MUZIKOLOŠKI ZBORNIK — MUSICOLOGICAL ANNUAL XIII, LJUBLJANA 1977 UDK 75.04.052:78"14" DIE ENGEL MIT MUSIKINSTRUMENTEN AUS RATEÈE Primož Kure t (Ljubljana) Unter den bisher entdeckten und erforschten musikalischen Motiven auf slowenischen mittelalterlichen Fresken1 sind die Engel mit Musikinstrumenten auf der Decke der Friedhofskirche zu Rateèe in Gorenjsko (Oberkrain) bisher noch nicht erwähnt worden. Die Fresken wurden erst unlängst (1974) entdeckt, sind aber unter den letzten derartigen Entdeckungen in Slowenien für die Organographie noch besonders interessant. Die Friedhofskirche des hl. Thomas sieht ihrer architektonischen Gestaltung nach zahlreichen mittelalterlichen Filialkirchen des flachen Landes in Slowenien ähnlich. Auf dem gewölbten Presbyterium im Kirchesinneren sind auf den einzelnen, dem Konzept des »Krainer Presbyterium« entsprechenden Feldern gemalte Engelsfiguren aneinandergereiht. Die Engel halten gewöhnlich Werkzeuge des Leidens Christi, Bänder mit Lobsprüchen oder Musikinstrumente in den Händen. Die Thomaskirche von Rateèe weckt wegen der letzteren unser Interesse. Die gemalten Engel mit Instrumenten haben auf acht Feldern Platz gefunden, wovon eines vollkommen vernichtet ist, sodaß man die Malerei darauf nicht mehr erkennen kann. Im übrigen läßt die Qualität der erhaltenen Fresken zu wünschen übrig und sind die Motive nur schwer erkennbar. Auf den Feldern des Pres-byterium-Gewölbes sind die Engel paarweise mit folgenden Instrumenten dargestellt: Fiedel — Laute Glocken — Tamburin Pauke — ? Psalterium — Hackbrett Aus der Anordnung geht hervor, daß der Maler die Instrumente sinngemäß aneinandergereiht hat, die nachbarlichen Felder entsprechen einander und werden auch der Symétrie gerecht. So entsprechen den zwei Saiteninstrumenten (Fiedel und Laute) auf der linken Seite des Gewölbes 1 Kuret P., Glasbeni instrumenti na srednjeveških freskah na Slovenskem, Ljubljana 1973. 14 rechts zwei Schlaginstrumente (Glocken und Tamburin), weiters entspricht den Pauken und einem unerkennbaren Instrument links noch das Psalterium und das Hackbrett auf der rechten Seite. Besonders das Psalterium ist besonderen Aufmerksamkeit wert, weil es in dem bisher bekannten Instrumentarium der mittelalterlichen Fresken Sloweniens noch nicht vorhanden war. Unter den besser erhaltenen Fresken sind ein Engel mit zwei Glockenpaaren, ein Engel mit Tamburin und ein Enger mit Hackbrett, wogegen auf den restliehen vier Feldern kaum etwas zu unterscheiden ist. Obwohl die Umrisse der Instrumente genügend klar hervortreten, sind die Instrumente selbst nur schlecht sichtbar. Der gegenwärtige Stand der Malerei erlaubt deshalb wohl die Bestimmung einiger Instrumente, weniger jedoch ihre eingehende Beschreibung. 1. Engel mit Glocken und Engel mit Tamburin (P. Kur et) 15 Die Kirche wurde in der Literatur schon im J. 1897 beschrieben.2 Der Autor der Beschreibung — Jos. Lavtižar — meinte, daß »das Heiligtum aus der mittleren Gothik (14. Jahrhundert) stammen dürfte. Die vermauerten romanischen Fenster bezeugten jedoch, daß die Kirche schon beträchtlich früher erbaut wurde. Neben dem Hauptaltar an der Evangelienseite befindet sich die Nische zur Aufbewahrung der hl. öle. Man folgert daraus, daß diese Kirche ziemlich älter ist als die Pfarrkirche (dm selben Dorf e Rateèe, Anm. d. Verf.), weil sonst ein derartiger Aufbewahrungsort unnötig gewesen wäre. Der geschwärzte Kirchturm spricht selber von seinem Alter; man erzählt, er stamme noch aus heidnischen Zeiten...« Die neuere Forschung3 zeitigte nun folgende Ergebnisse: Die Fresken sind um das Jahr 1450 entstanden und stammen vom sogenannten »Meister von Žirovnica«. Dieser gehört der Meistergruppe aus der Mitte des 15. Jahrhunderts an, die unter dem Einfluß des nachbarlichen Kärnten stand, ähnlich wie die Malerwerkstatt des Villachers Joannes a Laybaco (Janez Ljubljanski). Der Meister von Žirovnica offenbart in seinen Werken eine ziemlich flüchtige Linienführung, wie sie nicht nur im bemalten Chorgewölbe zu Žirovnica und zu Rateèe zutage tritt, wo sie der einheimischen ikono-graphischen Überlieferung folgt, sondern auch in seinen Apostelmartyrien, die er nebst in Žirovnica (hl. Martin) und Rateèe (hl. Thomas) noch in der Pfarrkirche des hl. Andreas zu Mošnje hinterlassen hat. Beschreibung der Instrumente 1. Engel mit Glocken. Im ersten Feld rechts ist zuerst ein Engel mit Glocken sichtbar. In jeder Hand hält er je zwei Glocken. Alle vier sind zwar gleich tulpenförmig, doch unterscheiden sie sich nach der Art, in der je ein Glockenpaar an einem rechteckigen Brettchen befestigt ist. Das Glockenpaar in der rechten Hand des Engels befindet sich an einem rechteckigen Brettchen, welches in der Mitte mit einem senkrecht befestigten Griff versehen ist. Derselbe erweitert sich kreisförmig, sodaß in der Mitte durch eine Öffnung ein breites Band oder ein Riemen gezogen werden konnte, um die Vorrichtung aufhängen zu können. Die beiden Glocken in der linken Hand sind ebenso an einem rechteckigen Brettcheh befestigt, woran jedoch kein verlängerter Griff, sondern ein halbrunder Henkel angebracht ist, der von einer Seite des Brettchens zur anderen reicht und so das Halten und das Läuten gleichzeitig ermöglicht. Doch kann man dieses Glockenpaar nicht aufhängen, wie es bei jenem in der rechten Hand möglich ist. Auf dem Bilde ist der Engel im Läuten begriffen. 3 Lavtižar J., Zgodovina Župnij in zvonovi v dekaniji Radovljica, Ljubljana 1897, S. 117. 3 Höfler J., Zum ehemaligen Zwölfbotenaltar aus Wiener Neustadt, in: österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, Wien XXX/4 (1976), S. 163. 16 Ähnliche Vorrichtungen mit Glocken sind auch in der Literatur eine Seltenheit.4 Im bisher bekannten gemalten mittelalterlichen Instrumentarium aus Slowenien sind Engel mit Glocken auf den Fresken in Visoko unter Kurešèek, in Kranj, in Mirna in Dolenjsko (Unterkrain), sowie auch in Hainburg in Kärnten und in Kravar im slowenischen Teil Priauls vorhanden. Der Haihburger Engel hält in jeder Hand eine Glocke, desgleichen der Engel in Mirna und der Engel in Kravar. Die Vorrichtung mat den Glocken, wie sie auf der Freske in der Thomaskirche zu Rateèe dargestellt ist, steht bisher einzig da. 2. Engel mit Tamburin. In der zweiten Hälfte des ersten rechten Feldes befindet sich noch ein Engel, er handhabt ein Tamburin. Das Instrument 2. Engel mit Glocken (Zavod za spomeniško varstvo Kranj) 4 Vgl. Denis V., De Muziekinstrumenten in de Nederlanden en in Italie Antwerpen 1944, S. 265 ff. 2 Muzikološki zbornik 17 hält er mit der linken Hand, wobei die breite Seite des Tamburins dem Betrachter zugewendet ist. Über den Rahmen sind sieben Saiten gespannt (?), der Rahmen selbst mit sechs dekorativen Rosetten verziert. In der Rechten hält der Engel einen kleinen Schlägel, der dem Ende zu dünner wird und mit dem er auf die Membrane schlägt. Das Tamburin ist auf den slowenischen mittelalterlichen Fresken ein selten dargestelltes Instrument. Wir kennen bisher nur zwei: eines in Svina bei Kobarid und ein anderes in Thörl in Kärnten. Die Spielart mit Schlägel und die gespannten Saiten stehen jedoch überhaupt einzig da. Von den Engeln in Svina und Thörl wird nämlich das Tamburin mit den Fingern geschlagen. 3. Engel mit Hackbrett. Das zweite Feld an der rechten Seite des Presbyterium-Gewölbe nimmt ein Engel mit Hackbrett ein. Dieses Instru- 3. Engel mit Tamburin (Zavod za spomeniško varstvo Kranj) 18 ment ist auf den slowenischen mittelalterlichen Fresken ziemlich oft anzutreffen. Doch unterscheidet sich das Hackbrett von Rateèe von den bisher bekannten zumindest wegen der drei Stege, über welche die Saiten gespannt sind. Am ähnlichsten ist es dem Hackbrett von der Freske zu Mirna in Dolenjsko (Unterkrain). Es scheint, als ob dem Engel in Rateèe das Instrument auf dem Schoß ruhe. Die beiden Schlägel liegen übereinander gekreuzt auf den Saiten. Die Aufmerksamkeit des Engels gilt nicht dem Instrument, er blickt nämlich irgendwohin in die Ferne. Wie das Hackbrett von der Freske in Gluho Vrhovlje ist auch das Hackbrett von Rateèe mit elf Saiten ausgestattet. Sie sind über drei Stege gespannt, die verhältnismäßig hoch sind. Zum Unterschied von den übrigen auf den bekannten Fresken abgebildeten Hackbrettern zeigt das Hackbrett von Rateèe keine Resonanzöffnungen. 4. Engel mit Hackbrett (Zavod za spomeniško varstvo Kranj) 19 4 Engel mit Psalterium. Unmittelbar neben dem Engel mit Hackbrett ist ein Engel mit Psalterium dargestellt. Dieser Engel ist als eine ausgesprochene Besonderheit aufzufassen. Wir haben nämlich im bisher bekannten slowenischen Material noch nie ein Psalterium entdeck^ Das Instrument sieht in mancher Hinsicht einem Hackbrett ähnlich, der hauptsächliche Unterschied besteht jedoch darin, dass das Psalterium mit den Fingern oder dem Piektrum gezupft wurde, wogegen das Hackbrett mit Schlägeln gespielt wird. Es ist bezeichnend, daß das Hackbrett in der 5. Die Glocke I (L. èemaSar) italienischen Malerei des 15. Jahrhunderts fast gar nichts auftritt. Es wird _ auch in Istrien - durch das Psalterium ersetzt, Curt Sachs' ist der Meinung dass das Hackbrett in den nördlichen, das Psalterium hingegen in den südlichen Ländern Europas verbreitet war. Dies bezeugt auch der Name der für das Hackbrett in Italien gebraucht wurde, man nannte es »salterio tedesco«. Der Engel mit dem Psalterium in der Kirche zu « Vgl. Sachs C, Reallexikon der Musikinstrumente, Hildesheim 1969, S. 173. 20 Rateèe hat sich weggewandt, er hat das Instrument vor sich liegen, die Pinger ruhen darauf. Die Anzahl der Saiten ist nicht festzustellen. 5. Engel mit Laute. An der linken Deckenseite des Presbyteriums schlies-sen sich symmetrisch dem Engel mit den Glocken und dem Engel mit dem Tamburin ein Engel mit Laute und ein Engel mit Fiedel an. Der Engel mit Laute ist ein bekanntes und oft wiederkehrendes Motiv der 6. Die Glocke II (L. èemašar) 7. Das Hackbrett (L. èemažar) 21 mittelalterlichen Malerei. Auch auf den slowenischen mittelalterlichen Fresken scheint er beliebt gewesen zu sein. Wie in Rateèe (auf der Pres-byteriumsdecke im Sinne des sogen. »Krainer Presbyteriums«) treffen wir ihn desgleichen anderswo an. Der Engel von Rateèe hält das Instrument in der üblichen Art: die linke Hand umklammert den Hals des Instruments, die rechte zupft die Saiten. Ihre Anzahl ist nicht festzustellen, weil die Gestalt des Engels — obwohl sie sich dem Betrachter zuwendet — nur in den Umrissen und schematisch erhalten ist. 6. Engel mit Fiedel. Desgleichen ist leider auch der nebenstehende Engel mit Fiedel nur schematisch zu erfassen. Man bemerkt, daß er den Kopf zurückgeneigt, das Instrument an die linke Schulter angelehnt hat. Der Bauch der Fiedel ist ellipsenförmig langgezogen, der Hals ist unter der Tünche verschwunden, wohl aber ist der Bogen gut sichtbar. Der Engel hält ihn in der Rechten und streicht mit ihm über die Saiten. Sonstige Einzelheiten des Instruments sind kaum zu erkennen, desgleichen kann man die Anzahl der Saiten nicht feststellen. 7. Engel mit Pauken. Vor dem Engel befinden sich zwei Pauken, der Engel schlägt mit den Schlägeln darauf. Die rechte Hand ist hochgehoben und es scheint, als ob er nur auf einer Pauke spiele. Auch Pauken hat man auf den slowenischen mittelalterlichen Fresken schon angetroffen. Das Instrument in Rateèe ähnelt jenem aus der Kirche in Gluho Vrhovi j e. Der Engel im nebenstehenden Feld müßte analog auch mit einem Instrument ausgestattet gewesen sein. Doch ist das Feld vollkommen vernichtet, sodaß es überhaupt unmöglich ist, irgend etwas zu unterscheiden. Die Engel mit Instrumenten aus Rateèe stellen sich uns als ein bedeutendes Denkmal vor. Dies gilt nicht nur für die Anzahl der abgebildeten Instrumente, sondern auch für die Tatsache, daß sie für unsere bisherige Kenntnis des auf den mittelalterlichen Fresken abgebildeten Instrumentariums ein neues Instrument liefern — das Psalterium. Allein auch die restlichen Engel vervollständigen und bereichern mit ihren Instrumenten das uns bisher bekannte mittelalterliche Instrumentarium Sloweniens. POVZETEK Med doslej raziskanimi in obdelanimi glasbenimi motivi na slovenskih srednjeveških freskah, doslej še niso bili omenjeni angeli z glasbili na stropu pokopališke cerkve sv. Tomaža v Rateèah na Gorenjskem. Freske so bile odkrite leta 1974 in so za organografijo še posebej zanimive. Naslikal jih je »Mojster1 iz Žirovnice« med leti 1450 in 1455. Kljub temu, da je današnja kvaliteta ohranjenih fresk slaba, je moè razpoznati na poljih oboka prezbiteri j a angela v parih z naslednjimi glasbili: fidel — lutnja, zvonci — tamburin, pavke — ?, psalter — oprekelj. Zlasti zanimiv je psalter, ki doslej na srednjeveških freskah na Slovenskem še bil evidentiran. Tudi angel s kombinacijo dvakrat dveh zvoncev, s katerimi pozvanjanje doslej malo znan. Sedem angelov z glasbili na stropu prezbiterija v Rateèah tako svojsko dopolnjuje in bogati doslej znani naslikani instrumentarij slovenskih srednjtiRr*» ških fresk. 22