^^.5^^ ^^^«s ^ie^ ) Weltpanoranla. ^ der ,.' neuesten N eisen «nd Nbeutener bei allen Nationen der Welt/ /^, mit besonderer Rücksicht Tlach d^z besten Euellcn des Z^üslandes. »Vstcr l'iö 3»ster Band. Die Abenteuer eiucs Auswanderers ^->^n den Colonicn von Vandiemensland. -«X Erstes bis dritte« Bändchl». Stuttgart. Franckh'sche Verlagsbuch Handlung. 18 4 6. Weltpanorama. Eine Chronik nettesten Neisen und Abenteuer bei allen Nationen der Welt) mit besonderer Rücksicht auf die politischen Ereignisse der Gegenwart. Nach den besten Quellen des Auslandes. ?2s,er bis ?»fter Band. Abenteuer eines Auswanderers in den Colonien von Vandiemensland. Stuttgart. ssranckh'sche Verlagsbuchhandlung. 18 4 6. Die Abenteuer eines Auswanderers in den Golonien von Vandiemensland. Von Charles Nowcroft. Frei nnch dem Englischen von Dr. Schevv. 'Stuttgart. Franckh's che Verlagsbuchhandlung. Erftes Kapitel. AMiam Thornl«^), cine Art Landwirth in England, erkennt, daß er in sei« nem Heimatland nut seine», llcinm Vermögen füldcr nicht mehr anständig auskommen kann und entschlieft sich deßhalb, nach den liolonien auszuwandern. Die Frau stimmt von Herzen bei, was von großer Bedeutung isi. — Zurü« ftungcn, — Reift nach Nandicmcneland. — Welchen Eindruck das Lau» zuerst auf Thornlev hervorbringt. — Er hat cine Audienz bei dem Gouvtl-neur. — Di» Art und Weise Land geschenkt zu erhalten. Zwei und zwanzig Jahre sind es her, seit ich von England nach Vandienunsland l) helnber gekommen bin. Schon während der Ucberfahrt sah ich mehrere melner Mit-schiffspassagiere Tagebücher halten uud folgte ihrem Beispiele, ob« schon nur Anfangs wenig Vcmcrkcuswerthes aufsticß. Später gewöhnte ich mich aber so sehr daran, daß ich mich Abends nicht j) Die Instl Vandiemensland »on etwa iA!0 QM. Flächeninhalt, heißt es S. 531 des „Grundrisses der Geographie von H. Verghaus," muK nicht allein wcgcn der unmittelbaren Nachbarschaft, sondern auch ihrer ganzen Naturbcschaffcühcit nach den, Continent? von Australien zugezählt worden. D!« Instl ist durchgängig hoch, faft überall, besonders an der Oft- uud Süd« leite steigt ti« Hust« jäh empor und «« lassen sich drci Vergletten erkomen. Welche nahe mit einander parallel die Insel von SO. nach NW. durch« schneiden und im Allgemeinen zwei Hochebenen einschließen, von dcnln?se östliche, vom Tamarftusse bewässert, ihre Hauptabdackung nach NW, zur Vassstraß« hat, die westliche dagegen, in nxlchn der T>rc»ent der Hauptstuch ist, nach SO. unmittelbar zum Oeean sich abdacht. Auf dieser Seite ist die Küste von Vandicmmeland tlicils durch Hallinstlu, theils durch die vorlie« gende Insel Vrnne in mehrere Vuchten gespalten, die eben so viele, seyr sichere Häfen bilden, untcs denen der von Hob art town, dcr Hauptstadt d« Insel, der wichtigste ist. A. d. 1Ub. 6 behaglich zu Bette legte, wenn ich die Vorfälle des Tages nicht in mein Notizenbuch eingetragen. Jetzt gewährt es mir Freude, denn indem ich mein Tagebuch wieder durchsehe, erinnere ich mich au Alles, was ich erlebt und gelitten, was mir gerathen oder mißglückt ist, und nicht nur sind diese Erinnerungen für mich jetzt wohlthuend, sondern sie können vielleicht auch Andern Nutzen und Unterhaltung gewähren. Zuvörderst will ich mit wenigen Worten erzählen, was mich eigentlich zur Auswanderung bewog, und sodann auf das übergehen, waS einzig und alleiu anf mein Leben in Australien Bezug hat. GZ war zu Anfang deS Jahres I8l«, unmittelbar nachdem die langen napolconischen Kriege zu Ondc waren, als ich mich in England" zuerst nicht mehr recht wohl und glücklich befand. War eS doch, als ob im ganzen Landc Alles verkehrt ginge. Durch den schnellen Uebergang'vom Kriege zum Frieden büßten so Viele ihre Beschäftigung ein, daß Manche nahe daran waren, zu verhungern, und Tumulte und Emcutcn etwas Alltägliches wurden. Gine lange Ncihe von Jahren her hatte ich in Croydon einen ziemlich einträglichen Kornhandel getrieben, und da der Kanal in der Nähe 'war, auch Kohlenverkauf besorgt. Der erstere blieb jedoch meilt Hauptcrwcrbszroeig und brachte mich sehr viel mit Landleutcu in Berührung, so daß ich die Art ihres Wirthschaftcus und ihres Ackerbaues ziemlich genau kennen lernte. Da war ich nun eines Morgens — ich erinnere mich des Tages noch so lebhaft, als wäre es gestern gewesen — auf den Kornmarkt gegangen und fand dort eine Menge Laudleute um einen meiner Nachbarn hcrstchend, der ihnen einen Brief vorlas. Der Brief rührte von seinem Sohne her, einen wilden unbändigen Burschen, der vor längerer Zeit als Steuermann eines Schiffes nach Sidney in Australien gesegelt war. Dcr Brief erregte unser Interesse in hohem Grade, besonders durch die darin enthaltenen Schilderungen von den Känguruh's, den wilden Eingebornen und ? den Vushrangern (spr. Vuschrähndschern), welche Bezeichnung ich beibehalten will, da sie sehr häufig in diesen Blättern verkommen wird und jene eigenthümliche Klasse vo» Menschen benamset, welche/ nur auf Vaudicmcuslaud heimisch, als Verbrecher dorthin trans-portirt wurden, aber ihrer Bewachung entflohen und als Diebe, Rauber und Mörder das Land durchzogen. Am meisten aber mußten wir nns darüber verwundern, wie der junge Mensch, der in England gar Nichts vom Landbau verstanden hatte, in Australien mit einmal Bauer oder nach dem Colonialausdruck Farmer') geworden war. Was er über die Schönheit und Fruchtbarfcit des Landes schrieb, war für mich von großer Bedeutung und rief in mir so viele neue Gedanken nnd Projekte wach, daß ich dieser Sache ganz besondere Aufmerksamkeit zu widmen begann. Zu Hause ließ ich jedoch noch Nichts davon verlauten und ging nach, wie vor, meinen Geschäften nach. Diese Geschäfte cü'cr wollten nicht mehr recht ziehen, und da ich nicht beabsichtige, hier zu erzählen, wie in England ein Manu nach und nach zu Grunde gerichtet werden kann, so will ich nur kurz andeuten, daß ich, bald da, bald dort durch Fallimente von Geschäftsfrcuuden Verlust leidend, wie audcrcrscits durch neue Concnrrenten beeinträchtigt, zur Einsicht fam, ich würde im Vaterlaudc nicht mehr bestehen können. Nachdem ich daher wieder einmal einen ganzen Tag hindurch gearbeitet uud dadurch nicht nur Nichts verdient, sondern auch eingebüßt hatte, entschloß ich mich rasch, der Sache ein Ende zu machen. Meine Frau, von welcher ich in einer eilfjährigen Ehe fünf Kinder hatte, saß Abends allein in der Stube und ich beschloß, sie mit Allem bekannt zu machen. „Marie," begann ich, „uuscre Geschäfte gehen sehr schlecht." 1) Das englisch« Wort I'arnier bedeutet ursprünglich Mchter, dann abcr auch Landmcmn, Ackerbauer überhaupt. N. d. lieb. 8 „Sie werden wohl auch wieder besser gehen," lautete die Antwort. „Die letzten sechs Monate her ist's mit jedem Tag schlimmer geworden," fasste ich, „und eS bleibt mir daher wenig Hoffnung." „Wir müssen um so angestrengter arbeiten." «Ach, Marie," versetzte ich mit einem Seufzer/„so angestrengt rin Mann nur immer arbeiten fann, arbeite ich uud Du weißt,, wie sparsam wir leben. Dessenungeachtet greifen wir unser Kapital an und wollten wir uns auch noch so knapp behelfen, es kann doch nicht länger so fortgehen. Weißt ja, wie viele unserer Geschäftsfreunde fallirt haben «nd wir wenig wir von Ihnen allen erwarten dürfen. Nach Verftuß von weitereu dre> Jahren wären wir mit Allem zu Vndc, ja, es wurde vielleicht nicht so lange dauern: oer Handel ist dermalen in der That ein Glücksspiel." „Aber sag', William." bemerkte meine Frau halb erschrocken, ,,was sollen wir denn ansangen? Willst Du es mit dem Ackerbau probircn?" „In diesem Lande nicht," entgegnctc ich, ..all die Steuern und Taren, Zinsen und Frohncn lassen mich befürchten, der Acker, bau könne nie wieder werden, was er war. Nein, Maria," fuhr ich fort und ergriff ihre Haud; „hier ist's Nichts damit. Unsere fünf Kinder verlangen Brot und in Zukunft ein genügendes Auskomme» von uns und deßhalb möchte ich das Wenige, was uns noch geblieben, nicht bei einem so zweifelhaften Versuch aufs Spiel sehen. Wir müssen uns zu etwas wesentlich Neuem, zu einem wichtigen Schritt cutschließen-, dieses Land der Eoncurrcnz, wo Einer den Andern zu übcrvortheilen und zu unterdrücken sucht, ist kein Boden mehr für uns, und deßhalb laß uus irgendwo hingehen, wo die Bevölkerung noch sparsam und eine Fülle von unbebautem Land zu habe» ist. Mit einem Wort: laß uns auswandern!" „Auswandern?" rief Maria aus: „Und wohin?" .,Gi," sagte ich, „über das Wohin? habe ich mich selber noch 9 nlcht recht entschlossen, denn ich wollte vorerst über den Plan überhaupt Deine Meinung hören nnd Deine Billigung desselben haben, bevor ich einen bestimmten Entschluß faßte. Glaube mir indessen, daß ich reiflich über unsere Zukunft nachgedacht habe »nd zu dem Resultat gelangt bin, wir thäten am Besten, das Wenige, waS uns noch geblieben ist, in einem neuen Lande anzulegen, wo wir es zu vermehren hoffen dürfen. Wären wir kinderlos, so könnten wir allenfalls hier auf bessere Zeiten warten, allein unsere Kinder «nd deren Zukunft bestimmen mich, anderswo unser Heil zu versuchen, wo wir, wie gesagt. Hoffnung auf Grfolg haben." Ich sah freilich die Augen meiner Frau sich mit Thränen füllen. Sie dachte wohl an ihre bcjahrc Mutter und an die vielen Verwandten und Freunde, denen wir auswandernd ein Lebewohl für immer sagen müßte», nud hiczn kam noch die Vorstellung unserer eigenen nnvorthcilhaften Lage. Allein, ob auch meine Augen gleichfalls naß wurden, so vergaß ich dennoch nicht, daß in derartigen Fällen auf die Charakterstärke des Familieuhauvtcö Alles ankommt, tröstete und cnnuthigtc also meine Frau so zärtlich, als ich nur immer konnte, nnd setzte ihr unsere Lage noch einmal ohne Rückhalt auseinander. Nach einer langen Berathung trug dann auch ihr gesunder Verstand nnd besonders die Liebe zu ihren Kinder» über ihre Bcocnklichteitcn den Sieg davon. Sie ging auf meine Ansichten und Projekte ein und wir verständigten uns, dieselben baldmöglichst in's Wert zu setzen. Ich habe diese Unterredung vielleicht ausführlicher dargestellt, als Vielen nöchig scheinen möchte, allein sie bestimmte nein ganzes künftiges Leben und ich muß hier noch die Bemerkung beifügen, daß von jene>n Augenblick an mein liebes Weib über alle unsere Beschwernisse und Entbehrungen, deren wir doch genug zu tragen hatten, nie eine Klage verlauten ließ, was ick um so mehr der Erwähnung werth halte, da ich späterhin nur zu oft ein ganz entgegengesetztes Betragen an Frauen von Ansiedlern wahrgenommen habe, welche zu vergessen oder gar nicht zu wissen scheinen, ill welchem Grade eines Mannes Glück und Fvieden, sa seine ganze Gristcnz in einem neneu Lande von der tröstlichen Liebe und freudigen Beihülfe seines Weibes abhängt. Nachdem ich auf die erwähnlc Art der Aeistünmuug meiner Frau mich vergewissert hatte, bot das Neblige keine große» Schwierigkeiten mehr dar. Allerdings bangte Marien vor der Masse der Arbeiten, welche ein solcher Schritt mit sich zu bringen schien, allein sie fand bald, daß Alle«, was ihr Anfangs unausführbar vorgekommen, ohne eben große Schwierigkeiten von Statten ging. Ich hätte hier Gelegenheit, noch Manches über nnser Fürchten und Hoffen, sowie über Alles zu sagen, was wir, bevor wir im Stande waren, das Vaterland zu verlassen, noch zu nbcrwin-den hatten, will es jedoch übergehen. Auch dic Seereise beschreibe ich nicht, denn Alles, was ich von derselben erzählen könnte, ist schon oft erzählt worden. Die Seereisen sind sich im Allgemeinen gleich. An Bord eines Schiffes muß man sich stets auf etwas Unbequemlichkeit gefaßt machen nnd eine Ueberfahrt nach Neu-Süd-Wales ist wohl unter allen Umständen keine gar angenehme Ncise. Bevor ich jedoch zu meiner Neise übergehe, will ich noch kurz erwähnen, was ich besaß, als ich England verließ, «nd was ich mit mir nahm. Mit Anstrengung und Noth brachte ich als Nest meines ganzen Vermögens Il5a Pfund Sterling') zusammen. Was wenig genug war, wen» man bedenkt, daß ich damit meine Frau, meine Schwiegermutter nud füuf Kinder auf die andere Seite des Erdballs schaffen sollte, um dort cm nencs Leben zu beginnen. Ucberdieß hatte weine Marie eine sehr gute Grziehnng genossen und mehr wie eine Dame, als eine Hausfrau gelebt, d. h. sie hat!c nie solche harte Arbeiten verrichten müssen, wie der N l5i» Pfund Sterling macht l2 W„l5c» <6^nvcntio»smünzc, A> d, Ucb. Frau eiucs Ansiedlers in einen, neuen Lande aufgedrungen werden. Außer den besagten 1150 Pfd. St. in baarcm Geld nahmen wir noch unsere Decken, Betten, unser Linnen und einiges Hausgcräth mit, welches in England uns fast wcrthlos schien, später aber von großem Nutzen war. Den Nest unsers Mobiliars verkauften wir, da uns wohlunterrichtete Leute sagteu, cö könnten Jahre vergehen, bevor wir für derlei Sachen in unserer neuen Heimat einen Platz hätten, denn der Ansiedler in Australien müsse vor allen Dingen seine ganze Aufmcvlsamlcit der Rindvieh- und Schafszucht widmen. Ich fand diesen Rath später gerechtfertigt und habe mit meiner Frau Monate hindurch so vergnügt auf ciuem gefällten Baume gcscsseu, als wäre er das weichste Sopha gcwescu. Am ?. September 18I6 gingen wir zu Gravesend unter Segel und landeten unterwegs am Vorgebirge der guten Hoffnung, welches al'er schon so sattsam beschrieben ist, das; ich Nichts darüber zu sagen brauche. Nach einer füufmoualelangeu Neberfahrt gingen wir am 3. Fc« bruar 181? zu Hobarttown vor Anker. > Hobarttown ist die Hauptstadt vou Vandicmenöland, au der Südseite der Insel gelegen. Ich muß aber bei dieser Gelegenheit sagen, daß die neucu Begriffe, welche sich in Australien mit den Worten Süd nnd Nord verbanden, mich Anfangs sehr verwirrten; deuu ein „kalter Südwind" und ciu „warmer Nordwind" klangen mir doch gar zu kurios und daucrte es lauge, bis ich mich daran gewöhnen konnte '). Uebrigens war der Anblick unseres neuen Heimatlandes von diesem Hafen aus nicht besonders tröstlich und crmuthigend, so daß meine kühnen Hoffnungen um ciu »Bedeutendes hcrabgcstimmt wurden. Die Gegend den Fluß eutlang aufwärts, vou der Einfahrt 1) E« braucht kaum darauf hingewiesen zu wcrdcn, daß diesfr Umstand in dcrsüdwärts i,om Acauator sick befindlichen Lage Australiens seinc» Grund hat, A. d. lleb. 52 in die Swrmbay bis nach Hobarttown sah öde und traurig aus' Die Vnume wiesen sich verkrüppelt, das Gras dürr und braun, wenige Stellen ansgenommen, wo es eine freundlich grün« Farbe hatte -und, wie man uns sagte, unlängst abgebrannt worden war. Dem Aussehen der ganzen Gegend nach hätte man eher schließen können, man befände sich m der letzten Herbstzeit, als in der Mitte Sommers, in welcher Jahreszeit wir uns dcch in Wahrheit befanden, denn in diesem verkehrten Lande sind auch die Jahreszeiten den unfrigm entgegengesetzt. Die ganze Landschaft trug ein herbstlich abgestandenes Golorit, als harrte der Boden erst der Ansiedler welche ihn bearbeiten nnd verschönern sollten. Der Vcrg Wellington, welcher sich 400« Fuß hoch liuks an der Stadt am Flußufer, erhebt, hatte eine kleine Schneekappe auf, welche ich in späteren Zeiten noch einigcmalc in den Sommermonaten beobachtete, obschon der Schnee in dieser Jahreszeit gewöhnlich sehr schnell schmilzt. Die Stadt selbst gewährte nur einen unregelmäßigen, zerrissenen Anblick. Hie und da erhob sich ein recht ordentliches HauS, aber dazwischen lagen wieder offene Bauplätze oder ärmliche Hütten. Ich muß hier besonders der Unzahl von Hunden erwähnen, welche uns die ersten in der Stadt verbrachten Nächte durch ihr unausgesetztes Gebell fast um allen Schlaf biachttn. Damals nämlich hielt Jeder, der es nur irgend vermochte, einen Känguruh-hnnd, nnd wenn einer derselben zn knurren ansing, so machten rasch hinter einander die sämmtlichen Hunde so furchtbaren Chorus, als hätten die wilden Eingeborenen die Stadt m Brand gesteckt oder die Dcportirten') sich empört. O, wie oft sprachen wir den Nuusch aus, daß alle diese Hunde ihre eigenen Schwänze in der Kehle stecken hätten, um dieses abscheulichen Lärmcns ledig zu wcr- i) Vcsanntlich depurtirt Euglnnd einen großen Theil seiner Verbrecher nnch svincn australisch,'» Holcnicn. wo ihnen die Möglichkeit >,cgebcn iii, si«5 wirtlich wieder ;n ordentlichen Mcns^cn ,u macben, ?l, d, Ilcb. 53 den. Man gewöhnt sich jedoch an Alles, was jener Lehrling beweisen kann,, der «« einem kupfernen Gefäß schlafend gefunden wurde, während die Arbeiter draußen daran herumhämmcrtcu. So lernten auch wir binnen Kurzem den Werth eines treuen und guten Känguruhhundcs im Walde keimen, denn nur die Wachsamkeit dieser Thiere rettete uns. daß wir nicht sammt und sonders von den Eingeborenen verbrannt oder auf andere Art ermordet wurde». Ich erkannte bald die Nothwendigkeit, möglichst schnell aus der Stadt und auf unser Land zu kommen, denn unser Geld schmolz furchtbar zusammen, weil in Hobarttown Alles und Jedes schrecklich lheucr war. Bezahlte ich doch allein il^ Dollar') wöchentlich für die trübselige Wobuung, in welcher wir gegen Wind und Wetter Schuh gesucht hattcn, denn es würde mich an den Bettelstab gebracht haben, hätt? ich in eines der beiden Gasthäuser gehen wollen, die dazumal in der Stadt cristirten und sich in höchst mittelmäßigem Zustande befanden. Von der Theure der Lebens-mittcl will ich gar nicht reden, sondern bloß erwähnen, wie sehr es mir auffiel, daß in einem ackerbauenden Land Milch und But« tcr nur in so sparsamen, und kostspieligen Maaße zu finden seien. Allein jedes Ding hat scint Ursachen, denn wenn man die Kühe mclkcu will in einem Lande, wo es keine Hecken und keine Feuzen (Einflicdigungcn) gibt, so muß mau sie natürlich zuerst einsangen und zu diesem Mancuvre war jedesmal die sämmtliche Mannschaft einer Farm erforderlich. Doch hicuon später. Im Allgemeinen fand ich an dem Aussehen des fünften Welt« theils eben kein sonderliches Gefallen, wohlmeinende Leute gaben mir jedoch die Versicherung, daö Innere sei viel besser, und zugleich den Rath, keine Zeit zu verlieren, sondern mein Land zu beziehen, weil nur allzu oft Auswanderer ihre Zeit mit Uncherschlendern und <) Ei» Dollar ist ungefähr so vicl. >rie ein Sptzitsthaltr, A. d. Ucb. l4 unnützen Klagen verlören und dabei ihr Geld in dem Maaße verschwendeten, daß sie nicht genug übrig behielten, um im ersten Jahre davon zehren zn können. Uebrigens gestehe ich, daß ich mich in dem ncncn Lande, wo Alles von der alten Heimat so ganz verschieden war, Anfangs nicht recht behaglich fühlen konnte, nnd hiezu trug besonders die, wenn anch nicht sehr bedeutende Schwierigkeit bei, eine Magd zu bekommen. Meiner Frau war es nämlich entsetzlich, daß eine De-portirte ihr im Haus und bei den Kindern beistehen sollte. Die Verhältnisse init diesen dcportirtcn Verbrechern gefielen anch mil nicht sehr. Viele von denselben mit, viele ohne die gelben Jacken, dann wieder ganze Gänge, die mit Ketten au den Beinen zusam< meu auf den Straßen arbeiteten, gaben der Stadt eben kein rcspek> tables Ansehen. Allein ich hatte auch nicht die Erwartung gehegt, daß mir die gebratenen Tauben in den Mund stiegen und Betten von Rosenblättcrn für mich bereit liegen sollten, und deßhalb ermunterte ich mich und ging frisch au's Werk, indem ich vor allen Dingen Sorge trug, daß meine Habseligkeiten vom Schiff in das Waarenhaus eines dortigen Kalifmauns kamen, wofür ich übrigens «inen hohen Miethzins entrichten mußte. Sodann erregte mir auch das noch große Besorgnis;, was ich in einem Lande voller Verbrecher, wo jeder Finger ein Angelhaken war, mit meinem Gelde anfangen sollte. Der Gouverneur gab mir aber zu meiner großen Vcruhi-guug die Erlaubniß, es in dem Schatz zn devoniren. Nach Bezahlung aller Ausgabe» blieben mir noch Z600 Dollars uud mit diesen mußte meine Ginrichtung in der WNduiß zuwege gebracht werden. Vor Allem mußte der Platz bestimmt werden, wo ich mich ansiedeln wollte, zu welchem Ende ich vom Staat Land erhalten sollte. Die Art und Weise, wie dieses vor zwanzig Jahren zuging, ist ungefähr folgende. t5 Bevor ich England verließ, wandte ich mich brieflich an den Staatssekretär des Ministeriums der innern Angelegenheiten und erllärte demselben meine Absicht, mit meiner Familie nach Van-diemcnsland auszuwandern, wobei ich um eine Vollmacht, nachsuchte, welche mir bei meiner Ankunft daselbst eine Strecke Landes zusichere. Als Antwort erhielt ich ein versiegeltes Schreiben an den Gouverneur, welches, wie ich später erfuhr, die nöthigen Befehle enthielt, ein meinen Mitteln entsprechendes Stück Land mir zuzuweisen. In Hobarttown angekommen, stellte ich dieses Schreiben dem Gouverneur zu, welcher mich freundschaftlich empfing und sich über meine Verhältnisse, über die Zahl der Mitglieder meiner Familie, über den Betrag meines Vermögens und besonders über die Absicht, m welcher ich ms Land gekommen, Kenntniß verschaffte. Ich sagte ihm, ich sei hichcrgckommcn, mich als Fanner anzusiedeln . auf meinem eigenen Lande zu wohnen und dieß mit eigenen Händen zu bebauen. Zu jener Zcit wurde dicsc Art vou Ansiedlern von der Volo-nialregicrung vornämlich begünstigt, wie es auch recht und billig ' war, denn gerade solche Leute brauchte man, um die Bewohner des Innern zu cultivircu, Produkte für die Städte zu pflegen und' dem Gouvernement die Sorgen für die Dcportirtcn tragen zu helfen. Dieß war auch günstig für die Vesserungsplane VezugS der Verbrecher, indem sie auf diese Art der Verführung der Stadt entzogen und zu gesunder, zuträglicher Arbeit in einer Gegend angehalten wurden, in welcher sie von ihren Lastcrgenossen und Lastergcwohnheitcu gleichweit entfernt gehalten wurden. Da ich nnn Einer von der gesuchten Ansiedlcrklajse war, so sagte mir der Gouverneur, ich hätte seiner Meinung nach Anspruch auf so viel Land, als zu vergeben nur immer iu feiner Vollmacht liege, und er würde nur daher 1200 Acker zusichern. Daö war kriu übler Anfang, I20ft Acker eigenes Land klang !6 nicht schlecht, nur fragte es sich noch, wo ich dieses Land finden sollte. In der Colonie war freilich genug herrenloses Land vor« Handen, allein das meiste davon war schlecht oder ungünstig ge-« legen, nnd der Gouverneur machte mich besonders darauf aufmerksam, daß ich mich ja nicht sollte abhalten lassen, in's Innere des Landcö einzudringen, da ich ja meine Aufmcrtsamfcit besonders der Viehzucht widmen wolle nnd, sobald die Einwanderung in die Co« loniccn einmal frequenter würde, die Eigenthümer von Heerden gewiß sehr zufrieden scin würden, nicht sogleich von neuen Ansiedlern nnd fremdem Vieh umgeben zu scin. Er hatte vollkommen Recht. , Ich füge hier noch hinzu, daß damals, wcnn Land gegeben wurde, dieß eine freie Schenlnng der Regierung c>» den Ansiedler war, nnd dieser Umstand bewog Viclc, die altc Heimat zu verlassen , um in dcr «cucn Eigenthum zn cvwcrbeu. Spätcrc Erlasse mögen allerdings dazu gcdunt hal'cn, den Werth der Lände-rcien zn erhöhen, schreckten aber anch viele tüchtige, wenn auch unvermögliche Leute ab . nach so entfernten Regionen ansznwandern. Wie schon gesagt, bestand jetzt die Schwierigkeit darin, wo ich mir Land aufsuchen sollte, nnd ich hörte über die verschiedenen 'Gegenden so Vieles'und so Widersprechendes, daß ich ganz ir« und unschlüssig ward, wohin ich mich wenden sollte. Ich sah indessen bald ein, daß hier cin rascher, fester Entschluß am Platze sei, machte es daher meiner Fran und meiner Familie in der Stadt so wohnlich, als ich es zu machen im Stande war, empfahl sie der Obhut einer bekannten Familie, nahm meine Büchse auf die Schulter nnd machte mich guten MuthcS nach dem Innen» «uf den Weg. z? Zweites Kapitel. Thornlc», verläßt die Stadt, — Sein« Wanderung in dns Innere, um gutes Land zu suchen, — Vcqcgnet cincm wuxdcrlickcn (5haraltcr und «»acht eine neue Bekanntschaft. - Wic in der Lolonie der Ackcrban betrieben wird, — Ein Abenteucr, Alo ich lim die fünfte Morgenstunde die Stadt verließ, lag sie noch in vollkommener Ruhe. Menschen ließen sich fast noch keine blicken. Die in stiller Majestät aufgehende Sonne sing aber bald an, mir warm zn machen, wie denn die Sommcrsonuc von Vandiemcnsland überhaupt keine Kleinigkeit ist, obgleich ich sie im Allgemeinen nicht viel drückender gefunden, als die von England. Die kleine, die Stadt begränzenve Anhöhe hinangcsticge». blieb ich stehen, um mir den Ort, bevor ick ihn verließ, noch ciumal recht zu betrachten. nud er gewährte wirklich einen eigenthümlichen Anblick, weil er eher rein Anfang einer Stadt, denn sonst GtwaS glich. Allenthalben ragttn Stangen und Balken im Ban begriffener Häuser hervor und das Gan;e kam mir vHr wie ein Platz, welchen eben eine große Menschenmenge in der Absicht, sich anzusiedeln, bezogen hatte. In meiner Rechten stand der Berg Wellington, seine Spitze in dichte, weißliche Wolken verbergend, die Fläche zwischen dem Berge und der Stadt war mit Vaumschlag und Buschwerk bedeckt, welche in dunkelgrüner Vclanbnng prangten; wir fast gerade gegenüber stand der seiner Vollendung nahe Regie-rungöpalast und znr Linken ftoß der breite Fluß Dcrwent, der sich, soweit das Auge trug, gegen Süden hinabwähtc, um dort in's Meer zn münden. Zwei Kauffahrcr und einige Voote lagen dicht an der Küste vor Anker, und es war gewiß ein prachtvoller Anblick, als der schöne Fluß und der nicht minder schöne Hafen in den Abenteuer eines Au?wanhncrs, I, ^ »8 Stralen der Morgensonuc erglühte, während die schmalen Streifen angebauten Landes, die zerstreut umherlagen, nur zu deutlich anzeigten, welche Schätze hier noch iu der Erde schliefe» uud nur l>er weckenden Hand des Menschen harrten. Der Glockcnton, welcher in der Kaserne der Dtportirten diese an ihre tägliche Beschäftigung rief, mahnte auch mich zum Aufbruch, denn ich hatte sinnend dagestanden, gleich alq scheute ich mich, die friedlichen Wohnungen der Menschen zu verlasse» und mich zu den Gingcbornen in die Wildnis; zu wcigen. Uebrigens befand ich mich dermalen noch auf der LanVstrasic, wen» diese auch nicht sonderlich gut war; daher noch einen Blick nach der Stelle werfend, wo ich meine Frau nud meine Kinder wußte, schaute ich uach den Pfannen meiner Doppelbüchse, ob das Pulver trocken sei, und machte mich auf den Marsch. Auf meinem Wege zwischen dem Camp (Lager), wie Hobart-tmvu damals genannt wurde, und dem etwa drei (englisch?) Meilen entfernten Newtowu begegnete mir Niemand, uud ich erinnere mich deutlich, wie einsamlich mir damals zu Muthe wurde; ich war eben noch nicht daran gewohnt und hatte natürlich mit all den widerwärtigen Ompsindnngcu eines Mannes zu kämpfen, der noch nicht recht entschlossen ist, wohin er sich wenden soll. So gern ich nun auch aus einen Menschen gestoßen wäre / der mir einen passenden Platz oder wenigstens eine günstig gelegene Gegend für mein Vorhaben hätte angeben können, so glaubte ich dennoch auf der andern Seite, meinen bisherigen in der Stadt gesammelten Erfahrungen zufolge, Niemanden trauen zu dürfen, da mir Alle nnr ihre eigenen Interessen im Auge zu haben schienen. Mit diesen fcincswcgS angenehi', :n Gedanken beschäftigt, setzte ich meinen Weg fort und kam an wenigen armselig aussehenden Hütten vorüber, bevor ich die etwa zehn Meilen von Hobarttown entfernte Fähre über den hier immer noch ziemlich breiten Derweut erreichte. 19 Hiev hielt ich au und beschloß, mich nun erst zu entscheiden, ob ich nieinen Weg nach dem noch etwa «ilf Meilen weiter entfernten Norfolk verfolgen oder aber über den Fluß setzen und dort die Landstraße betreten sollte, die von einer Seite der Insel zur andern, d. h. bis Launccston am Tamarstussc führt. Ich ging an das Wasser hinab und sprach die Fährleute an, welche gerade eifrig mit einem Boot beschäftigt waren. Auf meine Fragen gaben mir diese Alle den Nath, nach Norfolk zu gehen, denu dort sei, wie sie sagten, schünes Land im Ucberftusse und eine schon halbnNtivirtc Gegend. Inzwischen lain der Eigenthümer der Fährc und des dicht dabei liegenden Wirthshauses herzu und ich frug ihn, was er meinte. Er musterte mich zuerst von unten bis oben, als wollte er «rft herauskriegen, wie viel ich werth wäre, schüttelte dann auf eine ominöse Art deu Kopf und sagte: „Ein neuer Ansiedler, schätz' mir." „Errathen," versetzte ich, «ein noch sehr neuer, und ich würde Ihucn ungcmein dankbar sein, wenn Sie mir die Richtung bezeichnen wollten, in welcher hin ich mich am erfolgreichsten nach Land nlnschaucn tonnte." «Viel Land?" fragte er. „Zwölfhuudcrt Acker." „Nicht gar viel für Schafszuchi, aber hiurcichcnd, um sich «in hübsches Landgut anzulegen." „Das mein' ich auch, wo aber kann ich gutes Land finden?" „Gefrühstückt?" fragte der Wirth. „Gewiß, bevor ich mich auf den Weg machte." „So. Nun will ich Ihnen jagen, daß, wäre ich an Ihrer Stelle, ich erst einmal ein oder zwei Tage hier bleiben würde Z nachher sinret sich schon was." ' „Uud dann?" 2" 20 „Ei, dann kann ich Sie auf das andere Ufer übersetzen und_____" „Großen Dank," unterbrach ich ihn, denn ich merkte wohl, Woher der Wind ging. Die Fährleute wollten mich nach Norfolk schicken, damit sic sich die Mühe des Ucberschcns ersparten, ihr Herr dagegen hätte mich gern ein paar Tage in feinem Wirthshaus behalten, damit ich vorher mein Geld bei ihm verzehren möchte. Ich beschloß daher, da ich mich doch nicht auf Andere verlassen konnte, sclbststäudig zu handeln, bei mir überlegend, daß, wenn sich in der Gegend von Norfolk schon Ansiedler niedergelassen hätten, dort umher gutes Land sich finden müsse, dcnu sonst hätten sich die bereits Angesiedelten eine günstigere Lage ausgesucht. „Guten Morgen, " sagte ich zu dem Wirth, der mich noch immer anglotzte: „will 'mal scheu, was sie für Land in New-Norfolk haben," „Warten Sie voch bis gegen Abend, werden es icht bedeutend heiß finden/' bemerkte der Wirth. „Ich mag keine Zeit verlieren." „Kann ich Ihnen nicht mit einen» Glas Num aufwarten?" „Danke, trinke keinen Rum." Die Führleute grinsten. „Oder mit einem Glas Brandy?" - „Auch nicht, danke, danke." „Ich habe prächtigen Whisky, ächten Farantosh, oder auch irischen mit dem ächtcu Torfgcschmnck, oder. . ." „Danke, ich trinke so früh am Tage nie gebrannte Wasser, wohl aber möcht' ich ein Glas Bier haben, denn ist's auch noch Morgenzeit, so bin ich doch schon weit gegangen, und ein Tropfen Nicht allzustarkm Ale's . . . ." „Vier? Ale? Der Herr segne Sie! Sie sind doch wohl nicht ilbers Meer gekommen, um hier Bier oder Ale zu trinken. Hier 2l gibt's kein Bier; Nmn, sehen Sie, das ist unser Trintftoff in den Eolonicen." „Aber Sie haben doch auch Wasser, nicht?" «Wasser? Gewiß, wir brauchcn's zum Thee, wovo« ich eine Tasse mit Num Ihnen empfehlen möchte." „Ich trinke dm Thee lieber mit Milch." «So, nun Manche würden das auch thun. aber sehen Sie, «s kommt Alles auf die Gewohnheit an. Iu dieser Gegend hier ist Milch ein Artikel, der nicht leicht zu bekommen ist und Num wird so zu sagen uuscre Muttermilch — hi, hi, hi! Nun Sie werden sich bald genug an's Ansieblerleben, an den Num und alles Andere gewöhnen." , „Den Rum ausgenommen, theile ich Ihre Hoffnung vollständig," versetzte ich und verließ den Wirth, dessen Geschäft es übrigens war, Gäste in sci» Haus einzuladen, und der also mir ge« genüber nur seinem Geschäfte nachgekommen war, wie wir denn Alle miteinander Jeder in seiner Art Sclbstsüchtler sind. Mich wieder auf den Weg machend, bemerkte ich, daß die Sonne nachdrücklicher zu brennen begann und meine Uhr zeigte mir die zehnte Morgenstunde. Ob nun auch die Aussicht, daß die Hitze bis Mittag stets noch zunehmen werde, mir nicht sehr angenehm war, schritt ich doch rüstig fürbaß, entschlossen, Nw -Norfolk um jeden Preis zu erreichen. Nach Nerstuß einer Stunde fand ich aber, daß ich mir zu viel zugetraut, meine Kräfte erschlafften, ich wurde müde und sing an, mich links und rechts nach einem Ruheplatz umzusehen. Vei dieser Umschau nahm ich plötzlich einen seltsam aussehenden Mann wahr, der eine kurze Strecke seitwärts der Straße an einein kleinen Hügel aus einer Quelle trauk, welche über einige fiachc Steine hervorsprudelte. Das ist wenigstens kein Numtrinker, dachte ich bei mir, denn 22 er scheint das reine Element mit großem Vergnügen cinzuschlürfen. Seltsam genug sieht er übrigens auö. Seine Füße slacken in einem Paar schon ziemlich abgetragener Moccasins ans Schaffell, die Wolle nach anßcn gelehrt. Der untere Theil seiner Veine war nackt, der obere dagegen in eine Art von Hosen gehüllt, die früher einmal Knöpft gehabt haben mochten, jetzt aber dieser Zierde entbehrten. Das Hauptstück seines An-zngcs bestand aus einer langen Jacke von Kängunihfcllcn, die, mit sammt der Haut getrocknet, dnrch ihre verschiedenen Schattinmgen und Schmiltzstccke einen eigenthümlichen Anblick gcwnhrten. Auf dem Kopf hatte er einen Hnt sitzen, wenn das Ding überhaupt den Namen eines Hutes verdiente. Gin stoppeliger, gewiß vierzehntägiger Bart that dem wilden Aussehen dcö Menschen eben keinen mildernden Eintrag und ich darf wohl gestehen, daß ich dic-fcn behaarten Burschen nicht allein mit Nengierdc, sondern auch -mit Äcsorgniß in'S Auge faßte. Hatte ich doch so viel von den Bushrangcrn gehört, und obgleich dieß kein sehr geeigneter Ort für diese Strolchen war, so glaubte ich dennoch behutsam sein zu müssen. Ich legte daher meine Hand an das Schloß meiner Büchse und hielt dm Lauf, wie nachlässig, nach vorn, um sogleich zum Anschlagen bereit zu ftin. Indessen waren meine Vorsichtsmaßregeln dem KängnmlM-Nlcmn nicht entgangen. Er wandte sich «m, sah mich an und sagte? „Sie brauchen vor mir keine Furcht zu haben, Master. Wollen Sie Wasser, so kommen Sie nur her. Gott sei Dank, Wasser gibt es hier zu Lande in hinlänglichem Macißc und süß, ausgenommen, wo es falzig schmeckt. Trinke» Sie .... Nun aber," fuhr er fort, als er bemerkte, daß ich noch immer zögerte, „ich kann auch weiter weggehen. Ist cS doch ganz natürlich, daß Sie ein wenig ängstlich sind. Hätten Sie erlebt, was ich in diesem grauscnhaftcn Lande erlebte, so hätten Sie wohl noch mehr Ursache zur Furcht." 23 Gs lag Etwas in res Mannes Wesen und Gcbahren, sowie in seinem, freilich sauer genug dreinschauenden Gesicht, was mich denken ließ, ich hätte von ihm Nichts zu besorgen. Deßhalb bückte ich mich nieder, um in langen, lechzenden Zügen das süße, herrliche Wasser zu trinken, und nie hatte nur, selbst nicht während der Seereise, ein Trunk so gut geschmeckt. Der gemeinschaftliche Genuß der Quelle stellte aber zwischen nur und dem Känguruhfellmann mit einmal cine Art freundschaftlichen Verhältnisses her, und wir ließen uns neben einander im Schatten nieder. Dessenungeachtet mußte ich meinen neuen Bekannten fortwährend mit einer Art stnmmcr Verwunderung ansehen, und als er mich nach einer Weile fragte: „Sie sehen mich an?" versetzte ich; /,Ich kann Nichts dafür; ich möchte Sie zwar nicht gerne beleidigen , aber bitte, sagen Sie mir gefälligst, kleiden sich hicr zu Lande die Leute alle in der Art? Ich will damit nicht sagen, daß es nicht äußerst zweckmüßig für das Klima und für den Wald ein ganz angemessener Anzug sein könne, allein ich bin erst vor einigen Tagen hicr angekommen und daher kommt mir Manches ein wenig seltsam vor." «Gewiß nicht seltsamer, denn mir selber," erwiederte der Kün-guruhfcllmauu. „Rathen Sie einmal, wie ich zn diesem Anzug gekommen? Doch Sie brauchen sich mit Rathen keine Mühe zu geben. Ich will's Ihnen sagen. So, wie ich da bin, bin ich durch freiwillige Veistcncr gekleidet." „Durch freiwillige Beisteuer, wie?" »Ja, schaun's, Sir, vor etwa zehn Tagen begegnete ich an^ der andern Seite der Insel den Vnohrangcrn, und die waren ft gefällig, mir Alles abzunehmen, was ich hatte." «Der Teufel!" schrie ich, mit der Hand nach der Büchse fahrend. //O, ängstigen Sie sich nicht, hiehcr kommen die Kerle nicht. 24 Wollte nur Gott, ich wäre auf gutc Art aus diesem grausenhaf-te» Lande hinaus! (5sel, der ich war, meinen alten Herrn in Shropshire zu verlassen und Hieher zu kommen, um eigenes Land zu erhalten. Ja, ja, so geht'S. Was aber die Schurken, die Bushranger, betrifft, so nahmen sie mir Alles ab, was ich am Leibe trug, und zwangen mich überdicß, drei Tage lang ihr Gepäck zn schleppen. Der Eine, welcher sich meinen Nock, einen Rock aus prächtigem Sammetmanchester, zueignete, warf mir diese Känguruhfelljackc zu mit den Worten: Mein Holrer, da hast Du etwas znm Andenken. Du wirst auch nicht sagen, daß eS dir bei uns schlecht gegangen, denn wir theilten mit einander redlich, was wir hatten, und wir haben dir das ganze Land gezeigt. Diese Moccasfins da bekam ich in einer Schüferhütte, wo ich daö noch warme Schaffell um die Füße hcrumthnn mußte. Anfangs saßen sie auch bequem genug, jetzt aber, da sie trocken werden, fange» sie an mich zu drücken. Nun, ich werde sie nicht gar lange tragen, das weiß ich; ich gehe nach (5'nglanv zurück und müßte ich meine Ueberfahrt abverdicnen. Der Himmel gebe, daß ich bald aus diesem Verdammten Lande fortkomme. Meiner Treu, ich glaube, es muß entstanden sein, bevor die andern Länder angefangen waren, und nachher hat es dem liebe» Gott nicht mehr gefallen. Hier ist Nichts, wie anderwärts, und das Ucbclstc ist, daß «s Nichts zu essen gibt." „Nichts zu essen? Das ist freilich übel: aber wie können denn die Leute cristiren?" „O, ich will gerade nicht sagen, daß cS gar Nichts zu essen gäbe, obwohl ich auch nicht weiß, was Anderes zu haben wäre, als Hammelficisch und Dampers ^) / ich meine aber, das Land selbst «rzeugc Nichts, feine Thiere, keine Früchte, leine Wurzeln. An- <) Dampers stnd eine Art Mehlklöße, in den Kolonien von Pandiemens-land vielfach statt dc« VrvtcZ dienend. 25 fangs, als ich herüberkam, glaubte ich, es müsse in einem so war-' men Klima cine Menge Obst geben, aber, Gott mit Ihnen! Sie tonnten M) lange im Maid nmsehen, bevor sie Otwas zn essen fänden. Das einzige F uchtähulichc. was ich bis jetzt noch hier entdeckt habe. ist eine verkehrt geschaffene Kirsche, mit den, Kern außerhalb. Einmal, als ich verteufelt Hunger hatte und bemerkte, das die Vögel davon frasien, aß ich eine gcnne Menge, die haben aber eine saubere Geschichte in meinem Magcn angerichtet. Doch das gehört nicht Kicher und ich bleibe dabei, dieß ist das grausen« hastcstc Land und die gräßlichste Gegend, welche man sick nnr denken kann, und Alles, was ich wünsche, ist, ich möchte bald wieder draußen sein." „Es ist mir höchst unangenehm/' bemerkte ich, „von Ihnen ein so nachtheiliges Urtheil über meine neue Heimat zn hören. Ich bin hicher gekommen, um mich anzusiedeln, uno da Sie, Master .... Sie haben mir aber Ihren Namen noch nicht genannt...." „Krabb, Samuel Krabb, so heiße ich und so hiesi mein Vater. Ich bin aus der Grafschaft Shropshire (in England) und war vormals Obcrpftnger beim Squire Dampiere in DampierchaN. Es konnte keinen bessern Herrn geben, als der Squire, sowie ich meiucrseits keinen dnmmcrn Streich machen konnte, als den, ihn zu verlassen. Aber das kommt Alles vom Lcsm und Schreiben." „Vom Schreiben nnd Lcscn, wie so denn?" „Nnn sch'n Sie, eines Tages war ich von wegen einem Pflug in der Schmiede, nnd weil ich sonst gerade Nichts zu thuu hatte, nahm ich cinc Zcitnng, die dort lag.....der Teufel hole alle Zeitungsschreiber! .... nnd begann einen Artikel über Aandic-mensland zu lesen, allwo geschrieben stand, was das für ein schönes, vortreffliches Land wäre, wie mau dort so hohen Arbeitslohn kriegte und wie dort besonders Landbcbauer uud unter diesen wieder vornehmlich Pftüger gesucht seien, und wie ein solcher dort ohne allen Zweifel sein Glück machen müsse. Hatte ich nun in 25 meinem Leben je einen Wunsch gehabt, so war es der gewesen, einmal eigenen Grund und Vodcn zu besitzen, und wcil dieß in England durchaus unmöglich schien, zwickte mich der Satan, daß ich mir di.e Idee in den Grind setzte, nach Vandiemcuslanb ausznwan-dern. Half auch Alles Nichts, was der gute Squire dagegen sagte; ich faßte 'ncn raschen Entschluß. Hatte mir ungefähr hundert und fünfzig Pfund Sterling erspart und mit dicscn ging ich .... nun aber will ich mich nach einem Schiff umsehen, nm so schnell, wie möglich, nach England zurückzukommen." Ich branche es wohl nicht zu verheimlichen, daß diese Aeußerungen eines wirkliche,, Landbaucrs, der übcrdicß einen großen Theil der Insel gesehen hatte, mcine Erwartungen bedeutend herabstimmten und daß zum ersten Mal ängstliche Bedenken in mir rege wurden, ob ich auch recht gethan, ein civilisirtes Land, wie England, zu verlassen, um in solche wilde Gegenden auszuwandern; allein auf der andern Seite kam eö mir vor, als sei mein neuer Freund einer jemr verdrossenen, halsstarrigen Menschen ans den mittleren Grafschaften Euglands, und er konnte zudem noch nach dem Uebcr-fall dnrch die Bushranger ein Vorurthcil gegen das ganze Land gefaßt haben. Da ich aber weitere Auskunft uon ihm hoffte, so beschloß ich, ihn noch nbcr dieß und das abzufragen, und sagtc deßhalb: «Wie bewirthschaftet man denn hier die Felder?" „Vcwnthschaften? Gott mit Ihnen! Wer denkt hier an's Bewirthschaften? Sie verstehen vom Landban nicht mehr, als ein Londoner. Gar Nichts können sie bauen." „Keinen Weizen?" „Wohl, Weizen bauen sie, aber er ist auch darnach." „Gerste?" „Wohl. Gerste." „Hafer?" «Habe noch nicht viel gesehen, glaube aber, man könnte." 2? „Kartoffeln?" //Ja, Kartoffeln genug," „Gemüse, als da sind, Erbsen, Kohl, Bohnen, und dergleichen ? " „Auch das; ich müsite lügen, so ich sagen wollte, das winde nicht gebaut, aber es schießt zu hoch auf, mu mir zu behagen. Es wächst Alles zu schnell und es ist gegen allen gesunden Menschenverstand, daß Pflanze» gedeihen sollen, wenn dcr Boden nur «in wenig aufgelockert wird, wie man's hier im Branch hat. Und nun gar das Ackerland! Zuerst drehen sie den Boden mit dem Pfluge einmal 'rum, und da liegt dann der aufgewühlte Nasen, auf welchem nach, wie vor, Gras wächst, und kanm ist das geschehen, so läuft so ein Leineweber oder sonst irgend ein Londoner Spitzbube mit einem Samenbcutcl am Arm über's Feld «nd streut .... Gott jci nlir guädig! . . . . die Saat umher, als fütterte er Hühner. Hinterher lommt ein anderer Bursch und läßt vo« ein Paar Ochsen irgend einen großen Vamnast darüber herschlcp-pm und das nennen sie eggen. Dann kümmern sic sich nicht mehr drum." „Aber was wild daraus?" „O, erst holen sich die Kakadu's einen tüchtigen Kröpf voll, bann fallen die Papageien und Elstern drüber her.....aufgehen thuts aber doch." , „Ei nuu, das ist doch Etwas." „Wohl, ^eö sollte aber eigentlich nicht anfgchcn, da's auf so niederträchtige Weise behandelt wird. Fragte neulich drüben in Pittwatcr so 'nen Londoner Windbeutel, wie oft er sein Feld brach liegen lasse. Goit, sagen Sie, Herr, können Sie glanben, daß der Vurschc vom Bracheu keine Idee hatte und ftin Feld elf Jahre hintereinander hatte Weizen tragen müssen? Ist das nicht eine Grausamkeit, ciucu Acker so z» mißhandeln? Und überdieß, Sie glauben mir's vielleicht nicht, wie sie's mir auch in Shropshire 28 nicht glauben werden, hatte dieser Bursche dem Feld. auf welchem er elf Jahre hintereinander hatte Weizen wachsen lassen, nicht eine Handvoll Dünger gegeben. Nun, waö meinen Sie? Würde wohl ein einziger Landmann in England seinem Acker so barbarisch und unchristlich mitspielen? Das ist ja gegen alle Natur und Vernunft." Ich begann jetzt einzusehen, mit welcher Gattung von Menschen der Zufall mich zusammengeführt. Ich hatte nämlich einen jener zähen Naucruköpfc vor mir, welche uic begreifen wollen, daß der Landbau auf eine andere Art, als er von ihren Vätern und Urvätern getrieben wurde, getrieben werden könne, und deren Vorurtheile so eingerostet sind, daß sie nicht einmal mehr das glauben, was sie mit eigenen Auge» sehen. Nachdem ich meinen neuen Freund dergestalt einmal durchschaut hatte, bcgaun seine Wunderlichkeit und Halsstarrigkeit mir Spaß zu machcu, und da ich dachte, er könnte mir durch seine Kenntniß der Colonien nützlich werden, sowie auf meiner jetzigen Fahrt ein sehr wnnschenöwcrther Begleiter sein, so entschloß ich mich, ihn um seine Begleitung anzugehen, wenn auch sein dcrma-liger Aufzug nicht sehr vortbeilhaft für ihn war. „Nun. Master Krabb," fragte ich, „was wollen Sie denn jetzt anfangen?" /,O, ich will mich möglichst schnell auf ein Schiff verfügen, um auö diesem jammerseligcn Lande wegzukommen." „Ich weiß aber ganz bestimmt, daß in den nächsten sechs Wochen kein Schiff abgehen wird. Was wollen Sie also die ganze 3cit über in der Stadt machen?" „Ei so, das ist wieder so ein abscheulicher Umstand ill diesem grauscnhaftcu Lande. Ist ein armer Mann durch all die Lügm der Schiffskapitäne und Zeitungsschreiber hcrübcrgclockt worden, 'so muß er erst so lauge abwarten, bis einer der Kapitäne des Landes eben so überdrüssig ist, wie er selber. Was ich i« diesen sechs Wochen anfangen soll, weiß ich wahrhaftig nicht. In der elenden Stadt 29 ist es auch gräßlich. Die eine Hälfte der Bewohnerschaft besteht aus Verbrechern und die andere ist durch ihre Laster und Prellereien wo möglich noch ärger. Ich weiß davon zu erzählen, denn ich mußte das einzige Mal, wo ich dort in ein Wirthshaus gegangen, eine halbe Gnincc für eine Flasche Vier bezahlen. Das ist übrigens gar Nichts im Vergleich mit dem, was ich sonst indem verwünschten Lande ansgcstanden, wo Nichts gedeiht, als Verbrecher und Känguruhs." „Da Sie in der Stadt so schlecht weggekommen sind n»d auf dem Lande die Bushranger eben auch nicht säuberlich mit Ihnen umgegangen sind, so weiß ich in der That nicht, was ich Ihnen für einen Rath geben soll. Was mich betrifft, so bin ich auf den» Marsch in das Innere, um ein Land zur Niederlassung aufzusuchen, uud dabei fönntc ich wohl irgend einen gescheidten Mann brauchcu, der mir in der Sache rathen würde, besonders da man sich auf die Nachweisungen der schon angesiedelten Leute nicht verlassen kann, weil diese, nnr von ihrem eigenen Interesse geleitet, wünschen, daß sich der Neuling balr zu nahe, bald zu weit entfernt von ihnen ansiedle." ,/Sic sind, Ihrem Aussehen nach ;u schließen, ein Farmer, nicht wahr?" fnig Krabb. „Ich kann wohl nicht behaupten, ein solcher Farmer zn sein, wic Sie, denn ich bin überzeugt, daß Sie die Landwirthschaft aus dem Grunde verstehen; allein ich bin wenigstens einigermaßen damit bekannt." „Gut gesprochen," meinte Krabb .....; ,/Min, ich weiß nicht .... dürft' ich Sie um Ihren Namen bitten, Master?" «Ich heiße Thonücy, William Thornlcy aus Lroydon in Surrey. Es sind gute Farmen dort." ,/Nun wohl für London - Farmen mag's sein, doch kan» man Nicht erwarten, daß ihr London-Farmer den Ackerbau so loshabt, wie wir in 'Shropshire. Uelnigens mein' ich, Master .... wenn's 30 Ihnen recht ist .... will 'nen Vißel mit Ihnen in's June« gehen.....Sehen Sie, 's ist mir vielleicht möglich, Sie zu überreden, nicht in diesem granscuhaften, gottverlassenen Lande zu bleiben, sondern nach Menglaud heimzukehren, wo die Lente ihre Aecker wie Christen bestellen thnn. Ich hoffe doch, Sie werden mir trauen? " ',Warnm nicht? Es liegt etwas Ehrliches in Ihrem Gesicht. Neun Sie sich aber sattsam ailiigcncht haben, wäre es wohl gut, unsern Marsch anzutreten." „Nun, so kommen Sie," sagte Krabb. „Ich kann Ihnen einen Weg durch den Wald zeigen, wo wir, wenn d?r Weg auch etwas holpcnchtcr ist. als auf der Straße, wenigstens vor den heißen Sonncnstralen Schutz haben." In der Waldeinsamkeit machen sich Vekanntschaftcu schnell, so daß ich und mein mißvergnügter Nciscgcnosse bald auf vertrautem Fuß mit einander standen. Wir schlenderten, ohne uns eben sehr zn beeilen, durch das Gehölz und waren nur noch eine kleine Strecke von New - Norfolk entfernt, als mit einmal ein tolles Getöse an unsere Ohren schlug und die Stille der Wildniß auf eine Art unterbrochen wmde, die uns in Verwunderung fetzte. Plötzlich sahcu wir cineu Reiter in volle», Rcuneu an uus vorbei uud zwischen den Bäume» durchschießen, ba^d über gefällte Stämme setzen, bald sich auf den Sattel niederducken, um die vorstehenden Acste zu Vermeiden. Trotz dem höchst ungünstigen Terrain, dessen Gefahren er nur durch ein Wuuder zu entgehen schien, stachelte er sein Noß, welches schnaubend an uns vorübcrrannte, zu immer größeren Anstrenguugcu. Hierauf kualltcu ciuc solche Masse scharfer Peitschcuschlägc, daß wir ein Pelotonfcucc zu vernehmen glaubten, uud einen Augenblick nachher sahen wir nns von einer lärmenden Menge umringt. Mit der Erklärung dieses Abcutcuers, welches mciuc Ncugierde außerordentlich erregte und mich zuerst mit einem eigenthümlichen 31 Zweige der Landwirthschaft eines Ansiedlers bekannt werden ließ, will ich ein neues Kapitel beginnen. Drittes Kapitel. Art und Weise, wilde Kühl zu niclkm. — Die Wohnung eines Ansiedlers. — Hammelfleisch mld Dampers. — Ei» Nachtlager. — Nächtlicher Lärm.' — Schafe gestohlen,— Verfolgung der Diebe, — Die Eingeborenen. Das Getose und der Tumult verdoppelten sich und die immer näher kommenden Echvcie, das immer deutlicher werdende Geknall der Peitschen verhieß eine rasche Lösung des Räthsels. Mein Käuguruhfellfreuud übrigens schien dm uns umtobenden Krawall keineswegs mit Gleichgültigkeit zu betrachten. Sein essigsaures Gesicht zeg sich in verächtliche Falten, was aber nicht hin> derte, daß sich in seinem ganzen Wesen ciuc gewisse heimliche Genugthuung aussprach. „Jetzt, Master," sagte er, „werden Sie Gelegenheit haben, zu sehen, wie man es in diesem grauscnhaftcn Lande treibt." „Was, um des Himmels Willen, soll denn das bedeuten?" fragte ich, hatte aber kaum ausgeredet, als ein so furchtbares Krachen und Rasseln in den trockenen Aestcn des Waldes entstand, daß mir unwillkürlich um meine Sicherheit bange zu werden begann. Wie auf das Schlimmste gefaßt, kehrte ich mich nach der Seite, woher das Geräusch kam, und schlug meine Doppelbüchse an. Krabb aber »erzog sein Gesicht zu einem grimmigen Lächeln, als er diese Bewegung sah, und bald darauf hätte ich thun mögcn, wie er that. Wäre ich nicht, wie ich bclcuncu muß, zugleich erschreckt worden, denn in selbem Augenblick kam eine Bestie, die ich beim ersten Anblick für einen wilden Stier hielt, aus dein Gebüsch gestürmt und zwar gerade auf mich zu. / 32 Das Thier war augenscheinlich in dcr furchtbarsten Aufregung; sein Maul triefte von Schaum, seine Nasenlöcher standen weit uf-fen, seine Augeu sprühten grünliches Feuer und sein Schweif stand auf «ine Art in die Höhe, welche die höchste Wnth verrieth. Als es auf mich losstürmte, machte ich einen gewaltigen, Sci-lcnsprnng, frol,, dem wüthenden Stoß entgangen zu sein. „Das ist eine tolle Knh." schrie ich; „dieses Klima muß das Vieh sehr bösartig machen, wenn es getrieben werden soll." „Gewiß nicht toller, als die Lcntc, die hinterdrein rasen. Warten Sie vnr noch cin wenig, bis Sie das C'ndc gesehen habcu," Inzwischen waren wir mitlen in die Menschenmenge hincin-gcrathcn, welche auf die Knh Jagd machte. Noch immer aber konnte ich nicht errathen, was damit bezweckt werden sollte. «Was wollen Sie dcnn mit ihr machen?" fragte ich cinni langen, hagern Mann, der für einen Augenblick «eben mir still hielt und mit seiner Peitsche fnalltc; „sie scheint furchtbar wild zu sein." „Wild?" entgcgnetc er; „das Bccst ist immcr wilv, allein sie ist eine meiner besten Melkkühe und ich will sie noch an diesem gesegneten Abcno in der Fcnz haben, müßte ich auch ganz New-Norfolk aufbieten." „Ich würde gerne mithelfen," sagte ich, „bin aber mit den hiesigen Bräuchen noch zu unbekannt und könnte daher mehr schaden, als nützen." Es bedürfte übrigens bei dieser Gelegenheit mciner Hülfc durchaus nicht, dcun im selben Augenblick verkündigte cin lanteS Triumphgcschrci, daß der Sieg crnma.cn sci, und somit eilten Krabb, ich uud dcr langgcwachseuc Eigenthümer der hitzigen Kuh möglichst schuell dein Schauplätze zu. Ungefähr zwanzig bis dreißig Personen waren versammelt, lvoruutcr mehre, c Weiber, und ich sah, daß einige dcr Männer 33 lange, aus Ochsenhaut gedrehte Stricke in der Hand hielten. Dann kam einer dcr Ansiedler mit einem einbeinigen Schemel und einer kleinen Vlechpfanne herbei: während von der andern Seite ein Mann mit einer Stange, an deren Spitze eine Art Schlinge angebracht war, anrückte. Gr kletterte über die Umzäunung, welcher wir uns jetzt genähert hatten und die aus massiven, etwa sechs Fuß hoch ciufcinander gelegten Stämmen bestand, und stand im innern Na»m derselbe» der Kuh gegenüber. Aller Wahrscheinlichfcit nach war diese an dergleichen S«ncn schon gewöhnt, denn sie erwartete ten Angriff nicht, sondern stürzte in wilder Kampflnst auf den Mann mit dcr Schlinge los, was aber diesen durchaus nicht aus dcr Fassung brachte. Er sprang blos ein paar Schritte zur Seite und ließ das Thier mit seinem Kopf an die Wand rennen, was mit solcher Gewalt geschah, das, die ganze Fcuz erzitterte. Dieses Manöver wiederholte sich zu unbeschreiblicher Belustigung dcr Zuschauer mehrere Male und Letztere theilten sich in zwei Par« teien, indent die <5iucu es mit der Kuh, die Ander» mit dem Schliugcnmunu hielten. ,/D!cßmal hat nicht viel gefehlt," schrie Einer, als das Thier einen unerwarteten Angriss auf seinen Gegner gemacht und diesem mit dem Horn ciu Stück aus dem Wamms gerissen hatte, „gib Acht, Jim, sie wird Dich spießen!" „Unbesorgt!^ schrie Jim dagegen, „ein Ioll vorbei ist soviel, wie 'ne Meile ... Ist aber doch das unzweckmäßigste Vieh, was ich mein Lebtag gesehen: kriege sie aber doch noch.^ >,Was will man denn mit ihr machend fragte ich; „will man sie schlachlcn?" „Schlackten? < rief der Lange; „wie, die schönste, beste, sanft- müthigstc Kuh der ganze» Hecrde? Ist sie doch so zahm, daß man ste fast streicheln darf, nur melkn, will sie sich »icht lassen, daS machte sie allemal bös .... Drauf ,etzi, Jim! So ists recht, Abenteuer cincs Auswanderer«, l. ^ 34 zieh' hurtig .... laß nicht nach .... so ists gut .... halt sie . . , . so, jetzt thut's. Wo ist das Fußseil? < Der Manu mit der Stange hatte inzwischen, die Gelegenheit abpassend, seine Schlinge dem Thieve über die Hörner geworfelt, und zwei oder drei außerhalb der Fcnz Stehende holten, wie dic Matrosen sagen, das Tau ein und schlangen es ein paar Mal um einen Baumstamm. Bei diesem Theil dc> Manövrc blickte ich nach Krabb hinüber nnd mußte die wunderliche Mischung von Zorn, Verachtung und Theilnahme, welche auf seinen Zügen lag, bewunoer». Dabei warf er mir einen Blick zu, welcher, auch ohne von Worten begleitet zn seyn, deutlich sagte: „Sich' mal, so werden in diesem jammcrseli-gm Lande die Kühe gemolken." Zum Meilen war cö al'cr noch weit hiu. DaS Thier stand mit heraushängender Zungc un? gespreizten VorderMcu h«, ,„it den Hinterfüßen fortwährend grimmig auö-schlagend. Diese Hinterbeine, welche der Mclkabsicht am zweckwidrigsten waren, mußten vor allen Dingen unschädlich gemacht werden und es geschah dieß ebenfalls durch eine darüber geworfene Schlinge, die dann vou außerhalb der Fcnz so straff angezogen wurde, das; daö Hintergcstcll der Kuh hoch in die Vuft stand. Jetzt schien sich das Thier in einer außervrocntlich günstigen Lage zu befinden und Krabo warf nur abermals einen Blick zu. Dcr Mann mit den» einbeinigen Schemel »nd dem Blcchnapf näherte sich, sprach dem Thiere freundlich zu und schien überhaupt die Sache höchst vorsichtig anzugreifen. 6ine günstige Gelegenheit benutzend vermochte er auch wirklich dem Cuter der Kuh einige Tropfen Milch zu cutpresseu. Aber diese schmachvolle Behandlung »nachte die Kuh ganz ra-piad nnd dnrch einen plötzlichen Ruck, welcher den Seilhaltcrn das Unterste zu oberst kehrte, «nachte sie ihre Hinterbeine los und schleuderte Melker, Melkschcmcl und Vlechpfannc nach allen Seiten hin- 35 aus. Wie sehr sich alle Umstehenden hieran naMen, bewies ihr schallendes Gelächter, allein das Ehrgefühl der Stockmen oder Stockkecpcr lMäimcr, denen die Aufsicht über das Vieh anvertraut ist) war einmal gestachelt, wozu die Anwesenheit von zwei Fremden nicht wenig beitragen mochte, und so bemächtigten sie sich des jetzt fast erschöpften Thieres abermals, knebelten es und der mtt der Blech Pfanne trat heroisch auf das Opfer zu, kniete, den Melk-scheinet verschmähend, neben demselben nieder und entwand der machtlos Sühnenden nnd Pruhsteuden ungefähr ein halbes Nösel Milch. Nach dieser Benutzung des Sieges wurde die Kuh losgemacht und cntftoh, als die Fcuz geöffnet wurde, sogleich wieder in den Wald. „Nun wie, Master," fragte mich Krabb, „haben Sie jemals «ine Kuh auf diese Ncise melken sehen?" ,,Das könnte man a^r doch gewiß auf eine zweckmäßigere Wcisc anstellen!" rief ich aus. ,/O," sagte Krabb, „daswäre mal'ne Erzählung für Shropshire, schon deßhalb lohnte sich's der Mühe zurückzugehen, blos um diese Scene zu'beschreiben. Doch nur Geduld, Master, Eie werden noch viel merkwürdigere Dinge erleben." Der Eigenthümer der frcilieitölustigen Kuh wandte sich jetzt zu mir mit den Worten: „Kommen Sie nn,i mir und sehen Sie sich mein Haus und Land, mein Weib nnd meine Kinder an, denn ich sehe, Sie sind «in Fremder. Ihr aber," fuhr er, einen etwas zweifelhaften Blick nach Krabb hinwerfend, fort, „Ihr scheint Euch, Eurer Kleidung nach zu schließen, schon mehr mit den Bräuchen des Landes bekannt gemacht zu haben .... Wo kommen Sie her?" „Aus dem Lamp," antwortete ich; ,,ich will mich nach Land umsehen, und dieser (Gentleman wollt' ich sagen, aber das Wort blieb mir in der Kchle stecken, als ich meinen Känguruhfellfreunv ansah) .... Ansiedler da ... ." 3* 36 „Nennen Sie mich nicht Ansiedler," protesiirtc Krabb, „denn ich VM mich hier nicht ansiedeln. Meiner Treu, die Diebe, Verbrecher Bushranger haben mich schon sattsam bcansiedlert." „Ich begegnete meinem Veglciternicht weit uonhicr," fuhrichfort, „nnd er hat sich freundlich da,m hergegeben, mir das Land zu zeigen." „Dann aber, muß ich Ihnen sagen, sind Sie in die unrechte Gegend gekommen/' sagte der New-Norfoller; „hier hcrmn ist kein Land, wenigstens lein gntes, und haben wir unö hier mchr der Wasscrvcrbindung, ale» des Ackerbaues wegen niedergelassen. Sehen Sie dirt, dort drüben über'm Fluß steht mein Hau».', kommen Sie mit mir, ich heiße Sie herzlich willkommen." Der Dcrwent ist dei New-Norfolk nicht breit, aber gerade unterhalb der Ansiedlung sehr tief und reißend. Or kann übrigens nur bis hiehcr bcschifft werden, da weiter hinauf mehrere Fälle die Schifffahrt hemmen. ES würde schwer sein, die Gefühle ;u schildern, welche mich bestürmten, als ich mich dem Hause des Ansiedlers näherte. War es mir duch, als ob ich jetzt in einen Spiegel schauen müsttc, welcher mir in treuen Bildern »mein eigenes künftiges Leben cut-> hüllen würde. Vor mir lag ein niedriges Haus, das, wie ich später fand, aus gespaltenen und aufrecht eingerammten Stämmen des Striugy-barkbaums in einer Länge von etwa dreißig Fuß errichtet nnd über-»veißt war. Das Dach bestand aus Schindeln, d. h. ans neun Zoll langen, vier Zoll breiten und einen VicrtelM dicken Stücken Holz, welches in Wind und Wetlcr eine bläuliche Farbe angenommen hatte nnd'Schiefer nicht unähnlich sah. Die eine Seite des Hauses, sowie das Kamin bestand au« unl'eliauenen Steinen. Un-Nlittelbar hinter der Wohnung stand cine ziemlich hohe Waizcnfcimc, welche von ftnzartig gelegten Baumstämmen umgclen war, auch 3? wurden meine Blicke durch einen fest umfriedigten Galten angezogen, in welchem Alles wohl zu gedeihen schien. An einem einzeln vor dem HauS stehenden Baum hing ein eben erst geschlachtetes Schaf. Man schien bloß noch unser Kommen erwartet zu haben, denn sogleich machte ssch jetzt ein Mann eifrig über das Schaf her und zerlegte es rasch. Im gleichen Augenblicke lugte, wenn auch nur auf einige Sekunden, daS sonnengebräunte, aber hübsche Gesicht einer jungen Frau durch die Hausthüre und unmittelbar darauf bewies ein brodelnder Ton von der Gegend des Kamins her, daß ElwaS am Herde zugcrüstet werde. Unweit der Wohnung blockte eine kleine Hecrde von Schafe« und von der'andern Seite schleppte ein Ochsengespann langsam eine ungeheure Ladung Holz herbei. Wir waren gerade im Vegnffe, daS HauS zu betreten, als dcr Eingang von einem Kindcrschwarm versperrt wurde. GS waren ihrer ein halbes Dutzend und das jüngste wurde von dem ältesten, einem Mädchen von etwa sieben Jahren, aufrecht erhalten, :un den Vater zu bewillkommen. IedeS der Kinder hielt ein großes Stück Damper in der Hand, welches ihnen die Mutter, wahrscheinlich um sie zu beschwichtigen/ gegeben hatte. Der Anzug dirscr Kleinen war so leicht und dünn, wie cS sich nur immer mit der Siitsamkeit vertrug; Moccasins schienen bei Klcin und Groß i.u Gebrauch zu sein. UebrigcnS sahen die Kinder reinlich und frisch, wenn auch etwaS schmächtig auS. Sie glichen kleinen, cm-pargcschosscuen Wanzen, was aber, wie ich später erfuhr, fast >nit allen in den (iolonieen geborenen Kindern der Fall war. „Hast Milch mitgebracht, Vater?< fragte ein kleines Mädchen aus dcr Kinderschar. „E>N'.n Fingerhut voll, Kindchen, aber nur für die Mutier :,-hügel draußen lassen wollen, allein Dick -) sab heute früh zwei Männer, die ein Auge auf die Schafe zu haben schienen, und da er diesen Männern heul' Abend nochmals begegnete und iln Aussehen ihm nicht besonders gefiel, so haben wir die Schaft in die kleine Fen; getrieben, wo sie sicher genng sind." „Nun, wenn Sie Nppetit haben, Sir," sagte der Farmer, „so kommen Sie!" Wir gingen in das H,nis, welches aus einem geräumigen Gemache bestand. An der dem Kamine gegenüberliegenden Wand war ein kleiner Naum in zwei Schlafkammern abgetheilt und durch die Mittclwand führte ein Thürchen in eine Art Hütte, welche als Küche diente, von wuher daS zischende Arodcln immer vcrnehm^ barer tönte. Mitten im Wohnzimmer stand ein a»S Brettern roh zusammengefügter Tisch, anf welchem diverse Vlechnäpfe und einige Teller mit Messern und Gabeln die Converts bildeten, während auf einer Ccke eine enorme grüne Numstasche prangte und den Ehrenplatz auf der Mitte des Tisches die kleinen Viechschüsselchen init der Milch einnahmen, welche durch die vereinten Bemühungen der benachbarten Ansiedler erobert worden war. Jetzt kam die Hausfrau aus ihrer Küche hervor, eine mächtige Schüssel voll Hammclrippchcn tragend und gleich darauf eine zweite Schüssel aufstellend, in welcher sich eine Art Kuchen befand. „Ich meinte, Ihr würdet Pfannkuchen den DamverS vorziehen, dn sind sie," sagte die Frau. „Eduard, lege dem Gentleman vor. Sie haben wohl einen weiten Marsch gemacht und werden Hunger habeu." Diese gastliche Aufforderung beantwortete der Farmer dadurch, 1) M'gctiirzt aus Gduard. 2) Mgckiirzt aus Richard. 39 daß er drei »der vier Fleischstücke auf einen Teller legte und mir denselben hinbot, wahrend cr zu meinem Begleiter sagte: „Helft Euch selbst zu Clwas, Ihr seid mit unsern Siltcn und Bräuchen schon besser bekannt. Wo ist Salz? Kein Senf. he?" „Der Senstopf ist leer," erwiederte die Frau; „wir müssen wieder welchen vom Camp kommen lassen .... und das Salz, ja, das ist schlimm, auch nicht ein Korn ist übrig blieben. Nun, da müssen wir uns eben ohne Salz behelfen, oder wart', wir können ja nach der nicht ganz drei Meilen entfernten Farm Couolly's hin-üöcrschickcu; ich weiß, sie haben dort Salz, weil sie heute einen Ochsen schlachten wollten/' „Geben Sie sich keine Mühe," nahm Krabb das Wort, „ich habe 'nen Vischen in meiner Tasche, in der Känguruhjackc hier, welche mir die Bushranger für meinen Nock gegeben haben. Hoffentlich werden sie das Salz schon tüchtig vermißt haben, die Schurken." Hiemit steckte er seine Finger in eine Tasche dcS haarigen Kleidungsstückes und brachte ein kleines, mil einer schwärzlich körnigen Substanz gefülltes Säckchen zum Vorschein. „Ah," sagte die Frau, das ist aus der Sal;ebene .... nun, 's ist immer noch besser, als gar keines. Also seid Ihr den Vnshrangeru in die Hände gerathen, Freund? Behandelten sie (5uch schlecht?" „Oh, sie nahmen mir bloß AlleS, was ich hatte, ausgenommen mein Geld, denn das hatte ich glücklicherweise im Camp gelassen, und ließen mich drei Tage lang in der heißen Sonne ihr Gepäck schleppen .... ist eiu schlechter Spasi, das .... bekam übrigens bei dieser Gelegenheit das Land ordentlich zu sehen. Ein furchibarcs Land ist's, hügelanf, hügelab, und kein erträglich Stück Boden zu finden. Ich glaube wahrhaftig, eS gibt kein Dutzend Aecker auf der Insel, die ein einziges Schaf daö ganze Jahr hindurch ernähren könnten." 40 „Ihr scheint keine gute Meinung von dem Lande zu haben." sagte der Farmer zu Krabb. „Eine gute Meinung haben? Ner vermag eine gute Meinung davon zu haben? Wer wollte darin leben, wenn er wieder fort könnte? Ist doch nicht das Allergeringste da, weßwegen man bleiben möchte. Grausenhaftes Land! Wo der Boden ein weniq erträglicher ist, da stehen Baume darauf, die man erst umhauen muß, bevor man dazu gelangt, und wer, frage ich, ist im Stande, zwischen den Baumstümpfen eine gerade Furche zuj ziehen? Hat man Vieh, z. V, Rindvieh, so läuft's in den Wald.... fangt's mal, wenn Ihr könnt .... hat man Schafe, wohl, da kommen Diebe und treiben sie Euch fort; findet sie, wenn Ihr könnt..,. davon gar nicht zu reden, daß sie noch dazu auf Einen schießen, wenn man sein Eigenthum wieder haben will. Was aber vollends die Bushranger angehen thut, nicht wahr, so isi'S sehr angenehm, wenn Einem mitten in der Nacht in'S HauS eingebrochen und Alles geraubt wird, während man das Vergnügen hat, mit auf dem Rücken gebundenen Händen zuzusehen und Einem irgend ein lausiger Schuft die geladene Muskete unter die Nase hält? O wohl, die Narren, die Hieher kommen, verdienen'S nicht anders, als daß sie beraubt, ausgehungert und todtgcschlagen weiden. Geschieht ihnen ganz recht. Esel waren sie, daß sie kamen, und Tollhaus-tandidaten sind sie, daß sie bleiben." Während Krabb diesen herzbrechenden Sermon hielt, näherte sich die Schüssel mit Hammelrivftchen ihrem Ende und gingen die Pfannkuchen ebenfalls auf die Neige, weßwegen sich der Farmer der Rumftafche zuwandte. „Hätten wir nur eine Citrone hier, so könnten wir Punsch machen, doch in Ermangelung derselben müssen wir uns eben behelfen, so gut es geht," Mit dieser stoischen Bemerkung goß er in seine Schale eine tüchtige Portion Num, verdünnte denselben mit einer, wie mir 41 schien, unverhältnißmäßig geringen Portion Waffer und lud mich und weinen Begleiter ein, seinem Beispiel zu folgen. Noch nicht an geistige Getränke gewöhnt, lehnte ich die Einladung ab, Krabb aber bewieß, daß er wenigstens in diesem Punkte mit den Bräuchen der Colonieen harmonirte. Ich darf nicht zu erwähnen vergessen, daß die Hausfrau, wahrend wir am Tische aßen, den Kindern Thee aus einem eisernen, drcibeinigen Topf am Feuer mittheilte. In dieses Gefäß war, als das Wasser kochte, eine Handvoll Thee geworfen worden und die blecherncn Becher der Kleinen wurden abwechselnd mit dem Getränke gefüllt, welchem die Mutter kleine Stückchen eines sehr dunkelbraunen Zuckers beifügte. Die ungewöhnliche Zugabe von Milch, welche sie heute erhielten, machte den kleinen Länuern große Freude, hinderte sie aber nicht, auch dem Hammelfleisch, wie den nie fehlenden Dampers die gehörige Ehre zu erweisen. Allmälig schien jedoch der Schlaf sein altes Recht ausüben zu wollen. Die Kinder waren zur Ruhe gebracht und die wackere Hausfrau begann für uns Beide ein Lager zurechtzumachen. Zu diesem Ende mußte der Farmer von einer Art hölzernen Kanapee'S, worauf er sich hinstreckt, aufstehen und Dick wurde herbeigerufen, um ebenfalls hülfrciche Hand zu bieten. Seine Brodhenin fragte ihn, ob die Känguruhfelle schon in die Stadt geschickt ''eien und Dick antwortete: „Nein, Missis, ich will sie holen, denn sie geben, denk' ich, ein prächtiges Bette für diese Herren ab." Somit wurde ein Haufe rasselnder Felle hereingcschaft und von Dick mit geübter Hand zu einem Lager geordnet. Krabb warf sich mit einem kurzen „Gute Nacht!" nieder und war bald in festen Schlaf versunken. Ich selber aber, obgleich ich müde und matt genug war, blieb noch lange wach, denn die Ncnheit meiner Umgebung, die dem ungewohnten Marschiren folgende Aufregung hielt mich munter, Tiefe Stille herrschte allum, selbst die hier zu Lande 42 so wachscnmn Hunde rührten sich nicht. Nach und nach verwirrten sich meine Gedanken und ich schlief cm. Mein Schlaf sollte übrigens nicht von langer Dauer sein. l Hobarttown und wir beklagten nns über das unausgesetzte Bellen der Hnndc. Das Bellen wnrdc aber iminer ärger nnd meine Kinder begannen erschreckt aufzuschreien. Ich sprang ans dein Bette, um sic zu beruhigen, nnd erwachte. Aber der Traum wurde in der Wirklichkeit fortgesetzt. Die Hunde unseres Wirthes lärmlcn draußen entsetzlich und die Kinder stimmten in den tobenden Ehor mit ein. Der Schäfer Dick schlug Mt mit beiden Fäusten andieHauF-thnrc und unser Wirth war schnell auf und gerüstet. „Master," schrie Tick, „die Schafe sind a!-:s der Fenz, 's ist nicht richtig draußen. Machen S,c sich bereit; der fremde Herr drinnen hat gewiß auch eine Büchse bei sich. Itt er wach?" „Wach und genistet," rief ich, die Büchse in der Hand, im Dunkeln aufspringend. „Haben nns dic VnShranger überfallen?" „Ei freilich, „fagtc Krabb, welcher sich gleichfalls erhoben hatte, „das versteht sich von selbst. Was läßt sich auch Anderes erwarten? Bushranger? Ah so, ,a, 's ist ein allerliebstes Land. .Ich meine aber doch," fnhr er fort und wandte sich gegen den Farmer, „Sie werden sich die Sache nicht so geduldig, ohne ein Vischcn Widerstand gefallen lassen, he?" »Was thun?" versetzte dcr Farmer achsclznckend, „'s ist gar bös mit den Schurken kämpfen für .einen Mann, dcr Weih „ud Kinder hat. Ich glaube jedoch nicht, daß eS die Vushrangcr sind, wahrscheinlich haben sich nur sonst ein Paar Spitzbuben über die Schafe hergemacht. Aber anch mit dicfcn Gannern muß man sich in ?lcht nehme», denn auch sie sparen ihr Pnlvcr nicht, wenn mail ihnen ;n harr auf dem Nacken sitzt. Wie viel Uhr ist es?" „Zwischen drei nnd vier Uhr." 43 „Gut, dann muß es b.ilo hell werden," sa.Uc der Farmer «Wecke die Leute, Dick, und rufe die Hnndc zus^nnucii. Bevor wir die Spuren sehen können, ist cine Verfolgung unnütz. Und Du, Liebchen," fuhr cr zu seiner Frau gewandt fort, „hab' wohl Acht während meiner Abwesenheit und behalte die Kinrer im Haust. Das ist kein Streich der Bushranger, sondern nur ein unerhört siecher Versuch, die Schafe eincö Mannes untcr dcssen Augen weg-zukapcrn. Dick und ich wollen den Spuren folgen. Gib mir meine Büchse her nud wo siod die Patronen? Ah da, so ist's recht; will auch die Daioperö mitnehmen, kouutcu sie unterwegs brauchen. Dick, N'ir nehmen zwei Hunde mit und laffcn die übrigen da. Wollte, die Stute wäre nicht gerade jetzt in den Wald gelaufen, doch vielleicht ist's auch besser, ;u Fuß zu gehen, da wir einmal hinter Schafen her sein müssen. Vchüt' C'nch Gott, ihr Herren." „Vchül' Euch Gott?" cntgegnetc Krabb; „nein, Nichts da! Meint ihr, wir äßen C'ucr Fleisch und tränke-', Eucin Rum, um Luch dann im Augenblick der Gefahr zu verlassen? Nein, daraus wird Nichts. Ich meiuesthcils hclfe die Schafe suchen; gebt mir nur einen tüchtigon Kmttcl in die Haud, vicllcicht kann ich von Nutzen sein. Und Sie, Master," fragte er mich, „Sie gehen auch mit, nichts ^hrc Büchse könnte von Vortheil sein," „Von Herzen gern gehe ich mit," erwiederte ich, „und bin ich auch mit dem Waltlcbcu noch nicht sehr vertraut, so will ich doch thun, was immer in meinen Kräften steht" „Dank Bciom," sagte der Farmer; „wir sind jetzt un'cr Vier mit zwei Büchsen und drei Mann bleiben zurück, um die Farm zu bewachen. Das thut's. Ncbrigcns haben wir vielleicht einen laugen Marsch vor uns und wollen daher auch an unsere Vcdürsuifsc denken. Frau, hol' eine Flasche Rum und Du, Dick, wirst wohl so gut sein, sie zu tragen, aber ehrlich Spiel, Bursche! Vergiß auch nicht, eins von den Spannseilen mitzunehmen, könutcu's nöthig haben. So, m:d jetzt laßt nus aufbrechen, aber wo mög- 44 lich so, daß Niemand erfährt, wie viele die Farm verlasse haben." »Am Besten wär' es," meinte der erfahrene Schäfer, „wenn sich zwei von uns rechts und zwei linls hielten, so zwar, baß wir auf dem Grünhügcl wieder zusammenträfen. Auf diese Art müs« sen wir irgendwo die Fährten kreuzen, von denen wir übrigens übergenug finden werden, denn darin besteht gerade die List dieser Gauner und das Schwierige ist, die rechten herauszufinden." „Hast Recht," sagte der Farmer. „Da nimm d?n Mann in dem Känguruhwamms mit Dir, während ich mich mit diesem Gentleman rechts wenden will. Nimm auch meine Büchse, damit wir auf jeder Seite ein Feuerrohr haben, uno jetz: vorwärts, denn wir haben keiue Zeit zu verlieren." Der Tag dämmerte und bald war es hcll genug, um die Fährten auf dem Boden zu erkennen. Wir brachen also in den zwei bezeichneten Richtungen auf und ich war mit dcm Farmer bald eine ziemliche Strecke von seiucr ländlichen Wohnung entfernt. Wir hielten uns etwa eine Meile weit am Ufer des Flusses, dann bog mein Gcfähltö zur Linken ab und begann eifrig nach der Fährte der geraubten Schaft umherzusuchen. Ich half ihm, so qut ich es vermochte, und so sehr waren wir bcive in unsere Nachforschung vertieft, daß wir mit einmal, ohne cS nur im Geringsten ge.ihnt zu haben, vor einer Gruppe von Eingeborenen stauben, welche um ein großes Feuer her gelagert waren. Sie sprangen auf, als wir herantraten, und der Farmer legte niit einem etwaS ängstlichen Vlick scine Hand ans meinen ?!rm, um sie zu beobachten. 46 Viertes Kapitel. Vertrag mit den Eingeborenen. —Instinkt derselben im Auffinden der Fährten. Marsch durch's Land. — Tl!i>rnlc»! findet Land, welches ihm gefällt, lehrt mit. stincm ncncn ^rennd Kral'b nach H^'darNmvn znriick nnd bricht mit seiner Familie nach dem <5lydc auf/ „Wir brauchen gerade keine Gefahr von ihnen zu besorgen," sagte der Farmer nach einer sorgfältigen Beobachtung; „sie müssen zu irgend einer Ansiedlung gehören, denn sie tragen wollene Decken. Indessen ist Vorsicht bei ihnen immer am Platze, weil sie im All' gemeine» niederträchtige Schufte sind. Thnn Sie nur ihre Buchse nicht ans der Hand und zeigen Sic keine Vcsorgniß. Wir wollen zu ihnen hingehen. Konnte ich ilinen nur begreiflich machen/ daß ich nach gestohlenen Schafen ans din; sie könnten mir von nicht geringem Nutzen- sein." Inzwischen gingen wir ans eas Feuer zu, um welches die Eingeborenen im Kreise standen. Sie betrachteten uns mit verdrossenen, stumpfsinnigen Blicken. Unweit des Feuers lag ein Baumstamm nnd der New-Nor-folkcr bedeutete mich, mich auf demselben niederzulassen, indem rr sagte: «Setzen Sie sich mir gerade gegenüber, Gesicht gegen Gesicht, daß Einer sehen kann, was hinter dem Nucken des Andern passirr, ohne gerade, Furcht zu verrathen. Ich will doch matschen, ob lch diele Kerle nicht für mich gewinnen kann." Einige der Indianer warfen sich indessen wieder an: Feuer nieder, nm das Fnchmahl zu beendigen, welches unser Kommen augenscheinlich unterbrochen hatte. Ich empfand große Neugicrde, ,;n sehen, wie sic ihr Frühstück zu sich nehmen würden, und sollte es sogleich sehen. M Wie es schien, zufrieden damit, baß wir keinerlei feindliche Absicht an dcu Tag legten, begannen sie aufs Neue ihre Kochae-schäste. Eine hoch- nnd schlankgewachsene junge Indianerin, d^ eine zerlumpte Decke malerisch um sich hcrnmgcwundcn, trat mit einem an ihrem Nachen hängenden netzartigen Beutel, in welchem sich ein großer Brocken Wanzenharz befand, zum Feuer. Sie reichte das Harz, welches etwa so groß war, wie eine Coeosnuß, einem der Männer, eine andere junge Dirne brachte dann ein Opossum (Veutelrattc von der Größe eines Dachshundes) und Harz und Opossum wurden zusammen in's Feuer geworfen, ohne daß die Haare und Gingcwcive des Thieres, welche wahrscheinlich den Hautgout des Bratens vermehren sollten, vorher entfernt worden wären. Nachdem diese zwei Dinge eine Weile geschmort, ge» knuspert und gezischt, nahm einer der Indianer das Thier vom Feuer, riß es mit den Händen auf und steckte mit augenfälligem Behagen Nase und Mund in das Innere desselben. Als er sich einige Augenblicke diesem köstlichen Genuß hingegeben hatte, warf nicht." „Was geben?" fragte der Wilde. „Was soll ich den Spitzbuben jetzt anbietend" sagte der Farmer; „sie sind schon viel zu gcschcidt und ich weiß in Wahrheit nicht, welches die schlimmsten sind, oic wilden oder die eivilisirten. Es ist wirklich zum Verwundern, in wie kurzer Zeit so ein Sohn der Wälder unsere christliche Manier, Nichts für Nichts zu thun, sich aneignet. Sehcu Sie nur! den Blicken dieses dunkclhäutigen Hallunken nach zu schließen, ist er entschlossen, ein vortheilhaftes Geschäft zu mnchcn." „Ich habe einige Dollars bei mir," sagte ich, „Sie stehen Ihnen von Herzen zu Dicustcn." „O, die wollen keine Dollars, denu sie kennen den Werth des Geldes m'ch nicht, verlangen aber, was eben so gut als Geld ist." Und er wandte sich an den schwärzlichen Unterhändler mit dm Worten: „Was geben? . . , . eine Flasche Rum." - 49 Die Worte: „Flasche Rum" scyiencn Vl,'n der ganzen Bande urlllommcn gut begriffen zu wcrdcn, si,,' schauten aber ihren Häuptling uno ihr Häuptling schaute sic cm, als ob cr in Gedanken be« rechnete, wie viel von dem Inhalt dcr Flasche^ aus seinen Theil käme, wenn cr sic mit dem ganzen Haufen, dcr etwa zwanzig Kl'pfc zählte, theilen müßte. (5r schüttelte cnvlich den Kops und sa^le, aus die Schar deutend: „Eine Flasche , . . . wenig!" „Dcr alte Gauner ist säst so gewinnsüchtig, wie einer dcr Krämer aus Hobarltown!" rief der Nell-Norsoltcr aus; »aber cr tann das leisten, was ich von ihm begehre, wnm es ihm beliebt, das wciß ich. Will's daher mit zwei Flaschen versuchen." Und zwei Finger cmporstreckcud sagte cr zu dem Wilden: »Zwei, ;wci Flaschen Nun,." „Iwei," wiederholte dcr HäM'tling, sich zu den Seinen wendend und daö Wort volllommcn richtig aussprccheud. D'e Wilden schienen uuciüschlossen, dcr Häuptling aber gab den Ausschlag, indem cr sagte: /,3wc! Flaschen.... wenig." „Thun wir, als ob wir gingen," sagte der Farmer ;u mir; „vielleicht gebe» sie dann nach." «Iwei Flaschen .. . viel," sagte cr zu den Wilden; „lebt wohl!" ,/Lebt wohl!" erwiederten die Eingeborenen wie aus einein Munde. «Die lönncn ja alle zusammen englisch sprechen," sagte ich verwundert. „Behüte, sie haben bloo daü letzte Wort aufgcschnapvt. Doch ich muß den allen Kerl gewinnen, der H,uker hol' ihn! Kann übrigens den Num tüchtig mit Wasser vcrseycn, das ist ein Trost." Uns umwendend, sah.» wir die Wilden hinter nn5 herschauen, als erwarteten sie ein letztes Gebot. ,/Drei Flaschen/' sagte der Ncu-Norsolker, drei Finger em-Porstreckcnd; „drei große Flaschen Rum." Abcnttucl eincS Auswandern'«, l. 4 50 Wir waren schon im Begriff, uns wieder umzukehren, al<< oer schwarze Unterhändler doch glauben mochte, er habe jetzt oas höchste zu erlangende Angebot erreicht, imd mis zuuef: „Drei Flaschen .... gut." Wir blieben stehen und vier oder fünf der Cingebolencn sammelten sich nm nns her, sich rasch berathschlagend. Znlctzt zog der Häuptling einen jungen, schlankgewachsenen Wilren hervor und sagn : „Gut! Findet Schafe." , Der Farmer schien mit dieser SteNvenrcnmg nicht einverstanden zu sein, sondern sagte kopfschüttelnd: Piccaninny^) nicht gnt, Schafe zu finden. Dn geben!/' setzte cr hinzn, aus den Häuptling zeigend. „Nicht gehen .... Gins!" „Aha! " sagte der Farmer, „er meint, er könne seine Zraucn nicht verlassen; ja, so werden wir eben den jungen nchmcn müsscu. Komm!" Der junge Indianer trat sogleich vor. Er war vollkommen nackt, hatte wolliges Haar und einen Glicderban von schönen Verhältnissen, sein Körper war sehr schlank, ausgenommen der Theil, in Welchem er die vor »venigen Minulen hinabgewürgten Harz-brocken nnd Oppossnmöstnttc aufbewahrt hatte. Ich mußte nber das enorme Hervorstehen seines Magens erstaunen. „Diese Leute scheinen auf eine tüchtige Portion Lebensmittel rnigerichtet zu sein/' sagte ich., „Sie essen in der That ungeheuerlich," entgeguete mein Begleiter; es kommt abcr vielleicht daher, daß sie, weil die Vrlangung von Lcl'cnsmitteln für ste eine sehr ungewisse Sache ist, es fur gc-fcheidt und vorsichtig halten, eine tüchtige Quantität einzuladen, wenn sie einmal d^n kommen können, nnd das macht sie dann so aufschwellen .... Aber wohin führt uno denn der Junge? Wir <) Kleines Kind, Junge. y!»ch dic Neger i» Afrika und AmenkH nenl'?« -ihre Kinder Viccannini. 5l gehen ja wahrhaftig wieder zurück. Aha, er will die ersten Fähr« ten aufsinden . .. nun, er scheint wenigstens das Amt zu verstehen, welches er übernommen hat... Sehen Sie, er will <3twas sagen, das kann er nun freilich nicht, aber ich merke, daß er gerne wüßte, von wo aus die Schafe fortgetrieben wnrdcn . ... Wo befinden wir uns dcnu eigentlich? Ah st', da drüben über jenem Hügclchen liegt die Farn, . . . ." Und sich zu dem Vingcbornen wendend, sagte er: , Dort, ^ schwenkte dann seinen Arm herum und fügte be>: „Fort!" Der Indianer dachte einen Augenblick nach und dann eilte er, ohne nns auch nur ciues Blickes oder eines Zeichens zu würdigen, über einen niedrigen Hügel, der liufer Haud lag. ,,So werden wir auf jeden Fall der Stelle näher kommen,^' sagte der Farmer, „wo wir mit meinem Schäfer und Ihrem Begleiter wieder zusammentreffen sollten. Die Vcioen werden sich ohnehin sckon über unser langes Ausbleiben gewundert haben." Or hatte noch nicht ausgesprochen, als wir eiucu fcrucu Laut hörten, als ob Jemand riefe, doch war mir die Art diescö Rufcns gänzlich unbekannt, denn ich wußte noch Nichts von den Tönen, welcher nian sich in Vandicmcnöland bedient, mn die Ctimme weit durch den Wald schallen zu lassen; jedoch verstand ich ziemlich deut« lieh die Laute: Kuh .... nh .... ih! „Daö ist Dick und Ihr Freund," sagte der Farmer, „sie mci< Nen, wir hätten sie verfehlt, uür lassen uns deßhalb ihr Kuh^ih hören; will inal antworten/- So redend hielt er die Hände trichterförmig an den Mund und ließ den gewaltigen, gellenden Schrei über die Hügel tönen. Augenblicklich ward der Ruf zurückgegeben und der Wilde schien den Zweck unseres Rns'cns ganz gut zu begreifen, denn er blieb ruhig stehen. Unmittelbar darauf kamen zwei Huudc durch die Väumc auf nns zugelaufen, und dann konnt' ich die viereckige Gestalt 4 v 52 nicinis Irci'.'.nc.' Krabb, sowie die l!a:!e Jacke dcs Lchafers ? ist 'nen Land, nm drin zu leben, das! Ein Manu geht Abends zn Bett, nachdem, er seine Hcerden in aller Ordnung cingcfenzt. nnd wacht cr Morgens auf, j> muß er 'ncn schwar^haiitigeu Vurscheu mietheu, lln, sie wieder ;u finden. Nun, wenn ^iuem so was dao Land nicht verleben f.mn, wae« soll'e« dann? Master." wanrtc cr sich zn mir, ,,wac meinen Tic ? (5i^ullie!, >'ind Sie auogcgangeu, um Land zu suchen; statt dessen suchen Sie icyt Schafe, u»d wahrschcinlich werden Sie von dem einen Artikel so viel, wie von dem andern fiuden." Cs kam mir selber ein wenig sonderbar vor, daß ich säst gar nicht mehr meineo eigentlichen Zweckes, Land zu finden, gedachte, sondern mich >„it so großem (fifer für die Wiederanffindung der geraubten Schafe iuteress,rte, alö hätten sie mir gehört, ein Be 53 weis, wie leicht wir lins durch augenblicklich eingetretene Umstände Von linsern wohlüberlegtesten und ernsthaftesten Plänen abziehen lassen. ,,'S ist sellsam." sagte ich ;>: dcin Neu»Norfolker, ,,daß ich so gan,^ vergessen zn haben scheine, wcßwegen ich mich eigentlich aufgc,»acht. Das abenteuerliche Leben eines Ansiedlers bringt dieß vielleicht so mit sich." ' „Will Ihnen was sagen/' cntgegnete der Fanner; „natürlich bin ich Ihnen sehr dankbar für Ihren Beistand nnd Il>re Begleitung und das nm so mehr, je bereitwilliger nnd herzlicher Sie mir dieselben anboten. Wollen Sie aber überhaupt das Land kennen lernen, so konnten Sie hiezn nicht leicht eine bessere Gelegen-' heit finden, maßen wir gewiß einen tüchtigen Marsch werden machen nmssen, bevor wir unsern Zweck erreichen, wobei wir Gegen-» den sehen werden, welche sonst wohl Keiner von uns erforscht hätte. Glauben Sie also nicht, daß Sie Zeit verlieren, /ondnn daß Sie im Gegentheil Ieit gcU'inucn, indem Tic, Falls Sie von Ihren Äugen Gebranch macheu wolle»', mehr Land ;u sehen kriegen werden, als Fremde in der Negcl bei ihrem Eintritt in's Land zu sehen bekommen." „Wohl," sagte ich, „das lautet ungefähr wie das, was mir in Hobarrtown gesagt wnrde. T'as Leben eines Ansiedlers ist ein abenteuerliches uno dieser Anfang scheint Vtwao zu versprechen . . ." Wir waren jctzt an einen kleinen Bach gekommen, wie es deren im Lande so viele gibt; er war weder breit noch tief. Indessen stand der Wilde hier still und schien eine Weile nachzusinnen. Weil ich des Waldes noch ganz ungewohnt war, konnte ich mir nicht im Mindesten vorstellen, wo wir uns eigentlich befänden, und zum ersten Mal überkam mich der Gedanke, wie leicht es sei, in dieser Wildniß irrezugehen. FrciUch stand die Sonne an, Himmel, uach welcher man sich allenfalls richten lonutc, allein schon die bloße Vorstellung des Verirrtseins scheint auf dm Geist eme 54 gewisse unerklärliche Gewalt auszuüben, wodurch unsere Sinne abgestumpft und unser Geist niederdrückt wird. Ich werde später Gelegenheit haben, davon zu erzählen. Der Indianer war mit feiner Berathung bald zu Ende und schüttelte, rückwärts weifend, dcn Kopf, als wollte er sagen, die Schafe seien nicht in dieser Richtung zu suchen. Hieranf setzte er seinen Weg linkehin fort, indem er dem kleinen Vach folgte und aufmerksam den Boden betrachtete, über welchen er hinschritt. Wir mußten auf diese Weise mehrere Meilen gemacht haben, und fühltcn uns allmälig schr ermüdet, als Krabb anhielt und ausrief: ,,Kommt mir das beinahe wie eine Wildcgänsejagd vor! Wir sind jetzt diesem schwarzhäutigru Strolch ich weiß nicht wie viele Meilen nachgelaufen, ohne daß wir auch nnr den Schwan; eines Schafs gesehen hätten. Werden auch keine sehen. Ich glaube bestimmt, dieser dunkclhäutigc Schuft führt u»s geraden Weges in irgend einen Hinterhalt und da werden dann die nnfittsamen Schürfen nber uus herfallen, nm uns dcn Garaus zu machen. Gott steh' mir bei, wenn ich dran denke, daß meiner Mutter Sohn ein solches Gnde nehmen müßte. Von diesen schwarzen Hundsföttern auf's Feuer geworfen und, bevor man halb geröstet ist, aufgefressen zu werden! Master, bedenken Sie's noch mal. Wie wär's, wem, wir umkehrten?" ,/Umkehren? Wer wird an so waö denken?" rief der Schäfer. ,,Wie müssen auf die Fährten treffen. Dreihundert und fünfzig Schafe müssen doch wohl eine Spur hinterlassen." „Sie thun's aber nun einmal nicht!" sagte Krabb ärgerlich. „Komm, komm!" sagte der Farmer aufmnnternv zn dem Indianer. „Das wäre mir ein schlechter Spaß. unvcrrichtctcr Dinge umzukehren .... ?lh. seht, der Wilde ist auf der Spur .... seht, dort zeigt er auf Mwao!" Wir eilten dem Eingeborncn nach, der auf einer gesundem?: 55 Fährtc fortlief, »nit einmal aber wieder stehen blieb, wie wenn er sich nach Etwas erkundigen wollte und nicht wüßtr, wie sich verständlich machen. „Geh zn ihm, Dick," sagte der Farmer; „Du kennst ihre Manieren besser, als wir. Sich' zu, ob Dn's 'rauskriegen fannst, was er will." Der Schäfer ging zu dem Wilden nnd dieser zeigte auf die Fährtc, indem er sagte: „Schafe!" «Schafe allerdings," brummte der Schäfer, ,,cr meint aber noch was, was ich nicht verstehe," Der Indianer beschrieb mit den Armen einen Kreis, als wollte er ein großes Stück Land bezeichnen, nnd sagte fragend: ,. Schaft? Schaf«? Schafe?" „Ah. jetzt merk' ich's," rief Dick ans, ,,cr will wissen, ob «s »ick Schafe waren. Hier sind zwar frische Spuren, aber nur wcnigc, und er möchte nicht gerne den falschen Fährten folgen." Dann sagte er zn dem Wilrcu: „Viele!" und auf dic Erde weisend und kopfschüttelnd fügte er bei: „Wenige." Der Indianer schien des Schäfers Meinung sogleich zu fassen, denn er wandte sich zur Linken, und nachdem wir etwa zwei Meilen zurückgelegt, kreuzten wir eine Menge frischer Jährten. Die Diebe hatten hier ihre Veute eine Zeit lang am Flusse hingctriebcn, dann aber den Fluß au einer seichten Stelle überschritten. Am gegen» nbcilicgcndeu Ufer folgten wir den deutlich zu erkennenden Fährten so schnell, als wir vermochten, mehrere Meilen wcit. Dann aber theilten sich die Spuren und offenbar hatten die Diebe eine» Theil der Schafe links, dcn andern rechts weitergctrieben. Der Fcnmcr faßte in dieser Verlegenheit den Entschluß, mit dem Indianer n:>d dem Schäfer dem linsen, als dem größten Trieb zn folgen, während ich mit Krabb auf dcn Spuren des rechten bleiben »nd so handeln sollte, wie es die Umstände erforderten. Wir trennten uns und später erfuhr ich, daß der Neu-Nol- 5ft folker, wieder glücklich zu Mcn seinen Schafen gekommen sei. Ich. umß mich jedoch von den (5'inzeinhciten dieser Verfolgung ;n meinen eigene» Erlebnissen wenden. .... „Nun, Masters fragte mich Krabb, „Sie habe» jetzt ein Stuck von dem Lande gesehen, wie gefällt es Ihnen?" „Eö sieht hübsch genug auc«, allein malerische Scenerien und fruchtbarer Aodeu sind zweierlei Dinge. Ein Ansiedler kann nicht von einer schönen Aussicht leben, sondern niuß seine Nahrung aus dem Boden unter seinen Fnßcn ziehen. In diesem Augenblick aber, Master Krabb. möchte ich, offen gestanden, lieber ein gutes Früh-ftnck, als sonst Etwas sehen." ,,In diescin Falle/' sagte Krabb init leiscr Stimme nud hielt mich a»l Arme zurück, ,,haben Sie Gelegenheit, es zn erhalten. Sehen Sie den Thierfopf dort? 'S ist 'nen Vuschsanguruh. Dort, sehen Sie, dort spriugt'ö! Jetzt haben Sie einen sicheren Schusi!" Ich brannte los und dao Thier machte einen gewaltigen Satz vorwärts. ,,Sie haben es getroffen!" rief Hrabb fröhlich, und obschon wir ordentlich müde waren, so liefen wir doch schnell hinter dem verwundeten Känguruh her. Das Thier sprang indessen noch eine gute Meile weit, bevor es siel. Krabb machte sich rasch darüber her, weidete es aus, zündete dicht daneben ein Feuer an nnd in kurzer Zeit dampfte ein ganz anständiges Frühstück, wie es tie Wildniß gewähren konnte, vor nuö. Das Wasser einer unweit hervorsprudelnden Quelle stillte unsern Durst, und beim Aufbrechen bewaffnete sich Krabb „auf nn-vorhcrgefchcnc Fälle hin/' wie er sagte, mit dem Schwanz des erlegten Thiel es. Die Verfolgung des Känguruhs hatte uns aber von den Fährten der Schafe abgebracht und Krabb rieth, wir sollten eine gerade Richtung, der Straße zu cinschlagcu, welche die beiden gegen- 5? übeUicgenden Küsten der Insel mit einander verbindet. Ich pachtete ihm bei und nach einem mühsamen Weg von dr?iß g Stunden erreichten wir jenen Weg. Zum Glück trafen wir hier den mit Ochsen bespannten Wagen eines Ansiedlers, der nach den Ebenen von Norfolk wallte, und benutzten diese Fahrgelegenheit, bis wir anf den Ebenen anlangten. Von hier aus machten wir uns nach Lannceston anf, und dort borten wir in einem kleinen nencrrichteten Wirthshaus von einer gegen Westen an den Ufern des Flusses b'lyde liegenden Landschaft^ die für Rindvieh - nnd Schafszncht trefflich geeignet sei. Da ich »„ich nun diesen Zweigen der Landwirthschaft vorzugsweise widmen wollte, so machte ich micl> mit Krabb nach der bezeichneten Gegend auf den Weg und fand dort auch wirklich gar bald einen Platz, der mir fnv mein Unternehmen in iedrr Hinsicht sehr passend schien. Nachdem ich das Land gehörig gemustert und die Lage meines künftigen Eigenthums genau bezeichnet hatte, wanderte ich nach Hobarttown zurück, um es bei der Behörde anzumelden und die, Schenkungsurkunde zn erhalten. Ich war siebzehn Tage lang abwesend gewesen nnd wurde von meiner Familie natürlich mit großer Freude empfangen. Schon am nächsten Tage erhielt ich von dem Gouverneur die Vollmacht, von meinem sell'stgewählteu Eigenthum Besitz zu ergreifen, und zugleich das Versprechen, daß mein Land in kurzer Zeit von dem Siaatsgcometer vermessen und bezeichnet werden sollte. Inzwischen sollte ich mich anzubauen beginnen. Jetzt mußte ich mir allererst zwei Ochsentarren und acht Zugochsen anschaffen, um Alles mitzunehmen, was zur ersten Ansiedelung nöthig war. Meine Fran war von Herzen bereit. sogleich mit mir nnd den Kindern nach dem neuen Lande aufzubrechen, nnd wollte durchaus nicht so lauge in der Stadt zurückbleiben, bis draußen für einige Bequemlichkeit gesorgt Ware. Imn Glück bc- 58 saßen wir zwei große, wasserdicht»,' Zelte, dic nne gute Dienste leisteten. Wir hatten jetzt mit Packen und Laden tüchtig :,u schaffe,,, denn mein neuer Wohnplatz lag ungefähr fünfzig Meilen von der Stadt entfernt und mußten wir nns also mit allem Nothwendigen gehörig versehen. Die Behörde übelgab wir zwei „Negierungs-Minner" »ans England deportirtc Verbrecher, welche aliuarn W.ilde, — Tßovnlcy loinmt M!f stiiicm '.'and an, — Tcin cnttl' Vaiiüifällm. Seit jenem für mich so wichtigen Tage si»d mehr denn zwanzig Jahre verflossen, noch immer aber steht die Szene unsers Auf-bruchs so frisch vor meinem Gedächtniß, als wäre es gestern gewesen. Ich erinnere mich der Gefühle, welche mich erregten, noch gan; deutlich, als ich meine Frau mit ihrer aUen Mutter auf einem oben auf dem Karren festgemacht»'!! Federbett sitzen sah während die Kinder, an der Neuheit der Sache >':ch ergötzend, «>" sie her lachten und Possen triebei,. l^s lag in diesem Aufbruch nach einer neuen, erst zu gründeinen Heimat etwas so «n.- 59 beschreiblich KomlschcS und wieder Allstes, laß mein gntes Wl'ib zwischen Lachen und Weinen schwankte, die Kinderschar aber belustigte das Schüttern und Stoßen des Karrens so sehr, daß wir Andern, wlr mochten wollen oder nicht, mitlachen mußten, und unser Abzug wenigstens ein höchst heiterer war. Ohne Anstoß setzten wir unsern Zug eine Meile weit außerhalb der Stadt fort, indem ich mit meinem ältesten, säst zchn-iährigen Knaben Will") nebenher ging und bald dem einen bald dem andern Gespann, wo es nöthig war, beisprang, als wir mit einmal hinter uns Jemand rufen hörten und nicht wenig erstaunten, in dem Nnscndcn den guten Krabb zu erkennen, der sich ung fast athemlos näherte, in seinem Gesicht aber eine so seltsame Mischung seiner gewohnten GricSgramelci und seiner angcbornen Gutmüthigfeit trug. daß ich unwillkürlich dic Gespanne Halt machen licß, um zu erfahren, was es gebe. „Nun, Master Krabb," sagl' ich, „ist doch,t>!'n. Unglück vorgefallen, will ich hoffe»," „Bisher noch nicht, wenigstens weis» ich von keinem," erwiederte Krabb. „Habe mir aber die Sache calculirt," fuhr er zögernd fort, „und calculire, daß Sie für Ihr Vorhaben über zu wenig Hände zu disponiren haben. Sehn Sie mal, wird einer dieser Ochsentarren umgeworfen, so glaub' ich kaum, daß Sie im Stande waren, ihn wieder aufzurichtcu, und weil ....." „Ach, Master Krabb,« unterbrach ihn meine Frau, „machen Sie doch die Sachen nicht allfort ärger, als sie wirklich sind. Sie seh'n auch gar AlleS gleich von der Schattenseite an." „O, Mistreß." entgegnete Krabb und machte einen Versuch, zu lächeln, „ich mache gewiß nicht gern den Damen Furcht, aber es ist immer gut, auf daZ, waö kommen kann, vorbereitet zu sein. Kommt e« dann wirklich, so ist'S nicht so schlimm. So 5) Abgclürz« l!»s William, Wilhelm. 60 hab' ich mk'S denn calculirt, daß ich mit Ihnen gehen und ?-'n wenig helfen wollte, weil ich doch einmal mit den Siltcn «^ Vränchen liier zu ^anbe besser bekannt bin. Ich hege aber durchaus keinen Zweifel, daß Sie, wenn Sie erst auf Ihrem Lande angelangt sind, froh sein werden, wieder wegzukommen, und dann wär's fin,- mich ein Trost, Sie sicher in die Stadt zurück und aufs Schiff zu begleiten, so daß Sie wieder nach Hause und aus diesem grauseichafteu Lande fortkommen, wohin man . . . 'g ist ichändlich genug! .... immerfort unglückliche, betrogene Menschen lockt. Und zudem habe ich .... nun, sch'n Sie... habe ich Ihren . . . braven Mann ba liebgewonnen und . . . um der langen Rede elnen kurzen Stiel zu machen ... ich will, so's Ihnen recht ist, mit Ihnen auf Ihr Land und Ihnen dort zur Hand gehen, was Sie wohl werden brauchen könne,:. Was meine» Sie dazu, Master?" Es lag unter der rauhen Außenseite des Mannes so viel ehrliches, durch n„d durch herzliches Gefühl i» seinem ganze« Wese» , daß ich mich vom erstenAnfang unserer Bekanntschaft zu ihm hingezogen fühlte, und ich brauche daher nicht noch ausführlich ;u erzählen, wie erwünscht mir sein Vorschlag kam. Ich sagte es ihm mit kurzen Worten und er antwortete mir mit einem Kopfnicken zum Zeichen, baß er unsern Gesellschaftsvcrtrag für abgeschlossen ansehe. Dann fiel er sogleich in seinen schimpfenden Sarkasmus zurück und fing an, über die abscheulichen Wege zu lästern, welchen Stoff des Tadels er so lange bearbeitete, bis die Nothwendigkeit, uns in Stockers Fährboot über den Derwent scften zu lasse«, was allerdings mit großer Aüstrcnguna verbunden war, seiner Galle ein anderes Motiv zur C'ntleeruna darbot. Nachdem wir aber trotz der unaufhörlichen Unglückspropke» zeihungen Krabbs die Vrighloncbene glücklich erreicht hatter machten wir am Ufer eines Baches Halt und ließen die Ochsen kl yraftn, -rcbci uns Krabb die tröstliche Vcrsichcru'.ig gab, wir würden wenigstens cin paar Woä)cn hier liegen bleiben müssen, indem sich die Achsen ganz gewiß im Walle verlaufen würden. Wir lachten ihn mit seinen düsten» Provhezcihungen aus und die Kinder, welche von Herzen erfrent waren, dein Gewahrsam dcö engen Karrens eine Weile entzogen zn sein, weckten den Widerhall des kleinen anmuthigcn Thales mit ihrem Ruftn und ihrem (Gelächter. Nachdem eine Art Kriegsrath abgehalten worden, wurde beschlossen, zur Zeit der Abendkühlc mit erfrischten Kräften nuS nach den „Green.-PondS" auf den Weg zu machen, wo wir ein kleines erst vor Kurzem eröffnetes Wirthshaus treffen sollten. Mit Cin-bv.ich der Nacht fame» wir dort an, und da das NirlhShauS in dcr That schr klein, die Nacht aber warm und ruhig war, so zogen wir es vor, unsere Zelle aufzuschlagen, um darmucr im Freien zn schlafen. Die Ochsen wurden in dem Hofrauin des Wirthshauses vcrwalirt und bald lag unsere ganze Gesellschaft im iicfen Schlafe, mit Ausnahme KrabbS, denn dieser wollte sich schlechterdings nicht zur Nuhc begeben, weil er steif und fest behauptete, wir würden in der Nacht von den Vushrangern überfallen und ausgeplündert werden, weßwcgen er es vorzog, zu rvachcn. ES ließ stch übrigens die ganze Nacht über nichts Verdächtiges vermerken und um die vierte Morgenstunde waren wir Alle wieder ;um Aufbruch gelüstet. Nachdem wir die Hauptrouie noch vier Stunden weit eingehalten hatten, bogen wir linsshin, gegen Westcn zu ab, um die Gegend unserer Bcstimmnng zu erreichen, überschritten den schmalen Fluß Jordan an einer allerdings nicht sehr vraktilabeln Furlh, -velche auch nur inl Sommer zu passsren war, und sehten unsern Wüg sehr vorsichtig fort, da von jetzt an uns keine auegehauene 62. Straße mehr, sondern nur einzelne, oft unterbrochene lind aar verschwindende Fähr.'cn zur Richtschnur dienten. " Einige Meilen jenseits deS Jordans erreichten wir den c> ^. des "Den-Hngels" in welchen eine Vertreibe anslief, die sich unserer Linken lagerte, während sich rechts ein anmuthiges, von einem klaren Bach durchströmtes Thal ausbreitete. Die Anhöhe über welche wir jetzt hinweg sollten, kam uns aber so beträchtlich vor, daß wir anhielten, um uns selbst, sowie das Zugviel, zu der bevorstehenden Arbeit zu stärken. Es war mir bei der Sache etwas schwer nm's Herz, denn hatte ich auch diesen Hügel schon einmal überschritten, damals nämlich, als ich mir das Land am Clyde besah, so war ich damals zu Fuß gewesen, jetzt aber hatte ich zwei schwer bcladene Karren bei mir, was gewiß einen bedeutenden Unterschieb ausmachte. Da sich mir aber die Nothwendigkeit, Hand an's Werk zn legen, aufdrängte, ft, schüttelte ich das lethargische Gefühl, welches mich bei Betrachtung der Schwierigkeiten erfaßt hatte, ab nnb sprang entschlossen auf. Eine Viertelmeile ging eS noch ziemlich gut vorwärts, daun aber verwehrte die Steile der Anhöhe, sowie die ungeheure Menge abgestorbene» und faulenden Holzes, welche allenthalben umherlag, uns das Anfwärtsfahrcn gänzlich, und nachdem wir abgebrochene A^stc hinter die Räder grschoben, «Nl die Karren am Zurückrollen zu verhindern, schauten N'ir uns trübselig an, Der Versuch schien ganz hoffnungslos, Krabb ließ fein Wort verlauten nnd die Männer betrachteten mit ängstlichen Blicken das Vieh. Endlich brach Aob, der Ochsentreibcr, welcher sich h^ jetzt als ein ordentlicher, fleißiger Bursche erwiesen, das Stillschweigen, indem er anSrief: „Das ist mehr, als sterbliches Zugvieh vollbringen kann' Wir lönnten eben so gut versuchen, an den Wänden eines Haus^ emporklettcrn zn wollen." S3 Ich dachte ungefähr das Nämliche, hielt cs aber für gerathen, meine Gedanken zn verschweigen, obschon ich wirklich nicht wußte, was anfangen. Zudem begann es zu dämmern und obgleich während dieser Jahreszeit in Vaudicmenslaud die Nächte nie völlig dunkel werden, so fehlte cs uns doch an klarem Tageoückt. In dieser Verlegenheit brachte mcine Fra» mw Hülfe, iudcm sie sagte: „Wenn vier Stiere einen Karren nicht den Berg hiuanfbrin-gcn, wärmn sp.n>nen wir dann nicht lieber alle acht an einen W,'.-gcn uud holen dann den anderen nach?" Diese Frage war wie das Ei dco Colnmbns. Nichts leichter als das, sobalv man co nur einmal ordentlich angegriffen. Wir thaten, wic Marie gemeint, und nach zweistündiger hartcr Arbeit hatten wir den, eineil Wagen glücklich auf dem Gipfel der Anhöhe droben. Hicr übernachteten wir und schafften mit Tagesanbruch anch den zweiten Karreu herauf, bevor wir das Frühstück einnahmen. Von da an führte unser Weg immer bergab nnd nach einigen Stunden erreichten wir die Stelle, wo meine künftige Farm stehen sollte. Freilich fühlten wir uns Alle. Menschen nnd Thiere, in der brennenden Mittagssonne sehr müde und matt, aliein wir hatten doch unser Ziel erreicht nnd das war für jetzt genng. Gegen Westen lag zwischen uns nnd dem Meere keine menschliche Wohnung und die nächste Ansiedlung war achtzehn Meilen tntferm, Allum im Kreise streckten sich die herrlichsten Vichwciven in nnbegränzmi Strecken aus, nur fehlte mir lcircr noch das Vieh dazu, denn außer meinen acht Ochsen hatte ich keines. Die Ochsen ließen wir nun aber vor allen Dingen frei, da es nicht zu befürchten war, sie würden sich in der vor nns liegenden Ebene zu weit verlaufen, denn sie mußten tüchtig abgemattet scin.l Diese Ebene d'irchftvömte der Clyde oder, wie er auch sehr häusig genannt wurde, der Fat-Doe-River (Fcistc-Nch-Fluß). Meine beiden Arbeiter machten sich nnanfgcfordcrt darmi, dic «4 Zeite «iii^üsvaimcil, Krabb ging in den Wald uud ich crinlmc mich noch, daß ich neben meiner Fran ans einen: umgestürzten Vaumc saß, während meine Schwiegermutter und die Kinder ,',„ Graft gelagert waren. Hciligeö Schweigen lag ol' dein Walde, die Sonne brannte am durchsichtigen Firmaincnt nnd die Gegend laci in stiller Schönheit vor mir hiugcdchnt. Ich ha?te ein gewaltiges Unternchinen begannen: iiunitten einer Wildnis, eine Heimat zu gründen. Ich wurde wehmüthig gestimmt von diesem Gedanken nnd die Zukunft ging in wilden, vagen Aildcrn an meiner Seele vorüber, bis sich endlich meine Vorstellungen incniandcrwiirtcn und ich einschlafend in das schwellende Gras hinunterglitt. Meine Marie wollte mich ruhig schlulnniciu lassen und übernahm sofort die Pflichten einer tüchtigen Ansicrlerfran. Nnhig und mit leisen Worten ertheilte sie die nothigen Anordnungen, die Kar-re» abzuladen uilb »mscrc Leinwandhäuser cinM-ichteu, bestimmte das kleinere Zelt zum Aufbewahrungoort unserer Sachen, wie nebenbei zu meinem S.^las^emach, während sie, il,rc Mutter und die Kinder in dem größeren schlaseu sollten, ließ zwei Kisten,-welche als Tische dienen sollten, vor dem größeren Zelte ausstellen und mehrere Holzblö'ckc als Sitze herrichten. Hieraus wurde Feuer angemacht und das Mittagessen, bestehend a,i6 gepökeltem Schweinefleisch, Tampers, Thee uuv Reis, zugcrüstet, Alleo dieß geschah, während ich schlief, und ich wurde erst nach ciu Paar Stunde,, von dem auö dem Walde zinückfehreureu Krabb geweckt, welche auöricf: „Heißa! Dac« ist mir mal eiu raier Ansiedlcr! Legt sich schiasen m,d läßt die Frau sich placken. Sehen Sie mal, ich h.^ was mitgebracht." Ich war sogleich munter und suhlte mich sehr gestärk: „nd erfrischt. Krabb wies jetzt ein Paar wilde (Kitten, welche er, tn wir noch keinen Spkß hatten, nach Act der Eingeborenen auf dm 65 Kohlen briet, worauf sic in glichen Theilen an sämmtliche „Mitarbeiter" der neuen Ansiedlung vertheilt wurocn. Ich hatte, mehr um ten Gebräuchen der Colonicn Genüge ;u thnn, als aus eigenem Bedürfniß, ein Numfäßchcn mitgebracht, aus welchem ich jeßt, um den Glan; unseres Mahles zu erhöhen, eine mäßige Portion zapfte, was besonders den bciren Arbeitern cin ebenso unerwarteter, als willkommener Gcunß war. Wir wurden auch bald so aufgeräumt und lustig, daß ich am Ende drei Vivats auf das Glück der nstcn Farm am Feiste-Reh-Fluß ausbrachte. Nun aber. als wir uns Alle ausgeruht und gehörig mit Trank und Speise erfrischt hatten, begannen wir mit vollem Ernste unsere Arbeiten. Will. mein ältester Junge, erhielt den Auftrag, die Ochsen "zu bewachen, daß sie sich nicht ;u weit entfernten, meine Arbeiter fingen an. in der Entfernung von hundert Schritten uon den Zelten eine Erdhütte sin sich aufzubauen, und Krabb, holie den Schleifstein hervor, befestigte denselben an einen alten Baumstamm und schliff die Aerce. Was mich betrifft, so war ich vor Allem bemüht, die Feuerwaffen in Ordnung zu bringen und zum augenblicklichen Gebrauch bereit zu halten. Unser Arsenal bestand aus zwei Musketen mit Vajonnccten, einer Doppelbüchse und zwei Paar Pistckn, von denen das eine Paar groß: Neitcr-Pislolni waren, außerdem noch aus einem Cavalleriesäbel uno einem Hirschfänger, so daß es an Waffen nicht fehlte. Krabb betrachtete die kriegerischen Iiirüstungcu mit spöttischen Blicken und sagte endlich: „Ja wohl, das ist der rechte Schlag, von einem Landgut mit Gewehren und Säbeln Besitz zu ergreifen, anstatt mit Pftügen und Eggen. Ja wohl, ja! 's ist aber auch die purste, hellste Narrethci, zu einem solchen Play, wie der da ist, herzukommen, nur nm sich mit den Wilden und den Vushrangern hernmzuschla- -Abenteuer ciiics Auswanderers, l. 5 so gen. Wci! Sic aber doch cimnal hier sind, so muß, dcnl' ich dock, was gethan werden, damit Sie ciu Dach über Ihren Kopf kriegen. Ich habe kaum eine Viertelincilc von hier kostbares Bauholz gefunden, welches sich sür ein Blockhaus vollkommen eignen würde, und Sie werden bald genug finden, daß cö das Gescheidlesic ist, sich comfortable einzurichten .... comfortable? (!i ja, fäirucr Comfort ist's, was wir hi>.'r im Walde haben! Sicht sehr comfortable ans, nicht wahr? Ganz muttcrseelallcin in der Wildniß, kein Tropfen Bier weoer für Gelo noch gute Worte zu haben.' Doch was geht's mich an? Wie Sie sich bette cn, so müssen Sie liegen. Eine Zeitlang müssen Sie's nun eben treiben, wie'o geht, un) gntc Miene zum bösen Spiel machen/' So sprechend wählte sich der brummige, aber dabei thätige Krabb die schwerste Ärt aus und wir gingen mitsammen zu dein Naldsamn, denn unser Lager stand auf einem Platz?, welcher ucnl Vaumwuchs fast ganz entblößt war. Dort trafen wir herrliche Gumbäume und suchten uns die passendsten rerselben zum Fallen ans, eine Arbeit, welche wir, nachdem wir die auo Europa mitgebrachten Acrte, welche sich hiczu ganz untauglich erwiesen, ,nit den in Hobarttowu cingcfausteu vertauscht hatten, mit Beihülfe einer erfrischenden, von der Sccgcgcnd herübelwchcnd.n Brise glücklich zu Stande brachten. ?l!ö wir acht Gumbäume gefällt mid der Plalz dadurch schütt das Ansehen eiucr kleinen Rodung erhalten hatte, kam der Abend heran nnd die Dämmerung brach schnell herein, Meine zwei Ar-l'citer halten ihre Ordhütt.' beendigt, deckten dieselbe mit Baum-zweigen und fühlten sich sehr behaglich darin. Die Ochsen bezeigten keine Luii zum Fortlaufen und da wir Alleö in Ordminq salM, so legten wir i',»ö zur Nuhe nierer. Krabb jedoch hing sich eine Patrontasche um, pflanzte das Bajounett auf fcinc Flinte und bestand darauf, Schildwache zu stehen. Alle»? lag bald in tirfem Schlummer, nur ich mußte nock) K7 cine Weile meinen Gedanken nachhänge:?. Ich baite cinch Ursache dazu, sowie Ursache, mn das Schicksal der Mcinigeu besorgt ;u sein, dcnu, was bis jetzt geschehen, war gewiß nicht weiter, als kin Anfang gewesen. Der Boden rings um mich war «och unberührt, wie cr anö der Hand der Natur hervorgegangn und die nnbegräuzte Wildnis; schien uns in ihren Schorf; aufgenommen und von der ganzen übrigen Welt abgetrennt zn haben, Wir bildeten in der unermeßlichen Einsamkeit, die nns umgab, nur ci« ncn kleinen, sehr flcinen Fleck, und wenn ich mir auch das Her« bcizichen von Ansiedlern, dic Niederlassungen, welche uns in spätern Tagen umgeben würden, mit lebhaften Farben ausmalte, so fühlte ich doch nur zu gut, wie in dem gegenwärtigen Augenblicke stillen Alleiuscmi? mein Gemüth von banger Sorge, ja selbst von Muihk'sigfcit erfüllt war. Mcin früheres Leben in England zog cin meiner Seele vorüber und es kam nur fast uncrNärlich vor, wie ich meine dortige Eristen; hatte aufgeben können, um auf cin so gewagtes Unternehmen, wie eine Ansiedlung in der Nilbniß ist, mich einzulassen. Allein eben das Gewagte meiner jetzigen Lage diente hinwieder da;u, mich zu crmnthigen und zu beharrlicher Thätigkeit anzufeuern. Ich fühlte die Verantwortlichtei:, welche ick) als Vater einer Familie, als Gatte einer braven Frau, die um meinetwillen - Heimat und Verwandte verlassen hatte, übernommen halte, und faßte den Entschluß, mit männlichem Muth und thaikräftiger Beharrung selbst dem Schlimmsten, was nur bevorstehen könnte, entgegenzugehen. 68 Sechstes Kapitel vine« Ansiedlerz Tagewerke, — Tbovnlei! erbaut eine Blockhütte, — Kauft Schafe, — Schieß: ein wildes Thier, — Pastete voü schwartn Kakadn's und ein Känguruh-Tamper. Am Donnerstag dcn 28. Februar 18l7 waren wir mit Aü-Kiuch des Tages auf und ließen die Stämme, welche Krabb und ich gestern gefällt, von den Arbeitern zersägen. Krabb mcinc dazu, das wäre echte uud gerechte 3iegcrarbeit, wären sie müde, Guinbäume umzuhauen, so könnten sie sich dadurch ansuchen, daß sie dieselben zersägten. Ich wanderte unterdessen über mein Land und suchte mir dcit Platz aus, von wo es vermessen, sowie auch die Stelle, wo mein Haus gebaut werden sollte. Weil ich al'?r die Ieil nicht fcvu glaubte, binnen welcher ich mir eine ordentliche Behausung ein-lichtcn könnte, so bcstiminte ich dcn Platz für unsere provisorische nahe bei- dem der künftigen, damit jene sräter mit dieser verbunden werden könnte. Nachdem dieses in Ordnung, half ich den Leuten die Stämme spalten, um daraus die Wände der Hütte ;u machen, und da mein« Frau nicht gchattcu wollte, das! ich das Ding Hüt« nannte-, so verständigten wir uns, es „Villa" zu betiteln. Will, der unfern der Zelte die Ochsen hütete, erzählte uns, !>aß er Mittags ein Känguruh mit einem Inngen im Beutel unweit von sich habe äsen sehen, nnd hiedurch ward ich auf die Nothwendigkeit aufmerksam gemacht, nur einige Hunde anzuschaffen, welche mir nicht allein zur Jagd, sondern auch als Wachen dienen sollten, und ich beschloß, die erste Gelegenheit, mir Hunde zu kaufen, zu beuühcn. In den nächsten Tagen verfertigte Krabb Schindeln, womit 69 ich das Haus decken wollte. Die Arbeiter sagten mir zwar, daß man hiczn in den meisten Theilen der Insel trockenes Sumpfgras bcnuhe, allein ich hatte ganz und gar nicht im Sinne, solch' emeu lcichtcndzündlichcn Stoff an, meiner Wohnung aufzuhäufen, weil-nicht allein von den Eingeborenen, sondern auch von den häufigen Waldbräudcn fortwährend Feucrsgcfahr zu besorgen war. Am ersten Sonntag, den wir in der Wilrniß anbrechen sahen» hielten wir Nath, ob wir ihn feiern sollten oder nicht. Menih Frau stimmte entschieden für das Erstere, wäre cs auch uur, sagte sie, um die Kinder nicht von dem guten, alten Gebrauch abzubringen, und obschon ich es nun durchaus nicht für Sünde hielt, iu einer solchen Arbeit, mit welcher wir beschäftigt waren, fortzufahren, so ließ ich mich doch, besonders weil das Wetter sehr beständig war. gern überreden, die alte Sitte einzuhalten. Habe auch später gefunden, daß' der Körper, durch diesen einen Nnhctag erfrischt, mit weitaus größerer LMtigkeit die neue Arbeit der nächsten Woche auf sich nimmt und daß durch die Sonnlagsfcier im Ganzen wenig versäumt ftird. Bis zum achten Tage im März thaten wir wenig Anderes, denn Bäume fällen und sägcn und zurichien. An diesem Tage aber singen wir mit dem Einrammen der Stämme, welche die Wäudc meines Hanfes bilden sollten, an. Ich hatte inzwischen nuch einen Riß zur Erbauung des neuen, größeren Hauses entworfen und zeigte denselben Krabb. Dieser aber meinte, ich würde auf keinen Fall lange genug leben, um diesen Plan auozufnhren, konnte aber seinetwegen dabei bleiben, so es nur Spaß machte, denn er sei nicht der Mann, Jemanden einen Spaß zu verderben. Am 10. März hatten wir die Deckung des Hauses größtenteils vollendet, nun aber fehlten nns die Nägel, um in unserer Arbeit fortmachen zu können, und ich beschloß, den einen Karre» in die Stadt gehen zu lassen, nm frischen Vorrath von Nägeln u"> 7N Mehl zu holen, so wie auch, so viel sich von unsern noch im dortigen Waarenhaus liegenden Sachen auf!a?cn ließe, mitzubringen. Krabb sollte init einen, der Arbeiter diese Fahrt besorgen, und als die Beiden mit dem Karren fort waren, wurre lins etwas cin-samlich zu Muthe. Ich n,ihm meine Büchse, uin ein paar Vnten zu schießen, denn wir hatten bisher von dein auö Hobarttown mitgebrachten Pökelfleisch gelebt und konnten wohl einmal cine Abwechslung l'rauchen. Anfang versuchte ich zwar, in der Näh der Zelte zn bleibe», allcin die Iagdlust lockte nnch weiter und weiter und ich traf endlich eine Kette Enten, welche hockst gemüthlich auf dem Clyde, an einer Stelle, wo die Strömung nicht reißend war, mnhcrschwammcn. Schon wollte ich meinen Schuß losbrenuen, als von dem gegenüberliegenden Ufer gerade mitten unter sie hineingeschossen wnrde. Ich erschrak nicht schlecht, denn der unverhoffte nahe Schuß, ließ mich einm Augenblick lang das Schlimmste befürchten und mein erster Gedanlc war, so schnell wie möglich meiner Familie ziiMliehcu, uud ich unterließ dieß nur, weil ich besorgte, mich dadurch dem Feuer meines Feindes, wenn ein solcher sein sollte, allzu sehr bloßzugcbcn. Inzwischen kam der Mann, welcher den Schuß abgefeuert hatte, schnell durch das Buschwerk an's Wasser heran, um sich s^,. ner Beute zu bemcistcrn, nud sein Blick traf mich, wie ich so u,it dem Gewehr aus ihn in, Anschlang am Ufer swid. Uebrigcns bemerkte ich sogleich, daß mein Anblick ihn nicht weniger erschreckte, als mich sein Schießen erschreckt hatte, nnd eine Weile verharrten wir in dieser Stellung. Der Fal-Doe-Niver hat hier eine Breite von ctwa vierzig Fuß und ich weiß in der That nicht, wie lange wir so etnander gegenübergestanden wären, wenn nicht eine Kette Enten, welche über ims wegflog, der Sache ein Gnde gemacht; denn unfähig, der Verschling zu widerstehen, vergasi ich alle Vorficht nnd feuerte unter die fetten Vögel hinein, „Brau gemacht.'" ricf der Fremde herüber; .sehe j,yt, daß 7l ich von Ihnen Nichte« zu besorgen habe, würden sonst Ihr Pulver nicht ans diese Weise verschossen haben. Passen Sic aber auf, sonst verlieren Sie Ihre Cnien! Iwci schwinuncu noch im Fluß." Ich fand einen langen Ast, womit ich meiner Acute mich bemächtigte, und der Fremde gelaugte gleichfalls zu den vier Enten, welche sein Schuß getroffen hatte. „Sie hielten mich gewiß für eincn Vuohranger ?" rief ich ihm zu,vals er wicdcr am Ufer stand lind die vier nassen Enten an den Beinen in der Hand hielt. „Sie gefielen nur eben nicht besonders," erwiederte cr< „wie Sie so mit dem Gewehr auf mich anschlugen. Da^ ist ganz die Manier dieser verdammten Strolchen .... Sie sehen stch wohl nach Land um?" „Ich habe mein Land schon in Nesih genommen und wohne darauf, fcnim eine VicrtclmeÜc von hier. Und wao ist Ihr Geschäft?" ,,Ich bin der Aufseher sTtottlecper) einer Hecrde, die etwa fünfzehn Meilen von hier steht, und ich will gerade nach dem Vieh sehen," „Vieh? Wollte, ich halte gewußt, daß Vieh hier in der Nähe ist. ich hatte mir schon lang frisches Fleisch zu verschaffen gesucht/' Wir schlendcnen am Strome Himmler, bis wir zn einem alten Baumstamm kamen, der queer über den Fluß gefallen war und den der Stoctkeevcr benutzte, um auf mein Ufer herüber zu gelangen. Wir gingen zusammen nach den Zelten, wo er stch zn meinen Leuten in der Erdhnttc verfügte. Nach einer Weile lam Vob mit den vier (5utcn und bot fii mir in des Su'ttkccpcrö Namen für gesalze« ues Schweinefleisch an, welches dieser schon lange habe entbehren niüsscn. Auch ließ mir der Stockkeeper sagen, er wolle mir ein Paar Künguruhhunde verkaufen, wofnr 'er aber vierundzwanzig Dollars verlangte, was mir damalö zwar ein hoher Preis schien, 72 wich aber nicht hinderte, mit ihm Handels einig ;» werden. Er versprach, mir am nächsten Dienstag die Hunde zn bringen. Am 2Z. März versuchte ich mit Beihülfe Bobs rincn Tisch zu zimmern, was in dem Grade gelang, daß meine Frau meinen Ernu-dungsgcist plies und ihre Mutter mciutc, der gefertigte Tisch sei cin prächtiges Möbel. Die Kinder hatten eine große Freude daran uud mein ältestes Mädchen Vetsy deckte ein altes grünes Tuch darüber, was dem T>sch ein ganz anständiges Aussehen verschaffte. Am selben Abend wurdeu wir, kaum zur Nuhe gegangen, durch Pcitschcngcfuall uud laute Stimmen geweckt und sonnten zu unserer freudigen Ueberraschung Krabb und den Arbeiter, die wir erst am nächsten Tag erwartet hatteu, bewillkommnen. Sie brachten uus eine frische Zufuhr von Lebensmittelu nnd nuserc iu Ho-l'arttown zurückgelassenen Habscligkeiten. Am folgenden Margen theilte mir Krabb mit, er hätte in dcn Glccn Vonds sehr schöne Schafe gesehen, welche um billigen Preis zn haben wären, und da mein zweiter Arbeiter, dcr I>,'hn Vl?nd hieß, mir sagte, er hätte sich früher viel mit der Besorgung von Schafen abgegeben, so beschloß ich, mit ihm hiuüberzugchcu, und kaufte am nächsten Tage anch wirklich b>c ganze Heerde, himdcrt uud achtzig Mutterschafe nebst ihren Lämmern und vierzig Widdcr. Am Morgen darauf trieb ich sie mit John bis zum Fuß der steilen Anhöhe, wo wir sie dic Nacht nbcr grasen ließen, während wir selbst mit nicht geringer Vcforgniß Wache hielten, weil uns Krabb allcrlci entsetzliche Geschichten von Viiöhrangern und Indianern erzählt hatte. Es mochte nm Mitternacht sein, als die Schafe mit einmal unrnhig wurden, und lange vermochte ich mir nicht zu crflarcu, was sic wohl störe, schlug jedoch meine Büchse an und nini kain mir'ö plötzlich vor, als hörte ich cin Thier schnauben, und das Dunkel mit „leinen Blicken dinvlidriugcnr, meinte ich eine schwarze Gcstnlt deren Umrisse keineswegs die eines Schafes waren, unweit von mit 73 stehen zu sehen. Ich wußrc zwar recht gut, daß es iu Vaudiemcns-land kein wildes Thier gäbe, welches kühn genug sei, einen Menschen anzufallen, allein dessenungeachtet wurde nur der schwarzen Gestalt gegenüber etwas unheimlich zu Muth, Zuletzt aber, neugierig, zu erfahren, was es wäre, zielte ich und schoß. Die ganze Schafheerde fuhr iu die Höhe und nicht nnuder erschrocken sprang I^hn auf die Füße. Mit dem Aubruch des Tages sah ich, daß ich ein dcm Lande eigenthümliches Thier getödtct hatte. Es sah mehr einem wilden Hunde oder einem Schakal, als soust ciucm Geschöpft ähnlich, war ohugcfähr von der Größe eines Neufundländers, braun von Farbe und theils gestreift, theils gefleckt, wie ein Leopard. Weiblichen Geschlechtes, belast es die den Säugethicren Australicus eigenthümliche Fähigkeit, die Iuiigcu in einem falschen Vauch oder Vcutcl mit sich zu tragen. Il)hu streifte es ab, nahm die Haut mit sich und beleckte zu Hause dcn Stumpf eines Gumbaumes damit, der Pater, gehörig ausgestopft, der Vhreusitz meiner Frau wurde. Wir trieben jetzt die Hcerdc über den Hügel und erreichten die Zelte noch bei guter Zeit Nachmittags. Tor: aber ward lustiges Leben, ais wir uns uähertcu, die ganze Bewohnerschaft kam uns fröhlich entgegen und selbst Krabb schmunzelte heiter. Freilich, sagte er sogleich: „Sie müssen jetzt tüchtig aufpafscu. soust ist movgcu früh kein Schwan; mehr von dcu Thieren da. Die Schafe zeigen iu diesem Lande eine fürchterliche Lust, umherzuschweifen, was man den armen Thieren auch gar uicht verübeln kaun, denn sie suchcu eben genießbares Gras, was hier zu Lande nirgends zu siudcu ist. Wir werden auch eine faubcrc Arbeit haben, um sie zu branden. Wie sollen sie denn gezeichnet werden?^ „Das weiß ich iu Wahrheit noch nicht," versetzte ich, , denn ick habe keine Vrandeisen." „Keine Vraudciseu?" rief Krabb aus, „das ist nicht übel. 74 Da haben wir's, jtcn. Sie gewöhnten sich sehr balo an uns. Am 28. März wollte Will einmal gern die Hunde Probiren und auf Känguruh's jagen gehen. Der Stockkecpcr bot sich freund-. lich an, mit ihn, zu gehen und ihm die Jagd zu zeigen. Wir zu Hause beschäftigten nns indessen damit, die Gebäude 75 vollendo zu decken, und dann ging ich nach Lehm ans, um daraus das Kaiuin zu »lachen, fand auch ziemlich guten. Auf der Rückkehr nach Haufe sah ich vier schwarze Kakadu's mitsammen in einem Buschc sitzen. Ich legte au und schoß einen derselben. (5s war aber sonderbar, daß die andern nicht aufflogen, sondern blos in dem Busch umherflatterten und sich über ihren gefallenen Kameraden verwundene». Sie konnten offenbar gar uicht begreifen, was diesem zugestoßen sei. Ich schoß noch ciumal und tödtete zwei andere und mit einem dritten Sckuß brachte ich auch den letzten, der an'-H Fortfliegen gar uicht zu denken schien, zu Boden. Ich war zu sehr im Iagdcifer, als daß mir eingcfallcn wäre. wie grausam es gewesen, die Thiere mit so kaltem Blute abzuschlachten, welche in ihrer Unschuld »och nicht wußten, wa^ daS Knallen eines Gewehres zu bedeuten hätte, und nahm die Aeute voll Freude mit nach Hause, damit meine Frau sie zu eincr Pastete zurichten sollte. Die Kinder lachten freilich bei der Vorstellung, daß sie eine Pastete von schwarzen Kakadu's essen sollten, und sagten, es wäre doch Jammerschade, so hübsche Vögel zu todten, allein dessenungeachtet schmeckte das ucue Gericht uns alleu vorzüglich. Abends schlachtete ich auch einen achtzehn Monate alten Widder, der ungefähr achtundvierzig Pfund wog. Als es zu nachten begann, kam Will mit seinem Begleiter wieder zurück und hatte, müde und huugn'g, wie er war, die Ucberbleibscl der Kakadupastete rasch verzehrt. L'r brachte als EiegcStrophäe deu Schwanz eines ungeheuren Känguruh's mit und der Stockkeeper trug auf seinen Schultern die Keulen eines zweiten, dieselben an den Läufen vor sich haltend, während ihm der Schwanz über den Nucken hinunter fast bis zur Erde hing. Als ich sie fragte, wohin sie das Känguruh gethan, dessen Schwanz Will schleppte, sagten sie mir, sie hätten die Hmtcrvier- tel und Felle etwa sechs Meilen von unfern Zelten an einen, Baume aufgehangen, das Uebrige aber liegen lassen. DaS schien mir eine Verwüstung dcS schönen Fleisches, aber cö war damals so der Brauch im Lande. Die Frauen beschäftigten sich mit der Zurüstung dcS Nachtessens, wobei ihnen der Stockkeeper, der die Bereitung dcS Kän-gnruhs sehr gut verstand, Hülfteich beistand. Die zartesten Theile des Fleisches, besonders solche, welche am wenigsten von Muskeln und Sehnen durchzogen waren, was die Güte dcS Känguruhbratens so oft beeinträchtigt, wurden mit Sorgfalt herausgeschnitten, fein gehackt und dann mit der Zuthat von einigen Stückchen gesalzenen Specks über langsamem Feuer gedämpft, woher denn auch dieses, den Wäldern von Vandiemensland eigenthümliche Gericht den Namen „Dnmpcr" hat. Ncbrigcns glaubte ich in meinem ganzen Leben noch keine so köstliche Mahlzeit gehalten zu haben und die alte Dame, meine Schwiegermutter, verlangte, cs sollte etwaS Num dem Essen beigefügt werden, wie sie sagte', zur Feier von Wills erstem Iagd-zug. Der Känguruhschwanz -wurde sodann in einem Topf über oem Feuer gelassen, i,m für den nächsten Tag eine Suppe daraus zu bereiten, die dann fast noch delikater schmeckte, als der Tamper. Wie wir nun so nach Hintcrwäldlerart auf abgesägten Vaum-stümpfen um das Feuer hcrsaßcn, während ich, wie ich damals noch immer that, mein Gewehr im Arm lehnen hatte, um nicht einmal'unverschendS überrascht zu werden, wollten die Frauen gerne erfahren, wie Will das Känguruh erlegt habe und wie es überhaupt mit der Jagd gewesen, und obschon der arme Bursche sehr ermüdet w.ir, so fühlte er sich durch die Pastete und den D-nnper doch soweit crkräftigt, baß er zit erzählen vermochte, was im Anfang des folgenden Kapitels zü lesen ist. 77 Siebentes Kapitel- Will beschreibt eine Käügunchjngd, — !i'0» diesem Thicrc ubethau^c. — Krabb gibt scin Urtheil lU'cr das Verkehrte des ganzen Landes ab. — Tbornleh be< zicht sei» ncucs H,nis, — Krabb pftüat. — Das ^llima und dessen wunder« bare Wirlungen. „Der Tag brach gerade an, als der Stockkeeper mich weckte, und, schnell angekleidet, ergriff ich eine der großen Neitcrpistolcn, wie ver Vater mir erlaubt hatte, während mein Begleiter seine Büchse zur Hand nahm, und so bewaffnet und mit einem halben Damper und ctwaö Salz versehen, brachen wir auf und ich glaube bestimmt, daß Heltor wußte, cö sei auf Känguruhs abgesehen, denn er sprang gar zu munter einher und Fli) wedelte foriiväh« reud mit dem Schweife. Die Sonne ging straleuo auf, und hört, der Vogel, welchen die Mutler so gerne hört, ist eine LI-stcr, eine veritable, englische Elster! habe sie mit meinen eigenen Ang.n gesehen, abcr wunderschön kann sie singen, Nachdem wir die (5'bcne durchwandert hatten, gelangten wir endlich in die Hügels die Hnnde gingen aber ganz rnhig und lautlos hinter nnS her, ließeu Ohren und Schwänz« hängen und schienen gegen Alles um sie her ganz theilnahmsloS zu sein, Dcr Sk'ckkecper behauptete aber, diese ihre Gleichgültigkeit sei ein Beweis von ihrer guten Erziehung, und cö kam in der That Lebhaftigkeit ge« mig i» sie, sobald sie das erste Känguruh erblickten. Vier »der fünf Meilen hatten wir ungefähr auf diese Art zurückgelegt — und wir sprachen unterwegs nur wenig und, wenn wir sprachen, sehr leise, weil die Känguruh's dnrch daö geringste Geräusch aufgestört werden — als mein Begleiter mit einmal stille stand und zu den Hunden sagte: „Geht! Such'! Such'l" 78 «Pom nämlichen Augenblick an wmdcu die Hunde lcdhafter und suchten in weiteren und immer weiteren Kreisen uiu uns her, bis Hektor Etwas zu wittern schien. „Er spürt Vines." meinte dcr Etockkeeper, mid es verhalt sich wirklich so, denn alsbald rannte dcr gcschcidte Hund, mit der Nase auf dcr Lrde, in gerader Richtung fort und eic Hündin Fly folgte, so schnell sic es im Stande war. „Ich lif ebenfalls, st' schnell ich konnte, um die Hunde nicht aus den Augen zu verlieren, allein der Stoctkeepcr rief hinter mir d'rcji», stehen zu bleiben, indeiu er sagte: „DaS nützt Sic Nichts, Sie könnten es doch nicht lange aushallen!" „Aber wenn nun dic Hunde ein Känguruh todtbeißcn? Wie können wir es finden?" „Geduld> Geduld! AlleS zu seiner Zeit. Beißen sie Eines todt, so kriegen wir's gewiß." „Wir mußten abcr i/pt so lange warten, daß ich bereits die Geduld zu verlieren begann, als Hektor nnd Fly plötzlich zurückkamen, wie eö schien, äußust matt und müde. „Der Etockkcepcr untersuchte HcktorS Maul. „Wozu daS?" fragte ich. „Um zu sehen, cb er waS gefaßt hat," entgcgncte cv; „s?. heu Sie mal her, seine Schnauze ist blulig, er l,at sicherlich ein Kängurnh todtgebissen." Dann saglc er zu Hcktor: „Zeig'!" und Hektar trabte ge-radcans fort und zwar so rasch, daß wir ihm kaum zn folgen im Stande waren, etwa drei Meilen weit. Er führte uns ab^ richtig zu cincm todten Känguruh, da^ nahc bei cincni llciucn Wasscrtüinpel ausgestreckt lag, ungemein groß war und an den Hintcrlaufcn gcwalligc Krallen hatte, welche gar wohl hingereicht hätten, einen Hund, ja sogar einen Menschen tödtlich zu verirun, den, >n, Fa.'lc sie die rechte Stelle trafen. 79 "Gntcr Hund!" sagte der Stockkeeper und streichelte Hektor, dem das Lob sehr wohl zu behagen schien. Hieraus ließ er mich sein Gewehr halten, weidete das erlegte Wild aus, streifte daS Fell bis nahe zu den Keulen herunter, hieb den oberen Theil, Nippen, Schultern und Hals ab und hing das Fell/ iü welchem er das gute Fleisch verwahrte, an ciücn Vaum auf, wobei er sich den Platz merkte, um ihn wicrcrsindcn zu könncn. DaS übrige Fleisch blieb anf der Erde liegen und die Hunde dursten Nichts davon anrühren, sundern mußten sich mit den Eingcweircn begnügen, damit sie sich nicht zu rollfräfcn und uns so die übrige Jagd verdarben." ..... Will erzählte hierauf noch die Erlegung von zwei weiteren Känguruh's, welche ungefähr auf dieselbe Art erjagt wurden, und seine Erzählung unterhielt uns nicht nur gut, sondern war anch eine treue Schilderung der Jagd auf diese Thiere. Ich erwähne hier n»ch, daß das Känguruh enorme Quantitäten Gras zu sich nimmt. Im wilden Zustande frißt es Nichts, denn Graö, von diesem aber fast fabelhaft viel. Wenn cö jung gefangen und gezähmt wird, gewöhnt cS sich an jede Art von vegetabilischer Nahrung, am liebsten jedoch nascht cs braunen Zucker, nach dem eS gerade so begierig ist, wie cin Schaf nach Salz. (5s ist ein furchtsames, schüchternes Thier, und wenn bloß sein .^opf und Hals aus dein Buschweik hervorragt, sieht es sehr zierlich und aumuthig aus, als Ganzes genommen aber hat seine Gestalt etwas Plumpes, Unbeholfenes, was auf den Zuschauer keinen sehr gefälligen Eindruck macht. Die Eigenthümlichkeit, sciiic Iungcn noch mehrere Wochen nach der Geburt in den an leinein Vauche besinnlichen Bentcl aufzunehmen und fortzutragen, sowie cS Gefahr wittert, theilt eS beinahe mit alkn weiblichen Vierfüßlern dieses (5rdtheilS. Nachdem noch viel über das Land und dessen Eigenthümlich!« 80 keiten hin- und hergesprochen worden war, ließ sich Meister Krabb folgendermaßen vernehmen: „Auf dieser Seite der Welt ist ÄlleS verkelirt uno verdreht, das ist sicher, und es kommt mir vor, als hätte die Natur hier etst mal versucht, was sic Alles erschaffen könnte, und fei hernach auf die andere Seite hinnbcrgegangen, um es dort ordentlich z« machen. Schaut nnr mal die Aaume an, Statt daß sie Winters die Älättcr abwerfen, werfen sie hier die Nindc ab, die zerlumpt und zerfetzt an ihnen herunterhängt, bis sie abfällt. Würde sich wohl irgend ein gesitteter, anständiger Valim in England dergestalt betragen? Und waS gibt eS hier für Flüsse? Da ist der Jordan — schnöde genug, daß man ihm so einen christlichen Namen gegeben hat! — der ist noch nicht einmal so breit, wie del Ncw-Nwer bei mir daheim, und der Clyde, ei, da weiß man wahrhaftig nicht, was man dazu sagen soll: an manchen Stellen lauft er bergauf. Darnacher der Dcrwent, nun ja, der ist 'nen größerer Fluß, man kann sich aber doch uicht auf ihn verlassen, ist manchmal hoch, manchmal niedrig. Das Gras im Lande ist nicht grün, wie gesundes, ehrliches, engelländischcS Gras, sondern braun und hart, wie Sumpfhcu, und will man's grün haben, s» muß man's erst einmal wegbremien, damit cs hcrnacher eine vernünftige, grasartige Farbe kriegt, was freilich anch nicht lange währt. Im ganzen Land ist nicht eine natürliche Blume, keine Wurzel, keine Pflanze, keine Frucht, die ein Mensch essen könnte, Kirschbäume! Gi ja, spaßige Kirschen das! (5in saures, breiweiches Ding, wobei der Kern in der Mitte vergessen nnd wahrscheinlich des Aussehens wegen außen angepappt wurde. Dabei ist Alles verkehrt: man weiß nie, wo Norden und Süden ist, iin Juni ist's Winter, im Jänner Sommer. Ja, ja, Master, das ganze Zeug ist auS Versehen geschaffen worden nnd bag Veste was wir unternehmen können, ist, daß wir wieder heim gehen und in ei„em Lande leben, welches der liebe Gott für Christen 8l «ingerichtet hat, und selbiges Land ist Ältcngland. Da weiß man doch, wo man d'ran ist, lann 'neu Glas Vier kriegen, wenn mcm's haben will, und hat Pflug und Wagen, die von Pferden und nicht alif solch ausländische Mainer von Achsen gezogen werden. Scla." . . , . . Die Kinder begannen es zu fühlen, daß die Nächte lalt zu werden ansingen, weßwegen wir daran gingen, das Haus mit Thüren und Läden zu versehen. Krabb hatte mir bei seiner Zu-rücMmft aus dem Camp gesagt, er hätte in den Green - PondS Bretter gesehen, die man billig belommen könnte, und wir fuhren also mit bcircn Karren hin, um den nöthigen ^orratb herbeizuholen. Am l. April nahmen wir von unserm neuen Hause Besitz und beschäftigten uns jetzt vor Allem mit Aufführung eines steinernen Kamins, denn es begann In dcn Nächten tüchtig zu frieren. Freilich war nnscre Behausung noch ziemlich leicht und luftig gebaut, dessenungeachtet aber kunnte ich meine gesammte An-siedlung nicht anders, als mit dem größten Vergnügen und der iuuigsten Befriedigung betrachten. Für mein HauS brauchte ich keiuerlei Taren und Steuern zu bezahlen, Niemand konnte mir aufkündigen. Alles war mein Eigenthum, daS war das Veste. Ich übersah die Ebene vor mir, auf welcher meine Schafe weideten, meine Hunde kamen und lecktcu mir die Hand, meine Kinder sprangen aus der Thüre und riefen mich jauchzend zum Essen hiniin .... Alles sah fröhlich und glücklich aus und zum ersten Mal wurde die Ahnung jenes Gefühls von Sclbslstandigkeit und Unabhängigkeit in mir wach, welches mich spater so viele, viele Jahre laug so glücklich machte. Ich ging jetzt mit mir zu Rathe, ob ich nicht den Boden be-Äb'tntcucr eines Auswanderers, l. 6 ^82 arbeiten sollte, um ihn slir die Frühlingssaat im Teptc,nbcl in Ordnung ;u haben, ka die Wintersroste dann im Juni, Juli und August daS Erdreich ctivaö inürbc machen würden, und fragte Krabb, dcr unstreitig ein ziemlich erfahrener Landwirth war, «n, seine Ansicht über mein Vorhaben. Der gute Manu entgegncte jedoch, ich schiene ihm ein Vischen letz im Kopfe zu sein und er könne nicht einsehen, wie man eine Frühlingssaat im September besorgen wolle. „'S ist ja," setzte cr hinzu, „gegen allen gesunden Menschcnverstand, es ist gegen die vtatur und ich werde mich »ie dazu hergeben, solchen Unsinn zu unterstützen." Weil ick jedoch ein hübsches Tmck Land von der C»iröße von etwa zwölf Acres kaum eine Viertelstunde vom Haus entfernt hatte, welches Ttnck auch zum <5infenzcn sebr bequem lag, so Wollte ich mal de» Pstug versuchen und dcr Bovcn erwies sich bei diesem Versuche als gauz trefflich. Krabb tam hinaus, um ui's au^ulachcn, ich bemerkte al'er bald, daß er die Furchen mit sehnsi'ichtigcu Blicken verfolgte und mit dem Pflug recht eigentlich liebäugelte. Zuletzt konnte et S nicht mehr über's Herz bringen und unter den, Vorwanb, die Furchen würden nicht gerade, schub er mich ohne Weiteres bei Ecite und griff zur Pftughandh.ibe, ausrufend: „Der Herr steh' uns bei! Nennen Sie das pflügen? Laff^l Sie mich'S doch mal vrobircn!" Sei»'säuerliches.Gesicht heiterte sich aber in der That auf, sobald er das Holz der Pflughandhabe einmal in dcr Hand fühlte, und Bob trieb die Ochsen an, während er im Ausbrnch rcr höch-steu Wonne tinen Sliropshircr Jodler sang, daß die Wälder ivj-verhallten und die Arbeit noch einmal so flink von Etaitku ging. Von dieser Stunde an durste Niemand mehr, außer ihm, den Pflug führeu und er that diese Arbeit wirklich mit solcher 83 Lust, daß man ihin deutlich ansah, er begrüße ne als cincn alten, vertrauten Bekannten. Der Boden war nur spärlich mit Bäumen besetzt und stein-los, weßwegcn eS mit der Arbeit schnell ging. MS wir jedoch dieses abgethan hatten, mußten wir einen kleine!» Garten anlegen, Fenzen und Viehställe' errichte» und sahen uns genöthigt, noch zu dreien Malcu in die Stadt hinüber 5» fahren, um meine übrigen Gerälhschaften vollends an Ort und Stelle zu bringen. So ging der Winter herum und Anfangs Septembers besäet^ ich die umgcbrochciicu zwölf Acres mit dem besten Waizensamcn, welchen ich hatte auftreiben können, und zu Ende. dieses Monats, als die Witterung milder wurde, richteten wir den Garten her. Zu bemerken ist hier noch. daß der Winter ziemlich gelinde war und dcr Schnee nur ei» cinzig Mal in einer Hölie von zwel Zoll drei Tage laug liegen blicb. Im Herbst, das ist von Anfang des März bis Ende Mai'S, regnet es in VandicmenSland sehr wenig und in ten Wintermruaten, Juni, Juli und August, fast gar nicht, in, September und Oktober dagegen sehr stark. Meine'Heerde hatte sich jetzt bereits bedeutend vermehrt. Die hundert und achtzig Schafe, welche ich im letzten Herbst gekauft, brachten mir zweihundert nnd achtzig Lämmer, nnd ich kaufte jetzt noch fcchs trächtige Kühe, um die Viehzucht in allem Ernst zu beginnen. Weil eS aber bei mir täglich mehr Arbeit gab, su kam ich bei dem Gouvcrnemeut um einen dritten Arbeiter ein und er? hielt auch noch einen ziemlich ordentlichen Mann, der freilich von dein Laudbau wenig genug verstand. Meine Fvau hatte auch oft ihre liebe Noth mit den weiblichen Dienstboten, die hier zu Land meistens faules, lüderlichcS Pack sind. Dcch sam ihr die Beihülfe inrcr Mutter in vielen Dingen sehr zu Statten. Mit dem Vorrücken der Jahreszeit wuchs und gedieh mein Waizen prächtig, so daß sogar-Krabb meinte, ich würde eine 0 * 84 «eiche Erndte haben, zugleich behauptete er aber, sie würde noch lesser ausgefallen sein, wenn ich das etwas tieferliegende unk deßhalb feuchtere Land bepftügt nnd besäet hätte. „Ei, das können wir ja im nächsten Jahre thun," Versetzteich. „Im nächsten Jahr, wie?" fuhr er anf. „Sie meinen doch mcht etwa, daß Sie mich im nächsten Jahre noch hier finden? Ich weiß ohnehin nicht, wie ich dazu gekommen bin, so lange in diesem grauseichaften Land zu bleiben; 'S ist aber balo dieß, bald jenes zn thun gewesen, was mich am Fortgehen hinderte. Jetzt, ich muß cS gestehen, möcht' ich erst noch sehen, wie das Land ausfällt, welches ich selbst gcpftügt, und dann möcht' ich 'nc Hand-Voll Walzen mit nach Shropshire nehmen, um die Leute sehen zu lassen, was für Gewächs man hier zu Lande baut. 'S wird mir freilich leidthnn. Sie und die Kinder zu verlassen, hier aber bleib' ich nicht, so viel ist gewiß: denn sind jetzt auch die Aufsichten besser, als sich's eigentlich erwarten ließ, so wird dieser Umstand den Jammer, wenn er einmal kommt, und fommen thut er gewiß, nur desto größer und emvsindlicher machen." Der grämelnde und murrende, aber gutherzige Mann sprachg Nnd machte sich sogleich an den Bau einer Fenz, welche eine Arbeit von wenigstens sechs Monaten erforderte. Ich werde später noch NieleS von ihm zu berichten haben. Den U7. Februar feierten wir als einen großen Festtag, weil es der IalireStag unserer Ankunft am Fat Doe River (Feiste-Äieh-Flnß) war. Krabb freilich konnte es kaum glauben, daß er, wie er sagte, „in Gedanken so lange hier geblieben sei." Ich zählte an diesem Tage mit meiner Frau unser ganzes bewegliches und unbewegliches Eigenthum auf nnd wollte die Liste gtradc schliefen, als mir Marie in'S Wort fiel und sagte: „Du hast noch Etwas vergessen." „Was, liebes Weib?" „Unsere fünf Kinder." 85 „Äh," versetzte ich, „Du hast Necht, die gehören jedenfalls mit auf die Liste. Also, zum Ersten William; der wird mal ein tüchtiger Bursche werden." „Und Vetsy," sagte meine Frau. „Und Ned und Marie." „Und Lucy . . . ." „Zum Ende!" sagt' ich. „Du könntest da lieber einen Raum offen lassen." „Hollah!" sagt' ich, „und warum?'/ „Nun .... das Klima . . . ." versetzte sic lächelnd. ,,Sagst Du doch manchmal selbst, es gehe in diesem Lande AlleS verkehrt zu." „Nnd wlc sullen wir Nahrung für Alle auftreiben?" fragte ich, aber wie ich so fragte, fielen meinc Vlickc auf die herangewachsene Hecrbe, auf den gelben Walzen, dcr künftigen Wohlstand zn versprechen schien, und tausend Gedanken durchkreuzten mein Gehirn. Ich empfand das Glück stiller Einsamkeit, ich sah m die Augen der Mutter meiner Kinder, der Genossin meiner Leiden und Freuden; der Unterschied, Kinder in der alten Heimat oder in dem neuen Vatcrlande zu erziehen, stieg lebhaft vor mir auf und ich dachte der unsäglichen Schwierigkeiten, welche mit diesem Punkte dort verknüpft sind. Hier dagegen konnte ich selbst für die zahlreichste Familie den LtbenSunterhalt mit Leichtigkeit erwerben und freudig rief ich daher aus: „Gut, hier ist für Alle genug : Land, Brot, Häuser und waS das Herz begehrt; je größer daher unsere Anzahl, desto glücklicher und zufriedener konnkn wir mitsammen leben!" 86 Achtes Kapitel- N^ch siebc,: Jahren, — Verbesserter Zustand der (5ol«nic, — Ploylich »vird die Nus,c duvck Mimme Gerückte qestört. — Ueberfall des Nachbars.— Man ltlt ihiu zu Hülsc.—Wcfäl'rlichcr Fllisiül'cn^ng. — Der leblose K>>N'cr eines Mädchens gesunde». - Das gcpliindc^c Haus und die hülslose Mnrccr, Ich muß jetzt einen landen Zeitraum überspringen, um zu dem Abschnitte meines Lebens zu gelangen, der, wenn er anch für mich der furchtbarste war, doch für den Leser leicht der interessanteste sein dürfte, weil er die zahllosen Gefahren und Abenteuer schildert, welche damals in tollschnellcr Reihenfolge auf mich einbrachen, nnd ich fühle daher den Leser rasch in den Herbstmonat d. h. Mai des Jahres i«>24, eine» Zeitraum von sieben Jahren übergehend, binnen welchem sich die Colonie wesentlich verändert hatte. ES hatten sich nämlich seitdem viele Farmer in mcincr Nähe niedergelasseü; unter ihnen ein Wundarzt, der freilich wenig ^ thun hatte, und ein Schmied, der uns sehr erwünscht kam. Meine eigenen Verhältnisse hatten sich ebenfalls beträchtlich verbessert, meine Hecrden sich gemehrt, meine angebauten Felder sich vergrößert, sogar meine Familie war um ein kleines Mitglied zahlreicher geworden, und wenn anch die näher uud näher rückende Bevölkerung die Weiden zu beeinträchtigen drohte, so gewährte das Zusammenwohnen mit gnten Nachbarn anf der andern Seite auch wieder ein Gefühl der Sicherheit, welches jedenfalls viele andere Unbequemlichkeiten vollständig aufwlig. Wenn aber bisanhiu unser Leben ruhig uno gefahrlos, wie ein stiller Äach dahingeflossen, so schien jetzt in nächster Nähe «ine Trübnng diese« Friedens zu drohen, da besonders in letzterer Zeit die Schafödiebstähle immer mehr überhandnahmen nnd ein- 8? zelnt Bushranger da mid bort sich blicken ließen. Unglüäverhei-ßende Gerüchte gingen im Lande um und besonders war es ein Bericht aus der Colonie Pitt Water, wo ein Mr. William Start von ben Bushrangern überfallen nnd ausgeplündert worden, waS uns bange Besorgnisse einflößte. Am nämlichen Abend, wo dieser Bericht zu uns gelangt war, ging ich noch zu dem Friedensrichter, denn einen solchen hatten wir jetzt schon am (tzlyde, um das, was ich über die Bushranger gehört hatte, zu melden, und fand dcn Beamte» damit beschäftigt, eine Meldung über Schafsdi^bslahl anzuhören. Wenige Tage darauf, eS war zu lLnde Mai's, also Herbsi-zeit, saßcu wir eines Abends in friedlicher Ruhe mitsammen um ein lodeindes Feuer. Will, meiu ältester Sohn, war jetzt zu cincm kräftigen Jüngling, meine älteste Tochter Betsy zu einer hübschen Jungfrau herangewachsen und ein Gefühl des Stulzes durchglühte mich, Wenn ich meine Blicke auf die im Halbsreis um mich versammelten Lieben warf, wie ein heiterer Geist der Freiheit Alle zu beleben schien und wie wir AlleS, was uns zur Freude ward, uur uns selbst und unserer Ausdauer zu danken hatten. Gingen uns auch noch die unzähligen, kleineren Bequemlichkeiten und Luxusartikel ab, welche eiuem Bewohner deS alten Vaterlandes durch lange Gewöhnung zum Bedürfniß werden, so fiel es uns doch nicht' schwer, diesen Mangel zu ertragen. Unser HauS war derb und roh, aber warm und trocken, unfei'c Heerdcn hatten sich vermehrt, unsere Pflanzungen vergrößert und getrosten Muthes durften wir der Zukunft entgegensehen. Einer meiner Leute schob mit Will's Beihülfe gerade einen gewaltige« Klotz iu'6 Feuer, als draußeu die Hunde anschlugen uud die Ankunft eines Fremden meldeten. Dieser mußte zu Pferde seiu, dcun wir konnten den Hufschlag desselben auf dem harten Baden hören und bald darauf trat er zu uuS herein und wurde. 88 bevor man eine Fragc an ihn stellte, oer ßolonialsitle gnnäß vor Allem mit Speise und Trank erquickt. Seine eigene Unruhe ließ ihn aber das Schweigen bald selber brechen u»d cS war>.n in Wahrhe'it eben leine frcurigen Nachrichten, die seinen späten Besuch veranlaßten. In Macquane« Harbour hatte sich eine Anzahl Verbrecher befreit und in das Innere d^ Landes zerstreut, wo sse, vornan?-lich in der Umgegend von Pitt-Watcr, durch mehrere Einbrüche und Mißhandlungen der Beraubten Schrecken und Furcht verbreiteten und beinahe täglich durch auSreißende Vcrurtheilte, welche den Colonisten als Arbeiter dienten, verstärkt wurden. Der bei nns eingekehrte Vote wollte diese Nachricht so schnell als möglich dem Friedensrichter überbriügen, weil unsere noch dünn bevölkerte Gegend, die besonders westwärts zahllose Schlupfwinkel bot, die Verbrecher sicher anlocken würde, und wir besprachen unS noch, auf welche Art wir uns, im Falle wir überfallen würden, am zweckmäßigsten vertheidigen konnte», als lauter Hülferuf von 'der andern Seite deS Flusses herüberscholl, wo sich erst vor Kurzem ein neuer Ansiedler niedergelassen. Rasch rüstete ich unsere Waffen, die einer alten Gewohnheit gemäß eigentlich immer iu Bereitschaft lagcu, uud traf, zwei meiner Leute, auf wclche ich mich am sichersten verlassen dürfte, mit Büchsen bewaffnend, solche VertheidigungSanstalten, wie die Umstände es forderten uud erlaubten. Krabb, welcher noch immer in dem „grauseuhaften" Lcmdr , weilte und längst als ein Mitglied der Familie auzeschen wurde, übernahm die Vertheidigung dcS Hauses, und ich dachte gerade darüber nach, wie ich mich der Verlegenheit, mein Hans nicht ilnbeschüht zurückzulassen umd dennoch meinen, Nachbar zu Hülfe zu eilen, entziehen konnte, als die Hunde abermals nnd dlcßmal noch lauter und ungestümer, als vorhin, anschlugen. Die Nacht war zwar dunkel, allein die Stcrne glänzten ziemlich hell und 89 wir konnten deßhalb wenigstens den nächsten Naum um das Haus her übelsehen, während die Wuth der Hunde deutlich verrieth, daß sich mehr, als Giner, unserer Wohnung nahe. Meine Leute hinter nur, trat ich jetzt vor, um die Kommenden anzurufc», worauf eine bekannte Stimme antwortete, ich möchte die Hunde zurückrufen. Der Nahende wicö sich als eln Farmer aus der Nachbarschaft auS, welcher hichergekommen, um nach seinen Schafen in der Gegend zu sehen, und jetzt, durch da« Hülferufcu besorgt gemacht, auf meine Wohnung zugeeilt war. Er sowohl, al« seine zwei Begleiter, waren vollständig bewaffnet. Erfreut über dlese Verstärkung, zögerte ich nicht, di>' »cucn Ankömmlinge mit der Flucht der Verbrecher aus Macquarie« Harbour bekannt zu »machen und ihnen meine Besorgnlß mitzutheilen, daß unser Nachbar den Schuften in die Hände gerathen sein könnte. Augenblicklich faßten wir den Entschluß, ihn, zu Hülst zu eilen. Die Familie, welcher wir Hülfe bringen wollten, wohnte seit kaum drei Wochen auf ihrem neuen Land und bestand aus dem Ansiedler Ur. MooS, seiner Frau, einer siebzehnjährigen Tochter und zwei Söhnen, die erst sechs und sieben Jahre zählten. Diese Leute hatten in England, wo sie bcsscre Zeiten gesehen, durch rasch aufeinander folgende Unglücköfälle den größten Theil ihreS Vermögens verloren und waren nun mit den Neberreften nach VandiemeuSlano gezogen, um das, was ihnen noch geblieben, in stiller Iurückgezogenheit zu genießen. Mistreß Moos sowohl, als ihre Tochter hatten eine vortreffliche Erziehung genossen und die Ankunft der letztgenannten jungen Dame hatle, wie Einer meiner jungen Nachbarn äußerte, mit dem Aufblühen einer fremdartigen Blume in der Wildnis; Achnlichteit. Uns Allen flößten diese Ansiedler eine lebhafte Theilnahme cin und so waren wir 9a denn fest entschlossen, ihnen jeden nur irgend möglichen Beistand angedeihen zu lassen. Während sich daher meine Leute rüsteten, schnallte ich mei-nen alten Neitersäbel um. auf welchen ich im Fall eines Handgemenges das größte Vertrauen setzte, hing die Doppelbüchse über die Schulter, steckte die großen Sattelpistolen in die Tasche meines IagdhemdeS und stellte mich an die Spitze des Zuges. Meine Begleiter folgte» mir in indianischer Ordnung, d. h. Giner hinter deni Ander», nnd rasch durcheilten wir den finstern Wald, welchen die blinkenden Sterne nur unbestimmt erhellten. Ich hatte die Absicht, den Fluß auf einem alten Äcinme zu überschreiten, welcher, vom gegenüberliegenden Ufer herübergestürzt, eine natürliche Brücke bildete. Allein da diese Brücke äußerst schmal und knorrig, so war das Hinwegkommen über sie schon am Tage schwierig und mußte ,'etzt in der nächtlichen Finsterniß zu einem wirklich gefährlichen Unternehmen werden, wozu noch kam, daß die uns umgebende Todtenstille, welche dem kürzlich noch vernommenen Hnlfeschreicn gefolgt war, uns Alle mit unbeschreiblicher Angst und einer nicht zu verbergenden Vesorgniß erfüllte. Wir hatten indessen den Platz erreicht, ich warnte meine Genossen flüsternd vor den gefährlichen Stellen der Brücke u»d während diesem kurzen Gespräch zeigte sich mein junger Nachbar Beresford besonders eilig und ängstlich, was mir damals in der Aufregung des Augenblicks weniger ausfiel, als sväter, wo anoere Vorfälle mir sein damaliges Benehmen in'S Gedächtniß zurückriefen. Der Fluß ist an jener Stelle eingeengt und schießt mit der Gewalt und dem Ungestüm eineS BergwasserS dahin, bei welchein Anblick, wie ich bemerkte, BeresfordS Kameraden zögerten uno unschlüssig wurden. „Hätten wir nur Licht zu dieser Arbeit," ließ sich Giner 9l verlauten, „ ick kann wohl den Schaum des Wassers und auch etwas Dunkles, was darüber hinliegt und wahrscheinlich der Vauin ist, unterscheiden: aber 'S ist 'nen bedenklicher Weg, das." „ Svrccht leise," mahnte ich flüsternd; „Ihr tonnt nicht wissen, welche Ohren uns belauschen." „Leise redcu? Ei was! Ein Rauscheil, wie daö Wasser da unten macht, reicht hin, jedes Geräusch zu nbertäul'eu, welches wir etwa auf dieser Seite deS Flusses erregen könnten. Der Fluß scheint heute Abend besonders erbost zu sein .... Ihr seid doch Curer Vrncke sicher? Möchte mich nicht mit einmal in dem Strudel da unten befinden, denn wär' ich mal unten, würden mich die Andern vergebens suchen." ,,Vs sicht allerdings nicht gerade einladend aus," meinte ein Anderer, „wenn aber Thornley den Weg kennt, so wag' ich eS d'rauf hin. Laßt uns aber nicht langer zögern, denn wollen wir überhaupt noch zu EtwaS nütze sein, so müssen wir uns beeilen." „Vorwärts denn! Wer geht voran?" «Ich/' rief Veresstnd, „ich biu der Jüngste, folgt nur nur!" „Nein," cntgegnete ich, „die Neihc ist zuerst an mir, weil ich den Uebergang am besten kenne." „Wohl nicht besser, denn ich," versetzte Vcresfurd. „Wie wäre das möglich?" fragte ich erstaunt. „Ihr habt diesen Vaumsiamm doch gewiß nicht so oft überschritteil, wie ich." Die Antwort des jungen Mannes wurde von dein Tosen des Wassers verschlungeu und ich begann jetzt »lit Händen und Füßcn den gefährlichen Uebergang. Ich will es nicht zu verhehlen suchen, das; mich ein momentanes Beben erfaßte, als ich dcn weißen, sprudelnden Schaum so dicht unter mir dahinschicßeu sah und daran dachte, daß eine einige falsche Vcwegung mit Hand oder Fuß Ursache meines TodeS werden könne. Dann kam mir auch der Gedanke, wie wir rettungslos verloren sein müßten, im Falle der Feind klug 92 und umsichtig genug gewesen wäre, diesen Paß zu besetzen, wo wir dann weder an Flucht noch an Vertheidigung hätten denken können. Wer vermag also zu beschreiben, was in mir vorging, als ich, von solchen beklemmenden Gedanken beschlichen, meine Hand vorsichtig ausstreckte nnd mit derselbe» plöplich eiueu menschlichen Kopf berührte! Die Lage, in welcher ich mich besand, machte cö mir unmöglich, mehr, denn eine Hand auf einmal frei zu bekommen, weil ich mich mit der andern fortwährend anklammern mußte ui,d so waren meine Waffen für den Augenblick völlig nutzlos. WaS mir vorhin zu Sinn gekommen, schien sich jetzt plötzlich bestätigen zu wollen, denn ich lernte kaum cmderS denke», als daß die BuShrangcr, unser Kommen voraussehend, den Flußübergang besetzt hielten lind gegen nnS im Hinterhalt lagen. Von Augenblick zu Augenblick erwartete ich daher vom gegenüberliegenden Ufer her eine Gewehrsalue, welche unserm Vordringen mit einem Streich eine Gränze geseht hätte, dann überfiel mich auch ein Gedanke an die wilden Oingcbornen und ich krümmte mich in der That zusammen, um dergestalt weniger einem Pfeilschauer ausgesetzt zu sein, welchem wir, wenn die Wilden'wirk-lich in der Nähe waren, bald genug entgegensehen durften. Meine Kameraden aber, welche hinter mir herkamen und sich "cm Haltmachen nicht erklären konnten, trieben mich zum Vorwärtsgehen an, weil das schäumend unter ihnen bahintosende Wasser sie schwindlig zu machen begann. . Eine Minute lang wußte ich in der That nicht, was ich thun sollte, allein die dringende Gefahr, welche mich allw.vts umgab, verhalf mir rasch, wieder zu meiner Geistesgegenwart. Gedankenschnell unsere ^age inS Auge fassend, ward mir klar. daß ein Zunickten in'cht möglich, wci! unS schon unsere Waffen daran verhindcn habcn würden, wir ,nnßt,n also vorwärts. Von dieser Ueberzeugung belebt, streckte ich meine Hand aber- 93 mats aus und berührte wieder den nämlichen Gegenstand. Es war ohne Zweifel ein menschlicher Kops, aber bewegungslos, das Haar desselben kam mir jetzt weicher vor, denn vorhin, und mit meinen Fingern leise darüber wegfahrend, fühlte ich die langeu Locken eines Weibes. Jetzt wandelte sich meine Furcht in Erstaunen und indem ich die Hand auf das bewegungslose Antlitz legte, fand ich es kalt, wie eine Leiche. Die Arme hatten den Stamm umschlungen, hingen aber regungslos an dessen Seiten nieder, und mit einmal drang sich mir die Wahrheit auf, daß irgend ein weibliches Wesen den Ucbergang über ten Fluß versucht haben müsse und in der Dunkelheit der Nacht, erschreckt durch das Toben des Stromes, sowie durch das Schaurige der ganzen Szene, auf dem Baumstamm ohnmächtig geworden und iu einer Lage, in welcher die leiseste Erschüttnung des VaumeS todbringend sein konnte, liegen geblieben sein müsse. Indem ich meine Gefährten kurz mit der Sachlage bekannt machte, hob ich mich vermittelst einer verzweifelten Anstrengung in eine sitzende Stellung anf den Stamm und schob mich näher zu dem Körper hin, dessen lange Locke« ich um meine Linke schlang, damit er nicht plötzlich von seinem gefährlichen Lager hinabgleite. Meine Lungen anstrengend, um daS Tosen des Wassers zu übertonen, wandte ich mich um und sagte zu meinen Gefährten : „C'S ist der Körper eines jungen Mädchens." „GineS jungen Mädchens?" schrie ÄereSford, „so . . . ." „Um deS Himmels willen!" rief der Mann hinter lhm, „haltet Euch nicht länger mit Schwatzen auf; Mann oder Weib, alt oder jung, wir müssen das andere Ufer crreichen. Nothwendigkeit kennt kein Gebot, außer daö ihrige. Macht vorwärts, ich kann mich, beim Himmel, telne halbe Minute länger festhalten. 94 Fort, fort, fag' ich, oder, beim Slitan, ich versuche mir selbst einen Neg zu bahnen!" „Halt, halt!" rief Vcrcsford, „um Gottes willen Haiti Ci>^ gräßliche Ahnung sagt mir, wer das jnnge Madchen sei. W^ müssen sie retten, eS wenigstens versuchen. Lassen Sie mich sehen," wandte er sich zu mir, indem cr meine Schütter berührte, „ob ich nicht an Ihnen vorbeikomme» lann, oder halt, da nnten seh' ich einen Zweig, an dein daS Wasser sich drichl. Ich will sse retten und müßte ich dabei das Leben verlieren!" , So sprechend, bot mein junger Nachbar mir seine Doppelbüchse herüber, qlitt mit einer schnellen, kühnen Bewegung unter den Stamm und indem er sich vcriültttlst der abgebrochenen Aeste und mil einem furchtbaren Kraftaufwand vorwärts hob nnd schob, glückte cS ihm endlich, an der andern Seite dcS Mädchen«? sich wieder anf die Oberfläche dcS Baumes zu schwingen. Hier an-gelangt, zog er die regungslose Gestalt allmälig zu sich hin und trug sie dann in seinem Arm einig.' Schritte vom Ufer weg, um sie in daS vom Neif glänzende Gras zil legen. Wir Ändern hatten inzwischen glücklich da«? lifer erreicht und die Leute erlangten, als sie nur wieder festen Grund und Boden unter sich fühlten, bald ihre völlige Geistesgegenwart und Kühn- x hcit wicdcr, welche während dcS waghalsigen ücöeigangS über den Fluß bedeutend war erschüttert woiren. Die Augenblicke waren lostbar, die Wohnung deS Ansiedlers lag etwa eine Viertelmeilc vom Ufer entfernt und wir Alle waren zu jeder Hülfe erbötig, waS aber mit dein leblosen Mädchen beginnen? ÄcreSford hatte sich bereits bemüht, sie durch Reiben der Hände und Arme in's Leben zurückzurufen, jedoch umsonst und cS schien fast fo gefährlich, sie in dem kalten Grase zinück-zulassen, als sie mitzunehmen. Wir mußten aber eine» Entschluß fassen und Bcrcssords Bitten, dem das Mädchen eine außerordentliche Theilnahme eiiizusiößsu schien, nachgebend, vcrständiglcil wir N5 uns dahin, daß er den Körper tragen sollte, während icb, der ich unt dem Terrain am besten bekannt war, voranschritt. Nasch und leise näherten wir uns auf diese Weise dem Platze, auf welchem unser neuer Nachbar seine bescheidene Wohnung aufgeschlagen liatte. Kaum iu den Umkreis der Ausiedclung getrctcu. ^stieß mein Fuß auf mvas Weiche«?, waö mich veranlaßte, mick zu bücken, um dcn Gegenstand zu uutersuchen. Es war ein todter Känguruhhund, welchem, wie wir sogleich bemerkten, der Schädel eingeschlagen werden war. Dies; verrieth Gefahr, und dadurch nur noch vorsichtiger uud schneller gemacht, näherten wir uns der Blockhütte, deren Umrisse dunkel und schweigend vor uns auftauchten. Nir waren etwas unschlüssig, was wir jetzt beginnen sollten, da wir eine Hinterlist der Feinde besorgten, wodurch sie uns vielleicht in dcn Bereich ihrer Büchsen locken wollten. Dessenungeachtet rückten wir weiter und weiter vor, bis wir bei der Thürc der Wohnung angekommen waren. Ich hielt VcreSfordS Büchse, weil ihr Eigenthümer noch immer das Mädchen trug, in der Hand, meine eigene hatte ich au der Schulter hängen, und so ersasite ich die Thürklinke. Die Thür war verschlossen, wir hörten aber im Innern ziemlich deutlich ein verhaltenes Athmen. Weil jedoch nnser Anklopfen ohne Antwort blieb, so glaubten wir vollen Grund zu der Vermuthung zu haben, der Feind befinde sich noch im Innern der Hütle. Indem ich also Äcrcsforo rasch bedeutete, er möge das Märchen an die Ceite der Hütte tragen, wo sie vor den Schüssen, welche cmS Fenster oder Thüre komme» könnten, sicher wäre, trat ich mit Aufbietung aller meiner Kräfte die Thüre ein und wir alle drei stürzten mit vorgehaltenen Gewehren hinein. Gin Schrei, so gräßlich und markourchdringend, so voll To-dcöaugst, daß nur noch jetzt daS Vlut gerinnt, wenn ich mich da- 96 ran erinnere, hiclt unsere Schritte auf. Schnell jedock den Zusammenhang der Dinge ahnend, riß ich, bemerkend, daß auf dem Heerde siä, noch glühende Kohlen befänden, eine Handvoll Gras aus dem Dache und entzündete eine Flamme, bei deren hcllauf-flackerndem Schein ich die Gestalt einer Frau wahrnahm, welche in einer Ecke niedergeworfen und mit zwei Kindern zusammenge-' bunden war. Die Helle erlosch indessen rasch wieder nnd, abermals itanbcn wir im Dunkel. „O Gott!" rief die Fran, „kommt ihr noch einmal? Ich habe kein Wort gesprochen, nicht ein Wort . , . . reinen Laut von mir gegeben .... die Kinder haben kaum Athem gcholt . . . seid ihr jedoch entschlossen . , . ." Ich beeilte mich zu entgegnen.' „Wir sind Freunde und sinv gekommen, Ihnen bciznstchen; wir hörten Ihren Hülfcruf. „O, warum scio Ihr nicht früher gekommm? Mein Mann! Meine Tochter! Wo ist sie, o wo? Sie eilte fort, um Hülle zu holen .... ist sie ertrunken? Was haben Sie mit Ihr gemacht? O, mein Gott! Wie soll ich die Schrecken dieser Nacht überleben?" Während sie noch dieses sprach, was -ms Alle mit einer entsetzlichen Ahnung des Vorgefallenen durchschaucrte, hatte einer dcr Nachbarn das Feuer aufs Neue angeschürt. Beim Scheine desselben entdeckten wlr ein ausgelöschtes Licht und zünreten es an, woourch wir wenigstens einige Helle bekamen. Vercöford hatte den Schrei der armen Mutter an der Thüre gehört und brachte jetzt den Körper des scheinbar leblosen Mädchens herein. Dio Mutter jedoch, welche wir inzwischen von ihren Banden befreit hatten, sprach zuerst kein Wort, sondern starrte nur in stummer Angst auf die Züge ihres Kindes, bis sie endlich murmelte.- 97 „Sic ist todt! Sie l,abm sie ermordet .... vielleicht aber besser so, denn anders. . . , Was mag nur geschehen sein? Wach' ich oder ists ein Traum? Nein! nein! 's ist AlleS wahr .... kalt und todt .... kalt und todt!" Diesen, mit der Nuhe der Verzweiflung vorgebrachten Worten folgte ein heißer Thränenstrom und iu das krampfhafte Schluchzen der Mutter mischten die jetzt anS ihrer Betäubung erwachten Kinder ihr Wehklagen. Mein junger Nachbar war indessen nicht »nissig geblieben, sondern hatte mit wundersamer Geistesgegenwart und Besonnenheit alle nöthigen Schritte gethan, um, wo möglich, das Mävchen in's Leben zurückzurufen, wobei er von der Mutter, welche ihrer Teelenkrüfte allmälig wieder Herrin wurde, mit eifriger Sorgfalt unterstützt wurde. Alle diese Bemühungen schienen jedoch vergeblich, obgleich die Mutter, ohne ein Wort zu spreche«, in ihr«n Bemühungen fortfuhr und die Kinder mit erwartungsvoller Angst zuftlhen. Kaum minder beklemmt harrten auch wir eiucs günstigen Resultates, als mit einmal der Schall lauter Stimmen von außen hereindrang, und bald darauf eilte ein Trupp von benachbarten Farmern herbei, welche sich uns frohgemuth anschlössen. Die Nenigkeit ,,VuShranger im Wald '. " war rasch von An-siedlung zu Ansiedlllng geflogen, die versammelten Nachbarn hat» ten ii« meinem Hause gehört, wohin wir gezogen, und waren unS auf der Stelle gefolgt, Zinn Glück war der Wundarzt, welcher sich kürzlich bei uns niedergelassen, unter ihnen, und seine Kunst wurde augenblicklich für daS schöne, bewußtlose Mädchen iu Anspruch genommen. Nach tascher Untersuchung sagte der Wundarzt leise: „Todt ist, sie nicht, noch athmet und lebt sie, wie ich gewiß weiß, allein das geringste (5'rschrecken würde jeden Funken vo» Abenteuer eincs Auswanderers. I. 7 9s Leben augenblicklich in ihr vernichten. Erschreckt sie daher vor Mlem nicht init Fragen oder mit Enthüllung des Grausigen, was hier vorgegangen zu sein scheint. Nur Schweigen und Ruhe f.inn sie dem Tod ot>er dein Wasinsilin entreißen. Hat Keiin-r ei^ Fläschchen mit Branry bei der Ha»d^" Einer der eben Angekommenen, der nichtsmchiastc Geselle in den Colonien, hatte wirklich eine kleine Flasche mit dem verlangten Svirituö bei sich, ohne welche er wirklich sein Haus nie verließ. Schnell brachte er sie hervor und bot sie, nachdem er geschwind selbst einen Schluck genommen, um, wie er meinte, zu sehen, ub's der rechte Stoff sei, dem Wundarzt hin. Ich möchte fast glauben, daß diese Flasche dem jmigen Mädchen ras Leben rettete, weiß aber gewiß, daß sie daS VcroilbtN beS Eigenthümer w.ild, tcnn von diesem Ainzciiblicke an that er niemals mehr einen Schritt uhne seinc Flasche, stets die (5ni-schuldignng im Mnndc führend, irgend ein verunglückter könnte den Inhalt nöthig haben. «Nnd jetzt, Gentlemen," bedeutete n»ö der Wundarzt, „habm Sie die Güte, mich mit dieser jungen Dame allein zu lassen. Scheint es doch fur Sie Arbeit genug zu geben, bevor diese Fc>-milic wicver in Ordnung ist." Wir gehorchten, und alö ich, als der Letzte, das Zimmrr verlassen woüte, l?gce die iinglücklichc Mittler ihre Hand krampfhaft auf meinen Arm und flüsterte mit >iner Art verzweiftungs-vuller Nuhe,- „Mein Mann.' .... Haben Sie ihn getödct?" „Nein, »cm!" cntgegncte ich clsckrockcn; „gewiß nicht! Hoffen Sie daS Vrste.' Sie seben ja, daß wir stark genug sind, die kräftigsten Maßregeln zu seiner Nct!iu,g zn ergreifen, und ver-lassi'ii Sie sich auf „us, cS soll AlleS gethan werden, was ft>;^ Rettung beschleunigen kann." „Ich weiß .... ich weiß," murmelte sie; „aber sehen Sie .... der Wundarzt gießt meinem armen Kind den Spiritus cin . . . . verlassen Sie uns jetzt!" Während der gan;en Ieil l,c>tte BcreSford kein Wort gesprochen, als ich aber hinaustrat, fand ich ihn dicht an der Thüre lauschen. Die Männer hatten vor dem Hause ein mächtiges Feuer angezündet, welches seine rothe Glut weit umher verbreitete und die ganze Gesellschaft sammelte sich in» Kreise um dasselbe, um zu berathen, was je>)t zu thun sei. V^r Allem ward beschlossen, die Nacht über ordentliche Wachposten aufzustellen und dann mit Tagesanbruch unsern entführten Nachbar aufzuspüren und zu befreien, denn daß er entführt worden sein müsse, lag klar am Tage, nachdem wir zuvor jeden Winkel der Gebäude nnd die Umgebung beselben durchsucht hatten, weil eö nnS möglich geschienen, daß er, von den Räubern geknebelt nno gebunden, ngendwo versteckt liegen könnte. Wir hatten feine Cpur von ihm gefunden. Ich ward von meinen Gefährten, als der älteste und mit dem Leben in der Wildniß am meisten vertraute Ansiedler, einmüthig znm Führer erwählt und hatte so eben meine kleine Truppe gemustert, als cin Schrei in der Hütte unsere Aufmerksamkeit erregte. Im nämlichen Augenblick sprang auch VcreSford mitten unter uns mit dem frcudigcn Ausruf: „Sie ist gerettet, lebl, athmet! .... Icht rettet ihren Vater! Ihre crsic Frage wird nach ihm sein, und erführe sie daS Schlimmste, könnte Schrecken uud Angst das, was mit Gottes Beistand durch den Wundarzt gewonnen ist, leicht wieder zuillchte machen!" „Wir haben auch sonst keine Absicht, als die, den unglücklichen Mann zu befreien," entgcgnete ich, „und wollen uns ohne Umstände daran machen, unsere Absicht in'S Werk zu setzen. Wir 7 '-' i00 find zwölf Männer, also stark genug, den Feinden entgegenzutreten denn auf unserer Seite ist das gute Recht und das ist vict. IH mache daher den Vorschlag, mit Tagesanbruch diese Fanlilie in meine Wohnung hiuüberzuschaffcn, während wir nnS rüsten, eiüe lurze Zeit in Wald und Wiloniß zu leben. (W mögen daher Viere von uns nach meiner Farm hinübergehen, uin alles Nöthige herbeizuschaffen, wobei ich besonders auch auf Känguruhdccken Bedacht genommen haben möchte, denn die Nächte siud kalt und wir weiden sie wohl brauchen können." „Vergaßt auch den Vrcmdn nicht!" bemerkte Einer. „Und den Zucker und Thee nicht!" rief ein Anderer; „ im Walde geht Nichts über eine heiße Taffe Thee, welcher mehr erfrischt, als aller Rum." ,,Nehmt auch Becher genug mit, einen für Jeden wird nicht zu viel sein.'" schrie ein Dritter. „Vor Allem bringt eine tüchtige Quantität Ncis!" sagte ich; „der nimmt nicht viel Raum weg und ist im Wald besser z« gebrauchen, als Mehl. Laßt sie auch so viele kleine Dampers backen, als wir mit uns nehmen können, und nehmt alles fertige Brot mit. Meine Leute sollen Euch die Sachen hieherschaffen helfen." „Sind Eure Pulverhörner gefüllt?" fragte BereSford. „Pulver genug, aber wenig Blei," lautete die Antwort. „Laßt Euch den Sack mit Rehposten und den Kugelbeutel geben, welche zu Häupten meines Aettcs hängen, bringt auch Feuersteine mit und Alles, was Ihr sonst noch für nöthig ober nützlich haltet." „Wär's nicht gut, den Friedensrichter von unserm Zug in Kenntniß zu setzen?" fragte Giner. „Allerdings," versetzte ich, „wer will die Botschaft übernehmen ?" „Das will ich thun!" anerbot sich einer der jungen Leute. „Gut. Ist der Friedensrichter zu Hause, so findet er sich auf diese Meldung hin mit Tagesanbruch sicherlich hier ein. Er ist jung, hat weder Weib noch Kind und liebt derartige Züge. Ueber-diesi könnte cS von Nutzen sein, eine amtliche Person bei uns zu haben, die Sache bekommt dadurch ein gesetzliches Ansehen. Sa-gcn Sie ihm also, er würde unS sehr verpflichten, wenn er zu uns kommen und das Führeramt übernehmen wollte. Es kann auch nicht schaden, wenn Sie ihm zugleich andeuten, cS verstehe daö Niemand so gut, wie er; denn Höflichkeit ist immer gut und Jeder hört gern eine Schmeichelei......Wie viel Uhr ist'S denn?" „Noch nicht elf Uhr." ,,Wohl, dann haben wir die ganze Nacht vor uns." „Ja, aber die Bushranger ebenfalls. Die können bis morgen weiß Gott wo sein." „Nein." bemerkte ein Anderer; „eS ist nicht möglich, in cincr so dunkeln Nacht zu marschiren, ist eS aber einmal Tag, so können wir die Fährten hübsch säuberlich sehen und dann sollen, sie uns nicht entgehen." „Wäre es nicht vortheilhafter, die Hunde zum Aufspüren der Schurken zu benutzen?" „Nein, Känguruhhunde sind nicht wie Schweißhunde, ber Jährte ihrer Bekannten folgen sie allerdings eine Strecke weit, allein einem Fremden spüren sie nicht nach. UcbrigenS müssen wir allerdings Hunde mitnehmen, denn wir werden mehr, denn ein Känguruh zum Mittagessen brauchen, bevor wir mit unserem Geschäft zn Ende sind." ,.Da ist'gleich einer," sagte ich, als ich iu diesem Augenblicke cine kalte Nase an meiner Hand fühlte. ,,Hekti,'r und Fly werden all, aber da sind ein Paar von ihrer Raye, die mich, wie es scheint, aufgesucht haben. Wir müssen aber noch ein Paar zu bekommen suchen, damit, wenn wir getrennt werden sollten, 102 jeder Trupp seine Jäger hat. Sollen wir auch Pferde mitnehme!: ? Drei stehen bei mir im Stalle und vier andere kommen sich^ morgen früh zum Füttern." ES ward jetzt ausgemacht, daß vier von uns beritten gemacht werden sollten, um besser die Gegend nngöher auskundschaften ^ konneu. Wir übrigen wollten zu Fuße bleiben, da es sehr wahrscheinlich war, daß die Strolche die ungangbarsten Pfade eingeschlagen hätten, auf welchen sie fein Netter verfolgen könnte." „Nehmt aber noch ein Pferd mit," sagte ein Farmer, „um unser Gepäck und unsern Mnndvorrath zu tragen/' „Das ist ein guter Einfall/' sagte ich, „und auf diese Art sind wir. hoff' ich, wohlgerüstct und bereitet, dcn Wald zu betreten. Wir thäten daher, mein' ich, gut, wenn wir uns mit einander niederlegten und so viel Schlaf suchten, als wir bis Tagesanbruch gewinnen können. Wir würden dann unsern Weg ,n,'t erfrischten Kräften antreten." „Vah, schläfrig sind wir eben nicht, aber ein Abendessen wäre eben nicht überflüssig." „Wollt Ihr mit in meine Wohnung hinüber kommen, ^er hier bleiben?" „O, gewiß hier bleiben. Wir dürfen die arme Frau heute Nacht nicht allein lassen; föuncn ja hier essen und beginne« gleich jetzt unser Nachtlager im Wald. So," fuhr der Ansiedler fort, indem cr ciucu gewaltigen Klotz in's Feuer schob, daß die Funken hoch emporsprühtcn, „da hast dn Futter; beim Samt Georg, wir wollen wenigstens ein tüchtiges Feuer haben uud die Vtacht luftig ^,. bringen .... Wie geht's dem jungen Mädchen?" Beresford bedürfte keiner weiteren Anfmuntcrung und mich ansehend und mein beistimmendes Kopfnicken gewahrend, sprang er «n die Thüre der Hütte, klopfte leise an und kehrte nach wcniqen Augenblicken zurück, mir zuflüsternd: „Sie lebt! Sie hat zwar uoch nicht gesprochen, schlaft aber." 103 „Gut," sagt' ich, „machen Sie's auch ft', denn wir werben murgen unserer ganzen Stärke benöchigt sein." Er schüttelte den Kopf und meinte lächelnd: „Ich werde nicht schlafen, bis ich ihren Vater wiedergefunden habe/' „Ich zweifle durchanö nicht daran," cntgegnete ich, „daß Sie Mtes thnn werden, was Sie nur immer zu thun vermögen, aber wie wär's, wenn wir über diese traurige Geschichte etwas Näheres in Erfahrung zn bringen suchten? Ist die Mutter jetzt vielleicht "ruhig genug, nni das ganze Ercigniß erzählen zu sönnen? O's wäre für uns doch von großer Wichtigkeit, Vtwas ül'rr die ?lu-zahl und das Wesen der Räuber, welche die Ansiedlnng übcrsielcn, zu vernehmen. Wir versäumen damit auch feine Zeit, da es ja schon ausgemacht ist, wie nutzlos und unmöglich jede nächtliche Verfolgung sein würde. Schaut doch einmal nach, ob die arme Frau ihre Tochter ein wenig verlassen kaun, den» wir sollten in der That über diese Geschichte erfahren, was sich nur immer erfahren läßt." Veresford ging nach der Hütte und kehrte bald darauf mit, Mistreß Moos zurück, welche uns zu unserer nicht geringen Freude dic Versicherung gab, daß es sich mit ihrer Tochter bessere, und nachdem wir anf einem Baumstamm am Feuer einen Sitz für sie zurechtgemacht nnd Wachen anogcstcllt hatten, um einen etwaigen Uebcrfall zu verhindern, beschrieb die Fran den Einbruch in ihre Wohnung, wie folgt. 104 Neuntes Kapitel. Schilderimg dcs Ilcbcrfalls von Ecitcn der Vushrangcr, — Ungewißheit über den eiitftihrlcn Gatten. — Äüstungcn zur Velfttgüng der Mubcr, — Der Fricdciierichlcr übernimmt dic Leitung des Zii^cs, — Gräßliche Entdeckung. „Ich weiß kaum, womit ich beginnen, was ich sagen soll .... das ganze Ereigniß ging st' schnell vorüber, daß es mir noch jetzt wie ein Traun, vorkommt ....... „Wir saßcn Alle um das Feuer herum, mein Mann, ich, meine arme Lucy und mcine zwei Knaben. Seit wir hicr sind, hatte inein Mann stets fein Gewehr bei der Hand »der wenigstens nicht writ von sich, um sogleich davon Gebrauch machen zu sönnen, denu wir kamen nie ans der Furcht vor dcn Vushrangcrn hinaus. Ich weiß aber in Wahrheit nicht, was mir entsetzlicher war, ihn ini-mcrfort mit dein ewigen Feuerrohr oder ohne dasselbe zn sehen, obgleich er allein gegen die Menge auch nicht viel hatte ausrichte» können. Vielleicht auch ist es besser, daß cr Keinen von ihnen hat todten können, dcnn in diesem Falle wären sie gewiß noch rasender geworden. „Vir saßcn also ring«? um das Feuer und mein Gatte schi^ ausnehmend heiter uud wohlgclaunt. Er ha?tc sich in der <5cke, nahe am Fenster niedergelassen und die Büchse lehnte an scinrr Seite, als cr plötzlich aufstand, nm die Laden an der gegenüberliegenden Wandscitc zuzumachen, weil der Wind angefangen hatte, kalt und uufrciludlich zn blasen. „Wahrscheinlich sind wir aber den ganzen Abend her beobachtet gewesen und ich argwohne, daß unser Arbeiter uns verrathen habe, dcnn kaum hatte mcin Mann der Ecke, in welcher sew Gewehr" lehnte, den Rücken gekehrt, als ein in Kanguruhhäiiw gc« Hülltcr Bursche in die Stube sprang und sich zwischen ihn lind die Waffe warf, welche er sogleich erfaßte, während er sein eigenes ä«5 Gewehr auf meinen Gatten anschlug nnd ihm befahl, die Hände empor zu halten, oder er werde schießen. ,/Wir standen Alle in cincm Haufen nnd da mein Mann besorgen mochte, daß VincS von uns durch den Schuß verletzt werden könnte, hielt er seine Arme wirklich empor, worauf der Bushranger sein Gewehr sinken ließ. Im nämlichen Augenblicke aber stürzte Moos anf ihn los und faßte ihn um den Leib, wobei die Büchse des NäubcrS loöging. „Der Knall führte sogleich mehrere Vnöhranger herbei, von welchen zwei nieinen Manu packten, während ihm ein Dritter den Gewehrkolben über den Kopf schlug, daß er betäubt niederstürzte, worauf sie ihm rasch Hände und Füße banden. Zwei andere nahmen das auch i»it mir und den Kindern vor. „Als ich mich umschaute, sahe ich Lucy nicht, und denke mir jetzt, daß sie durch das Hintcrfcnstcr ihrer klcincu Schlcifkaminer cntffoheu sein muß .... Gott segne sie! .... ich weiß kaum, ob ich ihr Leben und Vernunft zurückwünschen soll oder nicht. Doch Gottes Wille geschehe!------- „Als die Räuber meinen Mann gebunden hatten, fragten sie ihn, wo er sein Geld hätte, dcun wir waren als neue Ansiedler so unklug gewesen, außer andern Sachen von Werth auch nahe an tausend Dollars in baarem Gelde mit hiehcr ;n bringen, was den Bnshrangern wahrscheinlich auf die eine oder andere Art zu Ohren gekommen sein mußte. Mein armer Mann, der sich kaum wieder von dem Kolbcnschlag erholt hatte, erklärte, er hätte kein Geld, wir seien arme Ansiedler, welche Nichts, als die nothwendigsten Bedürfnisse, wie Mehl, Thcc und Zucker, bei uns hätten. „Der Schurke, welcher zuerst sein Gewehr auf ihn angeschlagen hatte und welcher der Anführer der Bande zu sein schien, hicli ihm jetzt den Lauf feiuer Büchse dicht an die Stirne und drohte unter den gräßlichsten Flüchen, ihm augenblicklich eine Kugel lO6 durchs Hirn zu jagen, im Fall er nicht bekenne, wo er sein Gclo versteckt hätte. „Geld wollen wir!" schrie der Anbc; „wissen auch, daß Ihr Geld habt. Gebt es also her, ober bcim ewigen Gott, Ihr kriegt das, was ich in dem Lauf meiner Büchse habe, in (5'urcn Schädel. „Zwei Männer hielten mich nnterdessen fest und steckten mir ein Schimpftuch in dcu Mund, um mich am Schreien zu verhindern. Jetzt aber sah ich den Bushranger seinen Finger an das Schloß seiner Büchse lege» und hörte ihn den Hahn aufziehen.. .. o, ich wußte nur zu wohl, waS diesem Geräusch bereute------im nächsten Augenblicke war der Vater meiner Kinder vielleicht eine Leiche und deßhalb machte ich mit der Kraft der Verzweiflung meine Arme frei, riß das Tuch vom Munde und schrie: „O, sag' es ihnen .... sag's um Gottes willen.'-------ist doch das Leben höher zu schätzen als Geld!" „Ach so, lachte dcr Anführer der Bande, demnach ist wirklich Gclo vorhanden? (§i, wir wcrden's, dent' ich, schen sindcn. Hier, rief er einem seiner Gesellen zu, halte dicscm Gentleman die Büchse dicht an die Stirne____so-------das thut's .... jetzt spanne den Hahn .... halt' den Finger an den Drücker, und wenn er schreien will ^ Fcner! Jetzt zu der Dame. Bindet ihr das Schnupftuch noch einmal über den Mund. aber hübsch fcst, daß sie nicht schleic» kann.... ein Wcib fann nicht schweigen und stünde auch ihres Uauncs Gehirn auf dein Spiele...: Und nun, Mistreß, fügic er mit höhnischer Artigkeit bei, möchte ich Sie bitten, daß Sie sich in das andere Gemach verfügen, denn ich liebe es nicht, die Nerven einer Dame oder cinco Gentleman unnützcrwcisc zu erschüttern. „Ich weiche nicht von der Stelle, rief ich, durch diese Worte in Schrecken gejagt, aus; ich verlasse mcine Kinder uud ihren Vater unter keiner Bedingung____ermordet mich, wenn ihr wollt, aber ich bleibe hier! l07 „Gott behüte." vcrschtc der Vnohranger ft'ottisch," Wir bringn nie Jemand um, wenn es sich irgendwie anders machen läßl. Das ift nicht unstr Handwerk Wollen Eic aber nicht gehen, so müssen wir Eic tragen." „Als er so spvach, hoben mich die Zwei, welche mich festhielten, auf, trngeu mich in die Schlafzimmer und warfen nnch dort auf's Actt. „Nun wie, fragte der Führer dvaußen, ist die Dame bcqncm gebettet? .,O gewiß, antwortete der Kerl, welcher mich festhielt, die liegt bequem und sicher genug. ..Sie sehen," wandte sich Hievauf der Anführer zn meinem Mann, denn ich llwutc ihn deutlich sprechen hörcu, weil tic,beiden Gemächer bloß durch eine dünne Wand getrennt sind.... »Sie sehen, wie die Sachen stehen, und daß es besser wäre, Sie gäben uns das Versteck des Geldes gutwillig an, als oaß wir zum Aeusielsten schreiten müssen. „Erschöpfung und Angst hatten mir die Sprache geraubt, jetzt aber verdrängten das Bangen für das Leben meines Mannes und meiner Kinder jede andere Empfindung in mir, so daß ich aufschrie: Ich will es gestehen, wills Euch sagen! .... Hebt den vor dem Herde liegenden Stein auf, dort ist das Geld! „Der Anführer läßt dnrch «inen der Draußcnstchendcn auf der Stelle ciuc Art Hebel hcrbcifchaffeu und tticb ihn dabei zur Eile an, da sie leine Zeit mehr übrig hämn und vor Tagesanbruch Weit von hier weg sein müßten. „Darauf hörte ich sie den Stein wegheben und die Dollars heranönchmcn. Der Anblick dco schweren Beutels und der Klang des Goldes schien aber die Schurken in bessere Laune versetzt zu haben, denn die, welche mich bewachen sollten, ließcu mich los und Eiucr derselben ging sogar hinaus Sogleich darauf hörte ich deu Anführer fragen: Wo ist das junge Mädchen? <08 „Niemand konnte es sagen. „Bei Goit, rief er hierauf, die kleine Here ist entwischt und wird Lärm machen. Nasch, Ihr Männer, rasch! Laßt Nichts znrück, was Ihr mitnehmen könnt; packt Decken, Leinwand, Kleider, Alles zusammen! Wir können Alles gut brauchen, wenn wir an, See angekommen sind. Uebrigens ist's Schade, daß das Iüngfcrchcn entwischt ist; sie wird Befreier für ihren Vater anftrcibcn und das möchte garstige Folgen für uns haben.... doch halt, wir nehmen ihn mit.... dann kann er wenigstens Nichts ausplaudern, „'s Kürzeste wäre 'nc Kugel! meinte Einer. „Henkt ihn! rief ein Anderer, oder werft ihn in den Fluß! Dort kaun er sich mit den Fischen nnterhalten, bis ihn Jemand sinbet. „Steht nicht da, um überflüssiges Zeug zu schwatzen! sagte ein Dritter brummend, ein Schuß würde Lärm verursachen, daS Hinschleppen zum Flnß Zeit rauben; gebt mir nnr einTaucndchen oder ein seidenes Schnupftuch her und ich versichere Cuch. daß er nachher Nichts mehr ausplaudern wird. „Allem nach wollte er meinen Mann erdrosseln, denn ich hörte den Anführer sagen: „Halt ein, keinen Mord, Wenn's möglich ist. Wird er uns unbequem, so können wir ja jeden Augenblick mit ihm abmachen; jetzt aber wollen wir ihn mitnehmen. Bindet seine Füße los und schnürt ihm die Arme auf den Nucken. Und nun fort, doch bringt ^ Vorher die alte Dame in Sicherheit. „Sie brachten mich in daS Wohnzimmer zurück und ließen mich in der Lage, in welcher Ihr mich fandet. „Mein Mann hatte fich die ganze Zeit über ruhig verhalten, wahrscheinlich bloß in der Absicht, um später desto gewisser einen Hülferuf anSstußcn zu können, denn sobald lie ihn hinausführten und er hoffeu durfte, daß seine Stimme gehört wcrre, stieß er einen so scharfen und gewaltigen Schrei aus, daß die Wälder iN9 davon widerhallten. Ein Angstruf antwortete vom Flusse her, wohl von Lucy herrührend, jedoch wurde das Schreien meines Mannes augenblicklich unterdrückt. «Knebelt ihn! schrie einer der Näuber. „Laßt uns der jungen Here Eins aufs Dach geben, bevor wir gehen, sagte ein Anderer; sie wird die ganze Nachbarschaft in Atlarm bringen und unsern Plan zunichte machen. „ES ist zu spät, bemerkte der Anführer, der Ruf kreist jetzt schon im Lande und eS würde u»S Nichts nützeu, das Mad« cheu aufzusuchen «nd zu todten, sondern nur Zeit wegnehmen. In der Eile liegt jetzt unsere beste Sicherheit nud wir wollen versuchen, eine gute Strecke Landes zwischen nns und die Verfolger zu bringen, bevor sie unsere Fährten bemerken, waS jedenfalls erst mit Tagesanbruch möglich ist. „Hiemit machten sie sich auf, nachdem sie mir und meinen Kindern augenblicklichen Tod angedroht, so ich auch nur den leisesten Hülferuf hören lassen würde. Ich muß nachher in Ohnmacht gefallen sein, denn ich erinnere mich an Nichts mehr, bis ich durch das Einstoßen der Thüre, welche von den Vushrangern wahrscheinlich von außen festgemacht worden war, erschreckt wurde und wieder zur Besinnung lam."..... „Wie stark mochten die Rä-uber ungefähr sein?" fragte ich, nachdem Frau MooS ihre Erzählung beendigt hatte. „Ich weiß es nicht bestimmt," lautete die Antwort; „acht oder neun derselben waren einmal zu gleicher Zeit in der Stube, dann horte ich auch drauße« Einige reden nnd Alle, welche ich sah, waren mit irgend einer Art von Fenergewchr versehen. Sie sahen verwildert und böse auS, ihr Anführer trug ein WammS Von Känguruhfellen und schien ein entschlossener Bursche, übrigens nicht so roh, wie die Andern zu sein." „Es waren also die Hülferufe IhreS Mannes und Ihrer 1,0 Tochter, die wir a«, jenseitigen User hörten", sagte ich, »Das arme Märchen wallte wahrscheinlich versuchen, über den Fluß zu loinmen, und wurde dann, von Angst und Schreck erfüllt, nnf dem schmalen Baumstamm von Ohnmacht befallen. Aber nchmeii Sie die wahrhaft wundersame Nettnng Ihrer Tochter als cine gule Vorbedeutung, daß wir Ihnen anch den Gatten gesund und wohlbehalten wieder zurückbringen werden." Mistreß MooS ging wieder zu ihrer Tochter hinein, und nachdem unsere Gefährten von ihren verschiedenen Botengängen, und Sendungen zurückgekehrt waren, verbrachten wir den übrigen Tlicil der Nacht um daS Feuer herliegend und Pläne entwerfend, auf welche Weise wir am Morgen die Verfolgung der Bushranger am zweckmäßigsten und erfolgreichsten beginnen und zn Ende bringen könnten....... . . > 3cr elfte Tag^schiiniiier sprang im Osten anf, als, wir durch die Ankunft des jungen Friccensrichteis, der mit einem Diener, zwei berittenen Freunden und zwei Eonstabeln zu Fuß zu uns stieß, freudig überrascht wurde». Die Ankommenden waren alle wohlbewaffnct und diese Verstärkung war unS um so angenehmer, als wir von dem Friedensrichter genaue Auskunft über die Anzahl und die verzweifelte Wildheit der Bliöhrangcr erhielte». Togleich übernahm er die Leitung deS ZugcS u-.id ftin Muth und seine Energie waren uns Allen so wohl betannt, daß wir daS beste Vertrauen zu unserem lintclnehmen faßleii. Nachdem die ausgeplünderte Familie zuerst unt aller möglichen Sorgfalt nach meiner Behausung hinübcrgcschafft woroen war, wobei das junge Mäochen aujzer einem leisen Aihmc,! kein Lebenszeichen von sich gab, begannen wir uns sogleich zn unseren, Unternehmen zu ordnen, ' Der Friedensrichter thciltc unscrc Mannschaft in ;wc> Par- Ill tieen, rcrcn Führung mir mw Beresford anvertraut wurde, uud weil die mlt den letzten Ankömmlingen gekommenen vier Pferde hinreichend waren, nin auf ihncn die Gegend auszuspähen, so blie-I'cn wir Andern sämmtlich zu Fuß und es bestand, die Führer inbcgrifscn, jede Abtheilung aus sieben Mann. Vor Allem mußten wir nun die Fährten finden, waö jedoch bald geschehen war, weil die schwer mit Beute bcladcncn Räuber ihre Spuren nicht wohl verbergen konnten. Bleibt nur immer ans der Fährtc!" rief unser Führer dem einen der beiden Constabcln zu, welcher als Späher voranging;" bleibt immer aus der Fähvte, waö Euch auch immer aufstoßcn sollte!" Dann wandtc er sich uns und sagte: "Gentlemen, ich lasse Alle, welche, wie ich weiß, zum Kampfe bereit sind, auf der Fährtc der Strolchen, während ich selbst mit einem meiner Freunde auf jenen Banin auf dem Hügel dort in der Fcvnc losgaloppiren will, um zu versuchen, der Schnste noch ansichtig zu werden. Die zwei andern Reiter sollen zugleich daö Land zu Ihrer Linken durchreiten. Wir sind im Ganzen nur achtzehn Mann stark, während die Bushranger, wie ich Ihnm sagte, dreißig Köpfe zahlen, dagegen aber konnten wir nns besser vorbereiten, als es ihnen möglich war. Verpuffen Sie also keinen Schuß unnütz, und ictzt wollen wir Reiter einmal sehen, ob die Luft rein ist." So sprechend, galoppirtc er in der Richtung fort, welche die Bushranger ihren Spuren nach ;n schließen, genommen haben mußten. Mit Vorsicht, aber in Eile verfolgten wir unsern Marsch etwa zehn Meilen weit, wo wir dann dcn Friedensrichter und seine Frcunle uns erwartend fanden, weil sie bei einer Stelle angelangt waren, auf welcher zwei verschiedene Fährten deutlich zn erkennen warcn. ^ Wir hatten jedoch kaum ein paar Worte gewechselt, als der tl2 Reiter zu unserer Lmkeu hcrbcisprengte und uns durch Zeichen bedeutete, ihm zu folgen und zugleich auf nnserer Hut zu sein. Ich winkte dem Reiter an der Rechten, herbeizukommen, und diesen auf der Fährte zurücklassend, zogen wir nus linkshin und erreichten gar bald die von dem ersten Reiter angedeutete Stelle, wo unsere Augen durch einen Anl'ltck überrascht winden, welcher uns gedankenschnell antrieb, die Hähne unserer Äüchsen ;u spannen und ängstlich umher zn spähen. Von eiskaltem Grausen durchrieselt, traten wir zu dcm Gräßlichen heran. Zehntes Kapitel Tic eingccisckcrte Hüttc dcs vcrl'mmitcn Stockkcepcrs. -^ Dcr Häuptling wiilsPiito und dic Eingeborenen. — Klugs'cic dcr ^änguruhhundc, — Das Grab eines (iiiigcborcnci!. — Angriff von Scircn der Wilden, -Gefecht mit den Vuchran.-«ni, ^ > Inmitten der Trümmer der Hütte eines Stockkccpcrs, welche allem Anschein nach erst ganz kürzlich niedergebrannt worden sein mußte, erschauten wir cincn Gegenstand, welcher, nach den Umrissen des Körpers zu schließen, die Ueberblcibscl eines menschlichen Wesens sein mußte. Der eine Arm war von dem Feuer gänzlich verzehrt »nd dcr andere ganz zusammengeschrumpft, dcr Körper aber im wörtlichen Sinne geschmort und verkohlt. Nachdem wir den ersten Schrecken überwunden hatten, versuchten wir die Gcsichtszüge des verstümmelte!! Leichnams zu erkennen, aber vergebens; nur eine formlose Masse lag vor uns und die Kleider, welche uns ccn'a auf cine Spur hätten leiten können, waren natürlich vollständig den Flamin?,: anheimgefallen. Ucbrigens sehten wir, als wir diese gräßliche Entoccknng mach-lcn, unsere eigene Sicherheit keineswegs aus den Augen. Der umsichtige Friedensrichter sandte augenblicklich die beiden unbeschäftigten Reiter durch den Wald, um zu sehen, ob sie etwas Verdächtiges sinrcn tonnten, und während cr mit Hülfe eines der Con-stabels die Ruinen der Hütte genau untersuchte, bncbcn wir Uebri» gen unter Waffen. Anfangs waren wir der Mnnnng, die Hütte sci von den Vnshrangcrn aufgefunden und aus Voshcit oder Rache, wahrend der unglückliche Besitzer sich im Innern derselben befand, in Brand gesteckt worden, allein der wahre Sachverhalt kam bald durch den einen Reiter an den Tag, der uns ans einer kleinen Entfernung zurief, zu ihm zu stoßcn. Dcni 5'Iatj. ,vo cr Halt gemacht, m'.s nähernd, fanden wir zwei weitere Leichname, welche, wie ans ihrem Aussehen mid ihrer Kleidung erhellte, gleichfalls Stocklecper gewesen sein mußten. Sie waren steif und todt, ihre Wunden aber bczmgun augenscheinlich, daß sie von den Eingeborenen getödtct waren, denn ihre Kleider öffnend, fanden wir die Leichname von zahllosen kleinen Wunden durchbohrt, welche von den langen, dünnen Teeren ter Indianer herrührten. Die Schädel der Todten waren fast zu Vrei geschlagen, was ebenfalls auf die australische Waffe schließen ließ, welche beim Handgemenge aus kleinen, leichten, aus Harbin Hl>lz verfestigten Keulen besteht. Der traurige Anblick dieser beiden Leichen ließ, zusammengehalten mit den giäßlichen Ucberrestcn eines menschlichen Wesens in der niedergebrannten Hütte, nur zu deutlich crratdcn, was hier vorgegangen sein müsse. Die Stockkeeper waren von den <5ingcb«'nen überfallen worden nnd während zwei von ihrem Hanse abgeschnitten, Abenteuer eines Auswanderer«, >. U <<4 »ordcn, h'tte lcr Dritte cs erreicht und sich darin zur Wehre gc-feht. Die Indianer mußten aber hierauf, wahrscheinlich durch den Tov oder die Verwundung einiger der Ihrigen gereizt, die Hütte angezündet und dieselbe sammt ihrem Vesiftcr verbrannt haben. Daß dieser ssch wacker vertheidigt haben mußte, bewiesen die Fragmente einer Büchse, welche wir nahe bei feinem Leichnam fanden. Gerade zu jener Zeit hatte ein gn'ßer, trafti^er Eingcborucr, welcher den Namen Mil^qnit»,' iru^ uno an der Spitze eincr Banrc v^'n etwa dreißig Indianern stand, viele Verbrechen in Vandicmcnö-land verübt, wir hatten aber nicht geahnt, ras; er sich in diesem Theile der Insel nmhcrtricbe, bis uns jetzt dieser dreifache Mord die NcbcrzcngmiH von seiner Anwesenheit ansdran^. W war ricß ein Umstand, ans den wir nicht gcfasit waren und dcr durchaus nicht da;u beitragen sonnte, uns mit Muth und frischer Hoffnung zu erfüllen, dcun co schien jclzt offenbar, oaß wir es nicht bloß mit den fchurfischen Vnöhrangcrn. sondern auch noch mit den wilden Eingeborcucn zu thun haben würden. Wir mußten Rath halten, wie wir unsere nächsten Schritte einzurichten hatten, mir benutzten diesen Halt zugleich, um Erfrischungen c.nzilnclnnen und uns ;n den bevorstehenden Scravaycu zi, kräftigen. Unser Mahl war jcroch nickt eben ein Hei!crc5, denn der Gcdauke, vaß riese Vande von Wiloen zu len Vuohlangcrn stoßen und mit denselben gegen uns gemeinschaftliche Tachc machen könnte, war nicht sehr aufmunternd, weil ein Haufe von sechzig und mehr vcrzwcifeltcu Vurfcheu uns mir Leichtigkeit hätte vernichten können. Hernach bestatteten wir die Leichen und diese Beschäftigung war auch nicht wohl geeignet, unsere Belnmmcruissc und bangen Ahnungen zn zerstreuen, welche übrigens durchaus nicht aus F^g, hcit einsprangen, sondern nur auS.lcr Ueberzeugung, daß wir einem ungleichen Kampse entgegengingen, daß wir misere Familien schutzlos hinter unö ließen und daß wir unser Leben gegen dns von " l!5 Verbrechern, welche des ihrigen bcrens satt waren oder cs verwirkt hatten, in.die Wagschalc legen sollten....... Inzwischen gaben unscrc Känguruhhunde allc ienc Zeichen, womit diese Thiere vie Nahe eines unbewohnten Gegenstandes und vo>. nehmlich eines (Eingeborenen verrathen. l5incr der Hundc umschlich die Nuinen und stieß dann mit einmal ein so furchtbar flag« lichcs Geheul aus, daß wir Allc dadurch nüt einem fast abergläubischen Schrecken erfüllt wurden. „Der juirgc Heltor hat von Was Witterung," bemerkte Einer. „Cr spurt, d.iß hier nicht Alles ist, wie c^ sein sollie," sagte ein Andenn', ,,nnv kann's nicht hcranolricgcn, was der verkohlte Leichnam zu bedeuten hat. Calculirc, er würre gcrade jeht keine große Lust ;ur Kän^uruhjagd haben," Diese Meinung schien Hcktor lngcn strafen ;u wollen, denn nachdem er ans eine kleine Anhöhe in der Nähe der verbrannten Hütte gelaufen, stand er auf einmal still, ein Vild gespanntester Aufmerksamkeit, den Kopf zu Boden und vorwärts beugend, die Vorderpfote aufhebend. „Seid ruhig!" rief ich. „Hclior spürt (5twas; seht, cr schaut sich nach mir um .... Geh, such, such, guter Hund!..... Was gibt's?" Das geschcidtc Thier glitt aus der Stelle, ohne zu knurren oder zu bellen, in das Dickicht nnd war bald in demselben verschwunden. „'s ist nur ein Känguruh," meinte einer der Constabcls. „Mehr, mehr," versetzte ich, „Hektor ist kaum weniger gcschclbt, n!s sein alle? Vcncr, dem Nichts fehlte, als die Sprache, und cr hat gewiß von envao Anderem Wiud, als von einem Känguruh.... 'ch kenne ihn." 8« ti6 Ich hatte kaum ausgesprochen, so kam der Hund zurück, gerade auf mich zn, und winselte laut und kläglich. „Er hat einen Wilveu zu Gesicht bekommen!" rief ich aus, „ich schwöre darauf. Laßt »ns ja ans unserer Hut sein, obwohl ich kaum glanbe, daß die feigen Hallunkcn dcu Muth habcu werden, uns anzugreifen." „So laßt uus der Gefahr iu's Auge blicken!" ermähnte unser junger Anführer. „Wozu sollte das Zaudern gut sein? Nur lnuthig vorwärts! An eiucn Rückzug ist ja auf keinen Fall ;>i denken." „Nein, in der That nicht!" riefen Alle, „keinen Rückzug!" ,/Wohlau denn, Gentlemen, ordnet Euch uud dann voran!" „Laßt uns dem Hund nachgehen!" warf ich ein. „Vorsicht ist hier jedenfalls cim Platze. Die Wilden verstecken sich hinter den Bäumen, und das Erste, was mau von ihnen erfahrt, ist ein Schauer spißcr Speere, die Einem in der Haut stecken. Haltet die andern Hunde zurück, ich will mitHellor vorausgehen. Jetzt, Hcktor, mein lieber Hund, zeig', wo sie stur!" , Hektor leckte meine Hand nnd schaute mich so kl:ig an, als tvollte er sagen: Sei auf deiuer Hut. Dann trabte er etwa zweihundert fünfzig Schritt weit vor mir her, hielt dann plötzlich an «nd zwar in der Stellung eines Jagdhundes, der einen Hasen stellt. Ich versuchte umsonst das Dickicht mit meinen Blicken zu durchdringen, sah mich dann nach meinen Kameraden um, um ihrer Hülfe gewiß zu sein, uud rief wieder dem Hunde zu: „Geh, such!" Allein der Hund ließ den Schweif hängen, winselte und sprang an mir in die Hohe. Ich streichelte ihn und sagte: „Was hast du, Hektor? Was sieht der Hund?" Er winselte wieder und eine ganz ungewohnte Furcht schi^ «ber ihn gekommen zu sein. Nur zaudernd machte er einige Schrite Vorwärts und blickte unverwandt nach einer Stelle des Dickichts. ? seine dunkle Gestalt erkennen, weil das nahe Dickicht noch dazu düstere Schatten über die Stelle Warf. Ucbrigens hätten die Eingeborenen gar feinen beft ren Platz zu ?i«em Hinterhalt finden können, denn die Väuuie standen hart neben einander und die schlauen Burschen wissen Bcumi und Busch fo trefflich als Versteck zn benutzen, daß man sich ^ solchen Stellen in der Mitte von Huuderieu befinden kaun, oh-^ einen davon zu erblicken. „Ich muß der Sache ein Ende machen," sagte der Friedens: lichter. „Gebt Acht, Freunde, und laßt mir ihn nicht entwischen l" So sprechend lief er auf den Indianer zu, blieb aber g^ich darauf stehen und rief auo: „Teufel! Der ist todt, es ist daö Grab eines (Jingeborenei.. Oft schon hab ich dcwon gehört, aber noch kciucs selbst gesehn. Das muß einer der schwarzen Bursche sein. welche der Stocks«^, erschoß, bevor sie ihn verbrannten." Gs war so, denn als wir den Todten untersuchten fan^, wir, daß ihm die Kugel in die Vrust, durchs Herz und im Rücken wieder hmauogcgaugen war. Sciue Genosse» mußten ihn von h^. Hütte hicher getragen haben. Wir standen noch. in diesen Aublick versunken und oie nöttiiqe tl9 Vorsicht wohl etwas aus den Augen lassend, in einer dichten Gruppe um den Baum herum, als in ursevin Nucken ein schwirrender Ton vernehmbar wurde und ein langer, dünner Speer zwischen unsern Köpfen, jedoch ohne Scharen zu thun, hindurchsahrcud iu dcr Rinde eines dancbcnstehenden Bauiues stecken blicb. Wie man sich leicht dcnlcn kann, stäubten wir hastig auseinan« der, spähten aber vergebens allnm: lein Feind war zu sehen. Unmittelbar darauf hörten wir Pscrdegctrampel und der Reiter, welchen wir auf der Fahrte der Bushranger ziiriickgelasscu, kan: herangesprengt. (5in Speer stack in seinem Rnttex und die Aruch-siütte zweier andern in den Seiten des Pferdes, w'lches, toll vor Angst und Schnirrz, seine», Reiter auf teu'.e Weift gehorchen wollte und nur mit Noth z» uns herangebracht werde» tonnte. „Gebt Acht!" rief er; „die Eingeborenen sind da. Zwar habe ich sie nicht gesehen, aber »nein Pferd und ich tragen Beweise von ihrer Anwesenheit an unsern Leibern. Sie müssen sich mit den Aushrangern verbunden haben, woher sollten sie sonst den Mnih nehmen, einen Berittenen anzufallen? Gewiß ist Musquit» mitcr ihnen und hat sie gclch«, daß die Gefahr'.'orbei ist, wenn eine Büchse losgeschossen ist. Ich habe die meiuigc fallen lasten, als mich dicfer Speer traf, denn er tam so unerwartet, daß ich «ur nach den Zügeln greifen konnte, wobei mir die Büchse entfiel. Ich bin gerade nicht starl verwundet, aber doch thui's weh." ,,O, macht (5uch Nichts aus so einer Specrwunde, wir haben ja eiucu Wundarzt bei uns," t östcie il,n der Richter. Wir faßte» das Pferd an, Zügel und der Reiter stieg ab. Der Wundarzt untersuchte ihn uud zog ihm den Speer, welcher daS Fleisch unter dein rechten Arm durchbohrt hatte und dessen Svitzc drei oder vier Zoll weil au der andern Sciie hervorstand, aus der Wunde. Der Speer war dünn uud an zehn Fuß lang. Die Wilden scharfen dicsc .Waffen, härcen die Sritzcn derselben im <20 Feuer und es thut gerade nicht wohl, niit solchen Dingern gespickt zu werden. Die beiden EonstabclS zogen dem Pferd die abgebrochenen Spitzen niis den Weichen und fanden anßeidcm noch mehr denn ein Dutzend andere Wunden cm dem armen Thier, welche stark bluteten. Mit Ausnahme von zweien schien aber keine tief zn sein. Alles dieses war in unglaublich kurzer Zeit geschehen und wir sahen uns unablässig, jeden Augenblick eines Angriffs gewärtig, nach dein versteckten Feind um, als unser Führer plötzlich ausrief: „Hollah! Sie h.ibcn mich zur Zielscheibe genommen.'" Wir wandten uns zu ihm und sahen, daß der Hut des Richters von der Seite her von einem Srcer durchbohrt worden war. Allein noch immer ließ sich kein Feind blicken. „Das war kein übler Wurf," bemerkte Einer, „Jetzt dürfen wir wahrhaftig aufpassen, der nächste könnte noch besser treffen." Iiil nämlichen Augenblick zischte ein ganzer Schauer vou Speeren auf uns heran, traf den einen (ionstabel und verwundete einen Anderen. Ucbrigcns war die Entfernung zu groß, die Speere konnten bloß die Haut durchbohren und die Getroffenen wurden noch dazu ausgelacht, obgleich sie die Sache eben nicht lächerlich fanden. «Es bringt keinen Nußcn, hier stehen zu bleiben!" riefEiucr; »wir dienen so den schwarzen Schurken nur zur Zielscheibe. Laßt nns in das Dickicht dringen und ihnen auf den Pelz rücken!" „Dem wissen sie auszuweichen," entgcgncte der Friedensrichter, „auf diese Art wären wir gegen sie im Nachtheil, aber «Z „^-allerdings Etwas gethan werden. Wir wollen versuche», »b wir sie uicht durch den schmalen Waldstreifen in die dahinter liegend? Ebene jagen können. wo wir mehr freie Hand hätteu, Aber besonnen, Leute, und kaltblütig,' Nehmen Sie drei von Ihrer Mi^. schaft auf die linke Flanfe, Master Thornley, und Sie, Vercöfrid' <21 nehmen Sie drei auf die Rechte, dann kommen wir den schwarz« häutigen Tagedieben von der Seite zu und sie müssen hinter den Bäumen hervor. Entfernt Euch aber nicht zu weit nnd dringt nicht zn hastig vor. Die Andern müssen ruhig und energisch in den Wald vorrücken nnd ich werde mit den zwei anderen Reitern jede Partie unterstützen, die es gerade nöthig hat." Wir zauderten keinen Augenblick, das anbefohlene Manöver auszuführen uno drangen rasch in den Wald. Bercsfords Abtheilung kam zuerst zum ^ Schuß, nnd als sich die Wilden vor seinem Feuer ans die andere Scue dcr Baume drückten, kamen wir an die Neihc, während unsere Hauptmacht sie in dcr Mitte faßte. Diesem Angriff vermochten sie nicht lange zn widerstehen, d. cnn wenn sie auch ihre Speere nach uns warfen, so thaten uns diese nicht den geringsten Schaden, nnd bald verließen sie ihre Verstecke, lim sich durch die Flucht zu retten. Eine flüchtige Schätzung ließ sie uns dreißig bis vierzig Mann stark erscheinen und wir verfolgten sie rasch, bis sie hinter dem Kamm einer niedrigen Anhöhe, welche sich hinter dem Wald erhob, verschwanden. Wir wollten ihnen auch dorthin nachsetzen, als mit einmal gegen vierzig bewaffnete Weiße vor uns auftauchten und ein Feuer a»f uns eröffneten, welches uns sogleich halten machte. Wir hatten uns zwar nicht von einander verloren, aber während des Verfolgens dcr Wilden doch vereinzelt, und als ich jetzt an unserer Linie hinunterblickte, sah ich mit innigem Schmerz meinen jungen Freund Bercsford stürzen. Wir konnten durchaus nicht mehr an der Thatsache zweifeln, daß die Eingeborenen sich mit den Vushrangern verbunden hatten und daß wir einer furchtbaren Ucbcrmacht gegenüberstanden. Jetzt sahen wir uns allein auf unsern Muth und unsere Beharrlichkeit verwiesen, allein wir halten die Disciplin und das gute l22 Recht auf unserer Seile, nnd dieß ftößt stctg höhere Kraft l^n Kampfe ein. Nachdein sie uns eiuc Sal^c gegeben, verschwanden die Vush. ranger wieder hinter der Anhvhc und unser Fuhrer rief uns z^: ,, Spart Euer Feuer! Sammelt Euch, hiehcr nno mir nach i„ Eil ft es Kapitel. Rückzug der VushraNqcr. — Dic Velfolziun^ — (^in Lcigcr. — Fährte dcr VuN!g ül'cc de» Vhaunoii. — Fortgesetzte, hitzige Verfolgung, Eiligst Wandten wir uns rechtelhi» zn einer kleinen VaitlN: gruppe, welche gleichsam als eine Vrdttte aus dem Wald hervorsprang. Durch diese Bewegung jubertcn wir uns den Vortheil der Stellung, weil wir jctzt unscre Feinde Vl>n der Flaittc aiif'iz K^r« nehmen tmniten, während sie einander beim Feuern im Wege s^, den. Auch gewahrten uns die Väumc Schuß, währeno sic in ^cc baumlosen Ebene unsern Kugeln l'loßgcstellt waren. Als ich mit meiner Abtheilung auf die Aaumgrübe ziini.n-, schirte, führte uno der Weg an dein armen Vereöfl,'rd vorüber den einer der ersten Schusse niedergeworfen hatte m,d den w/ jetzt auf unsern Armen hinter die schützenden Aaumstäimne trim,',. Die Bushranger schienen übrigens gar keinen Kauivf ,^ beas^ sichtigen, sondern wl'llteu uns nur in der Verfolgung aufhalt l23 und stören, weßwegen wir unö auch nicht sehr venvnndelten, als wir sie sich fonschlcichen sahen. Vielleicht wäre es der Klugheit angemessen gewesen, sie setzt, wo wir mit ihrer Stärke bcfcmnt waien und wüßten, daß sie vou einer starken Bande Eingeborener unterstützt würden, geben zu lassen; allein unser Blut hatte sich einmal erhitzt und die Kampf-bcgicr, welche eigentlich in jedem Menschen schläft, war erwacht. Auch müßtc der Umsiand, daß wir unsern nnglnttlichen Nachbar mit auf den Nucken gebundenen Händen iininlteu der Räuber erblickten, unsern Viser noch erhöhen und wir raunte» daher wie toll und blind hinter den Flüchtlingen her, als uus die Stimme unsers jungen Führers, der noch die meiste Besonnenheit bewahrt hat:c, Halt gebot, indem, er uns zurief: „Halt, Gentlemen, wir dürsen nicht zu rasch vordringen, be« denken Sie, daß uuscr Leben kostbar ist und daß ich verpflichtet bin, darüber zu wachen, daß Sie sich nicht allzu tolltnhn der Ge« fahr aussetzen. Ich muß fast besorgen, daß diese Spitzbuben zu zahlreich für uns sind, sogar die Eingeborenen pochen auf ihre Masse. Wir sind nur. achtzehn Mann stark, unsere Gegner aber zwischen sechzig und siebzig. Indessen hege ich keinen Zweifel, daß eine Abthci ung Soldaten, die das Gouvernement an den Gyde beordert hat, nusereu Fährten folgen wird und deßhalb rathe ich, wir sollten hier warten, bis wir durch die Soldaten verstärkt sind." „Nein, nicht warten!" rief ein junger, feuriger Mann auö. „Laßt uus die Verfolgung fortsetzen, so lange wir im Zuge sind. Diese Schufte kämpfen nie, so lange sie einen Aüöweq zur Flucht haben, laßt uus daher über sie her und der Geschichte mit einem Schlage ein Ende „lachen!" „Wollen Sie mir erlauben, einen Nath zu geben," bemcrtte ich, „so stimme ich vollkommen unserem Friedensrichter bei. Wir sollten den Versncb macken, diese Gauner lebendig zn fangen. Es l24 würde abcr ciu kostbarer Sieg werden, so wir ihn mit unserm Vliite erkaufen müßten." Meine Meinung fand keinen Beifall. Viele riefen: > „Ei, laßt nnS jetzt kämpfen, da wir einmal hier sind. Die Bushranger werden unausgesetzt durch entlaufenc Verbrecher verstärkt und daher muß man sie vernichten, bevor sie gar zn sta^ mid mächtig werden." „Wohl," entgegnete der Friedensrichter, „im Falle die Gentlemen einmal entschlossen sind, der Sache jetzt ein (3nde zu machen, so will ich Ihnen durchaus nicht entgegen sein. Aber lassen Sie nnS wenigstens eine kleine List anwenden. Es ist jetzt vier Uhr nnd binnen zwei Stunden wird es dunkel sein, wo eS dann, wie Ihnen bekannt ist, die Eingeborenen »icht mehr wagen, umherzu-strcifen, aus Furcht vor bösen Nnchtgcspenstcrn. Deßhalb mache ich den Vorschlag, daß wir an unserem jetzigen Standpunkt zwc> Stunden lang verweilen, damit die Vuöhrangcr, welche uns ohne Iweiiel beobachten, auf den Gedanken kommen müssen, wir hätten die Verfolgung aufgegeben. Hierauf spuren wir ihnen bis zi, ihrem Lager fnr die Nacht nach und überfallen sie während des Schlafes, weil, da wir einmal im Sinne haben, sie lebendig ,„ nnsere Hände zn bekommen, wir dieses wenigstens so gefahrlos fs,r nns, als möglich, zu machen suchen wollen. Sind Sie damit einverstanden?" //Vollkommen einverstanden!" riefen Alle. "Wohlan, so lassen Sie uns leine Zeit verlieren, um zu erfahren, was sich für den verwundeten Veresford thnn läßt."" Zum Glück fanden wir, daß Acrcsford nur durch einen Streifschuß betäubt lind zn Boren geworfen worden w,ir. Die Wunde blntete nichl mehr, das Blut aber, welches ihm über das blasse Gesicht geströmt war, hatte ihm ein schauerliches Auschen gegebn Binnen eiucr halben Stnnde erholte er sich soweit wieder, daß er i25 aufrecht sitzen konnte, wobei cr sich freilich noch über Kopfweh und Mattigkeit beschwerte. „Meinen Sie, Sie seien stark genug, mit uns fortzukommen?" fragte ihn der Friedensrichter. „Ich will's Probiren und auf feinen Fall sollen Sie durch mich gehindert werden; ich wurde eher zurückbleiben." „Um sich von den Wilden mit Speeren spicken zu lassen," sagte ich; „nein/nein, Sie müssen mit und müßten wir Sie tragen, denn wir können nnscrc kleine Macht schlechterdings nicht theilen." „Und jetzt, Gentlemen," ermähnte uns der Friedensrichter, „haben Sie die Güte, von der Zeit den besten Gebrauch zu machen, ruhen Sie aus, so lange Sie Gelegenheit dazu haben, rüsten Sie Ihre W.iffcn und vor Allem versehen Sie Ihre Buchsen mit frischen Feuersteinen. Mit einer guten Waffe kämpft man noch einmal so leicht und hierin werden wir das Uebcrgewicht auf unserer Scite haben, weil sich die Gewehre der Vuöhrangcr gewiß in keinem absonderlich guten Zustande befinden." Wir säumten keinen Augenblick, nm den gutgemeinten Nath unseres Führers zu befolgen, worauf wir die nöthigen Wachen ausstellten, welche aber keine Störung anzuzeigen hatten. Unmittelbar vor Einbruch der Nacht sandten wir auf der Fährte'der Bushranger einen Nciter fort, welchem wir einen zweiten folgen ließen, dannt er den ersten im Auge behalte und zugleich der Hauptmacht über alles Vorgehende Bericht abstatte. Das verwundete Pferd schien uns weiter von keinem Nutzen mehr zu sein, wcßwegen wir es frei grasen ließen und Sattel und Zaum in einem Vaum verwahrten. Die Wunde des Reiters schmerzte etwas, jedoch meinte der Mann, wenn es zum Handgemenge käme und cr ein-wal warin würde, so würde sich das schon gebe». Wir theilten unsere Mannschaft wie früher; sechs Mann folgten mir, sechs andere Bercsford, dessen Abiheilung durch den pfer- 126 delosen Ncncr noch cincn Zuwachs erhielt. Un>'cr trefflich Seville-ncr Führer schloß fich tciner Partei an, sondern ritt ron einer:i,,. andern. Nachdem cs völlig duufel geworden, machle» wir Halt, stellten Wachen aus, die zu bestimmter Zeit abgclöot wurden, bio es ctiv« Mitternacht war, und hofften nun, das i,'agcr der Räuber zwischen dcr drilttn und vierten Morgenstunde, wo der Schlas ain tiefsten ist, zu überraschen. Wir hatten aber ohne Zwciscl unsere Kenntniß im Nachspüren überschätzt, denn wir waren kaum aufs Neue eine halbe Stunde lang den Spuren nachgegangen, als wir sie plötzlich verloren. Die Finsterniß der Nacht machte cö uns unmöglich, sie wieder aufzufinden, und es blieb un6 Nichts übrig, als da zu lagern, wo wir uns gerade befanden und wo wir eS nicht einmal wagen vurften, ein Feuer anzumachen, um unsere Feinden nnferc Stellung nicht crfnhrcu ;>l lassen. So gut cs gchcu wollte, s'.,ch-ten wir daher unscrn Hunger und unserem Vediirsniß nach Schlaf Genüge ;n ihnn. Mit dem ersten Morgengrauen wiercr aufbrechen?, hatten wi" ziemlich lange zu thun, bis wir dic uerlorcucn Spuren wieder auffanden. Der Morgen war rauh und neblig und uns allen dranc» sich das Gefühl auf, unsere Unternehmung sei eben keine angcneh,,,^ Der Mangel au gehörigem (5sse» nno ungestörter Nachtruhe macytc sich fühlbar, die geistige Stimmung hängt in ungemein vielen Wi lcn von dem Zustande des Körpers ab uud das alle Sprnch^^^ -daß ein englischer Soldat nach einem guten Mittagessen den nici, steu Muth entwickle, kann dicse Behauptung nur bestätigen. Mit sehr langen Gestchtcru uud überaus blauen Nasen mar-schirtcn wir etwa drei Meilen weiter, bis wir an einen etwa ;wa>,-;ig Fuß breiten uno nicht sehr tiefen Äach kamen, durch welchen die Srur führte. Wir gingen, da uns dcr Marsch etwas erwärm hatte, ohne Äcocuken in das etwa bis zum Gürtel reichcure H^s. s gestatten. 128 Endlich sagte Einer: „Laßc uns weiter stromaufwärts gehen, mn eine Furth ^ suchen." „Ei, was denkt Ihr?" cntgegnete einer der Consiabels; ,^^ Shannon hat gar keine Fnrth, er ist der verrückteste Fluß ^ ganzen Lande, braust und schäumt allzeit so wilo und ungeduldig, als hatte er große Eile, weiterzukommen. Es ist auch kaum „löa-lich, zu Pferde hinüber zu schwimmen, das Roß mußte denn ei« besonders vortreffliches sein und der Fluß durch die Sommerhitze etwas ausgetrocknet. Aber schaut mal, ist das hinter dem Busch-' werk dort drüben nicht eine Art kleiner Schaukc? Wahrhaftig, 's ist eine. Verlaßt Euch drauf, in diesem Dinge haben die Bushranger ihren Ncbcrgang über den Fluß bewerkstelligt." Der Constabcl hatte recht gesehen; am Ufer drüben lag eine Art von Fahrzeug, welches übrigens kaun mehr denn sechs Fuß in der Länge haben konnte und gerade wie ein Waschzuber aussah. „Vorwärts denn!" sagte der muthige Friedensrichters „weder der Shannon noch sonst Etwas soll nus aufhalten. Mein Pfech kann Alles vollbringen/ was man von einem Pferde nur immer fordern kann, und ich will wenigstens einen Versuch machen. ch über die Tpritzftut erhoben, so ruhig, als befände er sich auf sicherer, fester Straße, auf seiner Richtung uno bot om brausenden, Wogen Trotz. Wohl war es eine kurz?, aber aofaln'vollc Bahn und wir athmeten hoch auf aus erleichterte!!! Hevzcn, a!s das triefende, glänzende Noß sich auo dein Wasser hob uno der Neitcr die Anläufe erreichte. Das Ufer hiuangaloppireud, schwenkte er zum Zeichen seines Triumphs seine Büchse und wir Alle jauchzten ihn,, unsere sonstige Vorsicht und das in der Wiloniß so nöthige Schweigen ganz vergcßcnd, alo Antwort ein donnerndes Hurrah hinüber. Dann sahen wir, wie er drüben an die verwahrloste Hütlc hii'.anritt, uuo er mußte dort nothwendig von einer unabweisbaren Beweisführung Gebrauch gemacht haben, denn wenige Augenblicke darauf saheu wir ihn zu unserer großen Verwunderung aus der scheinbar verlasscucu Hütte mit einem Mann zum Vorschein kommen, der die gewöhnliche Tracht eines Waldbcwolmers i>: Ä.uwie-mensland, d. h. ein Käuguruhscllwamms anhatte. Memme,- eines Auswanderers. I, 9 130 Dieses Individuuni schritt äußerst eilfertig dein User zu, cine Eilfertigkeit, dic dein Wunsche, unS zu dienen, in höhere,» Grade aber wohl noch der die Büchse des Friedensrichters, welche dies« mit einer äußerst verständlichen Gebärde auf den Känguruhfellmann angeschlagen hatte, zuzuschreiben war, und band die hinter dem Buschwerk versteckte Schauke los. Nachdem er feinen Platz in derselben eingenommen, sing er an, langsam am Ufer hinaufzufahren, indem er jetzt seinen, zerbrechlichen Nachen mit einer Art Nuder Vorwärts bewegte, dann wieder denselben vermittelst der überhängenden Zweige und Acstc hinausschob. Als er auf diese Weise gehörig weit oben war, um die Ucbcrfahrt zu wagen, machtc er mit äußerst löblichem Gifer Gebrauch von seinem Ruder, wobei ihn unsere auf ihn angeschlagenen Gewehre wohl nicht wenig davon abhalten mochten, irgend einen Gedanken an Aerräiherei in sich aufkomme» zu lasst», und gelangte, nur wenige Schritte v<.'ii unS entfernt, an's Ufer. Als wir nun aber dieses seltsam gestaltete Fahrzeug uähcr ins Auge faßen konnten, mußten wir wirtlich über die Keckheit erstaunen, womit ein menschliches Wesen einer solchen Nußschale sich anvertrauen konnte, und wir sahen Einer den Andern an, wer denn wohl zuerst dicscö unerhörte Fahrzeug besteigen wollte. „Nun, Worrell," sagte der eine Koustabcl zum andern, „Ih^ seid eS, dcr mit einem guten Vcispicl vorangehen muß, denn Ihr wäret es ja, der einmal in einem Vasttanoc über den Derwcnt setzte, als . . . . " „Ei, gebt Euch weiter keine Mühe," versetzte Worrell, „war ich einmal ein Narr, so folgt daraus nicht, daß ich zum zwcile^ Mal wieder ciucr sciu müsse. Lcgt nur Ihr Euren feisten Leichnam hinein, vielleicht ist daun binnen einer halben Ctunde tie Weit um einen Taugenichts ärmer." „Was, nicht in meiner Schauke übersetzen wollen?" fragte t« Columbus von Vandiemensland voller Entrüstung; „das hat ig ,31 ganz und gar feine Gcfahr. Freilich, vergangene Woche war ein, Strckkeepcr hier, der überfuhr, daö will sagen, er würde übergefahren sein, wenn er nicht so halsstarrig gewesen wäre. Er wollte aber schlechterdings den Kopf cmporstrcckcn, während er ciuf dem Boden der Schaute lag, und natürlich kippte sie dadurch um. Ich wurde tüchtig naß und hätte beinahe die Echauke eingebüßt, aber, wie gesagt, er war selber daran Schuld, daß er ersoff. Nun, Misters, wer will zuerst hinunter?" Es schien Keiner besondere Lust zu diesem Wagestück zu haben und nian hörte Manchen von „Weib und Kind," von den ,»ersten Pflichten eines Mannes" u. s. w. fiüstcru, allein der Friedcnsrich-icr wintte so dringend vom andern Ufer herüber, die Zeit nicht länger unbenutzt verstreichen zu lassen, und ich kehrte mich daher, weil doch Einer den Anfang machen mußte, dem Fahrzeug zu, als inir der wackere Bcrcsford wieder zuvorkam, indem er sich, ohne ein Wort zu sprechen, in die Schauke legte und, von dem Fcllmann, nachdem er sich wieder zuerst eine Strecke'am Ufer hinausgeschoben, glücklich auf die gegenüberliegende Seite gebracht wurde. Dieses Beispiel that die beste Wirkung und co war bald nicht mehr die Frage, wer zuerst überfahren, sondern die, wer warten sollte. Ich habe mich später oft an diese gefährliche Fahrt erinnert und noch jetzt ist es mir ein Räthsel, wie wir Alle mit dem Leben davonkamen; allein wir erreichten glücklich baS Ufer und traten, ein paar Schildwachen auostellend, in die niedrige Hütte. Durchnäßt, von Frost geschüttelt und hungrig, wie wir waren, begrüßten wir mit großer Freude den Anblick der auf den, Hcerde glühenden Kohlen, entflammten dieselben zu einem lodernden Feuer und erfreuten uns der wohlthätigen Wärme mit nicht geringer Befriedigung. Es fand sich auf dem Heerdc auch ein eiserner Topf, welchen wir ohne Weiteres zu unserem Gebrauch in Beschlag nahmm, um 9* l32 Thee darin zu kochen, ocnn der Thee ist in den Wäldern von Van-dicmensland ohne Frage das Hauptstärtimgsmittel der Ermüdeten. Porter und Ale könnten etwa dasselbe leisten, allein beide Artikel sind in der Wilrniß nicht zn haben uud dieselben mit sich zu fnh-«en, wäre allzu unbequem. Das allgemeine Surrogat für sie ist demnach der Thee und so ein rauh und wilo aussehender Stockkcc-per, der ungefähr halb Bär, halbs Dachs ist, spricht von seiner Tasse Thee mit demselben Behagen, wie ein altes Weib bei einer Taufe in Schottland. Thee machte daher auch bci unserem jetzigen Nildmßfrnhstnct das Hauptingredienz aus, und da wir nus aus unsern wahrend der gefahrvollen Ucberfahrt bewiesenen Much nicht wenig zu gute ihatcn, so herrschte während demselben auch eine besondere Munterkeit. Wir versuchten jetzt von dem Vnvohner der Hütte etwas Näheres über die Zahl und die Richtung der Bushranger zu erfahren, allein dieses zweideutige Geschöpf behauptete mit außerordentlicher Festigkeit, auch nicht das Geringste von den Freibeutern gesehen zu haben, und bemerkte, das Vorhandensein der Fährten, welche wir ihm zeigten, nnd welches er doch nicht wegleugnen konnte, übersteige sein Begriffsvermögen. Wir sahen natürlich leicht ein, daß dieß eine Lüge sei, uno es wandelte Einige von uns beinahe die Lust an, den Kerl auf der Stelle nicdcrznbüchsen, damit er den Vushrangern keine Nachricht über ims geben könnte; allein der Friedensrichter gab dieses etwas «igenmächtige Nechtoverfahrcn nicht zu und überredete uns, die Bc-sirafung des Schuftes zn verschieben, bis wir zurückkämen, wobei cr bemerkte, Erschießen se! noch viel zu gut für den VursclM, welcher höchst wahrscheinlich und auch ohne unser Inthnn dein Galgen nicht entgehen würoc. Nachdem wir unsere durchnäßten Kleider getrocknet, unsere <33 Kräfte erfrischt und Waffen und Munition genau untersucht hatten, machten wir uns wieder auf und setzten unsern Marsch auf den Fährten der Räuber fort. Z w.ö lftes K a p i t e l. Nnlvnst am ^rcßen Sec. — Tic Hueh^nqcr einqcbolt. — Gefecht. — Die (imglborcncn greisen plötzlich an. — llngimsngcl Si.ind der Tinge. -» Thorn» ley gehl nach linem Känguruh nus. Wir gingen den Fährten der Vüshraugcr nach, ohne die Strolche einholen zu können, und marschirtcn weiier und weiter wohl zwanzig Meilen über wildcS, unebenes Land, gingen vcrinittelst tiner Furth nbcr den großen Fluß und gelangten endlich an den Fuß eines Hügclzugcs, welcher für so ermüdete Leute, wie wir waren, fast zu steil aussah. Hier hielten wir Nachtlager und machten uns mit dem Mor-gcnlichi abermals an unser Vcrfolgungsgcfchäft. Sobald wir nun aber dcu Gipfel des Höhcnzugcs erstiege» hatten, erblickten wir in dcm vo: uns sich hiudchncndcn Thal die große und wunderschöne Wasserfläche, welche man damals den Arthur-See.nannte. Die Tzenc ringsher war ungcmcm lieblich. Tcr Morgen that sich frisch und klar auf und die scharfe Vcrgluft erfrischte und stärllc. In unsere» Rücken lag das wellenförmige Land, Welches wir durchzogen hatten, mit seinen Hügeln und Tbälcm, und vor uns breitete der mächtige See seine ruhige Wasscrmasse aus. Diese zauberhaft schöne Landschaft machte auf uns einen eigenthümlichen Eindruck und wir blickten in bewunderndem Schweigen in dieselbe Hinaue. l3t „Wie prächtig der Wasserspiegel glänzt,," nahm endlich unser Anführer das Wort, „wie die Morgcnsmme darauf brennt! Fast kommt es Einem vor, als sci es Sünde, Verfolgung und Todtschlag in diese friedlich lächelnde Natur zu bringen. Wir werden aber die Anshrangcr aller Wahrscheinlichkeit nach hier einschließen, und haben wir sie eingeholt, so dürfen wir uns auf einen vc:zwei-selten Kampf gefaßt machen. Deßhalb, Gentlemen, wenn Sie Ihrem Hange für malerische Anösichten Genüge gethan, sollten wir, denk' ich, weiterziehen." Nach möglichst genauer Berechnung, befanden wir uns noch ungefähr vier Meilen uom See entfernt und legten, immer der Fähre folgend, diese Strecke ziemlich rasch zurück. Am Gestade des See's schienen die Räuber unschlüssig geworden zu sein, wohin sie sich wenden sollten, denn es zeigten sich im Sande allenthalben die Fußtapfen der Männer, welche hier hin- und hergegangen waren, wie zweifelhaft, was sie für eine Richtung nehmen wollten. Sobald wir aber wahrnahmen, daß sie sich linkShin gewandt hatten, zauderten wir nicht lange, sondern schlugen ebenfalls diese Richtung ei,:, und nachdem wir eine ziemliche Strecke am Scc fortgegangen waren, sahen wir, daß die Fährten, gerade nach einer kleinen Landznge hinführten, welche sich in der Länge einer Vicrtclmcile in den See hineinstreckte und mit einigen (5edcrbäumcn bewachsen war. Bei unserem Vordringen bemerkten wir, daß an der äußersten Spitze dieser Halbinsel ein dünner Rauch aufstieg, und zweifelten keinen Augenblick mehr, dieser Rauch rühre von dem Feuer der Bushranger her. Wir begrüßten sofort nach cincr so langen und mühsamen Verfolgung diese? erste Zeichen von der Nähe der Feinde mit Freude nnd Befriedigung, wenn auch zugleich m:t dem, frcilick nicht in Worte gekleideten Bewußtsein, daß die Erreichung unserer Absicht gewiß von einem heftigen, blutigen Kampf abhängen werde <35 Am Eingang der Landzunge machten wir Halt und unser Anführer wies uns mit der Miene eines Mannes, welcher weiß, daß eine schwere Verantwcrtlichkcit auf ihm lastet, uoch einmal auf die Nothwendigkeit strenger Disziplin und genauer Fügsamkeit in dem bevorstehenden Gefechte hin, „Meine Freunde," fügte er hinzu, „wir sind im Begriff, Männer anzugreifen, welche zur Verzweiflung angetrieben sind. Zeigt jener Nauch, wie ich nicht zweifte, die Nähe der Vlish ranger, an, so müssen die Schürfen selber einsehen, daß ihnen zur Flucht nur ein einziges Mittel bleibt, das, uns zu vernichten. Sind sie also fest entschlossen, Gentlemen, den Angriff zu unternehmen?" „Entschlossen und bereit!" rief Aeresfovd aus, der jetzt seine ganze Kraft und Energie wieder erlangt hatte, obwohl er in Folge seiner Verwundung noch etwas blaß aussah. „Mnncn Sie, wir wären so weit marschirt, um jetzt, im entscheidenden Augenblick zurückzuweichen? Was würde Einer von uns denken, wenn er sich in den Händen der Vuöhrangcr besände und seine Freunde und Nachbarn Fersengeld gäben sähe, wo es gilt, wirklich mannhaft zu handeln? Was mich betrifft, so bin ich auf das Schlimmste gefaßt, und ob mich auch schon eine ihrer Kugeln getroffen, so bin ich doch nicht gewillt, mich vor den andern zu bücken." „Wir Alle sind des Kampfes gewärtig!" riefen wir. /.Führen Sie uns und gediente Soldaten sollen nicht mehr Subordination beobachten." „Gut," sagte der Friedensrichter, „dann laßt uns keine Zeit verlieren, sondern versuchen, die Schufte in ihrem Vcrstcct zu überraschen. Ich muß fast annehmen, daß sie glauben, nicht verfolgt zu werden, weil sie sonst kaum einen Platz gewählt hätten, wo ihnen jeder Rückzug abgeschnitten ist." „Ei/' bemerkte Einer, „wahrscheinlich pochen sie auf ihre Etarke." t36 „Kaun wohl sein; jedenfalls ist die größte Umsicht und Klug-htit bei linseicm Vorrücken nöthig. Vorwärts denn!" Wir ruckten jetzt mit jenem Beben vorwärts, welches nicht ^ Furcht, sondern bloß in allzu großer Aufregung seinen Grund hat :,nd häufig den, Krieger in einer gefahrdrohenden Situation, wie den Waidmann beim Vcfchlcichcn dcS Wildes befällt, hatten aber lanm dreihundert Schritte vorwärts gemacht, als wir nns nnr.zy sehr überzeugen mußten, daß wir keineswegs so unbeobachtet gcwe-wesen, als wir unö gcschmcichcli hatten. Gin hinter einem Baume hervortrachcnder Schuß warnte nns, weiter vorzudringen, konnte uns aber nicht aufhalten, und nachdem wir eiligst einen niedern, grasbewachsenen Hügel vor uns hinaufstiegen waren / erblickten wir die Buohranger in Schlachtordnung Vor uns. Blitzschnell hoben wir unsere Büchsen, allein unser Anführer verbot das Abfeuern derselben, indem er ausrief: „Halt! Das ist gegen die Abrede, welcher zufolge Sie oh„e Kommando nicht schießen dürfen!" „Die Bnshrangcr warten nicht auf das Commando," sa^ Einer von uns. Im nämlichen Augenblicke brannten die Gauner anch wirklich «ine Salve auf nns los und wieder war mein junger Freund Bc-rcsford so unglücklich, getroffen zu werden, und sank zu Boden. Ich sprang zu ihm hin nnd fand, daß er viel Blnt verlor. Mehrere Stücke Blei waren ihm in die rechte Seite gefahren und cr hatte große Schmerzen auszustehen, weil die ans zerschnittenen Kugeln bestehenden Vlcistückc gar schlimme Wunden machten, ßg gelang mir jedoch, ihn ohne Zeitverlust hinter einen alten, nicht weit entfernten, umgestürzten Baumstamm zu schaffen, worauf i,,!-fer Führer eben so rasch, als gewandt, unsere fleinc Mannschaft auf die vorteilhafteste nnd zweckmäßigste Weise aufstellte. Die Feinde hatten inzwischen nicht Zeit gehabt, ihre Gewehre wieder zu laden, obwohl sie ernstlich damit beschäftigt waren, und jetzt feuerten wir ein halb Dutzend Schüsse ruhig und gutgczielt zwischen sie hinein, wodurch sie nicht wenig beunruh gt und wodurch das Nicdcrladen mehr, denn eines Gewehres übcrftüssig wurde. Bevor sie sich von diesem "ersten Schreck erholt hatten, pfiffen die sieben Kugeln meiner Abtheilung unter sie nur diese thaten, weil sie gut gezielt und besonnen abgefeuert wurden, ebenfalls das Ihrige. Wir sahen drei oder vier von ihnen fallen, zwei standen wieder auf, der Dritte blieb liegen. Unterdessen halle sich Bcrcsfoids Abtheilung wieder zum Feuern fertig gemacht und zur nämlichen Zeit kam «in Dutzend Kugeln von dcn Buohrangcrn gestogcn, wovon jedoch keine traf, eine ausgenommen, welche in den Baumstamm einschlug, hinter welchem der Verwundete lag. Icßt hatten wir die in Schlachtordnung aufmarschirtcn Bushranger uns gerade gegenüber und wir zählten ihrer cinunddrcißig. Drei waren gefallen und auch vou dcucn, welche noch aufrecht standen, waren augenscheinlich mehrere so stark verwundet, daß sie am Kampfe nur noch geringen Antheil nehmen konnten. Einige stampf« ten und krnmmtcn sich vor Schmerz und wir bemerkten (zincn, der fein Gewehr mit dem linken Arm handhabte, weil der rechte zerschossen an seiner Seite herabhing. Vor Allen fiel uns aber einer der Bushranger auf. dem wir unsere Bewunderung zollen mußten. Es war ein so schöner, kraftvoll gebauter Mann, als ich nur je eiuen erblickt. Schlank) breitschulterig und muskulös, wie er war, ^nußte er Stärke mit Gewandtheit vereinigen. Er hatte sich etwas abseits von seinen Kameraden aufgestellt, schien der ihn nmpseifcndcn Kugeln nicht im Geringsten zu achten, und da wir nicht viel weiter, als huudcrt Schritte von den Feinden entfernt standen, vermochten wir dann, und wann seine Stimme zu hören, wie er die Scinigen zum Kampf «"feuerte mit dcn Worten: 138 „Gebt's ihnen tüchtig, Iungens, gebt's ihnen tüchtig. ,^ was uns angeht, so stirbt sich's besser durch eine Kugel, als durch den Strick." Dabei sahen wir ihn sorgsam sein Gewehr laben und die Pfanne desselben untersuchen. Es schien ihm dabei jedoch etwas Widerwärtiges aufzustoßen, denn er hielt einen Augenblick inne und schaute zu Boden, als suche er Etwas; dann bückte er sich und hob ein Stückchen Holz oder sonst etwas Spitziges auf, um damit das Zündloch zu reinigen. Hierauf füllte er dasselbe schnell, jedoch ohne alle Uebcreilung, aus seinen, Pnlvcrhorn und schien, das Gewehr an scine Wange hebend, sich erst ein passendes Ziel auszusuchen. Er hatte seine Wahl bald getroffen, denn der zu Pferde sitzende Friedensrichter bot das beste Ziel und ich sah, wie der Vnshrangcr ruhig und fest zielte und gleich darauf bewies ein Schrei von unserem Führer, daß die Kugel getroffen habe. yg war jedenfalls ein trefflicher Schuß, denn die Kugel fuhr durch des Friedensrichters Hut und warf denselben herunter. „Alles ist meinem Hut anfsätzig," sagte der Richter, „vor ein paar Tagen schlenderten die Eingeborenen einen Speer durch denselben und jetzt haben ihn diese Schufte mit einer Kugel durch« löchert; auf diese Art muß auch der beste Hut zu Grunde gehen." Hieranf wandte er sich zu uns mit dem Zuruf: „Feuert tüchtig darauf los, aber bleibt ruhig und uelnnt in,-mer Euren Mann auf's Korn. Sie sind freilich die Stärkeren, aber wir haben den Vortheil der Stellung auf unserer Seite. Wer ist der Bursche dort an ihrer Spitze? Der dort? Gerade feuert er wieder und wahrhaftig Einer der Unstigen fällt! Das ist schlinmi," sagte er, zu dem so eben Verwundeten gewandt, „fönnen's aber nicht anders machen .... Doch was seh' ich dort? Bei Saiu't Georg, die Eingcborncn sind's! Sie lommcn! Jetzt habt Acht vor den Speeren und haltet Euch brav, um Gotteswillcn! Es ^ht jetzt wahrhaftig nm unser Leben .... bleibt besonnen, feuert rasch 139 und sicher, zeigt ihnen entschlossen die Stirne und schließt Euch fest zusammen, während ich mit den beiden andern Reitern einen Ausfall auf die schwarzhäutigcn Buschklepper machen will." Wir hörten die Wilden in unserem Rücken laut schreiend sich zmn Kampfe anfeuern, wir dagegen begannen vou vielem Laden und Schießen allmalig müde zn werden, ein glücklicher Schuß von Seiten der Bushranger riß Einem der Unsern den linken Arm auf, das Geheul der Indianer wurde heftiger und gellender, die Kugeln der Näuber folgten sich rascher und immer rascher und ich glaubte nntcr den Letztcrn eine Bewegung wahrzunehmen, als be« abstchtigtcn sie, von vorn ans uns einzudringen, während uns die Wilden im Rücken faßten. Schon sielen die Wurfspeere der Eingeborenen von allcn Seiten zwischen uns herein und fast schien eine Krisis eintreten zu Wollen, welche den Kampf in kurzer Zeit und zwar zu unserem Verderben beendigt. hätte, als ich unseren Anführer mit feinen zwei berittenen Gefährten mitten in den Haufen der Wilden hin-einsprengen und mit den Säbeln auf eine nicht sehr schonende Weise auf sie einHauen sah. Alle drei Ncitcr waren vormals Soldaten gewesen und demnach im Gebrauch ihrer Waffe wohl bewandert, weßwegen auch jeder Hick auf den nackten Körpern Her Indianer seine gehörige Wirkung that. Ihre kleinen hölzernen Keulen, Waddies genannt, waren nutzlos gegenüber dem Stahl und ihre dünnen Speere nicht stark genug, um als Lanzen dienen zu können, weßwcgen sie denn ziemlich widerstandslos in die Hände ihrer Feinde gegeben waren, So wenig die Reiter zwischen deu Vsumen gegen sie auszurichten vermocht hätten, um so mehr konnten sie in der baumlosen Ebene gegen sie vollbringen. Die Wilden standen bei dem plötzlichen Angriff der Reiter auch wirklich regungslos, wie vom Donner gerührt, und unfähig, sich z« Wehre zu setzen; bald aber erlangten sie den Gebrauch ihrer Beine wieder und stänbtcn wie gejagte Hirsche über d.e Eben« l40 dahin, der Halbinsel zu. Die Reiter setzten ihnen ciuc Streck» weit nach und kehrten dann zu uns zurück, die wir noch inin^r ein lebhaftes Feuer gegen die Bushranger l.nterhieltcn. Vis dahiu waren sieben von uns kampsunfähig gemacht worden und auf Seite der Bushranger befanden sich etwa dreizehn in der gleichen Lage: allein wir kamen Bezugs der Strcitkrafte dock immer mehr in Nachtheil, denn unsere ganze Macht bestand jetzt bloß noch aus sechs Mann zu Fuß und drei Reitern, also waren - wir neuu gegen einundzwanzig, nnd trotz unserer vorthcilhaftcn Stellung und der Vcrjagung der Wilden schien unsere Lage doch cinc äußerst kritische zu sein. Der Friedensrichter hatte sich mit den übrigen Mcitcrn zur Linken der Bushranger gewandt und ich sah sie jetzt die auf den Rlik-ken hängenden Büchsen heral'nchmcn. Im Handumdrehen knallten sie auf die Feinde los und verwundeten zwei derselben. Dieser Seitenangriff brachte die Spitzbuben einigermaßen in Verwirrung, ihr Anführer entsandte aber rasch eine kleine Abtheilung gegen die drei Ncitcr uud das Feuer dieser Abtheilung mM» eines der Pferde vcrwun dct haben, dcnu cS bäumte sich uud rannte wild nmhcr. Indessen machte der Angriff der Reiter doch eine für uns güustige Diversion, weil die Aufmerksamkeit der Feiude dadurch getheilt ward. Auch riß wirklich cinigcrmaßcu Unruhe in jh^ Reihen ein nnd es war offenbar, daß sich ihre Waffen weitaus nicht in so gntem Zustande befanden, wie die uusrigcn, denn wenn si? auch durchgängig mit irgcud einer Art von Fcuergewehr bewaffnet waren, so fielen ihre Schüsse dennoch verhältnißmäßig selten „nd immer unregelmäßig, während unsere Gewehre nie versagten. ^^ dem waren mehrere von ihnen in, Gebrauch ihrer Waffen nicht sehv erfahren, während dieß bei uns Allen der Fall war. Zuletzt, „,ei„? ich, besorglcu sie auch, ihre Munition völlig zu verschießen, da si» ,4l wohl wußten, wie schwierig es fur sic war, neuen Schießbedarf zu erlangen. Einmal waren sie augenscheinlich fest entschlossen, cincn Aus fall zu wagen, nno der Erfolg hätte für uns wohl verderblich wcrocu müssen. Sie scharten sich nämlich in einen enggcschlossenen Hausen und ihr Anführer lief etwa fünftig Schritt weit im vollen Lauf vor ihnen her und auf uns zu. Auf diese kurze Entfernung that aber die Salve, womit wir sie empfingen, entsetzliche Wirkung, denn wir schössen mitten unter sic hinein, während unsere Reiter ihueit von der Seite her ebenfalls ihre Kugeln zusandten. Dieß gebot ihnen Halt. Füi'f der Ihrigen siürzien, und weun sich auch zwei derselben wieder aufrafften, so bleiben doch drei liegen und dic übrigen flohen über die kleine Ebene zurück. Ihr Führer jedoch zauderte, wandte sich gegen uns und feuerte sein Gewehr auf uns ab, bevor er zurückging. Dieser Schuß war meine? Wissens der Einzige in oiescm blimgcn Kampfe, welcher mir hätte wirklich gcfäbvlich werden können; denu die Kugel streine die linke, Seite des Baumes, hinter welchem ich stand, um^ mein Gewehr wieder zu laden nnd schlug da? obeic Ende meines L.idstocks ab, welches hinter dem Baume hcrvovsah, während ich die Ladung ni meine Büchse niederstieß. So sehr mich dieser Unfall ärgerte, so war ich doch zufrieden, daß es nicht schlimmer abgelaufen. Als die Bushranger ftohen, meinte ich, die Nciier würden sie verfolgen, allein diese galoppincn im Gegentheil aus uns zu uno der Friedensrichter rief: „Halten Sie sich iu Ihrer jetzigen Stellung, Gentlemen, uud lassen Sie die Schurken nicht merken, wie ihre Kugeln unier uns °ufgeräunn baden. Auf der Ebene wärc>' sie nns zu sehr überlegen und könnten uns leicht crdrbckcn; wir müssen daher mit dem, w.is wir bis jetzt erreicht haben, zufrieden sein. Un? jetzt zu den Vlcssitten. Wo ist der Wundarzt?" N2 „Er war miter dcn zuerst Getroffenen imd liegt dort hin^ deni Mimoscnraum." »,Das ist schlimm, wir müssen aber zischen, wie wir uns h^. ausziehen. Wie viele sind noch unuerwundet?' Sechs von uns traten vor. „Hier sind also sechs und ich mit dcn zwei Ncitern, das m«^^ neun zustimmen von achtzehn .... schlimm, schlimm! . . . , (3g wäre jetzt offenbarer Wahnsinn, sich mit verzweifelten Leuten, d^ uns an Zahl überlegen sind, in ein Handgemenge einzulassen Wir müssen demnach klug handeln nnd dennoch eine lühne Stirn zeigen. Ich muß gestehen, daß ich nicht glaubt?, die Schnftc würden so männlich fechten, abcr freilich man kann es ihnen nicht verdenken, denn fic fühlen, daß sie nur zu'ischeu Kugeln und dem Galgeil zu wählcn haben." UnS Allen drang sich jetzt die Hoffnungslosigkeit unserer Lnq» auf, denn auf der rincn Seite die zur Verzweiflung getriebenen Buohrnngcr, auf der andern die blutgierigen Wilden, schienen ^ii das Schlimmste erwarten ;u müssen. Indessen waren wir dcsscy. ungeachtet nicht Willens, unser Lcbcn um leichten Prcis zu 555-, kaufen, und hätten wir auch je daran denken können, unsere ver, wundcten Kameraden zn verlassen, so mußten wir doch einsehen daß ein Rückzug unS jetzt eben so gefährlich wcr-dcn müßte, als da« Vordringen, und so faßten wir dcn Entschluß, der Gefahr mutbi trotz zn bieten. So auf Alles gefaßt, postirtcn wir uns je zu zwei und ->>> > hinter verschiedene Väume und blieben ctwa eine halbe Stunde l°a " in dieser Stellung. Das Feuern war jetzt von beiden Seiten «^ gestc,llt uud wir sahen, daß sich die Feinde hintcr eine grüne, ^l!' artige Erhöhung dicht am Wasser hinabzogcn. ^ Während der Dauer des Gefechtes halten wir unfern F»' Moos, welchen die Bushranger entfuhrt hatten, jnirgenrs erblick"" Ivnnen, wir waren jedoch, aufrichtig gesprochen, so fthr ^it /" ,43 selbst und unserer Velthcivigung beschäftigt, daß cs uns laum noch einfiel, er sei eigentlich die Hauptursache, deßwegen wir uns hicr befänden. Die Reiter thaten uns jetzt vortreffliche Dienste, indem sie uns rechts und links vor Uebcrrumpelung sicherten und zugleich in unseren: Rücken Kundschaft sammelten, ob die Eingeborenen nicht abermals einen Angriff wagen wollten. Diese mochten jedoch an dem eisten Enwsang, den wir ihnen hatten angcdcihcn lassen, für eine Weile genug belommcn haben, denn sie ließen sich nicht mehr sehen. Da wir nun, wenigstens für den Augenblick, der Vcsorgniß eines neuen Kampfes ledig waren, so konnten wir uuscrc Aufmerksamkeit den Verwundeten zuwenden, die alle hinter demselben Baumstamm, wohin ich Berceford getragen, gebracht worden waren. Unsere Freude war nicht tlcin, als wir alle noch am Leben und den Wundarzt, mit einem blutbefleckten Tuch um den Kopf, beschäftigt fanden, die Blcssirtcn zu verbinden, so gut es ging. Seit seinem Aufenthalte in den Colonicn hatte der Arzt, wie er selber sagte, noch nic so reichliche Erfahrungen in Vezug auf Schußwunden sammeln können und der Anblick so vieler bleichen, blutigen Gestalten, schien auf seine eigenen Vlcssuren einen gewissen magischen (3inftuß zn üben, denn er ucvgaß dieselben ganz über dieser so ungewohnten Bcrufofrcude. Zwei, Reiter und zwei Mann zu Fuß als Wachen ausstellend, gaben wir uns jetzt ganz der Besorgung der Leidenden hin und verschafften diesen besonverS durch frisches Wasser, welches wir unfern haben konnten, große (5rc,uickung. Dem Arzte wollte freilich in Rücksicht auf die schwerer Verwundeten die feuchte Lust, welche die Nähe dcS See'S nut sich brachte, nicht sehr gesallen, bcsc:ide:s da wir cS nicht wagen durften, Feuer anzumachen. Die übrige Zeit bcS TageS verschwand unter verschiedenen 144 Beschäftigungen ziemlich schnell, als wir mit einmal unsere vie,-Hunoe auf uns zukommen sahen. Zuerst erschrack ich ob dem Anblick der Thiere, denn ich hatte dieselben ganz vergessen, Hecktor kam aber auf eine ganz besondere Art und Weise auf mich zu, und als ich seine Schnauze untersuchte, fand ich, daß er kürzlich ein Känguruh todtgcbissen haben müsse. Ein Käuguruhdampfer wäre nun allerdings eine niclu zu verachtende Sache gewesen, im Falle wir es nur hätten wagen dürfen, ein Feuer anzumachen, und meine Gefährten hatten daher Nichts dagegen, daß ich das erlegte Wil2 aufsuche, wenn dasselbe nämlich uicht allzuweit abhanden liege. „Nehmen Sie mein Pferd/' sagte der Friedensrichter, „denn sollten Sie unter die Eingeborenen geralhe», so kann es Sie wenigstens außerhalb dem Bereiche ihrer Speere hatten; ich will inzwischen Hierbleiben und dem Wundarzt beistehcn. Dieser möchte gar zu gern einige Schienen für Worrell« Arm haben, uno da sich hier herum schwerlich ein Laden mit chirurgischen Instrumenten sinden dürfte, so weif; ich wirklich uicht, '.vie er diese be^mnun soll." ' „Halt, da k'mmt mir cii-.c Idcc," rics vcr Wundarzt mit ei„-nial aus. „Wo ist ras Veil? Hier, Tucker, haut mir 'mal einig Streife« von dieser Baumrinde hccunter! So, das thut's, das H 'n hübsches Stück und hier," fuhr er fort, einige lange Einschnitte in die Rinde machend, „ist ein prächtiges Lager für einen zerschos-scucn Arm. Da hätt' ich uuu wieder was gelernt, habe mir aber wahrhaftig zu Aberdeen in Schottland nicht träumen lassen, ich würde hier in Vandiemensland noch 'ue ciguc Art von Schienen erfinden. Nun, meine Freunde, seht, es wäre wahrhaftig dcr Mühe werth sich einen Ann zerschießen ;u lafftu, nur um ihn nachher so hühjH zusamlmugeftlckt und geschient zu kriegen .... So, Mann, laßt das Jucken bleibcul Gcbt mir mal 'n Schnupftuch her oder' s»,.,a «45 was dieser Art .... ah gut. das wird's ganz thun. Otwas Massel, wenn ich bitten darf!" „När'S nicht möglich, 'nen Bischen Brandy darunter zu mischen?" fragte der Verbundene. „Itcin. keinen Nrandy .... kommt Entzündung und dergleichen nachher, wißt Ihr. Jetzt aber zn den Anderen, welche mir genug zu schaffen machen werden. Wo sind Sie verwundet, Master Nicholls?" „Da in der rechten Seite; fühle mich sehr matt und schwach." „Seh' es wohl, müssen aber die Kugel herauskriegen, sie steckt nicht sehr tief .... doch auf welche Art ? Das ist hier die Frage. Ich habe keine Instrumente bei mir." <«Hici ist ein Stöpftlzieher," sagte Worrell. „Ein Stöpselzicher? Nun, ich habe zwar noch nie gehört, daß man eine Kugel mit einem Stüpsclzichcr herausziehen lann, indessen . . . ." Nicholls ächzte .... Weil ich bei diesen Operationen keine Beihülfe leisten konnte, durch das Herbeischaffen des Känguruhs aber Allen keinen kleinen Dienst zu erweisen glaubte, sah ich nnr noch nach meinem jungen Freund Bcrcsford, dessen linker Arm von «wer Kugel zerschmettert war und der bittere Schmerzen auszuhalten hatte, weil ihm der Wundarzt noch übcrdicß nicht sogleich seinen Beistand angcdeihen lassen tonnte, dann warf lch meine Büchse auf den Rücken, bestieg das Pferd des Richters und ritt weg, um das Känguruh aufzusuchen. Abenteuer eine« Auswanderers, l. 10 146 Drcizrhntcs Kapitel Hctlo^ ,>urt unciw'N'trtl» Wild a»!,. — ^yl>r»lc») trifft mi! cincm Tru^v >l?oldatcn ::uammen, - Tcillc 6llUdc, tic adcr i» tcn Hnmücn s.illt, ^> ^ wird schliinni l'chan^clt, lütqclu gliicklick ciilcrVislelclitl!»^! und ivird bcfrcii — V»!i! Vricf von ssincr Fi.ni. — »vluchr ecr BuVhr>niqvl nils cine ^nicl iin Scc. — 'ir,,uri^c ^tackrichtl,! voi» <>il'.?0l', >vclchc '^d^nlc!) lcsliniuic», hci»>» .,»!c>)rcü. Der Abend drach herein, doch mußte cv w^hl ncch ungefähr anderthalb Lrundcn hell blcil'cn und icy bemerkte deutlich, daß Hcktor etwac, ganz Ungewöhuliches anzuzeigen habe. ',w sclzl«,' jedoch sein seltsam«-. Geday^en dein ^in^nict oco fajmi üatt^cdabtcn Gefechtes unv des vielen Schießens ans Rechnung uno lief ihiu ;u^ „Gch! Snch!" Er trottete s>,'rt und dvochte mich mifern vcn dem Eee :^ einem vcrcnreteu Ran^nvu!), ,>ch gal' inich nicht lan.^c damit ad Vasfelbc auszuweiden, sender» wars e5, wic c?> war, ilder den 3c>l-tcl, um mit niciuer Bciitc soglcicli z» »leinen Hrennvcn znrnctzu-lehrcn. allein Hettrr legtc gegen rieses Umlehren einen entschiede« NM Widerwillen au den Tag im? lies eine kleine Strebe in dcr Richtung hin, woher wir vom Clydc gctommcn. Mit reu '.Vlanicrm dco Hnndce, genau betamn uno den fns^ an'ö Wnnrcrdarc gränzenden Insiinll lieser Thiere »enncnv, wuite ich ctwao nnrnhig. denn univilllnrlich famen >ni: innncr oie ^. geborenen ziz Sinnc, allein scinc Zeichen wiesen nich: aus dicsc hin, st'ndcrn deuteten gewiß etwas And^res, nnv Vuclhranger t»nmc er auch nicht meinen, denn dicsc liättcn fich durchauv nicht unbemerkt an unserer flcincn Mannschaft vcrl'eistchlen lönncn. 3tun, sagt' ich enolich zu mir, der H'Md weiß sicheilich Etwac«, was er mich edcnfallo wissen lassen «lächle, und ich ,ri^ ihm daher jedenfalls ft'lgen. ,4? Ich schob deßhalb dae Känguruh ^>om Pscrte und bestieg das^ ^ sclbs wieder. Dies schien Hekcor Freude zu niachcn, und da ihm s«m Iu« stinit sagic, ich sei zu Pferde in, Stande, mit ihm Schritt zu halten, so trabte er munter fort und zwar auf den Fährten, auf welchen wir an den See gelang! waren. Äls wir ungefähr ci»e Mcilc zilrückgclcgt hatten, hicll ich, allein Lektor schien durchaus »och nicht zufrieren gcstellc. „Nun wohl, nlcin Hund," sagie ich ;u ihm, „ich will dir vertrauen, obgleich ich nicht einsehen fann, was du eigentlich willst. An'ö Hcimfehrc» al'er brauchst Du nicht zu denken, damit ist'S Nicht s." Die drei anlern Hunde hatten nicht von dein Känguruh fortwollen, weßwe^cu wn- Beide rcn Marsch allein fortgesetzten. Nachdem wir al'er etwa drei Meilen gemacht, glaubte ich, das sei weit genug, und wollte gerade den Rückweg antreten, als Hcttor stille stand imo dcn Kopf vorstreckte/ ganz wic ein Hund, welcher Nil» wittert. Was hat er jetzt im Wind? dacht' ich bei mir. Ist cs Fettes weqen wohl einen 3ch:>ß werth; ich mnß jedoch vorsichtig sein. Vom Pferde steigend, welches ich an einen Baum band, schlich ich leise der Richmng zu. nach wclcver Hcktors Schnüffeln hinwies, als zu meinem Grstannc», das wahrhaftig größer war, als »nein Schrecken, eine scharfbelontc Siinimc ausrief: . . „Wer ra?" , ,, ', Teufel! dachl' ich, noch mehr Bushranger? Nun sitz' ich m d:r Patsche! „Der da?" wiederholte die Stimme und ich hörte das wohlbekannte Schürft«, welche« das 3p«mmn eines Gewehchahnes hcr- l48 vorbringt, ans einem naheliegenden Gebüsch klingen. Ich sah hin und gewahrte den glänzenden Lauf einer Muskete, der gerade auf mich her aus den Blättern hervorguckte, was mir, aufrichtig gc« standen, nicht sehr angenehm war. „Gut Freund!" rief ich eiligst. „Steh'. Freund! Rührst Du Dich, s» schieß ich Dich nieder!« ?lh, dacht' ich, jetzt ist's vorbei, diese Schurken machen gewiß cine Scheibe aus mir und weifen mich dann in den See, den si^ nahe genug bei der Hand haben. Im nämlichen Augenblick jedoch vcrnabm ich den eigenthümlichen Waffcnklang crcrcirtcr Soldaten, wie sie ihre Gewehre schulterten, und sogleich daranf kam ein Trupp Soldaten nnter Anführung eines Sergeanten aus dem Dickicht hervor. „Hnrrah!" schrie ich und machte einen Freudensprung. „Gut gemacht, Hcktor!" „Hurrah? Zum Henker, was habt Ihr denn zu hnrrahcn?" fragte der Sergeant. „Hört mal, guter Freund, ich habe so 'n^ Ahnung, daß der nächste Sprung, welchen Ihr ma°cht, der von der Galgcnlcitcr sein dürfte. Nehmt ihn gefangen .... schlaqt an! .... Ja, seht Ihr, jeder Widerstand ist nutzlos .... Nag der Hallunke für 'nc schöne Büchse hat! Sicherlich 'mm armen Ansiedler geraubt," „Zum Teufel, was wollt Ihr denn?" rief ich aus. „Ic^ irrt Euch gewaltig!" „Keineswegs .... da, schnürt ihm die Arme auf den Nucken .... 'nen Vissel fester .... so .... zwei Mann mit angeschlagenem Gewehr znr Seite .... so. Und nun, Freund, führe uns h^ wo die übrigen Hundsfötter hausen, cber Du kriegst 'ncn paar su schöne Kugeln in Deinen schuftigen Leib, als nur je aus einer königlichen Form hervorgingen. Führ' uns, sag' ich!.... <^u willst nicht? Wart' mal! Steckt Eure Vayonnettc auf und kitzelt ihn 'nen Vissel. Aha, das thut's." 449 „Donnerwetter!" rief ich aus; „das heißt den Spaß zu weit getrieben. Ich bin kein Bushranger, sondern selber mit in der Verfolgung derselben begriffen. Ich bin ein Gentleman." Das Gelächter, in welches die Soldaten über meine Worte ausbrachm, machten den Wald widerhallen. „Gin Gentleman? Ein prächtiger Gentleman, fürwahr!" sagte der Sergeant. „Schade, daß wir keinen Spiegel hier haben, damit Sie wenigstens sehen könnten, wie ein Gentleman aussieht, wenn er sich mit dem Waldlcben abgibt." Diese Bemerkung führte mir auf einmal zn Sinne, daß mein Aussehen die Srlraten wirtlich gar leicht vermögen könne, mich für etwas ganz Anderes zn halten, als ich war. Ich hatte meine Waldklcider an, welche von Strapatzcn aller Art übel zugerichtet und übcrdicß von dem Vlut der verwundeten Kameraden besteckt waren. Auch mein dreitägiger Vart konnte mich eben nicht sehr verschönern nnd ich mochte allerdings dem Vildc entsprechen, welches sich die Soldaten von einem Bushranger entworfen hatten. Meine Lage würde mir in Wahrheit selber komisch vorgekommen sein, wenn sie nicht zugleich ciuc so verteufelt gefahrvolle gewesen, denn die beiden Soldaten hinter mir mit gespannten Hahnen und aufgepflanzten Bayonnettcn, welche zn meinen: besondern Comfort geschärst zn sein schienen, hielten, wie ich mit Schauder bemerkte, ihre Finger an den Drückern und waren bereit, mich auf den geringsten Wink ihres Commandanten hin mit dem Inhalt ihrer Gewchrläufe zu bescheercn. Wußte ich doch ganz gut, daß sich Soldaten im Walde ganz und gar Nichts daraus machen, einen Bushranger niederzuschießen, der, wie di< Juristen sagen, iu ll»ssrnnti llelictu gefangen worden ist. Der kalte Schweiß rieselte mir über den Rücken hinab und die Soldaten mochten meine Bewegung merken, denn der Sergeant sagte: „Seht mal den feigen Hund! Wie schmählich sich der Kerl bei dem bloßen Gedanken, erschossen zn werden, fürchtet! . . .. 150 Gebt Obacht, Leu.?, schießt aber nicht »ach ihm, wenn's niciK nöthig ist .... Nun, mcin Holdester, m.rche von Deinen Fützcn Gebrauch!" „Ich will Guch von Her;cu gern hinführe», wo die Vu^h-ranger sich besiuden," sagte ich, „denn . , . ." „Ah, Du willst es thun, nicht wahr? Hui, 'nen sauberer Kell für 'nen Bushranger, Schuft gcnug, mn seine Kameraden zu Verrathen." „Ich verrathe Niemand, ich!" „Halt' Deine Schnauze und mach', daß Du vorwärts kommst, sonst lasse ich Dir hinten wieder die Spore» einsetzen, und gib Acht, daß Du uns keine Flunkerei machst, oder Du wirft es Dein Leben lang bereuen muffen, was freilich, uebciil'ci gesagt, gar nichi mehr sehr lange seiu würoe. Halt' Deine Schnauze!" N'ie?crh»ltc 'ver Sergeant, als er bemerkte, daß ich sprechen wollte, „uno brina' uns ohne viel Geschwätz ,;u Deinen gaunerischen Kameraden. I^ sollst ihnen nicht erst durch Dcinc schwarz, vcvrathcrifche Zun,^ «ine Warnung zukonunen lassen." In dieser sauftmüthigen Weise ,511m Schweige» ge^wiiügen, liättc ich jetzt, mit auf dem Nucken geschnürten Händen, die beste Gelegenheit zum Philosophiren gchibt, 5. B. darüber, wie iu den Schicksalen des Menschen oft ein so schneller Wechsel eintritt «nt, dergleichen mehr, allein ineinc Gedanken wurden bald wieder durch das an einen Aaum^weig angebundene Pferd auf die Auße,ioi,wc hingelenkt. „Ei da!" rief mein Quälgeist beim Aublick des Thieres aus „reiten die Bushranger dcnualcu? Und wahrhaftig das Pferd dc? Friedensrichters vom Clyde! .... Niederträchtiger Schurke, Du hast den Friedensrichter erschösse» .... ruhig, still, keine von Deinen Lügen!------Williams, führt das Pferd!------ O, der Hallunte, «inen Friedensrichter ^u erschieße»! Viu Vnshranger einen Friedensrichter! Nun wohl, das verdient einen doppelten Strick! <5l Still, sag' ich, miiltse noch mal, und ich lasse Dir einen Knebel in's Mau! stecken, an welchem Du lai:en kannst. Stupst ihn nur 'nen Nisscl von hinten, wenn cr 's Maul aufthut.....So ein verdammt schuftiger Bluthund soll wenigstens uns feinen Bären aufbinden." Gut, dacht' ich, das ist 'ne allerliebste Situation für einen Farmer ans Surre» nno Gentleman in den besten Ialircn! Kaum der Gefahr, uou den Vnshrangcl» totgeschossen ,;u werdcn, cut^ gangen, und nun mit größter Wahrscheinlichkeit dein Erschießen von Seiten der Soldaten entgegengehend! .... Das ist aber sicherlich das letzte Mal, daß ich auf eine Bnshrangcrjagd gehe, so viel ist gewiß. Dieß Alles dürft' ich aber bloß denken, denn 5cr fürchterliche Sergeant hatte ein scharfes An.ic auf mich und ich hatte die Androhung der Kugeln und der Aavouuoitstichc keincsweg« vergessen. So zoa/n wir fürbaß, bis wir wieder bei dein Känguruh anlangten , welches die Hnndc aus irqend einer Ursache verlassen hatten. Auch Helwr war wcg und nirgends zu sehen. „Aha, da ist ihr Mittagsbraten," sagte der Sergeant, „und ein prächtiges Snick Fleisch ist's, das muß man sagen. Wir sind anch richtig auf der Fährte____da lauft sie hin------tonnen zudem »icht mehr weit von den Strolchen entfernt sciu . . . .^Was meint unser ehrlicher Freund da;u? .... Or uictt? Ah so, er ist gesckeidt und weiß einen Wink ;u verstehen," sehte er lachend hinzu, als er bemerkte, wie ich meinen Rücken an der Stelle, wo micb das Bayonuctt gekitzelt, an einem Aaum ricl>. „Nun aber z« dem Känguruh. Johnson, Ihr wißt l5ucr Messer gut zu handhaben, schneidet es mal in der Mitte auseinander!" „Wie sollen wir's aber fortbringen ?" fragte einer der Soldaten. '„Nun, wir legm's a erstreckt sich ja kaum eine Niertelmeile in den S« hinein. <53 Macht Euch also hübsch fertig, meine Bursche, der Tanz wird gleich losgehen. .... Wellen aber so frei sein, unsern Freund mit dem Känguruh 'ncn Bissel zu knebeln, um unser kostbares Leben nicht feiner Vcrräthcrci preiszugeben. Das Maul auf, Du Spitzbube, oder ich brcch's mit dem Ladstock auf.____So, mm befinden Sie sich ^a ganz comfortable. .... Vorwärts marsch!" Im indianischen Zuge marschirten wir leise weiter, das Pferd an einen Baum gebunden zurücklassend. Der alte Sergeant führte aber den Zug mit einer solchen Schlauheit und Umsicht vorwärts, daß wir lautlos an unsere Schildwachcn zu Pferde heranrückten, ohne daß diese Etwas von uns wahrnahmen. Unweit einer derselben machten wir Halt, allein das Pferd, welches die Fremden witterte, bevor der Neiter ihre Anwesenheit ahnte, begann zu schnauben und verrieth dadurch unsere Gegenwart, woranf der Reiter augenblicklich eine seiner Pistolen auf uns abfeuerte und fortsprengte, um Lärm zn schlagen. Wahrscheinlich mochten die Käuguruhkeulcn, welche ich auf der Schulter trug, wohl am meisten hervorgeragt haben, denn die Kugel traf den ciucn Hüftknochen des Wildes, und da dieses fest an mich angebunden war, so warf die Erschütterung mich sammt meiner Last über den Haufen. „Der Schuß hat dem Galgen Abbruch gethan," fagte der Sergeant. „Ruhig Leute, und kaltblütig!" Die Soldaten waren indessen nur wenige Schritt weit vorgerückt, als ihnen der Friedensrichter mit allen waffenfähigen Männern entgegentrat und ich konnte die Einzelnen deutlich erkennen, wie sie Alle zum Kampfe herbeieilten." Die Kaltblütigkeit des an derartige Auftritte gewöhnten Sergeanten und die Disciplin der Soldaten bewahrte beide Abtheilungen vor einem blutigen Zusammentreffen. „Nir sind eine Abtheilung Soldaten und Euch überlegen," <54 rief der Sergeant. „Ergebt (5nch daher lieber der Gnade des Gouverneurs!" ,,Hurrah!'' schrieen nun ihrerseits^ die vermeintlichen Aüsh. ranger. „Hurrah'!?" sagte der ruhig alte ckriegsluccht, über diese scheinbare Nichtachtimg seiner Würde ärgerlich .... „Hurrah? Ihr scheint recht auf das Hurrahschrcien versessen zusein, meine wackern Vurschcn. Das Erste, was der Mann that, den Il,r su cden niedergeschossen, war auch, daft er Hurrali schrie, ich ineinc aber „Alles iu Ordnung," unterbach ilni eine Stimnie, die ich unendlich gern hörte, „wir find Freunde." „Der Friedensrichter von Ll«de! Nnii. cc< freut mich, d^ß Sie ,wch an« Lcl'en sind, hielt Sie aber für Äushraligcr. Gott verzeih' mir, ich wcrdc mich doch mit deni Andern nicht auch abirrt l>al'en, " „Mit welchem Ändcr»? Was meinen Sie?" , „Je mm, wir nahmen da einen absonderlich wilo ilnd rauhhaarig alissehendcu Kerl gefangen, gewiß einen der scheußlichsten Bushranger, den ich jemals gesehcu, uud führten ihu mit uns. Da hat ihn aber die wahrscheinlich von Ihnen ausgestellte Schildwache erschvffen .... Hoffentlich wird's tcin Sckadc sein?" „Das muß Thornlcy sein!^ rief der Friedmsrichter aus,- „^, ist er?" «O, nicl>t weit von da," Alle lamen jelzt herbei, um mich zu suchen, jedoch verginq einc gitte Weile, deuor sie mich finden fouutcn, vcun da ich eincn Kucl'el im Äiundc hatte, vermochte ich ihr Rufen nickt zu ^antworten, endlich aber faudcn sie mich und glaubten, wcil es dunkel war, ich sei in cincm trostlosen Zustand, denn, vom Blute des Kängurilh durchnäht, die Arme aiif den Nucken gel'Uüden nn> ac- 155 lnebctt, vermochte ick nur dnrch hohles Aeckzen ai'.;udell!cn, daß in'ch Leben in mir sei, «TS ist schon beinahe vorüber mit ihm," sagten Einige, ,,wallen ihn aber doch wenigstens von scincu Bandeil befreien." Sie lcsten die Stricte nnd fanden zuglcicli den Knebel, ^tafck wurde ich davon befreit und die eisten Worte, die, wic ich mich erinnere, sagte, waren: „Gebt Acht anf das Fleisch! 's ist das beste Stück, welches ich jemals gesehen, und wir wcrden's zum Abendessen wohl brauchen tonnen," ,,(5i," sagte der Friedensrichter lachend, „wenn Sie r,och vom Abendessen reden lönncu, so kann cs nicht so vcv;we:fcll stehen. Aber cv^iylc« Sic doch Ihre Abenteuer!" Ich mußte jetzt Alles gcnan berichten und in diesem Vericht uergaß ich natürlich das freundliche Zureden der Soldaten mit den VavolmettspilM nicht, da gerade dicscS Experiment mici» verhindert hatte, das Mißverständnis; zu beseitigen. Ich mustte aber diesen Theil „leiner ausgestandenen Gefahren wohl scl,r tlaglich schildern, dcmi lciner der Männer vermochte bei der Vorstellung meiner tragikomischen Lage ernsthaft zu bleiben, und zuletzt brach der ganze Kreis in ein so schallendes Gelächter aus, daß die Bushranger, wenn sie es hörten, gcwisi darob erstaunt und crscknrckeu sind.... Da wir nun von ecr Ucbcr^ahl der Feinde Nichts mehr zu be< sorgen hatten, „lachten wir ein Fcncr an und richtclcn d,^s Känguruh auf die gewöhnliche Walvart zu einem dclitan-n Braten zu, „Thornlcy, " «"hm der Friedensrichter nack ci"cv Weile das ^hornlcp?" sag,e dcr Sergeant, ihn nntcrbrechcud. „Fur diesen"Gentlenmn hab' ich '"«" Brief. Ist mir leid, daß ich der Ueberbringer schlimmer Ncmgttitcn sein mnß. Ihr Haus und Ihre Farm ist abgebrannt. . . , Dieftr Brief wird Ihnen übrigens Alles sagen. Hier ist noch einer fur einen gewissen Master Ae . . . . 156 res .... ford . . . . O, bedauere, daß Sie verwundet sind, Sir aber man gewöhnt sich d'ran.... So, ich will Ihnen diesen bien-nendcn Spähn halten, daß Sie besser sehen können'" Beim Lichte dcö trockenen Ccdcrspahncs, welchen der Sergeant zn Bercsfords Bequemlichkeit cmvorhiclt, las ich sofort folgenden Brief: „Liebster Mann! „Das Unglück, welches über uns gekommen, sowie der Schreck und der Nachtfrost haben mich so erschüttert, daß ich ich kaum an Dich zn schreiben im Stande bin, allein die Soldaten können sich nicht lange aufhalten, weil sie in der Verfolgung der Bushranger begriffen sind. „Gott sei Dank, Leben haben wir keines eingebüßt, allein das Haus mit fast Allem, was darin war, ist abgebrannt und die große Waizcnfcime soll, sagt man mir, noch jetzt brennen. „Auf welche Art das Feuer auskam, vermag ich nicht an:u-geben. Dick hat die Pferde aus dem Stall gelassen, damit sie nicht verbrannten, die Sättel jedoch und das ganze übrige Geschirr ist theils ganz zn Grunde gegangen, theils arg beschädigt. „Das Vieh retteten wir glücklich aus der Umzäunung i,^ die Merinoschafe haben sich im Wald zerstreut. Der scharf-gchendc Wind machte das Feuer erst recht gefährlich. An Lösche war gar nicht zu denken nnd das Denken wäre auch von keine», Nutzen gewesen___ ja, wenn wir ein paar Londoner Spritzen bei der Hand gehabt hätten, danu .... «Die arme Luch Moos bemerkte die Flamme zuerst, gerade wie sie das am Hanse anfgcthürmte Holz ergriff, und bald darauf stand unser Nohngebäudc bereits in heller Glut. Die Leute fürchteten sich, nahe hinzugehen, von wegen dem Pulver-fäßchcn, welches Du kürzlich erhalten hast. Wir blieben die Nacht über in der alten Hütte am Bach, die Nachbarn leisten uns übrigens freundlich alle mögliche Hülfe. 157 «Es ist jetzt sieben Uhr. Eine Abtheilung Soldaten, welche von dem Gouuerncmcnt gegen die Bushranger abgesandt wurde, lagerte die Nacht auf dem Den-Hügel. Als sie daß Feuer erblickten, glaubten sie, die Bushranger hätten uns einen Besuch abgestattet. Schnell kamen sie daher herab und halsen, wie sie konnten, vermochten aber nur Weniges zu retten. «Ich bin sehr um Dich besorgt, da wir seit jener Nacht Nichts von Euch veinommm haben, indessen sind mir die Soldaten, welche Eurcu Fährte« folgen wollen, ciu großer Trost. Der Sergeant scheint ciu tüchtiger Mann zu sein, und obwohl er sehr grimmig d'reinsieht, wirst Du doch eine große Freude an ihm haben. Cic sagen, sie winden mit den Vnöhrangern, Falls sie dieselben erwischte», lurzen Prozeß machen, denn die Schufte haben eiuen Solvaten bei Pitt-Water erschossen, und seine Kameraden sind deßhalb höchlich aufgebracht. //Ich will zu Gott hoffeu, daß Du allen Gefahren glücklich entgehen wirst, laß' aber, ich bitte, lieber die Soldaten die Sache ausfcchteu, denn es ist ja das Geschäft derselben, sich mit den Bushrangcrn herumzuschlagen. Mögen Euch die Soldaten nur bald treffen! William wäre gar zu gern mit dcm Sergeanten gegangen, um sich Euch anzuschließen, allein ich überredete ihn, hier zu bleiben, da er uns im gegenwärtigen Augenblick hier von größerem Nutzen sein kann. „Der alte Sergeant sagt, er müsse jetzt aufbrechen. Leb' denn wohl! Der Himmel sei mit Dir. und komm doch, ich bitte Dich, recht bald heim, denn jetzt, wo die Soldaten bci Euch sind, habt Ihr ja chucdieß Lcutc zum Kämpfen genug. Herzlich grüßt Dich Deine treue Marie Thorn ley." Iu der Zeit, welche ich mit dcm Lesen dieses traurigen Schreibens zubrachte, traf der tapfere Friedensrichter alle nöthigen Au- ,«,8 stalten, um tic Buohraugcr lwch in ler Nacht, bevor sic die Ail-funft der Soldalcn erführen, zu überfallen. Wessen Inhaltes der au Bcreoford gebrachte Brief war, vermochte ich damals »icht zu erfahren, und bemerftc nnr, daß <^-denselben wiederholt las uud dann sorgfältig elnsteckte. Ich war durch den Brief meiner Frau eine Weile ganz betäubt und wußte nicht, was ich beginnen sollte. Mein erstes Gefühl trieb mich auf der Stelle nach Hanse, jedoch war dieser Vorsaß leichter gefaßt, als auc^gesuhrt, denn ich war i'iber dreißig Meilen von meiner Anfiedlung entfernt und daß 5!aud bot in seinem wüdcn Zustande fnr den einzelnen Reisenden sehr viele, fast unüberwindliche Hindernisse. Abgefcheu vrn reu Schwierigkeiten des Terrains l!»ntc ich auch gutin Grund zu der Vcrmiitlumg, daß oie Eingeborenen zwischen unö unv den ^lnsicdlilugc» umherschweiften, mid als (»iuzclner ci»e» Kampf mit ihnen zu risliren, wäre mehr al vlötzlich: „Freiwillige zum Rachtangrifs hervor!" „Wir brauchen zu diesem Geschäft feine Freiwilligen," bemerkte der Sergeant, „denn ich bin bcr M«mnng, es wäre beffer, wenn Sic mis das allein abmachen ließen und inzwischen Ihre Verwundete« rflcgteu. W^r ö>'!?am, siuv stars genug, und f»m-men wir nur erst au die Schürfen hinan, so wollen wir ihnen schon zeigen, was wir vermögen." „Ah so, Herr Sergeant," sagte der Friedenerichtcr, „Zie mochten gern den Spaß für sich allein habeu? Dicßma! nbcr, glaub' ich, daß Sie Necht haben, uud ich meine, Gentlemen, Sie sollten zurüsN'Ieil'en uud für die Verwundeten Sorge iragcu. Ich übrigruo werde »lit den Solda cn grhc», rcnn die Gegeuwart cincs Beamten fönntc nicht überflüssig sein, und Ihr, Worrell, mügt mich begleiten, um, wenu es nöthig wme, als Ossandttr odcr Herold ni dienen.^ 159 Der Trupp brach «uf mid wir blieben am Feuer liegen, hielten aber dessenungeachtet strenge Wache und erwarteten mi: baugcm Herzfli-pfcn den Ausgang dee Kampfes. Mehrere Slnndrn harrten wir so. bis Worrell endlich zurück-lam, inn uns M rapportiren. daß sic feme Spur von dc» Bush-rangcm hätten finde» können. Uninittclbar darauf kehrten auch die Soldaten zurück und drr Sergeani stellte eine Postenkette über die ganze Breite der Halbinsel ane. damit die Räuber in» Dmlke! dcr' Nacht nicht an unv vorübcrschleichcn fönuten. „Wir I'railchcn i,»ö nicht z>« beeilen," demerlte dcr alte Soldat, „die slnd uns czewiß und mit Tagesanbruch lönnen wir fie wie Raticn in ci»e>» Winkel fangen." „Ja, aber eine eingeschlossene ^iatte ist ei» gefährliches Thier," sagte Acrcoford, So blieben wir, bis der Tag anln'ael,, ließen danü die beiden Reiter als Tauvegarde bei den Herwunocteu ziirnct »nd drachcu canmit u»o souderö ails, l»n mit den Vuohrangeru ^nsamlncn zn treffen. Aber wir suchten sie vergebens ans der Spitze der Landzunge, keine Spur war von ihnen zu erblicken und nach fahrten suchend, gclanglcn wir endlich, mehreren tiefen Rinnen folgend welche durch da5 Schleppen schwerer Holzblöctc entstanden waren, an das User des See'«, wo auch kleine Stücke von Lercrseilcn umher lagen, als seien sie erst kürzlich abgeschnitten worden. „Glaubt mir," sagte der erfahrene Worrell, „daß sie uns beobachtet und die Ankunft der Soldaten bemerkt haben. M blieb ihnen dann kein anderer Ausweg übrig , als von dem umherliegenden Holze eine Art Floß zu bauen, auf welchem sie dann wahrscheinlich nach dcr kleinen Schlangcninscl dort drüben entkommen find. Sie konnten das leimt bewerkstelligen, denn es ist kanin eine Vier-telmeile hinüber nnd was versucht man nicht A!l?c-, wenn eo gilt, 5cm Strick zn entgehen?" -Nie sollen wir ihnen nber nachkommen?" fragte der Ser- 16« geant; auf die nämliche Art doch gewiß nicht, denn sie könnten uns ja einzeln vom Floß hcrimterbuchscu, wie man Abends Kakadu's von den Zweigen schießt. Freilich werden sie wahrscheinlich aus Mangel an LcbcnZmittclu umkommen, allein wir müssen dennoch sehr auf unserer Hut sein und zusehen, was sich machen läßt. Hätten wir nur ein Boot, so könnten wir's noch eher versuchen, obgleich es auch daun ein verflucht kitzliges Unternehmen wäre." ,.Vin Voot?" sagte ich nachdenklich. „Da kommt es mir in den Sinn, daß hier herum ein Boot von einer Gesellschaft, welche voriges Jahr den See auskundschaftete, versteckt sein muß und zwar au dem linken Ufer so ciner Landzunge, wie wir uns auf einer befinden," „Nenn das ist," sagte der Friedensrichter, „so muß es wahrscheinlich an jener Halbinsel sein, welche man dort etwa drei Meilen entfernt sehen fann. Wollen uns jedenfalls danach umthun, .... Aber nicht wahr, Thornlcy, Sie möchten gern zu den Ihrigen heim? Wir können jetzt recht gut die Sache ohne Sie beendigen, und wenn Sie es wage» wollen, so nehmen Sie mein Pferd. Aber ich muß Ihnen sagen, daß Sie meiner Meinnng nach einen gefährlichen Weg vor sich haben. Daß Sie aber nach Hause möchten, wird Ihnen sicherlich leincr üdcldcnten." „Mit dem „zu Hause" isl's wohl für den Augenblick fur mich vorbei," erwiderte ich; „allein ich möchte in der That möglichst schnell zu den Mcinigin zurück, und wenn ich mich ans Ihr Pferd verlassen kann, will ich es wenigstens versuchen." „O, waS das Pferd anbelangt, das ist vortrefflich." rief der Richter aus: „es geht iu's Wasser, wie eine (5nte, und aus dein Sattel heraus können Sie schießen, so sicher, wie aus einem Arm stuhl, denn es steht felsenfest." „Wohlan, so will ich gehen," sagte ich. Hierauf nahm ich Abschied von meinem jungen Frennd Veres-ford und meinen übrigen Kameraden, und verließ sie damit beschäftigt l6l die Bushranger in ihren letzten Zuftuchtsrrt zn verfolgen, nud wandte mich der Heimat zu. Freilich hätte ich weitab besser gethan, wenn ich bei ihnen geblieben wäre, allein ich hatte keine Ahnimg von den Stravatzcu und Fährlichkeiteu, welche ich anf meiner Wanderung dnrch dic öden Wildnisse der Insel zu bestehen haben sollte. Vierzehntes Kapitel. Thornlc».' bricht nach dein Llvde auf, versucht cixcn »ähcril Wc>> ^u »chmcn, !>.'>,N!ll >'0!l dcr rcchlcil Richtung >U' >,nt >;chc iü tcr A>ildinft irre. Eö war zu Vude Mai's, also Anfangs dcr Winlerjahreszeit in Vandiemciiöland, als ich meine Kameraden am Ufer des großen Scc's verließ und, tranrigcr Gedanken voll, mcinm Heimweg antrat. Zuvor untersuchte ich jedoch sorgfältig mein? Wasicn und hatte dann, mit einer guten Doppelbüchse und zwei Sattelpistolcn aus» gcrüftct, ein ziemlich scstes Vertrauen aus meine Kraft, da ich ja nichto Anderes beabsichtign', al.< die Ansiedlnngcn zn erreichen, und ich durchaus keinen Kampf, weder mit Anohran^ern noch mit Oin-gcborcnen, aufsuchen woüte. Zudem war es bis zum Elyde höchstens dreißig Meilen weit und mein Pserd war gut, wcßwegm ich, des unebenen Terrains und des Umstandcs, daß ich bereits cinige Morgenstunden versäumt hatte, ungeachtet hoffte, die Meinigcn vor dem nächsten Morgengrauen zu erreiche». Wie sich's von selbst versteht, begleiteten nuch Hcttor nnd Fly, Äl>c>!tc»cr cixcö '^u-w,'>!ilc'>cv^. l. 1i 162 Ich hotte ungefähr drci oder vier Meilen zurückgelegt als ich am Fuß cinco steilen Hügels ankam, welcher sich in Verbindung nnt nlchrcren andcvn vom See aus in südöstlicher Richtung hinz^ Als ich bei Verfolgung der Vushranger mit meinen Genossen diesen Abhang hcrabgcsticgcn war, hatte ich auf die Steilheit desselben wohl geachtet, und als ich jetzt wieder nnten am Fuße desselben stand, suhlte ich mich stark versucht, das (5rklimmeu desscll'cu zu umgehen, wcßwcgcn ich mich scharf umsah, ob mir wohl nicht irgend ein Thal oder eine Schlucht einen bequemeren Durchgang verspräche. In der That erblickte ich rechter Hand eine Vertiefung, welche wenigstens einen leichteren liebergang darzubieten schien, nnd weil ich durchaus glaubte, es handle sich nur darum, auf die ciue oder andere Art über einen Hügel wegzukommen, so zögerte ich nicht, den Kops meines Pferdes nach jener Richtung hinzulenken. Uebri-gcns sah ich bald, daß hier eine optische Täuschung obgewaltet haben müßte, denn ich fand mich nach einem kurze» Nitt von einer Reihe nicht sehr hoher, aber äußerst steiler Hügel umgeben, „„h mich immer weiter rcchtshin wendend, k-cil ich das Ucbcrkleitcrn einer so jähen Anhöhe scheute, durchritt ich mehrere anmnthige Thäler, dic mir aber alle den gchofftcn Durchvaß nicht gewährte,, und nun entschloß ich mich endlich, nicht länger in der Irre umhcr-zliwandirn, sprang ans dem Sattel, faßte den Zügel des Pferdes «nd sing an, den zunächst vor mir liegende» Hügel, mochte er auch noch so steil sein, hinanfziiflimmen. Sobald ich den Gipfel erreicht hatte, glaubte ich, ich sei ft^ meinen Umweg hinlänglich belohnt, da ein sich weit hindchnendcs Thal vor mir lag, in welchem ich, wie ich wähnte, den vielen a„f dem andern Wege vorkommenden Hügeln entgehen würde. IH hegte auch keinen Augenblick Zweifel, daß ich meinen Weg nach dem Clyde auf die cine oder andere Art sindm müßte, und der Gedanke, ich würde im Walde irre gehen, stieg nicht ein einzig Mal in mir auf. l63 Guten Muthes ritt ich also das Thal hinab, welches fünf oder sechs Meilen weit sich hindchntc, als ich mich mit einmal zu meiner nicht sehr freudigen Uebcrraschnng wieder ganz in derselben Lage, wie früher, sah, weil das Thal hier ebenfalls, wie an der obern Seite/ von einem Kreise niedriger, aber sehr steiler Hügel begränzt wurde. Vi, sagte ich zu mir, l'in ich einmal so weit gekommen, so soll mich auch kein Hügel mehr aufhalten, und wär's auch so ein steiler, wie der da vor mir. Jedenfalls habe ich dnrch das Thal fünf Meilen ganz bequem zurückgelegt. Ohne mich daher weiter mit Nachdenken aufzuhalten, kletterte ich, das Pferd wiederum am Zügel führend, die Anhöhe hinan. Gs war freilich etwas mühsam und die Aussicht oben auch nicht sehr ermnthigcn'o, denn einer wogenden Scc gleich lag eine scheinbar ins Unendliche fortlaufende Reihenfolge von Hügeln vor mir. Hügel oder Fläche, dacht' ich, hindurch muß ich jetzt, und so lange ich die rechte Richtung beibehalte, wird mein Marsch wohl einmal sein Ende erreichen. Abwechselnd arbeitete ich mich nun zn Fuß oder zu Pferde langsam fort, verstrickte mich aber dabei immer mehr und mehr in einem nimmer aufhörenden Hügclchaos. Das ermüdete mich in die Länge bedeutend, anch mein Pferd war augenscheinlich sehr abgemattet, weßhalb ich beschloß, eine kurze Rast zn halten, und warf mich in einem der fcffclartigen Thäler, welches die Aussicht auf einen tüchtig steilen Abhang vor mir bot, in's Gras. Hcktor und Fly kauerten an meiner Seite nieder nnd das Pferd ließ recht wehmüthig den Kopf hängen. Ich nahm ihm den Sattel ab, damit es sich etwas verkühle, nnd zog es nun ernstlich in Erwägung, was ich beginnen nnd welchen Weg ich einschlagen sollte. Inzwischen nmzog sich der Himmel mit dicken, undurchsichtigen Nebeln, welche mich sehr bald des Anblicks der Sonne 164 leraubten, wodurch das Thal, in welchem ich rastete, cin hbchst unfreundliches wildes Llnösehen bckan>. Das will mir nicht gcsallen, dachte ich, und ich muß mache,, daß ich wieder fortkomme. Mich zum Aufbruch rüstend, versuchte ich mir dic Nichtunq welche ich einschlagen sollte, genau zu vergegenwärtigen, und jetzt fühlte ich zum ersten Mal, daß ich eigentlich keine deutliche Vorstellung hatte, wo ich mich eigentlich befände. Zugleich fühlte ich mich von jenem unbestimmten Bangen erfaßt, welches gewiß jeden durchfröstclt, der sich verirrt hat oder verirrt glaubt. Uebugcns bewahrte ich mir noch immer meine Nnhc, und nachdem ich, so gut es sich thun ließ, die verschiedenen Biegungen berechnet hatte, welche ich im Laufe des Tages gemacht, bevor ich den jetzigen Fleck erreichte, bekam ich die Ueberzeugung, daß ich mich links über die Hügelkette wegmachen müsse. DaS Pferd streichelnd und die Huude liebkosend, begann ich daher meine Wanderung aufs Neue, fand aber den zunächst vor mir liegenden Verg beinahe noch schwieriger zu ersteigen, als die früheren, und als ich endlich tüchtig ermüde den Gipfel erreichte, Mannte ich, daß meine Lage sich dadurch keineswegs verbessert habe, denn Hügel hinter Hügel thürmten si.«„<. « l82 welche ich jetzt machte, zu erneuern. Die Womera hätte mich sicherlich getroffen, hätte ich nicht einen raschen Seitensprung gemacht, und selbst so sauste sie dicht an mir vorüber. Bevor ich nun auf den Indianer zielen sonnte, riß er daS gefährliche Wurfgeschoß an dem daran befestigten Lederseil zu sich zurück, hob eS in die Höhe und schleuderte es, ohne einen Augenblick zu zögern, abermals gegen mich. Blitzschnell sah ich die Womera auf mich zuwirbeln und schon im nächsten Augenblick fühlte ich den Schlag derselben an meinem linken Beine, welches ich Anfangs zerbrochen glaubte. Der Stoß warf mich auf ein Knie nieder und der schwarzhäutige Schurke stieß bei diesem Anblick einen trinmphirendcn Schrei aus. Im selben Augenblicke feuerte ich auf ihn. Der Knall meiner Vüchse schien ader der ganzen Vcmde das Signal zum Angriff zu geben, denn ein Dutzend Wille brachen zugleich ans dem Dickicht, wohinter sie versteckt gewesen, heruor und rannten mit wildem, infernalischem Geheul auf mich zu. Sie glaubten ohne Zweifel, ich sei nach dem Abfeuern meines Gewehres vertheidigungslos, nnd rasch und unerschrocken kamen sie herbei, ihre WaddieS jauchzend über den Köpfen schwingend, in der barbarischen Hoffnung, die Härte derselben schon im nächsten Augenblicke an meinem Schädel zu erproben. Allein ich verlor die Besinnung nicht, blieb auf den Knieen liegen, feuerte den zweiten Lauf meiner Büchse ab und sah, daß ich den Voranrennenden getroffen. Dieser zweite Schuß machte fie stutzig. Sie standen stiN und wußten nicht, waS sie von einem Gewehr zu halten hätten, welches man mehr, denn einmal loSfeuern konnte, ohne es erst wieder zu laden, und da ich bemerkte, daß sie unentschlossen waren, zog ich eine meiner Pistolen aus dem Gürtel und sandte ihnen einen dritten bleiernen Gruß zu. Dieß schienen sie doch etwas unangenehm zu finden, denn 183 sie machten sich, so schnell sie konnten, unter den Schutz der Bäume zurück. Nasch lud ich Vüchse und Piswl wieder und erwartete einen zweiten Angriff. Heftor und Fly waren mir freilich bei der Sache nicht von dem geringsten Nutzen, weil sie sich vor den nackten Wilden fürchteten und sich hinter mir verbargen. Da sich nun aber die Feinde ganz ruhig verhielten, meinte ich nach einer Weile, meinen Marsch fortsetzen zu können, denn die Wilden wußten jetzt, luie ich sie zu empfangen vermochte. Als ich aber fortwollte, spürte ich erst, wie heftig die Womera mich getroffen, denn ich konnte kaum auf mein linteS Bein treten Ich hinkte jedoch, so gut es ging, weiter, denn ich hielt jeden Schritt, welcher mich der Heimat näher brachte, für einen großen Gewinn. Dicht au meiner Seite lag die Womera und ich hub sie auf, um sie mit mir zu nehmen. Sie war in Gestalt eines halben Kreises, aber so eigenthümlich gearbeitet, daß es sich nicht wohl beschreiben läßt. Man muß sie selbst sehen. Von ihrer Wirksamkeit hatte ich übrigens einen sehr schlagenden Aeweis erhalten. Sowie die Wilden bemerkten, daß ich ihre Womera mit fortnehme, die bei ihnen eine ebenso seltene als kostbare Waffe ist, und wohl sahen, daß ich hinkend sei, stießen sie ein wildes Triumph- und Nachegsheul auö, welches mir nicht eben lieblich in die Ohren klang, weil es nur allzudeutlich verrieth, daß sie ihrerseits fest entschlossen waren, einen Kampf fortzusetzen, welchem ich meinerseits sehr gerne auS dem Wege gegangen wäre, obschon ich nicht den geringsten Zweifel hegte, ihnen die Spitze bieten zu können, wofern mich nur meine Kräfte nicht im Stiche ließen. Hätte ich jedoch gewußt, daß der blutgierige und verbrecherische Sidney-Indianer, welcher in VandicmenSland unter dem Namen Musqulto bekannt war, der Anführer meiner Angreifer 1«4 sei, so hätte meine Zuversicht gewiß einen tüchtigen Stoß bekommen. So aber meinte ich, nur von einem gewöhnlichen Schwärm von Wilden angegriffen zu sein, und sah daher dem Erfolg mit muthigem Selbstvertrauen entgegen, Das Schlnunste sollte mir indessen noch bevorstehen, denn die Sache begann eine vicl gefährlichere Wendung zu nehmen, als ich Anfangs erwartet hatte. Was ich aber jetzt zu berichten habe, ist so schrecklich, daß ich es nicht über mich gewinnen kann, heute in meiner Erzählung fortzufahren, denn daS Gefährliche meiner damaligen Lage verursacht mir selbst in der Eriuneruug Nns>st und Schauder. Die Beschreibung meines verzweifelten Kampfes soll daher ein eigenes Kavitcl ausmachen. Sechszehntes Kapitel. Thonilcv rcttet sick in eine clns.uiislchcnde Hütte, — Die Wilden berenncn dieselbe und stecken das Tach in Vrand. — (5r flicht und erklettert eine» Vaum, welchen die Eingeborenen gleichfalls anzünden. — Sein Trd scheint unci»ö>i,'eichllchlich. — Unerwartete Rctnmg. Es war ein heiterer Tag und, wenn auch mit dem Anfang dcs Juni hier der Ansang des Winters zusammenfällt, so waren die Son-nenftralen, von keinem Nebel getrübt, denuoch kräftig geuug, mit ihrem Licht zugleich eine freundliche Wärme über die parkartige Ebene auszuströmen. Ich werde diesen denkwürdigen Tag, wo ich mit den Wilden kämpfte, nie vergessen. AlS einzelner Mann, inmitten endloser Wälder, von sechStägigcm Umherirren ermattet, 185 durch bange Nachtwachen und ungewohnte Nahrungsmittel beinahe aufgerieben, sah ich mich jetzt einen, Trupp mordlustiger Wilden gegenüber, welchen der kecke, bösartige Mnsquito zum Anführer diente. Wenn ich auf jcncn Tag zurückschalle, ist es mir in Wahrheit noch jetzt ein Räthsel, daß ich nicht schon dem Gedanken an jene Schwierigkeiten und Gefahren erlag und daß ich wirklich noch lebe, nm jene Schrecknisse zn erzählen. Doch zur Sache. So schnell, als cS wir immer möglich war, verfolgte ich meine Richtung nach Osten hin, noch immer hoffend, irgend eine Ansiedlung, irgend eine menschliche Wohnung zu erreichen, welche mir ein Asyl gewähren könnte, oder wenigstens die Spur eines Menschen odcr eines Hausthieres zu finden, welche mich hätte zn den Meinigen zurückleiten können. Mehrere Meilen weit ließen mich die Eingeborenen ruhig ziehen, so daß ich nicht einmal wissen konnte, ob sie noch in der Nähe seien. Ich sollte indessen bald erfahren, daß sie mich keineswegs ans dcn Augen gelassen hatten. Anfangs that mir mein von der Womera getroffenes Vein sehr weh und ich mußte stark hinken, nachdem ich aber einmal tüchtig warm geworden war, hörte der Schmerz anf und ich kam ziemlich schnell vorwärts. So hatte ich mehrere Meilen zurückgelegt, als ich zu meiner ausierordentlich freudigen Ueberraschung Plötzlich der Hütte eines Stockkecpers ansichtig wurde, auf welche ich in froher Hast zuraunte. Bevor ich mich jedoch derselben näherte, blickte ich vorsichtig nm mich, ohne indessen auch nur eine Spur von den Ein-geborenen zu sehen. An der Thüre der Hütte angekommen, rief ich: „Hollah he! Jemand hier?" Keine Antwort. >,Ist Jemand in dem Hans da?" wiederholte ich. „Ich habe mich im Walde verirrt und wurde von den Indianern angefallen. 186 Fürchtet Euch nicht vor mir. Ich bin William Thornley, Ansiedler am Clyde." Keine Antwort. Nnn pochte ich lant an die Thüre, indem ich n.'ch immer hoffte/ es könnte Jemand in der Hütte schleifen, welchen ich durch einen zn plötzlichen Gintritt nicht überraschen und in Schrecken jagen wollte, weil er mich sonst hätte für einen Vnshranger halten und nach mir schießen können. War ich doch schon von den Soldaten für ein solches Subjekt angesehen worden und ich durste durchaus nicht annehmen, daß ein sechstagiges Umherschweifen in der Einöde mein Aussehen verschönert haben werde. AlS aber mein wie< dcrholteS Pochen ohne Autwort blieb, mußte ich doch annehmen, die Hütte sei nnbewohnt. Ich versuchte jetzt die Klinke an der obern Hälfte der Thüre diese gab nach und ich öffnete, dann blickte ich vorsichtig hinein und «och viel vorsichtiger hinter mich zurück, denn ich hatte Grund genug zn der Annahme, daß meine Feinde mir folgen würden Weil ich aber von dem Bewohner der Hütte durchaus Nichts entdecken konnte, so öffnete ich jetzt auch dic nnterc Hälfte der Thüre und trat hinein. Ein einziger prüfender Vlick gab mir sogleich die Ueberzeugung, die Hütte müsse schon seit Langem unbewohnt gewesen fein, und das war mir nicht eben angenehm, denn ich hatte gehofft, hier Jemand zu treffen, der mir hätte die genaue Richtung nach meiner Heimat angeben nnb mir in meiner Abwehr der Wilde« Beistand leisten können. Doch auch ohnedicß war ich über die Entdeckung der Hütte erfreut genug, denn ich wähnte, dieselbe gewähre mir wenigstens einen augenblicklichen Zufluchtsort. Nor Allem ging ich jetzt daran, meine Festung zu untersuchen und bemerkte, das diese, wie diese Art von Gebäuden gewöhnlich eingerichtet ist, aus zwei Gemächern ober Abtheilungen bestand in deren innerer ein Fenster, in deren äußerer, also an der H>i>.' 187 teiwand der Hütte, ein Laden angebracht war. Auch vorn, der Thüre zur Seite, befand sich ein Fenster, zu welchem ebenfalls eine Klappe paßte. Nebrigens verstehe ich, wenn ich liier von Fenstern rede, darunter weiter Nichts, als eine in die Balken geschnittene Oeffülmg ohne Nahmen und Glas, um dem Licht und der Lnft Zugang zu verschaffen. Sowie Thüre und Fenster verschlossen wurden, war es im Innern dunkel, weil dann nur so Viel Licht eindringen konnte, als durch die Spalten der roh und kunstlos auf einander geschichteten Balken in die Hütte schlüpfen konnte. Ohne Zaudern machte ich mich an die Arbeit, um das Gebäude so gut, als möglich, gegen den erwarteten Angriff der Wilden, im Fall sie einen zweiten wagen sollten, zu befestigen. Ich fand, daß die aufrecht eingerammelten Stämme fest und stark genug wären, um einem nicht zu übermäßigen Anprall zn widerstehen, allein die Oeffnnng an der Hinterwand war gefährlich, weil sich dort die Feinde einen Eingang verschaffen konnten, während ich nach vorn mit meiner Vertheidigung beschäftigt war. Um diesen Punkt zu befestigen, riß ich die Wand, welche die beiden Gemächer trennte und auS gespaltenen Stämmen bestand, nieder und verbarrikadirte mit dem dadurch gewonnenen Material den innern Laden dergestalt, daß von dieser Seite kein Einbruch zu befürchten war. Auf die nämliche Alt machte ich auch das vordere Fenster fest und stemmte einen der Stämme, indem ich daö untere Ende desselben fest in den Lehmboden der Hütte rannte, gegen den untern Theil der Thüre, den obern Theil derselben nur mit dem Niegel verschließend, um ihn dann nnd wann öffnen und hinausschießen zu können. Diese Inrüstungen nahmen mir etwa eine Stunde Zeit wcg, und als ich damit fertig war, fühlte ich, daß ich sehr hungrig, und was noch schlimmer, anch sehr durstig war. Auf dem Heerb der Hütte stand ein eiserner Topf, daS gewöhnliche Kochgeschirr l88 ul der Hütte eines SlockkeeperS, welchen seiner Schwere und Nn-handlichkcit wegen der frühere BciHer wahrscheinlich nicht fortzuschaffen gewußt hatte. Der nämliche Grund verwehrte mir, lhn jetzt, da ich Wasser aufsuchen wollte, mitzunehmen, weil ich abcr fest darauf rechnete, daß eine solche Hütte höchst wahrscheinlich in der Nähe einer Quelle angelegt sei, entschloß ich mich, h, mein Durst immer unerträglicher wurde, dieselbe um jeden Preiz auszusuchen. Von diesem Entschluß getrieben, kletterte ich Von den Hunden gefolgt, welche sich so nahe, als möglich, an mir hielten, über die untere Thürhälfte hinaus, und sah bald zu meiner nicht geringen Freude, baß Fly, welche wohl ebenfalls vom Durst geplagt sciu mochte, nach furzen» Umherschnoppern gerade auf ein kleines Wasserbecken zuraunte, welches, kaum zwanzig Schritte vcn der Hütte entfernt, durch eine aus dem Voden hervorsprudelnde Quelle gefüllt wurde. Nachdem ich meinen brennenden Durst gestillt, sann ich nach wie ich wohl einiges Waffer in das Haus schaffen könnte, und da tch, wie schon bemerkt, den großen Topf nicht wohl handhaben konnte, ging ich wieder in die Hütte zurück, rückte den Topf dicht an die Thüre, lief dann abermals zn der Quelle, füllte meinen Hut und leerte nun diesen uon oben her in das eiserne Gefäß aus. Inmitten dieser Beschäftigung wurde ich plötzlich furchtbar durch Hektor in Schrecken gejagt, indem dieser wüthend bellend in den Wald sprang. Ich mußte natürlich besorgen, die Wilden wären da, ließ daher mcincu Hut fallen und kletterte, ^ schnell ich konnte, wieder über den untern Theil der Thüre in die Hütte. Es war aber nur ein blinder Lärm, denn wenige Sekunden später kam mein treues Thier zurück, eine Kängurnhratte iu, Maul haltend, welche er im Gebüsch gesehen nnd schnell getödtct hatte. l89 Diese unerwartete Veute machte mir nicht geringe Freude, denn ich hatte gänzlichen Mangel an Lebensmitteln, und es währte nicht lange, so ftackcrte Feuer auf dem Heerde und bnet HektorS Geschenk au der Flamme. DaS Thier, eines der größten seiner Art, war so schwer wie ein Kaninchen und schmeckte köstlich. Die treffliche Speise erkräftigte mich bedeutend und ich sing an zu überlegen, ob ich wohl mit meinem Aufenthalt in der Hütte nicht bloß die Zeit versäume. So genau ich die Tageszeit zu bestimme» vermochte, war es jetzt um die zweite Nachmittagsstunde und ich konnte also vor Einbruch ber Dunkelheit noch eine tüch» tige Strecke zurücklegen. Ich nahm deßhalb meine Nadel wieder hervor und ließ sie in den Topf fallen, um mich vermittelst ihrer zu on'cntiren, allcin sie sank auf der Stelle unler, weil das Eisen des Gefäßes ihre magnetische Kraft paralysirte. Als ich jedoch meiueu Hut mit Wasser gefüllt und, soweit ich konnte, von dem eiserneu Topf entfernt hatte, sah ich, daß ich vermittelst der Nadel die Himmelsgegend wieder zu bestimmen vermochte. Schon traf ich alle Anstalten, um die Hütte zu verlassen, war auch wirklich schou daran, mein rechtes Vein über die untere Hälfte der Thüre zn heben, als ein Knurren HcktorS mich zurückhielt. Der Hund trottete gleich darauf auf ein keines Dickicht zu, welches ungefähr hundert Schritte von der Hütte entfernt war, kehrte jedoch augcublicklich zurück und an seinem Winseln und ängstlichen Kriechen konnte ich abnehmen, daß er die Wiloen witterte. Sein Gebahren war nur allznwohl begründet, denn kaum eine Minute darauf sah ich eiuen Haufen von etwa zwanzig Eingeborenen, Männer und Weiber, unter Musquito'S Anführung schnell auf die Hütte zukommen Dle eingenommene Mahlzeit hatte mich, wie schon gesagt, gekräftigt, die Ruhe mich erfrischt und so fühlte ich, auf meine Feuerwaffen vertrauend, damals nicht die geringste Furcht, was 190 mir jetzt freilich unerklärlich genug ist. Ich konnte mich auf die Starke meiner kleinen Festung ziemlich verlassen und zögerte im ersten Allgenblick in der That, in die Schar der nackten Wilden, so mordlustig sie auch immer aussehen mochten, hineinznschießcn, allein diese Abneigung war bald verwunden, denn, den grimmige,, Musquito an der Spitze, näherte sich die heulende Bande snchell mcinem Zufluchtsorte und das Gefühl der Selbsterhaltung vertrieb rasch jede andere Empfindung. Der linke Lauf meiner Büchse war mit einer Kugel geladen, ich feuerte ihn ab und streckte mit dem Schuß einen Indianer z« Vodcn. Allein die andern ließen sich dadurch nicht irre machen und sanbtcn einen Schauer von Specren durch den offenen Theil der Thüre zu mir herein, von denen einer mir die linke Hand durchbohrte, während die übrigen hart an mir vorüber in die Hütte zischten und rechts und links in den Balken stecken blieben Ich schoß jetzt meinen zweiten, mit Schrot geladenen Lauf ab, warf den obern Theil der Thüre zu und schob den Riegel vor. Zum Glück machte sie der zweite Schuß stntzig, denn sonst hätten sie wohl ihre Absicht, die Thüre zu erstürmen, erreicht und ich hätte müssen verloren scin. Sie fingen jetzt an, ans eine gräßliche Art um die Hütte her zu heulen, und versuchten, das hintere Fenster zu öffnen, fanden es jedoch verbarrikadirt. Inzwischen lud ich mei«c Vüchse wieder, wobei ich jeden Lauf mit zwei Kugeln versah, weil ich einsah, daß die Wilden zum Acußerstcn entschlossen waren, und daß cS meine ganze Beharrlichkeit nnd Energie erfordern würde, mein Leben gegen ihre wüthenden Anfälle zu wahren. Unschlüssig, was ich jetzt beginnen sollte, stand ich dann neben der Thüre, als ein Speer mit einmal zwischen der oberen und der unteren Hälfte derselben durchgestoßen wurde. Glücklicher 191 Weise traf cr meinen Ledergurt, welchen er dnrchbohite. Ich erhielt jedoch dadurch Zeit, zurückzuspringen. Offenbar wurde jede meiner Bewegungen durch irgend eine Spalte von außen beobachtet, denn lau», hatte ich meine Stellung verlassen, als die Indianer mit einer Gewalt auf die Thüre losraunten, welche, wenn sie auf den obern Theil derselben gerichtet gewesen wäre, denselben ohne Weiteres eingestoßen hätte. So aber widerstand der untere Theil, welchem der dagegcngestemmte Stamm Festigkeit verlieh, und den Lauf mciner Büchse durch die nämliche Oeffnung steckend, durch welche dcr Speer gestoßen worden war, brannte ich erst das eine und dann daS andere Rohr auf die Stürmenden los. Ein entsetzlicher Schrei, dcr den fernsten Widerhall der Wälder wach rief, zeigte mir an. daß mein Älei getroffen haben müsse, und ich konnte die Wilden zurücklaufen hören, um aus den» Bereich meiner gefährlichen Waffe zu kommen. Jetzt trat für mich eine kurze Pause ein und tiefes, durch keinen Laut unterbrochenes Stillschweigen herrschte allum. Ich lud meine Büchse abermals und lauschte aufmerksam, fürchtete aber mein Auge an eine der Spalten zu legen, weil ich ja besorgen «nißte, eö lame eine dieser boshaften Hundeseclen nur darauf, «>ir einen Speer hineinzustoßen. Auf diese Weise brachte ich mehrere Minuten in ängstlicher Erwartung zu und konnte mir gar nicht einbilden, waS ste vorhatten. Aber während ich noch so erwartungsvoll dastand, tönte Plötzlich wieder das rasende Wuth- und Nachegchcul der (Eingeborenen in meine Ohren, und ich begriff leicht, daß sich ihr Grimm beim Anblick ihrer todten Kameraden verdoppelte. Ich hob nun einen schweren Balken gegen den obern Theil ler Thüre, da ich wohl mit Recht fürchtete, er würde einem aber-"'-a-igen ?lnprall nicht widerstehen können, und fügte dieser Wucht «92 noch das Gewicht meiner eigenen Gestalt bei, weil ich von Augenblick zu Augenblick einem zweiten Angriff entgegensah. Diese Vorsichtsmaßregel war aber überflüssig, denn die Wil, den hatten eine sicherere Vernichtungsmeihcdc ausfindig gemacht, und uur zu bald kam ich über ihre satanische Absicht in'S Klare, denn zu meinem Entsetzen verbreitete sich Rauch in der Hütte und verdichtete sich mit jedem Augenblick. Die blutgierigen Schufte hatten das Dach der Hütte in Brand gesteckt und j^t wurde mir auch die Flamme sichtbar und zrigte mir durch ihr Züngeln und Lecken, daß die Hütte an allen vier Vcken brenne. AIs die Glut zunahm, wurde sie von den Vcstieu auf eine Grausen erregende Weise durch Jauchzen und Hculen ringsher begrüßt. In diesem Augenblicke büßte ich nieine Geistesgegenwart beinahe ein, denn es schien mir unmöglich, zu fiiehcn, und ich fühlte, daß ich der furchtbarsten TodeSart, der durch Feuer, geweiht fei. Inzwischen wuchs die Flamme immer mehr au, der Rauch in der Hütte wurde beinahe uiicrträgllich und ich mußte einschen, daß ein längeres Zaudern unfehlbar meinen Tod zur Folge haben würde, weßwegcn ich einen letzten, verzweifelten Versuch zu machen beschloß. Der Wind blies nur schwach und trieb allen Rauch nach ter Hiutcrseiie der Hütte, wahrend die (H.ugebovcnen an der Vorderseite vers.nnmelt sein mußten, was ich aus ihrem Schreien abnehmen konnte. Deßhalb wollte ich das hintere Fensier zu meiner Rettung benutze», wcil ich hoffte, der qualmende Rauch würre meinen Rückzug verhüllen, indem ich beim Hinaussteigcn durchs Fenster sonst ganz wehrlos gewesen wäre. S>) riß ich dcün rasch die vorgesttmmten Barrikaden nieder und sprang in den Nauch hinaus, der mich beinahe erstickte. Doch gelaug cö mir, mit meiner Büchse in der Hand hindurchzukommc!.. Im ersten Angcnbücke wlnde ich von den Wilden nicht l93 wahrgenommen, allein nicht lange währte es, so rauschte mir ein Schaner von Speeren nach, von denen mich einer in den Nucken traf, ohne jevoch stecken zu bleiben. So schnell ich es vermochte, rannte ich aus einen Vaum zu, welcher inmitten der kleinen, die Hütte umgebenden Gbene stand, nm durch diesen meinen Nucken zu decken und mich besser vertheidigen zu können. Allerdings umzischten mich die Speere von allm Seiten, allein trotzdem erreichte ich glücklich den Ctamm, wandte mich augenblicklich und feuerte zwischen die hcranstnrmcnden Wilden hinein. Das hemmte ihren Lauf, denn sie begannen sich jetzt vor meiner Waffe zu fürchten, und da sie sahen, daß ich sie ruhig erwartete und noch mehr Schüsse für sie in Bereitschaft zu haben schien, zog.n sie sich in ehrerbietige Entfernung zurück, ohne jedoch aufzuhören, mit ihren Sp'cre Schufte hätten uns gerade so genug gegeben, wie wir ihnen. Indeß lVeibt uns keine Zeit mit Schwatzen zu verlieren, denn so wir noch bei Tagcshelle über den Vigriver setzen sollen, so ist jeder Augenblick gezählt." Man half mir jetzt auf ein Pferd nnd wir trabten in möglichster Eile dem Ufer des g'osicn Flusses zu, den wir wirklich vov Einbruch der Dunkelheit erreichten. Allein so lange wir auch, von der noch vorhandenen Dämmerung begünstigt, «ach einer Finth suchten, war doch nirgends eine solche zu entdecken, was den Schluß, am Ufer zu lagern, zur Folge hatte, indem wir nns schmeichelten, bei Tagesanbruch vielleicht mehr Glück zu haben. Es wurden nun mehrere Feuer von trockenem Reisig und Baumrinde angezündet, welche letztere, sorgfältig darüber hingelegt, einigermaßen den Wind abhalten sollte; ein guter Känguruhdampfcr nebst einer anständigen Portion Brandy und Wasser bezweckten dann bald, daß mir wieder ganz wohl und behaglich um's Herz wurde. Am Feuer gelagert, drängte es mich hierauf, das Nähere über die Bushranger zu erfahren, welche sich, als ich mich von meinen Gefährten entfernte, auf die kleine Insel im See geflüchtet hatten. „Können wir, ihm unbeschadet, ihn mit der Geschichte so lange wach erhalten?" fragte der Richter. „Gewiß," antwortete der Arzt; /,cs ist noch nicht spät; drum angefangen, damit Ihr desto eher fertig werdet." „Wohlan denn, Moos, so schildert Ihr es!" sagte der Nichter, „Ihr habt es am Besten gesehn und dürft uns schon ein wenig loben, damit unsre Bescheidenheit sich das Unangenehme, es selbst zu thu,,, erspart sieht." 205 „Gut!" cntgegncte Mr. Moos, „als bloßer Zuschauer bei dem Kampfe konnte ich unstreitig den besten Ueberblick haben," „Nie fand sich aber Krabb zu Ihnen?" frug ich. „O, auf höchst natürliche Weise!" fiel jetzt Krabb ein. „Als die Soldaten fort waren, gerieth Mistreß Thorulcy in entsetzliche Angst, man möchte Sie nicht mehr am Leben finden, und ich mußte ihr. wie begreiflich, vollkommen Recht geben! doch als ich gewahr wurde, wie ihr das Ding zu Herzen ging, anerbot ich mich, Sie ciufznsuchen und heimzubringen, wenn die Wilden Sie nämlich nicht aufgefressen hätten, denn ich machte der Madame eine Beschreibung von den scheußlichen und blutgierigen Kannil'alcubcsticn. Indeß hat es doch den Anschein, daß die Soldaten Sie fanden, oder auch umgekehrt, denn wie nnin mir erzählt, hatten sich Me der Begegnung keineswegs zu freuen." „Still jctzt davon," entgcgnetc ich, «nwillfürlich an meinen Rücken greifend, „es waltete ein Irtthum ob." ,,So, so? Ist cö also wahr, daß Sie hinten gestachelt wur-dcn und tanzen mußten? Herrgott, ich wollte mich todtlachen, als ich das Ding horte; man erzählte sich.. .." „Still davon .... ich darf nicht daran denken/' „Gut denn! am andern Morgen kam noch eine Scrgeants-kompaguie von Hobarttowu herauf, um am Clyde, den sie sich als Beobachtungöpunkt wählte, zu stationiren; ich verließ unn die Madame in allem Wohlsein und bestmöglichster Zufriedenheit, denn da Alles abgebrannt war, befand sich die ganze Familie in Elend und Verwirrung. Immerhin versprach ich der Madame, Ihren Leichnam hcimznbringcn, falls die Vushraugcr sie erschlagen haben sollten, was, wie ich ihr bemerkte, keinem Zweifel unterliege, denn, dachte ich mir, gut ist's jedenfalls, sich stets auf das Schlimmste gefaßt zn „lachen. Sie hätten doch Ihrem Körper ein ehrliches Vcgräbniß geben können und sonnt einen Trost gehabt. Ich und Vob nahmen daher den Weg unter die Füße und gelangten an 206 eben demselben Morgen, wo Sic aufgebrochen waren, an dc:> See. Noch jetzt ist mir unbegreiflich/ daß wir Sie verfehlen konnten, wer wird aber auch in diesem verhcrte« Lande den rechten Weg-wiederfinden, sobald man sich einmal verirrt hat?" „Mir ist es schon begreiflich!" cntgegnctc ich ihm, ,,da ich rechts einen nähern und bequemeren Weg zu finden glaubte, mußtet Ihr meine Spur verlieren." t „So geht's immer," bemerkte Krabb, „dieß grcmseuhafte Land ist die verfehlte Welt nud wird fic stets bleiben, was das Acrgste dabei ist; ich aber, der ich nachgerade alt werde, ich bin ein rechtet Narr, daß ich »och drin verweile, doch das soll nicht mehr lange währen .... ich hab's au der letzten Geschichte mehr als satt gekriegt." „Ihr seid mir ciu wahrer Hiobotvöstcr, Krabb," cntgcguctc ich ihm; „jetzt aber habt die Güte, Mr. Moos uicht weiter in seiner Erzählung zu stören." Nie die Vnöhrangcr eiugefangen wurden. „Nach beendigtem Kampfe, wovon Sie noch Augenzeuge waren," fuhr Moos fort, „verschanzten sich die Vuöhrangcr hiutcr der grünen Erhöhung am Ufer des Sees, nud verharrte» dort eine Zeit lang ganz ruhig, während Einige von ihnen die Bewegungen ihrer Verfolger auokuudschaftcte». Als dauu plötzlich eiuer der ausgesaudtcu Späher mit der Nachricht des Anriickeus der Soldaten zurückkam, erschrackt» sie nicht wenig, denn jetzt war guter Nath theuer. Auf den Vorschlag Einiger, sich durchzuschlagen, wurde nicht ciugegaugcn; mehrere Verwundete sprachen sogar uom „Ergeben"; allein der Zigeuuer, wie sie ihn heißen, und dem sie als Führer gehorchten, vermaß sich hoch nnd theuer, Jedem. der «och ein Wort vou (5rgebeu rede, eiuc Kugel durch den Kopf zu jagen. „Lieber erschossn, wie ein Mann, rief er, als gehenkt wie ein Hund! 207 „Z'.vci der Bushranger, die früher zur See gewesen waren, beantragten jetzt, „ach der fau,» einige hundert Schritte von: festen Land entfernten Insel hiunberzuschwiimncn. ,/Was sangen wir aber dann mit unsern Waffen und unsern Verwundeten an? frug der Zigeuner. ,,O! .... bemerkten jene, wir bauen ein kleines Floß, das unsere Waffen und Kleioer tragen soll, und welches wir im Himil'crschwimmeu vor uno hcrstoßen, denn eine Flut gibt's hier nicht und der See ist spiegelglatt. „Gin prächtiger Einfall! jubelte der Zigeuner, er soll auch befolgt werden; dann können wir den uns verfolgenden Hunden Trotz bieten, denn sollten sie auch wagen, uns dorthin nachzusetzen, so bleibt uns immerhin der Vortheil, geschützten Leibes auf sie feuern zn löunen. „Die Ausführung dieses Planes war den Vushrcnigern ein Leichtes. Mittlerweile beachteten sie die Vorsicht, (inch durch da nnd dort vcrthcillc Spione aufzulauern, die Euch denn auch ruhig und wohlgemnth am Feuer sitzen sahen, sich aber wohl hüteten, zum geringsten Verdachte Anlaß zu geben. Die Schurken arbeiteten mit angestrengtem Eifer und indem sie einige trockene und faule Stämme mit Riemen zusammenbanden, brachten sie ein dem Zweck hinreichend entsprechendes Floß zu Etande, das unter wildem Jubel fioli gemacht wur?e. ,,Wohlan ! rief der Zigeuner, ist AllcS in Vereitschaft? „Drei ehemalige Handwerker crNärtcu, daß sie keine Idee vom Schwimmen hatten, So? noch besser ..... nun, da ist Nichts zu machen, als daß Ihr (5üch im Wasser am Floß haltet und mit den Vcineil auetrcttt. damit Ihr oben blcibt. Was beginnen wir aber mit unserm Gefangenen? „Ei, dcn läßt man lanfen . . . « ist uns nur lastig! 208 „Nichts da ... Nichts da, bcr bleibt bei uns.....wir werden ihn schon noch zu gebrauchen wissen . . . holla, Sir . . . versteht Ihr Euch auf's Schwimmen? ,,Nein! sagte ich, denn wir siel sogleich c!,r>, meine Flucht durch List zu bewerkstelligen zu suchen, Sie werden mich doch hoffentlich nicht der Gefahr des Ertrinkens aussetzen wollen. „Vi . . . . cö handelt sich hier bloß mn's Versuchen und ist im ärgsten Falle nicht schlimmer als das Vchenkcn; sonnt sort »nit dcn Kleidern, Master, und marsch in's Wasser! „ Halt , rief einer der Matrosen , wie viel T a u gibt's zu handhaben, wenn man Alles zusammenbindet? „Als alle entbehrlichen Tücher, Hosenträger, Stricke nnd Riemen zusammengeknüpft waren, hatte man eine Leine von ungefähr 220 Fuß Länge erhalten. „Iu was soll das taugen? fragte der Zigeuner. „Sollt's schon schcn, antwortete einer der Matrosen, nun Alle in's Wasser! „Wo ist der Gefangene? „Bei mir, sagte der andere Seemann, der ist wohl auf-gchobcn! ,,Langsani und mit äußerster Anstrengung ward das Floß nnn von den Schwimmern vor sich hcrgcschoben, während die, welche nicht schwimmen lountcu, und worunter auch ich mich. wic schon bemcrlt, gezahlt, sich fest daran aüNammcrten. Auf dicse Weise mochten wir etwas mehr als die Häffte Weges zurückgelegt habcn, als der erste Matrose dem an meiner Seite befindlichen zurief: „Kamerad! faß' das Vnde der Leine, schwimm au's Ufer . .. es soll jetzt schl.ni reichen, mein' ich, und danu zieh' au . . . . doch langftim; wir kommen dadurch um so schneller nnd leichter vorwärts, denn lange können wn's so nicht aushalten. Nur fnfch drauf los, damit wir bald möglichst das L.nid er,eichen. „Froh, der peinlichen Arbeit, das schwere Holz vor sich her 209 zn stt'ßcu, überhaben zu werden, machte der mir zunächst Befindliche sick) mit großer Bereitwilligkeit an's Werk; nicht lange, so fühlte ich schon, wie das Floß vom Ufer aus gezogen wurde. „Als ich nun bemerkte, daß die Aufmerksamkeit der Vnshran-gcr von dieser Operation völlig in Anspruch genommen und von wir abgelenkt ward, machte ich mir dic Gelegenheit zu Nutze und tanchtc sachte nntcr, denn da ich mir in meiner Jugend schon eine besondere Fertigkeit im Schwimmen erworben hatte, fühlte ich wich, so lange die Kräfte ausreichten, im Wasser s» sicher, wie auf dem festen Land. Indeß bedürfte es auch bei dieser Gelegenheit meiner ganzen Fertigkeit, denn meine Glieder waren von der eben bewiesenen Unthätigfcit im Wasser erstarrt nnd steif. Zudem war der See grimmig kalt, und noch eh' ich sie verließ, hatten die Bushranger schon entsetzlich mit den Zahnen geklappert. „Wie bereits erwähnt, glitt ich also unter, indem ich mich wohl vorsah, den Kopf dem festen Lande zuzukehren, nnb steuerte nun wohl eine halbe Minute lang aus allen Kräften nnter dem Wasser ftrt. Crst da ward mir klar, was der Mensch im Stande ist zn leisten, wenn er scin Leben gefährdet sieht; auch mir ward die Genugthuung, beim Wiederanftauchcn den Erfolg meiner An-slrcngnng gewahr zn werden, denn ich sah das Floß schon in ziemlicher Entfernung von nur. „Eilfertig schwamm ich jetzt weiter, allein statt dein festen Lande, steuerte ich in der Angst nnd Vcrn'irnnig einer der Inseln z« , dic ich in der Dunkelheit für jenes hielt. Die Insel mochte. Vielleicht eine Meile von dnn Platz, wo ich untergetaucht, entfenit liegen, nnd dmch die Nacht getäuscht, schien sie mir leicht nnd ohne sonderliche Anstrengung erreichbar; meine Kräfte wnrden indeß dnrch zu schnelles Schwimmen im Anfang schon bedeutend cr-fchöpft. „Zum Glück war es Völlig windstill nnd dcr See glatt wie Ab.'ntcnil- ciücö Aüzw.iudcrcrs, !. 14 210 ein Cpiegcl, obwohl eisig f,Ut. Ich gönutc mir cioige Sekunden Nuhe, konnte es aber vor Kälte nicht auehalten, und da ich mich zudem vor einem Krampf fürchtete, zog ich von Neuen» ans und erreichte endlich nnter hcfligcm Arbeiten glücklich das Ufer, wo ich indeß so elschöpst ankam, daß ich mich kaum aufrecht halten fonntc. Bei Tagesanbruch sah ich mich auf eiucr Insel, die von der nächsten, vorstehenden Landspitze ungefähr eine halbe Mcilc entfernt sein mochte, doch die Grmüduug gestattete mir nicht, mich dem Waffer schon wieder anzuvertrauen, uud so lief ich dcnu, um mich zu erwärmen, am Ufer hin imo her. „°Da die Kälte immer unleidlicher wur^e und ich übrigens dachte, Erfrieren oder Ertriukcu möge so ziemlich dasselbe sein, so sprang ich wieder in den S«c und versuchte an das gegenüber liegende Ufer z« gelangen. Ich mochte kaum mehr als die Hälfte zurückgelegt haben, als ich ein Sinken meiner Kräfte verspürte, wehr nud mehr vom Wasser hiuabgczogen wurde und mir tlar ward, daß ich mich nur noch ganz kurze Zeit würde oben halten können. Da plötzlich berührten meine Füße festen Boden, das Wasser reichte mir nur noch bis an'.? Kiun nud ich sah mich gerettet. Behutsam watete ich nun wciter, iu der stctcu Bcsorgniß, nochmals eine Untiefe anzutreffen; allein rer See wurdc immer seichter und scichlcr uud der Sandboden fester, bis endlich das so heiß ersehnte Ufer erreicht w.ir. „Unverzüglich eilte ich nun dem Orte zu, wo ich meine ssreunre zu finvcn hoffte, und traf sie auch wirküch auf dein Wege zu dem versteckten Voote. Sie werden sich leicht das allgemeine Staunen erklären, einem Wesen zu begegnen, das jcreufalls kein Känguruh war, allein wie ein folchcö von jeder Klcivuna, entblößt ra-hergcschritten kam. Piit wenigen Worten erzählte ich ihnen nun die Ursache dieseo Zustandes und sie ergötzten sich herzlich an der ^rt u,:d Weife, wie ich meine Flucht zu bcwclfstclli^in wußte. Vor Allem ans war lüan ,iuu freundlich beflisse, mir zu den er- 211 forderlichen Kleiguugsstücken ;u verhelfen, wobei auch die erschlagenen Bushranger ihre» Beitrag zil liefern hatten. " //Nun .... und ward das Boot gefunden?^ z/Wir fanden es in ziemlich gutem Zustande nebst einigen Nu-deru darin, machten es dann schnell flott und pflogen Naths, wie der Angriff zu wagen sei. Der Sergenut, der alte Eisenfresser, trug darauf an, uoch zwei Flöße zu Unterstützung des Bootes zu bauen und die Feinde sodann auf drei Seiten zugleich anzufallen. „Besteigen wir sammt und sonders das kleine Fahrzeug, sagte er, so wird es so gedrängt voll, daß, wenn sie zwischen uus hin-cmschicßm, wir Nichts ausrichten köuucu, und uur viele Leute verlieren, was auf jeden Fall vermieden werden sollte; sobald aber wir sie von drei Sciteu zugleich beschießen, so wird ihre Aufmerksamkeit begreiflicherweise auf drei verschiedene Punkte gerichtet, uuo dann können wir mit dem Boot auf sie eindringen. Natürlich besetzen wir Soldaten das Boot, das ohnehin vi^l mehr uicht fassen würde. „Ihr Leben darf aber nicht auf solche Art gefährdet werden, warf der Richter ciu, mir schiene es zweckmäßiger, sic auszuhungern. Was haben wir davon, unser Vlut an diese verhärteten Spitzbube» und Mörder zu wagen? Da, wo sie sich jetzt befinden, find sie unschädlich und der Hunger muß sie am Ende zum Kavi-tulircu zwin^cu. Vou uuserm Boot aus köuucu wir sie hinlänglich beobachte», und ich müßte die Schufte schlecht kennen, wenn Viele von ihueu, vom Huugcr überwältigt, die Andern nicht bald verriethen. „Nach Ihrem Gutdünken, cntgegnetc der Sergeant, uns ist das Eiucrlci, was aber mich betrifft, so möchte ich ihnen eine tüchlige Ladung gönnen. Die elenden Hunde .... einen Soldaten kalten Blutes zu ermorden und hinterrücks nach ihm zu schießen! verdammt! Entgehen uns aber die Canaillen noch ein- 145 2l2 nial, während wir auf sie Jagd machen / so könnten wir in Ho-barttown nicht nbcl ausgelacht werden. He, Ihr Leute! wenn wir sie allein auf uns nähmen, was meint Ihr dazu? Besser Etwas als gar Nichts gethan! . . . wollen wir einen Versuch mit dem Voote machen? ,.Hurral)! ricfen die Soldaten, unser geregeltes Feuer können sie nicht anöhaltcn, besonders da wir jeden ihrer Schüsse mit dreien beantworten können, weil wir mit Patronen laden und sie auf ihre Pulverhörner beschränkt sind. Das Beste ist, wir lassen die Flinten knallen, da wir nuu einmal hier sind, und schießen sie zusammen, so lange sie sich noch in unserer Gewalt befinden. „Ganz wohl! sagte der Richter; vermieden hätlc ich's allerdings lieber, allein schaden kann es Nichts, diesen Hallimken einmal den Ernst zn zeigen, und ärgerlich wär' es unstreitig, wcnu sie uns entwischten und wir hiutenuach ausgelacht würden .... Drum vorwärts, damit nicht zu uicl Zeit verloren gehe! „Wir „lachten uns nun eiligst cm's Wcrk und waren eben im Van nnserer Flöße begriffen, als Krabb mit Ihrem Arbeiter zu uns stieß." „Ja, siel nun Krabb ein, „wir hatten Fährtc von Luch bis zu dem Platze, wo das erste Scharmützel geliefert wurde, und von dort ans ließ sich Eure Spur leicht bis zum Boote verfolgen. In meinem Leben war mir aber noch nie so ein Haufe wahnsinniger Kerls vorgekommen; schien es doch, als wollten sie zn einem Tanz, statt zu einem Kamvfc mit dieser verruchten Näuberschar; die Leute, welche in dieses grauscuhaftc Land kommen, werden aber auch alle verrückt, und bleiben sie drin, so werden sie immer verrückter .... so viel ist nun einmal gewiß!" „Ich muß gestehen, Mr. Krabb hat seine eigenen Ansichten, wie auch eine eigene Weise, sie auszudrückcu, bemerkte Moos .... doch um meine Erzählung zu ergänzen .... wnin sie nämlich nicht schon zu lange gedauert hat . . . ." 213 ,/Ganz und gar nicht!" rief ich, „es ist in!r ein angenehmer Zeitvertreib, und da wir ja fonst'Nichts zu thun haben, so möcht' ich auch wissen, wie der ganze Handel, dessen Beginn ich beiwohnte, am Ende noch abgelaufen ist." „Wohlan denn," hob MooS wieder an, „trotz unserer angestrengten Bemühungen während deS ganzen Tages gelang es uns nicht, ein dem Zweck entsprechendes, tüchtiges Floß zu Stande zu bringen. Mittlerweile ließen wir die Hälfte der Soldaten daS von uns verlassene Ufer, welches der Insel am nächsten lag, besehen, um daselbst Wache zu halten. Die Nacht verstrich in gewohnter Weise, indem wir tüchtige Feuer unterhielten, um unS vor Kälte zu schützen. Am folgenden Tage ward denn das Floß beendet und mit dem Boote der Insel zugetrieben. Kaum waren wir aber dieser auf Schußweite nahe, als auch schon eine Muskete auf uns abgefeuert wurde, deren Kugel indeß nur den See be? strich; am Ufer gewahrten wir Niemand. „So können wir unmöglich verfahren, sagte der Richter, sie würden auf diese Weise Einen nach dem Andern von uuS herunterbringen. „Er rief nun schnell den Sergeanten zurück und dann stmcr-ten wir sämmtlich wieder der Landspitze zu, von welcher die Bushranger auf die Insel hinübergeschwommen waren. Dort stiegen wir Alle an's Land, um über unser ferneres Benehmen zu rathschlagcn. In dieser lltzlichen Lage mußte die Erscheinung eineS Korporals mit einer zweiten Abtheilung Soldaten uns freudig überraschen, um so mehr, als gleich nachher ein mit vier Dchsen bespannter Wagen ein anderes Voot hcrbeibrachte, das von Hobartlown auS, wo man sich wohl denken konnte, welchen Weg die Bushranger nehmen würden, zu unserer Unterstützung an den See geliefert wurde. Da es stärker und größer, als das aufgefundene war, und unfcrc Streitmacht sich nun um ein An- 214 sehnliches vermehrt hatte, so ward beschlossen, mm von verschiedenen Seiten einen raschen Angriff auf die Bushranger zu wagen. Zum Befehlshaber des einen Bootes wurde der Sergeant, zu dem des andern der Nichter erkoren. Achtzehntes Kapitel. Proklamation dcö Gouverneurs. — Dcr Friedensrichter als Gesandter, — Was der Sergeant anräth. — GcfaiMnmhüMna, dcr Vushranger. — Rückmarsch. „Im Begriff, vom Lande zu stoßen, wurden wir noch durch «inen reitenden Voten von Hobarttown aufgehalten, der einen Vrief vom Gouverneur an den Richter zu bestellen hatte und mit dessen Inhalt wir uns natürlich vorerst bekannt machen mußten, da er dem Ueberbringer als höchst wichtig und eilig anempfohlen war. „Nach Durchlesung desselben erklärte uns der Nichter, daß sein Inhalt uns sämmtlich beträft und er nns damit bekannt zu machen wünsche. Er lautete also: „Durch '** GSqr. Der General-Gouverneur von Sr. Majestät Colonien auf Vanbiemensland u. s. f. u. s. f. „Laut erhaltener Anzeige sotten die anbei mit Namen bezeichneten Verurtheilten, welche nach der neuen Ansiedlung von Marquarie-Harbour gesandt wurden, sich siüchtig gemacht, die Gebirge überschritten haben und nnn im freien Walde sich aufhalten. Herr "'", in dessen Hause sich Mnige von ihnen am 9ten befanden, theilt mir indeß mit, daß sie oder doch die Mehrzahl von ihnen den Wunsch hegten, sich der Gnade der Regierung wieder zu überantworten, in Folge dessen ich hiemit erkläre, daß 2l5 allen den hier verzeichnete» Sträflingen;und D.'ucn, welche ihre Flucht von Vtacquarie-Harbour getheilt haben, Verzeihung der begangenen Verbrechen, mit Ausnahme von Mordthaten, zugesichert sein solle, Falls fie sich sammt ihren Waffen einem der unten benannten Herrn, die mit öffentlichen Nemtern auf der Insel bekleidet sind, oder einem mit der Vcfehliguug der königlichen Truppen beauftragten Offizier oder Unterofsizier überliefern, unter der Bedingung, daß die Uebergabe bis zum 21. d M. geschehe. „Es werden deßhalb ^'"-' Esqr am Clyde, *" Mqr. von Jericho, und*" Esar. vom Shannon als fuuktionirende Magistrats-Personen beauftragt und bevollmächtigt, allen und jeden den besagten Strafimgcn, die sich ihnen stellen, iu meinem Namen die Versicherung zu geben, daß ihnen für die auf der Insel verübten Vergehen, Mord ausgenommen, Amnestie ertheilt sein solle, Falls fie sich bis zum 21. dieses ergeben. „Dagegen erkläre ich deßgleichen, daß wenn die angebotene Gnade von den Sträflingen abgeschlagen wird und sie auch nach der anberaumten Frist in Widersetzlichkeit gegen die Negierung verharren sollten, alle königliche» Truppen nebst den bewaffneten Ansiedlern gegen sie aufgeboten werden, einen Preis auf ihre Köpfe gesetzt und jeder Unterthan Sr. Majestät ermächtigt wild, fie todt oder lebendig einzuliefern. ,/Ferner erkläre ich dieses von nieincr Haud geschriebene unb mit dem Siegel der Volonien versehene Papier als Urkunde, kraft welcher Ihueu unbedingte Gewalt und das Necht eingeräumt wird, die Unterwerfung der Sträflinge anzunehmen und Diesen volle Sicherheit für mein gegebenes Wort zu ertheilen. General-Gouverneur. Gouvernements- Gebäude, Hobarttown. AN 5 5* Egqs. am Clyde." 2<6 »Wohlan, meine Freunde, redete nun der biedere Friedensrichter die versammelten an, es mag allerdings gut sein, bei einem Angriff auf die Bushranger Muth und Entschlossenheit zu zeigen, attcin jetzt darf nicht allzurasch verfahren werden. Vergessen wir nicht, daß es bloß in unserer Absicht liegt, dieses gefährliche Gc-siudcl einzuengen und unschädlich zu »uachen, und unser Augenmerk hauptsächlich darauf gerichtet sein soll, das Leben unserer Tapfern nicht unnöthigerweise zu gefährden. In Folge dieses Regicrungserlasscs halte ich es für meine Pflicht, die Sträflinge mit der ihnen vom Gouverneur gewährten Amnestie, welche einzig die Mörder ausschließt, bekannt zu machen und ih»cu sonnt eine Gelegenheit, ihr Leben zu retten, nicht vorzuenthalten. „Nun entstand mißvergnügtes Murmeln in den Reihen und hie und da wurden Vcmerkiingcn laut, welche alle darauf zielten, daß Schurken, die sich solcher Verbrechen schuldig gemacht hätten, feinerlei Ausflucht gegönnt werden sollte. Allein der Friedensrichter hielt unerschütterlich au seiner Pslicht fest und erklärte nochmals seinen bestimmten Entschluß, wenigstens den Versuch zu machen, die milcen Absichten der Negierung bestmöglichst zu fördern. „Wie machen wir sie aber damit bekannt? frug der Sergeant, sobald wir ihnen in ziemlicher Anzahl nahen, werden sie Feuer auf «nö geben, und schwerlich möchte sich ein Einzelner bestimmen lassen, den Kopf in ihren Schlupfwinkel zu tragen. „Ich werde selbst thuu, was meines Amtes ist, cntgegnete der Friedensrichter, eS soll mich bloß einer der Constabels begleitn, um das Boot zu rudern, im Uebrigcn sollen sie uns unbewaffnet sehen. Ich bin der Träger einer Votschaft deö Friedens nnd der Gnade .... das Fernere muß ich Gott überlassen .... Kommt, Worrell, fügte er zu diesen« gewandt hinzu, besteigt das Boot und rudert mich hinüber. «Ich verstehe mich schlecht auf's Rudern, sagte Worrell, zu« 2t? dem habcn sie mich besonders auf's Korn genommen, und könnten sie mich erwischen, sie würden wenig Federlesens mit mir machen ..... nicht daß ich mich gerade so besonders fürchtete, aber recht war's nur doch. wenn jemand Anderes diese Stelle ersetzen wollte. „(5s versteht sich schon Einer von uns dazu, wenn der Friedensrichter damit zufrieden ist! rief der Sergeant. „Nein, nein! entgcgncte dieser, das gehört Worrell von Amts-wegcn zn nnd unbillig wäre es, sich einer Vcrnfspflicht entziehen zu wollen. „Mit angcnschcinlichcm Widerwillen fügte sich nim Worrell den Befehlen seines Vorgesetzten und griff zum Nuder; allein da er jetzt nns zugewandt im Aoote saß, schnitt er ein so tragi-ko? misches Gesicht, daß eö nns Alleil unwillkürlich ein lautes Gelächter cutlockte. „I"» ja, wisperte er jetzt recht j.nnincrsclig, daß es mit mir nns ist, weiß ich wohl ..,. in der nächsten Stunde ist mir das Fell über die Ohren gezogen. Ihr habt gut lachen .... ictzt/ da die Neihe nicht an Euch ist Die Vnöhrangcr laden in ihrer Bosheit noch zerschnittene Kngcln in ihre Gewehre, nnd ich sollte doch meinen, die runden thäten dieselben Dienste. „Reicht mir einen Stock nnd befestigt etwas Weißc«? daran .... etwa ein Taschentuch oder dergleichen------damit wir nicht unnöthig Gefahr laufen. So recht ..., das dient schon, jctzt abgestoßen und .... Worrell.... was ist Euch .... Mann? Rüstig! .... je bälder wir au Ort und Stelle sind, desto schneller ist'S vorbei. „Aber eigentlich, sagte M,-. Krabb, wenn Sie doch selbst sich nicht gern erschießen lassen, so sollten Sie anch Andere nicht dazn zwingen. Warum blieben Sie nur in diesem grausenhaftm Lande? Ist's nicht Ihr eigener Fehler, wenn Sie sich in einer Gegend aufgehalten haben, wo ehrbare Christenlcntc kein anderes Loos 218 erwartet, als von Vushrangem und Kannibalenbestien erschlagen und aufgefressen zu werden? .... und das sag' ich. „O! äch;tc Worrell____ es wird jetzt ohncdkß bald genug aus sein. „Langsam, migcmcin langsam glitt jetzt das Boot auf dem Seespicgcl dahin, denn Worrell handhabte die Nuder höchst schwach und ließ sic »ft lange oben, nm dem erwarteten oder vielmehr drohenden Geschicke so lange, als möglich, zu entgehen, Acngstlich wandte er dann von Zeit zu Zeit den Kopf nach der Insel um und bückte sich mit eonvnlsimschem Zucken, als pfiffen die gefürch-tcteu Kugeln schon rings nm ihn her. Endlich sah sich der Friedensrichter, der mit der weißen Flagge in der Hand im Boote siand, genöthigt, ihn zu schneller!» Rudern anzutreiben, und so sahen wir denn das Fahrzeug etwas rascher, als Anfangs, der Insel zusteuern. „Nun erblickten wir auch die Bushranger, welche sämmtlich mit augeschlagcuen Gcwchreu in Schlachtrcihc am Ufer ansmar-schirten. Bei seiner Annäherung schwcnkic indeß der Friedensrichter mit der einen Hand die weiße Flagge, während er mit der andern den offenen Brief hoch ausgestreckt hielt. Jetzt blieb das Boot dein Ufer gegenüber ruhig liegen, allein von den Unterhandlungen konnten wir Äichis vernehmen." „Den weiter» Verlauf fann ich mittheilen!" sagte der Friedensrichter. „Die Wahrheit zn sagen, war mir gerade auch nicht so wohl nm's Herz, als wir dem Platze zurücktcn, wo sich die Bushranger aufgestellt hatten, denn daß unser Leben in ihrer Gewalt fti, war mehr als klar; ich säumte daher nicht, sie von dem Bcgnadignngsschrelben des Gonvcrncnrs in Kenntniß zu setzen. „Worrell hatte sich mittlerweile auf den Boden des Bootes sselcgt, da ich aber bemerkte, dasi dieß einigermaßen verdacht errege, so hieß ich ihn ausstehen; sie erblickten indeß kaum sein Gesicht, als die Versammlung ein dumpfes, unwilliges Brummen 219 durchlief und unter laute» Verwünschungen mchvcre Flinten auf ihn gerichtet wurden. Wie ich dieß gewahr ward, hol' ich schnell weine Hand auf, appcllirte an ihr Ehrgefühl nnd erklärte ihnen, daß einzig und allein die Absicht, Menschenleben zu retten, mich zu diesem Schritte veranlaßt habe, daß die Verhältnisse strenge Pflichterfüllung von mir forderten und der sprechendste Beweis meiner wohlwollenden Gesinnungen gegen sie in der Art und Weise, wie ich mich wchr- nnd schutzlos ihrem Rcchtlichlcitösinn anvertraut habe, zu scheu sei. Ohne den mächtigen Einfluß ihres Führers, der mir in der That cm tüchtiger Vnrsche scheint und an dessen Erhaltung mir besonders gelegen ist, möchte mich indeß meine Vc-redtsamkcit schwerlich vor den drohenden Kugeln geschützt haben. „Einige der Schufte schrieen über Verrath und zicltennach mir, allein der Führer, (ebcu jeuer Zigeuner) untersagte ihnen jede Feindseligkeit und ließ sich mit mir in eiue ziemlich lange Unterredung ein, während welcher ich zu bemerken glaubte, daß Mehrere unter ihnen wirklich den Wunsch hegten, sich zu ergeben. „Wird man uuS das Leben schenken, wmn wir die Waffen strecken? fragte der Zigeuner. „Mit Ausnahme dercr, welche sich wirklicher Mordthaten schuldig gemacht haben, ist Allen Begnadigung zugesagt, antwortete ich. „Wir haben uns aber sämmtlich zu dem Unternehmen vereinigt, erwiederte er, und so siud wir auch sämmtlich gleich beiheiligt, eS wäre daher unbillig, Einzelne von uns ansheben zu lassen, damit sie in Hoberttowu aufgehängt werben. „Meine Vollmacht erstreckt sich nicht so weit, Alleu Begnadigung zuzusichern, ungesäumte Unterwerfung lönnte indeß den Gouverneur zu vollständiger Amnestie bestimmen. „Lest uns den hierauf bezüglichen Theil des Regierungser-laffes Wort für Wort vor! sagte der Zigeuner. 220 „Ich leistete seinem Wunsch Folge, indem ich Ihnen das ganze Schreiben mittheilte, sic schüttelten aber die Köpfe. „Kann nicht angehen, ließ sich der Zigeuner vernehmen; es kommt auf Eins heraus, ob wir uns erschießen oder hängen lassen. Merken Sie sich wohl, daß wir gut bewaffnet und gerüstet sind; es sott Ihnen zwar kein Leid geschehen, denn ich glaube, Sie meinen es in der That gut mit u»S. Sollten Sie aber einen Angriff wagen wollen, so haben Sie sich die Folgen selbst zuzuschreiben, wir werben nns biö auf den letzten Blutstropfen vertheidigen. Was haltet Ihr davon, Ihr Bursche? Leben oder Tod? „Kein Grgeben! kein Ergeben! riefen Alle. „Ich merkte nun wohl, daß bei der zunehmenden Wuth, welche die VuShranger bezeigten, meine Lage mißlich wurde und ich nichts Besseres ihun könne, als meinen Kopf so gut, als möglich, aus der Schlinge zu ziehen. „Ich gebe Euch eine Stunde Frist, um Eure Antwort anf diesen Brief zn berathschlagen, begann ich wieder; solltet Ihr den Entschluß fassen, Euch der Gnade der Regierung zu überantworten, so haltet zum Zeichen desselben Zweige am Ufer empor, die wir vom andern Ufer auS sehen können. Ich entferne mich mit der Hoffnung, daß Ihr die wohlwollende und milde Gesinnung des Gouverneurs anerkennen und die dargebotene Gnade nicht aus-fchlagen werdet. ,/Ohne eine weitere Antwort abzuwarten, griff ich zu den Rudern, indem ich mir Glück wünschte, bei der gefährlichen Mission mit heiler Haut davon gekommen zu sein. Doch nun ergänzt Ihr die Geschichte, MooS!" „Wir warteten nnn die anberaumte Frist ab, fuhr dieser sort, allein wir bemerkten bald, daß die VuShranger emsig beschäftigt waren, trockenes Holz und Zweige, die sie abhieben, gleich einer Art Schanze am Ufer aufzuschichten, um sich wahrscheinlich hinter diesem Bollwerk besser vertheidigen zu können, doch nach Verfluß 22 l der bezeichneten Stunde sahen wir Einen Von ihnen' ans Ufer kommen und den verabredeten Zweig schwingen. „Sie zeigen sich zur Unterwerfung geneigt! rief der Richter, das Zeichen, welcheo^Ihr seht, ist ein sicherer Beweis davon. „Glauben Sie das nicht! entgegnete ihm der alte Sergeant, wozu sollten sie daS Bollwerk aufgerichtet haben, die hinterlistigen Hunde .... dieser Zweig ist eine bloße Kriegslist, um uns in die Falle zu locken .... Zum Teufel mit ihnen! . . . Meiner Ansicht nach sollten wir sie nun mit ihrer eigenen List fangen, und spielen wir die Betrogenen, so gehen sie sicher in die Schlinge. Wohlan, Sir, sagte er zu iem Friedensrichter gewandt, nehmen Sie einmal Naih von mir an. Als ein alter Soldat von der Halbinsel habe ich mir in den Kriegen mit den Yankees manch nützliche Erfahrung gesammelt, . . . und derartige Schliche durchschau ich. „Herzlich gerne, sagte der Friedensrichter, was haben Sie denn vor? „Das sollen Sie alsobald erfahren. Sie besteigen vorerst mit Worell wieder da« eine Boot und thun, als ob Sie ihr Zeichen gesehen und verstanden hätten und nun auf ihre Unterwerfung zählten. Sobald Sie denken können, daß die Schurken eS gemerkt haben, kehren Sie zurück .... (ich glaube, Worcll werde Nichts dagegen haben, wieder Hieher zu rudern) . . . und stellen sich, als ob Sie eincn andern Plan zur Abholung Ihrer Gefangenen gefaßt hätten. Wenn Sie den Wind beobachten, so werden Sie sehen, daß er ziemlich stark von hier nach der Insel zu bläst. Alle im Boote bcfindlichcn Personen müssen wciße Tücher ober grüne Zweige schwenken, um die Schufte im Wahne zu lassen, Wir seien in ihre Falle getappt. Unterdessen zünden die Zurückgebliebenen hier große Feuer an, als ob sie kochen wollten und vun einem Kampfe keine Rede mehr wäre. „3u was soll aber das Alles nühcn? ftagte der Nichter/ 222 „Gi, wir zünden tüchtig Feuer an, damit cS viel Nanch gibt, und den Nauch können wir brauchn!, um den Bushrangern unsre Bewegungen zu verbergen. „Was fur Bewegungen sollen aber unternommen werden? „Das eine Boot muß in gerader Linie der Insel zusteuern und durch allen möglichen Lärm die Aufmerksamkeit der Hallunkcn auf sich lenken, so daß das andere Boot sich unterdeß an die Seite der Insel hinstehlen kann. Das letztere wird von uns Soldaten besetzt, wir greifen sie dann iu der Flanke an und während sie, durch den unerwarteten Angriff in Verwirrung gesetzt, mit uns vollauf zu thun haben, können Sie ungefährdet landen und die Banditen so umzingeln, daß sie sich zwischen unserm beiderseitigen A'ucr befinden. „Ganz wohl! entgegncte der Richter, der Planlräre trefflich auögebacht, wc»n man Nauch genug machcu könnte. „O wenn's nur an dem fehlt! rief lachenb der Sergeant, so hab' ich in Amerika schon dergleichen Kunstgriffe gelernt. Ich will Euch ciinäuchern, daß Ihr keine zwei Schritte weit sehen sollt. „Will's glauben, sagte Krabb. „Der Plan deö Sergeanten fand volle Beistimmung und um dessen Ausführung zu betreiben, sammelten wir vor allen Dingen einen Hansen feuchter Blätter und faulen HolzeS, dann wurden die gewöhnlichen Fener ang^nndet und daS herbeigeschaffte Ge-mcngsel darauf hingeworfen, was einen fürchterlichen Nanch verursachte, der sich laugsam gegen vaS Wasser uud gegen die Insel hin verbreitete. „Eilends wurden jetzt die Vootc besetzt und uach der vom Sergeanten uns gegebenen Wcis'.:ng giug cs während der Uebcr-fahrt auf dem unsern so laut, als möglich, zu. Inzwischen glitt das andere mit dem Sergeanten uno ftincii Lcutcu bemannte Boot, 223 ' von der Rauchwolke geschützt, glücklich Uüd unbemerkt fort, als wir uns aber der Insel näherten, rief uns eine Stimme an: „Zu was inacht Ihr denn cinc» solchen vcrtcufclten Nauch? „Alan bringt mit dem feuchten Holze am See kein helles Feuer zu Stande; indeß bemerkten wir Euer Signal und Ihr seht um jetzt zu Eurem Empfange bereit. „Geht zum Teufel mit Eurem Empfang! Ihr starren mein-ict wohl, wir würden uns gleich Schafen an die Schlachtbank liefern .... da nehmt den Lohn für Eure Thorheit. „Bei diesen Worten knallte eine tüchtige Salve; da wir uns aber, darauf vorbereitet, sogleich anf den Boden dcö Fahrzeugs w,irfcu, entgingen wir jeder Verletzung, zudem gestattete ihnen der Rauch nicht, richtig zu zielen, dcun die Schüsse gingen alle zu hoch. Stracks ruoertcn wir eine Strecke weit zurück, ohne ihr Feuer zu erwiedern, und erst als wir nus in ziemlich sicherer Entfernung sahen, begannen wir von nnftlu Gewehren Gebrauch zu machen, um ihre Aufmerksamkeit nicht von uns abzulenken, Einige Minuten lang setzten wir dieses Manöver fort und als sich dann der Rauch verzogen hatte, sahen wir mit dem größten Vergnügen, daß die Soldaten schon um eine Landspitze gebogen hatten, wo sie den Blicken der Bushranger völlig entzogen waren. „Die verfluchten hinterlistigen Schufte! brummte Worrell, sie verdienen Alles; wir Vcire können nicht genug von Glück sagen, daß wir so unbeschadet von ihnen loolameu; vermuthlich war es eine List des Zigeuners, der uns dadurch Alle miteinander zu fangen glaubte, „Jetzt müssen die Soldaten gelandet sein, sa^tc der Friedensrichter, steuern wir wieder dem Ufer zu und halten wir uns zum Kampfe bereit. Schießt tüchtig drauf lcs, biö wir anlegen, dann mag aber immer die Hälfte von Euch ihr Feuer zurückhalten. Aha, da rücken die Soldaten auf sie ein-------sic müssen sie noch nicht bcmerlt haben, denn ans einen Angriff von der Seite her waren 22i sie wohl schwerlich gefaßt. Nun auf, Freunde! sic empfangen ihren Lohn..., auch die Soldaten werden laul .... vorwärts, an's Land.... greift aus und schont Vure Kugeln !.. . der Sergeant thut seine Sache.... die Schufte sind verblüfft . , .. sie wissen nicht, wie sie das Ding zn nehmen haben .... vorwärts .... frisch drauf los!" „Das Ufer war balo erreicht und die Vushrangcr, so unversehens von allen Snten angegriffen, schienen wie vom Schlage getroffen. Sie feuerten zwar auf die Solvatcn, allein fast ohne zn zielen und ohne Hoffnung auf Erfolg. Unterdcß rückt,n wir von der andern Seite an und unaufhaltsam stürmte das Militär mit 'auf-gcpftanztcn Vajonnetten auf sie ein. „Unser plötzlicher Angriff von beiden Seiten hatte sie so sehr in Bestürzung versetzt, daß sie nur noch geringen Widerstand leisteten; einzig der Zigeuner und ein Anderer entsprangen, als sie Alles verloren sahen, in den Wald i.nd verschwände:-: augenblicklich im Dickicht. Wir glaubten indeß, ihrer schon noch habhaft zu werden «nd bemühten nns vor allen Dingen, die Gefangenen unschädlich zu lnachcn, indem wir ihnen, bevor sie sich von ihrem ersten Schrecken erholen konnten, Hände und Füße banden. Drei der Hallun-len waren erschossen, mehrere andere verwundet, „Wo ist der Anführer? rief dann dcr Friedensrichter. „Er ist entsprungen, soll aber bald eingebracht werde,!, laiueie die Antwort. „Das Boot! schrie je.^t der Sergeant, das an der anrcrn Seite.... schaut nach dem Boote! „Es war zu spät.... der Zigeuner war uns längst zuvorgekommen; denn schon erblickten wir das Voot, auf welchem er und ein Gefährte dein festen Lande zusteuerten, weit draußen im See. „Da ziehen sie hin. die bciocn Hanptschurken, sagte Krabb; all' unsre Albeit war nun vergeblich nnd mir haben sie zum Andenken einen ihrer Nehvcsten in's Vein gejagt . ., . geschieh: mir 225 übrigens recht, mir Vscl, der ich hicherkant .... waS habe ich »lit Bushrangern nnd Gefechten zu thun? Dort entlaufen jetzt die beiden Anführer der ganzen Sippschaft .... sie waren an allem Unheil Schuld und jetzt haben wir nach so viel Mühe und Gefahren nur das Nachsehen. Vor Nacht begehen sie natürlich mindestens noch ein halbes Dutzend Mordthaten. Das ist ja prächtig, dum-nier hatten wir, das sag' ich, die Sache gar nicht anstellen können. „Corporal! rief der Sergeant, verliert keine Zeit und inacht, daß Ihr ihnen auf der Fahrte bleibt.... Eure Mannschaft ist für die Veideu hinreichend, ich will inzwischen die Gefangenen bewachen. ,/Nudert die die Soldaten dort an's Land, wo das andere Voot anliegt! befahl der Friedensrichter den bcioen Constabels, nachher bringt das Fahrzeug wieder zur Insel zurück. „Dieser Weisung zufolge sprangen Worrell nnd fein College sogleich in das Boot und mit militärischem Gruße verabschiedete sich der Corporal , üm seiner Pflicht in Verfolgung des gcfnrchtc-tcn Zigeuners Genüge zu leisten. Sobald das Fahrzeug zurück war, ließen auch wir nns an das feste Land übersetzen, wo wir von dem jungen Veresfovd nnd dem Voten dcs Gouverneurs mit Jubel empfange!! wurden. „Unverzüglich trafen wir nun Anstalten zur Rückkehr an den Clyde, wurden aber bei nnsercr Ankunft daselbst nlcht wenig überrascht durch die Nachricht, daß Sie bisher noch nicht crschicucn v'ärcn. C's drängte sich uns allerdings die Aefürchtuüg auf, daß Sie von den Indianern erschlagen fein lönnten; allein Krabb bestand darauf, Sie unverzüglich zu suchen, da Sie seiner Ansicht nach lahm geworden sein oder sich im Busch verirrt haben lonntm. „Die glcichzcingc Mittheilung, daß das Pferd des FriidenZnch» ters, auf dem Sie vom Clyde fortgeritten waren, lahm und ohne, Abcntcmr cmcs ?!i,Kw>iulN'cr5, I, 15 226 Sattel noch Zaum nach Haust gekommen ft,, bestärkte uns in den Vcsorgnissen inn Sic. Nir hatten bald cine hinlängliche Anzahl L.'ute zusammengebracht, uni Sic aufzusuchen mid Ihnen im Noch-fall Beistand zu leisten. Gott sci Dank, daß wir Sie n>.'ch zu rechter Zeit gesunden haben ! ^ „Vs war allerdings die höchste Zcit!" sagte ich. „Das mein ich auch, doch das ist vorüber: ginnen Sie sich nun die nöthige Nuhe, nm sich morgcu in so weit erholt zu haben, daß Sie zu Ihrer Familie zurückkehren uud dort Alles wieder in Stand setzen können.,, Ich befolgte diesen Nath und legte mich nieder, bis mich das Morgcnlicht ans eine», sauften Schlafe weckte, der mich so erfrischt und gestärkt fand, daß ich die Uusrigeu selber zu ungesäumtem Llus-bruch antreiben konnte. Wir suchten nun nach einer Furth, die etwas weiter oben gefunden und glücklich überschritten ward. Nasch eilten wir vorwärts, Aeressord hielt sich stets an meiucr Seite-Nach einem mehrstündigen Marsche fetzten wir über den Shannon uud ich sing an, mich zu Hanse zu fühlen, „N,->s ist nur aus der armen Lucy Muus geworden?" fc,'gt>: ich. ,,I!>nen allein verdankte sie au jenem schrecklichen Abend das Leben. Sie hatte sich uoch nicht erholt, als wir am andcrn Vioigcn ausbrachcu. . . . lebt sie noch? " „Miß Moos hat ihre Nct!u>,g mehr Ihrcr Fran als mir zu verdanken," cutgegnctc VcrcSforo. „Mcr waS seh ick) dort? . . . waren Sie auch schou bei einem solchen Schießen? Dcn Kakadu dort am änderen (5nre des Zweiges ü.all ich heni:i-'.cr! . . . ." .Laßt den Kakatn in Nilhc, Bcsler!^' sagte ich, ,.habcn wir doch in letzter Zeit des Pulvers genug verbraucht. . . . Also t»as arme Mädchen bcfintet sich wehl ... sie wei^ ^hncn geuiß herzlichen Dank fur die Sorgfalt, mit dcr Sie sie damalu in.ch Hause trugcu. . . . I.i.' w.nn ich b^cnke, wie wir sie auf dcm 22? alten Vciumstllmme fanden . . . nicht Icder hätte sein Leben so gewagt, gleich cinem Opossum an dem Baum hinauf zu klettern. Wissen Sie noch, wie wir Ihnen helfen wollten, und Sie cS ablehnten, mit der Versicherung, das arme Mädchen sei gar nicht schwer; ich meine indeß .... aber .... um Gott .... was fehlt Ihnen denn? Sie werden doch nicht ohnmächtig werden .... wie? und jetzt vlolich wieder so roth?" „ Mein Arm," sagte Veresford, „er schmerzt mich hie unk da noch s>hr." „Ach so! . . . . daran dacht' ich nicht .... wcr hat ihn denn so zierlich eingebunden? ich wette, da muß eine Frauenhand :hätig gewesen sein .... hat sich meine Frau so bemüht, die hübschen kleinen Bänder alle so sorgfältig anzuätzen? ei, ci!" ,,'Swar nicht gerade Mistreß Thornlcy . . . , aber . . . /' ,,Wer sonst denn?" , Ja . . , wcr? .... nämlich .... das ging so .... Mistvcß Tliorülcy war so gefällig, meinen Arm zu halten, während .. . während, glaub' ich, Miß Moos dieß nähte . . . ." „So, so ? . . . und wer . . . ." „Gottlob, da ist der Clyde!" rief Vcresford. „Sehen Sie dort .... über dcn dürren Ast des Gumbaumcs hin sieht man das Wasser blinken! Nir könncu höchstens noch vier Meilen da-davon entfernt sein." „Tie haben, scheint mir's, besondere Eile, nach Hause zu lommcn .... hoffentlich ist doch Nichts vorgefallen?" ,,O nein .... das nicht .... ich wollte nur .... oder vielmehr liegt mir daran . . . ." „'An was liegt Ihnen?" ,, Zu wissen, wie weit Ihre Leute .... oder eigentlich lücin« Leute .... mit dcn Hecken und Gräben seit meiner Abwesenheit gekommen sind.^ 13* 228 „Aha!" sagte ich, indem ich mich jeder weitern Aeußerung gegen meinen jungen Freund enthielt, und als cr plötzlich von meiner Seite wich, desto mehr Gedanken und die Bemerkung sich mir aufdrängte, baß mir bei den vielen Seltsamkeiten im Leben, doch noch nie ein junger Mann vorgekommen sei, der sich so sehr nach einem Graben oder einer Hecke sehnte. Allein je mehr ich mich meiner Heimat näherte, desto mehr schwanden vor diesem Einen und mächtigen Gedanken alle Nebcn-intereffen, die lauten und freudigen Nufe unseres Zuges verkündeten schon von Weitem den glücklichen (5rfolg und bald überschritt ich mit pochendem Herzen den wolilbckannteu Stamm über dcn Fluß, jenseits dessen mich mein Weib und meine Kinder mit offenen Armen empfingen. Neunzehntes Kapitel. Thornley macht sich daran, scinc Farm wieder hcrzusscllcn. — Wie man ein Haus aus pulvcristrtcr (frde baut u»d wie aus hundcN Schafen zweitausend werdcn. — Dic Errichtung eines steinernen Hauses wird beschlossen. Seit den so eben berichteten Vorfällen sind nnn vierzehn Jahre verflossen, allein sie stehen mit so lebendigen Farben vor meinem Gedächtniß, alö hätte sich Alles erst gestern ereignet. Schweigend nahm ich damals meine Frau au die eine, meine Tochter an die andere Hand und führte sie der kleinen Hütte zn, mit der wir m:S snr dcn Augenblick in Ermangelung einer bessern Wohnung begnügen mußten. Das Herz war mir jedoch zu voll .. ., ich konnte keine Worte finden und sah mich stumm nach meinem Sohne um. Meine Frau errieth diese Bewegung. ,,William ging über die Hngcl nach Sorrells See zu, um Dlch aufzusuchen," sagte sie. 229 Mcinc übrigen Kinder umringten mich und ich zog cincs nm das andere an mich heran, nm es zu küssen, dann aber bat ich meine Lieben, mich einen Augenblick allein zu lassen, denn mir flirrte es vor den Augen nnd ich bedürfte der Nuhe, um meine Gedanken sammeln zu können. Von der entsetzlichen Aufregung und Angst mehr, als ich ahnte, erschüttert und angegriffen, mußte ich mich beklommen ans eine der hölzernen Bänke uicdellassm. In den wenigen Tagen, die ich von meiner stillen Heimat entfernt zugebracht, schien ich die Erfahrungen cincs ganzen Lebensalters durchgekämpft zn haben. Was hatte ich in der kurzen Zeit Alles erduldet! Ich sah mciu Leben im Kampf mit den Räubern bedroht .... sechs Tage lang irrte ich unter den entsetzlichsten Qnalen in unwegsamer Wüste, bis ich in die Hände der Wilden fiel< und, zur Heimai zurückgekehrt, trafen meine Augen überall Zerstörung und Armuth, wo vor Kurzem noch Reichthum nub freundliches Stillleben gewohnt hatte. Meine friedliche Wohnung lag in Asche. Von solch' überwältigenden Gedanken erfaßt, fühlte ich jene unsägliche Beklemmung, die sich so oft bei den von Freude oder Schmerz Ucbermanntcn kund gibt. Jetzt stürmten diese beiden Regungen zugleich auf mich ein nud nur Thränen, die ich zwar als unmännlich zu unterdrücken suchte/ obwohl sie immer schneller und unaufhaltsamer hervordrangen, verschafften der gequäken Brust Linderung, bis die Freude, den Meinen wiedergegeben zu sein, den Schmerz überwog und ich laut schluchzend mein geliebtes Weib, Welches thcilnahmsvoll meine Hand gefaßt und leise gedrückt hatte, neben mich auf die Knie niederzog, um in brünstigem Gebete der Vorsehnng unsern Tank zu bringen. Ich rief nun die Kinder wieder zu nur hcrau und bald stürzte auch William in: trunkenen Jubel eines jungen, .kindlichliebendcn Herzens in meine Arme. 230 Dem Kreise meiner Familie wiedergegeben , verstrich uns der Abend in ungetrübter Freude.... unsers Verlustes ward bei tem, was wir gewonnen, nicht mehr gedacht. Allein mein ganzes Nervensystem war ft fürchterlich erregt worden, daß ich schon am nächsten Tage einem hitzigen Fieber unterlag, welches mich für einige Zeit an nicin Lager fesselte. So wie ich mich abcr in so weit erholt hatte, um die Leitung meiner Geschäfte wieder übernehmen zu können, zeigte sich's, daß zur Herstellung des Zerstörten fast eben so viel Arbeit erforderlich sei, als würde die Ansiedlung erst begonnen. Indeß vermögen Fleiß und Ausdauer auch das Schwierigste zu überwinden und so unternahm ich mein Werk muthig von Neuem. Das Gefühl, daß all unsere Mühe uns selbst Früchte tragen werbe, daß jeder Stein, den wir legteu, jedes NeiS, das wir pflanzten, jede vorgenommene Verbesserung auf unserem eigenem Lande nur zu unserem und unserer Kinder Nutzen geschehe, ließ uns alle Anstrengungen und Beschwerlichkeiten gering erscheinen. Meine ganze Thätigkeit nahmen vor allen Dingen meine Schafe in Anspruch, denn es war dieß der Zwcig meiner Land-Wirthschaft, auf den ich meine größten Hoffnungen sehte. Zu meinem Leidwesen ward ich indeß gewahr, daß sich meine besten Merinoschafe wirklich alle im Wald verlaufen hatten; die drei andern Heerden jedoch, deren jede aus ungefähr 1000 Köpfen bestand, waren in Sicherheit. Es dauerte immerhin geraume Zeit, bis ich mich wieder im Besitz meiner Merinos sah, denn sie hatten sich größtcntheilS mit den Hcerden meiner Nachbarn vermischt, dennoch brachte ich sie bis auf einige Wenige zusammen. Auch das zahme Vieh suchte ich wieder einzutreiben, waS mich zwar manchen schweren Nitt kostete, da es sich nnter dic wilden Heerden gemengt hatte. Unstreitig war und blieb das Abbrennen des Hauses, wie der Betten, Bücher und einer Meugc Gegen- L3l stände, die in der alten Wohnung unv den clustoßinden Gebäuden aufbewahrt lagen, der empfindlichste Verlust, es gereichte unS indeß zu großem Troste, daß Niemand dabci Schaden gelitten hatte. ssreund MooS haite scillc Blockhütte an der andern Seite deZ Flusses wieder bezogen und warb dem Vernehmen nach von dem jungen Vereöford treulich in seiner neuen Einrichtung unterstützt. Meine damals sechszehnjährige und manchmal etwas vorwitzige Tochter Vetsy fand denn auch Herrn Verciford ungcmein gefällig, sich alle Tage dorthin zn begeben und Miß Moos zn zeigen, wie sie ihren kleinen Gartcn zn rechen habe, waö in^cß nach Betsys Meinung ein besonders schwieriges Geschäft sein müsse, da trotz der tagclangcn Muhe und Erklärung?» des Lehrers der Miß Moos das Gärtchen sich eben nicht in viel besserem Zustand befinde. Sie machte diese Bemerkung auf eine so verschmitzte, spitzbübische Art, das ich mein Mädchen staunend anblicken mußte; da fi"l mir aber Plö-M) cin, daß wir schon acht Jahre am Clyde nieder gelassen seien nnd meine Tochter jetzt sechszchn Jahr .... also zur Inugfrau herangewachsen war. Auch William hatte sein achtzehntes Jahr angetreten und noch vor Kurzem einige Winke über die Nothwendigkeit fallen lassen, einmal nach Hobarttown zn gehen, um dort .... Nasirmcsscr zu fau-fen. Mein Anerbieten, ihn, den Karren und die vier Stiere zur Her-beischassung des benöthlgten Messers zu leihen, hatte ihm auf einige Zeit die Wcitererwähnnng dieses Gegenstandes entlcidet, allein ich 'Nttkte wohl, daß die Zeit nahe sei, wo die Kinder .... eben auS den Kinderschuhen treten würden. Diese Gedanken verliehen überdies; meinen angestrengten Bemühungex nur um so größere Schwungkraft. An einem hellen, ziemlich kühlen Morgen dcs Inni 182! bc-nef ich Krabb zn einer Berathung über den Plan dcö neu zn er- 232 bauenden Hauses zu nur. Ich beabsichtigte nämlich einen Versuch der neuen Vcmart, die seit Kurzem in der (zolonicmit (5'rfolg nn-tcr dem Namen Pisc«Ban angewendet wurde, sehr dauerhaft und hauptsächlich an solchen Orten zweckmäßig sein sollte, wo nur mit großen Unkosten Stein- oder Vacksteinhäuscr aufgeführt werrcn konnten. Solche Pise-Häuser bestehen ans ziemlich starken Wänden von gestampftem und vorher gesiebtem Lehm, die später beinahe so hart w:c Stein wcrdm, und so hatte dann die Sache nicht wenig Reiz für mich. „Der Brand, Krabb, war allerdings ein böser Streich," begann ich die Berathung, „allein es hätte uns auch noch schlimmer ergehen können, und glücklicher Weise hat Niemand das Leben dabei eingebüßt . . , . das bleibt stets mein Trost. Gin Hans müssen wir nn» jedenfalls wieder herstellen und so fragt es sich denn, wie das neue Gebäude auf die zweckmäßigste Weise aufzuführen wäre. Da Ihr in Pitt-Water viel der neuen Häuser zn sehen Gelegenheit haltet, so möchte ich (5nrc Meiiniüg darüber vernehmen." Es sollte zwar noch bemerkt werden, daß sich Master Krabb zn einer bedeutenden Person im Clydc-Distrikt emporgearbeitet hatte. Vor sieben Jahren ... es war im Frühling I8l? . . wußte ich ihn zn bestimmen, mit seinem kleinen Kapital hundert trächtige Schafe zn kaufen und diese für dcn dritten Theil des Aufwuchses in Pacht zu geben, wozu sich ein armer braver Ansiedler an der Launecston-Seite verstand. Da in Folge dieses Vertrages Letzterm ein Drittthcil der zn erziehenden Lämmer als Mühwaltung zukam, so blieben noch zwei Drittheilc dem Eigenthümer, und weil Krabb selbst keine verbrauchte iind nur ganz wenige verkaufte oder vielmehr die Widder mit Schafen, vertauschte, so war im Laufe der sieben Jahre, trotz Dicbstahl und aller übrigen Verluste, seine Hecrde zu zweien von je g seinen Kopf ctw.is z» mir herüber und begann mit vieler Feierlichkeit: „Wie ist es nur möglich, Master Thcrnlcy, daß Sie noch den Gedanken liege» können, in diesem grauscnhaften Lande zum zweitenmal ein Haus zu bauen? Haben Bushranger, Wilde und Vrand-unglück noch nicht vermocht, Sie von der Thorheit einer Niederlassung dahier recht kräftig zu überzeugen? Habe ich Ihnen nicht vor acht Jahren auf eben diesem Platze prophezeit, was nun wirklich eingetroffen ist? oder ist es nicht ganz so geschehen, wie ich damals voraussah? Und jetzt wollen Sie Alles wieder vc» vorne anfangen? Hcißt das nicht Gott versuchen?" „Ach Vater/ rief Betsy, „bitte, gehen wir nach England zurück, seit den Vorfällen mit den Bushranger» und Wilden ist mir immer so bang zu Muihe und dann .... dann ist auch nicht ei» einziger Laden in der Nähe, wo etwas Vernünftiges zu haben wäre. Muß man nicht um jeder Kleinigkeit willen in die Stadt schicken? Weuu man nur ein Band auf ten Hut haben will, so ist man schon gezwungen, den Ochsenkarrc» fünfzig Meilen weii auszusenden. Wie erbärmlich der bloße Gedanke, um cincs Hutes willen 234 einen mit vier Ochsen bespannten Wagen nach der Stadt zu schicken." „Dummheiten! Vetsy!" bemerkte William, „wo;u hier modische Hüte, wo dich Niemand, als Kühc und Schafe, sieht? sich glaublc Vctsy murmeln zu hören: Meinst du wirtlich?) Unbequem, das gebe ich zu, ist es jedenfalls, nicht einmal einen Schuster in der Nähe zu haben nnd wegen der geringsten Kleinigkeit ein Gewehr in die Stadt zu müssen. Ich frage/ ob das nicht zudem cm ungeheurer Zeitverlust ist?" „Miß Vetsy hat ganz vernünftige Ansichten, meiner Meinung nach könnten wir wirklich nichts Besseres thu», als sammt nnd sonders nach England zurück zn gehn: wir können uns dort in Ehrovshirc eine hübsche kleine Farm pachten, die wie Ench wohl bekannt ist, um ganz niedern Zins zn haben sind. „Zins!".rief ich, „wenn anch Nlles dafür sprechen würde, so könnte dieses Wort Min mir jeden Gedanken daran entlciden. Nein, Gott sei Dank, mit dem Zins haben wir Nichts mehr zu schaffen. Unser Laud ist unser Eigenthum und wir selbst sind die Gnmdhcrrcn davon, deren Glück in ihren eigenen Händen rnht." „Und die schon gewaltig viel Glück gehabt liaben!" fiel der unverwüstliche Krabb ein, „mau ist in der That ungcmcin glücklich, Tag für Tag den Kngcln der Bushranger ausgesetzt zn sein, sich im Walde zu vcnrreu, gleich einem gehetzten Wilde von Kannibalen verfolgt zu werden, nnd .... die Hand auf's Herz, Master, müßt Ihr nicht zugeben, daß Ihr von Rechtswegen jetzt eigentlich ein geschmorter Mensch fcin solltet?" „Gin geschmorter Mensch?" rief meine Frau, „gerechter Gott, was Sie dock) manchmal fnr seltsame Redensarten hadcn, Ma-sicr Krabb!" „Ich bin aber noch nicht geschmort!" entgegnete ich ihn: lachend, „und wäre der Schlag vou der verwünschten Womera nicht gewesen, die Sache hätte mir wenig oder gar Nichts geschadet. 235 Doch da fällt nur gerade ein, Krabb, wie'S dcnn wohl mit den Schafen hinter den Salzcbcncn stehen mag? Tie müssen sich ja ungemein vermehrt haben ! Gewiß besitzt Ihr jetzt bald so viele, baß Ihr nicht mehr wißt, wohin mit ihnen; wie stunde es aber in England damit? Da wäre ein schönes Stück Land zu ihrer Fütterung erforderlich .... mid was den ZiuS betrifft .... der fällt hier weg." „Das wohl," sagte Krnbb . . . „aber , . . , lieber wolli' ich doch Zins zahlen und dabei mein Eigenthum gesichert wissen, als von VuM'angern, Kannibalen und FcucrSbrniisicn acbrand? schätzt werden." „Das ist nun freilich eine Schattenseite, die nicht gcläugnet werden kann," entgegncte ich, „allein trotz bcn Unbequemlichkeiten und entsetzlichen Einrichtungen dieses gransenhaftcn Landes, wie Ihr Euch immer ausdrückt, brachtet Ihr es doch dahin, aus einhundert Schafen 2000 zn ziehen, und das mochte Euch in England bis jetzt schwerlich gelungen sein, noch je gelingen." „Mag sein . . . mag sein!" erwiederte Krabb, „dafür kann man sich aber auch in England ruhig zn Vett legen, ohne befürchten zu müssen am nächsten Morgen ein hingeschlachteter Mann zu sein, oder sich das HauS überm Kopfe abgebrannt zu sehen. Nur zu! nur zu! wag wäre auch einem eigen-finnigen Manne auszureden? Es muß jedenfalls noch ärgere« Unheil über Sie kommen, bis Sie endlich den Verstand walten lassen: ausbleiben wird's nicht, und hintcnnach werden Sie's noch bitterlich bereuen, meinem Nathe nicht Gehör geschenkt zu haben." „Her dcnn mit Euerm Nath! . . . .' waS lialtct Ihr von einem Pise.Hans? Ich habe zwar noch nie ein solches gesehen; sind sie zweckmäßig?" «Zweckmäßig? Gott sieh mir bei! .... Sie werden doch 236 um's Himmels willen aus zufammengeftampftem Dreck kein Haus bauen wollen? Ist denn je erhört worden, daß man auS Dreck hinlänglich dauerhafte Mauern machen kann, um ein Dach zu tragen? DaS muß ja zerbröckeln oder vom ersten Regen weggewaschen werden. Und warum überhaupt an ein Haus von Erde denken, wo man der Steine in der Nähe vollauf hat." „Schon recht .... aber die Steiumetzarbeit ist hier zu Lande eine kostspielige Sache und die Herstellung cines solchen Hauses würde uugemeiu viel Zeit erfordern." „Versteht sich!" sagte Krabb, „waS sollte hier zu Lande nicht theuer sein? .... doch das hätten Sie bedenken sollen, ehe Sie sich hier ansiedelten. Gin Gebäude aus Steinen, wie ich's meine, könnten wir auS der nämlichen Stcinart, aus der das alte Kamin erbaut war, aufführen, man brauchte nur etwas mehr Geschick und Sorgfalt darauf zu verwenden. Für ein paar hundert Pfund stellt man Ihnen ein hundert Fuß langes Gebäude her, daß immerhin ein Platz wäre, wo ein Gentleman bequem nnd anständig leben könnte, und kehren Sie einst nach England zurück, so fände sich gewiß schon wieder so ein Narr von einem Ansiedler, dcmSic's verkaufen könnten. Nun aber hören Sie, was ich vorhabe," fuhr Krabb wärmer werdend fort, „es wird mir bei der außerordentlichen Uebernahme meiner Schafe nachgerade unmöglich, die erforderliche Aufsicht über dieselben zu halten, daher ich denn beabsichtige, eine der Heerden zu verkaufen. Aus dem Erlös derselben können Sie sich das neue HauS aufbauen .... ich gehe deßhalb noch heute nach den Salzcbeucn." „Welch ein Einfall," cntgegnete ich, «wennich Euch aber auf wein Wort erkläre, daß daraus Nichts wird ?" „Und warum nicht, wenn man fragen darf? Kann ich nicht nach Gutdünken über mciue eigenen Schafe verfügen?" „Das wohl! .... Mein Ihr sollt sie nicht verkaufen, um 237 mir aus dem Erlös derselben ein HauS zu bauen. Nächsten Monat wird mir ein Kapital von nngefähr 1500 Pfund zmüllbezahlt, das ich nicht wieder ausleihen will. Ich werde somit Geld genug haben, mir Hausgeräth und allcs Benölhigic wieder anschaffen zu können." „Auch gut," erwiderte Krabb nach einigem Nachsinnen, „das »nag so übel nicht sein . . , . am Ende kommt's doch auf eins heraus, und gäben Sie das Geld wieder auf Vorg, so wäre es jedenfalls hin, während die Schafe sich fortwährend mehren. Vor - der Hand hätten wir somit Nichts zu thun, als den Steinbruch aufzusuchen/' „Wenn wir Alle zusammengingen?" sagte meine Frau, „es ist ein prächtiger Tag nnd zu dcm hätte ich schon lange gern Mistreß Moos am andern Ufer besucht;^ Du könntest uns dann über Lucy's Vrücke geleiten und uns später bei Moos wieder abholen." „Mir anch recht," cntgegncte ich, „wo ist meine Äiichse? Nimm die Deine auch mit, William!" „Aber wozu denn um'S Himmels willen wieder das Schieß, eisen?" eiferte Krabb, „es ist ja von da leine Meile bis zn dem Platze." „Gleichviel .... immerhin kann es Nichts schaden, sie mitzunehmen." „Meine Vüchse ist schmutzig!" sagte William, „indeß sieht da die Muskete mit aufgestecktem Bajonett bereit und hier ist eine Tasche voll Patronen." „'s ist doch ein prächtiges Leben in diesem Lande.'" murmelte Krabb kopfschüttelnd; „da geht man mit Musketen und Bajonnetten um .... Steinbrüche anfznsuchen." „Cs ist stets gut', auf alle Fälle gefaßt zu sein," erwiderte ich ihm, „und ich sollte glanbcn, sich daranf zmnsten, bewiese 238 eben den rechten Muih, da cs von der Berechnung der Gefahr und dcr Absicht sie zu bekämpfen, zeugt." Es zeigte sich übrigens bald, daß die Waffen dießmal keineswegs überflüssig waren. Zwanzigstes Kapitel. Steinbrüche. — Wie tic jnn^cn Taincn iü dcn (iolcniccn Garlncrci trcibcn. — Ein Fremder. — Miß Bclsü fangt plötzlich an, sich >un Ticinbrnchc zu bc» lümmeln. — Tic grosici! Anniscn nchoien Nachc an dcm Cindringlinzi in ihr (Äcbict. — Slicrja.so, — Ein junger Volle wird wild und b^cgnet Vcls'.', — Thrrnley bcmcrki ihrc Gefahr und halt sic für verloren, — Tcr glüälichc Schuß. Vandiemanöland ist mit allen Stcinarten im Uebcrfluß versehen nnd cel findcc sich hanptsächlich fast allenthalben eine gewisse Gattung, die sich leicht in Platten spaltet nnd deren Anwendung bei Gebäuden besonders zweckmäßig ist. Wir suchten nnn anf unserer Strciferci cinc Stcinlage zn entdecken, die dem neu zu cr-baucnden Hause so nah als möglich wäre , mn das Material nicht allzuweit mit dem Karren herschlcppen zu müssen. Vorerst gingen wir aber mit einander über den merkwürdigen Baum, welcher scit jenem denkwürdigen Abend Lncy'6 Brücke benannt wurde, an das jenseitige Ufer. Mit einem Brecheisen über dcr Schulter, das er zn dem Zwecke mitgenommen, dann und wann Steinschichten als Probe abzuschlagen, biloete Krabb unscrcn Nachtrab. Wir trafen unsere Freunde in voller Thätigkeit, dem Wunsche der Mistreß Moos zufolge die Hütte in guten Stand zu setzen und 239 sorgfältig ;u befestigen. Das Innere derselben bot indeß kaum N.ium genug, uns Alle ;n fassen, und wir begaben uns daher in den neuen Garten, dm Miß Moos recht geschmackvoll unweit vom Flusse angelegt hatte. „Ei schaut doch.'" riefVetsy; „jetzt hat Miß Moos sugar zwei Gärtncrsgchülfcn; Master Beresford scheint sich dort ans dem Vaumstamm recht abzumühen, die Geheimnisse der edel» Gartcn-füüst so deutlich als möglich zn erklären, und dort drüben scheint sich noch Einer dafür ;u iutcressircu, nur steht oer etwas zn entfernt, um sich bei dcr Unterhaltung bcchciligcu zn können. Ach so! er h,it ein Gewehr umgehängt . . . , das ist ein Fvemdcr .... wer kann cs wohl sein?" Unser Näherkommen störte den jungen Acrcssoro in seinem Vortrage über Gartcnkliltiir, und e. kam uns mit anffallelid rothem Gesichte entgegen, während Miß Moos verblüfft dcn Rechen zur Hand nahm. „'s ist doch ein Bischen wohl kühl zum Stillsitzen!" redete ich ihn an; „tcr Juni ist eben nicht gerade dcr Monat im Freien zu bleiben; cin gutes Feuer und eine warme Stube möchte weit behaglicher sein," „Ich ftno es hier sehr angenehm!" sagte Vcrcöford. ,,Ia, ja, so schien cö, roch ich kann mich diesen Morgen nicht aufhalten, wir gehen nach Steinen zum Van unseres neuen Hauses ans. Wer ist dcr junge Fremde'!/ Er sieht Ihnen ansal-lcnd ähnlich!" ,,C's ist mein Bruder, dcn ich, wie Sie wissen, schon einige Monate erwartet habe; er kam vor ungefähr einer Woche hier an/' „Wie alt ist er? Er scheint jünger als Sie." ,,Er ist neunzehn Jahr alt, somit vier Jahre jüngcr als ich; die Bushranger unv Eingcbornen stecken ihm arg im K.pfe, cr brüict ü^er fürchterlichen Pläncn, und Nichts auf der Welt ver« 240 mag ihn dazu, die Büchse wegzulegen .... er ißt, trinkt und schläft damit." Der Fremde war nnterdcß auf uns zngekonnncn und grüßte mit freundlichem Anstand, so daß ich auf dcn ersten Blick schon durch sein bescheidenes ansprnchloses Wesen für ihn eingenommen wurde. Indem glaubte ich die Vemcrkung zn inachen , daß er sich cinch das Woh'wollcn anderer teilte eben so rasch erwarb, wovon jedoch später die Rede sein soll. „Wer hat Lust zu einem Spaziergan,;? ^ sagte ich. „Sie kommen doch mit, Beresford, denn sie werden nicht den ganzen Tag anf dcmStrnnk da sitzen wollen? E.'n tüchtiger Marsch wird Ihnen sehr ersprießlich sein," „Ich wäre von Herzen gern bei der Partie, allein ich habe Miß Moos versprochen, sic mit dcn verschiedenen Avten des Welsch-kornlegcns besannt zn machen." „Wclfchkorn legen? warum nicht gar? jetzt, wo wir mitten im Winter stehen? Das wäre allerdings ein neuer Versuch. Sie wollen jetzt Welschkorn pflanzen?" „Pflanzen gerade nicht! aber es ist immerhin g,:t, die Anstalten bei Zeiten zn treffen." „O gewiß . . . gewiß . . . weil Sie aber doch einmal Anstalten treffen wollen, so wär' cö vielleicht nicht ungerathen, wenn Sie jcht mit uns kämen und sich ebenfalls nach einem bequem gelegenen Steinbruch umsähen, denn Sie lönntcn doch in den Fall kommen, nbcr k»rz oder l,n>g ein größeres Haus zu brauchen," Miß Moos handhabte bei diesem Rathschlag ihren Rechen wieder auf wahrhaft verzweifelte Art, hatte aber dennoch den Muth, zu äußern: „Sie wisse», Master Vcrcsford, daß der Wundarzt Ihnen verboten hat, den Arm zn gebrauchen, nnd d.iß er erklärte, die gcringstc Austtcngug wnrdc die Wunve wicrcr verschlimmern. In- 24l 5cß lassen Sic sich durch Ihr Versprechen nicht abwendig machen, Ihre Freunde zu begleiten, es gibt für mich Arbeit vollauf im Hause." Mit diesen Worten machte sie uns eine flüchtige Verncignng und wir schlugen die Richtung nach deu Steinbrüchen ein. Vc-rcsford schützte indeß vor, daß er noch Etwas mit Master Moos wegen Schafen zu reden hätte, und meinte, sein Bruder werde die Partie mit um so größerem Vergnüge» annehmen, als er sich noch ganz wenig im Lande umgesehen habe. „Gut," sagte ich, „dann, Betsy, kannst Du hier bci Deiner Mutter zurückbleiben, während wir auf Untersuchungen ausgehen." „Darf ich denn nicht auch mit?" cntgeguctc Vctsy, „der Tag ist so schön und ich sehe Steinbrüche so gern." ,/Steinbrüche gern?" dachte ich bei mir, „ei, das Mädchen kriegt ja ganz seltsame Liebhabereien, von denen ich bisher Nichts merkte. Meinethalben," sagte ich, „Dn kannst mitkommen, aber Du darfst nicht klagen, wcnn Du müde wirst, wir haben einen, langen Marsch vor." Als der Fluß wieder überschritten war, ging es in gerader Linie waldein. William schritt voraus, Krabb und ich bedächtig nach, und hinter uns kam der Fremde und Betsy. Wir gelangten bald zu den Steinbrüchen, fanden adcr Nichts, das uns als Baumaterial gefallen hätte, Es waren zu viele Steinartcn vorhanden, und das machte uns wählerisch. „Ich wüßte einen weit schöneren Bruch jenseits des kleine», grünen Hügels dort," sagte Krabb, ,,nur daß es etwas weit zum Herbeischaffen wäre; da aber Mcs an der Oberfläche liegt, so könnten wir die zum Holen erforderliche Zeit wieder durch die Er-sparnng des Brechens einbringen." „Wir können ihn ja immerhin besehen," cntgcgncte ich, „laßt Abenteuer mies Auswanderers, l. 16 242 uns einmal hingehen .... Betsy, wo zinn Henkel ist das Mädchen ? Bleib' nicht so weit zurück, Du könntest Dich verirren, und dann möchte Dein plötzliches Interesse für Steinbrüche fatale Folgen haben." „Ach, Vater," ricf Betsy lachend, „wie sollte ich mich so nah am Hanse verirren? Mir ist mehr vor dein wilden Rindvieh bange, das hente eingetrieben werden soll." „Wil'cs Rindvieh?" fragte George V^rcsford .... ,,nit einem lauten Schrei uncherzutanzen anfing. 243 „Was gibt's?" rief William. „Sie haben sich wohl das Eise, «uf die Zchcn fallen lassen?" «Das Eisen auf die Zchcu? Ncin wahrhaftig, wich hat eine Schlange gebissen!" „Eine Schlange? Die hätte man doch sehen müssen; ach ja da haben wir's, eine Schlange war's eben nicht; es sind die rothe» Ameisen, die Sie gestört haben und die so was nicht dulden. Pas-jcn Sie auf; ich will gleich noch mehrere von ihnen herauslocken." Mit diesen Worten nahm er das Brecheisen »ub schlug da« nnt, nachdem er sich einen Augenblick überall sorgfältig umgeschaut hatte, zu verschiedenen Malen sachte auf den Eingang. Im Nu ras'te ein ganzer Schwärm dieser ungeheuren Aineisen heran, indem sie ihre Zangen in die Höhe hoben und einen hohen Grad von Zorn uud Acrgcr kund gaben. Es siud dieß etwa anderthalb Zoll lange, verwegene und wilde Infekten, die augenblicklich über den herfallen, der ihren Frieden stört. Vor ungefähr vier Jahren ward einst einer meiner Leute, der ebenfalls iu ciucm Steinbruch arbeitete, genöthigt, den Ort zu verlassen, da sie in solcher Anzahl mid »nit so rasendem Grimm auf ihn eindrangen, daß nur die schleunigste Flucht ihn ihrer Nache entzog. Den Erfolg dieser Aufstöruug voraussehend, zogen w!r uns auf eine gewisse Entfernung zurück, nur unser neuer Freund blieb mit der Neugicrdc eines Fremden an der Oefsnung stehen, um das Erscheinen nnd Aussehen dieser merkwürdigen Auiciscuarmee zu beobachten. Er hielt sich aber nicht lange daselbst anf, denn die gereizten Thiere stürmten unverzüglich auf ihn ein, bissen sich i» seine Schienbeine, krochen unter seinen Kleidern hinauf und zwangen ihn zu einem Tanze, wobei er seine ganze Behendigkeit entwickeln konnte. Unser unmäßiges Lachen war auch nicht geeignet, feine neue nnd unerwartete Lage angenehmer zu machen, nur Betsy, deren sonstige Neckerei uud Spottsucht jetzt der Artigkeit und Rücksicht gegen den Fremden gewicheu schien, rief: 16« 244 "Ach William, komm', hilf doch Master Veresford, die Ameisen beißen ihn ja todt." „Wenn er nur still stände, so wollte ich sie eine nach der andern herunterschießen," antwortete William; „sie thun indeß weiter keinen Schaden, als daß sie beißen, ihr Biß ist jedoch nicht giftig, wenigstens nicht sehr .... auch habe ich noch nie gehört, daß Jemand gefährliche Verletzungen durch denselben davon getragen hätte. Unser Bob ist schon über und über von ihnen zerbissen worden, und hat sich jetzt so sehr daran gewohnt, daß er mir, noch letztlich versicherte, sie kennten ihn jetzt und licsien ihn in Ruhe." „Das sind prächtige Steine," sagte ich zu Krabb, „auch ist der Platz gut gelegen .... bis zum Haus geht's fast immer bergunter; es bleibt somit dabei, daß wir hier unser Baumaterial holen. Nun aber laßt uns den Rückweg antreten." „Master Äcresford möchte aber gern noch den Clydc-Wasser-fall sehen, Vater, und wir haben ja hinlänglich Zeit dazu," warf Vctsy ein. „Gut, so begleite ihn mit William hin, der Fall ist aber im Juni ganz unbedeutend .... September und Oktober, wenn die Regen vorüber sind, ist die eigentliche Zeit, wo sich's der Mühe verlohnt, ihn aufzusuchen." Krabb und ich trennten uns von der jungen Gesellschaft und kehrten nach Haufe zurück, da ich eine von den wilden Hccrden am Nachmittag eingetrieben zu sehen hoffte. Meiner Frau, die uns schon daselbst erwartete, war es garnicht lieb, daß ich Vctsy in diesen uuruhigcn Zciien, wie sie's nannte, so weit hatte fortgehen lassen; ich wußte sie aber mit der Versicherung, daß Bushranger und Gingcbornc sich am hellen Tage nie so nahe an tine Ansicdlung hinwagcn würden, zu beruhigen, und wir gingen ein Jedes an unsere verschiedenen Geschäfte. Als aber Vetsy länger als die zum Svazicrgaug erforderliche Zeit ausblieb, wurde 245 meine Frau unruhig und drängte mich, den Kindern entgegenzugehen. „Sie wird sich untcrwcgcs noch bei irgend einem Nachbar aufhalten," sagte ich; „ich sehe doch keine Gefahr hiebci. William hat sie begleitet und der Wasserfall ist kaum eine Vicrtelmeile von rincr Ansiedelung." Allem das half Nichts, sie war nicht länger zu beruhigen, die letzten Vorfalle hatten sie zu ängstlich, ja sogar nervös gemacht, und diese Stimmung theilte sich endlich auch mir mit. Ich nahm daher meine Doppeldnchse von der Wand, befahl zweien meiner Leute, auf die ich mich verlassen konnte, mir zu folgen, und schlug den Weg nach dein Wasserfalle ein. Wir mochten indeß kaum hundert Schritte vom Hause weg stin, als ich in der Ferne das Blöcken der Hcerde zu vernehmen glaubte und mich bald darauf das Peitschenknallen der Treiber überzeugte, daß sich die den ganzen Tag erwarteten Thiere nahten. In der Voraussicht, daß ein Reiter mehr beim Eintreiben deS widerspenstigen Viehs in die Umzäunungen höchst zweckmäßig sein möchte, lehrte ich zur Hütte zurück, neben welcher ich zur Noth-Hülfe wenigstens einen kleinen Stall aufgeschlagen hatte, legte einen Sattel auf mein Pferd und sprengte eilig der Hetze zu. Nun ist aber das Hineinjagen des Viehs in die Umzäunungen das Schwierigste beim ganzen Treiben, weil die Thiere nur zu oft durchbrechen, wenn sie den eingehegten Raum wittern, und man sie dann nur mit der äußersten Mühe wieder zusammenbringt, da sie sich in diesem Falle in verschiedene Haufen zu theilen pflegen, nach allen Richtungen hinausstieben und bei dem vielen Schreien und Peitschenknallen oft in die grimmigste Wuth gerathen. Das Verfahren bei dem Eintreiben des wilden Viehs besteht darin, daß gewöhnlich mit Tagesanbruch fünf bis sechs Reiter nach seinen verschiedenen Weideplätzen aufbrechen. Ein jeder derselben führt eine ziemlich einfach und roh^ gemachte Peitsche 246 mit leberner Schnur bei sich, an deren Ende eine besondere Art Schlinge, auS einem alten seidenen Taschentuch bereitet, befestigt ift, und zu ihrem Zwecke, ein recht schallendes Klatschen hervorzubringen, unübertrefflich sein soll. Bei Verfertigung einer solchen Schlinge werden zwei, unge< fähr sechs Zoll lange Streifen eines alten seidenen Taschentuchs angefeuchtet und vorerst einzeln, hernach aber miteinander fest zusammengedreht. Mit einer solchen, gehörig gchandhabten Peitsche wird ein wahrhaft überraschender Knall hervorgebracht, und nur hiedurch erschreckt, ist es möglich, das sonst so unbändige Vith in der gewünschten Richtung hinzutreibcn. Auf solche Art bewaffnet, verfügen sich die Jäger in die Gegend, in welcher sie ihre Hcerdcn wissen oder vermuthen, achten genau auf die Plätze, wo sie kleine Abtheilungen finden und treiben dann vorerst die am weitesten Entfernten langsam denen dem Hause näher Stehenden zu, was ohne viel Mühe geschehen kann, da die Thiere Anfangs den vorrückenden Reitern gelassen ausweichen und erst dann ungeberdig werden, wenn sie die Absicht ihrer Verfolger wittern. Nun beginnt die Hetze und in je klei-Nerer Anzahl sie sich befinden, je schwerer ist eS, sie bei einander Zu behalten. Auf jeder Flanke hält sich ein Reiter, die Uebrigen überwachen den Nachtrab und sobald sich eines der Thiere vom Zuge «ntfernt, setzt ihm der Nächste unverzüglich nach und treibt es mit Schreien und Peitschenknallen zurück. Zuweilen drängt sich sogar die ganze Heerde ans einen gewissen Punkt und sucht durch-zubrennen, wobei die ganze Kraft nnd Aufmerksamlcit der Trei-ler vonnöthen wird, um sie davon abzuschrecken und daS Ans-weißen zu verhindern. Daß ein solcher Ritt höchst beschwerlich sein muß, läßt sich leicht begreifen, da der Wald überall mit faulen und abgestorbeneu Stämmen besät ist, über welche hinweg, durch Dickicht, Berg und Thal, Mann und Pferd setze» muß. 247 Die Gefahr, Hals und Beine zu brechen, darf er erst dann in'ck Auge fassen, wenn sie vorüber ist. Pralt mit Eurer Fuchsjagd .... was ist sie geqen ein einziges Vichtreiben im Urwald! Dieß Letztere ist zudem noch weit gefährlicher, da der Treiber häusig seine Stellung wechselt und der Getriebene wird, so es irgend einen» bösartigen Bullen einfällt, sich gegen die uuwillkommne Behandlung zur Wehr zu setzen. Tritt dieser Fall ein, so nimmt die Hetze einen von dem gewöhnlichen ganz verschiedenartigen Charakter an lind es wirb dann die ganze Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart des Reiters erforderlich, um dem Thiere zu entgehen, das es nun einmal auf die Vernichtung seines Peinigers abgesehen hat. Ich erinnere mich, daß Einer meiner Leute einmal zwischen dem Clyde und Shannon zehn Meilen weit von einem solchcn Bullen verfolgt wurde und er das Pferd zu den unerhörtesten Anstrengungen aufreizen mußte, um der wüthend nachsetzenden, Bestie zu entgehen. Als letztes Nettungsnüttel fand er endlich eine tiefe Stelle im Clyde, in die er sich ohne Zaudern stürzte, da er nur hiedurch den spitzen Hörnern des Bullen entrinnen konnte. Heute hatten meine Leute ungefähr hundert Stück zusammengetrieben, die verschiedenen Ansiedlern gehörten, und da es Winter und das Vieh nicht, wie es gemeiniglich im Sommer zu geschehen pflegt, durch die Hitze erschöpft war, so war eine tüchtige Hetze vorauszusehen, bis alle in die kaum eine Vicrtclmeile von meiner Wohnung gelegene Einfriedigung gebracht wären. ES waren im Ganzen fünf Reiter, drei von meinen eigenen Leuten und zwei Nachbarn, welch Letztere sich Vergnügens halber dem Treiben angeschlossen hatten. Der Eingang der Umzäunung ward glücklich erreicht, doch hier blieb das Vieh nun zögernd stehen, bis plötzlich ein junger, prächtiger Bulle ein wildes, grimmes Gebrüll aussticß und zwischen mir und dem zunächst befind- 248 lichen Nciter durchbrechend, in ben Wald zmnckrastc. In toller Hast stürmte ihm die ganze Heerdc nach. Mit geraumer Noth konnten wir noch schnell genug zurückweichen, um dein Nnftrallei! der wüthenden Thiere zu entgehen. Es gelang uns indeß bei der hinlänglichen Kenntniß ihrer Eigenschaften und der oft erprobten Verfahrungswei'se bei derartigen Auftritten, sie bald wieder herumzubringen, obgleich es kein Leichtes war und ein rasendes Schreien und Peitschenknallen erforderte. Glücklicherweise bildeten dießmal zweie meiner zahmen Kühe, die sich schon oft in der Einfriedigung befanden, den Vortrab und liefen furchtlos in dieselbe hinein. Die Heerde folgte ihnen, ohne dieß wäre sie unS doch noch entgangen. Schleunig warfen wir jetzt die den Eingang versperrenden Balken vor und so waren ble Thiere in Sicherheit gebracht. Der junge Vnlle schien sich indeß keineswegs so leicht fügen zu wollen und blockte und sprang mit rollenden Augen nnd hoch-geschwungenem Schwanz in der Umzäunung umher, riß den Boden mit Hufen und Hörnern auf und tobte so rasend, daß er endlich mit gewaltigen Sätzen auf die ihn hemmenden Stämme einstürmte und den ganzen massiven Wall in seinen Grundvesten erschütterte. Da derselbe dem wüthenden Thiere jedoch widerstanden hatte, so sprang es noch einmal zurück, umfreiste zu wiederholten Malen daS übrige Vieh, nahm dann einen neuen, rasenden Anlauf anf dic übereinander geschichteten Stämme und rannte, hoch sich bäumend, mit gewaltigem Satze darüber hin, wiewohl daS Bollwerk eine Höhe von beinahe acht Fuß hatte. Im nächsten Augenblick war er im Dickicht verschwunden. Die Kraft und Gewandtheit deS schönen Thieres erregten ««eine Bewunderung in hohem Grade, und da er uns doch nicht vonnüthen war, ließen wir ihm ungestört den Lauf, bis mich Plötzlich der Gedanke durchbcbte, daß er in der nämlichen Richtung cinherrase, von welcher meine Tochter heimkehren mußte. 249 Unverzüglich theilte ich meine Befürchtung den Umstehenden mit, die auch ohne Zaubern ihre Pferde wieder bestiegen, und nun jagten unser Drei mit verhängten Zügeln der wilden Bestie nach, um ihr den Weg abzuschneiden und sie aus der eingeschlagenen Richtung zu vertreiben. Er hatte sich indeß den kurzen Vorsprung, den wir ihm gelassen, trefflich zu Nutze gemacht, denn er war uns ein großes Stück Wege« vorausgekommen, weßhalb ich mich denn schnell rechts hielt und über alles im Wege Liegende, Gräben und Stämme, mit Nichtachtung jcdcr Gefahr hinwegsetzte. Die Angst um mein Kind ließ alle andern Gefühle verstummen. In dieser Art hatten wir ein paar Meilen beinahe in kürzerer Zeit zurückgelegt, als zu Erzählung des Vorfalls erforderlich ist. Da zeigte sich plötzlich meine entsetzliche Furcht durch das Erscheinen Betsys, die eben mit William und dem Fremden aus dem Walde trat, begründet, und während das wüthende Thier in wilden Sähen, die Hörner dicht am Boden auf sie eiinannte, blieben alle Drei, von der fo unerwarteten und schrecklichen Gefahr betäubt, wie angewurzelt stehen. Die rothen Bänder deS unglückseligen Hutes, der vor ein Paar Tagen noch die scherzhafte Bemerkung der armen Betsy veranlaßt hatte, daß stets ein Karren und vier Ochsen dazu nöthig wären, ihn ans der Stadt zu holen, flatterten im Winde, und mag nun diese Farbe die Thiere wirklich zu größerer Wuth reizen oder nicht, genug, der Bulle schien ihre Begleiter gar nicht zu beachten und stürmte wulhschnaubcnd und mit wildem Blöcken auf die Unglückliche zu, so daß die gräßliche Angst mir halb bewußtlos einen fürchterlichen Schrei auspreßte. Ich hielt mein armes Kind für unrettbar verloren, als der junge Fremde plötzlich mit eine», Satze zwischen ihr und der wüthenden Bestie stand, sich schleunig auf ein Knie niederließ und rasch, aber besonnen zielte. Fast im nämlichen Augenblick blitzte 250 auch schon der Schuß aus dem Nohr .... die Kug?l fuhr bein zum Angriff bereiten Thiere in die Hirnschale und, eben im rasenden Anlauf begriffen, stürzte der gewaltige Bulle kopfüber, riß im Fallen den helbenmüthigcu Retler meiner Tochter mit sich zu Boden u»b zerschmetterte, wie sich später zeigte, seine Büchse. In demselben Moment gelangte auch ich zur Stelle, und beim Knall des Gewehres und Hinstürzen des Bullen stand mein trefflich zugerittenes Pferd augenblicklich, wiehernd und mit ge, spitzten Ohren, still, so daß wir alle mehrere Sekunden lang sprach? und regungslos in unsern Stellungen verharrten; . . . . der Bulle todt am Boden, meine Tochter noch mit dem Ausdruck der Furcht in den leichcnblassen Zügen, lnieend und mit gefalteten Händen, und der junge BereSford ohnmächtig ihr zur Seite. Einundzwanzig st tes Kapitel. Mein alccr Freund, dcr Wuxd.n-zt. — Thomley begibt sich nach Hobarttown. Meine beiden Begleiter sprangen jetzt von ihren Pferden und ihre Annäherung löste die Erstarruug, womit Angst und Entsetzen uns au die Stelle gefesselt hatte. Ich warf mich aus dem Sattel und drückte bebend mein Kind an mich, das Mädchen aber faßte meine Hand, lniete neben dem jungen Beresford nieder und blickte unS flehend und mit angsterfüllten Zügen an. «Ncite eiligst zum Wundarzt," rief William einem unserer Lente zu, „er wohnt keine Vicrtelmeile von hier und lann auf Deinen, Pferd hiehcrkommen." Noch war kaum eiue Viertelstunde verflossen, so befand sich 25 t der Arzt schon an unserer Seite: der junge Mann aber noch lag immer besinnungslos. „Man muß ihm zur Ader lassen," meinte der Chirurg, „hebt ihn auf .... so .... jetzt haltet ihm den Arm. Nur den Aermel aufgeschnitten, es können da kcine Umstände gemacht werden .... so .... das wird die Sache schon in Ordnung bringen .... wird die Augen gleich aufschlagen .... wollen hoffen, er habe wenigstens keinen Knochen gebrochen." „Mein Gott l" rief Betsy, „lassen Sie ihn doch nicht verbluten '." „Kcine Furcht .... das thut ihm gut .... ein schönes Blut das .... zeugt von gesundem Körper, muß auch so sein in dem Alter .... aha .... sehen Sie jetzt .... da haben wir ihn schon. Recht so, nun wollen wir ihn wieber verbinden .... ist was vorhanden dazu? Ach, das roihe Vand das taugt prächtig .... 's ist zwar Schade um den hübschen Hut! .... So, das ist gut, ei! und da bringt ja der junge Thornleu auch eine Schüssel mit Wasser für ihn .... Ein junger Bursche von viel Einsicht.... nun, ich zweifle nicht, daß der hier Ihnen einmal dieselbe Gefälligkeit dafür erweist." „Danke schön," entgegncte William, „ich will ihn solcher Mühe überhoben hoffen; hätte er nur mich den Bullen schießen lassen, Vetsy stand aber gerade vor mir und so mußte ich fürchten, sie zu treffen." „Lassen Sie sich das nicht anfechten, daß Sie den Bullen nicht geschossen haben, Master William," sagte Einer der Leute. „Geben Sie Acht, wie Master Kral'b ein Spektakel aufschlagen wird, daZ sein LieblingSihier getödtet ist. Jedenfalls gab es auch in der ganzen Heerde kein schöneres und gesunderes Stück." „Halten Sie sich nur so, daS ist recht .... Master____wie heißt er?" sagte der h'hirmg. 252 „Master George BereSford," antwortete Vetsy, „Master Beresford'S Bruder." „Ah so? .... Der Bruder von Dem, der Miß MooS hci- rathen wird____schau man .... schau man ... nun / Master VereSford .... wie fühlen Sie sich? schmerzt noch irgend WaS?" „Ich fühle mich etwas schwach? wo ist dcr Bulk?" „Dort liegt er .... wollen doch hoffen, daß dcr nicht auch bloß ohnmächtig ist und sich unerwartet zur allgemeinen Unterhal-tuug erholt. Konnten doch eimnal untersuchen! .... uein, nein, dcr ist todt .... in die Hirschalc getroffen .... ein glücklicher Schuß, bei George! (5s muß Jemandem der Anwesenden nahe genug am Leben vorbeigegangen sein." „Ein Kernschuß, unstreitig .... aber .... Master Krabb wird feine sonderliche Freude daran haben. Will gern sehe», wie er sich dabei gcbcrdct, dcr Vullc war sciu Liebling .... vor einigen Jahren hat er ihn auch eimnal vor «iner Kugel gerettet.... ich für mich möcht' ihm die Nachricht nicht bringen." „'s ist zwar ein seltsames Thier für einen Liebling . . . . doch, dcr Geschmack ist verschieden. Nun aber, mein junger Freund, müssen Eie nach Hause und iu's Bett, und dort bleiben Sie wenigstens einen Tag liegen und verhalten sich ruhig. So viel man bis jetzt crkcnucu kann, ist kein Knochen gebrochen, indeß könnte sich doch noch sonst irgend eine Verletzung zeigen und daher ist vor allen Dingen Vorsicht zu empfehlen, damit Fieber und dergleichen vermieden werden. Was ist aber nur dcr juugcn Miß? ein Vischen Angst und Schreck? Nun ja .... das ist jungen Damen eben nicht zu verübeln; lassen Sie mich doch einmal den Puls fühlen .... richtig .... richtig .... so, jetzt geben Sie dem jungen Mann, Ihrem Netter, wie Sie ihn nennen, auch das Händchen, man mnß doch dankbar sein.... schickt sich nicht anders .... sonderbarer Puls .... höchst unregelmäßig.... halt! jetzt ist's genug, junger Herr .... thut sich nicht, so lange 253 Hände zu schütteln .... auf und zu Vclt .... und sich nur fcin ruhig verhalten." Mit diesen Worten nahm unser trefflicher gutmüthiger Arzt Abschied und ich kehrte mit Betsy und William heim. Dort fand ich aber einen Brief, den ein Eilbote von Hobarttown aus über« bracht hatte und der hinsichtlich der cingefangenen Bushranger nicinc Gegenwart als Zeuge verlangte. Die Sachc gestattete keinen Bcrzug und so rüstete ich mich schleunig zum Abmarsch, weil ich an demselben Abend noch ungefähr achtzehn Meilen zurücklegen und an der Straße übernachten wollte. Die nöthigen Anordnungen für die Zeit meiner Abwesenheit waren bald gclroffcn, dann hing ich meine Büchse um und machte mich auf den Weg. Zweiundzwanzigstes Kapitel Der sraßhaftc Advokat, — Wic man in dm (5olonicn cinc Fr.iu losn'ird, — Thornlcy wohnt einer Hinrichtung bei, die ibm übel macht, begilu sick auf den Heimweg, läuft hinter seinen Schafen her und trifft mit einem Bushranger zusammen. Ich brachte die Nacht in der Ansiedlung Green-Ponds zu und lam andern TagcS gegen vier Uhr Abends in der Stadt an, wo ich crfnhr, baß das Vcrhör der Bushranger erst in einigen Tagen stattfinden würde. Da ich weiter leine Geschäfte daselbst hatte, so vertrieb ich mir die Zeit so gut es gehen mochte, schlenderte in den Straßen umher und besah das Stückchen Land wie« der, das ich vor einigen Monaten an mich gekauft hatte. Eö sah nicht zum Vestcn aus nnd ich wünschte die dafür bezahlten 100 254 Pfund wieder in der Tasche zu haben, sonnte aber Niemanden finden, der mir das ausgelegte Geld dafür sogleich baar hingezählt hätte, obwohl sich Käufer genug zeigten, die mir auf Credit hin die doppelte Summe dafür schuldig bleiben wolltcu. Ich war aber kein Freund von einem derartige» Handel und besah nur daher das ganze Grundstück noch einmal genau, wonach ich eben nicht in der beste» Laune in's Wirthohans zurückkehrte. Dort traf ich einen Freiind von mir, den Sheriff, der mich erwartet hatte und in trübseliger Stimmung war, da er folgenden Tages der Hinrichtung von vier Männern vorzustehen hatte. Der Eine von diesen war ein Schafrieb, die andern zwei hatten das Vuöhrangcrhandwcrk getrieben, der vierte Fall aber schien mir ein so eigenthümlicher, daß ich ihn damals anfnotirtc n»d hier mittheilen will, da er einigen Aufschluß über das iuucrc Leben und Treiben der Coloniccu zu jener Zeit gibt. Ich aß mit dem Sheriff und dem Advokaten, welcher den Vierten, einen Mörder, zu vertheidigen gehabt hatte, cm einer Tafel, und der Advokat zog die Geschichte, die ihn sehr zu ergötzen schien, in's Lächerliche, da er hauptsächlich den ziemlich niedergeschlagenen Sheriff dadurch aufzuheitern wünschte. Ich werde versuchen, sie, wo immer möglich, mit des Advokaten eigenen Worten wiederzugeben, denn so schrecklich auch der Inhalt an und für sich war, mußte ich doch oft über die komische Art und Weise lachen, mit der er uns den Vorfall gleich einem Spaß zum Besten gab. Man findet überhaupt bei den Advokaten die nämliche Gleichgültigkeit gegen Szenen des Verbrechens uud Elends, wie Aerzte sie hinsichtlich der Krankheiten und Wunden ihrer Patienten zeigen, in welchen sie zuletzt leine leirendcn Menschen, sondern Körper sehen, an denen sie ihre Kunst und Gcschicklichlcit beweisen und versuchen können. „Gin schlimmer Fall war'S allerdings," begann der Advokat feine Erzählung: „das sagt ich meinem Clienten gleich im Anfang, 255 mußte aber natürlich meine Pflicht thun und Alles, was mir an Vertheidigungsgründen für ihn zu Gebote stand, aufbieten. Er war seines Zeichens ein Schwcincschlächter und als er e!ms Tages init einem seiner Nachbarn, einem Bäcker, Händel kriegte, griff er zu seinem Messer, mit dem er sonst gewöhnlich den F^leln zn Leibe ging und more «uo trieb er eö seiner Bekanntschaft in den Bauch, den er «ec-uncium arlem aufschlitzte. „Sein Geschäft mnß er aus dem Grunde verstanden haben, denn der Gestochene hatte am ersten Streich genug, starb natürlich und mein Gentleman wurde in aller Form des Rechts abgefaßt und eingesteckt, Ich gab mir beim Verhör alle erdenkliche Mühe, «den Mord als eincu gewöhnlichen Todtschlag zu qualificivcn, da das Abstechen ja nicht mit Vorbedacht geschehen war, indem er das Messer als ein zu seinem Geschäfte gehöriges Werkzeug einmal in der Hand hielt, und es ans bloßer Gewohnheit.... wir sind ja Alle Gewohnheitsmenschen .... in den hineinsteckte, der dessen, seiner Ansicht nach, gerade bedürftig war. „Das wollte zwar keinen Anklang finden .... der Nichter hatte ein so dickes Fell über den Ohren, als stäckc er in einer mit Lattennägeln angeschmiedeten Bärenhaut, und die Geschworenen waren müde und hungrig uud wären gern heimgegangen, da kamen sie denn bald übercin und über uns wurde natürlich das Schuldig ausgesprochen. Mein Client mnßte in Folge dcffen in dic Verdammtenzcllc wandern und dort die gelegene Zeit zum Erhängen abWatten, was zwar nicht der angenehmste Platz ist, um heilsame Betrachtungen anzustellen; doch wie gesagt, der Mensch gewöhnt sich an Alles. „Merkwürdig ist, was für eine Aenderung in dcm Wesen eines Menschen durch den Ausspruch des Wörtchcns schuldig hervorgebracht wird. Manch tüchtigen Burschen hab ich schon unter den Händen gehabt i die gebcrbcten sich so keck und trotzig, wie 256 man nur wünschen konnte, wenn aber der Vormaun') das Weiße von den Augen zeigt (dergleichen fromme Augcnverdreherei bedeu-tct immer das Schlimmste) und das eine kleine Wort schilt dig lispelt, Herrgott, wie verändern sich da die armen Teufel! .... doch das gehurt nicht hicher .... drum lassen Sie mich auf meine Geschichte übcrgchn. „Der Pfarrer Iorawaigh ist wohl Allen bekannt, oder nicht? das ist tcr Mann, der Einem den innern Mensche» gehörig herauszukehren weiß, er wendet sie völlig »im oder macht sie, wie die Schotten zu sagen pflegen, sanbcr nm's Nierenstück. „Gut denn .... mein Freund, der Schwcincschlächtcr, wurde, wie er einmal vcrmthcilt war, merkwürdig religiös, welche Erfahrung ich übrigens schon bei den Meisten, die gehängt werden sollen, gemacht habe. Heißt doch schon der Wahlspruch der De-portirten: Laß Dir nie eine Gelegenheit entschlüpfen! „Wie ich von dem Schließer vernommen, soll ihm aber der Pfarrer dabei die Hölle fo heiß gemacht haben, daß cö der arme Teufel am Ende satt kriegte nnd seinem Gcfangcnwärter heimlich vertraute, er wolle tausendmal lieber gehängt als länger mit solchem Geschwätz geplagt werden. Pjeln Pfarrer ist aber nicht der Mann, der sich eine Vernachlässigung seiner Pflicht zu Schulden kommen läßt! Tag für Tag besuchte er ihn .... er ließ sich nicht wankend machen nnd brachte zuletzt wirklich den Neu i gen, wie er ihn gegen mich nannte, zu einem Süudcnbekcnntinß, das sich auch der Mühe verlohnte. „Er gestand ihm nämlich, daß der Mord, »in dcssenwillen er sitze, sein vierter sei ..., ja, ja, Gentlemen, sein vierter Mord, nnd rathen Sie einmal, wer die Opfer dieses so bedeutend cnt« 1) Voriuanii wird bei dem Geschworncngericht dcrjcoiqc gcucnuN, welcher »ach beendigt« Berathung des Urtheils dem Richt« das Schuldig oder Nicht' schuldig überbringt. 25? wickelten Ierstörungsorgancs waren! (denn wie bekanntlich wird ja in unsern Zeiten Alles auf die Organe geschoben) mm? .... seine drei Frauen.... das heißt, sein Gcständniß lautet auf drei, wie viel mehr cr nun noch bei Seite geschafft hat, weiß der Himmel; der Pfarrer hatte anch an den dreien mehr, als genug, »nd ließ ihn in Fncden. ,.Das Merkwürdigste bei der ganzen Sache ist aber die Art, wie cr scinc Frauen Hinbrachte. Ich weiß zwar nicht einmal, ob ich auch gut thue, dao Geheimniß preiszugeben.... es könnte noch Mancher davon Gebrauch machen wollen.... und ich möchte nicht ____doch wir sind ja hier nntcr Freunden und ich zähle auf Ihre Verschwiegenheit, hoffe auch, wir werden cö keinem verheirateten Manne anvertrauen, denn das Mittel ist probat und originell dazu; kurz und gut, man lernt allc Tage mehr. (5o könnte (5'iocr noch sein G.nck mit der Geschichte inachen, wenn cr nach London zöge und ein Trauerspiel darüber schriebe . . . . 'o ist nnr etwa»? zu, grausig, „Cr stellte also das Ding folgendermaßen an. Scinc Frau war betrunken .... oder er brachte sie in diesen Zustand ..., das kommt auf Gins heraus; was ist nun natnrlichir, als daß sic sich aufs Vctt legte uno zw.ir mit dem Gesicht auf das Kissen? .... oder brachte sic sich nicht gerade selbst in dirse Lage, so war es ja ein Leichtes, sie umzudrehen. Gut.... mein Freund legte ihr dann cii, anderes Kopfkissen in den Nacken und sehte sich dranf hin, und das so lange, als cr es seinem eigenen Ausdruck nach für nöthig fand. Fürchterlich .... nicht wahr? Wao doch manche Männer nicht Alles ersinnen, nm ilirc Weiber los zu werden ____Der Echnrke gesteht jetzt, daß er auf diese Art oft eine ganze Weile gesessen und sciu Pfeifchen geraucht habe, um, wie cr sagte, sich die Zeit zu vertreiben! Es ist eigentlich entsetzlich, wenu man's so recht bedenkt; manchmal kommt eö mir Adeiiteucr ei»cö Auöw.uidcrev?. l. ^? 258 abcr auch wieder ganz komisch vor. .. . schon oft, wcuu nur die Geschichte im Kopfe hcruniging, und ich mir den Burschen so lebhast ausmalte, wie er ruhig und behaglich da saß uno seine Frau zu Tode rauchte, mußte ich plötzlich laut auflachen. Nicht, daß mir die Grausamkeit einer solchen Handlung nicht zu Gemüth gegangen wäre.... ucin .... es blieb cS eine Schändlichkeit, wenn es auch die eigene Frau war .... er trieb das Ding zu kalt-lnltig. War die Operation beendigt, so giug er in das zunächst gelegene Wirthshaus imo blieb dott, bis die Nachricht kam, seine Frau sei todt .... Kein Mensch dachte Arges dabei . , . . es schien, als ob die Frau zu viel gctrnulcu gehabt, ganz natürlich auf das Bett gefallen und dort mit dem Gesicht in vcn Kissen begraben; von selbst erstickt wäre. Nlemcmb hegt« Verdacht, die Einen bedauerten ihn, sciue Lebensgefährtin verloren zu haben, Andere wünschten ihm Glück, von einer leichtsinnigen uud trunksüchtigen Frau befreit zu sein. Kurze Zeit darauf heiratete er eine Andere, die nicht lange nachher auf ähnliche Weise umkam. Noch nicht abgeschreckt dadurch, schritt er zur dritten Ehe.... und die dritte Frau starb in Folge des nämlichen Lasters. Nie er mir sagte, war in der Nachbarschaft viel Gerede über diesen traurigen Vorfall; er aber zog ganz neue Trauerkleiver an, band schwarzen Flor nm den Hut, versämme kein Abendgebet in der Nachbarschaft und wurde von .... für Jedermann für ein Muster von einem Ehemann, aber höchste «»glücklich gehalten. »Er läßt sich nicht bestimmen, wie Mancher er noch daS Lebenslicht cmSgcblasen hätte, wäre die letzte Geschichte nicht dazwischen gekommen, Pfarrer Iorawaigh behauptet indeß, cs sei das r c um üthi gste Lamm, dessen Seele zu retten, er ja so glücklich gewesen sei .... was mich betrifft, so halte ich von der Rene eines Schurken, der gehangen wcrren soll, verteufelt we- 259 "ig. und hat der Pfarrer mit seiner Seele nicht mehr Glück gehabt, als ich mit seinem Cadaver, so wird's meiner Ansicht nach dem Echwcincschlächter noch ganz andcrS ergehen, wenn er einmal gebaumelt hat, als jetzt, da er noch baumeln soll. Nun .... da mag er selbst seben.....morgen kriegt er jedenfalls ei» Sheriffs frühstück, ein Bischen Würgen und ein Vischen Zappeln hinterher, und uns wirb es die besondere Genugthuung verschaffen, einen Schurke» weniger auf der Welt zu wissen. L'S ist gewiß waS Arges, seine Weiber zu ersticken .... doch ließen sich da immcr noch Entschiiloigungögrnnde anführen .... allein einen Bäcker abschlachten, heißt doch die Sache elwaS zu weit treiben, besonders in einer Gegend, wo's so wenig Bäcker gibt, wie hier . . . ." Auf die Bitte des Sheriffs begleitete ich ihn am nächsten Morgen zum Erecutionsplay. Ich war noch nie bei einer Hinrichtung zugegen gewesen und gelobte auch hier, eS zum ersten und letzten Male zu sein. Mein Erstaunen ward besonders durch die kalte Äiihe, ich möchte sagen, Gleichgültigkeit, erregt, womit Giner der Unglücklichen seinem Schicksale entgegen ging. Unwillkürlich drängte sich mir dabei dcr Gedanke auf: daß man einem Mitmenschen, bloß um ein Schaf gestohlen zu haben, das Leben nicht nehmen sollte, allein eS hatte leider, in letzter Zeit hauptsächlich, diese Art Industrie so gewaltig überhanb genommen, daß die Regierung für gnt fand, einmal einige Beispiele zu statuiren, um die Räuber wenigstens etwas abzuschrecken. Es bedürfte indeß mehrerer Monate, um die immer und immerwiederkehrende Erinnerung an den Tod dieses Mannes zu tilgen. Ich stand am Fuß dcr Leiter, die der Vcrurtheilte besteigen sollte, und da durch eine Verwirrung mit den Seilen eine kleine Zögerung entstand und dieser cincn Augenblick warten mußte, so befand ich mich mehrere Nimittu dicht neben ihm. Einige mit 17* ?6ie Brust erdrückt und das ich bis jetzt keinem lebenden Wesen 265 anvertrauen konnte. Ihre Sinnesweise ist mir bekannt; ich weiß, daß die Arbeiter der Regierung von Ihnen nie hart behandelt wurden, wie eS sunst so ost zu geschehen pfiegt .... doch sei dein, wie ihm wolle, sprechen muß ich zu Jemandem .... wollen Sie mir Gchör schcnlcn?" Diese zu solcher Zeit und an solchem Orte so unerwartet vorgetragene Bitte, machte einen seltsamen Eindruck auf mich. Nicht ein Laut, nicht ein lebendes Wesen außer uns störte die uns umgebende Stille und Einsamkeit; .... zu unsern Füßen gähnte der Abgrund, in dessen Tiefe sich der Clyde hinwälzte .... weiter hinaus lagen wellenförmige, fast baumlose Hügel . . . . m bläulicher Ferne glänzte der schneeumkrönte Verges-rücken herüber, der d«n Horizont begränzte .... wir waren in dieser Wilbniß ganz allein und nicht ohne Verdacht mußte ich einige Sekunden lang den Bushranger anblicken, denn ich hatte schon so Vieles von den Verräthercicn in dieser Menschenrasse gehört, daß ein so offen fund gegebenes Vertrauen mich kaum etwas Besseres ahnen ließ, als eine versteckte List, um mich nachher desto leichter und sicherer zu überrumpelt!. Zudem war mir der Mann als der wilde Führer jener am See eingefangenen Bande bekannt. Da er den Verdacht und daS Mißtrauen, die er mir immer noch einflößte, bemerken mochte, deutete er auf sein Gewehr, daS unweit von mir, ihm aber unerreichbar, lag und sagte: „Was kann ich mehr thun, um Sie zu überzeugen, daß ich nicht dic geringste feindselige Absicht hege .... ach, wenn Sie erst hören, was ich von Ihnen erbitten will, so wird es Ihnen klar werden, daß tin solches Benehmen ja alle meine Wünsche und Hoffnungen vernichten müßte.'" „Und was ist es denn? .... sagt mir unumwunden, seid Ihr einer der VuShranger, die erst kürzlich so viel Unheil im Lande gestiftet haben?" 266 „Ich bin einer von ihnen, und mehr noch, ich bin oder .... war .... ihr Führer. Ich schmiedete den Plan znr Flucht aus Macquarie-Harbour .... ich hielt sie zusammen, ließ sie ihre Starke kennen und lehrte sie diese benutzen. Es gehört dieß eigentlich nicht hierher und nicht daS ist'S, wovon ich reden möchte, es soll Ihnen bloß beweisen, daß ich ohne Falsch bin und leinen Rückhalt mehr im Herzen trage .... denn ich habe eine Vitte .... eine große, große Bitte an Sie, und sollte mir die Erfüllung derselben untcr feiner andern Bedingung versprochen werden, so möchte ich säst sagen .... nehmen Sie mich als Ihren Gefangenen mit nnd möge die Einlieferung des Zigeuners .... ach! ich sehe, daß Sie den Namen und seine Schrecken kennen, die er sogar jetzt noch auf meine elenden Verfolger ausübt .... ja .... «löge dann die Gefangenschaft und der Tod des Zigeuners, wenn Sie wollen, denn dahin muß es noch kommen, der Preis jener Vitte sein, um deren Gewährung ich Sie Nicht heiß genug anstehen kann," „Sprecht Euch frei und offen aus, Mann!" entgegnete ich ihm. „Ihr habt zwar deö Bösen viel verübt, doch wollen wir jetzt dessen nicht gedenken .... WaS soll ich thun'i . . . Wenn ein ehrlicher Mann Eure Bitte erfüllen kann, so sage ich Euch die Gewährung derselben im Voraus zu." „O, ich weiß, Sie werden Ihr Versprechen halten, ... . . doch hören Sie mich jetzt an." 26? Vierundzwanzigstes Kaptiel. Die Erzählung de« Vuehraiiger«. — Sein Hjlrbrcchen und ,'einc Lcikcn. — Wie er au« Macquarie.Harbour entweicht. „Ts ist Ihnen wahrscheinlich unbekannt, daß ich schon seit zehn Jahren in den Colonieen bin .... ich war ein Lebenslänglicher. Solch eine Strafe ist aber doch zn hart .... Lieber einen Mann gehangen, als sein Leben lang Strafe dulden lassen .... ohne Hoffnung auf ein Ende des Jammers und Elends. Wäre auch die Strafzeit uoch so weit hinauSgerücit, der Mensch könnte doch im Hinblick auf die später» Jahre noch hoffen, sie herbeisehnen .... «S wäre ihm EtwaS geblieben? Doch geuug hievon, ich erwähnte dessen nur, weil ich glaube, daß eben dieses Gefühl der Verzweiflung mich zuerst zum Unrecht verführte uud nachher immer weiter und weiter trieb. „Gleich'nach meiner Landung wurde ich einem sehr gute» Herrn zugetheilt; es gab damals der Ansiedler noch wenige und daS Land war uns auch nicht so bckanut, wie jetzt, da ich aber für VielcS Geschick zeigte, und manches verstand, wodurch mir eine kleine ErwerbSauelle geöffnet wurde, so erfreute ich mich auch bald meiner Freiheit, untcr der alten Bedingung, daß ich nämlich meinem Herrn wöchentlich bloß eine gewisse Summe bezahlte. Heutzutage geht baS nicht mehr an, allein damals war es ein Fall, der häufig vorkam, und das sogar bei den Ersten des LaudeS. Mein einziges Streben ging nach Freiheit, und dies« ward mir für sieben Schillinge der Woche zu Theil. Der Gedanke aber, daß ich dennoch Gefangener sei und je nach einer Lauue meines Herrn alle Augenblicke wieder zu öffentlicher Arbeit verwendet werden konnte, quälte mich und mein Widerwillen ward noch durch den Umstand vermehrt, daß ich rin junges Mädchen 268 kennen gelernt und geheiratet hatte. Nun wurde mir die Skla, »erei erst zur Last, denn ich liebte mein Weib herzlich und durfte an eine Trennung von ihr nicht denken. Ungefähr drei Jahre mochten wir beieinander gelebt haben, als ich den Versuch wagte, mit ihr auf einem Schiffe nach England zu flüchten. ES war allerdings ein toller Plan, aber was thut ein Mann nicht Alles, um seine Freiheit zu erlangen?^ „Weßhalb wolltet Ihr denn nach England zurück .... womit habt Ihr Eure Strafe verschuldet?" „Ach Sir, wenn ich cs auch sagte, Sie würden mir's doch nicht glauben. Es ist wohl kaum e i u Gefangener auf der ganzen Insel, der, wenn er nach der Ursache seincr Bestrafung gefragt wirb, nicht seiue Unschuld zu betheuern sucht .... Ich möchte fast sagen, es sei dieß eine etwas unbillige Frage, denn wie kann man verlangen, baß sich ein Mensch selbst verdammen soll?" „Ich würde diese Frage nicht gethan haben, so Ihr nicht selbst gewünscht hättet, mir Eure Geschichte zu erzählen .... doch .... übergehn wir das nut Stillschweigen nnd fahrt fort," „Ich habe keine Gründe, es zu verschweigen. Ich wurde eines Nachts mit andern Wilddieben in Herefordshire vcn den Jägern und Aufpassern überfallen . . . . cs kam, ich weiß selbst nicht mehr wie, zu Schlägen und vier der Leute wurden getödtet." „Und Ihr wurdet auf Mord augeklagt?" „Ich uebst zwei Anderen. Einer wurde gehangen, wir auderu Beide auf Lebenszeit deportirt." /,Laßt uns das so wenig als möglich berühren, es ift besser - ' . . und jetzt fahrt lieber in Eurer Erzählung fort und sagt mir, was Ihr von mir verlangt." „ES soll gleich geschehen , doch zu besserem Verständniß muß 2S9 ich Ihnen den weitern Verlaus meiner Geschichte erzählen. Auf dem Schiffe hinter Fässern verborge», wurde ich dennoch von den mit der Untersuchung beauftragten Leuten entdeckt und sammt meiner Frau au's Land geschafft. Cö ist Ihnen vermuthlich nicht un-befannt, dasi auf dieses Vergehen Todesstrafe gesetzt ist; Colonel Da-wey schenkte mir aber das Leben, doch wurde ich zu . . ., Ketten» arbeit verdammt. Das war ei» entsetzliches Schicksal und bald hatte der Entschluß, cS nicht zn crlragen, unerschütterlich in ,nir festgewurzelt. Cs dauerte nicht lange, so fand ich noch mchiere unter den Kettensiräftingen, die ebenfalls bereit waren/ in den Wald zu fliehen, wenn Jemand den Plan für sie ent« worsen hätte. Zu Kopfarbeit zeigte ich von früher Jugend auf Geschick und es gelang mir in lurzer Zeit, u»S eines Nachts von unsern Ketten zu befreien. Der Verschworenen waren noch drei außer mir. ,,M>t leichter Mühe ward die Mauer erstiegen, und nun glitt eincr herunter (cS war zn finster, um erkennen zu fönnen, was anS ihn» wurde), dann der zweite, bann der dritte und zuletzt ich. Keiner gab einen Laut von sich und leicht und fröhlich pochte mein Herz, als ich an der Außenseite des Gefängnisses mittelst deS obeni befestigten Seiles Hinunteisuhr .... allein meine Freude war von kurzer Dauer. (5iner tcr elenden Schufte hatte uns verrathen, und als ich den Boden erreichte, sah ich mich in den Händen zweier Constabclc«, die mich mit kräftigen Fäusten packten. Den (linen schlug ich zu Boden und auch mit dem Andern wäre ich leicht fertig geworden, hatte dieser nicht das Alar»:zeichen gegeben, in Folge dessen (ionstabels, Lichter und Soldaten von allen Cndcn herbeigeströmt kamen. Von den auf mich Andringenden überwältigt, wurden mir Hände nnd Füße gebnndeu, man stellte mich wegen Ausreißen nnb Thätlich-leiten gegen einen Constabel vor Gericht und mein Urtheil lautete, nach Macquane-Harbonr geschafft zu werden,'' 270 „Wenn die Zeit nicht drängte, so wmde ich such nicht m Gurcr Erzählung stören/' sagte ich, ,,was hat aber dieß AllcS mit dem Dienst zu thun, den Ihr von mir verlangt? Ihr seht, die Sonne geht hinter jenem Hügel unter und . . . ." „Nur einen Augenblick bitte ich Sie noch, nm einen einzigen Augenblick; Sie sollen sehen, in welchem Zusammenhang dieß AlleS mit meinem Anliegen steht. Noch habe ich nicht erwähnt, daß meine Frau mir eine Tochter geboren hatte. Sie ist jetzt sieben Jahr alt. Ich liebte daS Kind, Master Thornley, mehr und h.-ißer wohl, als Eltern ihre Kinder zu lieben pflegen: es war mein Gin und AllcS der einzige Glanz und Lichtpunkt mein-S trüben, freudelosen Lebens. Als ich nach Macqua-rin-Harbour verdammt wurde, hätte ich es für eine Barmherzigkeit angesehen, gehangen zn werden, und würde nicht der Gedanke an mein Kind mich noch an diese Erde gefesselt haben, ich hätte damals meinem qualvollen Leben ein Ende gemacht. Doch lassen Sie mich hierüber schweigen. Gin Mann, der Bushranger wird, und thut, wa6 ich, jetzt gethan habe, der wird gemeiniglich für ein Ungeheuer gehalten, das gar leincs Gefühls, leines Zutrauens mehr fähig ist, die Leute kenucu unS aber nicht. Ich versichere Sie, Herr, Keiner, nicht ein Einziger nnter den wildesten Verbrechern ist so entartet, daß nicht noch ein guter Funken in ihm schlummert; ich konnte diese Erfahrung hinlänglich machen, denn dicß Macquarie-Harbour ist die wahre Hölle auf der Erde. Ich will Sie indeß nicht mit der Schilderung all des Elendes und all der Qual ermüden, welche die unglücklichen Sträflinge an jenem fürchterlichen Ort zu erduloen habeu . . . . eS Hat'S noch Keiner lange dort ausgehalten. Mein größtes Herzeleid war jetzt die Trennung von meinem Liebling, von meinem kleinen Mäochen, meiner einzigen Lebensfreude. Nach einem kaum fünfwöchentlichcn Aufenthalt in Macquarie-Harbour traf mich dann die Nachricht, daß mein Weib gestorben sei. 27l „Die Wahrheit zu gestehen, war mir diese Nachricht, wie sehr ich auch mcüic Frau liebte, beinahe erwünscht. Der Gedanke, sie in eines Andern Armen zu wissen, wäre nur fürchterlich , unerträglich gewesen .... zu einer Wiedervereinigung mit ihr war aber nicht die leiseste Hoffnung vorhanden; .... jetzt war sie todt, lag in der stillen, falten Grde, und wahrlich, es verschaffte nur einigermaßen Linderung, sie aller Schmerlen, alles Jammers enthoben zu wissen. „Was aber war aus meinem armen, kleinen Kinde geworden? Dieser Gedanke quälte mich Tag und Nacht, und die Sehnsucht, das Mädchen wieder zu sehe», ward endlich so stark, daß die Möglichkeit einer Flucht aus Macquarie-Harbour in mir aufdämmerte, wiewohl es Anfangs als wahnsinniges Veginnen erscheinen mochte, denn wenn auch die Flucht glücklich bewerkstelligt werden konnte, so war es doch schwer, dcu Wald, wo man fortwährend dcn Angriffen der (singcbornen ausgesetzt ist, ohne Waffen und LebenLmittcl zu durchziehen. Doch was läßt sich nicht Alles durch Geduld und feste Entschlossenheit, wie durch Wahrnehmung des rechten Augenblicks vollführen! . . . Ich lernte dieses Geheimniß kennen." Des Zigeuners Geschichte fing an, meine Theilnahme zu erregen, und in der Hoffnung, einige nützliche Nachrichten über seine Flucht zu erhalten, fragte ich ihn fast ;n begierig: „Aber wie konntet Ihr entfliehen? auf welche Art gelang es?" „Ja . . . eS mag allerdings der Mühe werth sein, das zu hören," entgcancte er. .... „nnd da ich Sie mir zu befreunde» wünsche, so sollen Sie es erfahren." „Wie viele entflohen mit Euch?" „Es waren unserer vierzehn im Ganzen. Sie wissen vielleicht, wie entsetzlich hart die Arbeit in Macquaric-Harbour und "nt welch fürchterlichen Entbehrungen sie begleitet ist; würden die Gefangenen nicht einzeln so genau »nd sorgfältig bewacht, eS 272 bräche jeden Tag cine Empörung aus; so aber arbeit?« sie in Ketten, die täglich nutersucht werden, und wodurch dic Arbeit beinahe zurUmnöglichkcit wird. Sollte die Flucht dcmwch einem der Unglücklichen gelingen, so wartet seiner bei seinem Marsch durch dcu Waldund bei dem Lebcn ohne Waffen und Mundvorrath in dc>n-selben nicht minder Schreckliches. Vei dcm einmal gefaßten Entschlüsse, unter jeder Bedingung den uns umgebenden Drangsalen zu entgehen, achteten wir aber dieser Schrecknisse nicht, sondern setzten lieber das Leben an die Ausführung unseres Vorhabens. „(3inc besondere Schwienglcit stellte sich uns darin entgegen, daß wir so wenig mit einander reden konnten, um uns über den Plan zur Flucht zu vcrstäudigcu, und da ich schou einmal verrathen ward, so ging ich dicßmal mit um so größerer Vorsicht zu Wcrke, und sah mich wohl vor, wem ich »nein Geheimniß eröffnete. „Sie muffen hicbei wissen, daß die verschiedenen Abtheilungen der Kettcnsträflinge von Aufsehern begleitet werden, die sie unablässig beobachten und bewachen, während Schildwachcu mit geladenen Musketen ringsum aufgestellt sind; iudeffeu trifft es sich zuweilen / daß einzelne Abtheilungen an die äußersten Linien der Arbeitsplätze, von der übrigen Masse abgesondert, hiubcordcrt werden. Vine solche Gelegenheit erwartete ich nun. «Eines Tages wareu unser Vierzehn eifrig beschäftigt, Väumc zu fällcn und zu der Sägmühlc hinzuschleppen, was eine dcr gewöhnlichen Eträfüiigsarbeiten ist; bio gegen Abend vermieden wir Alles, wodurch irgend ein Verdacht hätte erweckt werden können, und suchten bloß auf dcm Heimwege uns etwas zurückzuhalten. Zwei Schildwachen, au denen wir vorbei mußten, waren an der linie und zwei Aufseher folgtcu uus; nach einem gegebenen Zeichen adcr warfeu sich Ginige auf deu am weiiesteu entfernten Soldaten, während ich dcn näher Stehenden auf mich nahm und ihn s" umklamüicttc, daß cr uicht schießen und keiu N^thzcichen geben 273 konnte. Dic Ucbrigcn banden und knebelten unterdessen die beiden Aufseher, und nun hatten wir sie Alle in unserer Gewalt. Das Ganze dauerte kaum eine Minute, wenn es sich auch nicht in so kurzer Zeit erzählen läßt. Wir nahmen dann den Soldaten die Musketen ab und aus diesen und den Patrontaschen, in deren jeder wir zwanzig Patronen fanden, bestand vorläufig unsere Vewaff-uung. Auf diese Weise wurde kein Älut vergossen, obwohl wir keinen Anstand genommen hätten, wenn es nöthig gewesen wäre . .. es war aber nicht der Fall uud meinen Ansichten nach taugt es zu Nichts, Einen ohne Noth um'ö Leben zu bringen . . . erstlich zeugt es von Grausamkeit uud dauu . . . legt es bei deu Ver-höreu ein böses Gewicht in die Schale. „Vor der Hand hatten wir nichts Angelegentlicheres zu thun, als uns unserer Kettcn zu entledigen, denn da wir überzeugt waren, baß wir gleich nach dem Eintritt in das Gefängniß vermißt und da»u unverzüglich verfolgt werdeu würden, so war keiuc Zeit zu, verlieren. Fü n fu n d zw anz igste s Kapitel. Die Flucht der entwichenen St>äfl!n>,e durch das Land. — Das Geständnisi dcs Vuichrangers. — Kein Mann ist ft l'ösc, dnsi cr nicht irgend eine >Mc Licitc an sich hätte. — Tcs Zigcnners lchtc Vittc und ftin gräsilichcr Hod. „Mit möglichster Schnelle flohen wir jetzt eine beträchtliche Strecke Weges durch den Vusch, und als wir weit genug enlfcrnt waren, um nicht mehr gehört werden zu können, gingen wir mit Eifer daran, unsre Ketten zu sprengen, was nns auch mit Allen, ?ll>c»ttncr cincs Anöw.indcrcrs, I. 18 2?H drei ausycnonnnen, gelang. Diese warm so stark geschlissen, daß eg fast nmnöglich schien, das Gisen abzuschlagen; dennoch schleppten Wir sie, so gut es gehcn uiochte, mit uns fort, denn zurücklasse» wollten wir sie in keinem Falle, und wir kamen endlich am nächsten Morgen nach unsägliche Mühe und Arbeit nut ihrer Befreiung zu Stande. Da wir die Sturmglocke »nd die Alarmzeichen gehört, so waren wir die ganze Nacht marschirt und hatten übrigens den Vortheil eines Vorsprungs vcn einer Stunde, die uns schon Weit fortbrachte, während das Auffinden und Befragen der Geknebelten den Verfolgern ebenfalls Zeit geraubt haben musite. „Der Unistand, daß sie uuö bewaffnet wußten, konnte uns ebenfalls günstig sein, denn bei unsrer Anzahl durften sie nicht wna/n, sich zu sehr zu vereinzeln, und bei der herrschenden Dunkelheit waren unsre Fährten nur schwer zu verfolgen. „Mundvorrath hatten wir nnn allerdings keinen bei nnS, wir machten uns aber wenig daraus und strengten vielmehr all' unsre Kräfte an, das Marschiren auszuhalten, an das wir gar nicht mehr gewöhnt waren. Der Gedanke, frei zu sein, lieh uns Muth und wir flohen in gerader Linie, so viel diese nämlich zu verfolgen war, dilrch das ^!and. „Am zweiten Tage jedoch wurden fast ?Ille von Mattigkeit und Erschöpfung überfallen, und die kalt?, rauhe Nacht im Frcicn verschlimmerte noch das Nebel, Wir krochen endlich in eine Höhle, wo wir uns, da sie iuwcMg sandig war, vor der Kälte ziemlich geschützt sahen, dagegen stellte stch in dem entsetzlichsten Hunger eine andere Qual ein. Wir hätten zwar Tags zuvor mehr als ci.i Känguruh schießen können, wcun unS die Äcsürchtung, die Vcr-solger durch den Knall deö Gewehres auf unsre Fährten zu loäen, nicht davon abgehalten hätte. Wahrend wir nun so zusammengekauert dalagen, hörten wir das Quitschen der Ovossums in den Bäumen und die am wenigsten Ermüdeten versuchten einige zu saugen, Gs war dieß indeß keine Kleinigkeit, deun sobald wlr den 275 Baum erklettert hatten, sprangen sie wie die Eichhörnchen fort, und zudem gestattete uns die Dunkelheit kaum, sie zu erkennen. ES gelang uns am Ende, einige von ihncn in daS niedere Buschwerk hiuabzutrcibcn, wo wir süus mit Steinen erlegten, die aber auch wieder einzeln herunter geholt werden mußten, da sie sich, wenn auch todt, noch mit dcn Schwänzen an dic Zweige klammerten und dort hängen blieben. Um unS nicht durch den Schein deö Feuers zu verrathen, zündeten wir dasselbe vorsichtig ganz hinten in der Höhle an, und rösteten dann nach Nrt der Linge-bornen unsern Fang, (5s war aber ein entsetzliches Gericht und so ausgehungert wir auch warcu, so machte unS der Genuß dcö-stlbeu doch beinahe krank. Den folgenden Tag erlegten wir ein Känguruh, daS, in der Bcsorgniß, eS möchte daS Feuer und der Rauch auf unsre Spur führen, roh verzehrt wurde. Ich will Sie aber jetzt durch eine Erzählung der einzelnen Begebenheiten und Erlebnisse auf eiucm solchen Marsche nicht aufhalten, Master Thornlcy, genug, wir gelangte» endlich..," „Habt Ihr irgendwo guteS Land angetroffen?" fragte ich, „der Theil zwischen Marquaric-Harbour und den Ausscdlungen ist bis jetzt noch nicht untersucht worden ..." „Nicht viel... beinahe alles Land, daS wir durchwanderten, war buschig und mit Steinhügeln wie übersät. Es zeigten sich auch wenissc Känguruhs oder Fährten derselben, und die Gegend ist mit Äiwiiichüic einiger guten Stellen ciuc unfruchtbare und rauhe." „Findet sich Wasser genug?" „Hinreichend; allein zu Weibcgrund, wozu Sie es doch benutzen möchten, würde sich jener Landstrich nicht eignen. Der beste Vodeu von VaudiemenSlaud liegt östlich . . . dort könnte ich Ihnen herrliche Plätze zeigen." „Dante," eutgegucie ich, „kommen wir aber nicht ein wenig von unserm Gespräch ab?" 1»5 276 „Ach ja'.... nun, ich wollte Ihnen als» erzählen, wie wir tie äußern Gränzen der New-Norfolk-Ansiedlungcn erreichten und dort berathschlagten, was wir jetzt beginnen sollten. Einige waren der Meinung, den Platz anzngrcifen, um Waffen zu bekommen, ich wußte sie ab:r zu bestimmen, der Seelüfte näher zu rücken und zu versuchen, dort ein Boot zu stehlen, auf welchem wir das Land ganz verlassen könnten; nm diesen Plan auszuführen, mußten wir unS nnn freilich einige Zeit ruhig verhalten, damit lein Verdacht erregt wurde. Da mein Vorschlag angenommen wurde, so wandten wir uns in gerader Richtung durch das Land nach den Brighton-Gbenen und von da nach Pitt-Watcr, woselbst wir einige große Voote oder vielleicht irgend ein kleines Schiff zu finden hofften, mittelst dessen gänzliche Flucht uns möglich winde." „Und warum thatet Ihr das nicht?" „Gs lag in unserm Plane; wir erreichten Pitt-Water und hielten nnS dort eine Weile ruhig, bis wir eudlich, um LebcnS-mittel zu erhalteu, genöthigt waren, daö Hnus eines Ansiedlers zn überfallen, und da« gab den Alarm. Zwar warfen wir uns jetzt auf ein Boot, allein zu spät, die Soldaten hatten schon ihre Vorsichtsmaßregeln getroffen und verfolgten nnS, so daß wir unS von Pitt-Nater zurückziehen und deu Seen zuwenden mußten, um uns von dort auö später westlich bis an die Küste zu ziehen, wo wir weit genug entfernt gewesen wären, um nicht mehr so viel von Verfolgungen fürchten zu dürfen." „Bei Pitt-Water liabt Ihr aber großes Unheil angestiftet." „Ich weiß eS, Master Thornley ... ich muß eS gestchen; meine Lent« wollten nun aber einmal Waffen haben und dem widersetzten sich die Ansiedler natürlich; bei dem Kampf darum wurdeu mehrere der Unsrigen verwundet und das machte böses Vlut." „Später überfielt Ihr dann die Ansiedlung des Master Moos." «Meine Leute hatten in Erfahrung gebracht, daß er eine 27? bedeutende Geldsumme in seiner Hütte liegen hätte; übrigens ist mir unfaßlich, wie Ansiedler noch so thöricht sein können, so Etwas mit in den Wald zu nehmen .... nur auf sein Geld hatten wir es abgesehen." „Weßhalb schlepptet Ihr aber den armen Mann mit fort?" „Um sein Leben zu retten, mußte ich so handeln; Einige der Männer hätten ihn unfehlbar umgebracht, wenn ich ihnen nicht dadurch zuvorgekommen wäre. Das dürfen Sie mir glauben, Master Thornley . . . mir verdankt er das Leben." „Gut, es ist dieß wenigstens Etwas, das zu Euren Gunsten spricht; doch da sich die Sonne zum Untergang neigt und eS nur zu bald dunkel werben wird, so sagt mir jetzt schnell, waS Euer Begehren ist." „Master Thornley," antwortete der Bushranger; „ich habe Ihnen von meinem kleinen Mädchen erzählt. Seit unsrer Niederlage am großen See habe ich es wieder gesehen. Sie wissen, daß ich und ein Anderer entkamen. Verkleidet wagte ich mich sogar nach Hobarttown hinein, um mein Kind umarmen zu können. Der Anblick der Kleinen, ihre Liebkosungen haben eine wunderbare Veränderung in mir hervorgebracht. .. wie gern brächt' ich mein Leben zum Opfer, um sie glücklich zu machen! Daß ich noch unglücklich enden werde, taun ich mir nicht verbergen, denn gefangen muß ich doch einmal werden und sinde ich nicht einen elenden Tod im Walde, so lauert irgendwo der Verrath und ich werde erschossen oder gehangen." „Und waS könnte ich thun, das zu verhindern?" „Nichts ... o, das weiß ich wohl, mein Sündenregister ist zu voll, um noch auf Gnade hoffen zn können, die Regierung müßte mich bloß des Beispiels wegen schon hängen. Nein, nein, ich sehe mein Schicksal deutlich genug voraus, und nicht an mich denk' ich jetzt, sondern an mein Kind. Master 278 Thornley . . . wollen Sie mir einen Liebesdienst thun, wollen Sie eine Handlung der Milde und Barmherzigkeit an einem Unglücklichen ausüben, dem nur Eines noch auf dieser Welt am Herzen liegt? Ich weiß, ick) verlange viel . . . und darf mich nicht beklagen, wenn Sie mir auch die Bitte verweigern, die ich an Sie zu richten wage . . . Wollen Sie mein armes, verlassenes Kind im Auge behalten und uach Kräften beschützen? Ich kann Sie nicht bitten, für dasselbe zu sorgen, wohl aber, sein Beschützer zu sein, das kleine, unschuldige Herz wissen zu lassen, daß in der ganzen Welt dock» Ein Mcusch lebt, von dem es Rath, im Unglück vielleicht Hülfe, auf jeden Fall aber Theilnahme und Mitgefühl erwarten kau» . . . Das ist meine Bitte . . . wollen Sie dem armen, verdammten und verfolgten Bushranger so viel Erbarmen beweisen, ihm die Erfüllung dieser Witte zu versprechen?" Staunend, und ich darf wohl sagen, nicht ohne Rührung und Theilnahme hörte ich das Flehen des wilden Verbrechers an, den die liebevollste Sorge um seiu Kind beseelte. Daß seiue Sprache die eines vollen Herzeus war, erkannte ich deutlich . . . solche Herzensangst birgt kein Falsch, keinen Verrath. Zwar durchzuckte mich schnell der Gedanke au die viclcu Unannehmlichkeiten, welche die Sorge um eines gerichteten Verbrechers Waise nach sich ziehen konnte. Da begegnete ich dem Blick des Vaters dessen Auge mit solch eiuem unaussprechliche« Gemisch von Angst und Erwartung au meinem Muude, au meinen Augeu hing, der bei der Sorge um sein liebes Kind so ganz alles Andere ver» gessen hatte und nur von dem Gedanken an die Zukuuft seiner kleinen Tochter gepeinigt ward, daß ich in diesem Augenblick dem Mann unmöglich eine abschlagige Antwort zu geben vermocht hätte. „Ich will nach ihr sehen," sagte ich, „ich will für sie sorgeu, wenn Ihr nur hinwieder das Versprechen gebt, kein Blut mehr zu vergießen. Verlaßt Vuch darauf ... ich sorge für sie ... ich habe mein Wort noch nie gebrocheil." «Genug . . . genug . . . mehr als ich hoffen durste!" ricf der Bushranger, „ich danke Ihnen, Master ,3hi>r»lcy, möchte Ihncu auf meinen Knieen danken . . . aber . . . was ist das? sebn Sie dort . . . ein Netter . . . und Leute zu Fuß ... ich muß fort." In demselben Augenblick kam ein Maun im Galopp.auf uns herangesprengt, ihm folgten in geschlossener Neihe die Fußgänger ... ich sah, daß eS Soloate» waren. Aufmerksam betrachtete der Zigeuner sie einen Augenblick, lies dann nach seinem Gewehr, in seiner Hast aber stolperte und stürzte cr< Der Nc<< ter, einer der EonNabel von Hobarttown, war zu schnell für ihn . . . bevor er sich wieder aufraffen und seine Flinte ergreifen konnte, hielt er an seiner Seite. „Ergib Dich . . . elender Schurle . . . ergib Dich, odi^ ich zerschmettere Dir deu Schävcl!" Der Zigeuner war uuterdeß dem Pferd in den Zügel gefallen, so daß dieses, wild sich bäumend, den Constabel aus dem Sattel warf. Der Letztere war aber ein starker und behender Mann und ergriff im Fallen den Zigeuner, den er umschlang, indem er ihm die Arme einzuklammern suchte; es gelaug jedoch llicht und nun beganu ein entsetzliches Ningen. ..Kommt! . . ." rief der Constabcl jetzt . . . »kommt . . . so kriegen wir ihn lebendig." Im Sturmschritt raunten nun die Soldaten herbei, der Oonstabel hatte den Zigeuner unter bekommen, dieser aber hob sich mit einem gewaltsamen Nuck empor, schlaug sein« 'Arme um den Feind und rollte sich mit der Kraft der Verzweiflung dem Abgrund zu. »Um Gotteswillen . . . helft! . . ." schrie der Constabel in Todesangst, „Hülfe . . . Hülfe ... wir stürzen! . . ." 280 Es war zu spät. Als die Soldaten eben die Kleider des Unglücklichen ergreifen written, machte der Vushraugcr eine letzte convulsivische Anstrengung, riß den Körper seines Verfolgers über den schrecklichen Abhang und stürzte sich dann mit diesem in die gähnende Tiefe. Wir schauten über den Rand hin und sahen die beiden Feinde fest umklammert sich in der Luft um und um drehen, bis sie mit elnem gräßlichen Schall todt und zerschmettert an das Ufer des Stromes prallten, dessen reißende Fluten sie gleich darauf empfingen und nut sich fortwälzten. S e ch s uut» z w a n z i g st c s Kapitel. Del Corporal IM ftch hcrbci, übcr den entsetzlichen Vorfall stinc Mcinnng zu sagen. — Anisnchuna, der Leichen. — Die Taschen des lodlcn Zigeuners werden untersucht, — Thornlcy wird vor den Friedensrichter gcsiihrt und kehrt hierauf zu seiner Familie zurück. — ^lrabb hat bei dieser Gclcgcnhcit Dich und Das zu bemerken, — Vcweis, das, rothe Vänder nicht nur ans wildgc-wordcnes Rindvieh einwirken. Schweigend und beinahe alhemloS starrten wir mehrere Sekunden in die grause Tiefe hinab. „Ein verzweifelter Bursche!" sagte endlich der Korporal, der eS seiner Würde gemäß finden mochte, das Wort zuerst zu ergreifen, „wer hätte gedacht, daß er es so weit treiben würde!" „Es hat ihm so weit geholfen, wie dem Constabel," entgegnete einer der Soldaten. »Allerdings, und gut, daß es nicht schlimmer ablief," erwiederte der Korporal, „Wäre der Constabel nicht so wettermäßig 28t eilig gewesen, den Gefangenen selbst zu ergreifen, so hätt' es eben so gut einen von uns treffen können .... das hat er nun von seiner Gicr .... Zum Glück ist',; eben nur ein Constabel. Aber erlauben Sie, Master," wandte er sich dann zu mir, „wer zum Teufel sind denn Sie? Wie wir herankamen, sahen wir Sie mit dem todten Schurken auf's Angelegentlichste Unterhaltung pflegen Steadmann .... den Mann da in Verwahrung genommen l Sie müssen uns in die Stadt begleiten .... unsre Befehle lauten, den Zigeuner und Jeden, der mit ihm betroffen wird, einzuliefern." „Da sitz' ich nun wieder in der Patsche," dachte ich .... „und ebenfalls mit Soldaten, ich habe wahrlich arges Pech.... Meine Freunde," sagte ich dann zu den Soldaten gewandt, „ich traf bloS zufällig mit dem Zigeuner zusammen; dort unten im Thal steht mein Pferd .... ich befand mich eben auf dem Heimweg." „Möglich, aber dennoch etwas verdächtig .... ich muß übrigens den erhaltenen Befehlen gemäß handeln. Bommann, geht und holt des Gentleman Pferd." „Sie werden mir doch gestatten, dasselbe zu reiten?" „Gewiß .... gewiß .... nur müssen wir die Zügel halten. Sie werden entschuldigen, Herr, aber Sie wissen, wir müssen unsre Pflicht thun und die Befehle pünktlich vollziehen, eS thut nur schr leid, wir pflegen aber den Leuten die Arme ein bischen zu binden, um sie zu Verbindern, Unglück anzurichten. Sie müssen verzeihen, aber .... fort dürfen Sie nicht.... Steadmann .... Ihr habt geladen?" Steadmaun nickte bejahend. „Eine angenehme Lage," dachte ich bei mir, „indeß sind sie boch wenigstens nicht so grob, wie der alte Sergeant." „Sie werden doch Nichts dagegen haben, mich zum nächsten Friedensrichter zu schaffen?" sagte ich dann zu dem Korporal. 282 „Wo wohnt der?" „Am Clyde, etwa «lf oder zwölf Meilen weiter hinauf." „DaS liegt an unserm Wege, wir haben dort der Abtheilung eines Sergeanten Vericht zu erstatten." „Gut dann," entgegnete ich, „so laßt uns wenigstens eilen, denn es wird spät; in eincm zweistündigen scharfen Marsch können wir hingelangen." „Meiner Ansicht nach," sagte der Korporal/ „müssen wir unS zuerst überzeugen, ob der Iigenner sowohl als der (3onstabel auch wirklich todt seien." „Todt?" rief Vomman, ,/die sind todt genug .... von solch einer Hohe herab muß ja schon der Sturz durch die Lnfe einen Mann ersticken, er braucht nicht erst mit solchem Prasseln auf den Vodeu zu rollen." „Ja ja," entgegnete der Korporal, „das ist Alles recht gut, ,nau kann aber nie wissen, was diese Bnöhranger Allcs auszuführen im Stande find. Meine Befehle lauten, ihn gefangen zu nehmen und ihm zn folgen, welche Richtung er auch einschlagen inag, obgleich ich gestehen muß, daß ich ... ." und hiebci schaute der Korporal mit einem pfiffigen Blick in die Tiefe.....,doch Anstand nehmen würde, bei ^dieser Gelegenheit meine Instrnc-tionen zu genau und wörtlich zu befolgen; he, was meint Er, Steadmann?" „DaS würde nber unsere Ordre gehn wie der Major sagt," antwortete Steadmann; „wenn wir aber die Körper aufsuchen wollen, so wäre es ratlisam, nns etwas zu beeilen, bevor der Strom sie zn weit fortführt." Einen schräg hinabführenden Pfad verfolgend, gelangten wir zn der Stelle, auf der ste niedergestürzt waren .... Blutflecken bezeichneten den Platz hinlänglich. Dem Flußbette nach kamen wir bald darauf zu einer Biegung, wo angeschwemmtes Holz die die Strömung dem andern Ufer zuleitete und hier fanden wir 283 auch die beiden Leichname, entstellt und getrennt, aber vollkommen todt. Die Soldaten zogen sie an's Ufer und ich blieb bei dem Ganzen bloß ruhiger Zuschauer. Mit vieler Förmlichkeit untersuchte jetzt der Korporal die Taschen der Todten und schrieb ein Verzcichniß der ausgesundenen Sachen in sein Notizenlnich. „Man untersuche zuerst den Constabel!" befahl er, „was haben wir hier? ein paar Handschellen, wahrlich ... die lommen gelegen, derZigeuner braucht sie nicht mehr,'wohl aber sein College." „Mein guter Mann!" rief ich, !„Ihr werdet mir doch diefe Eisen nicht anlegen wollen .... ich habe Euch ja gesagt, wer ich bin, und Ihr sollt bald genug von der Wahrheit meiner Aussage überzeugt werden!" „Das kann Alles wohl sein, Sir/ ich habe aber den gemessenen Auftrag, alle Gefährte» des Bushrangers fest zu nehmen, und Sie werden doch nicht läugncu wolle», taß Sie einander keineswegs feindselig gegenübersaßen? . . . . Wartet immerhin ein Bischen, Steadmann, der Gentleman mag sie vielleicht nicht anlegen, weil sie naß sind. Was kommt weiter? 'S ist Alles zerbrochen .... Num! man riccht'S noch .... Schade, daß uns der Constabel nicht einen Schluck aufwartete, bevor cr ab-marschirte .... 's ist mir leid um solche Verheerung!" „Wißt Ihr auch noch, Steadmann, wie ihm der Pfarrer in New-Norfolk immer vorpredigte, er solle seinen Num mit Wasser vermischen? Soll mich dieser und jenerholen, wenn der jetzt den Nalh nicht befolgt hat." „Ha ha ha ... Das ist gut . . . Was ist das hier? ein Taschenbuch und Papiere? . . . aber Alles naß." „Keine Mopnsse')?" „Nicht die Spur ... ei ja... ia... hier sind eine, zwei, drei . . . neun halbe Kronen-Noten." 4) Nantnoren, 2?4 „Visitirt seine andere Tasche, Steadmann!" „Nichts als cin Schnupftuch!" „Schon recht... in das können wir die übrigen Sachen hineinthun und sie mitnehmen." „Was fangen wir aber mit den Kleidern an? Sie find gar nicht so schlecht, nur ein Vischen beschmutzt und zerrissen von dem Sturze ... die Schuhe nehm ich auf jeden Fall." „Nun an den Bushranger, bei dem wird wohl nicht viel zu erholen sein. Leert ihm die Taschen, Eteadmann!" „Holla . . . das ist ein Fund'. cinPaketvonGinPfund-Noten," Ein Pfund-Noten? wahrhaftig .... wo zum Teufel mag er sie aufgefischt haben . . wessen sind sie? Kamp und Co.... so gut wie Silber . . . was hat er in den andern Taschen?" „Ein Paar kleine Pistolen . . , die «ine zerbrochen, wahrscheinlich vom Falle . . . drei Feuersteine . . . einen Stahl . . . ein Stückchen Schwamm . . . famoser Schwamm, ein flaches Pulverhorn ... ein Säckchen mit Kugeln, ein prächtiges Taschenmesser, bei St. Georg, daS ift ein tüchtiges Ding, Jemanden GinS damit zu versetzen ... Da ist noch was in einem kleinen Sack . . . Thee, meiner Treu! . . . wir werden jetzt balo beim Theetopf sein! Ach, da ist ein küstliches Stück Tabak und eine herrliche kleine hölzerne Pfeife ... 's ist ausgeraucht, alter Bursche . . . So, weiter kann ich Nichts finden." „Wendet ihn um ... da klappert noch Etwas, wie ich höre . . . fühlt einmal dort hinein!" „Er ist in einem gar zn bösen Zustand . . . AlleS zerschmettert . . . doch halt ... ich will ihn cin Vischen abspülen ... so ... jetzt wollen wir mal schauen. Bei St. Georg! hier ist eine goldene Uhr mit Kette und Petschaft/ und hier . . . vorne im Rock festgenäht ein kleines Paket . . . wartet . . . das mnß ich heraus haben . . . gebt mir einmal ein Messer her, ich schlitze ihm den Kittel auf ... Was das wohl sein mag? 285 so sorgfältig zusammengenäht ist'S? Dem Betasten nach find Papiere drin." Augenblicklich fiel mir be« Bushrangers Kind ein und daß dieses Paket, das der Unglückliche so sorgfältig verwahrt bei sich trug, Aufschluß über daS frühere Leben und die Schicksale des ManncS geben könnte, dein, cS war mir wohl bekannt, baß die Verbrecher in England sehr häufig unter falschem Namen verurtheilt werden, um ihren Angehörigen und Verwandten die Schande zu ersparen. „Ich möchte Ihnen rathen," sagte ich daher, „dieses Paket nicht zu öffnen, sondern es dem beireffenden Nichter zu überantworten. Sie könnten sonst in den Fall kommen über Alles, waS verloren oder beschädigt wird, zur Verantwortung gezogen zu werden." Der Korporal warf mir einen verdächtigen Blick zu, als glaubte er, irgend eine versteckte Absicht mache mir die Geheimhaltung des Inhalts dieses Paketes wünschenswerth; glücklicherweise bezweckte dieser Wahn wenigstens, daß er, um daS Geheimniß bei einer passenden Gelegenheit zu erforschen, jetzt weit vorsichtiger damit umging. „Gebt mir daS Paket," sagte er zu Steadmann, „wir wollen'S ein andermal ansehen, eS ist nicht nöthig, daß ein Jeder seine Nase darin habe," . . . und dabei blinzte er nach mir herüber; „WaS fangen wir aber jetzt mit den Körpern an? Die Befehle lauten: den Bushranger tt'vt oder lebendig einzuliefern." „Thaten Sie nicht gut, den Richter darüber zu Nathe zu ziehn?" bemerkte ich. „Ich für mein Theil würde es für daS Bernünftigste halten, beide Leichname, da, wo sie liegen, zu begraben, da die Ibculität deö Räubers nun einmal erwiesen ist." „Aha! .... Sie sind das jedenfalls im Stande, nicht Wahr?" entgegnete der Korporal; „holla! Master Gentleman Bushranger, das möchte Ihnen beim Verhör wettermäßig schlecht 286 mitspielen. Doch cö ist nicht weit zum Nichtcr und so laßt uns denn vor allen Dingen den Gefangenen dorthin schaffen, sindet's der Richter dann für nöthig, so lommcn wir zurück und holen die Körper." Dieser Anordnung znfolge brachen wir jetzt sogleich auf und ich saß mit gebundenen Händen stolz zu Pferde, während von jeder Eeite ein Soldat den Zügel gefaßt hielt. Der Korporal schritt hinterher und ließ noch langsam und bedächtlich eine Kugel in den Lanf seiner Viuslete rollen, wobei das Ausstößen des eisernen LadstockcS wohl zu sagen beabsichtigte: halte Dich gut, sonst fährt Dir diese in den Leib. Nach zwei starken Sinndcn erreichten wir die Wohnung deS Friedensrichters, dem ich mein Abenteuer erzählte; auf seine Versicherung gab mich der Korporal frei oder überlieferte mich vielmehr der (>Ivilbchörde. Die Papiere und Gegenstände, welche sich bei dem Todten vorgefunden hatten, wurden dem Friedensrichter überliefert, wobei ich den ^etztcrn besonders anf das flcine, in den Kleidern des Bushrangers eingenäht gewesene Palet aufmerksam machte. Hierauf eilte ich ungesäumt nach Hause, denn das Gerücht, ich hätte mich den Vnshraügcrn angeschlossen und sei mit diesen gefangen genommen, war mir schou vorangegangen und auf diese Nachricht hin hattc natürlich Krabb prophezeit, daß ich jetzt angenblicllich ohne viel Federlesens füsilirt werden würde. Ich fand denn auch bei meiner Heimtuuft Frau nnd Kinder in wahrhafter Todesangst, beruhigte sie aber bald über meiu Wohlsein, indem ich ein herzliches Verlangen nach einer Schüssel mit Hammclsrivpchen bezeigte, zu deren Vercitnng denn auch alsobalo geschritten wurde. Sobald ich nur einigermaßen meinen Hunger gestillt hatte, erzählte ich mein Abenteuer mit dem Bushranger, allein meine Frau schüttelte bedenklich den Kopf, alS ich die Absicht, für das »leine Kind sorgen zu wollen, kund that. Krabb, der stumm uud 28? mürrisch in einer Ecke saß und, wie ich vernehmen mußte, seit dem Tobe seines Lieblingsbullen in sehr übler Laune war. verzog, als cr dieß hörte, das Gesicht zu einem fürchterlichen Lächeln. „Meiner Treu," murmelte er dann, „ein herrliches Land, um drin zu leben, oder nicht? Weun auch sonst Nichts wächst, so gedeihen doch Bushranger ganz trefflich mib dann sollen sich ehrliche Leute roch mit der Nachkommenschaft befasse,!. 's ist nur ein Glück, daß der Zigeuner statt des Constables nicht Sic erwischte ..." „Sonderbar ist'S aber doch, so wahr ich lebe . . . ." fuhr er zu brummen fort, „da stehn Sie nun, Sir, ein alter, ehrbarer Surrey-Farmer, für den man sich hätte verbürgen können, daß er es sein ganzes Lebelang wie andere ruhige Leute in den» gewohnten Schlendrian forttreiben winde, und dennoch haben Sie schon mehr Abenteuer erlebt und Irrfahrten gemacht, als zwei Geschichtsbücher fassen würde». IcsuS . . . mein (Äott ... je älter mau wird, desto mehr muß man lernen. Wenn es noch eines Grundes bedurft hätte, mich zu bestimmen, dieß grausenhafte Land eudlich zu verlassen, so müßte jetzt dieser letzte Vorfall mehr als hinreichend sein. Und nun vollends eines Bushrangers Kü>d erziehen! . . . taß Gott erbarm! . , . was? . . . doch lasn's nur gehen ... es gibt eben Leute, die ... ich mag's nicht sagcn. Und obendrein muß noch so ein anderer Narr in'S Land kommen und meine» armen Bullen tobtschießen, der doch in seinem Lebe» teiuem Menschen was Leides gethan hat . . . und daS war tein Bushranger . . . ha?" „Und doch hat cr Jemandem Leides zugefügt, Master Krabb," siel ihm Betsy etwas lebhaft in's Wort, „cr hat Master BercS, ford bedeutend wehe gethan und würde mich umgebracht haben, wenn cr nicht noch glücklicherweise erschossen worden wäre; war er mir doch schon so nahe, daß mir dle von ihm aufgewühlte tsldc in die Nilgcü flog " 288 „Warum liefst Du deun nicht fürt ?" entgcgnete Krabb; ,,auch hattest Du auf die Seite springen und ihn beim Schwanz fassen können .... mit dcm Schwänze würde er doch nicht im Stande gewesen sein, Dich umzubringen?" „Grußer Gott, Master Krabb .... meinen Sie denn, ich könnte einen wilden Bnllcn an, Schwänze festhalten? DaS müßte schon aussehen, wenn so ein scheußliches, bösartiges Thier durch Ven Wald rennen nnd mich, die es hinten festhielte, mitschleppen würde; ich bin doch begierig, was Sie gegen das einzuwenden haben?" „Gott behüte!" sagte Krabb, „was doch manche Leute für Zeug schwatzen? Da will ich lieber zu Bett gehen. Das sanft-müthigste, ruhigste, friedfertigste Thier auf der ganzen Insel. . . wenn es nicht gereizt wurde; warum aber," wandte er sich noch einmal mit höchst ärgerlichem Blick an Betsy, „warum mußtest Du auch gerade solch rothen Firlefang am Hut tragen? Hätte nicht hier mitten im Wald ein Stück Känguruhfell oder ein paar Riemen den gleichen Dieust versehen? Gi ja, nnd da stolznt der junge Lasse herum, der dcu Bullen geschossen hat, und zwar nüt den rothen Bändern über der Brust, damit auch noch alles Vieh in der Ansiedlung rebellisch wird." Wenn auch gewiß absichtslos hingeworfen, trieb doch diese letzte Bemerkung meines alten Freundes dem Mädchen daS Blut so in die Wangen, daß ich die Ueberzeugung gewann, der Tod deö Bullen sei nicht die alleinige Ursache dieses Grrötheus. „Aha," dachte ich, „der junge Mann hat sich die Zeit meiner Abwesenheit zu Nuhe gemacht; dem Ding müssen wir auf die Spur kommen, bevor eS zu spät ist. Vs scheint, die Kinder reifen in VandiemenSland gar balo zu Jungfrauen heran, nnd diese rothen Bänder kommeu mir etwaS bedenklich vor." Uuter solchen Gedanken legte ich mich nieder.