M.37. Laibach den 17. September 1864. 8. Jahrgang. Matter auz Urain. (Beilage zur „Laibacher Zeitung.") Die „Blätter aus Kram" erscheinen jeden Samstag, und ist der Pränumcrationsprcis ganzjährig 2 fl. österr. Währung. Lebens Kunst. Das ist deö Lebens höchste Knust, DaS Leben zu verschmerzen, Eö lacht dcr Götter milde Gunst Nnr unverzagten Herzen. Uns Alle drückt derselbe Schuh, Den hinteu uud dcu vorne, D'rum, weiser Freund, so Pflücke Du Die Rose sammt dem Dorne. Und nnr der überweise Mann Soll stumm vom Platze wandern; Wer seiner selbst nicht spotten kann Der spott' auch keines andern. Ein Abenteuer in Mleriko. ! „Der Tausend, Hardy, alter Knabe, bist Du's, oder ist's ^ Dein Geist? Ich hätte Dich noch immer in Australien gesucht. ! Freut mich, Dich zu sehen!" rief mich aus dem Mcnschengc- ^ dränge, das die schlüpfrige Treppe des AdmiralitätZhafen-dammes von Dover heraufwogte, eine frühliche Stimme an. Das überfüllte französische Packetboot, das ziemlich spät eingetroffen war, spie eben seine Passagiere aus. Ich wandte mich in die Richtung, aus der die Stimme tam, und erblickte einen wctterbrauncn, militärisch aussehenden Mann, der in seiner Linken einen sehr diplomatisch aussehenden Tcpeschenfascikel trug, während er zugleich die Rechte gegen mich ausstreckte — augenscheinlich ein Negierungs-Courier. Es war aber, seit ich diesen Gentleman zum letzten Male gesehen, cme so lange Zeit verstrichen, und im Laufe derselben hatte ich mit so vielen neuen Gesichtern verkehrt, daß ich den mich Anredenden nicht sogleich erkannte, worauf dieser Anlaß nahm, in etwas vorwurfsvollem Tone fortzufahren: „Zum Henker, Mensch, ich glaube, Tu hast den Dick Musgrave vergessen!" Jetzt erst ergriff ich mit Herzlichkeit die mir dargebotene Hand und äußerte meine Freude, meinen alten Freund Mus-gravc zu sehen, der als Kapitän außer Dienst beim Ministerium des Auswärtigen Verwendung gefunden hatte. Wir waren inzwischen aus dem Bereiche der Steinblöcke, der Krahnen, der Schubkarren und sonstigen Stolperapparate gekommen, welche die Zugaben eines unbeendigten Hafendammes bilden, und hatten den freien Platz vor dem Bahnhof erreicht, auf dem ein stolzes Hotel zur Einkehr winkte. „Wir haben Zeit," sagte er. „Komm', wir wollen in dem Hotel einen Imbiß einnehmen und ein wenig von alten Zeiten plaudern." Gesagt, gethan. Im Laufe des Gesprächs erzählte mir mein Freund folgendes Abenteuer. „Ich wurde als Ncgicrungs-courier mit Depeschen nach Menko geschickt. Die Fahrt nach Vera-Cruz ging glücklich von Statten; aber dort singen meine Nöthen an. Die Diligencen zwischen der Küste und der Hauptstadt sind noch in dem primitiven Zustande unbequeme, schwerfällige Maschinen, die von einer Menge dürrer Maulthiere und Klepper weiter geschleppt werden, unregelmäßig in der Abfahrt und Ankunft, langsam und, was am schlimmsten, unablässig den Angriffen von Straßenräubern ausgesetzt. Wir hatten die Tierra-Caliente oder den schwülen Küstenstrich hinter uns, und als wir die steilen Abdachungen der gemäßigten Region oder Tierra-Templada hinan stiegen, wünschten wir uns Glück, dem Gebiet des gelben Fiebers entkommen zu sein. Es ging fort und fort aufwärts auf rauhen, felsigen Pfaden, aber nur äußerst langsam, trotz der Flüche des Con-ducteurs und der Postillone, die ihre schweren Peitschen ohne Unterlaß auf das arme Zugvieh niederfallen ließen, und wir ! segneten unsern guten Stern, als wir endlich das Hochland ! erreicht hatten. Die Freude war übrigens voreilig, denn im ! Laufe unserer Fahrt kamen wir nicht weit von Xalapa auf eine ! Wegstrecke, die schlimmer war, als die schlimmsten Punkte, die uns im Rücken lagen. Es hatte hier ein Gefecht zwischen ! Guerillabandcn und den Negicrungstruppen stattgefunden, und ^ die Straße war demolirt worden, um den Transport der Artil-^ leric zu erschweren. Von Reparaturen merkte man noch nicht ! viel, denn wir trafen auf Löcher von erstaunlicher Tiefe, und ^ überall lagen noch zerbrochene Laffeten und die Trümmer von ! Munitions- und Proviantwägen umher. Eines dieser Löcher ^ wurde auch für uns uerhängnißvoll, denn die Deligence schlug ^ um, brach eine Achse und erlitt auch in ibrcm sonstigen Holz-! werk bedeutende Beschädigungen, der menschlichen Fracht nicht zu gedenken, die gleichfalls zum Theil jämmerlich zerbeult wurde. Es lief indeß noch gut ab, indem kein Menschenleben verloren ging, ja nicht einmal Beinbrüche und Gliederverrenkungen vorkamen. Das Fuhrwerk wieder aufzurichten ging über uusere ver-! einten Kräfte; und selbst wenn wir den plumpen Kasten wieder ! auf seine Räder gebracht hätten, so wäre er bei der gebrochenen Achse und der eingestoßenen Seitenwand nutzlos gewesen. Wollte ich nicht stundenlang nutzlos hier bleiben, ohne Aussicht, daß uns ergiebige Hilfe werde, so blieb mir nichts übrig, > als allein den Weg nach dem nächsten Städtchen zu wandern, da meine Reisegefährten erklärten, auf die Pferde und Wägen zu warten, die ihnen der Schaffner zu holen versprochen hatte. 146 Ick hatte einen Weg von fünf Meilen vor mir: doch dieß war in dem gemäßigten Strich von Mexiko keine Veschwerniß. Ein indianischer Junge trug mein Gepäck, das nahe genug zusammen ging. Mein Führer war ein gutmüthiger, fleißiger Bursche, wie die meisten Angehörigen seiner Ra^e. Nachdem er lange genug geschwiegen, zeigte er endlich seine Zähne, indem er unter einem vergnügten Lächeln mir zurief: „Seht, Sennor, dort liegt Xalapa." Und so war's. Da lag die Stadt mit ihren flachen Dächern, ihren Terrassen und Kirchtbürmen, ihren Bäumen und Gärten, um letztere her die riesigen Dorngehäge, und über der ganzen Scene noch das warme Noth, das die letzten Strahlen der bereits untergegangen Sonne widerspiegelte. Etwa eine halbe Stunde von der Stadt stand ein Wirthshaus von der besseren Klasse, obschon es, in Vergleichung mit , ähnlichen UntertommenZhäusern, in Europa oder in den vereinigten Staaten noch primitiv genug war. Ein ansehnlicher Hof wurde von einer Ziegelmauer umschlossen, an welche sich einige schcunenartige Nebcnbauten anlehnten; das Hauptgebäude aber war ein wunderliches Haus, mit einem flachen Dach, grellem ^ Anstrich und schwerfälligen, hölzernen Balkönen vor den lleinen ^ Fenstern, in welchen meist die Scheiben fehlten. Unter dem ! Hofthore stand, eine Papierzigarre im Mund, ein wohlge- ! nührter Mann mit einer niedrigen, weißen Mütze und dem ^ weiten Linnenanzug, den die Köche zu tragen pflegen. Unmit- ^ tclbar über ihn stack ein dürrer Fichtenwiöpcl, zum Zeichen, ^ daß der Wirth hier guten Wein zu reichen versprach. Als der ! Mann meine Tritte hörte und beim Umwenden eines fremden Reisenden ansichtig wurde, nahm er mit großer Höflichkeit seine Mütze ab. „Euer Diener, edler Herr, wenn ich so glücklich sein sollte, Euer Gnaden nützlich werden zu können." Er brachte diese Worte in der pomphaften, aber doch unterwürfigen mexikanischen Manier vor. Hunger und Ermüdung nöthigten mich, hier einzukehren, obwohl ich lieber sogleich fortgereist wäre. Ich blieb um so eher, alö der Tag sich bereits zur Rüste neigte. „Wünscht Euer Gnaden sogleich zu Nacht zu speisen?" Da ich sehr hungrig war, so entschlug ich mich der unbestimmten Besorgnisse, die mich bedrängten, und antwortete rasch mit Ja. (Fortsetzung folgt.) Eine Parthie auf den Dlegaä. Von Jakob A l ü » o v c. (S ch l u h.) Bei den letzten Worten seiner Erzählung war mein Begleiter im Walde verschwunden, ehe ich noch weitere Fragen an ihn richten konnte; nachdenklich stieg ich den steinigen Pfad hinan, bis ich eine Biegung des Weges erreichte und mein Blick zwei hier oben liegende Vauernhäuser, die höchst gelegenen in diesen Gebirgen, traf. Die lachenden Gefilde darunter ver- ! scheuchten bald meine durch jene Erzählung getrübte Stimmung, ' und froh, meinen Durst löschen zu können, machte ich mich ^ über die köstlichen Erdbeeren her, die auf einer fast unabseb-! baren Strecke vor mir so dicht wuchsen, als ob sie gesäet wor-! den wären. Schade nur, daß sie nutzlos zu Grunde gehen, ! da Niemand sie sammelt. Nun hörte jeder Weg auf und iä? ! hatte große Mühe durch und über die am Boden liegenden, ^ meistens morschen und von Ameisen bewohnten Baumstämme mir Bahn zu machen und das Gestrüpp zu durchbrechen, denn ^ der Wald sieht fast einem amerikanischen Urwalde ähnlich. Die ! Baumstämme liegen entweder vom Sturme entwurzelt, oder von ! der Art umgehauen da, ihre Aeste in den Boden stemmend, ! wie riesige Tausendfüßler, bis sie verwesen. Endlich glaubte ich die Höhe erreicht zu haben, aber welche i Täuschung! Der Vlegaä erhob sich noch etliche 300' höher i und ich mußte über Steine, welche die südliche Seite dicht be-! decken, mich zur Spitze hinaufarbeiten. Auf den Triften, hier Alpen genannt, weidete eine Herde meistens junger Rinder. An diesem vorbei führte mich mein Fuß und nach etwa einer ! halben Stunde erntete ich den Lohn meiner Anstrengung, ich war nämlich oben. Es mochte cilf Uhr scin, also hatte ich 4 ^2 Stunden dazu gebraucht. Viel Balsamduft aus Kräutern rinnt, Die Lüfte wchcn lieb und lind; Und Alles schimmert, Alles lacht, Und zeigt nur freundlich seine Pracht. So Heine. Ich jedoch konnte gerade nicht sagen, daß die Lüfte lieb und lind wehten, denn der Südwestwind begann Wolken aus einem Hinterhalte herauszujagen. Den höchsten Theil des Berges bildet nicht etwa eine Spitze, von der aus man eine Rundschau über die ganze Gegend gewinnen könnte, sondern stellt vielmehr ein ziemlich ebenes Plateau, an dessen östlicher Seite der höchste Punkt sich befindet. Unter den dcrt ! angehäuften Steinen fand ich einen, dem die Zahl 181, darunter die Ehiffre N I' eingegraben war. Der Verabredung ^ gemäß zündete ich nun ein Feuer an, um einem Freunde, der ! von Pölland mit seinen Collegcn heraufkommen sollte, ein < Zeichen zu geben, daß ich bereits oben sei, dann brannte ich ! eine Zigarre an und begann, auf der Höhe hin und her spazierend, die prächtige Aussicht zu bewundern. Gegen Norden glitt mein Blick über die bereits früher erwähnten zwei höchstgclegcnen Gehöfte, über Zarz und die dazu gehörigen Ortschaften hinweg bis zu den Nachbarn des Triglav, welche dem weiter dringen wollenden Auge ein Ziel setzten; des mächtigen Niesen Scheitel war von Wolken umhüllt, nichtsdestoweniger ist der Anblick dieser- kolossalen Felsmassen imposant und großartig. Die unbeschränkteste Aussicht jedoch bietet sich im Osten dar, und zwar nicht nur über Gebirge, ! sondern auch über die Ebene. In geringer Entfernung nämlich ragen die beiden Berge UilM und 8turi vsrli empor, die dem Vlega3 an Höhe nur wenig nachstehen; weiterhin die große ! Zahl der theilweise mit Kirchen gekrönten Nachbarn, welche eino Gebirgslandschaft mit zahlreichen Ortschaften kreisförmig einschließen und bei Krainburg, Vischoflack und Zayer erst sich in die Ebene senken. Hier liegen die Dörfer des Pöllander Thales, wie Pölland, Tratta, weiter im Gebirge die Localis Assriach und unzählige andere größere und kleinere, ziemlich hoch gelegene Ortschaften, in denen die Heimat jener schmackhaften Kirschen ist, welche selbst die Wippacher einkaufen und dann für ihre eigenen ausgeben. Jenseits dieses reizenden Gebirgs-pcmoramas breitet sich die weite, mit zahlreichen, Wäldern bewachsene oberkrainische Ebene aus, von der Save wie von einem Silberbande durchzogen, hie und da durch Gebirge, wie Vi-ÄZiaa, und Großlahlenberg, unterbrochen, welche jedoch von hier aus ganz unansehnlich erscheinen. Die äußerste Grenze bildeten hier die steierischen Grenzgebirge. Tiefer unten erschien im Sonnenglanze das „weiße" Laibach und die dahinter liegen« den Hügel und Gebirge. Nicht minder reich an Abwechslung ist die südliche Seite: reizende Thäler und waldreiche Gebirge in der Nähe, wie die Gegend um das am Fuße gelegene Haselbach und das wasserreiche Sairacher Becken, steinige, den Charakter des Karstes an sich tragende Höhen des Virnbaumerwaldes und anderer Bergketten in der Ferne gewähren den Anblick zweier verschiedener Landschaften. Nicht so mannigfaltig ist die Scenerie im Westen: die Gebirge des Görzer Gebietes beschlänlen die Fernsicht, und einige Thäler mit zerstreuten Wohnungen sind Alles, was man sehen kann. Nachdem ich so die ganze Umgegend sattsam bewundert hatte, sah ich mich erwartungsvoll um, ob mein Freund sich schon wo blicken lassen würde, aber wer nicht kam, war er. Etwas unangenehm berührt durch diese Entdeckung lagerte ich mich an einer vor dem scharfen Winde geschützten Stelle und betrachtete die Oberfläche des Berges etwas genauer. Die südliche Seite ist nackt und die Felsstücke sind, wahrscheinlich in Folge des Windes, bloßgelegt, da auch der Wald unterhalb des Gipfels wie wegrasirt erscheint. Nur Gras und einige Alpenträuter vermögen noch hier zu vegetiren, während die andere Seite mit kurzem, aber dichtem Gesträuche bedeckt ist. Die einzigen lebenden Wesen sind die Milliarden Ameisen, die erstaunlich große Vaue haben, Hummeln und hie und da ein Apollo-Falte, der in trägem Fluge über die Höhe segelt. Unter mir auf einem Vorsprunge oder Absätze des Berges weideten auch etliche hochfüßige Pferde, die indeß alle Lebhaftigkeit verloren zu haben schienen. Unterdessen hatte sich der Himmel immer mehr umwölkt und da meine Freunde ncch immer nicht lamen, so entschloß ich mich, um nicht vom «lupitor pluvius ereilt zu werden, den Rückweg anzutreten, und zwar nach der Pöllandcr Seite hin, um mich auch hier mit dem Wege vertraut zu machen. Derselbe scheint eine dreifache Bestimmung zu haben, erstens dient er als Fahrweg für ein Ochsengespann, zweitens dem durch Regengüsse angeschwollenen Gcbirgsbache als Bette und wenn KcineZ von Beiden ihn benützt, so kann auch der Mensch es wagen, sich auf demselben fortzubewegen. Auf beiden Seiten sprudeln öfters kleinere Quellen, die ich jedoch fast alle zu warm fand, um daraus trinken zu können. l Nach einer anderthalbstündigen mühsamen Wanderung e» reichte ich endlich das oben erwähnte Haselback, eine "Pfarre mit etwa 900 Seelen, wo mich der Herr Pfarrer äußerst zu- ! vorkommend aufnahm, mit der Einladung, bei ihm von der ermüdenden Vergparthie bis zum folgenden Tage auszuruhen, ein Anerbieten, das ich natürlich bereitwilligst annahm. Am folgenden Tage kehrte ich an der Gewerkschaft 8kofje vorüber durch Pölland, wo ich mich bei dem Freunde wegen der pünktlichen Erfüllung seines Versprechens bedankte, zurück nach Laibach. Pie Herren vom rothen Schild. Es mögen jetzt etwa 100 Jahre her sein, als Anselm Meyer, ein armer Jude, zerlumpt und barfüßig als Lumpenhändler in Hannover einwanderte. Hier glücklich in seinem kleinen Handel, bescheiden in seinen Ansprüchen und mit der allergeringsten Befriedigung seiner Bedürfnisse zufrieden, hatte ! er es bald so weit gebracht, daß er nach Frankfurt a/M. über-siedelte, dort sich einen eigenen Herd gründen und einen rothen Schild in der Iudengasse aushängen konnte. Hier sollte dem emsigen Geschäftsmann das erste große Glück kommen — die Grundlage alles fpätern. Der damals regierende Kurfürst von Hessen wußte seine — in bekannter Weise erworbenen — Sparpfennige nirgends besser vor den ! herannahenden Stürmen und Umwälzungen Europas zu verwahren, als daß er sie dcr Obhut Anselm Meyer's anvertraute. Und als das hercingebrockenc Gewitter den Kurfürsten wirklich ^ seines Thrones beraubt, sah der Frankfurter Jude sich im Besitz von mehreren Millionen Gulden. Nachdem dann aber Napoleon gestürzt war, hatte dcr Kurfürst nichts Eiligeres zu thun, als sein Geld von Anselm wieder einzufordern. Anselm Meyer war ein ehrlicher Mann: der Kurfürst er- ! hielt sein Geld bei Heller und Pfennig zurück — allein bei Niemandem auf der ganzen Welt hat wohl jemals das Sprüchwort „Ehrlich währt am längsten" sich besser bewährt, als ! beim alten Meyer. Während dcr Kurfürst noch dazu das Lob des ehrlichen Verwalters auf dem Wiener Congreß in alle Welt ! ausgerufen — da lachten sich dessen Söhne ins Fäustchen, denn diese Ehrlichkeit hatte ihnen ein Erbtheil von vier Millionen Gulden eingebracht. Der alte Ansclm hatte nicht mehr die Freude, seine Ehrlichkeit von allen Fürsten der Welt gepriesen zu hören: er starb bereits im Jahre 1812. An seinem Sterbebette ließ der alte Mann seine fünf Söhne den feierlichen Eid schwüren, daß sie weder jemals sich selbst, noch die vier Millionen trennen sollten. In diesem Centralisa-tions-Sustem des einsichtigen Geschäftsmannes, welchem die ! Söhne bis auf den heutigen Tag treu geblieben sind, hat ein unendlicher Gewinn für die Familie gelegen, denn aus den damaligen vier, sind bis jetzt bereits über vierhundert Millionen geworden. Nur in einer Beziehung sind die Söhne dem Vater ! untreu geworden ; sie ließen seinen alten ehrlichen Namen fahren, da sie vom Kurfürsten unter dem romantisch klingenden Nothschild in den Adelstand erhoben wurden. « Frankfurt war jetzt zu klein für ihre Unternehmungen, deßhalb" kamen die Brüder darin überein, in den vier Hauptstädten Europa's, London, Paris, Wien und Neapel Zweigbanken zu gründen. Der Acltcste, Anselm nach dem Vater genannt (geboren 1773) blieb in Frankfurt, Salomon ging nach Wien, Nathan nach London, James nach Paris und Charles nach Neapel. Alle Macht und aller Reichthum sollte fest vereinigt bei dem ältesten Sohne der Familie in Frankfurt bleiben; allein Nathan, der Erbe des väterlichen Genies, bekam bald die Zügel der Negierung in die Hände. Dadurch, daß er die Nachricht von der Schlacht bei Belle Alliance zwei Tage früher hatte, als sie die Post nach England brachte, gewann er über sieben Millionen Thaler und das Gewicht dieser Millionen übertrug die Macht von Frankfurt nach London. Vis in die neueste Zeit hinauf hatten die Rothschilds ein durchaus strenges Eentralisationssystem, auch in der Familie, festgehalten; ihre Glieder verheirateten sich immer nur unter einander. James führte die Tochter seines Bruders Salomon als Gattin heim, sein Sohn Edmund, der Erbe der französischen Linie, heiratete seine Cousine, die Tochter Lionels, die Enkelin Nathans und Josefs, des letzteren Sohn gab wieder seine Hand seiner Cousine Charlotte, der Tochter von Charles u. s. w. Durch diese Heiraten, ausschließlich im engen Kreise der Familie wurde nun allerdings das Gesammt-Vermögen in äußerst gedeihlicher Weise zusammengehalten — allein für das körperliche Gedeihen soll diese verwandtschaftliche Abschließung der Nachkommen Ansclm Meyers dock nickt günstig sich gezeigt haben. Wie in neuerer Zeit die verschiedensten Stände, Körperschaften und Genossen: Fürsten, Parlamentsmitglieder, Naturforscher und Gelehrte. Künster, Musiker, Juristen, Land- und Forstwirthe, Lehrer, Schützen, Turner, Sänger, Journalisten u. s. w., Zusammenkünfte oder „Tage" abgehalten haben, so versammelte sich vor Kurzem auch die Familie Nothschild zur Berathung ihrer Angelegenheiten in Paris. Aus den VerHand-lungen jener Zusammenkunft ist nur wenig an die Oeffentlichkeit gelangt. Die Scrofeln und andere erbliche Krankheiten zu vermeiden, soll man zu dem Entschlüsse gekommen sein, den jün- i geren Gliedern der Familie fortan auch Heiraten außerhalb j ihres engen Kreises zn gestatten — und seit jener Versamm- > lung sind dergleichen Verheiratungen mit Fremden auch bereits mehrfach vorgekommen. Die neapolitanische Linie des Stammes Nothschild, deren Begründer Charles, der Sohn des alten Anselm war, hat sich bei verschiedenen Gelegenheiten äußerst freigebig gezeigt; so schenkte sie unter Anderm dem Waisenhause von St. Carlo in Neapel im Jahre 1846 die Summe von 10.000 Dukaten. Diese Linie sonderte sich bei der Zusammenkunft in Paris von den Geschäften der übrigen Familie Rothschild ab, und ihr Chef, der Baron Charles Gustav von Nothschild, zieht sich mit seinem Antheil, der runden Summe von 150 Millionen Francs ins Privatleben zurück. Ueber die Spitzen. (Fortsetzung.) Bei den jetzt so beliebten Valencienne-Spitzen werden, wie bei den Mcchelnern, Grund und Muster zugleich geklöppelt. Sie sind theils in runden, theils in dreieckigen Löchern gearbeitet, von denen die letzteren vorgezogen werden. Theuerer als die Mcchelner, weil um Vieles dauerhafter, werden sie jedoch von denselben an Eleganz und reichen Mustern weit übertroffen, und vorzugsweise in einem großen Theile von Belgien, namentlich in Brügge verfertigt. Die nun dem Range zunächstfolgenden sind die Alen^oner Spitzen, welche ganz mit der Nadel gearbeitet und nicht geklöppelt werden. Zu ihrer Verfertigung wird ebenfalls der feinste Zwirn, wie zu den Brüsseler Spitzen verwendet, und zwölf bis achtzehn Arbeiterinnen sind mit dem Zustandebringen einer Spitze beschäftigt, da jede von ihnen nur einen gewissen Theil zu verfertigen die Gcfchicklichkeit hat. Nun bleibt uns nur mehr als hervorragende Spitzcngat-tnng der Blonden zu erwähnen. Es sind dieß nichts anders, als Spitzen , die aus feiner Seide, doch ganz so wie die übrigen geklöppelt werden, nur daß sie leichter und loser gehalten sind, während bei den Lcinenspitzen die Fäden fest angezogen werden müssen. Eine Blondcnklüpplerin ist auch darum nicht mehr dazu geeignet, eine andere Spitze zu klöppeln, da sich ihre Hand an die leichte Manier zu arbeiten, zu sehr gewöhnt hat. Blonden werden in großer Anzahl in Sachsen, und in Frankreich im Departement Caluados geliefert. Es hat sich auch die Baumwolle schon in die Blonden gedrängt, denn bei weitem nicht die meisten sind ganz aus Seide, sondern der Grund Baumwolle und die Blumen mit Seide cingetlöppelt. Trotz des riesigen Verbrauches von Spitzen in unserer Zeit, und des damit getriebenen Luxus, der den unter Ludwig XIV. und XV. herrschenden weit übersteigt, schmachten doch jetzt alle Spitzenarbeiterinnen in der bittersten Armuth und sind, meist auf diefen einzigen Erwerbszweig angewiesen, der drückendsten Noth Preis gegeben. Die Maschinen, von denen England drei Tausend, Frankreich fast eben so vicl beschäftigt, und von denen jährlich durchschnittlich fünfzig Millionen Quadratellcn Spiken geliefert werden, verdrängen natürlich die Arbeit der Menschenhände immer mehr und mehr, und seit dem Jahre 1770, in welches die Erfindung derselben gesetzt ist, nimmt bereits die ehemals ziemlich bedeutende Einträglichkeit der Arbeit ab, und steigert sich das Elend und die Noth der armen Spitzenklöpplerinnen in Belgien und Frankreich, am meisten aber wohl im sächsischen Erzgebirge, in dem die Bevölkerung mancher Ortschaften nur allein dieses Erwerbzweiges mächtig ist. (Fortsetzung folgt.) Archäologisch 6 3. Bei den Nachgrabungen in Pompeji fand man jüngst nahe beim IsiZthor einen weißen quadratischen Marmorblock, auf dessen vier Seiten ein römischer Kalender eingehauen ist. Jede Seite enthält drei Monate in Heiablaufenden Columnen; über jeder derselben steht das Himmelszeichen des bezüglichen Monats. Bei den Tagen finden sich werthvolle Nachrichten über die Astronomie, den Ackerbau und die Religion der Römer; es sind z. B. die religiösen Feste angegeben. Oben auf dem Blocke ist Apollo, den Sonnenwagen führend, eingehauen, unten die Ceres, Aehren auflesend. Der Kalender scheint besonders für die Ackerbauenden bestimmt gewesen zu sein. Das sehr denkwürdige Monument ist in dem Museum von Neapel aufgestellt worden. Verantwortlicher Redacteur I. v. Kleinmstyr. - Druck und Verlag von Ign. v. Kleinmayr L5 F. Bamberg in Lllibach.