeutet mit Gründen handeln, anhand universaler Gesetze zu handeln. Aber für Heidegger ist das Dasein nicht primär durch universale moralische Imperative bestimmt, sondern durch die Sorge. ll i t il sophie richt, äß S j i refl i t , 72 PHAINOMENA XXVI/102-103 Die zweite Hälfte von Sein und Zeit gibt einen Hinweis bezüglich der Weise, in der das Dasein die Verantwortung seiner Entscheidungen, Entwürfe und Handlungen als einige übernimmt, d.h. bezüglich dem Übergang von der Hermeneutik der Alltäglichkeit (third-person givenness) zur Hermeneutik des Selbst (first-person givenness). Dieser Übergang ist nur durch einen un- erwarteten Zusammenbruch des Man-Selbst, durch einen unvorhersehbaren Kollaps der Alltäglichkeit möglich. Und wann geschieht dieser Kollaps? Mit dem plötzlichen Einbruch der Angst. Die Angst neutralisiert die zunächst und zumeist unbestreitbare Autorität der alltäglichen Normen.6 In diesem Sinn kann die Angst als eine Gegenbewegung zur Verfallenheitstendenz in das un- eigentliche Man verstanden werden; eine Gegenbewegung, in der das Dasein vor sich selbst gestellt wird; eine Gegenbewegung, in der sich die Möglichkeit einer Wiederbegegnung mit sich selbst ergibt. Die Angst verwandelt sich so in ein wahrhaftes Individuationsprinzip. Die Angst besteht aus zwei konstitutiven Momenten. Ein erster negativer Moment, den wir gerne als Alltagsparalyse bezeichnen. Soweit man von dieser Paralyse befangen ist, ist es unmögich, sich zu etwas zu entschließen, denn die Bedeutsamkeit der alltäglichen Welt bleibt momentan suspendiert. Doch in einem zweiten positiven Moment zwingt uns die Angst, unsere Geworfenheit zu überneh- men und für uns selbst zu entscheiden. Die Angst öffnet an diesem Punkt einen Gewissensraum. Innerhalb dieses Raumes kann das Dasein ein Wissen von sich selbst haben, d.h. mit Selbstkenntnis (con-scientia) handeln. Welche Instanz ini- tiert den Übergang des uneigentlichen zum eigentlichen Dasein, des scheinbaren zum phänomenalen Selbstseinkönnen (GA 2, 358)? Das Gewissen ist gerade diese Instanz –nämlich eine selbstständige, nicht von der Alltäglichkeit kontaminierten Stimme, die im Dasein selbst aufgruft wird, die dem Dasein von seiner konsti- tutiven Verfallenheitsneigung aufwacht und ihm zu einer Selbsttransformation ermahnt. Das Gewissen ist nicht die innere Stimme einer privaten Vernunft oder eine von aussen normierende Instanz, sondern die ontologische Bedingung, die uns erlaubt, zwischen dem Man-Selbst und dem Dasein-selbst zu unterscheiden. 6 Bezüglich der methodologischen Funktion der Angst und der strukturalen Affini- täten mit der Husserlschen Reduktion, siehe Courtine 1990, 232ff und Escudero 2015, 317–322. ONE HUNDRED PER CENT i 73 JESÚS ADRIÁN ESCUDERO Es hat also einen apellativen Charakter. Das Gewissen ruft zu einer Selbstransfor- mation. Laut Crowells Argumentationslinie können wir dank des Gewissens zwis- chen äußerlichen und innerlichen Gründen, zwischen passivem Konformismus und aktiver Anpassung zu den öffentlichen Normen unterscheiden (Crowell 2013, 204–205 u. 300–301 ). Das Man-Selbst bewegt sich im Rahmen des Konformismus, antwortet nur passiv auf die alltäglichen Herausforderungen unserer Existenz. Das Dasein- selbst dagegen bietet eine aktive Antwort zu den etablierten Normen. Sobald die Vertrautheit des alltäglichen Lebens zusammenbricht, steht das Dasein vor sich selbst: alleine, ohne Orientierungskriterien. In diesem Moment sieht es sich gezwungen, auf den Ruf des Gewissens zu antworten: entweder die alltägli- chen Normen und Konventionen des Man übernehmen oder ablehnen, sie anerkennen oder problematisieren. Das Dasein muss eine Stellung bezüglich seiner Existenz nehmen. Letzten Endes bedeutet die Verantwortung der Normen und Alltagskon- ventionen einen Akt von Selbstverantwortung. Eigentlichkeit beduetet in diesem Kontext die Verantwortung der Normen und Alltagskonventionen, in denen wir schon immer geworfen sind, als meine zu übernehmen (Crow- ell 2013, 222–226). Der Einbruch der Stimme des Gewissens ermöglicht die Artikulation einer eigenen, neuen, kreativen und modifizierten Antwort zum Kollaps. Die Angst funktioniert hier als Drehscheibe, dank welcher wir uns zwischen der Ebene des uneigentlichen Man und der Ebene des eigentlichen Daseins bewegen können.7 Entschlossen und verantwortlich zu handeln, ist der Ausdruck eines aktiven Verhaltens zur Welt. Es ist klar, dass wir unsere Entscheidungen schon immer 7 Die Selbstheit, die sich in den Phänomenen der Eigentlichkeit und des Gewissens mani- festiert, soll aber nicht im Sinne einer romantischen Selbstvollendung verstanden werden. Die Selbstheit hier in der Frage hat nichts mit einer Versöhnung von Subjekt und Objekt, mit einer harmonischen Identifikation von Ideal und Real zu tun. Trotz der scheinbaren Verwandschaft mit dem romantischen Begriff eines freien, autonomen und kreativen Su- bjekts (Taylor 1989, 289) passt sich das Dasein nicht dem Ideal der Selbstvollendung an. Das Dasein existiert als geworfener Entwurf; anders gesagt, Dasein ist ein Seiendes, das wesentlich unbestimmt und unfertig ist; ein Seiendes, das einem konstanten und unendli- chen Vollzugsprozess unterworfen ist. Seine konstitutive Geworfenheit macht eine totale, völlige und versöhnte Erkenntnis von sich selbst unmöglich. 74 PHAINOMENA XXVI/102-103 im Horizont geworfener Möglichkeiten und Handlungskriterien treffen, die un- sere Agency beschränken. Sind wir dann vollkommen von den alltäglichen und öffentlichen Normen bestimmt? Keineswegs. Unsere Agency ist situiert, aber sie hat zugleich einen offenen Spielraum zur Verfügung; einen Spielraum, in dem wir unserem Leben eine eigene Richtung geben. Für sich selbst frei entschei- den bedeutet, sich selbst zu wählen.8 Es handelt sich um eine situierte Freiheit, um eine Agency, die durch den geworfenen Entwurf bestimmt ist. Wir bewegen uns jeweils in einem vorgegebenen Bedeutungshorizont. Jede Situation bietet bestimmte Handlungsmöglichkeiten, ordnet bestimmte Lebenswege an, legt bestimmte Sinnrichtungen fest, die unsere Wahl teilweise bedingen. Aber in- nerhalb dieses Horizontes können wir unsere Agency entfalten, indem wir die eine oder andere Richtung nehmen, indem wir unserem Dasein einen eigenen Lebensstil geben. Ein eigentliches Leben impliziert eine “Wahl wählen” (GA 2: 356), sich für einen bestimmten Lebensstil entscheiden. Die Aufgabe, sich selbst zu verstehen, ist unendlich, steht immer neuen Möglichkeiten offen. Hier kann man den von James Carse aufgewiesenen Un- terschied zwischen endlichem und unendlichem Spiel anbringen. Ein endli- ches Spiel hat ein klares Ziel, das mit einem Sieger oder Verlierer endet. Man nimmt an einem endlichen Spiel teil, mit der Absicht zu siegen. Ein unendliches Spiel ist jenes, in dem jemand nur für die schiere Freude am Spiel spielt. Diese Beispiel vereinfacht folgenden Begriff: wir könnten zwischen ein Fußballspiel spielen und ein Fußballspieler sein, zwischen eine Vorlesung geben und ein Professor zu sein. Ein Fußballspiel hat eine begrenzte Spielzeit; eine Vorlesung hat auch einen bestimmten Anfang und ein Ende. Ein Fußballspieler oder ein Professor sein dagegen ist oder kann ein unendliches Spiel werden. Es ist ein Lebensstil, eine Weise, sich selbst zu verstehen und nicht so sehr die Erfüllung einer bestimmten Funktion (Carse 1986). 8 Hier können interessante Parallelismen mit Foucaults Begriff der Freiheit etabliert werden. Freiheit ist nicht eine Eigenschaft des Subjekts, sondern eine Praxis, eine kon- krete Weise sich mit der Welt und den Anderen zu verhalten. Für Heidegger und Fo- ucault erreicht man eine freie Beziehung zur Welt im Rahmen einer ethischen Trans- formation des Selbst und nicht durch einen reflexiven Akt, der uns von der Welt und den Anderen künstlich distanziert. Die Praxis der Freiheit birgt die Möglichkeit einer Selbsttransformation (siehe weiter Nichols 2014: 56ff). ONE HUNDRED PER CENT s l frei entschei- 75 JESÚS ADRIÁN ESCUDERO Im Lichte der vorstehenden Ausführungen scheint es klar zu sein, dass Ei- gentlichkeit eine Existenzweise ist, eine Form, das eigene Leben zu führen, die in einem eigentümlichen Lebensstil kristallieren kann. Es handelt sich aber nicht um einen konkreten Lebensstil – wie im Fall des amerikanischen, deutschen, ökologischen oder städtischen Lebensstils. Diese Lebensstile äu- ßernkonkretekulturelleundfaktischeLebensformen,dieimGangderGe- konkrete kulturelle und faktische Lebensformen, die im Gang der Ge- schichte wechseln können, die eine konkrete geographische Lage haben –d.h., die dem Dasein konkrete Existenzmöglichkeiten bieten. Doch das Eigentum des Daseins, die self-ownership, ist eine formale Möglichkeit. Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit sind also nur zwei strikt formale Existenzmodi, zwei Lebensstile unabhängig jener konkreten Weltanschauung. Sich selbst zu haben (self-ownership), eigentlich zu sein, ist streng mit dem Gewissen und der Entschlossenheit verbunden. Die Entschlossenheit, wie wir schon angedeutet haben, öffnet neue und alternative Möglichkeiten zu den von dem Man-Selbst hergestellten Normen. Das Gewissen-haben-wollen bricht mit dem Konformismus eines rutinären und reizlosen Lebens wie das von dem Protagonisten von American Beauty: Lester Burnham, eine Person, die an eine inhaltslosen Arbeit gefesselt ist; ein Mann, der sich in einer rein konventionellen Heirat befindet. Im Gegenteil dazu heißt eigentlich und entschlossen leben, Risiken ein- zugehen, die Fantasie zu nutzen. Die Entschlossenheit bringt das Dasein zurück zur Alltäglichkeit, in der es schon immer existiert, aber jetzt mit einem verschiedenen Selbstverständnis, mit einem transformierten Blick von sich selbst. Dieser transformierte Blick macht dem Dasein seine konkrete faktische Situation transparent. Eigentlichkeit, wie schon erwähnt, ist eine existenzielle Modifikation der Alltäglichkeit. In der Tat befindet sich das entschlossene Da- sein schon immer in einer Situation bevor jenes Überlegungsaktes. Das ei- gentliche Dasein der Entschlossenheit ist dasselbe Dasein des uneigentlichen Man-Selbst, doch in einer modifizierten und umgestalteten Weise. Entschlos- sen selbst sein bedeutet nicht mit dem Man brechen und sich auf eine soli- tarische abenteuerliche Selbstentdeckung zu stürzen, sondern benötigt eine gewisse Flexibilität und Fähigkeit, sich kritisch von den Gewohnheiten und Verpflichtungen des Man-Selbst zu distanzieren. f i Gang der Ges 76 PHAINOMENA XXVI/102-103 Literaturverzeichnis Carman (2003): Taylor Carman, Heidegger’s Analytic. Interpretation, Dis- course, and Authenticity in “Being and Time”, Cambridge, MNA: Cambridge University Press. Carman (2005): Taylor Carman, “Authenticity“, in: Hubert L. Dreyfus und Mark A. Wrathall (Hg.), A Companion to Heidegger, Oxford: Blackwell, 285–296. Carse (1986): James Carse, Finite and Infinite Games, New York: Free Press. Crowell (2001): Steven Galt Crowell, “Subjectivity: Locating the First-Per- son in Being and Time“, in: Inquiry 44 (2001), 433–454. Crowell (2013): Steven Galt Crowell, Normativity and Phenomenology in Husserl and Heidegger, Cambridge, NY: Cambridge University Press. Courtine (1990): Jean-François Courtine, “Réduction phénoménologique- transendentale et différence ontico-ontologique“, in Franc Vopli et al. (Hg.), Heidegger et la phénoménologie, Paris: Jean Vrin, 207–247. Escudero (2013): Jesús Adrián Escudero, “Sein und Zeit und die Tradition der Selbstsorge”, in: Heidegger Studien 29, 196–210. Escudero (2015): Jesús Adrián Escudero, Guía de lectura de Ser y tiempo de Martin Heidegger (Band 1), Barcelona: Herder. Heidegger (1977): Martin Heidegger, Sein und Zeit (GA 2), Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann. Heidegger (1989): Martin Heidegger, Die Grundprobleme der Phänome- nologie (GA 24), Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann. Heidegger (1988): Martin Heidegger, Vom Wesen der menschlichen Frei- heit (GA 31), Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann. Nichols (2014): Robert Nichols, The World of Freedom. Heidegger, Fou- cault and the Politics of Historical Ontology, Stanford, CA: Stanford University Press. Ricoeur (1990): Paul Ricouer, Soi-mȇme comme un autre, Paris: Éditions du Seuil. Taylor (1989): Charles Taylor, Sources of the Self. The Making of Modern Identity, Cambridge, MA: Harvard University Press. Zahavi (2008): Dan Zahavi, Subjectivity and Selfhood. Investigating the First-Person Perspective, Cambridge, MA: Cambridge University Press. ONE HUNDRED PER CENT 77 JESÚS ADRIÁN ESCUDERO Zimmerman (1981): Michael Zimmerman, Eclipse of the Self. The De- velopment of Heidegger’s Concept of Authenticity, London: Ohio University Press.