349 Luka Horjak: WARUM DEUTSCH BELLT UND FRANZÖSISCH SCHNURRT. EINE KLANGVOLLE REISE ... Luka Horjak DOI: 10.4312/vestnik.15.349-351 Philosophische Fakultät, Universität Ljubljana Slowenien luka.horjak@ff.uni-lj.si WARUM DEUTSCH BELLT UND FRANZÖSISCH SCHNURRT. EINE KLANGVOLLE REISE DURCH DIE SPRACHEN EUROPAS François Conrad (2020). Warum Deutsch bellt und Französisch schnurrt. Eine klangvol- le Reise durch die Sprachen Europas. Illustriert von Johanna Baumann. Berlin: Duden. ISBN 978-3-411-71998-3, 144 Seiten, 12,00 €. Im Laufe der Bildung steht jeder Mensch früher oder später vor einer ziemlich wich- tigen Entscheidung, welche Sprache(n) zu lernen bzw. zu studieren. Möchte man aus Wirtschaftsgründen lieber das hart klingende Deutsch erlernen oder überwiegen die Me- lodien der romanischen Sprachen? François Conrad, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Germanistische Linguistik an der Leibniz Universität Hannover, hilft uns nicht bei dieser schweren und zugleich lebenswichtigen Entscheidung. Der Sprachwis- senschaftler bemüht sich klar, unterhaltsam und vor allem auch linguistisch zu erklä- ren, warum die Ausspracheunterschiede zwischen den Sprachen so groß sind. Dies wird auch durch den Titel seines Werkes suggeriert: Warum Deutsch bellt und Französisch schnurrt: Eine klangvolle Reise durch die Sprachen Europas. Die zentrale Frage, auf die das Werk eine glaubhafte Antwort zu finden versucht, lautet: Warum klingt Deutsch so hart? Diese Frage wird im ersten Kapitel angespro- chen, und zwar in Form einer glaubhaften Geschichte. Wir treffen den Protagonisten namens Horst, der sich in einem Berliner Biergarten mit internationalen Freund*in- nen unterhält, darunter auch über die Sprachen. Die Freund*innen zeigen ihm eine stereotype Karikatur, die verdeutlicht, wie die Nicht-Deutschen die Deutschen und ihre Muttersprache wahrnehmen: Die Deutschen bzw. ihre Muttersprache werden als böse dargestellt. Horsts Freund*innen lachen über das Bild, aber er fühlt sich belei- digt. Während des Gespräches werden auch andere Stereotype erwähnt, wie zum Bei- spiel: „Wenn Deutsch ein Tier wäre, welches wäre es?“ – „Ein Hund, ein Schäferhund! Deutsch klingt laut und aggressiv – es bellt.“ Einige seiner Freund*innen vergleichen Deutsch mit dem Geräusch einer Schreibmaschine, die Alufolie frisst und die Keller- treppe hinunterfährt. Vestnik_za_tuje_jezike_2023_FINAL.indd 349 Vestnik_za_tuje_jezike_2023_FINAL.indd 349 8. 12. 2023 10:10:15 8. 12. 2023 10:10:15 350 VESTNIK ZA TUJE JEZIKE/JOURNAL FOR FOREIGN LANGUAGES Nach dem Abend schreibt Horst seinem Freund Konrad, der Sprachwissenschaftler ist. Horst enthüllt ihm seinen Plan seiner kurzen Europareise und fragt ihn, warum Nicht- Deutsche seine Muttersprache als hart und unattraktiv empfinden. Sie treffen sich und diskutieren darüber. Konrad gibt jedoch keine klare Antwort, sondern gibt ihm nur Tipps, worauf er achten sollte, während er durch Europa reist. Er soll genau auf die Aussprache der anderen Sprachen hören und typologische Unterschiede auf der phonetisch-phono- logischen Sprachebene im Vergleich zum Deutschen feststellen. Mit dieser Mission reist Horst durch Westeuropa und besucht Rom, Madrid, Pa- ris, London und Luxemburg. In Rom unterhält er sich mit einer Einheimischen namens Clara, einer Opernsängerin. Sie kann seinen Namen nie richtig aussprechen und lässt dabei immer das anlautende h- weg. Sie vergleicht die beiden Sprachen miteinander. Das Italienische erinnert sie an eine Arie in der Oper, während das Deutsche sie an das Husten der alten Damen und Herren im Publikum erinnert. Glücklicherweise bleibt ihr Gespräch nicht bei Stereotypen stehen. Stattdessen suchen sie nach einer Erklärung und vergleichen die Lautsysteme ihrer Muttersprachen. Sie stellen fest, dass das Deutsche mehr Frikativlaute/Reibelaute als das Italienische hat und ähnlich ist es auch bei der An- zahl der Vokale. Horst teilt seine Entdeckung mit seinem Freund Konrad mit, der ihm wissenschaftlich, aber anschaulich die Unterschiede zwischen den Sprachen erläutert. Alle Kapitel folgen einem ähnlichen Muster. Horst unterhält sich mit einem Ein- wohner oder einer Einwohnerin der jeweiligen Stadt und stellt dabei die Unterschiede auf phonologisch-phonetischer Ebene zwischen dem Deutschen und der jeweiligen Sprache fest. Anschließend werden in Form von E-Mails vom Sprachwissenschaftler Konrad an Horst die segmentalen und suprasegmentalen Unterschiede erklärt. Dadurch dient das Buch nicht nur als ein weiteres linguistisches Lehrwerk, sondern es ist ein gelungener Versuch, phonetisch-phonologische Inhalte, die oft abstrakt und komplex wirken, unter- haltsam einem breiteren Publikum zu präsentieren. Am Ende des Werkes wird das erworbene Wissen im Kapitel Darum klingt das Deutsche so (schön) hart! zusammengefasst. Die Tatsache, dass Deutsch im Vergleich zu den behandelten Sprachen im Werk härter klingt, wird nicht bestritten, sondern objektiv begründet. Dies geschieht durch die Anzahl der Reibelaute im deutschen Lautsystem, die Komplexität der deutschen Silbenstruktur, die Rolle des glottalen Verschlusslautes und der Aspiration bei stimmlosen Verschlusslauten, die Auslautverhärtung und die Be- tonung, die in der Regel auf der ersten Silbe eines Wortes liegt. Anschließend werden Literaturempfehlungen im wissenschaftlichen Apparat aufgeführt. Das Buch erhält einen besonderen Wert durch die Illustrationen von Johanna Baumann, da komplexe linguis- tische Darstellungen, wie zum Beispiel das Vokalviereck, didaktisch und verständlich präsentiert werden. Ein wichtiger Mangel des Werkes besteht in der westeuropäischen Orientierung. Horst beschäftigt sich nur mit folgenden Sprachen: Italienisch, Spanisch, Französisch, Englisch, Luxemburgisch und natürlich Deutsch. Obwohl das Buch auf dem Titelblatt Vestnik_za_tuje_jezike_2023_FINAL.indd 350 Vestnik_za_tuje_jezike_2023_FINAL.indd 350 8. 12. 2023 10:10:15 8. 12. 2023 10:10:15 351 Luka Horjak: WARUM DEUTSCH BELLT UND FRANZÖSISCH SCHNURRT. EINE KLANGVOLLE REISE ... damit beworben wird, dass uns Eine klangvolle Reise durch die Sprachen Europas erwar- tet, fehlt es in der Auswahl zumindest an einer slawischen Sprache. Slawische Sprachen gehören zu einer der drei großen Sprachfamilien der indoeuropäischen Sprachen. Das ist bedauerlich … oder aber auch ein guter Anlass für ein zukünftiges Sprachabenteuer (nach der Pandemie), eine Reise durch die Balkanhalbinsel. Diese wäre aus linguistischer Sicht aufgrund der sprachlichen Vielfalt sehr empfehlenswert. Das Werk ist empfehlenswert für alle, die sich mit dem Lautbild des Deutschen auseinandersetzen möchten. Es könnte als hilfreiches Zusatzmaterial im DaF-Unterricht dienen, da Deutschlehrer*innen oft mit dem bereits erwähnten Argument der Schüler*in- nen konfrontiert werden: Deutsch klingt hart. Wenn man die linguistischen Gründe für den Klang der deutschen Sprache kennt, verschwinden die abgedroschenen Stereotype. Gleichzeitig bietet das Werk einen einfachen und unterhaltsamen Zugang zum Thema wie Sprachtypologie, insbesondere für die Student*innen der Sprachwissenschaft und insbesondere für Germanist*innen. Man lernt dabei über die Bedeutung verschiedener Silbenstrukturen und den Kennzeichnungsmittel wie der Auslautverhärtung, der Aspi- ration bei stimmlosen Plosiven oder dem glottalen Verschlusslaut. Das Werk ist auch eine didaktische Lernhilfe, um die Unterschiede auf der Lautebene kontrastiv genauer zu betrachten. Das Werk stellt die Unterschiede in der Aussprache verschiedener Sprachen in Form einer lehrreichen und zugleich amüsanten Geschichte dar. Es mangelt jedoch nicht an wissenschaftlicher Genauigkeit. Obwohl im Text vereinfachte Symbole für Laute (Pho- neme) verwendet werden, verwendet der Autor in Tabellen und Abbildungen die inter- nationale Lautschrift (IPA). Dadurch ist das kleine Büchlein auch für erfahrene Lingu- ist*innen ein Vergnügen. Vestnik_za_tuje_jezike_2023_FINAL.indd 351 Vestnik_za_tuje_jezike_2023_FINAL.indd 351 8. 12. 2023 10:10:15 8. 12. 2023 10:10:15