^/^. ^ ^. Translmulmsia 3 Andeutungen über das Familien- und Gemcindelcben und die socialen Verhältnisse einiger Völker zwischen dem Schwarzen und Kaspischcn Meere. Neiseernmerungen und gesammelte Notizen von August Freiherr« von Haxthausen. ^ ? ^7 3 Zweiter Theil. Mit zahlreichen Holzschnitten und einer Karle. Leipzig: F. A. N r o ck h a u s. 18')6. Zur Notiz. Die zu diesem zweiten Theile gehörige Karte wird in kurzer Zeit den Abnehmern deß Werks Mk nachgeliefert. Die Verlagshandlung zog die Ausgabe des zweiten TheilS vorläufig ohne Karte vor, um die Besitzer des ersten Theils nicht zu lange auf die Fortsetzung warten zu lassen. Transkaukasia. Zweiter Theil. H^ Transkaukasia. A n deut u n gen über da«? Familien- und Genmndclcbcn und dic socialen Verhältnisse einiger Völker zwischen dem Schwarzen und Kaspischen Meere. Meiseermncrungen und gesammelte Notizen August Frcihcrrn uon Harlhausell. Zweiter Theil. «cipzig: F. A. V r o ck l, a u >?, ! <^ o 0. Inhalt des zweiton Tlmls. Zwölftes Capitel. A»ku>ift i» Tiftis. — Reise mit l)i-. Sabalow ;u den Ossete,,. ^ Der junge ssürst (5ristaw. ^ Die Familie (^riftaw in Osse-tie». — Ei« Eristaiu verfalll der Vlutrache ftiues Dieners, — Anlage und Bauart der ossetischen Dörfer und Gehöfte, — Innere HauSeinrichtuna,, HauSgeräth. — Das Bicr. — Das Trinklied, — Acke,werf^euc;e. — Die Ruine einer Kirche, deren geln'ime Schals. — Das Dorf Inansch-Nbani. — Allfnahnie, — Aehullchkeit »lit germanischem Wesen. — Das Abendessen. — Die Suppe und der Käsekuchen. — Der Name, Wanderung, Geschichte der Osseten, — Ihr Christe,^ thun», heilige Haine, Opfer. — Die Höhle des Propheten Glias, ossetische Litanei, Abensianbe. — Die Gräber der Vorfahren. — Hl'ch^eitogeblauche. >— Monogamie. — Stellung des weiblichen Geschlechts. — Die Heirathen ftchsjähliger Knaben, Deinoralisati^n. — Rechte der V'he, sie da,nrt fingirt nach dem Tode des Mannes fort, die Witwen, die Scheidung. — Arbeitsamkeit der Weiber. <— Vlajorennität der Manner. — «'rbschaftsivchte. — Der Familienverband beS Nameno und Slammes. —^ Volksgliederung, Adel, Fleie. Zklaven. ^' Die Vlutrache, einzelne Fälle, Schiedsgericht, die Sühne, daö Messen der Wunden durch Gerstenkörner. — Die Kuh als Einheit des Geldes, i.iem>»u>, — Das Oeto-decilualsystem. — Das Ordal. — Gerichte über Mein und Dein. — Die Gastfreundschaft. — Drr Ackerbau. — Viehzucht. — Volksphysiognomie, Körperbau, — Aehnlichkeit mit den Deutschen, — Nalirung, — Volkstracht, - (5>nfurcht VI vor Aeltern nnd Vorsahren, — Die öffentliche Spruch,,'. -Verwandtschaft im Sprachorgan n,it der Norddeutschen, — Ossetischer Gesang, — Untersuchung über reu Zusammenhang mitten Deutsche», vielleicht gothische Einwanderung.— Ossetisches Märchen, grusinisches ^c'ärchen. — Auhaug, Ans-zug zur Vergleichnug ans Dübois de Moutperenr' Wert über den Kaukasus, Bd. !l. «ap, ^ ^l, !i« iid« die Osseten, , , l - ',5, Dreizehntes Capitel. Abreise uon Tiflis. — Die Felsenstadt UplaS-Zichi. — Ma-ran. — Einschiffung auf den, Riou, Poti, Nrdut^Kali'. — Rückreise nach Kertsch. — Notizen über die Verfassung der Provinz Karabagh. — Der Tatarenchan Djaffal-Kuli-^han, — Vatu. Atesch-Dja, — Die Feueranbeter............. 5', Vierzehntes Capitel. Der Kaukasus. — Seine Sage» und Mythen. — Weltgeschichtliche Bedeutung, — Die Actcrba'uvölter und oie Nomadeu-völfer in ihren Gegensätzen, — Physikalische und geographische Lage, Naturbeschaffenheit. — Vegetation, — Größe, Bevölkerung. — Tscherkessen, Nbchasen, Osseten, Tschetschen-zen, Leögier, Tataren, Georgier, Armenier. — Geschichte..— Das alte Ivan nnd seine Heroeusage, Medien, das sero-indischc Handelsvolk, das folchische Handels^olk. — Die neuere Zeit. die Türlen und Perser. — Rußland. — Die gegenwärtige politische Lage mit Rückblick aus die Ocschichle. — GeschichtSanschannng ver Perser. — Ormuzd und Ahri-man. — Ans der Erde das Lichtreich uud Nachtreich, Iran und Turan. — Der große Weltmonarch Irans. Dulkarnein sIskander, Sesostrls). — Die von ilmi gebaute Scheide-mauer von China bis zu den Säulen des Hercules. — Die KaufasuSmauer ein Theil derselben. — Die Pässe des Kaukasus. — Der Mittelpas; die kaukasische Pforte. — Derbent. — Die Grenzsürsten des perjlschcn Reichs. — Die Kaukasus-völker, ihre Politik, die Georgier uud Armenier. — Benehmen »nd Politil Nnßlands. — Der Krieg mit den Tscherkessen und mit Echamyl. — Der Muridiömus. — Mnllah Mohammed uud seine Vichl-en, der heilige Krieg. — Hadji-Is-macl. — Einweihung des Kazi-Mullah zum Führer. — Seine Kriege, sein Tod in Ohnmry. — Gamzad-Veg ale> Führer des heiligen Kriegs geweiht, seine Thaten, die Ermordung des Ehans von Avarien, — Wird in per Moschee Vll crmorret, — Weilninq von ^chainyl, sein (ihalalter, ft,»,,' Thaten. — Die russische» Feldherren. Iermoloff, Nosen. Gc'lowin, Sasi. Krabbe, Neidhardt, Woronzow. — Die »cue« staatlichen und militärischen Reformen in den mohammedanischen Reichen. — Die Formationen Schamyl'S, militärische und staatliche................................ ^', Sabalow zu dcn Osseten. — Der )uuge Fürst Eristaw. — Die Familie Vristaw in Ossctien. Gin Gristmv verfällt der Blutrache seines Dieners. — Anlage und Bauart der ossetischen Dörfer und Gehöfte, — Inuere HauSeiurichtuug, Hansgercith. — Da«? Bier. — Das Trinklied. — Acterwerkzcuge, — Die.Ruine einer Kirche, deren geheime Schätze. — Das Dorf Inarisch-Ubani, — Aufnahme, — Aehulichfeit mit germanischem Wesen, — Das Abendessen. — Die Stuppc und der Käsekuchen, — Der Name, Wanderung, Geschichte der Osseten, — Ihr tlhrifienthum, heilige Haine, Opfer. — Die Höhle des Propheten (5lias, ossetische Litanei, Aberglaube. — Die Gräber der Verfahren. —> Hochzeitsgebräuchc. >— Monogamie. — Stellung des weiblichen Geschlechts. — Die Heirathen sechsjähriger Kuabc», Demoralisation. — Rechte der Ghe, sie dauert fingirt nach dem Tode des Mannes fort, die Witweu, die Scheidung. — Arbeitsamkeit der Weiber. — Majorenuität der Männer. — Erbschaftsrechte. — Der Familieuvcrbaud des Namens uud Stammes. — Volksgliederuug, Adel, Freie, Sklaven. — Die Blutrache, einzelne Fälle, Schiedsgericht, die Sühne, das Wesen der Wunder durch Gerstenkörner. — Die Kuh als Einheit des Geldes, pecimi!'. — Das OttodemnaljWem. — Das Ordal. — Gerichte über Mein und Dein. — Die Gastfreundschaft. — Der Ackerbau. — Viehzucht. — Volks-Physiognomie, Körperbau. — Aehnlichkcit mit den Deutschen. — Nahrung. — Volkstracht. — Ehrfurcht vor Aelteru und Vorfahren. — Die öffentliche Sprache. — Verwandtschaft in Sprachorgan mit der Nord-deutsche«. — Ossetischer Gesang. — Untersuchung über den Zusammenhang mit den Deutschen, vielleicht gothische Einwanderung. — Ossetisches Märchen, grusinisches Märchen. — Anhang, Auszug zur Vergleichung aus Dubois de Montpereur' Werk über den Kaukasus, Bd. II, <5^, ^2, :l:l, :l« über die Osseten. 'Hch reiste den 29. August von Erlwan ab und kam dm 3l), wieder in TifliS an. Ich bereitete mich sogleich zu einer kleinen (sr-cursion zu den Ossete» vor. Der l'onunandirende General gab nm ll. 1 2 die nöthigen Vefehle an dir in per Nähe der Osseten stationirten russischen Neauüen zum Schutz und zur nöthigen Hülsleisiung, Das Wichtigste aber war für mich, daß ich einen Reisegefährten fand, der mir von großem Nutzen »rar, es war der schon früher erwähnte !>>-, Sabalow in Tiftis, Er war von Geburt ein katholischer Ar inenier, hatte in Leipzig ftudirt, sprach vortrefflich Deutsch, war gebildet und empfänglich für meine Art Forschungen, Dabei war er unter den Osseten bekannt, als Arzt geliebt unv geehrt, sprach etwas Ossetisch und hatte einen ossetischen Diener aus emem Dorfe, welches wir später besuchteu, und der uns auch begleitete. Am 4. September sehr früh setzten wir Vier, !)>', Sabalow, ^leter Nen, der Osset nnd ich. uns zusammen auf das Fuhrwerk meines dentscheu Colonisten, der mich schon frnher nach Kachetien gefahren hatte. Wir schlugen die große russische Militärstraße, welche über den Kaukasus führt, ein und erreichten gegen 40 Uhr Duschet, eine bedeutende militärische Station mit einem Militär Hospital u, s. w, Hier meldeten wir uns beim Kreischef, der uns seinen GeHülsen, den jungen Fürsten Gristaw, mitgab. Der junge Mann war über die Verhältnisse der Osseten recht gut unterrichtet und beantwortete meine Fragen recht belehrend. Von seiner eigenen Familie erzählte er mir, daß sie seit alter Zeit in Grusien ansässig sei, ungeachtet sie ursprünglich aus dem Lande der Tscherkessen eingewandert. Der Name (5ristaw sei eigentlich ein grnsinischer Amtstitel und bedeute: Haupt des Volks, Die grusinischen Czare hätten einen Theil der Osseten gezwungen, ihre Herrschaft anzuerkennen nnd hätten die Cristaws und die Madjebellos eingesetzt'). Ein kleiner ") Nach den grnslnischcii Aiinalen hat Kaiser Iilsünian, der 574 dm erste» Bagraditen, (Hnram, auf den Thron Grnsiens erhl,'l', einen Osseten Vtameus Nostom »der Rl'stow zum Khssanws-Gristawi (Haupt des Landes) des südlichen Theils Osseticns, nämlich von A» Ortschaften, um den Flliß Khssani her liegend, denn damals stand Onisien und dieser Theil Dssetiens unter dem Schuh und der Obnhcrrlichleit des uströmische» Kaiscrthmns. Or verlieh ihm riu eigenes Wappen und viele Ehrmwrzüge. Aus dein Amtstitel ist demnächst rin Familienname geworden. Dcr Name Gristaw ist sehr vcrl'reitet nnter dem grusinischen Adel, nnd sie stammen vermnth? >ich ,,^'ü inehiern frühen Aeamten dieses Titels her. ^^ 3____ Theil der Osseten »värc auch dcm Fürsten Kosbeck untergeht-» worden. 2lllrin die Herrschaft sei sehr lose, die Osseten gehorchte», so viel, als sie eben wollten, und Dienste und Abhaben wären nur uon ihnen zu erhalten, wenn sie eben Furcht hätten, also müßten, Unter russischem Scepter wäre zwar etwas mehr Ord nung in die Beherrschung gekommen; dort, wo russische Soldaten und Kosackcn sich zuweilen in den ossetischen Dörfern blicken ließen, gehorchten stc auch, und zahlten die Kronabgaben, die für jeden Hof auf 2 Koda Weizen, 1 Koda Gerste, und für Polizei, Post, Brücken u, s. w. 8 Abbas ^ 1 Rubel 00 Kop. baar festgesetzt seien. Hierbei müßten die Dörfer solidarisch für den ganzen Betrag aufkommen. Allein im Innern des Landes, in den unwegsamen Gebirgen, zahlten die sogenannten Kronbauern in der Regel nichts, zuweilen brächten sie wol einmal aus einem Dorfe ein Schaf, um die russische Herrschaft anzuerkennen und nicht gelegentlich einmal feindlich bchaudrlt zu werden. Seine Familie, die Eristaws, wohne zum Thnl, namentlich feme nächsten AiM'hlirigcn, im ofse. tischen Lande und sei beliebt, zum Theil gefürchtet! Nur elnmal sei vor langen Jahren ein Gristaw von einem Osseten erschossen worden. Dieser (5'ristaw hatte nämlich einen ossetischen Diener, dessen Bruder ein bekannter und gefürchteter Räuber war. Einst trifft dieser Vristaw auf den Räuber und erschießt ihn, ohne daß dieser ihn angegriffen hätte. Sogleich verläßt der Diener sei-nen Herrn und erklärt seinen Landsleuten, sein Herr habe das Recht gehabt, seinen Vruder hängen und als Räuber erschießen zu lassen, daß er ihn aber eigenhändig, ohne von ihm angefallen zu sein, erschossen habe, fodere Blutrache! Daraus paßt er dem Eristaw auf und erschießt ihn, ftüchtet daun zu den Tscherkessen, die ihn aber auslieferten, worauf er hingerichtet ward, Wir ritten von Duschet zn Fünfen, Di-. Sabalow, Gristaw, Peter Neu, der Osset und ich, auf guten uns gestellten Kosacken Pferden durch unwegsame aber romantisch schöne Waldgebirge. Wir trafen auf einige Dörfer, deren Bevölkerung gemischt, theils aus Grusirrn, theils aus Osseten bestand. Der Unterschied in der Vauart der Häuser zeigte die verschiedene Vevölkeruug. Dann aber 4 lamen die eigentlichen Ossrtendörfcr, die stets an ten Abhängen der Verge liegen, Ie Nlehr nach den Ebenen Grusiens hinab, desto großer sind die ossetischen Dörfer. Ins Gebirge hinein werden sie kleiner, habe» nie über 2t) bis 30 Häuser, noch höher hinanf sind sie nur fünf bis sechs Gehöfte groß, bis ganz hoch im Gebirge nur einzeln liegende dabei bnrgartig allssehende (große Thürme mit Mauern umgeben) Gehöfte sich finden. In dem nuttlern Gebirge sind die kleinen Dörfer von ganz eng aneinander geschlossenen Gehöften gebildet, sie liegen amphitheatralisch an den Anhöhen, sind alle befestigt, entweder mit einen, mächtigen Thnrm in der Mitte, oder in jedem Gehöft steht das Hauptgebände alls einer hohen stei nernen Unterlage ohne Fenster, oder das ganze Dörfchen ist mit einer Ringmaner mit Thürmchen umgeben. Die Hauptgebäude der Gehöfte, an die Anhöhe gelehnt, haben drei biö vier Etage,, übereinander. Unten eine große Halle, Stall und Zuflllcht fiir's Vieh. dann führt von Äußcn eine Treppe in die zweite Etage „nd so ferner in die dritte und vierte Etage, die stets einen kleinen Vorplatz auf der darunter liegenden vorspringenden Etage lind ein Höschen neben sich hat, welche durch dir ansteigenden Anhöhen gr-bildet werden. Zuweilen springt auch mitten aus dem Ganzen ein hoher, die Dächer aller Etagen weit überragender, mächtiger steinerner Thurm auf. Jedes Gehöft bildet nun abcr hier in den nntern Gegenden zwei Etagen von Gebäuden und Höfen. Die untere Etage, oder vielmehr das untere Gebäude, enthält die Viehställe. Es ist mit der hintern Seite in den Verg hinein gearbeitet, so das; die hintere Wand und ein Theil der beiden Seitmwände durch die Erd- oder Steinlagcn des Verges gebildet werden; ein ziemlich geräumiger geschlossener Hof vor diesen Ställen enthält die Mist^ stellen und stehen daselbst die Pfluge, Schlitten, Schleifen (Wagen rennt man hier nicht). Eine Treppe führt von diesem Hofe herauf vor das zweite oder Hintergebäude (lFhusar), welches etwas zurücksteht, dessen hinterer Theil aber ebenfalls, wenn auch nicht so tief in den Verg hinein gearbeitet ist, das; diese Wand lediglich durch dir Bergwand gebildet wurde. Diese bildet vielmehr etwa die Hälfte der Hauswand, die andere Hälfte der Höhe ist durch eine .') ausciuauder geschichtete Valkcnwand wie die übrigen drei Seiten deo Hauses gebildet. Alle Häuser sind Blockhäuser, d. h, nälnlich von übereinander geschichteten an den vier Ecken ineinander gefügten Balken anfgcbant. Diese zweite Etage oder daS Hauptwohngebäude hat ebenfalls einen Hof, aber nicht vor sich, wo nur ein schmaler Naum, sondern neben sich. Auf diesem Hofe stehen mehre Ge^ bände, theils Vorrathshäuser, theils einzelne Kammern für die verschiedenen Ehepaare des Gehöftes, denn jedes Ehepaar, dereu zuweilen ciu halb Duyend auf einem Gehöfte leben*), hat seine eigene Kammer. Meist steht jede solche Kammer, um sie vor Feuchtigkeit zu schützen, 4 bis (» Fuß über der Erde auf vier Ständern. Kemes der Gebäude hat ein Dach, sondern sie sind mit VaU ken zugelegt nnd darüber Nasen gedeckt. Das Hauptgebäude hat die Hauptthür nach vorn, aber auch stetS noch eine Seitenthür nach dem anbei liegenden Hofe. Alle Thüren, die ich in den Dörfern sah, hattcn eine und dieselbe Form m,d waren mit einein recht küust lich geschnitzten hölzernen Nicgcl ulrfchl>.'sft!l. Dir Einrichtung des Hauptgebäudes ist nicht überall dieselbe: von vorn kommt mau zuerst in eine 'Art offene Halle, daneben ist eine Tenne, aus wrl cher das Korn durch Ochsen ausgetreten, nicht wie bei den ttru-sinicrn durch eine Dreschmaschine ausgedrückt wird. Daß die Osseten eine Dreschlcunc im Hause habeu, hat auch etwas Germanisches, bei allen übrigen kaukasischcu Völkern sah ich nur Hennen auf freien Plätzen in und vor den Dörfer». Aus der Halle tritt man in die eigentliche Wohnung (Gozar), einen große» Raum, der am obern (5'ndc in eine Art hölzernen Schornstein mit einer viereckigen Oeffnung, im Dach ausläuft. Unter dieser Oeffnung liegt zwischen zwei großen Steinen (Kona) auf platter *) Der ossetische Diener des Dr. SawlV'w war ans cmn' Familie, dir, l5» Köpfe zählend, aus einem uno dcmsell'cn Ojchofto zusammen K'l'lvit, in unqetheiltem Haushalte. Die m'ch lebende Großmuttcr stand an 5cr Spitze In Kroatien. I'^ndcrs dn M!itära,re>,;e. ift es eben so: jedes A,^am'. derrn cs auch of< seä», 1'iS acht gil't, hat sein eigeneo Häucichc», nur ciiic ^^>,n!,cr enthaltend, ans dem ^rmciusamen Heft gebaut, 6 Erde der Herd (Arrsist) *), nber dein nit eiserner Kesselyakrn (Hitachis) nebst stets daranhä'ngendcm Kessel von einem Querbalken (Walardigatta) herabhängt, ganz genau und ganz nach derselben Fc>ic,!ic,'d und Kcssolhafcn. Form, Wie in den dentschen Vanerhättsern Westfalens nnd 9tieder sachsenö. Von beiden Seiten der Wohnung liegen die Stalle (Skats) silr^ daS Milchvieh, die also die Hanssran ebenfalls wie *) In de» ^ssc!ischcn Dovftru im Tereflhalc gibt eo j,'ch ln, gellster sind uir aends, sonderll nur kleine viereckige Oeffnungen, Oben am Herd steht stets der hölzerne Sessel des Hauptes der Familie (GolaMr), HaiM'atciscsscl. entweder dreibeinia ,nit runder, hölzerne,, allerliebst geschnitzter und verzierter Nücklehue. KalaMn genannt, oder mit vier Stahlen die oben durch Dnerhöl^er verbunden eine Lehne nnd Armstützen bilde,,. Auch eine etwa 5 Fuß lanqc sophaartige Bank mit ^ !)lück ^ nnd Armlehnen (Darsbandon) von hüb scher Schnitzarbeit stano in einem Hause, Au den Wänden stehen einfache Vantc (Vandou), lmmer auf drei Stahlen, die an den Herd, nebcu dem Grosivatersesscl gerückt werden, es setzen sich jedoch nur die Männer darauf, die Frauen, selbst die Hansfrall, setzen sich meist auf die Erde. Die Osseten setzen sich nie mit mltergeschlageileu Beinen wie die Orientalen, sondern stets ans Vanreu, Stühlen, Blöcken n, s, w.. stets die Veine herabhängend, Auch sal> ich cinige hölzerne Dreifüße Gcwo>!»!i^ti ^^i.i. V.iüdlM Drc>,»l!, » in der Form, wir sir die westfälischen Mägde brim Mclte» gebrauchen. Ferner waren niedrige Tische (Kachkin), auch Fönt, auf drei Stahlen vorhanden, die ich außerdem bei keinem einzigen kaukasische» Volke fand, da man bei ihnen, selbst bei Mahlzeiten, stets nur Pratsvici;. Teppiche ausbreitet. Am Herde lagen die eisernen Feuerschau^ fein sAolann) nnd die Feuerzange (Arziskan). Ein Bratspieß mit vier langen Spitze«: konnte auf eine drcistahliac Unterlage ^-l^t und ^edrrht werden. Auf einer Seite stand auf einer Bank ein ans einem Baumstamme ausgehöhlter Aacktrog (Aring), ganz wie man sie bei den Bauern in Norddeutsche land findet, ferner ein Vutterfaß, ähnlich dem in Norddentschland gebräuchlichen. Zum Vutlrrn wird es schräg auf ein wie^ gendes Holz gelegt und von diesem so lange geschüttelt, biö die Gatter fertig ist. Buttsr aus Sahne (Schmand) duich Schütteln und Pewegcn zu Stande gebracht kennt man bei reinem kanlasischen Volte, und selbst bei den Russen nicht, dercn Vultrr nur ein aus der Sahne auö gekochtes Fett ist. Wo kleine Kindl-r '^iMM^. 9 warm, sal) ich Wiegen, ebenfalls ganz anders, wie bei dell übri gen kaukasischen Völkern, sich sebr den europäischen Formen nähernd. Wiege. Ganz durchaus europäisch aber sind die hölzernen Vettgestclle der Osseten, in welche Netten, Pfühle und Teppiche ganz wie in Europa gelegt werden, ja welche häufig in einer Art vo» Ällkouen stehen. Schon die gemeinen Nüssen kennen keiue Vettgcstrlle mehr, sie legen sich auf den Ofen, auf Vänle, auf die (Krdc, wo sie die Pfühle und Deckcn ausbreiten. Selbst in russischen adeligen Häu^ scrn im Innern Rußlands findet man keine Vettgestelle, die Bette», werden dort aus Kanapees bereitet und am Morgcn wieder we^ gruounnen. So viel ich selbst ^eschen uud voll Ändern erfahren habe, bedient außer den Osseten kein einzigeö kaukasisches Volk sich 5"' Vtttgestelle, Än der Wand neben dem Held waren einige 10 Vreter befestigt, auf denen allerhand Mchengeschirr stand, von Kupfer, Eisen, Holz, GlaS, selbst Porzellan (in Tiflis gekauft), Alles blank gescheuert, eine Art Eitelkeit der Hausfrau zeigend, ganz wie in Deutschland! Die Osseten brauen Vier aus Gerste, wie die Deutschen, nennen es auch Vier; die übrigen kaukasischen Völker kennen das Vier fast nicht"), selbst die Grosirussen haben nur den Quas, ein dem Vier ent fcrut ähnliches Getränk. Sie bedienen sich beim Trinken der Trinkhörnrr, wie ich sie auch bei den Grusiniern gesehen, aber zu meiner größten Verwunderung, auch der gemüthlichen norddeutschen hölzernen Virr^ kanncn genau so, wie man sie überall bei unsern Vauern sieht, und bei feierlichen Gelegenheiten hölzerner Vierbecher, ganz von derselbe» Forn, wie sie auch seit Uralters in Deutschland gebräuchlich. Auch die Sit ten bei Fcstgelagen haben einen durchaus deutschen Charakter. Der Gierbecher geht stets neu gefüllt herum, der Nachbar reicht ihm dem Nachbar, nachdnn er M'mttm und gesprochen: lia/n^nbou dliiinsg, d. i.: „Auf deine Gesundheit trinke ich," Wäl> rend Einer trinkt, singen die Nebrigen ein uraltes Trinklied und klatschen dabei in die Hände lliiNiÜ,! l!N liM'llla sUl(!»t! , Unrig«! b9l!l>5! liimaü! <>lc. il> mliültum, bis der Trinkende seinen Vechr, geleert hat. Tiiüshl'r,,. li'ictt'l'>!'«>', ") Bei den Tscherkessen fand jedoch Kl'ch eine Art Vier Vl'u Hirsr oder Griesniehl, welches, in Massen g^gohre», bereitet wird, Fada^husch, weißes Gctnnlk ^exaiult. (Die Tataren nennen es Vra,^a,) Der Vranutweiu heißt Fclda-Sitz,a, »veisies Getränk. 1l Dies heißt übersetzt: Trink! die Hände schmerzen, Es stießt smist ans das Trinkhorn (der Vecher)! Tnnk! trinl! trink! zc. Von den Ackerwcrkzeugen firl mir der Pflug (Sibir) aus, der ganz abweichend von denen der übrigen kaukasischen Volker con Pflug. strulrt ist. Seine Construction ist den, des mecklenburgischen Hakcn-Pflugs ähnlich. Auch fand ich unsere gewöhnliche deutsche Harke hier, die ich sonst nirgends in den raukasischen Ländern sah. Harlc, Ich hatte zu wenig Zeit zu verwenden, um auch das Aeußcre eines ossetischen Gehöfts, oder gar ein ganzes ossetisches Dorf zu zeichnen, allein mein Nelsegefährte, der Fürst Pan! Liven, da er die Landreise über Wlade Kaukas machte und erst in Kertsch wieder zu uns sties,, ist später durch mehre Dörfer der nördlichen Osseten gekommen und zwar tief ins Land hinein, zum Theil im Terek-thalc (während ich nur die Ränder berührte), und hatte charakteristische Zeichnungen einzelner Orte und Gehöfte für mich auf: genommen. Auf ihnen erscheinen auch noch mittelalterliche Thürme und Befestigungen, welche von einer Macht und Nitterzeit dcö osse. tischen Volks ^u zeigen scheinen, von welcher die Geschichte diö jetzt völlig schweigt. Die Gehöfte in den höchsten Gebirgsgegenden sind noch jetzt wahre Burgen. Während man in den südlichen Thälern die Gehöfte von H»l; (Blockhäuser) baut, sind sie in den Gebirgen von Stein ______12____ aufgeführt. Sie sind mit einer Maller umgeben; in dor Mitt? steht ein hohes thurmartiges Gebäude von drei Etagen. In der untern ist das Vieh untergebracht, in der mittlern, zu der mau von Außen mit einer angelehnten Treppe hinaufsteigt, wohnt die Familie, in der obersten sind alle Vorräthe. In der Spitze steht beständig eine Wache, ein Späher, der jeden Fremden, Freuud oder Feind, anmeldet. Die Mauern dieser Gebäude siud aus gezeichnet fest ineinander gefugt, und zwar ohne Kalk und Mörtel. Auf dem Hufe stehen noch mehre Häuser, aber stetö eiu Gasthaus für fremde Gäste. Nachdem wir mehre Dörfer durchritten und mehre Gehöfte darin besehen, ritte»! wir einen hohen kahlen Verg hinan, der eine Art Felsensattel bildet. Auf einem hohen Vorsprung des Berges liegen die Ruinen eines Klosters lind einer christlichen Kirche, dir jedoch noch gegenwärtig einen sehr berühmten und sehr besuchten Wallfahrtsort bilden für alle christlichen Osseten'). Die Kirche, der Dreieinigkeit geweiht, ist nach der einen Girbelseite offen, das Dach herabgebrannt, aber das Gewölbe noch gut erhalten, im Innern ist sie ganz nackt und ohne alle Verzierungen, ein geheimer Gang, dessen Ausmündung aber neben dein Altar offen liegt, führt in unbekannte Tiefen lind vielleicht zu uubekannten Ausgäugrn, ") Durch ganz Ossclien sind eine Menge steinerne Kirchen zerstreut, die aber größtentheils in Nuinen liegen. Sir liegen fast alle einzeln, in de» Dörfern selbst sollen sich fast nirgends Kirchen finden. Ihre Erbauung wird der Königin Thamar zugeschrieben, die den Osseten zwischen 1171 und NW das Christenthnm gebracht haben sott. Christliche Priester gibt eS nur an den Grenzen Orusiens, eingeborene ossetische christliche Priester soll eS nicht geben. Jene Kirchenruincn werden aber überall vom ^olle hoch verehrt, dnrch Wallfahrten, nnd von Jedem der vorüber reitet oder geht. Diese alten Kirchen nenne» die Osseten Dsnar, waö das gn>si>,ische Dswantreuz bedeitten soll. Die Handbezeichnnng mit dein Kreuze, die cine so wichtige Andachwnbnng bei den slawischen Völkern bildet, solle» jedoch die Ossete» nicht tennen. Sie ist aber a»ch selbst bci den Grusiniern nnd Armeniern selten. Hin und wieder gebrauchen die Osseten die Vezeichnnug mit dem Kreuze zu abcrglanbigen Gewohnheiten n»d Ceremonie». Wenn sie den Neumond znevst sehen, mache» sie mit ihrem Dolch ein Kren; zu ihm hinauf in die Luft, Die Sternfchimppen halten sie für etwas Heiliges und nennen sie Dsuamlaelti, d. i. fliegende Kreuze, 13 Rund um die Kirche hatten dir Mönche ihre kleinen steinernen Zellen, sie liegen aber alle in Ruinen. Die Perser solle,,, als Nadir-Schah den Kaukasus durchzog, das Kloster erobert und zer. stört haben, Sie hofften im Kloster und in der Kirche große Schätze zu 'finden, allein als sie eingedrungen, war Alles verschwunden; alle Martern, welche sie den unglücklichen armen Mönchen auferlegten, brachten nlcht heraus, wo die Schätze geblieben, Es sollen 5<»i Mönche im Kloster gelebt haben, die alle damals ermordet wurden. Das Geheimniß cristirt vielleicht unter einigen ossetischen Familien der Umgegend, aber auch alle Nachforschungen der Muffen haben bis jetzt kein günstiges Resultat gehabt. Das Faetum jedoch steht fest, daß an dem Tage deS großen Wallfahrtfestes auf einmal der alte Altar geschmückt ist mit den kostbarsten goldenen und silbernen Gefäßen, Leuchtern, Goldteppichen, Meßgewändern u. s. w., die dann nach dem Gottesdienste wieder spurlos verschwinden. Es war schon Abend, als wir von der Nnine hcrabritten. Wir beschlossen in dem am Fuße des Verges liegenden Dorfe Inarisch ^lbam (Nachbarschaft des Kreuzes) zu übernachten und wurden auf einem großen Gehöfte gastfrei aufgenommen, dessen Wirth verstorben war. Die Frau bewirthschaftete den Hof, Der Wirth hatte Dschugoipfcrt geheißen. Es ward uns seine gan^e Abstammung und Genealogie vorgesagt! er war der Sohn des Vedoipfert, dieser der Sohn des Vuripfert, dieser des Dschukoipfcrt, dieser des Bedoripfert, dieser des Taboipfert. Es wird grosirr Werth auf die Abstammung gelegt, wovon weiter unten. Die Endungen i'luN und t<^ oder lu bedeuten im Ossetischen: Sohn oder Abstammung. Im nördlichen Offetien, links von Wladi Kaukas, ist die Endung mmi schr verbreitet, es gibt Namen und Familien, die Asman, Lcman heißen, die Namen sollen dort überhaupt un gemein deutsch lauten, der Name Franz findet sich sogar ziemlich häufig. Man führte uns zu dem Herd, wo ein großes lustiges Feuer angezündet war; ich erhielt den Ehrenplatz auf dem oben beschriebenen Sessel des FamilienhauptS. Die Frau und Töchter und noch einige Frauensleute beschäftigte» sich mit der Bereitung der Speisen, ^ch und nach versammelten sich die Männer des Dorfs um uns _____IH^___ hermn, und mm begannen die Frageil von meiner Seite, »oelche stets rasche und bcstimnlte Antworten erhielten; es antwortete bald Dieser, bald Jener, wie es schien, je nachdem der Vine oder der Andere besser von dem Gegenstande, wonach ich frug, unterrichtet ivar. Zurückhaltend schien Niemand zu sein. Vi-. Sabalow machte den Dolmetscher, Der Anblick des Ganzen hatte etwas grotesk-romantisches; das helle lodernde Feuer erleuchtete eine große Halle, so umfangreich, das; das Licht das Gebälk und die Ständer der Wände und was daran herstand nur in dürftigen, unsichrrn Umrissen erblicken ließ, dabei alle diese eigenthümlichen Gestalten in den fremdartigen Trachten, in allen möglichen Stellungen, neben nns auf Bänken sitzend, stehend, am Herd gelagert, Manche in Bewe-gnng hin: und herziehend, dabei die Weiber eifrig am Herd beschäftigt und um uns eine eigenthümliche Stille, kein Lärm, als das Knistern der Flammen und das Geräusch, welches dir Vereitung der Speisen verursachte. Nur Einer sprach, gab die Antworten aus meine Fragen, die Andern schwiegen so lange, dabei waren die Stimmen nicht scharf, nicht schreiend, sondern nchig und wenig gehoben. Ich schrieb eifrig mit dem Bleistift in mein Notiz buch; das schien ihnen weder auffallend, noch ilnangruehm, ja wenn ich eine Pause machte, so fragten sie wol, ob ich sie auch recht verstanden hätte? Das, was ich von ihnen erfuhr, gebe ich tre». Ich zweifte nicht, daß es wahr ist, allein ob es allgemein gültig für die Verhältnisse des ganzen ossetischen Volts ist, kann ich natürlich nichl verbürgen, glaube es auch kaum, — Schon frühere Reisende haben auf die große Aehnlichkeit ossetischer Verhältnisse und Sitten mit germanischen aufmerksam gemacht. Die von mir hier gegebenen Notizen werden hoffentlich einen nicht unwillkommenen Veitrag für die Wahrheit jener Bemerkung liefern. (5in Deutscher, Hr. Schlatter aus der Schweiz, hat Jahre lang unter den Nogai-tatarrn gelebt, selbst als Knecht bei ihnen gearbeitet, mit Wissensdurst und Liebe den kleinsten Verhältnissen und Beziehungen des Volksfamilienlebens dieser Tataren nachgespürt! Das war der wahre Reisende p^ excollonee! Sein Buch unter dem bescheidenen Titel.-,, Bruchstücke aus einigen Reisen nach dem südlichen Nußland von den Jahren l«^ bis l828, mit besonderer Rücksicht auf die 15 Nogaitataren am Asowschen Mem" sSt. Gallen l«3<») ist ein wahres Mustn- für eine Volksmonographie, Möchte doch auch ein jung/v Deutscher einen ähnlichen Gedanken auffasse» und durchführen, zu den Osseten gehen und ein Paar Jahre bei ihnen und mit ihnen leben! (5s könnte leicht die interessantesten Resultate und Aufschlüsse, selbst über germanische Gcschichts- uud Alterthums forsckungen gewähren! Als das Abendessen bereitet, ward ein niedriger Tisch vor uns geschoben, ein blaugeblümtes Tischtuch darauf gebreitet und uus nun zuerst in einem hölzernen Napfe Schafflrischsuppe, mit dem Fleische darin, vorgesetzt; es wurden uns hölzerne Löffel und Tischmesser gereicht, dann kam cm Kuchen (Halwa) aus Käse, Butter, Vrotteig nnd Zwiebeln bereitet, sehr wohlschmeckend, (Der trefflich beobachtende Ncisende, Koch, führt an, das; dieser „Käsekuchen" oder ein ihm ganz ähnliches Gericht ein bei den Ballern in Thüringen allgemein verbreitete« Essen sei.) Ein in die Wand gesteckter brennender Kienspan leuchtete, auch brannte Talg in einem Napfe, worin ein Docht gelegt war. Kuchenbrot war in der Asche gebacken. Alles Dieses hatte einen so durchaus germanischen oder doch wenigstens europäischen' Charakter, daß es selbst dem l>i'. Sabalow, einem geborenen Kaukasicr, der aber vier Jahre in Deutschland gewesen, im höchsten Grade auffiel, Tische, blaugeblümte Tischtücher, FleischsuftPc, Käsekuchen, hölzerne Näpfe und Löffel, Tischmesser, Talgerlcuchtnng, sind alles Sachen, die die übrigen Völker des Kaukasus nicht kennen! Die Osseten sollen sich selbst nicht Osseten, sondern Ir und Iron, nnd ihr Land Ironisten nennen. Von den Tscherkesscn werden sie Kaft/Ha genannt, von den Tataren Oß, aber auch Tauli, von den Lesgiern Otz, Otze, von den Grusiniern Ossi und Owssi, von den Misdshegischrn Völ kern Ilheri. lieber die Entstehung, Wanderung und Geschichte des ossetischen Volks hatten sich bei den Osseten, die ich sah, nur sehr dürftige Sagen erhalten. Sie sagten, die Osseten hätten früher andere Sitze gehabt, sic seien vom Norden über dir Verge gekommen, hätten anfangs im Lande, wo jetzt die Tscherkesfen hausen, gewohnt, und seien dann, durch andere nachrückende Völker gedrängt, in daS jetzige Ofsrtien eingewandert. Diese vage und 16 dunkle Sag»' Hal allerdings geschichtliche Anklänge. Auch grusinische Annalen führen die Sage an, die Osseten seien vom Don her in ihr jekiges Land eingewandert, Ptolemäus kennt am Ausfluß des Don die Ossilier. Die sollen Asow gebaut haben. Don heißt im Ossetischen Wasser oder Fluß, und unzählige ihrer Flüsse und Väche sind hiervon benannt! Fainagi-Don, Kisel-Don, Arre-Don, Nrs Don, Velagi Don, Dngur^Don, Chorgsari-Don, Tschereck^ Don u. s. w. Merkwürdig ist, daß die Byzantiner den Namen Osseten nicht kennen! sie nennen das Volk an den Orten, wo wir überall die Ossete» finden, Alani. Konstantin Porphyrogenneta nennt die Alanen als Nachbarn der Suani (Suaneteu). Offenbar sind also Alanen nnd Osseten ein und dasselbe Volk. Der Mönch NubruguiS nennt im 15. Jahrhundert die Alanen und 'Assen als ein und dasselbe Volk. Die Osseten solle» auch die nördlichen Abhänge und Ebenen des Kaukasus, die große und kleine Kabardah, bewohnt und dort eigene Könige gehabt haben, von Vatuckau aber im 15. Jahrhundert von dort vertrieben sein, woranf sie sich in das kaukasische Gebirge geworfen. Allein sie haben auch schon früher in ihren jetzigen Wohnsitzen gewohnt, die grusinischen Annalen erwähnen dcv Ossen schon als Nachbarn der Grusinier zur Zeit Alerandcr's des Kroßen. Vielleicht bezicht sich diese Sage vom Zuge auö dem Norden nach dem ichigen Ossetim auf den Zuzug germanischer Eroberer, die sich mit den ursprünglichen Osseten vermischt, wie weiter unten ausführlicher bemerkt ist. Aus ihrer Geschichte wußten sie nur von einen, geschichtlichen Factum zu er^ zählen. Zur Zeit des grusiuischen Königs Wachtang Kurt-Aslan hätten die Osseten einen König gehabt, Namens Vagatar'), der, *) Vogatar, Vagalar? Nach einer ssb in scheu Sage waren die Boga-ticrö wilde Nleftu, auch bei den Tataren kummt ein mlMischer Name Bahatir vor. S. Studien lib«- Rußland, Vd. Il, S. 254. Das Factum ist übrigens völlig geschichtlich. Die grusiuischeu Beamteu erzählen: Der König vo» Glusicn, Wachtang Kutt-Aölau (Wachtang d«' Wolf-Löwe, Nli— lW), schlug die Ossi und tödtete mit ci^iler Hand ihre beiden l'el'ühmtrfteu Heerführer, den Tscha^adar und deu Äagatar, die ihn zum Ginzelufamvf herausgefordert hatteu, Duboi^, Bd. II, S. :jtt'2, führt eine höchst mcrfwürdige Inschrift in emcr Kirche in Muzala, ober- 17 mit MM! im Kriege, bis Mskct vorgedrungen, ».'» er aber, als er zu Pferde voraus durch den Kur sctzm wollte, vom König Wachtang mit einem Pfeile erschossen wurde. Der größere Theil der Osseten sind nominell Christen und halten sich einigermaßen zur griechische» Kirche, Die an der tscherkessischen Grenze wohnenden unabhängigen Osseten halten sich auch wol zn den Mohammedanern, aber beide Religionen sind nicht tief eingedrungen; sie sind sämmtlich noch halbe Heiden, ein kleiner Theil find auch wirklich nominell weder Christen noch Mohammedaner*), sondern wirkliche Heiden, Diese haben heilige Haine, in denen sie auf 'Altären Brot und Fleisch opfern. Links von der Strasie nach Wladi Kaukas, am Verge Vuslatschir, liegen zwei solcher Haine, der berühmteste und heiligste aber soll ein Hain im Innern Ossc-tiens sein, nicht weit vom Dorfe Lamadon, der von einem dort verschwundenen Vollsstamme, den Nards, herstammen soll. Die Nards sollen Juden gewesen sein (?). Dort ist ill einen« Felsen die Höhle des Propheten Mas (As-Ilja-Leget), des anrrkcmnten Schutzpatrons der Osseten, Um sie ist tiefer Frieden, die Vieh-heerden mnwcidm sie ruhig und ungestört, kein Streit und Kampf, halb des Lassarathores, an (zuerst abgedruckt im .lm!i'»9l n^mlilsüe, l)«t«dro 1830), welche Zeugnis; von diesem Ercigniß gibt. Sie lautet: Wir waren neun Brüder ans der Familie Tschardschuidze-Dscharchilan: Ds-Vagatar. Dawith-SoSdan, die Krieg mit vier Königreichen führ ten, PhidaroS, Dschadaros, Sakur und Georgi. welche auf den sscind Blicke des Zornes sendeten. Drei unserer Bruder waren Mouche und Mte Diener Christi. Wir sind Herren der engen Wege, durch welche man von vier Seiten herkommt und geht. Wir haben zu ^assara eine Festung und einen Zoll, und wir halten den Brückenkopf bcscht, Hl'ffct jenseits gute Behandlung, wenn ihr euch diesseits gut auffühlt, Wir haben Gold- und Sill'eistaub wie Wasser. Ich habe die Völker dcS Kaukasus uultt'worfen u»d drei Königreiche unterjocht. Meine» (Gewohnheiten getreu, habe ich die Schwester des Königs von .ttarthli entführt: er l>c»t mich durch einen Eid hiutergangeu und getäuscht, und hat sich mit »leinen Sünden beladen. Bagatar wurde ins Wasser gestürzt und die Armee der Ossen niedergemacht. Wer diese Zeilen liest, scheute mir einiges Gebet. ") Die wenigsten Osseten sind gelauft. Die, welche Schweinefleisch essen gelten für Christen, die sich dessen enthalten für Mohammedaner, 1 tt noch !>laub, da»f im Bereiche dec« Hciligthums dell 5 ridden stören. Einst ward nach der Sage »'in Heiliger gesangen mid in rin frcin des Land nach Westen entführt. Da hat ihn ein Adler über how Berge und weite Meere hier niedergesetzt und e» hat sein Leben laug den Dienst in der Höhle des heiligen Ellas verrichtet. Dieser Dienst ist auf seine Nachkommen vererbt. Nur der Aelteste derselben darf jährlich einmal in einem neue», von ihm selbst gewebten Kleide den Felsen besteige» und in die Höhle gehen, um ein mystisches Opfer zu verrichten. Jeder Andere, der den Felsen besteigen würde, wird blind, und wer in die Höhle dringe» würde, stirbt augenblicklich. Die Höhle soll im Innern ganz von Smaragd sein, in der Mitte steht ein Felsaltar, auf demselben ein gol dener Kelch mit Vier. Wenn der Priester eintritt, so erhält er die Gabe der Weissagung für das nächste Jahr. Bewegt sich das Vier i» jenem Kelche und läuft über, so bedeutet es Frieden und reiche Ernte, bewegt es sich nicht, Krieg und Hungersnot!). Am folgenden Tage ist im Dorfe Lamadon ein großes Gastmahl, wozu Jeder in der Umgegend beistcnert und bei welchem der Priester des heiligen Elias die Zukunft des Jahrs verkündet. Aus) die christ^ lichen Osseten opfern »och vielfach in Höhlen und heiligen Hainen auf uralten Altären *) und auch auf hohen, künstlich aufgethürmten Steinhaufen"). Hier werden Anrufeopftr, wenn man etwas unternehmen will, und Dankopfer, wenn eine Unternehmung ge lungen ist, dargebracht, meist Fleisch, Fisch und Brot. Vor den Höhlen des Elias, deren es außer den obgenannten beiühmtesten mehre gibt, werden Ziegen geopfert, deren Felle ans hohen Bäu-men davor aufgehangen werden. Die halbchristlichen Osseten halten ') Auch die Grusinier und Armenier fttmen «och Thieropfer in den Kirchen. (5,5 hat ihren höchsten Kirchen^bri^eitcii nicht gelingen wolle», sie a>ul;!ich al^nsch^fsVn. Die heilige Nina, alo sü' das ^hnst^ithiim nach Olusu'n l'rachtc, 42!l, fand dort noch Meuschcnopser, ihre Lcacnde erwählt, sie habc nach vielcn angeblichen Versuchm, alle Opfcr abzuschaffen, sich darauf beschrankn müssen, wenigstens die Mcnschclwpfcr al';nschaffcn, ") Dieo erinnert offenbar an die sogenannten Sttinnngc, Hünen-l'inge, >nit den anf drei oder fünf cmdcrn Steinen ruhenden ^'ferstVin,'!! ü, Norvdsntfchland n»r ^landinavicn. 19 strenge die großen christlichen Fasten und verrichten dann ihre Opfer meist auf Ostern, Wenn die Sage von dctl (jüdischen) Nards eine Wahrheit zum Grnnde hat, so könnten diese Opfer wol gar jüdischen Ursprungs sein. ihre Art (es wird ein Schaf geschlachtet, der Aeltestc reicht unter Gebet von dem Fleische umher, Knochen und Fell werden verbrannt u, s. w.) hat allerdings einen etwas jüdischen Charakter, Auch daß sie den siebenten Tag, den Sams tag, Schabate nennen, an diesem sowie am Sonntage keine Kopf-brdeckuug tragen, ungeachtet sie außerdem diese beiden Tage nicht besonders streng heiligen oder feiern, deutet darauf hin, uud auf eine Mischung von Iudenthum und Christenthum. Merkwürdig ist, daß für bestmimte große Feste stets andere Opfer vorgeschrieben scheinen. Neujahr opfert man ein Schwein, Ostern ein Schaf oder Lamm, Michaelis einen Ochfen, Weihnachten eine Ziege, Vier Heilige werden besonders verehrt, der Vrophet Mas, der Erzengel Michael, der heiliqe Gregor, der heilige NikolauS "), Sie *) Ich fand in Tistis Kohl's Nriseu in Südrußland, Leipzig 1841, iu welchen Thl. l, S. M2. ein sehr intcressanler Aufsatz ül'er die Osseten und darin ein höchst merkwürdiges Gebet dcrselben mitgetheilt ist. Ich las es einem Osseten vor und er kannte es recht gut, unr schiru es, als ob in der Rechtschreibung der ossetische» Wörter große Mängel vorhanden waren, ich vermochte sie aber selbst nicht zu corrigiren, theils aus Mangel an Zeit, theils weil ich viel Ke!,l- und Zischlaute nicht mit unsern Buchstaben wieder zu gebcn vermochte. Ich gebe dics merkwürdige Gebet hier ebenfalls, weil es, wie ich in lKrsahnmg gebracht, vielleicht das einzige liturgische Document der Osseten sein mochte. 1) Chtscliawtabudon ehtschawna chtscho sod, da chor-saeh ncnrad! 2) Wasch - Kirjji chschond;i i'od, da chorsach ncnrad! 3) Dedd Clitisa labudon, da chor- sach ncnrad! 4) Michiicl, (iabriel tabudon, «la chorsach nenrad! 5) Chachodschuar, da diorsach iionrad! ♦>) Naruusch kirgi labudoti, (hi chorsat:h nenrad! Gott wir bitten dich um deine ("nade für uns. (Erbarme dich nnser! Heiliger Georg! wir bitten dich, hilf uns. Erbarme dich nnsn'- (Gottes Mutter! wir bitten dich. Erbarme dich unstt! Michael Gabriel! wir bitten dich, 6'-barme dich unser! Ihr Vergkncheu ! Orbarmt euch unser! Du narischer heil, Georg. Erbarme dich unftr! "2* 20 ____ haben die christliche Woche von sieben Tagen, »eillien auch den Sonn tag Chatzawibon, d. i. Gottestag. Montag und Freitag gelten für Tage, wo man keine neuen Geschäfte anfanden soll. Ein Aberglaube, der sich auch in Europa häufig findet. Je unklarer und unausgebildeter das eigentliche Christenthum, desto mehr tritt der Aberglaube bei den Völkern hervor. Die Osseten sind sehr abcrgläubig, sie haben Wahrsager, Zauberer, Heren, die im somnambulen Zustande prophezeihell, Gesichte haben und Gespräche mit Verstorbenen und Heiligen, welche sie dann den Nm stehenden verkünden. Wenn einem Osseten etwas heimlich gestohlen ist (öffentlicher Raub gilt nicht als Diebstahl), so sucht er einen Zauberer, einen weisen Mann (Knrismezok) ans und nimmt dessen Hülse durch ein Geschenk in Anspruch, Dieser geht dann mit ihm uor das Haus Dessen, den er im Verdacht des Dirbstahls hat. Der weise Mann hat eine Katze unterm Arm und ruft' ,,Wenn 7) Brussabsdi tschisadla tsclii-dawgita bidiss udcmima cbts-chonde sod da chorsaoli non-rad tabula wan! S) Kuwcniki agijriss nionacht-soho sod Gursi'hislani tschi Djwota iss ehtscliondo sod t^horsachno rad tut u adami Morsaclinc rad tut! IV) Cliristu, da chorsaoli ueurad! 10) Rest mechenech clitschan na-milanenen ssercstniake ta-budon! Ihr Vluffabsri (dic hohen Scheunen-bn'ge in ^ssctieu> und ihr Apostel und Tngel, die ihr auf ihnen sitzet, wir grüßen euch und bitten, er-darmt euch bcrer. die euch grüßen und suchen! Ihr grusinischen Kirchen, erbarmt ench unser, daß auch alie Mllvr. die u!» euch wohuen sich unse»^ erbarmen! (5hrlstuc«, rrdanuc dich unscr! Allgüte Gottes, hilf uus »ach deiner Gerechtigkeit! Kohl bmiertt dlibei, es käme uichtS von der Dreieini^feit Gottes vor. Die Osseten mögen wol feine klaren Verrisse davon haben, daß sie diese aber feiüieu, zeigt ihr oben beschriebener Wallfahrtsort zul Kirch enrnine der Dreieinigkeit. Merkwürdig ist, daß die Form dieses Gebets ganz die bekannte der katholischen Litaneien ist. Kohl bemerkt znm sechsten Verse: Du «arischer heiliger Georg u. s. lv., Nara sei ei» Defile, an dem früher eine Kirche des heiligen Georg gestanden habe, (, n»l oen Herd, das Sichsetzen auf den erhöhten Sitz, das Singen der Weiber ','or de> Vrant, das Herabreißen des Brautschleiers u s. w, haben in ihren, ganzen Charakter, in ihrer ganzen Symbolik in Bezng ans dk-Pflichten Ultd Iltechte der Hausfrau etwas so Ocrmanisches. daß man dabei wol glauben möchte, in einen Winkel Deutschlands ver setzt zu sein! Die Osseten haben in der litcgcl nur ein Weib, doch sindrt man wol einzelne Neick)e, die zwei Weiber haben. Mohammedanische Sitten scheinen hierbei eingewirkt zu haben, denn der ganze Charakter des Volks nnd seine gesammten übrigen Sitten deuten mehr ans europäisches Familienleben, ans Monogamie, Selbst der geltende asiatische Weiberkauf deutet nicht aus Sklaverei der Weiber, indem ja die freie Ginwillignng des Mädchens zur Schließung der (5he vorausgehen musi. Der Umgang nnter beiden Geschlechtern ijt völlig frei und ungezwungen, im (Gegensatz zu fast allen andern kaukasischen Völkern. Dennoch rommt es »icht vor, d.isi Mädchen vor der Ehe die Keuschheit verletzen. Anders mit den Weibern, In der ersten Zeit nnd bis sie ein Kind geboren, legt ihnen die Sitte die strengste Znrückhaltnug aus. Nie bei den Är^ meniern darf die junge Frau mit Niemandem ein Wort wechseln, außer mit ihrem Manne, selbst mit Aeltern lind Geschwistern spriätt sie nur durch Pantomimen, Sobald sie ein Kind geboren oder, wenn sie kinderlos bleibt, nach vier Jahren, ist sie aber völlig cman-eipirt, nnd man sagt den ossetischen Weibern dann im Punkte der Treu,' viel Böses nach! (5'ine Sitte, oder Unsitte vielmehr, ist dabei eingerissen, welche alles Familien^ und Eheleben in seiner Wurzel zerstören lind demoralistren mnß. ^s kanft nämlich der Vater sri-nein sechs bis achtjährigen Sohne eine Fran von 14 lli Jahren. Alles oben Angeführte von sreier Neignüg »nd C'inwilltgung des Mädchens, strenger Zurückhaltung und Schweigsamkeit n, s w, ist >n solchem Falle natürlich nnr illusorisch! Der Vater, der oann freilich auch vielleicht nicht einmal der Vater ist, lebt mit der so genannten Schwiegertochter, erzeugt vielleicht mil ihr einen Sohn, dem dann jener nominelle Vater wieder »lack erlangtem sechsten Jahre ____2^______ ri»e Frau tlmft, mit orr dann lvicdcr er lebt u, s, w.! *) Dabei gellen bei den Ossctrn dir allrrstrrngstrn und rinschränkendsten Ve-griffe von drm Rechte der (she, Iedeo Kind, in der Ehe ge. boren, und wärr cs erwiesen, in Vlutschnld und Ehebruch, gilt für rechtmäßig in Namen, Succession und Erbrecht. Einc Frau, dir in der Ehe Kinder geboren, kann sich nicht wieder nach dem Tode des Mannes außer der Familie verheirathen, sie ist ja getauft, ist Eigenthum der Familie! Der Vater oder der Bruder des Verstorbenen kann sie heirathen, und das gilt sogar als cinc Art Pflicht"), als eine Ehrensache. Aber das ist dennoch nach den Rcchtsbegriffen der Osseten nur eine Fortsetzung der ersten, einzigen, ewigen Ehe, die Kinder der neuen Ehe gelten nur als Kinder der ersten, erben Namen nnd Vermögen derselben, wie die wirklichen Kinder jener Ehe. Aber dieser Begriff wirkt noch viel ausgedehnter! Ist kein Vater oder Bruder des verstorbenen Mannes vorhanden und die Witwe also gezwungen nnvcrheirathct zu blei^ ben, so hindert sie doch nichts, mit andern Männern zu leben, ja dir Kinder, die sie dann gebiert, gelten ebenfalls als die legitimsten Kinder der durch den Tod getrenutrn Ehe! Wir hattrn ein Vci^ spiel vor Augen, unsere Wirthin war Witwe, sie hatte von ihrem verstorbene» Manne drei Töchter, aber keinen Sohn, der Mann war seit fünf Jahren todt, aber sie hatte einen Knaben von noch nicht einein Jahre an der Brust liegen! und dieser Knabe war nunmehr orr Anerbe des Gehöfts, er führte den Namen des verstorbenen Maunrs, nnd dessen wirkliche eheliche Töchter erbten nichts, sondern wurden dazu zum Vortheil dieses Bankerts verkauft! Dieses Letztere war berrits mit der l^jährigen ältesten Tochter geschehen, deren Bräutigam mit der größten Naivetät nns das Verhältniß auseinandersetzte! *) Daß in Rußland noch vor ein Paar Oeneratioücn dir ganz gleiche Unsitte herrschte, führt Ornst Wlchclhause,,! in stlncm Gemalt von Ml,'ofan, 150!i. an. ") Diesen Gebrauch schone» sie, wenn cr nicht ctwa mif cieim'ins.nnen persisch-medischen und jüdischen Rcliqionsanschauungrn lyncht, vrn den Inden entlehnt zu haben, denn bekanntlich ist nach dcm mosaischen Gesrhc d»'r Vrndcr verpflichtet, die Wuwe seines Bruders zu ehrlich?:,. 25 Hat aber eme Witwe keine Kinder, so darf sie wieder hei rathen, doch muß der neue Mann den halben Kaufpreis der für sie erlegt worden, der Familie, von der sie jetzt ausscheidet, zurück zahlen. Das Kind, was sie jedoch bis ein Jahr nach dem Tode ihres Mannes gebaren möchte, gilt noch als zu dessen Familie gehörig (das sieht ja fast wie ein Anklang europäischer Jurisprudenz aus!). Wird eine Frau von einem Andern entführt, was zu-weilen vorkömmt, und der erste Mann ist nicht mächtig genug, sie wieder zu erobern, so muß der zweite Mann dem ersten den gezahlten Kaufpreis erstatten, Hin und wieder, jedoch selten, scheidet sich ein Mann, vielleicht wegen ertappten Ehebruchs, von seinem Weibe und schickt sie ihrer Familie zurück, dann erhält er die Hälfte des von ihm gezahlten Kaufpreises zurück, denn er erhielt sie als Jungfrau und schickt sie als Frau zurück; verstößt er sie ohne Grund, so erhält er nichts wieder. Courtoisie herrscht im hohen Grade im geselligen Leben der Osseten. Je mehr Bewerber ein Mädchen hat, desto mehr wiro sie geachtet, desto höher ist ihr Kaufpreis, Gin Mädchen, das nicht wenigstens einen Bewerber, eine Witwe, die nicht mehre be-günstigte Liebhaber hat, werden so verachtet, daß man sie öffent: lich anspeit, Vei den Osseten herrschen in der Regel die Weiber im Hause, die guten Männer stehen sehr unter dem Pantoffel *), dagegen sind sie aber auch nugemein arbeitsam. Die Weiber mähen das Heu und Getreide, tragen das Korn zur Mühle, das Holz aus dem Walde auf dem Nucken nach Hause, ja Manche pflügen und tret-ben den ganzen Feldbau. Stirbt der Manu, so behält die Witwe den Haushalt und die Herrschaft des Hauses, bis der Sohn herangewachsen, dann tritt sie Beides ab und wird vom Sohne ehrenvoll ernährt. Hat die Witwe keine Kinder und verheirathet sich ") Wenn eS wahr ware, daß die Osseten die Abkömmling der alten Sanromaten oder Sarmaten Wären, nämlich der Amazonen, welche sich mit eincm Stamme der Skythen vereinigten und. nach Herodot, ein neuohu seiner Mutter Schwester, darin liegt nichts llu: erlaubtes odcr gegen die Sitte Verstoßendes, allein ein Weib nelnneu, das desselben Stammes und Namens ist, und wäre sie 2?___ »UN tin entferntesten Grade verwandt, gilt bei den Osseten für Blutschande), lleber die innere Gliederung des Volks habe ich nur unvoll ständige vlotizen erhalten, es ist jedoch unzweifelhaft, daß es in zwei Stände zerfällt, Adel und Freie. Es scheint, das; der Adel große (5'hrenvorzüge, aber keineswegs politische Herrschaft, auch keine Gutsherrschafts noch sonstige reelle Vorrechte genießt. Die grusinischen Annalen sprechen von sieben Adelsgeschlechtern, nach denen die Osseten, nachdem sie aus den Ebenen in die Gebirge gedrängt worven, ihre neuen Felsthäler genannt hätten. Von die-sen sieben Geschlechtern blüht eins noch gegenwärtig sicher und ward mir auch genannt, es ist das Geschlecht der Sidunwni. Mir wurden als die vier mächtigsten und zahlreichsten Adelsgeschlechter ge nannt! die Sidumoni, die Algusoni, die Kussagon, die Simetti. Im nördlichen Ossetien soll noch ein besonderer Adel eristircn, er besteht aus 12 zahlreichen Geschlechtern, die man die Tagaorzen familien nennt. Sie sollen von einem armenischen Fürsten, Tagaor (der Kronentragende >?>), abstammen. Sie alle bekleiden in diesen nördlichen Gegenden in allen Dörfern die Würde und das Amt der Dorfältesten «Mdäer, der Aeltere?) und zwar erblich, was also mit der Stellung der armenischen erblichen Dorfhäuptcr übereil stimmen würde. Unter den heidnischen Osseten soll es auch noch ein paar Prie, stergeschlechter geben, die gewisse heidnische Hciligthinncr bewahren. Ich habe aber nichts Näheres darüber erfahren können. Der ossetische Adel hält sehr streng auf Reinheit des Bluts, Wer von ihnen ein Mädchen aus dem zweiten Stande, dem der Freien, heirathrn würde, dessen Kinder würden dem dritten Stande versallen, d. h, würden Sklaven werden. Die Tagaorzenfamilien *) Höchst merkwürdig ist, daß qanz dieselben Sitten und Anschauung!, der Berwandtsch^ftovevhältnisse bei dem Volfe der Oftjakcn harschen, Diese heirathrn ebenfalls »ic ein Weib ans ihrer väterlichen Verwandtschaft, nie ei« Weib desselben Familiennamens, aber wol selbst die Stiefmutter, die Stieftochter, die Stiefschwester (diese besonders ^ern!». Müller, ,,Del "arische ^olfsstamm", THI. I. S. 3<»5. 28 im nördlich,,'» Osfetien sind sämmtlich Mohammedaner, sie verhei-rathen sich meist mit tscherkessischen Adelsfamilien (Usden). Die Osseten haben Sklaven, die sie wie Familienglieder behan deln. Der Adel hat Pachtbauern, die Freie sind, desgleichen ge^ miethete Knechte und Mägde. Auch iu Tifiis fand ich ossetische Mägde, während Grusinierinnen sich nie vermicthen. Vei moham medanischen Völkern kann es wol Sklavinnen, aber nie gemiethete Mägde geben, das würde gegen die Religions- nnd Volkssitten anstoßen. Der ossetische Adel steht in einem hohem Wehrgelde. Er hat das Recht, bei der Blutrache das Doppelte an Buße und Sühne zu verlangen, wie der gemeine Osset. Die Sitte und das Gesetz der Vlntrache gilt für jeden adeligen oder freien Osseten, wie bei allen edeln orientalischen und den alten noroeuropäischen Völkern, aUein das; bei den Osseten Sühn und Schiedsgerichte ganz in der Weift wie bei den germanischen Völkern eristiren, ist höchst merkwürdig und verdient eine gründlichere Untersuchung, als ich leider auf meinem kurzen Besuche darauf ver wenden tonnte. Erschlägt Jemand einen Mann, so ist Jeder von dessen Stamm nnd Namensverwandten berechtigt und verpflichtet, an ihm oder einem der Seinigen Blutrache zu nehmen, d. h. ihn zu erschlagen. Ist es geschehen, so tritt er an das Grab seines erschlagenen Ver wandten und ruft: „Ich habe dein Blut gerächt und deinen Mör der umgebracht!" Oft geht ein Mann, der ein Mitglied einer großen, mächtige» Familie erschlagen, jahrelang nicht aus dem Hause. Im Hause ist er sicher, das ist befriedet. Wer daher feine Familie hat, die ihn im geeigneten Falle schützen kann, sucht den Schutz irgend einer mächtigen Familie, indem er meist auf einige Jahre in deren Dienste tritt. Ich hörte einen speciellen Fall, es habe seit undenklichen Zri ten zwischen zwei ossetischen Familien das unselige Verhältniß der Blutrache bestanden. Beide Familien seien fast aufgerieben ge wesen. Da kommen sie zuletzt überein und nehmen zwei Wai senknaben, aus jeder Familie einen, und todten Beide gemeinsam 29 Ms einem alten heidnischen Opferaltar und versöhnen sich daraus für immer! Vein» Morde und Todtschlagr braucht Niemand dir geboten.-Bühne, »der die Berufung auf ein Schiedsgericht anzunehmen, er kann auf drr Blutrache bestehen, doch kommt es, besonders in neuern Zeiten, oft vor, daß der Beleidigte uud seine Familie den Fall zur Entscheidung einem Schiedsgerichte unterwerfen, wobei dcmn als Nr gel gilt, daß nach Umständen und dem Ansehen der Familie die Wunden eines Erschlagenen doppelt so hoch gesühnt werden, als die Wunden eines am Leben Gebliebenen, Früher war es häufig Titte, daß der Morder drr beleidigten Familie einen Preis für eine bestimmte Zelt, z. V. für eiu Jahr, Aufstand bezahlte, während dem dann die Vlutrache ruhte und nicht zum Vollzug kam, Vloße Wunden und nicht tödtlichc Verletzungen finden dagegen nach dem Volks- und Gewohnheitsrechte der Osseten eine Süh „unss durch einen dafür zu zahlenden Preis, Diese Buße wird festgesetzt durch ein gewähltes Schiedsgericht. Ueber die Zusammensetzung und Form dieser Gerichte kann ich nichts Genaues und allgemein Geltendes sagen. Die Osseten, welche ich fragte, berichteten mir, jede Partei wähle drei Familimhäupter, die nicht mit den Parteien nahe verwandt seien, und diese sechs wählen dann noch einen siebenten Obmann. DaS Gericht lästt sich dann zufvrderst eine feierliche Erklärung von beiden Parteien geben, daß sie sich den» Schiedssprüche unterwerfen wollen, wobei noch von jeder Seite drei Bürgen gestellt wcrdrn müssen. Das Gericht schlägt dann einen Pfahl in die Erde als ein symbolisches Zeichen, daß die Parteien fest an dem Vertrage halten sotten, und spricht dabei eine Verwünschung über Den aus, der den Schieds spruch nicht erfüllen wird. Nun tragen beide Parteien ihre Sache vor und das Gericht tritt in Berathung, meist an bcfondrro dazu bestimmten Stellen in den Wäldern, Sind die Nichter einig, so wird den Parteien das gefundene Urtheil mitgetheilt. Jeder Osset hat dem Nichter gegenüber in Bezug auf seinen Körper einen bestimmten Werth, der. wie mir schien, nach der öffentlichen Meinung festgesetzt wurde: ein Familienvater hat einen höhern Werth, als ein Unverheiratete,, und der Adelige hat den :j0 doppelten eineo blos Freien. Dir Principien über vie Festsetzung habe ich nicht erfahren. In gleicher Weise ist jedes Glied, ein Arm, ein Vein n. s, w. tarirt, *) Klaffende Wunden aber werden stets gemessen, und zwar durch Gerstenkörner; es heißt dann, die Wunde ist zehn bis zwölf u. s. w. Gerstenkörner lang! Ieoes Gerstenkorn aber bedeutet eine Kuh, und für jedes Gerstenkorn Länge muß eine Kuh als Vuße bezahlt werden. Dies ist jedoch nur die höchste Norm, das Schiedsgericht setzt dic Länge der Wunde aus so und so viel Gerstenkörner sest, oft uirl weniger als sie wirklick mißt, wenn sie etwa wenig gefährlich und wenig tief ist. Die Kuh ist überhaupt die normale (5inhcit des Preises für jeden Werth, sie ist das ursprüngliche Geld der Osseten, wie dies auch bei den Nömern (I'ccxis, l'^liüii») nnd den Germanen der Fall war. Es heißt daher stets! der Gegenstand ist zwei, bis drei, bis vier Kühe, oder auch nur ^/^, ^^„ eitler Kuh werth. Der Ochse gilt hierbei für zwri Kühe. Die Osseten kennen jedoch auch schon lange gemünztes Geld, und in den an Grusten grenzenden ossetischen Landstrichen hat der Ausdruck zwei bis drei Kühe einen bestimmten Curs in gemünzten! Gelde, ich habe aber die Geltung nicht recht erfahren; die t5i»,en sagten mir, eine Kuhwerth bedeute so viel als 4 Nubel Paneo, oder ungefähr 9^ Sgr. Preusi, Geld, Andere gaben nur deu gel tendcn Kuhwerth auf 5» Nubel Banco, oder l Thlr. ^7^ Sgr. Preuß. an. Vielleicht ist der erstere der uormale Kuhwerth bei gerichtlichen Schätzungen, nnd der zweite der gegenwärtig curstreude Preis im Handel und Wandel. Nci diesen von den Schiedsrichtern festgesetzten Bußen sehen sie jetzt auch häufig dem Kuhwerthe andere Objeete gleich, die der Perurthrilte als Vuße zahlen darf, z. V. ein Säbel, ein Gewehr u. s. w., wobei diese Objecte meist sehr hoch, oft das zwei- bis dreifache des wahren Werths tarirt werden. Wenn ein Schiedsgericht über einen Todtschlag oder Mord ein Urtheil zu fällen hat, so hat es alle Umstände zu erwägen lind danach die Buße festzusetzen. Für diese Vuße ist das Marinnnn ') Man vergleiche s'ien'ibe, das Gesetzbuch des qnisimsclM l. 2 l)„«, !l .^li,n. ^ Zül'i'lo-, 5 l'Uül!, li ^6l,l/, 7 .^ll, ^ ^8t, 9 l'Ul^t, 10 l^l!88 l l Iv^lNi«», 12 llllsclü«!, , i!t ^«ti>Nck>«8, 11 8u>>j>58. 18 .^lllg»», 1« .>,!l!<>-<^ 2!» 8i>l/, 2l lvlziin,!»^^, 22 Uunmii^lx, !l«» 1)<,8l,mi,8l!l,2, '» I'i'.^unüllui^itx. <><» ^rü^l't«, 70 Uu8:>l>^'l!^1«, ^0 8l,^»»'>.'>t/, '.'<» !,l)^m^»,'i,l»i^^, 100 l'l!»^.!/, l0M> I'^llm^M/. Närrisch genug bücken die Osseten die 50 gerade so aus wie dir Franzosen ^ ^u,>i>!ir.^ux, ?> i- 4 mal 20, <.»Uc»lr(,^i,!^!' 32 die Form an, es läßt, damit nicht etwa der beste Schütze der Familie vortritt, das Loos unter Allen, selbst die Knaben mit cm begriffen, entscheiden, wer schießen soll, es bestimmt Zeit und Ort, und die Entfernung nach Schritten. Die Sache ist mit einem Schuffc abgemacht, trifft er ihn zum Tode, verwundet er ihn schwer oder leicht, fehlt er ihn gänzlich, es ist völlig damit zu Ende, Auch über Mein und Dein entscheiden gewählte Schiedsgerichte. Bei einem offenen Naubc außer dem Dorfe wird blos darauf er-kannt, die Sache oder deren festzusetzenden Werth zurückzugeben, bei einem heimlichen Diebstahl aber muß der fünffache Wertb ersetzt werden. Naub und Dicbstahl innerhalb des stets als befriedet angesehenen Dorfes wird hoher bestraft, als was außerhalb geschieht. (Ane Art Nechtssprichwort sagt! ,,Was wir auf der Landstraße finden, hat uns Gott beschert!" und man versteht darunter selbst den Straßenraub. Er gilt an und für stcli nicht eigentlich für Unrecht, und wird nur ersetzt, wie oben angeführt, wenn der Beraubte den Naubrr gekannt hat. Wenn das Schiedsgericht seinen Spruch gefällt hat, so läßt es von beiden Parteien vor dessen Proelamirung einen Lindenstab einkerben. Das deutet symbolisch die Unterwerfung unter den Spruch an. Ist der Spruch gefällt und die Vnßc bezahlt, so darf der Ve. leidiger es nicht versäumen, dem Beleidigten und seiner Familie ein Gastmahl zu geben. Dies gilt als Quittung, thut er es nicht, so können Jene die Buße noch einmal fodcrn. Dir Schiedsrichter erhalten für ihre Mühwaltung von den Parteien ein Geschenk, fetzen auch zuweilen den Werth desselben fest, ineist auf ^, des Objeets. Die Gesetze der Gastfreundschaft herrschen bei den Osseten so strenge, wie bei den übrigen kaukasischen Völkern. Der Gastfreund (Mingk, Konak, wie bei allen Kaukastern genannt) tritt mit Gnt und Blut für seinen Gast ein. Die Ermordung oder Verwundung ves Gastfremldes gilt für dieselbe Beleidigung, wie die eines verwandten, lind rust also die Blutrache hervor. Das Gastrccht ist so heilig, daß wenn z, V, ein Osset einen nnbekannten Gast in seinem Hause aufgenommen hatte, nnd es ergäbe sich ans dem fcr 33 nern Gespräche, daß er ein Vlutfeind sei, an dem cr Vlutrache üben müßte, so wird er ihn nach wie vor freundlich bewirthell und ihm beim Abschiede außerhalb des gefriedeten DorfeS sagen: „Von nun an hüte dich, ich bin dein Feind!" In dem sich nach den Ebenen neigenden Landstriche Osseticns ist die Hauptbasis des Lebensunterhalts der Ackerbau. Ich fand hier eine Dreifelderwirthschaft, das erste Jahr Düngung und Wei zen, das zweite Jahr Gerste, das dritte Brache, Roggen wird wenig gebaut, Hafer fast gar nicht, hin und wieder die kauka fische kleine Hirse, hier Galma genannt. Mais, Gurken, Erbsen und Vohnen sieht man in Gärten, Das Korn wird mit einer kleinen Sichel geschnitten, das Gras mit einer Sense. Im Gebirge ist der Ackerbau sehr schwach, dort herrscht die Viehzucht, besonders gibt es große Echafheerdcn, auch Rinder- und Ziegenheerden sind zahlreich vorhanden. Sie haben gute Pferde, von derselben Nace wie die Tscherkessen. Während die Grusier das Heu fast nicht kennen, ist bei den Osseten die Heuerwerbung eine der wichtigsten Arbeiten. Fast alle ländlichen Arbeiten, allster dem Grasmähel«, verrichten die Weiber, Die Männer gehen lieber mlf Naub unr Jagd und Liebesabenteuer. Zu Hause arbeiten sie an allen» Ledern zeuge, Pferdegeschirr, Sätteln, Schuhen; sie zimmern, mauern, schneidern fast Alle. Die Volksphysiognomie, der ganze Körperbau und der ganze Habitus der Osseten sind durchaus verschieden von denen aller um-wohnenden kaukasischen Völker. Zu deu Grusiniern, die übrigens längs der großen Straße über den Kaukasus, bis Kasbcck hin, einen schmalen Keil ihrer Ansiedelung ins ossetische Land hinein getrieben haben, bilden die Osseten in» Aeusiern einen entschiedenen Gegensatz. Während die Grusinier hochgewachsen, schlank, mit cdeln stolzen Gestalten, mit schönen regelmäßigen Gesichtern, schwarze» Augen, einer Adlernase, feiner Lippe, brünetten« Teint, schwarzen Haaren, uns den wahren Typns der schönsten menschlichen Formen zeigen, sind die Osseten von gedrungener untersetzter Gestalt, fast nie über 5 Fuß 4 Zoll hoch; sie haben breite hagere Gesichter, fast nie schwarze Augen und schwarze Haare, sondern blaue Augen, blondes, hellbraunes, häufig rotbes Haar, Die Frauen sind klein. II. 5 ___ 34_____ selten scholl, haben Stumpsnasen, ssnd von fleischigem Körperbau. Kohl's Gewährsmann a, a. O,, S. 308, behauptet! die Osseten, besonders ihre Weiber, hätten außerordentlich kleine und sclwne Füße. Ich kann dem nicht widersprechen, es aber auch nicht bestätigen, es war rcgnichtes Wetter, und die schweren schmutzigen Fußbekleidung gen ließen kein Urtheil zn. Die Weiber und Mädchen waren ziem-lich flüchtig aus den Füßen, allein die Männer hatten de» plumpen, einknickenden, wiegenden Schritt unserer deutschen Bauern, und wenn ich meinen guten Peter Neu neben ihnen gehe» sah, so sahen sie Alle wie ehrliche schwäbische Pauern und Laudsleute alls! Ihre Nahrung ist ungesäuertes Vrot von Weizen, auch von Gerste, in der Asche gar gebacken, Sie kochen das Fleisch im Wasser, daher haben sie anch Suppen, welche die Grusinier nicht kennen, sie braten, wie ich hörte, das gewöhnliche Fleisch von Rindern, Schafen, Ziegen fast nie, sondern nur das Wildfteisch und Geflügel. Die Grusinier braten beinahe immer alles Fleisch an hölzernen Spießen. Von der fast deutschen Vereitung einiger Gerichte bei den Osseten habe ich schon oben gesprochen. Vci den sämmtlichen kaukasischen Völker» ist der Grnndtypns von zwei Arten von Volkstrachten erkennbar, der tscherkessischcn und persischen: die Völker haben im Wrsentlichrn entweder die eine oder die audrre angenommen. Die Osseten haben die tscherkessische Kleidertracht angenommen, nur ist sie nicht so elegant und sitzt nicht so hübsch wie bei den graziösen Tscherkesscn. Sie solle» aber sehr reinlich sein. Die Osseten halte» ihr Haar kurz und schneiden es rnnd ab, sie rasiren sich und manche lassen einen Schnurrbart stehen. Die größte Sorgfalt wenden die Osseten auf ihre Waffen. Diese sind zum Theil uralt, und viele Säbel und Flintenläufe stammen offenbar, wie die lateinischen Inschriften, verschlungeneu Buchstaben und Wappen darauf bezeugen, noch aus der Zeit, wo die Genuesen daö Schwarze Meer beherrschten. *) *) Gs hat sich auch die Sage bei dcn Osseten erhalten, die Fienki (Franken) hätten iu der Gegend v«.'N Hhillaf-^luliatr Vennvcrsc augelegt, von denen man auch noch wirklich Reste findet. Dir Osseten betreiben cmch selbst „och eiuia/u Versbau, sie gewinnen Blei, m,d bereiten sich 3S Die Osseten haben die größte Liebe und Ehrfurcht vor ihren Aeltern, vor dem Alter überhaupt uud vor ihren Vorfahre». Die Herrschaft des Familienhaupts, des Großvaters, sei es der rechte Vater, der Stiefvater, der Oheim, oder der ältere Nruder, wird unbedingt anerkannt. Die jüngrrn Männer werden sich nie in ih,er Gegenwart setzen, nicht lant sprechen, nie ihnen widersprechen. Merkwürdig ist die ganz europäische Sitte, die sonst bei keinem Volke des Kaukasus vorkommt, daß die Osseten zur Bezeugung der (5'hrfurcht ihre Mütze abnehmen oder rücken (die Weiber stehen bei solcher Gelegenheit blos auf, wenn sie etwa sitzen), und daß sie zuweilen die Hand des Vaters, des Vornehmen u. f. w. küssen. Einen Vatermörder trifft die unerbittliche Volksrachc; er wird mit seiner ganzen Habe vom Volke in seinem Hause umzingelt und ver brannt. Die Ehrfurcht vor ihren Vorfahren ist außerordentlich, sie haben keinen höhern und heiliger gehaltenen Schwur, als bei den Gräbern ihrer Vorfahren. Wenn der Beleidiger durch nichts bewogen werden kann, dem Beleidigten Genugthuung und Sühne zu gewähren, so wird er in der Regel dadurch gezwungen, daß der Beleidigte drohet, seine Vorfahren in ihren Gräbern zu beunruhigen. — An der Spitze eines jeden Dorfes, Kau (Gau?), steht der gewählte oder erbliche Eldaer (der Aeltcste), auch ihm wird willig gehorcht, er ist der Richter und Schlichter bei kleinen Streitigkeiten und der Anführer bei Fehden und Kriegszügen, Die ossetische Sprache gehört, wie mir der berühmte Sprachforscher Sjörn in Petersburg sagte *), zum indogermanischen Sprachstamme, ist aber durchaus selbständig, dabei dem Persischen näher verwandt als dem Germanischen. Sie hat wie die sinnischen Sprachen PostPositionen, aber keine Präpositionen. Man soll sich zwar hüten, aus dem bloßen Klänge der Wor-ter auf Verwandtschaft zu schließen. Doch gibt es Wörter von ihren Schießbedarf, Kugelu und Pulver, selbst. Dir Lesghier sollen mn lupferne Kugeln haben. ') Der Alademifcr Sjbrn in Petersburg hat Untersuchungen über die ossetische Sprache angestellt und deren Resultate in den Memoiren der Petersburger Akademie belamtt gemacht, ich habe sie aber incht erhalten lönnen. 36 allgemeiner menschlicher Bedeutung, z. V. Vater, Mutter, vie Zahl^ worter u. s, w,, und dann solche von nationaler Bedeutung, z. V. die der Hallsgemthe, der 'Ackerwerkzeuge, wo selbst der äußere Klang auf innere Verwandtschaft schließen läßt, weil häufig dergleichen Werkzeuge aus einer gemeinsamen Urheimat mitgcwandcrt sind, Ich habe dergleichen Wörter schon vielfach vorstehend an den betreffe» den Stellen eingestreut, und will hier noch einige ossetische Wörter der Art mittheilen, ohne irgend daraus etwas folgern zn wollen. Deutsch, Vater Mutter Sohn Tochter Bruder Schwester Oheim Vetter Base Enkel Schwager Mann Weib Kind Mädchen Jungfrau Acker Wiese Garten Wald Haus Hof Pflug Egge Wagen Ich Du Ossetisch. ViiN Hlixl^L MlM.'ll- (MlslM.'Il'?) 6lw Villos^im^r Viclc,l'8!Mi!l'-I,ipl''> Viclof^im.,!-i^k l^^lttÜl.IIll'll ^liUf!, IM!»!' 3ivgl!on <'!n,l;c!Nt l^NÄ82s sidii-s 188 l)u Viilt Madde Lap pa Dscliisk Etimar (Olssiimir ?) Gho Vidcfsimar Videssimar-lnppa Videfsimnr-tlschisk Lappuilappa Usessimar Lagge Us Sivallon Dscliisk Annazil Dscliisk Chugont Uganlen S«'igi;ar;i(ioii K,ul Chasar K«md Sibirr Addag Ordon Iss Do 37 Deutsch. Er Wir Ihr Sir Mein Dein Sein Ossetisch. Dau Uci Mae Sraag Utaon Manu Dau Uiu Das Ackermasi, der Morgen, heißt auf ossetisch Ii',!>^,<>!, l^s hrißt nämlich !><^n der Tag, und ^>>> das Sell oder der Faden. Wenn mm auch die ossetische Sprache dem Deutschen nicht ganz nahe steht, so hat doch die ganze Physiognomie dcS Volks einen dem deutschen Volte sehr ähnlichen und verwandten Ehararter; die langsame Sprache, im Gegensatz zur Sprachweisc aller übrigen kaukasischen Völker, der Ton und Tonfall der Stimme, der Klang der Worte (die Worte selbst nicht!) habe» etwas so Deutsches, und zwar Norddeutsches, nicht Süddeutsches, das, man in einer kleinen Gntfer nung immer glauben möchte, es sprächen niedersächsischr Vauern zusammen, man könne wol nur der Entfernung wegen die Worte nicht verstehen! Auch der ossetische Gesang, so viel ich davon gehört, hat etwas durchaus Europäisches. Wenn der Gesang des grusinischen und selbst des armenischen Volks, also der Gesang der beiden cultivir, testen kaukasischen Völker, sich meist in Tönen bewegt, die unsere No-ten nicht wiederzugeben vennögcn, die man höchstens auf der Geige »achahmcn kann, weil unsere Tonleiter gar nicht normireno für sie ist, kurz die unserm Gefühl und Gehör disharmonisch und falsch lauten, so ist das anders mit dem ossetischen Gesang. Die osseti schen bieder, die ich singen hörte, hatten entschieden Melodie und bestimmte Tonfälle unserer gewöhnlichen Tonleiter. Die ossetischen bieder, die ich hörte, waren Wechselgesänge. Bei einem derselben sang der Sänger eine Melodie, und der 'Andere hielt während dem den Grundton fest »nd ließ ihn anstönen, was gar nicht übel und mcht unharmonisch lautete, dann sang der Zweite einen Vers nnd der Erste hielt den Grundtou fest. 3K Wir schon mehren Reifenden vor mir, drängte sich auch mil die Wahrnehmung auf, daß nothwendig eine uralte aber noch sichtbare Verwandtschaft, eine vielfache nationale Wechselwirkung zwischen den Osseten und den alten Germanen bestanden haben muß. Aber die Wahrnehmung der Gegenwart legt uns nur das Räthsel vor, die Geschichte schweigt, sie löst es nicht, sie gibt keine Antwort. Die heilige Sage deutet dunkel an, daß die europäischen Völker aus den kaukasischen Ländern zwischen dcm Kaspischen und Schwarzen Meere ursprünglich abstammen und ausgewandert sind. (5ine alte mythologische Sage der skandinavischen Germanen läßt das spätere Göttergeschlccht der Äsen mit ihrem Volke von hier aus nach dem Norden wandern. *) Die beglaubigte Geschichte endlich berichtet, daß in der Völkerwanderung germanische Völker, namentlich Gothen, nördlich bis dicht unter drn Kaukasus gewandert und sich ansässig gemacht, ja daß sie hier ein mächtiges Reich errichtet haben ; daß darauf östliche Völker (die Hunnen) dies Nrich zerstört und einen großen Theil jener germanischen Völker wieder vor sich her nach dem Westen gewälzt haben. Allein sicher ist dann, daß ein Theil in diesen Gegenden sitzen geblieben ist. Viele Gothcn haben sich z. V. ins Gebirge der taurischen Halbinsel, der Krim, geworfen und dort erhalten, ihre Reste erschienen daselbst noch in sehr später Zeit, es wäre sogar möglich, daß man noch jetzt Spuren derselben dort auffinden könnte! Es ist also nicht unmöglich, vielmehr wahrscheinlich, daß auch ein Theil jener germanischen Völker sich in die Gebirge des Kaukasns geworfen hat. Welcher von diesen drei Verbindungslinien möchte man nun die Aehnlichkeit der Institutionen und der Verwandtschaft des VlutS zwischen den Osseten und Germanen zuschreiben? Sind die Osseten ') Herr v. Halberg in seiner Reise berichtet cine sonderbare Sage. Zwischen Wlabi Kaukas und Mostow stehen längs dem Wcgc, vielleicht l(M Meilen burchdauernd, unzählige Kurganc (hohe aufgeworfene Hügel mit seltsamen räthselhaftcu Steinbildern darauf); das Volk sagt davon, die stjermansfl (Deutsche) hätten bei ihrem AuSzngc nach dem Norden dieft Hngcl zn Merkmalen aufgeworfen, um den Weg dereinst wieber zurückfinden zu können, — Ist das ein Ueberbleibsel der Sage vom Auszuge der Äsen? 39_______ das sitzen gebliebene Urvolt, von oem sich einst die Germanen ab gezweigt? Dann müßte cine größere Verwandtschaft unter den beiderseitigen Sprachen hervortreten. Die ist nicht vorhanden, viel-mehr neigt sich das Ossetische mchr dem Persischen zu. Man wird nur etwa behaupten können, daß daö Germanische, Persische und Ossetische Schwestersprachen sind, die im indogermanischen Sprach stamm wurzln, gleichzeitig von dessen westlichen Ausläufern sich abgezweigt haben. Die zweite mögliche, oben bezeichnete Verbinduugs linie, der Auszug der Äsen und ihres Volks, ist zu mythisch und dunkel, zu wenig geschichtlich aufzuklären, als daß man darauf etwas bauen könnte. Die zufällige Äehnlichkcit der Namen: Offen, Assen, welche Asow am Mäotiö gebant haben sollen, mit den nordischen Äsen gibt keinen Anhalt. Obendrein nennen sich die Os^ scten nicht einmal selbst mit diesem Namen, vielmehr Ir und Irou. Der Name Osftu, Osseten, ist ihnen nur von fremden Völkern beigelegt. Gs bleibt demnach noch die dritte Conjeetur übrig, daß die Osseten von einem durch die Hunnen u. s. w. nach dem Kan-kasus hin verdrängten Haufen von Gotheu oder anderen mit diesen verbundenen germanischen Völkern abstammen. Auch hier scheint wieder die völlige Verschiedenheit der Sprache cinm Hanpteinwurf zu bilden. Allein es ist eine Eigenthümlichkeit der auswandernden germanischen Völker gewesen, daß sie ihre Nechtsinstitutioncn und Gewohnheiten, ihre Hanssitten, den ganzen Charakter ihrer Bebens, und Naturanschauungen in dein neuen Lande, der neuen Heimat, treu und fest bewahrt haben, daß sie dicses Alles sogar dem unter, jochten Volke in dem eroberten Lande mitgetheilt oder ausgedrängt haben, daß sie sich aber mit diesem vermischt, mit diesem zu einem Volke, und zwar zu einem neuen Volke zusammengewachsen sind, welches in den Rechts- und LebenSanschanungen und Haussitten einen durchaus germanischen Charakter beibehalten und erhalten hat, wäh^ rend dagegen jenes erobernde Volk seine Sprache völlig vergessen und ansgeopfert, und die Sprache des unterjochten Volks angc «ommen hat, sie nur im Vau etwas germanisch modifieirend, und eine Anzahl germanischer Wörter einftcchtend. Ist es nicht so geschehen mit den Franken und Vurgunden in Gallien, den Gothen und Vandalen in Spanien, den Lombarden in Italic», den Nor- 40 mannen in Gallien und Italiens Könnte es demnach nicht auch sein, daß ein in den Kaukasus hineingedrängter und geworfener Stamm der Gothen sich auf das alte kaukasische Urvolk der Osse-lrn oder Alanen geworfen, es unterjocht, das Land erobert, und nun sich mit ihm völlig gemischt und zu einem neuen Volke zusammengewachsen, welches zwar die Sprache der Eroberer völlig verschlungen, aber Vlut, Physiognomie, Charakter, Nechtsinstitu-tioncn, Gewohnheiten, Haussittm von demselben in einem so be. deutenden Grade angenommen, daß einem europäischen Reisenden der germanische Typus von allem Diesen augenblicklich entgegentreten und auffallen musi. Als wir den Abend spät um den Herd uns gelagert hatten, und Alle müde von meinen ewigen Fragen waren, sodertr ich meine guten ossetischen G^stfreundc auf, mir Märchen zu erzählen. Sie waren bereit dazu, ich hatte aber am Morgen zu wenig Zeit, mir den Inhalt der gehörten zu notiren. Dies geschah nur mit einem, welches ich daher hier gebe. Da8 Märchen im Mnrchen. Ginst lebte ein Ehepaar, das besaß 00 Birnen. C'ö zählte sie jeden Tag, da fehlte einst eine, es sucht sie überall und findet sie endlich an einen Pflug angespannt; der Mann will umpflügen und die Frau die Virne führen, da sticht diese die Fran in oen Nacken. Der Mann nimmt Nußöl und bestrcicht die Wunde damit, weil die Stelle wie ein Berg angeschwollen. Da wächst ein Nußbaum auf dem Verge des Nackens, der trägt viele Nüsse! er zählt sie alle Tage, bis sie reif sind, da schüttelt er sie herab, wie er sie aber zählt, so fehlt eine, und er sieht, daß die Vicne sie fortträgt. Da wirft er zornig eine Hand voll Grde nach ihr, daraus wird ein großes Feld von drei Tagwerken, welches er gleich mit Hirse bestellt und alle Tage danach sieht, wie schön sie aufgegangen ist. Aber eines Tags kommt ein Schwein, wühlt das Feld um, und ruinirt die ganze Hirsesaat, da schießt er das Schwein todt und findet iu desftn Schwänze eine Nolle Papier, darauf steht geschrien H.1 ben: In einer Mühle kamen einst zwei Männer zusammen, ein Reicher nnd ein Armer. AIs eil« Jeder sein Mehl nehmen will, ist dirseS zusammengeschüttet und nicht mehr zu scheiden. Sie backen daher daraus einen Kuchen und fragen nun, wem der angehören solle? Da machen sie aus, der solle ihn haben, der die schönste Geschichte erzähle. Zuerst erzählt der Reiche. Ich hatte eine Gans, darauf lud ich für zehn Arbeiter die Speise fur den ganzen Tag, und sie trug sie ins Feld, da kam ein Wolf und fraß die eine halbe Seite der Gans auf, Ich heilte ihr die Seite mit Gesträuch und lud ihr wieder die Speise auf, und schickte sie zu den Arbei tern, und doch bekamen diese ihr Mittagsbrot eher als alle andern 'Arbeiter im Lande, Das war die Geschichte des Reichen, nun be gann der Arme die seinige: Ich und meine Frau, wir besaßen 60 Vienen. Wir zählten sie jeden Tag, da fehlte einst eine, wir suchten sie überall und fanden sie endlich an einen Pflug äuge-spannt; ich, der Mann, wollte nun pflügen, und die Frau sollte die Biene führen, ba sticht diese die Frau in den Nacken. Ich, der Mann, nahm Nusiö'l und bestreiche die Wunde damit, weil dir Stelle wie ein Verg angeschwollen. So geht dasselbe in Einem Märchen fort, und schachtelt sich immer wieder mit Grazie in iillmitum ineinander, bis die Zuhörer eingeschlafen! Es hat auch ganz den Charakter und die Sprünge eines Traums, und setzt sich wahrscheinlich bei dem Eingeschläferten ln derselben Weise als Traum fort! Mein guter Peter Neu, der durchaus nicht vertragen konnte, das; ein Anderer ihm im Erzählen vorkam, gab uns sogleich ein Gegenstück in einem grusinischen Märchen: Ein Mann hatte eine Melone. Als er sie aufschneiden will, fällt ihm sein Messer hinein. Da nimmt er eine Gartenleiter und steigt in die Melone hinab, um das Messer zu suchen. Da begegnet ihm rin Mann, und wie der ihn so eifrig suchen sieht, spricht er: „Was suchst du das Messer, ich habe ill Vüffel an diesem ver^ dämmten Orte verloren nnd suche sie schon seit einem Monate die Kreuz und die Quere, Ich pflege, wenn ich ein Land bereisen will, nie voraus Stm dien darüber zu machen. Ich mag nicht voraus fremde Ideen und 42 Anschauungen auf mich rillN'irkcn lassen, um nichl mit vorgcfasl ten Meinungen die Dinge und Verhältnisse zu sehen. Das hat sein Outes, sein Böses! Ich schaue unbefangener, unbeirrter, meine Anschauungen lind snbjectiv eigenthümlicher und wahrer, allein es entgeht mir natürlich auch Vieles, worauf ich, aufmerksam gemacht, meine Forschungen gestellt haben würde, und meinen Darstellungen fchlt die Kritik und die Vervollständigung. Vei meinrr Rückkehr schreibe ich dann, noch voll der frischen Eindrücke und Anschauungen, meine Darstellungen nieder. Dann erst fange ich an, Studien über das Land und Volk zu machen, und zu lesen, was Andere gesehen, erforscht, gesammelt haben, und füge dann meinem Manuskripte, insofern mich nicht der Druck übereilt, nach Möglichkeit die nöthigen Bemerkungen und Citate hinzu. So ist es den» auch mit der vorstehenden Darstellung der Verhältnisse der Ossete» gegangen. Sie tst geschrieben, ohne daß ich vorher etwas Ausführliches über dieses merkwürdige Volk gelesen hatte. Sic ist sogar in der englischen Ausgabe auf diese unkriti sche Weise unverändert erschienen. Seitdem habe ick) nun noch allerdings einige Studien über die kaukastscheu Landstriche und Völ ker und namentlich auch die Osseten gemacht. Das Meiste, was ich darüber fand, war thells nur unbedeutend, theils war es, vo» guten Beobachtern herrührend, nur bestätigend für Das, was ich gesagt. Da fällt mir nun endlich auch das große Werk von Du. bois de Montpcrcur über den Kaukasus in die Hände. So wichtig das Werk für den Naturforscher (Gcognostrn, Mineralogen, Botaniker) ist, so schwer lesbar ist es für jeden Andern! In die sem Buche fand ich dann aber im 32., 33. und 3^. Capitel des 2. BandeS eine Abhandlung über die Osseten, bei weitem in Bezug auf Gelehrsamkeit, Scharfsinn nnd Fleiß den ethnographischen Licht-punkt des ganzen Werks! Hier fand ich nun Vieles, was meine Erfahrungen lind Anschauungen bestätigte nnd vervollständigte, Vieles, was mir e»t gangen, aber auch Manches, was Dem, was ich gesehen oder gr hört, scheinbar widersprach. Das Letztere cst leicht erklärlich. Weder Dubois noch ich sind lange bei den Osseten gewesen, wir haben nur gegeben, was wir sahen oder was uns zugebracht wurde, H3 wir haben aus verschiedenen Quellen geschöpft Wir halte» Vride nicht Zeit, kritisch zu scheiden, Dubois hat mehr die nördlich«, oder ciskaukasischen, ich mehr, oder vielmehr allein, die südliche», over transkaukasischen Osseten besucht und ins Auge gefaßt. Wer sich nnn gründlich über die Verhältnisse dieses wichtigen interessanten Volkes unterrichten will, der muß das Werk selbst nothwendig lesen. Für meine Leser will ich nur kurz einige No tizen aus jenem Werke geben, die theils meine Erfahrungen und Ansckauungcn ergänzen, theils das Interesse, den Dubois zu stu-diren, wecken mögen. Auch Dubois erkennt schon in der Vristenz der Ossen oder Osseten eine der merkwürdigsten Erscheinungen der Weltgeschichte, l§r sagt, dies Volt habe gar keine Verwandtschaft mit den sämmtlichen es umgebenden Völkern des Kaukasus, es bilde vielmehr die "nzM Zwischenkette zwischen den indopersischrn Völkern Asiens und den indogermanischen Völkern Europas. Es ist unstreitig ein großer Zug der indogermanischen oder indopersischen Volksstämme nach dem Nordwesten in der vorhistorischen Zeit bemerkbar. Man findet sie schon früh am nördlichen Fuße des Kaukasus und am Asowschen Meere angesiedelt, die Magog, von denen das Asowsche Meer den Namen Mäotisches Meer trägt, und die von den Kimmeriern gedrängt sich nach dem Osten des Kaspischen Meeres zogen, und dort als Massageten alls, traten. Die Scytho-Skoloten, die Sauromatcn, sind unstreitig me-dischen Stammes. Bei den großen Zügen der Scythen nach Asien, was sie 28 Jahre beherrschten, 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung, soll ihr König auf einem der ersten Züge die Gefangenen (medischen Stam mes) nördlich vom Kaukasus angesiedelt haben. Nach den grorgi schm Chroniken soll hieraus die Nation der Ousni (Ossi, Osseten) gebildet worden sein. Die Ossi (Ossethi) bewohnen gerade den Centralpunkt des Kaukasusgeblrges, südlich bis in die Vorgebirge Georgiens, nörd^ Uch auf den Abdachungen und in den Hochthälern des Terck und seiner Nebenflüsse bis in die Ebene der Kabardah herab. Dieser mcdischc oder indogermanische Volksstamm ist demnach wie ein 44 Keil zwischen dir links wohnenden tscherkessischen Stämme „nd ^die rechts angesessenen lesgischen Stamme eingeschoben, wovon die rrstern ziemlich sicher, die andern vielleicht auch zur finnischen Naee gehören, früher scheint das Polk noch »vcit nördlicher sich ausgebreitet zu haben. Hierüber gibt es merkwürdige Andeutungen schon sehr früh, die aber noch in sehr späten Zeiten ihre Bestätigung finden. Die Schriftsteller, welche die Züge der Mongolen am Ende des 12. Jahrhunderts beschreiben, nennen die ganzen Landstriche, westlich bis zu den Ufern des Kuban und nördlich bis an den Don, Ossrthi. Nur die benachbarten Volker, die Georgier, Lesghier u, s. w., nennen diese Voltsstämme Osseten, sie selbst nennen sich Ir und Ironi (also Mcdo Perser!). Die europäischen und arabischen Schriftsteller des Mittelalters nennen sie mit den Lesghiern zusam^ men Alanen. Ammian MarceM», im Jahr 300, erklärt dies Zu. sammrnwerfen mit den Lesghicrn dahin, daß dies ein Colleclivname für alle Volker sei, die 'auf diesem Landstriche, welcher den Namen Alania führte, lebten. Der russische Chronist Nestor nennt die Alanen Iossi, was wol wieder auf Assi und Ossi zurückführt. Dir reisenden Mönche des 13. und 14. Jahrhunderts, Johann de Plano-(5arpini, Nubruiquis, Vacon u. s. w., nennen das Volk, welches nördlich vom Kaukasus bis zu dem Winkel, den Wolga und Doll in ihrer Annäherung bilden, wohnte oder umherzog, abwechselnd bald Alanen, bald Asse». Die Mythen von den Titanen, vom Prometheus, von de» Dardaniden bei den Griechen, sind unverkennbar aus dem Orient eingewandert. Herodot sagt (IV, ^5), Asien habe seinen Namen von Asia, der Frau des Prometheus. (5pimetheuS und Vrome^ theus waren die Söhne des Iapet, des Iaphet der Genesis, und eben die Genesis setzt die Wohnsitze der Japheliden rings um den Kaukasus! Prometheus raubt aus den Höhen des Kaukasus das Feuer, und wird dort an einen Felsen geschmiedet. Der Name des Gebirgs selbst könnte Kauk - Ase--Verg der Äsen bedeuten. Die Mönche des 15, und 1^. Jahrhunderts, und auch noch spätere Schriftsteller nennen ebenfalls das Gebirge noch das Gebirge der Offen oder Alanen. Wir h^ben hier also den Namen und das ursprüngliche und 45 eigentliche O^» iil-upri,,) Asien. Die Griechen und nach ihnen "llc Culturvölker dehnten nach und nach den Namen über den ganzen Welttheil aus. Eine Colonie auS diesem eigentlichen Asien kam herab nach Sardes, und davon tancht dann allmä'lig der Name Kleinasien auf. Im germanischen Norden treten uns die Mythen von der Einwanderung der Äsen und die Namen Asgard, Aseis' bnrgnin (Taeitns) ^) und oie noch jetzt nicht seltenen Namen mit Ass, wie Asseburg, entgegen. Kurz, wir finden in dem Namen und Volrc der Offen den Knotenpunkt für die urältesten Wanderungen und Mythen der Völker Europas! Europa war wahrscheinlich in einer vorgeschichtlichen Zeit von Urvölkern bewohnt, von finnischen Stämmen vom Norden bis tief in die Mitte herab, von phönizischen, vielleicht auch kanaanitischen Einwanderern, von baskischen Stammen, von altgriechischen, illv-rischen und hetrurischrn Stämmen. Da begannen die Ausströmungen der Iaphetldrn aus der ^äi:l pi-opi-in, aus dem Lande der Äsen, Ofsen, Osseten, der Deukalioniben „nd Dardaniden, nach Griechenland, der Germauen, vielleicht auch der Celten und Slawen, Die Urvölker wurden theils verdrängt, wie die Finnen nach dem äußersten Norden, theils unterjocht, und mischten sich mit den Neuangekommenen, woraus dann neue constante Völkcrbildungcn entstanden, wle in Griechenland und Italien.**) Von diesen großen japhetischcn oder asischen Einwanderungen zeigen viele Namen von Orten, Gebirgen und vorzüglich Flüssen. Es ist dies noch ein reiches Feld für künftige Forschungen! Vci den Osseten heißt der Fluß Don und dies Don ist daher den meisten ossetischen Flüssen angehängt- Sau-Don, Urs-Don, Ara-Don, Gnal-Don, Tino-Don u, s. w. Dies Don bildet nun aber auch die Stammsilbe bei vielen mächtigen Flüssen Enropaö, wobei oft ein älterer Name sich daneben erhalten hat, zum Zeugniß, daß früher ein andereö Volk dort angesiedelt war. Zuerst an der Grenze der ^,8ia ^rapri^ und Europas der Don, der Tanais, ') Auch an, ssnße des KanlusuS wohnte ciu Stamm dcr Osscn. die Aüpurgicr, Stralw ncimt ihrc Stadt ASpurga. ") Vcrgl. die soeben nschicncne Umschichte des mcnschliäM Oc-schllchts Vl.'n Gftmcr, lstcr di>Z !ttor Abschnitt. 46 dann der Danapris (Dnicpr), der früher Vorysthenes hieß, der Da-naster (Dniester), der früher Tyras hieß, die Düna, Dwina, die Donau (Danubiuö), früher Ister geheißen u. s, w. In gleicher Weise bildeten sich dir Ortsnamen. Wie bei den jetzigen Völkern uno selbst noch neuerdings durch den Charakter der Orte bezeichnende Endungen derselben' stadt, dorf, bürg, ville, bourg (Neustadt, Altdorf, Würzburg, Philippeuille u. s. w.) sich gebildet haben, so geht eine uralte Bezeichnung und Endung von Ortsnamen tief aus Asien her durch ganz Europa, oie offenbar den Ursprachen der Völker gemeinsam ist, es ist das Stammwort l^urt, ßei't, Kerl, corl, ein umzäunter, eil: umwallter Ort, eine Stadt. Noch jetzt haben uralte Orte in Mesopotamien, Assyrien, Armenien diese Endung, so Erowantsgart, Tigranskrrt, Schami-rogcrt (Stadt der Scmiramis). In Europa ist die Endung, b> sonders bei allen slannschen Dialekten, sehr verbreitet, als gan. ^<,rcl, ^oi-ucl, !^r<,<1. So Nowogrod in Rußland, Naugard m Pommern, Belgrad in Serbien, Vrlgard in Pommern, Zari^ gorod (Konstantinopel), Bugart, Gratz, Grätz, Grodno. Desgleichen in Skandinavien und Deutschland Asgard, Stuttgart, Mo'm-pelgard. In Frankreich Pcrigord, in Italien Garda u, s, w. Das deutsche Garten, lateinisch Ilorlus, griechisch x/k^oc, slawisch Ogrod. (5ben so ist dic Endsilbe lleitt. kl>n(H. lc<»nll^, welches Markt und Handelsplatz bedeutet, und von Armenien bis Indien einer Menge von Städtenamm angehängt ist (Taschkent, Samarkand, Sindo Kanda) anch nach Europa hinübergebracht und findet sich beson^ derö häufig in celtischen wandern. Diese kurzen' flüchtigen Andeutungen mögen genügen, lim den Vlick ans die Wiege und Heimat der europäischen Völker zu lenken. Der große mittlere Paß des Kaukasus ist die Psortr, durch welche die indogermanischen Völker nach Europa geströmt sind. Das Land der Offen, der Osseten, das .^ii, ^i-opi'!.-,, war der Haltpunkt, und die Osseten sind die zurückgebliebenen Brüder der Wanderer, Im 5^stcn Capitel geht nun Dubois auf die jetzigen Offen oder Osseten über. Er führt an, dasi die Ossete» entschieden zum medisch persischen Volksstamme gehören und ihre Sprache eine indo-germanische sei. Sie haben keine eigenthümliche Schrift, sondern 47 bie georgische angenommen, die selbst erst in christlicher Zeit ent standen ist. Es ist nichts in dieser Sprache geschrieben und gedruckt, als einige christliche, religiöse Fragmente. Es eristircn keine Chroniken. Verträge werden durch Kerbhölzer bezeichnet. Historische Ereignisse werden durch Thicrköpfc und Hörner, als Erin, ncrungszeichen an Kirchen und Häusern aufgehängt, durch mündliche Tradition auf vie Nachwelt gebracht, Dubois behauptet in einem Briefe an A. v. Humboldt vom 23. September 1839, die Sprache der Osseten, ein Zweig der persischen, sei unter den europäischen der des lettischen Stammes, betten, Lithauern, Viven, Kuren, am meisten verwandt, die eiu Mittelglied bildet zwischen den germanischen und slawischen Sprachen, Dubois sagt dann ferner- Der Wuchs der Osseten ist mittlerer Größe, der Bau stark und nervös, fleischig und unbeholfen (was mit meiner Bemerkung stimmt), rundes Gesicht, blond, blaue Augen, selten brünett, die Züge ohne Geist, oft von wildem Ausdruck. Die Weiber klein und unschön, meist mit Stumpfnasen. Im Districte Taganu sind sie schöner, vielleicht weil dort die Osseten sich vielfach mit den Georgiern gekreuzt haben. Die Offen theilen sich nicht in Stämme und kleine Völkerschaften, Alle haben dieselben Gebräuche und Gesetze, und treiben sämmtlich Ackerbau, kein Handwerk, keinen Handel. Wenn auch Familien unter ihnen, die von Fürstengeschlechtern abzustammen behaupten, so haben sie doch wenig Ansehen, keine Privilegien, keine Souverainctät. (Dies widerspricht, mit Ausnahme des Letztern, meinen Beobachtungen bei den südlichen Osseten, allein Dubois gibt selbst später Notizen, die diesen seinen allgemeinen Vchauptun-gm dirett ent-gegen stehen!) In Vezug auf die russische Admins station theilt man die Osseten 1) in freie, unabhängige, 5i) in unmittelbar kaiserliche Unterthanen, 7») in Unterthanen der Grundherrn (Gristaws u. s. w.). Die Erstern kennen keine Zügel als bie Familienbandc. Kein Gerichtshof hat Macht, keine andere Gewalt. Wcr ein Gewehr trägt ist völlig unabhängig. M herrscht unbedingte Blutrache. Die sogenannten unmittelbaren Unterthanen zahlen einen geringen Tribut, der noch aus der Zrit ihrer Unter-werfung unter Georgien (Karthli) herstammt, (5ben „„§ 5^,. 48 Zeit stammt auch die Abhängigkeit vom Grundherrn her. Der Tribut besteht aus einigen Schafen und sonstigen Naturalien. Gastfreundschaft ist heilig, jedoch nur in den vier Pfählen gültig. Die Ossen gelten für das meineidigste Volk im Kaukasus, nur der Schwur bei den Schatten der Aeltern mit Darbringung eines Opfers von Schafen lind Ziegen ist ihnen heilig und unverletzlich. Diebstahl, Raub, besonders Menschenraub, ist gewöhnlich und gilt nicht für unrecht, wenn man nicht ertappt wird. „Was wir auf unsern Wegen antreffen hat uns Gott beschert!" Die südlichen Osseten sind jedoch weniger wild und gesitteter als die nördlichen. Das Volk ist tapfer, trägt alle Strapazen, in gewissen Beziehungen ist es auch gutmüthig, nur nicht im trunkenen Zustande. Ihre Wohnungen sind verschieden, in deu waldlosen Gegenden von Steinen ohne Lehm aufgeführt, in den waldreichen aus Holz. Die erstern sind in den nördlichen Gegenden vorherrschend, und die der Wohlhabenden impouiren jedem Reisenden. Ein viereckiges steinernes Gebäude, zuweilen zwei bis drei Stock hoch, mit einem aus der Mitte hervorragenden Thurm und einem flachen Erddache. Im untern Stock befindet sich das Vieh, im zweiten wohnt die Familie, der dritte ist für Gäste, Die Reichern umgeben das Haus noch mit riuer hohen Nina. maucr, auf deren vier Ecken Wachtthürmchen stehen, auf welche man mit Leitern steigt. All dieser Einfassungsmauer werden oft noch spitze Pfahle oder Palissaden angebracht, an die man Pferde köpfe und Knochenwerk hängt (dieselbe Sitte herrscht in Litthauen). Die in den südlichen Gegenden befindlichen hölzernen Häuser sind unscheinbar und unbequem, es sind Blockhäuser von über einander liegenden und eingefügten Valken, das Dach besteht aus Vretern und Rinden. Da die Familien zahlreich sind und jedes Ehepaar sein eigenes Schlafhalls hat, so haben sie um den ganzen großen Hof und die darauf befindlichen Häuser einen Zaun gezogen und geftochteil. Das Ganze hat dann das Ansehen eines kleinen Weilers von sechs bis zehn Gebäuden, der den Namen der Familie führt. Ein solcher Weiler heißt auf ossetisch ein Kau, wovon vielleicht unser germanisches Wort Gau abstammt. 49 A„ der Spitze des Hofs und der Familie steht der Eldar (Oberhaupt, der Aeltere!). Die inneve Einrichtung der Häuser findet Dnbois der bei den Slawen lind Lithauern ähnlich (wie ähnlich ich sie der westfälischen, gefunden, habe ich oben auseinander-gesetzt, aber im preußischen Lithauen und in Kurland fand ich ebenfalls die Grundzüge des westfälischen Hauses, wohin dieses aber wahrscheinlich mit den deutschen Rittern eingewandert!). Sie hat nicht die mindeste Aehnlichkeit mit dem georgischen oder tscherkessischcn Häuscrbau und Einrichtungen, Der Ossete swt nicht mit untergeschlagenen Beinen, wie die nmsten Orientalen, sondern hat Vä'nkc und Sessel, den letztern für das Familienhaupt mit Schuitzwcrk. Anch findet mau Tische und längliche Bettstellen mit Schnitzwcrk geziert. Vci Tische be-dient sich der Osse der Messer, Gabeln und Teller, aus Holz oder Eisen von ihm selbst verfertigt. Das Feuer ist in der Mitte des Gemachs. Für seine nächsten Bedürfnisse sorgt Jeder selbst, er fabricirt Pulver, gießt Kugeln, bereitet sich Leber u. s. w. Die Cultur drr Felder, die Sorge fürs Vieh ist, wie bei allen Bergvölkern, meist den Weibern überlassen. Der Ackerbau ist br^ schwerlich wegen der terrassenförmigen und jäh abfallenden und zerstreut liegenden urbaren Felder. Der Pflug ist leicht gebaut. In den Hochthälern ballt man Winter- und Sommerweizen, Gerste mit sechs Spitzen und wettig Hafer. (Gerste ist im gangen Orient die Hauptnahrung der Pferde.) In den Ebenen wird viel Gönn und anderer Hirse gebaut, Rindvieh ist nicht häufig, wegen Man gel an Heu, desto mehr Schafe. Die Pferde smd klein, aber start auf den Knochen. Die Osseten leben von Brot und gekochtem Fleische, essen gern Nog gengrüysuppe. Das Brot wird von Gerste ohne Salz in Gestalt dünner Kuchen in der Äsche gebacken. Die Aermern essen Schweine fleisch, Ochsen- und Hammelfleisch ist nur für die Reichen. Vri Festen wird Weizenmehl gebacken, sonst sind die Speisen die gewöhnlichen, aber ein Ueberfluß von Vier und Branntwein ist dann vorhanden. Vor Neginn jeder Mahlzeit nimmt der Aelteste, der ^ldar, in die eine Hand ein Stück Fleisch, in die andere ein H»rn nut Vrauntwein und spnckt ei» Gebet, dem die Nebligen mit be. 30 deckten Häuptern zuhören, Dann beginnt er mit Essen und Trill-kcn und Alle folgen. Die Osseten brallen ein gutes Weißbier, Vagant, aus farth-lischcm Hopfen, ähnlich, wie es die Bauern in Lithauen brauen. Auch Meth (Nnng) bereiten sie, und Buza ans Roggengrütze, Für den Gast wird sogleich, meist ein Hammel, geschlachtet, gebraten und auf einer Platte gauz aufgetragen. Der Hausherr sitzt, so lange der Gast ißt, mit einem Stocke in der Hand an der Thür, ohne au der Mahlzeit Theil zu nehmen. In Gegenwart von Jemandem, dem er Ehre und Achtung schuldig ist, setzt sich der Ossete uicht, der Sohn nicht in Gegenwart des Vaters, der jüngere Bruder nicht vor dem ältesten. Keine Gesetze, nur Sitten und Gewohnheitsrechte kennt mau. Die Blutrache gilt, wie bei Tschertesftn und Abchasen. Wer die Nachc nicht erfüllt, verfällt ewiger Schande, Zur Vermeidung der Blutrache bittet die Familie des Beleidigers oder Verbrechers den Vergleich (Verdschali). Er wird nicht immer angenommen. Wer die Blutrache genommen und ausgeführt, geht an das Grab seines Verwandten und rnft: „Ich habe getrenlich Nache für dick geübt!" Findet der Vergleich statt, so wählen beide Parteien Schiedsrichter (Terchonelen.), deren aber von Seiten des Klägers einer mehr sein musi. Die Schiedsrichter setzen dir Entschädigung fest, und verlangen und erhalten von den Parteien Sicherheiten, die aber, bis Alles bezahlt und anögeglicheu ist, geheim gehalten werden. Die Höhe der Entschädigung ist verschieden. Ein Alter aus einer hohen Familie wird mit 48 mal 48 Kühen") und ein Stück Acker im Werth von 2 mal 48 Kühen gesühnt. Besitzt der An. gettagte oder seine Familie die Anzahl der Kühe oder 5!ändereien nicht, so wird dir Summe durch Schafe, Gewehre, Hauögeräthe, selbst durch Kinder, vollgemacht. Hierbei zählt ein Knabe für 36 Kühe, ein Mädchen, je nach Alter und Schönheit, für 4« bis ') Die Ossetm ^I^n in >Ulcn ihren Vn'echinmgl'n nicht ül'!'r 15 hinaus, welche Zahl bei ihnen dic VaD dcr gvoßtcn Smnnn' ist. Sic zähle» ^' mal 18, ? andere Stände, 4* 62 Kind, das er mit ihr erzeugt, besonders, ^e> snhrung lind Schwan gerung gilt dem Morde gleich, Vci einer Iungfrall gilt all? Sckätznngöbasis der ganze Werth des Urats. Ist der Schuldige ledig, so nuis; cr sie heirathen. Der feierlichste Eid ist, daß man einen Hund ergreift >md dabei sagt^ ,,Möge dieser Hund an der Stelle meiiler Vorältl'rn in ihrem Oirabe sein, wenn n. s. w." Ein Sohn, der seine Aeltern verläßt, oder gar aus dem Hallse verstieße, ist ehrlos. Der Vater ist stets Faimlieilhmlpt und Eigenthümer der Güter, er kann über Alles verfügen, verschenken und vererben, an wen er will (?). Die Töchter erben nichts vom Vatergul, selbst nicht, wenn sie reinen Bruder haben: die Güter fallen dann an die nächstm Ver. wandten männliche» Stammes. Eim- Frau ohne Kinder, oder die nur Töchtrr hat, bleibt ein Jahr lang im Genusse der Güter ihres verstorbeneu Mannes um die Leichenmahlzeit des Verstorbeilen bestrei. ten zu können, dann tritt sie dieselben an dem Erben ab. Sie zieht entweder in dessen Hans, oder der Erbe heirathet die Tochter und setzt der Witwe einen Lebensunterhalt aus, Dir Osseten wurde» von dein georgischen Konige Wachtang Gurgostan und spälrr durch dir Königin Thamara t^l><> zum Christenthum belehrt, da aber kein inländisches Hriesterthum sich bil dete, so fasite es keine tieft Wurzel nnd fam nicht znr volligrn Ausbildung, doch blieben eine Menge christlicher Gebräuche bis jcht noch erhalten. Am Samstag Abend nehmen si> seierlick ibre Mühe ab und bedecken sich den ganzen Sonntag nicht, sie fasten drei mal in der Wocl'c, Am Tage des heiligen Elias *) opfern sie rine Ziege, hängen die Haut auf eine hohe Stange und beten zum Heiligen um Regen. Dies Weihgeschenk heisit Watschali und bleibt ein volles Jahr hängen. Kommen ste an ihren alten zerstörten Kirchen vorüber, so steigen sie vom Pferde, nehmen ihre Mühen ab und steigen erst wieder ans, wenn sie die Kirche nicht mehr sehen. Sie sriern die Feste des heiligen Georg und des heiligen „ralten Mystcric,, ,us.,m»,c!i, 53 iheodorus Tiro, versammeln sich in den Nuiuen der diesen Hei ligen geweihten Kirchen und opfern ein Schaf, dessen Fleisch si> unter die Armen vertheilen. Aller Streit und Haß ruht, selbst die ärgste» Feinde sind dort friedlich zusammen. Die Kircken gelten für diese Tage als Asyle. Der zweite Weihuachtötag ist der Tag der (Laster und Gespenster. Man backt Vrot, bereitet Fleischspeise!! und setzt Alles mit Vier und Vranntwei» iu eine Kammer. W gilt für ein Mückszeichen, ivenn man zu finde« glaubt, daß die Geister davon genoffen. (Gau; ähnlich wie in Deutschland, wo der zweite Weihnachtstag, als der erste der zwölf heiligen Nächte, eben falls vielfache T^iehnnge» zu den Geistern hat!) Sie beobachten die 4l»tägigen Fasten, essen dann fein Fleisch, Fische, Oel, Milch, Butter. Zu Ostern versammelt sich Alles bei den Kirchen, schlachtet ein Opfer, der Aelteste der (5ldars hält tuierud einen Stab, an dem die Niere des Opferthiers gesteckt ist, Hinalls, reicht dann Jedem ein kleim-ö Stück davon und wirft de>, Nest ins Feuer. Dann ißt er selbst von dem Fleische des Opfers, dessen .ttnochrn er verbrenn«, Nur den Kops legt er iu der Ruine nieder, er dient zur Zeitrechnung. Nur in den südlichsten Thälern hat sich das Christenthum völ llg erhalten, dort verrichtm grusinische Priester den Gottesdienst, Vei dcu nördlichen Osseten haben die Russen schon 1752 das Christenthum zu erneuern gesucht, oyue sonderlichen Erfolg, voll lkl5 an hat man erneuerte Versuche gemacht, jle scheinen eben falls gescheitert. Die Ossen kaufen ihre Weiber, der niedrigste Preiö ist 12 Kühe, er steigt bis zu 140 Kühen oder 7 Pferden, Eine Witwe gilt die Hälfte, Der Vruder ist verpflichtet, die Witwe des Vru ders zu heirathrn, selbst wem, er bereits verheirathrt ist. Außerdem kommt Vielweiberei selten vor, oie zweite oder dritte ssrau gilt nur als Mago, ihre Kinder erben uicht. (Woher diese sonderbare Sitte? Das Christenthum hat sie nicht gebracht, die Juden waren zu ftril und mit ihueu bestand nicht die geringste Verüh-rung uud Verbindung, war sii vielleicht älter als der Mosaismus?) Unter mehren Brüder»«, die sie heirathen wollen, hat die Witwe bie Wahl, wogegen einem Mädchen nie eine Wahl gestattet wird. l'o entgeht einer verhaßten Heirath nm durch deu Selbstmord, Die 5H. Frauen bringen keine Morgengabe mit, nur Gegcustäudc häuslicher Einrichtung, ein Nette, Tische, Sessel n. s, w. Schwiegervater oder Schwager geben dem Bräutigam eine Flinte und »in Pferd. 3tur die Geburt eines Knaben wird gefeiert. Die Taufe soll ziemlich verbreitet sein, der Pathe beschenkt den Täufling und wird selbst blschenkt. Hochzritö- und Negräbniß<^'!.'räuche sind wenig vorhanden. Viel Wehklagen und Selbstgeißelung, die Weiber raufen sich die Haare und verwunden sich mit einem scharfen Stein, den sie dann mit den Blutflecken ins Grab legen. (Die alten Seythen und Anwohner des Bosporus thaten dies auch.) Der Todte wud in Filz eingehüllt und am dritten Tage begraben. Am Jahrestag deS Todes wird ein Fest gegeben. Meist wird dann ein Pferderennen gehalten. Der Sieger erhält 12 Ochsen als Gescheut. In einigen Thälern Osfttiens wird der Todte in ein Familien, begräbnischaus gelegt, und ist er verwest, werden seine Gebeine mit den übrigen dort liegenden gemengt. Mitunter findet man in den Gräbern kufische, sassauidischc und georgische Münzen. Wer vom Blitz erschlagen, gilt für heilig. Man begräbt ihn an dem Orte, wo er erschlagen. Gr ist vom heiligen Mas abberufen! Eiil schwarzer Vock wird auf seinem Grabe abschlachtet, dessen Haut ausgestopft dort anfgcstcUt wird. Die Kleidertracht ist im Schnitt der tscherkessischen ähnlich, aber stets schwarz oder dunkelbraun, (Die Tscherkefseu find, wie die Franzosen in Guropa, das Modevolk für die Kaukasicr, selbst die Lmienkosackcn haben die Tracht angenommen!) Ihre Mütze ist das Vafchelik, welche in der Form völlig der alten phrygischcn, der scythischen und lithauischen gleicht, Ihre Waffen erhalten sie durch Einhandeln von den Tschcr-kefsen und aus Innnereti, man nennt sie krimische, weil sie, früher wenigstens, von den berühmten tatarischen Waffenschmiede»« in Vaktschj. sarai stammten. Die Säbel findet man häufig mit genuesischcu Inschriften. Eine Flinte gilt 20 Ochsen, ein Säbel 12 bis 15 Ochsen. Ihr Nationalgesang ist monoton mit starten Uebergängen vom Tiefen zum Hohen, als Instrument findet mau eine Art Valaleita. Die Männer tanzen allein, ähnlich den Kosacken. Die Weiber gelten als Sklavinnen, die Töchter rrbel» daher nicht, dennoch ist ihre sociale Stellung sehr srri, sie werden nicht eingeschlossen, verhüllen sich nicht, fliehen und schencn den Umgang der Männer nicht, sind bei Festen, Spielen und Tänzen gegenwärtig. Tritt man ins Haus, so stehen sie auf, die Männer da. gegen stehen auch auf, nehmen aber die Mütze ab, die sie dann aber gleich wieder aufsetzen, und verbeugen sich (ganz wie die Euro päer, die übrigen kaukasischen Volker kennen diese Alt von Ve-grüßnng nicht). Vei der Verbeugung fassen sie mit der Hand an die Stirn, und »vollen sie der besuchenden Person eine besondere Ehrfurcht erzeigen, so ergreifen sie deren Hand und pressen sie all Mund und Stirne. (Wie europäisch!) Die Weiber reiten gern »nd gut, und sollen die Männer früher auf Kriegszügen und Jagd-zügen begleitet haben. Sie trinken Branntwein"), wie die Mä'n^ ner, aber mäßig. Das Annehmen oder Ausschlagen der Vrannt-weinflasche uon Seiten eincs Mädchens soll als Annahme oder Ablehnung eines Hrirathöanttags glltll«. (D,lbois widerspricht sich hier: er behaupttt früher, dir Mädchen *vürdeil nie gefragt! Ich glaube, er irrt sich und es besteht, wenigstens formell, stets eine Bewerbung und Frage, wenn der Wille des Mädchens auch nicht eben start hervortreten darf). Spät am Abend ocs 7». Septembers kamen wir wieder in Tiflis an, nachdem wir noch unterwegs auf einen Trupp Tschcrkessen ge. stoßen, welche eine mächtige Koppel Pferde «ach Tiflis brachten, um sie dort zu verkaufen. Mein Fuhrmann hielt gleich still uud fing einen Handel mit ihuen an, kaufte auch zwei Pferde. Die Tscherkessen waren äußerst gemüthlich und freundlich gegen u»S Deutsche. '» In welcher Zeit mag der Bnnmtwei» erfunde» »der in diesc tau-lasischcn O^'!lde,l eingewandert seiil? Dreizehntem Capitel. Abreise uon Tissio. — Die §else,istadt Uplas-Zichi. — Maran, — Oil,- schiffling auf dem Ni>,'n, Poti, Rcdut-Kale. — Rückreise nach Kertsch.— ^loti^en über dil' Verfassung dcr P> l'vin^ Karabagh. — Der Tatarcuchaii Djaffar-Klili-^han, — Baku, Atesch-Dja, — Die Feueranbeter. Ich blieb noch zwei !Tage in Tistis und zwar meist ill Gesellschaft des I)i'. Sabalonv Den einen Mittag aß ich bei ihm und zwar durchaus nur altgrusiniMe Gerichte, die ich als kurios und neu, aber zugleich als äußerst schmackhaft rühmen muß. Er sühne mich auch bei einigen grusinischen Edelleuten, unter Anderm bei einem leider kranken Fürsten Orbellian *) und einem Fürsten Zizianoff, ein. Ich erhielt von diese» manche Notizen über die grusinischen Adelöverhältmfse, die ich in einem frühern Capitel bereits benutzt habe, Zwei meiner Reisegefährten stießen jetzt hier wieder zu mir, Hr. v. Adcrkaö und Hr. v. Schwarz. Veide hatten selbständig und Jeder besonders, eine kleine Tour in die östlichen Landstriche der kaukasischen Länder gemacht. Mein dritter Reisegefährte, Fürst Liven, blieb aber aus, und wir gcriethen in große Sorgen um ihn, da wir nicht blos von Tiftiö, sondern selbst uon Redut-Kalc abreisen mußten (wir waren dazu durch das auf uns wartende Schiff gezwungen) ohne etwas von ihm zu hören. Allein wir fanden ihn glücklicherweise in Krrtsch. (5r hatte sich verspätet und nun die nähere Landtour über Wladi Kaukas genommen, ') Ncbcr die berühmte ssmuilic Orl'Mmi hat Dulwiö. Thl, !I, S. 27<», höchst inttrrsscnne Nolizcn gcgrdc,,. Am K, September reiste ich von Tiflis ab, Ich nahm bis Kutaiö denselben:1tückweg, dm ich auf der Herreise gekommen, von da an wandte ich mich mehr südlich und schiffte den Rion hinab. Mein Colonistenfuhrmann und mein treuer Peter Neu brachten mich biS l5hori. Ich hatte vom Oi-. Sabalow einen Enlpfehluugs brief an einen Verwandten desselben Namens, der in (5hori wohnte. Der alte Armenier nahm mich freundlich auf, unv als er von Peter erfuhr, ich forsche überall nach Antiquitäten, brachte er gleich einige alte Documente zum Vorschein. Es war darunter ein Handbries der Königin Thamara II., welcher den Beweis lieferte, das; diese ar^ mcnische Familie Sabalow bereits vor 5mln>m2 8«tt«l0l--!'»no2 gibt einc Vcschreibnna. davon. In der Ncche von Modica bci Ispica I"gt ein Thal von 8 Meile» Länge, von bcidcn Seiten von sent, rechtcn Fclsenwcinwl eingeschlossen. „I.« voll« scorro clonlru lluc>, ,-««(:<. mtiil;!liN<.> ü ,>i(?o, l:«,»» li unu 8t>l>clll «l,c! lia cl'amlio i l'wliolij «!)!. llü/loin ill u» llunll^io iülluiw iix.-i»vulo „e!Ia inlilin o molliäim^ iM-j c'l' 69 sprung eines mächtigen Felsen, der hier cine Art breiter Galerie bildet, fanden wir hier cine herrliche Halle, wo vier mächtige Ge, wölbe in der Mitte auf einer aus dem Felsen ausgehaltenen oder stehen gebliebenen Säule ruhten. Die Gewölbe waren hier im Nundbogcnstyl. Vei andern Palästen fanden wir aber auch den Spitzdogen, und da einmal die Kuppelspitze zu einer zierlich ans gehauenen Rosette ausgehauen. Aber auch ganz viereckig alls gehauene Höhlen findet man und diese waren ganz überladen mit auS dem Stein herausgemeiselten Zierathrn, und sonderbar! es ist als ob mail nnsere modernen Zimmer mit ihren Balkenlagen hät!c nachbilden wollen! Es waren an der Decke lange Valfen neben-einander aus dem Steine ausgehauen, als ob es Zümncrgcbälk ware! Der schönste Saal dieser Art liegt links von einer kleinen offenbar in viel späterer Zeit von Backsteinen aufgebauten, aber schon fast in Ruinen liegendeil kleinen Kirche. Hier ist zuerst eine mächtige wol 50 bis 55 Fuß lange und eben so tiefe Vorhalle. Die Hinterwand ruht auf Säulen, über welche drei Vogen geschlagen sind. Hinter diesen war eine Art Corridor, aug welchen: eingehauene Thüren in viereckige Seitcngcmächer führten, an deren Decken überall das Gebälk in Stein ausgchancn ist. Eine Art Kuppel, in die Decke allsgehöhlt, hatte in ihrer Spitze eine Oeff-nung, wodurch Licht eindrang. Die Wege und Strasien, an denen die Höhlen liegen, sind alle sorgfältig in die Felsen eingrhauen und erstrecken sich nach Beschaffenheit der Hebung derselben. Wo diese z. V. sehr steil, da waren Stufen auögchauen. An der Seite der Straßen liefen eingehaltene Kanäle, welche das Negen wafser in tiefe Vassinö leiteten. Spuren von Quellwaffer fanden wir nirgends, und nnr das gesammelte Rcgenwasser und der nahe Kur scheinen daS nöthige Trink- und Kochwasser geliefert zu haben, Man sagte unS, zum Kur hinab führe ein unterirdischer Weg. Welches ist nun die Entstehung, die Bedeutung, die Geschichte dieser wunderbaren Stadt? Du Grschichtsforschnng gibt kein Ne sultat, die Sage nur schwankende, sich widersprechende, ungenügende Antwort, lieberall findet man in den kaukasischen Landstrichen, i» der asiatischen Türkei, in Persien, aber auch schon in der Krim an den Felsen der Verge und längs allen Flußufer,, 60 unzählige, viele Tausende von hineingehauenett Höhlen, hin und wieder mchre Reihen übereinander. In der Krim bei Inkennan liegen an eincr langen Felswand sechs bis acht solcher Höblen über einander, aber alle find uon geringer innerer Ausdehnung, ganz roh, ohne alle Verzierungen, sie können nur einem ganz rohen Volke angehört haben; zeugen allerdings von einer wunderlichen Nichtung, Lebensart, Instinct eines Urvolks, was, wie gewisse Thierarten, die Höhlenbewohnung einem gebauten Hause vorzog. Die Sage uud die dämmernde Geschichte spricht von Troglodytes Völkern*); ihren Ursprung, ihre, innere Geschichte kennt und kannte Niemand. Diese Höhlen liegen meist vereinzelt, wie Verg und Felswand sich eben darbot, abgeschlossene Gemeinden scheinen sie nirgends zu bilden. Seit dem Auftreten der geschichtlichen Völker sind sie nicht mehr bewohnt, aber sie haben bis in die neuesten Zeiten zu Verstecken bei Kriegszeitcn, zu Schlupfwinkeln für Räuber, zu Einsiedeleien für Einsiedler gedient. Anders erscheinen alle Verhältnisse von Uplas-Zichi und eini gen andern ihr ähnlichen Felsenstädten. Auf den ersten Anblick sieht man, daß Uplaö-Zichi nicht ein bloßer Zufluchtsort gewesen, es ist offenbar der Sitz einer ganzen zahlreiche» Gemeinde eines städtischen Oeineinwcsens gewesen. Ein ganzes Felsgebirge ist ^u einer den vorhandenen Naturverhältnissen sich anschließenden regrl. mäßigen Stadt umgebaut. Ihre Entstehung mag wol sicher zu den Zeiten der Troglodyten hinauf reichen, allein Lage nnd Verhältnisse waren so günstig, das; auch die geschichtlichen Volker in ihr den Wohnsitz aufschlugen, ja in aller Beziehung an ihr fortgebant. sie vollendet haben, Lurns und Cnltur, selbst Kuustsinn, h.ib.n dort gewaltet. Aber die dortige Cultur, die Architektur, der Ball ftvl, hängt doch nirgends mit dem, was das Volk, welches jetzt dies Land bewohnt, producirt hat, zusammen. Die Vaudenkmale des jetzt hier lebenden Volks gehören sämmtlich der christlichen Zeit ') Noch übrigens ziemlich spät erwähnt Strabo lGeogr., Bd, X, S. 5) eines, wie es scheint damals noch vorhandenen, Treglodytenvolfs, Er führt an, daß am nördlichen M'hang dec« Kanlasuc'gebiraes an, Hy-pani« (Kuba») ein Troglodyteüvolk wo!M, welches der Kälte halbe, i,, Hi,'l)Icl> wohne nnd Ncbcrfiuß an Getreide und Früchten habe. 64 an, d.m Vaustyl, der von Vyzanz aus sich gebildet. Hiev dagegen findet man offenbar altgriechischen nnd römischl'N Baustil, und sonderbarer Weift auch sogenannten gothischen, von den allen sonst keine Spur im Lande anzutreffen ist! aber noch sonderbarer! Diese gothischen Spitzbogen und Ornamente und Zierathen haben nirgends einen christlichen Charakter, nirgenos christliche Embleme, Die offenbar der Religion und ihrem Cultus geweihten Hohleil mit Altären und allerhand Verzierungen haben einen durchaus heidnischen Charakter, so viel ich gesehen, keine Spur christlicher Embleme! Dies tritt besonders deutlich hervor, wenn man die unmittelbar daneben geb ante christliche, sehr verfallene Kirche betrachtet nnd damit vergleicht. Diese ist übrigens auch wenigstens 4 — 500 Jahre alt. Die Sage schreibt die Erbauung von Uplas-Zichi dem Uftlos, dem Urenkel des Thargamos, dein Urenkel des Iaphet zu (7. (Generation, von Noah an). Daher der Name, welcher Palast des Herrschers Uplos bedeuten soll. Die grusnnsche Chronik erzählt, daß Merander die Felsrnstadt erobert habe, Vor Christi Geburt soll ein König Arschag sie sehr verschönert haben, vielleicht sind die Ornamente ans dieser Zeit. Seit Christuö soll sie nicht mehr dauernd bewohnt gewesen sein. Doch erzählt noch die Sage, daß die Königin Thamara im 12. Jahrhundert hier oft ihr Hoflager anfgeschlagen. An einer andern Stelle erzählt aber diese Chronik auch, daß Uplos, der Sohn des SohnS des Karthlos, der Stammvater der Georgier, dir Felsrnstadt Uplas-Zichi gebaut habe. Uplos war das Oberhaupt seiner Brüder, die unter ihm herrschten. Er hiesi daher auch nnr Mamasachlissi (Hausvater), nicht Mphe (König), oder ssristawi (Volkshaupt). Die Chronik behauptet, die Georgier hätteu erst 700 Jahre vor Christuö von den sie beHerr, schenden Persern das Mauernanfführen aus Stein und Kalk gelernt (sie setzt den Ciufall der Seythen in Asien eben um dieselbe Zeit). Wie schon angeführt, gibt es solcher Felsenstädte noch mehre in Wen. Die wunderbarste und »nächtigste mö'chtr wol die geheim, msivolle Felsenstavt Petra jenseits des Todten Meeren in, ^ande 62 Edom sein. Die dort nomadisirenden räuberischen Amber dlllden deren Vesllch nur gegen Erlegung einer bedeutenden Geldsumme. Dem ^Ileistttden Vurckhardt gelang es, als Araber verkleidet zu ihr vorzudringen. Zwischen hohen Felsen führt ein eine halbe Stunde langer schmaler Weg, lind nun eröffnet sich ein Anblick, der kaum seines gleichen haben möchte, eine Felsengegend, Felsengebirge, ein zelne Felsen, alle mit Tausenden von Troglodytenwohnungen überdeckt, darunter mächtige Thore, die zu in Felsen gehauenen Palä stcn und Tempeln führen, Selbst ein Amphitheater will man erkannt haben. Das Thal, in welchem diese Fclsenstadt liegt, heisit Wadi Musa. Es gibt übrigens außer Uplas-Zichi noch eine ganz ähnliche Felsenstadt in Transkaukasten, ebenfalls am Kur, nur näher nach dessen Quelle hin gelegen. Mir ward das Manuscript einer Vr.-schreibung des Kaukasus vom' Grafen G. Stackelberg nutgetheilt und gestattet, einige Notizen darauS zu benutzen. Ich gebe die Notiz über diese zweite Felscnstadt hier im Auszuge. ,,Fünf Wrrste von Zeda-Tmogwi erreicht man Wurdsic. Am Eingänge des Thales, welches stch auf dem linken Ufer des Kur öffnet, liegt diese Troglodytenstadt. Die herrlichen Vwmeugärtcu umher scheinen ihr den Namen Würd sie (Rosenschlosi) verliehen zu haben. Mel're Grottcnzüge übereinander und dann oben am Karnies des Felsens, dcr zu einer Straße dient, bilden den Kern dieser wie in die Luft hineingebautrn Stadt. Plumpe eingehaucne Treppen führen von einer Etage zur andern. Um den Gipfel des Felsens stnd dann die Hauptgebäude gestaltet. Da zeigt man dann zunächst wieder Gemächer, welche die Königin Thamara, die sich oft im Sommer hier aufgehalten haben soll, bewohnt hat. Ihr Palast ist in einem weißlichen festen Stein ausgehöhlt, Er bildet zwei Etagen von Gemächern mit Alkoven und Cabiuetcn. Ein großer Saal, hoch-gewölbt, hat 7.0 Fuß Länge, 20 Fuß Vreite, cin niedriger Divan lanft rund an der Maller her, in der Mitte dcr Herd, wo man die Kohlenglut uach grusinischer Weise unterhielt. Die ällsierc Seite zeigt die Spuren eines Holzbalkons. Nurdsie li^f nbcr 5N00 Fus; hoch. und mm» hat hier eine herrliche Aussicht, Neben 63 dem Paläste swv die Grotten der königlichen Diener. Weiterhin eine Kirche, vor der eine gemauerte Facade, die die Halle der Krypta schließt. Man geht durch eine enge von zwei Pfeilern getragene Pforte hinein. Innen große Einfachheit, keine Stülpte ren und Zierden, nur einige Neste von Fresken, welche die Wände bedeckt haben. Daö Schiff der Kirche hat 40 Fuß Höhe, Ein mächtiger Eteinblock dient als Altar. Man erblickt daneben K>1 ben und Ervotos frommer Pilger. Die Kirche ist ein geheiligter Wallfahrtsort, und jährlich zweimal liest ein alter Priester hier Messe vor einem wundenhätigen Vilde der Iungfran. Das Grab der Thamara wird hier gezeigt. (Man zeigt es jedoch anch allster^ dcm an vielen andern Orten in Klöstern.) Die historische Tha mara ist auch eine Gestalt der Sage, man thut keinen Schritt im Kaukasus, ohne von ihr zn hö'ren. Jede Vnrg, jede alte Kirche soll sie gebaut haben," Westlich von Sugaretscho findet man ebenfalls mächtige Aus-hauungcn in einem Felsen, welche lauge Zeit als ein Mönchskloster benutzt wurden. Beim Dorfe Podorna, nicht weit von Duscheck, sind auch Hohlen übereinander, die durch Treppen verbunden sind, ausgehaucu. Sie dienten später in Krirgszcitrn den umliegenden Dörfern alö Zufluchtsstätte. Schließlich fielen mir noch Hamilton's Neisen in Kleinasien, Pontus und Armenien in die Hände. Er erzählt im -44. und 47. Capitel seinen Vesuch der Troglodytenstädtc Ntch Hissar und Snanli Dere in Kleinasien. Die letztere mit ihren Tausenden von Troglodytenhöhlen muß einen wahrhaft wunderbaren Anblick gewähren! Hamilton führt an, daß er überall in Phrygien, Ga-latien und Kappadoeicn, wo er eine gewisse besonders trockene und poröse Felsart gefunden, auch diese Troglodytenhöhlen vorgefunden habe. Als ich nach Chori zurückritt, lag, sobald ich den über der Stadt liegenden Berg erreichte, das ganze KanalWem von Chori mit seinen unzähligen Abzweigungen und kleinen Uebcrrieselnngs ausflnsseu wie eine Landkarte vor uns, Es machte so recht den Eindruck einer hübschen Cnlturgegend! W herrscht bei großer Fruchtbarkeit guter Anbau, doch sind die Ernten unsicher, nicht blos _______64 klimatischer Einflüsse halber, sondern n.'eil auä, l'änfig ränberische Osseten einen Theil derselben wegholen. Die Vürger der Stadt treiben nicht selbst Ackerbau, sondern baben ihre Grundstücke be »ackbarten Dorfbewohnern gegen Zins überlassen, selten Geldzins, jener Unsicherheit des Ertrags halber, (In solchem Falle wird für 10 Arpenö selten mehr als '/2 Nudel Zins bezahlt,) Meist wird ein Antheil der Grntc als Pacht stipulirt. Ganz nahe bei der Stadt, wo >ene räuberischen Urbrrfälle nicht vorkommen, steht der Grund nnd Boden hier bereits in hohem Werthe. Es wird für 1 Arpent Gartenland oft 80 und mehr Rubel Silber Kauf-preis gezahlt. In Chori nahm ich Abschied von meinem lieben Peter Neu. Üinrr meiner Reisebegleiter, Hr, Schwarz, war von Tifliö angekommen, und wir setzten früh am Morgen die Reise nach Kutais fort. Die darauf folgende sehr dunkle Nacht brachten wir im Lager eines Kosackenpikets zu und erreichten Kntais am Morgen des tt. September. Ich blieb den Tag hier, um meine übrigen Reisegefährten zu erwarten. Am Nachmittage kam Hr. v. Aderkas, allein vom Fürsten Live» war noch keine Spur vorhanden, (5ö waren von Tiflis aus Maßregeln getroffen, ihn aufzusuchen. Am 9. erreichten wir Mittags Maran am Nion, dem Phasiö des Argonautenzugö! Das Land war hier überall durch einzeln liegende Gehöfte, die einen hübschen und cultivirtm Anblick gewährten, angebaut. C's begegnete» unö auf der Landstraße viele Leute, es schienen meist Wallfahrer zu sein. Ein Edelmann zu Pferde, reich gekleidet, und in vollem Waffeuschmucke von einigen Dienern gefolgt, fiel nns auf, Sein Haar und Vart war ziegelrot») gefärbt (durch ein auf jedem Bazar zu habendes Pulver der Pflanze Henne), Er ritt einen Schimmel, dessen Mähne und Schweif eben falls roth gefärbt waren. In Maran lag ein russisches Bataillon Infanterie, Es war ein Strafbataillon, sämmtliche Gemeinen ge hörlcil der gräulicheil religiösen Seete der Scopzi (Gunichen) an, die in den Stndien über Nuszland, Bd, I. S, 540, näher be schrieben sind. Der rnsfische Kreischef gab un^ auf unsere Vittc einen seiner Nnterbeamten mit, ver „ns den Fluß hinab geleiten sollte. (5s s,5 war ein junger mingrelischer Fnrst, Gregor Glachwaminobo, der uns nun auch sehr freundlich begleitete. Wir nahmen eiu Schiff, und Fürst Gregor ließ die Mitte desselben sehr zierlich in eine Weinlaube verwandeln, indem er von dem in dem benachbarten Walde wild ivachsenden Wcinstocke Aeste und Ranken mit den vara» hängenden reifen rothen Trauben abhauen und dir Lande daraus über uns flechten ließ. Die Trauben selbst waren süß, was mau sonst diesen verwilderten Neben nicht nachrühmen kann. Die Fahrt war wundervoll, vortreffliches Wetter, der herrliche Strom, die lieb lichen hügelreichen Ufer mit der üppigen südlichen Vamnvegetation, dann die aufsteigenden Gedanken, welche die Seele bewegten. Dies war ja das goldreiche Kolchis, hier suchten dir Argonauten das gc heimnißvolle goldene Vlies;, diese Ufer sahen die Liebe Jason's, die Gräucl der Mcdea! Aber von allen Dem, was ich von Kindheit auf in fernem Lande gelernt, gewusit hatte, davon war nicht einc Spur der Erinnerung in dem Geschlechte geblieben, welches das Land gegenwärtig bewohnt. Meine Schiffögefährten, der mingveli schc Fürst, die Schisser, hatten ein lebhaftes Gefühl vom Dasein der hypcrboreischen Russen, vom (5zar in dem 500 Meilen weit entfernten Petersburg, dem sie gehorchen mußten, aber von ihren Vorfahren, die hier von Iason und den Griechen bekriegt wurden, von Kolchis und Medca hatten sie nie gehört, sie wußten nicht, daß der Riou eiust Phasis hieß! Wenn Fürst Gregor aber auch voll Medea, seiner Vase i>» 90. Suecessionsgrade rückwärts, nie ein Wort gehört hatte, so Wen er doch recht unterrichtet über die gegeuwärtigen Verhältnisse seines Vaterlandes, und ich will hier einige Notizen mittheile», die ich seinen Gesprächen entnommen. Man möge sie den Notizen anreihen, die ich im 2. Capitel über Mmgrelien gegeben. Sie er. ganzen sie znn« Theil, lind wo sie abweichen oder gar widerspre-chcn, könnten vielleicht beide wahr sein, und nur für zwei ver^ schiedene Gegenden gelten. Mingrelicn gehörte früher zu Georgien (Grusien). allein im Ul. Jahrhundert machte sich der damalige Statthalter, ein Fürst Schikwani, unabhängig, und seine Nachkommen beherrschen das Land. Sjs werden die Dadian genannt, ob das ein Familien. II. 60 name, over ein Titel ist, weiß ich nicht *). Dltbois de Montperem, l, 5,18, behauptet, de»' erste bekannte Dadian sei Georgi gewesen, der 1523 gestorben. Das Volk in Mingrelien zerfällt in drei Klassen, in Fürsten, Adelige llnd Vauern, Eigentlich soll jedoch kein wesentlicher Unterschied zwischen Fürsten und Adel sein. Als Fürsten (Dsinoski und Dcsinardi) gelten die Adeligen, welche erbliche Häupter ganzer Dörfer sind, die übrigen Adeligen (Sakur) haben nur einzelne Güter und Bauern (Moniale). Fürsten und Adelige sind eigrnt. lich so gut als unabhängig vom Dadian, geben ihm auch nichts ab. Nur nach dein Absterben reitet der älteste Sohn zu Hofe, nm sich als neuer ^rhnömann vorzustellen. Der älteste Sohn erhält allritt dir Grundgüter, die übrigen theilen sich mit in dem br weglichcn Gute und erhalten vom Aeltesten eine Aussteuer, welche bei Uneinigkeit durch Schiedsfreundc festgesetzt wird. Das Land wird durch Vauern bestellt und' benutzt. Sir sotten eigentlich nur den Zehnten abgeben, allein es herrscht die größte Willkür, Fürsten und Adelige nehmen ab, so viel nur immer zu erpressen ist. Ob sie Leibeigene sind oder nicht, ist nicht recht klar. Will der Aauer fort und zu einem andern Herrn ziehen, so ist das gestattet, allein er muß dir Hälfte seiner ganzen Habe zurücklassen. Zieht rin Bauer heimlich fort, so kann er reclamirt werden, jedoch nur so lange, als er nicht in einer andern Gemeinde eingeschrieben ist. Auch wenn er 5N Jahre an einem Orte unangefochten gelebt hat, ist er frei von jedem Anspruch. ') Der alte Reisende Ehardin, noch jetzt eine der besten Quelle» fm die Kenntniß dos KaufasnS, sagt, Dadian bedeute im Persischen: Hanpt der Gerechtigkeit, ^r führt auch an, daß die Dadiaiw (der Meppe), sowie die Könige von Georgien behaupteten, vom König nnd Propheten David abzustammen (Voyu^l, on I'ei^t.v Amsterdam 17l l, I, S. 254), Eichwald in seiner Reift führt an: Dad-Ian heiße im Grusinischen Oberimmdschenl. Der Prinz Nafhacht in seiner Geographie von Georgien sagt: Dabian ist lein Familienname, sonder» ei» Amtettitel im Lande Kazi (Erzerun, und Armenien). Nach Tyamara's Zeiten wohnte ein dort hingezogener Dadian l" Odech, dem man den Titel Vristaw verlieh, später tömmt ein Tzotni-Dadian vor, dessen Familie»nrspvu,!g man nicht recht kcnnt, von ih,n aber stammt der jetzige Dadian in Mingrelic». 67 Der Dadian hat nur die Einkünfte von seinen eigenen Gütern und Ballern. Gin jeder Vauerhof soll ihm '.> ?1tllbel Banco steuern, allein es herrscht zu große Armuth, als daß Alles ein-kommen sollte. Fürsten und Adel dürfen ihre Güter untereinander verkaufen, allein nicht an einen Fremde», ohne daß der Dadian eingewilligt hätte. Das Land ist nach russischem Muster in Kreise eingetheilt, denen Krrischefs vorgesetzt sind, die eine Gerichtsbarkeit über alle Streitigkeiten unter ^<1N Rubel Vanco ausüben sollen, dann besteht ein Obergcricht für das ganze Land, an welches die Appellationen gehen sollen, allein dies Alles sind nnr schwache Versuche zur Giw führung europäischer Formen, es sind Spiele, eine Scheinordnung darzustellen; diese sogenannten Gerichte haben nichts zu thun, weil das Volk an dergleichen sich nicht so leicht gewöhnt, und die Rich ter sind auch völlig unfähig. Nur ein bischen Polizei wird durch sie geübt. Am Abende stiegen wir ans Land und wnrden von einem mingrelischen Adelige» sehr gastfrei aufgenommen. Das Haus bildete eine große Halle, in deren Mitte ein niedriger Herd war, auf dem für uns ein gulcs Abendbrot bereitet wurde, die Halle hatte von beiden Seiten zwei Nebengemächer. In dem einen war eine ganz besondere Allsnahme, ein europäisches Vett, was der Besitzer von einem deutschen Colunisten erworben hatte. Am andern Tage schwamm"» wir ganz gemächlich den Nion hinab, Mittags waren wir wieder ans Land gegangen bei einem kleinen Dorfe, Die guten, aber sehr armen Leute brachten uns Alles, waS sie hatten, und waren sehr dankbar, daß wir es ihnen bezahlten; wir machten ein Feuer an und bereiteten uns unser Essen selbst. Vom benachbarten Dorfthunne hörten wir Hörne ruf. Wir hörten, dasi man die Leute durch Hörnersignale, ähnlich den Schweizerkllhhörnern, zum Gottesdienst berufe. In Kriegszciten dienen sie als Nothruf, damit Alles bei Annäherung des Feindes zu dem ummauerten Kirchhof sich flüchten kann, wo man sich dann Meist hartnäckig und tapfer vertheidigt. Der Fürst Gregor nahm hier von uns Abschied, und wir erreichten spät am Abend die kleine 5' ______ 68 Festung Poti, Wir mochte» lins nicht mehr llin ein ^llarlier be inüyen und blieben daher in der herrlichen Sommernacht aus dem Schiffe. Am andern Morgen ritten wir längs der Meeresküste »ach dem etwa l5 Wrrste entfernte» Redut-Kale, dem ersten Aus gangspunkte unse>er Neise. Nach der Verabredung sollten wir hier den General v, Vudberg mit dem russischen Dampfschiffe erwarten, der uns nach Kertsch zurückzllsühren versprochen, Wir musiten fünf Tage, M zum t Köpfe. Früher hatte dies Land, wie Mingrelie», einen eigenen sonucraiiien Für-ssl'n, den Ouriel, Der letzte, Manila, unterwarf sich jttIO der Oberhoheit Rußlands freiwillig. Nach seinein Tode 1^20 wollte scinc O^„ssl^n bei den damals eben lritischen und kriegerischen Zeiten diese nicht mehr an-erkennen. Als da«? (Mick sich den Nüssen zuwendete, flüchtete sic nut do», Throlu-»'l>en nach Anatolicn zu den Türken. Die Russen verwalteten lauge Zeit das Land i,n Namen dcö miüderMri^en Fürsten, Die Fürstin ist aber mit dem Primen nicht zurückkehrt, Nnßland hat es mit einer Mengc Kronvräk'ndcntcu zu thun. Der letzte Köuig von Imireti ftoh lttw zn den Türken, und seine Söhne leben dort. Der pro^stireude Thronerbe von Georgien, Priuz Alercmdcr, lebt in Perslen. ?lnch snr Armenien so» sich ein Throuprätendeut in Paris bcfiubrn. dem co aber wol etwas schwer wcrdeu mochte, sein Anrecht zu beweisen, da Armenien seit Iahrhnudrrten kriuen König gehabt hat. Endlich könnte» sin die Krim die Fürsten Gerai, die Nachkömmlinge Dschiugi^chan'l<. genannt werden. 69 brim es wär»' kein Spaß gewrsm, in dieser wildon einsamen (irgend vier Wochen bis zur Ankunft des nächsten Dampfschiffes in dcr Ouarantaine zu sitzen. Der General schiffte sich "in andern Morgen aus, u,n nach dcr Hauptstadt Guneus zu reiten Ich ging erst am Nachmittag ans Land, dir Gegend ist schön, ein hügeliges Land, in der Entfernung die anatolischen Schneegebirge, die Vegetation üppig, das Klima warm und feucht, ganz dazu gemacht, die kaukasischen kalten Fieber zu erzeugen, die ganz besonders hartnäckig sind, Vielleicht habe ich mir den Keim dazu hier eben falls geholt, denn ich bekam es zehn Tage später auf der Reift in der Krim. Vei einer hier wohnenden russischen Beamten-familie fanden wir, das; sie bei 30 Grad Wärme ungeheuer ei»-geheizt hatte! Man lobte dies als ein Präservativ gegen das Fieber! Die ungesundesten Monate sind Juli und August, dann herrscht eine erstickende Hitze, dabei feuchte vergiftende Dünste, die sich aus vermodernde!» Grase und Blättern und altem Mauerwert, und dem jcdeu Morgen sehr reichlich fallenden Thai, entwickeln. Die Häuser hier, in Poti und NedutKale sind sämmtlich Vlocl Häuser aus aufeinander gelegten Balken gebaut, In wenigen Iah ren löst sich das Holz, selbst das der wichen, völlig in der feuchten Wärine alls, unzählige Holzkäfer entwickeln sich, man glaubt in der Nacht matte Hammerschläge zu höreu. Nur das Kastauienholz widersteht. (Vergl. Dubois l, 199.) Auf der Rückreise bis Kertsch besuchten wir wieder die kleinen russische» Seefestungen. Abends und Nachts hörten wir immer das gräuliche Geheul der Schakale. Das Thier ist dem Fuchse ähnlich, hat aber einen andern, kürzern Schwanz, es lebt fast nur von Cadavern, während der Fuchs das frische Fleisch und Blut liebt. Wir hatteu noch einen heftige,, Sturm zu übersteheu und erreichten am 22. September gegen Morgen den Hafen von Kertsch, Auf Befehl des General v. Neidhardt waren nur überall von den russischen Beamten und den Bewohnern des Bandes eine Menge Noiizen gegeben worden. Ich habe sie an den betreffenden Orten "»geflochten, Ich war aber in den östlichen, nach dem kaopischen 70 Meere hin gelegenen Landstrichen nicht gewesen, erhielt jedoch auch von dort manche Notizen. Dorthin hatten meine orci Begleiter (5rcursionen gemacht, nnd ich hatte auch aus ihren Erzählungen (Tagebücher hatten sie leider nicht geführt) mir Manches notirt. lieber die Provinz Karabagh erhielt ich besonders ausführliche Notizen, die ich hier zur Verglcichung mit grusinischen und arme: nischen Verhältnissen derselben Art, welche schon vorstehend mitgetheilt sind, folgen lasse. Die jetzige russische Provinz Karabagh *), mit einer sehr gemischten Bevölkerung, vorzugsweise von Armeniern und Tataren, war früher ein armenisches Fürstenthum unter der inländischen, aber an Persie» tributären, armenischen Fürstcnfamilie Abomelech. In der Mitte deö vorigen Jahrhunderts war die Herrschaft auf drei Brüder verfallen, die gemeinsam unter dem Aeltesten regierten. Nach dem Tode dieses Aeltesten kam vielfacher Streit unter die beiden Andern, das Volk ward unzufrieden und schwürig, besonders die Tataren. Da wählte an einem guten Tage ein großes tatari- *) Karabagh ist das echte alte Iran des persischen Weltreichs. Selbst die neuesten orientalischen Schriftsteller nennen eS noch Aran, die Gcoraier Rain, die Parser Araiüch, auch Ar.iil, die Araber Nan. Es ist das Aeriauo der Zoudbücher des Zoroaster, nach dem Wendidad das Aerianu vaedscha » Charakter der Ebene trägt, und wo im Gegensatze zu den glühenden Ebenen des Kur und Arares, in welchen Reis und Baumwolle trefflich gedeihe«, das den kältern Zonen eigenthümliche Winterkorn angebant wird, indeß die tiefern Thaleinschnitte des 75 Verjuschet, deö Hakjare u. s. w. mit trefflichen Weinbergen prangen und ein südliches Klima besitzen. Die ganze Steuerlast ruht auf den Pächtern oder deren Gemeinden, den Dörfern, und scheint theils nach dem Bodenerträge, theils nach dein Bedürfnisse der Grundherren normirt worden zu sein. Die meisten Abgaben sind Naturalzinscn, indeß das Steuersystem ein sehr complicirtes ist und fast in jedem Dorfe sich ver-schieden gestaltet. Die Chane hatten ausgedehnten Grundbesitz, und bestrittrn mit dessen Nevenüen einen Theil der Staatsbedürf-nissc. Hierzu kamen reine Staatsabgabcn, welche nicht an den Grundherrn, sondern dem Oberhcrrn entrichtet wurden. Das Land zerfiel in '22 Magkals oder Kreise. Jedes Dorf bildet eine Gemeinde, welche einen Kewika oder Arltesten hat, dazu Zchntmän-ner, Tschausch, nieist einen oder ein Paar Feldfcherer, einen Priester oder Mullah. Gs werden jene Individuen nebst den Höfen der Witwen und ärmer« Leute von den Abgaben erimirt, welche auf die zahlungsfähigen Nauchfänge oder Feucrstellen vertheilt wer-den. Von der Dorfbevölkerung sind ferner noch abgabenfrei die Höfe der Individuen, welche eine Tumga (Steucredirung) des Chans vorweisen können, dazu die Nukare, und meist auch die Retschparcn (Fröhncr) und Dschuware oder Wasserbeamten, da sie dem Dienste des Grundherrn und nicht eigenein Erwerbe ihre Arbeit widmen. Die Hauptabgaben sind: der Tribut, eine Staatsabgabe, in Geld firirt. Gine ähnliche, Atesch Charadschi (Feuersteucr), von geringerm Belaufe, sserner eine Neihe Abgaben für die verschiedenen Hofhaltungsbedürfnisse des Chan, als: die Atarpasi, Lieferung von Gerste für die Pferde des Chans, der Kartschan-Charadschi für des Chans Küche, bestehend in Lieferungen von Nutter, Hammeln, Ochsen, Holz, bisweilen aber auch in einer Geldabgabe zu den Gehalten der Köche und Bäcker des Chans. Die Kallucha und Tagwilani, eine Geldabgabr für die Nu kare des Chan, als Zuschlagsquotr von den meisten Abgaben, z- V. 59 Kop. in des Chans Münze Kallucha, und 25 Kop. in des Chans Münze Tagwilani, von n'dem Dukaten des Tributs. 76______ Der Soljan ist eine Abgabe in Weizen, Der Maldschagat. eine sehr allgemeine, bestehend in ^ von allem Korneitrage und sonstigen Erzeugnissen, auch von der Vaumwolle und dem Reis. Die Kalontanlgcha, eine Verbindung von Gelv und Natu ralabgabeu. Hierzu kommen einige Frohnleistungen, Staatsfroh-nen, die Stellung von Reitern zu den Posten, das Pflügen mit einer bestimmten Anzahl Pflüge während einer gewissen Anzahl von Tagen. Das Abernten der Kornfelder des Chans wäh rend mchrer Tage, meist sehr unbedeutend stipnlirt. Als Pflugstück für einen Tag gilt eine Fläche, auf welche 2^ Tschetwerik ausgesäet werden. Diese Abgaben kommen nie alle zugleich vor, aber wol in sehr bunten» Gemenge, ohne daß ein bestimmtes Verhältniß zu der Zahlhöhe hervorträte. Die nomadisirenden Gemeinden zahlen vorzugsweise in Producten der Viel'^ucht und nur ein Geringes an Getreide. Die kleinern Naturalabgaben sind bereito sehr häufig in eine Gcldabgabe umgewandelt. Eine Abgabe von den Hochzeiten (z. V, in Gorunsjnr i> 40 Rubel in des Eh. M.) kommt gleich, falls vor. Es gibt Gemeinden von Ratschparen (Freiherren), Diese zahlen aber auch einige Naturalabgaben von ihren Ländereim, leisten einige unentgeldliche Frohuen, bearbeiten die Vciftone, d, i. Arbuscn- und Melonenfelder, indeß sie für die ihnen obliegende Bearbeitung der Seidcngärten die Hälfte, von den Feldern ein Viertel des Naturalertrages derselben erhalten. Das Ackergerächc ist der Grundhrrren Eigenthum, desgleichen das Arbeitsvieh. Vci der Ernte sind ihnen neben der Nahrung 3 Garben von je 20 zugesichert. Die Gemeinden bedingen sich, beim Verpachten ihrer Ländcreien an Mitglieder fremder Gemeinden, >/^„ des Natural, ertrages alls. Vei den Gemeinden der privaten Gutsherren sind die Vrisiun-gen noch bunter vermengt, da dieselben ihren Grnndherrcn fast alle Bedürfnisse in Nalura liefern müssen, alo Tuch zu Nocken, Teppiche. Salz, Säcke, Wollenzcug zu Packsätteln, wollene Faden u. s. ,y. neben dein Maldschayat, Alarpasi u. s. ni. Ebenso sind die Frohn. dicnste, obgleich in ihrem Gesammtbetrage nicht bedeutend, doch noch variirtcr, als z. V. Hütuiu^ der Hengste im Sommer im Gebirge 77 (auf den höchsten Spitzen Bogudaasch, Krisa u. s, w.), Reparatur der Kanäle, Transport des Maldschagat nach Schllscha u, s. w. Nicht nur die Grundherren haben Nukare und Ratschparen in den Dorfgemeinden, sondern auch die Kein als, Kcwchas und Andere. Die Oeldabqaben sind meist in Dllkatm und in Rubeln des Chans, nämlich in Münze des Chans bestimmt, wovon 6 Rubel 30 Kop. ----- l Rubel Silber ausmachen. Die Gerste wird nach TschuwM (Säcken) gemessen; der Tschuwal ist ----- 7 Pud; die Seide nach Vatmans, wovon 1 ^ 2^l Pud: 4 Stil ----- ^ Pud. Mittlere Preise, wonach die Berechnung und Umwandlung in Geldabgabe geschehen, sind: für 4 Batman Seide 200 Rubel ChanS Münze; für 1 Tschuwal Gerste 0 Rubel 'N Kop. Ch, M., 1 Tschuwal Hirse 5 Nubcl (5H, M,. 1 Tschuwal Weizen 1« Rubel 90 Kop. Ch. M., 1 Batman'Butter 15 Rubel Ch. M., 1 Hammel 7 Rubel CH.M., 1 Vatman Wolle 10 Rubel CH,M.; 1 Vatman Zwirbeln «0 Kop. Ch. M.) eine Ladung Arbusen und Melonen 5 Rubel Ch. M. AIs Beispiel der Zusammensetzung der Bevölkerung von Dörfern: Das Privatdorf GorijuMlr (<» Agatisch oder Meilen von Schuw-fcha), armenisch, im Jahr 1822 dem Nustam-Veg gehörig (jetzt Naudschaw-Klili.Vcg und Irsa Kuli-Veg), zählt !0« Fru^stelleu, wovon ^(l abgabenfrei sind, nämlich der Kuscha 5 Feurrstelle nut 2 Feuerstelleu seiner Ratschparen; die Ratschparcn von Nustam Beg 7 Felierstellen; Gärtner des Arid Beg (seines Bruders) ^ Feuer stellen; Arbeiter, Stallknechte, Gärtner, welche Rustam Beg mit einem ober zwei Brüdern gemeinsam angehören, 14 Fnierstellen; tatarische Nularc 2 Feucrstellen: armenische Nukare 2 Fmerstellen; eil« Geulüsegärtncr 1 Feuerstrlle; Armenier 6 Frurrstellen; der Tschauschu 2 Feuerstellen; der Priester < Feuerstrlle; Askanasir sein Onkel 2 Feuerstellen; deren Ratschparen 2 Feuerstellen. Die Tatarenuomadenqemeinde Inssuf - Tschauny im Magkal Kaberliuot zählt 22 zahlende Feuerstellen; abgabenfrei sind 8 Feuer-stellen der Armen. Der Magaf nach der Tamga des Chan 4 Feuern stelle; Frldscherer 2 Feuerstellcn; der Tschauschu 1 Fellerstelle-. Ratsch-pareu des Mirsa Allbeg. des Verwalters, 2 Feuerstein. Zur Verglrichung führe ich hier aus DuboiS, !!, !5»<», «»e 78 Notiz über persische Verfassungsuerhältniffc an. Persien ist das Urland des Feudalwesens. Wenn der Schah einem Fürsten oder Herrn Güter verleiht, so bedeutet das nlir die Einnahme der Steuer, die der Regierung zusteht. Der Äauer allein besitzt den Grund und Boden und gibt der Regierung oder dem von ihr belehnten Herrn eine Abgabe, die zwischen 7> und 46 Procent schwanken kann. Aller Grund und Voden gehört dein Schal), der Vauer bebaut ihn, und was er nicht bebaut, verbleibt den« Schah. Nicht der Grund und Voden wird dem Lehnsmanne verliehen, sondern, wie gesagt, nur die Abgabe, die der Schah oder seine Regierung bisher davon zog. Dies Princip ist in den persischen Landstrichen, die an Rußland gekommen, beibehalten, und die Lehnssürsten und Herren sind hier meist wenig reich, oft ärmer wie die Vauern, wenn sie fleißig sind. Unter persischer Regierung ward die Natu. ralabgabe vom Lande oft bis auf ein Dlittheil erhöht, und dazu kam noch eine Geldabgabe, die auf eine seltsame Weise festgestellt wurde. Zwei reiche Familien und eine arme, oder zwei mittelmäßig wohlhabende und zwei arme Familien bildeten ein Vudscha, und zahlten jährlich 10 Tuman ---- ? Zoroaster. Die Himmelöförper, be-sonder«? aber das Feuer, sind Gegenstände ihrer Verehrung, weshalb nicht allein in ihren Tempeln, sondern auch in den Hänsern der reicher« Privaten fortwährend ein Fener mil wohlriechenden, Hol^e unterhalten wird: ja in einem ihrer Tempel zu Bombay soll das heilige Feuer ununterbrochen bereite :lW Ialne brennen. Ihre Verehrung dieses <5lement5 gehc so weil. daß sie nie ein Licht anblasen, iudem sie befürchten, das angebetete Menient dnrch ihren Athem zu oerunrcinigen, Obgleich sie diese Gegenstände init religiösem M'er verehren, so glauben sie doch auch an ein höheres Wesen, »velcheo Vllles schnf nnd erhält, sowie an ein znfnnf-tiges Leben, wo gute und böse Thaten ihre Vergeltung finden. Dao von ihnen verehrte Feuer, sowie die Himmelslörper, sehen sie nur als eine Alles belebende und dahn- hervorragend wohlthätige Kraft der Gottheit an. dnrch welche dieselbe ihr Dasein unmittelbar manifestirt. Ihre Zeitrechnung beginnt mit der Flncht Iesdejerd's III., also vom Jahre n^i „. ^. «n. Ihr Jahr theilen sie in 12 Monate ein, dicsc beiden: Futwardin. Ardibescht, Gurda», Tir, Ammerdad, Echeriwar, Merr, II. ß 83 Verehrer, genannt, der letzte Nest der Anhänger einer in den ältesten Zeiten weit verbreiteten Urreligion, I,n westlichen Hindostan nnd im östlichen Persien findet man dieselben ans Landstrich «nd Awan, Ader, Däh, Voeman und Ae-fendar. Alle diese Monate zählen 30 Tage, jedoch mit Ausnahme des letzleu, welcher ^5 zählt, Iede^ ,l2N. Jahr ist ein Schaltjahr, i» welche« sie einen Monat einschalten, den sie Gaatah nennen. Juni Andenke» an die siebe» Schöpfu»gstage feiern sic jahrlich siebe» Feste, Gunibar ge»annt, von denen ein jedee« fiinf^agc dauert. So erinnert der Gninbar vo>n II, bis 1<». Ardibescht an die Schöpfung deo Himmels der vom I I. bis If». Tir an die des Wassers; der vom 2<». Scheri-war bis zum I. Mcrr an die der Vrde; der vom 2l>. Merr bis zum 1. Nwan au die der Kräuter und Gewächse; der vom 16, bis 21. Däh an die der Thiere, und endlich der vom W. A^frndar l'iö znm I, Fxrwardin an die Schöpfung dcc« Mcnschen, wclchrc« der größte (lumbar von allen ist, Die Tage zählen sie von Sonnenaufgang bis zu Smmn'anf.iang. Nlö Verehrer der Gestirne habe» sie ein grenzenloses Iutrauen zur Astrologie und unternehmen Nichts, <>'hne vorher die Sterne befragt zu haben. Sie heirathen mir eine ^tau, vm, der sie sich aber, im Falle der Unfruchtbarkeit, scheiden lassen sönnen, worauf es ihnen freisteht, eine andere zu hcirathen. Ihr Gesetzbuch, die Zendavcsta, erlaubt ihnen den Genuß starker Getränke und, mit Ausnahme des Hasenfleisches, aller übrigen Fleischarteu; jedoch von den Hindu gezwungen, wenigstens dem Genusse des Fleisches gehörnter Thiere zu entsagen, gewöhnten sie sich daran, dieses Verbot alö ein von Gott gegebenes zu betrachten, und reihten es demzufolge ihren übrigen religiösen Eajznngen an. Dies gilt jedoch nur für die in Indien lebenden Parsi; in den Provinzen Iesd und Kerman oder Karamamen, wo sie einheimisch sind, befolgen sie nur ihre alten Gesetze. Ihre Todten wollen sie nicht in der Erde vermodern lasse», noch, wie die Hindu, verbrennen, dahingegen sehen sie dieselben an solchen Orten der Gefräßigkeit der Naubvögel aus, die gegen das Eindringen anderer Naub. thicre geschützt sind: später sammeln sie die Gebeine und bewahren sie an einem trockenen Orte, jedoch so, daß die der Männer nicht mit denen der grauen vermischt werden. Die Veschueidnng ist bei ihnen nicht gebräuchlich. Sie rasiren dao Haupthaar, lassen aber, wie die orientalischen Juden, au den Schläfen Haarlocken stehen; wahrscheinlich haben die Juden diese Sitte während ihrer Gefangenschaft von den Persern und Assyrern angenommen, denn das mosaische Gesetz, welches doch sonst in die tleinsten Details eingeht, sagt dauon nichts. In ihren Neignngen gleichen die Parsi sehr den Juden und Armeniern, denn ihr ganzes Dichten und Trachten ist dem Gelderwerbe durch den Handel zugewendet. So haben sie denn auch als höchst thätige und tluge, mit sehr viele,» Speculations-geiste begabte Leute nach u»d »ach den größteu Theil des indischen Handels an sich gebracht und sich jetzt durch den Besitz grofier Reichthümer ser indo-britischen Regierung ilneittbelüüch gemacht. 83 Gemeindcwcise, im übrigen Asien nur vereinzelt, auch in Astrachan eristirt noch gegenwärtig eine kleine Anzahl derselben. Für ihr größtes Hciligthum gilt ihnen das Symbol der Gott^ heit, das heilige Feuer. Aber es gibt kein heiligeres Feller auf Er. den, als das aus derselben ohne weitere irdische Nahrung von selbst in hellen Flammen hervorbrechende Erdfmer bei Atefch-Dja! Hierher wallfahrten die weisesten und frömmste!» von ihnen, und bleiben meist hier, um in religiose Betrachtungen und Gefühle versenkt in völliger Abgeschiedenheit, Angesichts des heiligen Elements, ihre letzten Tage ;u beschließen. Die hier verweilenden Einsiedler sind alle aus dem westlichen Indien, aus dem Pendschab, Multan, und haben, alle, schon Greise, den ungeheuern, wilden, gefährlichen Weg durch Afghanistan, die Vucharei und China, um die Nordspitze des Kaspischcn Meers her, zu Fusi gemacht. Als wir in den Hof traten, erblickten wir einige dieser Einsiedler (es waren damals überhaupt zehn vorhanden, einige Jahre später nur noch fünf), hohe schmächtige Gestalten, auf deren Gesichtern die Sonne Hindostans geruht! Auf dem Hofe lagen einzelne lange unbehauene Steine, andere waren behaucn und eine Sanskritinschrift darin eingegraben, es waren Grabsteine. In der offenen Halle des Tempels war in der Mitte im Boden einc kleine Höhlung, aus der eine lange blaugelbc Flamme aufstieg. Was allen diesen Flammen etwas wunderlich Gespenstiges gibt, ist, dah man nicht das mindeste Geränsch, kein Knistern, kein Flackern hört, man sieht nur die Flamme in der Luft spielen, aufsteigen und sich senken, aber wie die Schemen ver Schattenwelt in Grabesrnhe! Ueber der Thür einer jeden Zelle war eine lange Sanskritinschrift eingegrabrn. Im Innern fanden wir überall die größte Neinlich keit und Ordnung. Der Noden und die Wände sind mit dem hiesigen blauen Lehm überzogen, der ein gleichfarbiges Hellblau bildet. Links draußen neben jeder Thür befindet sich ein Herd, er ist rund und von Lehm aufgebaut, in der Mitte ein Loch, aus dem die Flamme hervorbricht, einige ärmliche Kochgeschirre standen a»'f dem Herde umher, Rechts neben j^er Thür ist das Lager, "us einer harten Strohmatratze und einem Kissen bestehend; an bes Hauptes Ende bricht ebenfalls eine kleine Flamme alls der 0* 84 Erde hervor. Vor der Mitt,' der Wand, der Thu» gegenüber, erhebt sich rln kleiner 1 '/^ Fuß hoher Altar in Form einer Treppe von drei Stufen. Die Stuftn sind mit Muschelu, Steinchen und ans Erz getriebenen kleinen Bildern nnd Ftguren bedeckt. 9ieben dem Alter bricht wieder eine kleine Flamme aus der Erde hervor. Diese Flamme neben dein Altare gilt für besonders heilig, und sie lassen keinen Profanen sich ihr nähern. Wir näherten uns den Einsiedlern, sie empfingen lins demüthig schweigend, Der Glöckner nnd einige der Einsiedler verstanden und sprachen russisch. Wir sahen in einer der Zellen einen Einsiedler schwer krank, dem Tode nahe, er lag ans den Knien, die Erde mit der Stirn berührend; so lag er schon mehre Tage ohne Ve wegung, mau hatte ihn mit einem groben Tuche bedeckt- alö das weggezogen ward, sah er wie eine Leiche aus. Er fiel um, brachte sich jedoch selbst mübevoll in die vorige Stellung. In einer ander» Zelle fanden wir einen hohen Oreiö, völlig nackt, aber den ganzen Körper mit Erde überzogen, zwischen den Augenbrauen gelbe Farbe (Henne, eine beliebte Farbe, deren sich Tataren, Perser und Araber bedienen, um Nägel, Bärte und Haare zu färben), das Zeichen der Flamme! Er lebte bereits seit 25 Jahren hier. Er sprach nur indisch, aber dev Glöckner dolmetschte uns, was er sagte. Wir richteten verschiedene Fragen an ihn, die er ernst und langsam beantwortete: „Von den vier Elementen verehre ich vorzugsweise die Erde, darum habe ich meinen ganzen Körper mit Erde überzogen, um in steter Berührung mit dem Elemente zu sein, ich will auch dereinst nack dem Tode iu sitzender Stellung begraben werden. Der, wel cher eins der andern Elemente vorzugsweise verehrt, wird verbrannt uud seiue Asche in die Luft verstreut, oder hatte er sick dem Feller geweiht, diese unter die Verwandten vertheilt! Manche unter uns nehmen fünf Elemente an. Das fünfte ist nämlich, so zu sagen, der freie Durchgaug, der es uns möglich macht, die Wohlthaten zu genießen. Das Licht gelangt zur Empfiudung durch das Auge, die Luft durch die Nase, den Muud, das Ohr und die Früchte der Erde durch den Mund, So ist es also diese Gabe des Schöpfers, dnrch welche ihnen der Genuß der Elemente möglich wird, welches sie wiederum al5 ein besonderes Element verehren, Dieses sollen nicht 8Ü eigentlich die Sinne selbst sein, sonder» jene Zugangsrohren, die die Elemente den Sinnen zuführen," (?) Ein größereö Gemach, sonst mit derselben Einrichtung, ,vie oie andern, hatte ill der Mitte quer eine schmale Scheidewand bis zur Brusthöhe, mit einem Durchgang in der Mitte, An der tiefern Seite dieser Wano, ans dem obern litanoe derselben, strömte eine hohe Flamme hervor, neben ihr lag eine kleine gebrannte Vehm scherbe, um sie nöthigenfalls zu decken und zu löschen. (Alle hiestgen Flammen werden nämlich durch Zudecke» augenblicklich und leicht ge löscht, und ebenso mit jedem Licht angezündet, jedoch nicht »lit einer'blosien glühenden Kohle.) An der Scheidewand in halb liegender, halb sitzender Stellung fanden wir einen Einsiedler, der uns als Vramine bezeichnet wurde, in einem hellgelben langen Rocke mit aufgeschnittenen Aermeln und einer rothen spitzige» Miwe, Sein Geficht war dmüelbraun, hatte eine hohe Stirn und sehr feine Züge, dichtes schneeweißes Haar, »reißen spitzen Vart. Er schien an der Spike Aller z», stehen, in seiner Zelle wurden alle gemeinsamen Gebete gehalten. Zu diesen Gebeten bläst Einer auf einer großen Muschel einen gellenden langgezogene»» Ton. Alle sammeln sich alsdan» in der Zelle des Vraminen, stellen sich vor den Altar und sprechen halb rccitirend ein Gebe: unler Schalen und Glocken. geMngel. Dan» werden sie vom Vraminen mit heiligem Wasser besprengt, und Jedem werden alls einer Schaale ein Paar Körner Neiö ans die Zunge gelegt. Ueber dem Gebäude liegt der Todtenacker der Einsiedler, in dejse» Mitte ein Brunnen. Deckt man diesen zu und »lach einer Weile wieder auf, und wirft ein brennendes Strohbündel hinein, so entzündet sich das durch das Zudecken im Vnmnen gesammelte Gas »lit einem heftigen Donnerknall, und eine rothe Feuersäule, 4 Fuß im Durchmesser haltend und 50 Fuß hoch, steigt in die Höhe, die Funken des verbrannten Slrohbündcls werden weit in die Vuft geschleudert u»d bilde» eine sprühende Feuergarbc, wie sie durch Kunst nie erreicht wird, Wir verließen noch in der Nacht diesen außerordentlichen Ort, "'" dunreln Nachthimmel malte sich der röthliche Wicdrrschein des wunderbaren Feuers. Vielzeljltte5 lluMel. Schamyl oder das Kaukasusgebirge und der Beginn und die Entwickelung des Muridismus. Allah ist groß, Mohammed sei» erster Prophet, Schamyl aber sein zwclter. Vvllsruf ? Hercules. — Die Kaukasusmauer ein Theil derselben. — Die Pässe des Kaukasus. - Der Mlttelpaß die faukasssche Psorte. — Derbent. — Dic Grc!i;sürsten des persischen Reichs, — Dic Kaufasusvolfer, ihre Politik, die Georgier nnd Armenier. ^ Venehiuen und Politik Rußlands. — Der Krieg mit den Tscherfesseu und mit Schamyl. — Der Muridismus. — Mullah Mohammed und ftiue Lehren, der heilige Krieg. — Hadji-Is-mael. — Einweihung des Kazi-Mullah zum Führer. — Seine Kriege, sein Tob in Ghümry. — Gamzad-Veg als Führer des heiligen Kriegs geweiht, seine Thaten, die Ermordung decl Chans vou Avarieu. — Wird in der Moschee ermordet. — Weihung von Schamyl, seil, Charakter, seiue Thaten. — Die russischm Feldherren, Iermoloff, Rosen, Golowin, Saß. Grabbe, Neidhardt, Woronzow. — Die neuen staatlichen und militärischen Rrforiueu iu den mohammedanischen Neichcn. — Die Formationen Schamyl's, militärische und staatlich Dcr Kautasuo, dao höchste Gcbirgc der alten Culttuwelt, ist für dic innere und äußcrc Gesanlmtgeschichte der Menschheit wii gan,^ llnennesilicher Bedeutung Wird der jekiqe Kile^ eiil ^vosirr Nelt- 87 lamps, verbreitet er sich auch über Asieu in der Weift-, daß außer de» russischen Armeen auch altdere europäische Heere dort opcrireu, so ist es mehr als wahrscheinlich, daß hin gerade im gegrnwär^ tigen Augenblick ein Hauptknote» der Weltgeschichte liegt, der derselben vielleicht Richtungen geben könnte, die aller Vorausberrch. nung spotten. Zu seinen jungfräulichen, nie uon des Menschen Fuß erstiegenen weißen Gipfel» schaute die Vorwelt, die alten Völker Westasiens, stets ahnungsvoll cmpor, denn dort war ihnen die Grenze der heiligen Völker. Jenseits wohnten die Völker ohne Namen, ohne Geschichte, die Scythen, die Hyperboreer! An dies Gebirge knüpften alle Voller ihre ältesten Sagen und Mvthen, Als nach der uralten mythischen Sage das Geschlecht der Diws oder ^schins, welches vor Erschaffung des Menschen die Erde be wohnte, sich von Gott abwandte, verbannte er es in dcn Kaukasus, und dort hausen sie noch jetzt in ihren Eispalästen unter ihrem Könige, dem Padischah der Tschins, der im Glaöpalast dcs (5lbo rus (dev glän^ndc, dr, hlili^c, dcr glückliche Ver^ gcnauitt) sein Hoslager hält. Die griechische Mythc berichtet dagegen, das;, als Prometheus oas himmlische Feuer für die Menschheit geraubt, Zeus ihn mit diaman-lenen Ketten au den Felsen des Kaukasus habe schmieden lasse». Eine andere noch jetzt lebende Sage erzählt, daß lmm 'Abneh inen der großen Flut der Kaukasus zurrst aus dem Wasser anf^ getaucht sei, hier habe die Arche Noah's zuerst wieder au der Spitze des höchsten Verges des (ilborus auf festen Vodeu gestoßen und habe dadurch diese Spitze gespalte», wie noch jetzt zu sehen, sei dann aber weiter geschwommen und habe sich auf dem Ararat vollends niedergelassen, Gine Snge ist nun aber vor allen von unermeßlicher Wichtig kcit, indem sie noch in diesem Augenblicke einen gehnmnißvolleu Zauber, eiucn unberechenbaren Ginftu!! ans die gegenwärtig sich ent. wickelnde oder auslosende Krisis der Weltgeschickte ausübt. Wir haben oben angedeutet, daß der Kaukasus als die heilige Grenze der alten Culturwelt galt. Mehrmals haben die wilden Völkersluten auch in der geschichtlichen Zeit das Gebirge duvchbro^ ch", und haben die alte asiatische Cnlturwelt erobernd überschwemmt. 88_______ Oegen dich' Einbrüche hatten die alten Weltmonarchen, gerade wie im äußersten Osten des Welttheils in Nordchina, eine ungeheuere Mauer mit Thürmen und zwei gewaltigen Thoren erbaut. Dies allgemein bekannte Factum hat Mohammed die Veranlassung gegeben, eine Prophezeiung auszusprechen, die im gegenwärtigen Augenblicke sämmtliche mohammedanische Völker gegen das Volk jenseits, im Norden des Kaukasus, aufregt und zum Theil schon jetzt zum glühendsten Fanatismus entflammt. Mohammed spricht im Koran- „Jenseits des Kaukasus wohnt Gog und Ma-gog. (5'inst, wenn die Zeiten sich erfüllen werden, werden sie das Gebirge übersteigen, und sie werden die Gläubigen ermorden und die gesegneten Reiche der Gläubigen vernichten" *), Betrachten wir zuerst das Land und seine Bewohner im Große» und Ganzen, ehe wir die politische und religiöse Weltstellung von dessen Bewohnern in gegenwärtiger Zeit specieller ins Auge fassen. Nördlich vom Kaukasuögcbirge zwischen dem Schwarzen, oder *) Des Magog erwähnt die Bibel mehrmals, zuerst Moses l,, l<>, ^', wo die Stammtafel des Menschengeschlechte gegeben wird. Dort wird als der zweite Sohn des Iaphct Magog genannt. Dasselbe Geschlcchts-reaister wird nochmals wiederholt im l. Nuch der (.shronika, l. 5. Dann weissagt der Prophet Hcstticl, Cap. !!8 nud !tl), Gog, dcr Fnrst im Lande Magog, wirb ziehen von den (5ndcn gen Mitternacht, und sich die Welt unterwerfen und das Land dcs Herrn, Abcr dort wird sein Grab bereitet werden. Vndlich prophezeit die Offenbarung Iohannis 20, ? bis 9, daß nach dem IWOjahngen titeiche der Satan Gog u»d Magog versammeln werde, zahlreich wie der Sand am Meere, und das Heerlager der Heiligen umringen, aber Feuer v>,'N! Himmel werde sie verzehren. Man glaubt die Wohnsitze des Magog in den Ödenden um den Palns M^oticus, der davon den Namen führe, gesnnden zn haben, und bezieht die Weissagung dec, Hesekicl auf den großen Durchbrnch der Scythen durch den Kantasnc!, li^H Jahre vor Christus, in Folge dessen sie 28 Jahre lang ganz Asien Ullwüsteten und beherrschten und ihr Grab in Syrien fanden. Mohammed scheint seine Prophetic aus dem Hcftticl und der Offenbarung Io-hannis zusammen cmnbinirt zu haben, aber statt wie die Nibei den schließ-lichcu Untergang Magog'c«, der das heilige Land und Volk zu vernichten droht, zu prophezoihcn, weissagt er vielmehr den Untergang des Neicho der Manbigcn. 89 vielmehr von dessen Fortsetzung, drin Asowschen Meere und dem Kaspi-schen See, und nördlich über beide Meere hinaus, liegt eine ungc. heuere baumlose Ebene, cine Steppe, die zwischen dem Asowschen und Kaspischen Meere zum grösiern Theil eine Salzstcppe ist. Gräbt man nämlich nur ein paar Fuß tief in die Erde, so quillt salziges Sec^vasser hervor. Man kann hierdurch fast die Grenze auf der Karte ziehen, wo einst in vorhistorischer Zeit, vielleicht vor der großen Welcflnt, beide Meere nur eins bildeten. Diese Ebene gewährt nur oasenartig längs allen fließenden Gewässern festen Anbau, der übrige Noden ist den umherschweifenden Noma^ den und ihren Niehheerden überlasten *). Diese Ebene ist nur ein Vrnchtheil der ungeheuern Ebene, welche ohne Unterbrechung von den karpatischen und schlesischen Gebirgen, oder, wenn man will, sogar von der Normandie bis zum Chinesischen Meere sich erstreckt und vielleicht vor der Sündflut ein ungeheures Meer war, wel ches den von Adam's Geschlecht bewohnten Erdtheil vom nordi^ schen Landgürtel trennte. Seit historischer Zeit, wol seit der großen Weltflut, ist diese Ebene das Land und Erbtheil der Nomadenvölkrr gewesen. Wie schon beim Ursprung des Menschengeschlechts in dem Kain und Abel der Heiligen Schrift der Dualismus der beiden Hauptrichtungcn des Menschenlebens, des Ackerbaues und der Vieh: zucht hervortritt, so gewährt auch die Erdbildung selbst beiden Richtungen im Großen und Ganzen örtlich die natürliche Grundlage. Hohe Gebirge und weite baumlose Ebenen sind das natürliche Substrat des Hirtenlebcns. Auf dem fruchtbaren Mittcllande wol)-ncn die Ackerbauvölker. Die Bildung der Erdoberfläche hat zwar überall in großer Mischung die Grundlage für beide Lebensformen neben einander gegeben, überall bis meist in die kleinsten abgesonderten Theile hinab Ackerland und Weideftäche neben einander gelegt, überall mitten zwischen Ackerculturländcrn auch ganze Landstriche gelegt, die sich nur zu Weiden schicken, ja sie hat auch ganz große Absonderungen gemacht, große Länder von Tausenden von Qnadratmeilen, *) Nullu K8l -Silva, nullu» won», nl>II»8 lupl^, smsit Nagend Ovid! 90 z. V. einen Theil Arabiens, zu Weideftächen gebildet, allein unver kennbar hat sie auch eine große Scheide zwlschcn Acker und Weide wenigstens in der Alten Welt gebildet. Jem oben bezeichnete, weil über 100,000 Qnadratmeilen gwsie Fläche, bildet einen Welttheil deö Weidelandes gegen den südlich darunter liegenden Welt theil dcS Ackerlandes. Wenn nun überall bei allen Völkern und in allen Lander» sich ein Theil dem Ackerbau, der andere dem Hirtenleben weiht"), ') Wir sagen mit Vedacht „weihen"? Die Menschheit hat innere tiefe gehmnnißvotlc Gesetze für ihre Lebensfornien. Mag mau sic Natur-gesetze nennen, jedenfalls sind sie providentieller, nicht fatalistischer Natur. Der Mensch hat die Freiheit der Selbstbestimmung, namentlich bei de» Wahl der Lebensformen, aber er wird gezogen durch die Sympathie, durch Gefühl, Gewohnheilen, und folgt ihnen fast stels. (5r weihet sich ihnen! Wie der Einzelne, so folgen auch Völker gcheimnißvollen Richtungen und Gesetzen der Entwickelung! Jene beiden Hauptlebensformeu der Menschheit, das Ackerdauleben und das Hirtrunomlidenleben sind weder in freier Willfür, uoch durch Zwang und ans Noth von de» Koltern erfaßt, sie sind vielmehr eine providentielle Anordnung, sie drücken den Uranfang-lichen Gegensatz, den Dualismus des Mcuschengeschleckjts aus. Als der Mensch uoch die Natur beherrschte, im Paradiese (dessen Dasein die Sagen aller Völker kennen) a.<5b die Erde ihm freiwillig alle ihre Früchte, uud alle Thiere gehorchte» iym willenlos, er hatte ihnen ja den Name» d. h. den (Charakter, die Seele, gegeben. Nach dem Sündenfall verlor et die Herrschaft über die Natur, sie entfremdete sich ih»,, wandte sich von ihm ab, stand ihm zum Theil feindlich gegenüber. Aber als der Gngcl mit dem feurigen Schwerte die Thore des Paradieses ihm für immer vcr-schloß, erbarmte sich Gott seiner, er ließ ihm die Herrschaft über die Hausthiere und gao ihm Samen vou den Früchteu des Paradieses mit, die Eerealieu, und Früchte des Gartens, den Neinstock. Dies waren also die Neste des Paradieses. Beiden war, wie der Menschheit sclbst, alo treuen Gefährten derselben die übrige Natur fremd und feindlich. Die Hnnsthiere lonneu nicht selbständig ohne den Menschen in der Natnr leben, sie bedürfen der Sorge uud Pflege des Menschen; die ^erealien wachse« nirgends wild, die Erde duldet nur widerwillig ihr Keimen und Reifen, des Menschen Hand, unterstützt vou seinen Hansthieren, ringt sie ihr »,n mit Mül,e und Arbeit ab, nur unter ihrem Segen, ihrer Pflege, gedeihen sie! (5'iuen Fluch und einen Segen legte Gott auf de« Ackerbau! ,,),„ schweiße deine» Augesichts sollst du de» Atter bauen!" Aber der Acker gewahrt ihm doch das Vrot, das heiligste allcr Symbole, an welches sich 91 so tritt uns voch hie,- das große inhaltreiche Factum entgegen, das: riii ganger Welttheil mit seinen Völkerreihen von Nonladenvölkern dem Welttheile der Ackerbanvölker gegcnübertritt. Wir treten entschieden der Meinung entgegen, daö Hirtenleben in seiner Totalität sei das ältere, und das aus dem Ackerbau her. vortretende sociale Leben habe sich erst später aus jenem entwickelt, Beide sind gleich alt. Neide sind ursprüngliche Institutionen, von Gott gegebene Lrbensordnnngen, Wie einzelne Menschen, so sind anch einige Volksabtheilungen von einer Lebensform zur andern übergegangen, Abtheilungen von Hirten nnd Nomadenvölkcrn sind ansässig geworden, und Ackerbauer sind Hirten geworden, wiewol dies Letztere seltener. Aber im Ganzen und Großen sind die Nomadenvölker niemals zum ansässigen Ackerbau übergegangen, nicht weil sich das Land gar nicht zum Ackerbau eignet (des Menschen Hand zwingt jeden Voden, ihm Frucht zu gewähren!), sondern weil die von Gott gegebenen Gesetze der Natur in den Geist dieser Völker diese Lebensform mit Nöthigung gelegt haben. Seit Jahrtausenden sind die Araber und Mongolen Nomaden, und werden es bis ans Ende der Weltgeschichte bleiben. Sind doch selbst die die Erlösung knüpfte. Das Brot als Opfer stellt das Dnrchdringcn der Einheit zwischen Menschen und Gott wieder her! In Adam waren beide Grundlagen der Lebensformen, Ackerbau- und Hineuleben, noch vereint, in den beiden Söhnen Kain nnd Abel trennte» sie sich scharf, ja es war schml cine Scheidung des Cultur, des Opfers. Der tiesc Dualismus des Menschengeschlechts war dadurch vorgedeutet nnd begründet. Von da an trennt sich das Menschengeschlecht in die beiden Mltern'ihen der Ackerbauvölker und der Nomadcnuölter. Welches die höhere edlere Lebensform ist, wer mag eS entscheiden?! WaS wir äußere geistige Cultur nennen, sie ist vorzugsweise den Ackerbauvölkern cigen, aber wer kennt das innere Leben, die Oontemplatiune», h^ h^rch das innige mysteriöse Zusammenleben mit der Thier- und Pflanzenwelt erzengte» unmittelbaren Anschauungen der Nomadenvölker? Dort überall mehr Werden, ^»lenntniß nnd Schuld, hier mehr Sein. Anschauung, Unschuld. Gegenwärtig stehen die Ackerbauvbtter für den Augenblick höher als die Nomadellvl'tter, denn lein Nl,'madenv>,'tt hat l'ie< jetzl danernd das Christenthum angeuommen. Die Hirtenvölker der Alpen si»d feine eigentlichen Vlomadenvötter, sie sind ansässig. Ihre Lebensbasis ist das Hirtenleben, lhrr Lebensweise nähert sich gan; der der Ackerbanvbtter. Sie bilden den Uebergang, 92 Türke» bis diese Stunde kein ackerbauendes Volk geworden lind leben namentlich in Vnropa noch wie in einem Feld-, einem Kriegslager! Kehren wir nach dieser Abschweifung, die aber weiter unten ihre Bedeutung finden wird, znr geographischen Lage des KankasuS und seiner asiatischen Hinterländer zurück, so haben wir oben an geführt, daß in seinem Norden jene ungeheure Ebene beginnt, die fast nur von Nomadenvölkern durchzogen ward. Auf der ganzen langen Vinie im Norden des Kaukasus tritt dann aber in» Gegen^ satz zu jenem nördlicher liegenden Salzboden eine üppige Vegetation hervor. Ans der Mitte des Kankasnsgrbirges strömen nämlich hier zwei mächtige Flüsse nicht gar weit auseinander hervor, wenden stch dann aber bald nach entgegengesetzten Seiten, der Kuban (der Hypanis der Alten), am Fuß des Elborus entspringend, strömt westlich und mündet im Asowschen Meere, der Terek, uuter dem Kasbeck hrrvorströmcnd, fließt östlich und mündet im Kaspischen Meere. Beide Flüsse nehmen eine Menge kleinere auf und bilden, besonders sobald sie aus dem Gebirge hervorgetreten, ausgedehnte Sümpfe mit fast baumartigem und undurchdringlichem Schilsrohr, Parallel mit jenen beiden Strömen im Norden des Kaukasus strömt südlich der Niou aus dem Kaukasus hervor und ergießt sich wie der Kuban westlich ins Schwarze Meer, der Kur aber, wrl cher zwar selbst nicht im Kaukasus entspringt, strömt doch längs seiner Südseite her, nimmt eine Zahl Flüsse und Vächc aus dem Kaulasus auf und mündet wie der Terek im Kaspischen Meere. Das Land nördlich vor dem Kaukasus, welches durch dessen Vorberge und die Flußthäler gebildet wird, 20 bis 25 Meilen breit, ist im Ganzen fruchtbar, aber schwach bevölkert. Die ganze Länge des Gebirges, von der Spitze am Schwarzen Meere, die der Krim gegenüberliegt, bis nach Baku, mag l<»0 bis 170 Meilen betragen. Das Gebirge, von Osten scharf austeigmd, in Westen sich sanft senkend, streicht im Ganzen von Nordwest nach Südost. Das Gebirge bildet zwei parallel laufende Gebirgszügc, wovon der südliche, das Schwarze Gebirge, sich nicht zur Schneelinic erhebt, dagegen erhebt stch daö nördliche, das Weiße Gebirge - 93 überall 10 , 12- bis 14MU Fuß über die Meeresfläche, einzelne Spitzelt, wie der Glborus, erreichen eine Höhe von mehr als 18,000 Fuß (nach Andern nur 17,7.50 Fuß), der Mjatschich Par 10,^00 Fuß (oder nur 15,«70 Fuß), der Kasbeck über 10,<»0<» F»ß, (nach Andern nllr 15,500 Fuß). Im östlichen Gebirge gilt der Schahdagh als der höchste, vielleicht 16,000 Fuß hohe Verg, Von der Steppensrite her sind die höchsten Spitzen ungcmein weit, selbst von Sarepta an der Wolga, also 70 Meilen weit, zu e» blicken. Das Gebirge ist nach dm Abdachungen hin sehr kuppig, fast nur fegelartige neben einander stehende Spitzen, wenig lang-gezogene Bergrücken. Die in der Mitte sich erhebende Gletscher^ nnie bildet dagegen eine fast zusammenhängende unübersteigliche Mauer mit einzelnen Gipfelzacken, die Anhöhen der Norberge bis zu den Thälern herab mit undurchdringlichen Wäldern bedeckt. Eine große Zahl reißender Gebirgsbächc winden sich durch die engen Thäler, aber größere Flüsse, die breitere zugänglichere Thäler bilden, und größere Laudseeu gibt es hier nicht. *) Der Kaukasus ist eine Weltscheide, er scheidet Asien von Europa, er bildet eine Scheide in der Vegetation, selbst im Thierreichr. Die Grenze des Erdgürtels, z, V. wo der Schakal vorkommt, ist der Kaukasus. Dies Thier tritt nie in die nahe Krim über, berührt nie europäische Iiser, die doch unter denselben Vreite-graden liegen. Die Südabhänge des Kaukasus, Mingrelieu, Georgien, Gurien, sind ein l)ou der Natur reich gesegneter Landstrich, ans den Vergeil ') Man muß diese Naturbeschaffcnheit scharf iuS Äuge fassen, um dic volitischc Bedeutung des KaufasiiS zu begreift,, und die Natur deö dortigen Krieges ;u verstehen. Ich sichre daher zur Hcrstärtung uud Vestä-tigung dir Neußl'rmig eines andcrn wcchrhrit^lirdeuden Reisenden und Naturforschers an: „In unabsehbarer Reihe standen die kautasischcu Eieckowsse im Hintergründe der Steppe. Ueber das dunkle bewaldete Vonzrbirge ragte« sie in den bizarrsten Formen als Zacken, Säuleu, Hörner, Kuppen, Pyramiden hervor. So zerklüftete und zerrissene Fels- uud Schnee waude, so knhue ft'ipfelfornieu, wie die Riesen d»>r faulasischen Neutral. l">e, haben weder die Alpen der Schweiz, noch der Taurn^, „och der 'ltlae«, der Vatta», die Apeuuinen. oder irgeud cineö vou den mir belanuten Gebirgen Europas" (Der Kautasno von Moritz Wagen«, 1^8, S. I8l.) 9z herrliche Vichweidcn, in den Thalern reicher Ackerboden, wundervolle Wälder, wo der südliche Lorbeer neben der majestätischen nordischen Vuchc steht, überall durchrankt von wildwachsend gewor. denen Neben, die Wohnstätte aller Arten des Wildes, das Vaterland der Fasanen! Diese Wälder ziehen sich auch an der ganzen Küste des Schwarzen Meeres und an den nördlichen Abhängen her. An den östlichen und südöstlichen Vorgebirgen und Abhängen findet man Hochwälder von einer Mächtigkeit wie die Urwälder Amerikas, und Mittelwälder von einer Nndringlichkeit, die den mächtigsten Schutz gegen das Eindringen der Nüssen gewährt hat. Dagegen ist die Mitte des eigentlichen Hochgebirges fast baumlos. Noch herrlicher sind eie südlichen Abhänge und Thäler. Wer kennt nicht das von den persische» Dichtern so hoch gepriesene Schir-wan, die geheiligten Gbenen des Kur ((5yros) und ArareS! wer nicht das herrliche Weideland Karabagh, das Vaterland des nächst Arabien edelsten Pferdes? Von da steigt das Land wieder empor zu den kaukasischen und anatolischen Alpen, aus deren Mitte der majestätische 1l»,000 Fuß hohe Ararat einsam hervortritt. Auch hier ist vas Land, Armenien, außerordentlich fruchtbar, aber nur, wenn es durch Kauälc bewässert wird. Die Höhen sind kahl, grau, ohne irgcnd eine Vegetation. Das rnssische Transkaukasien und die Landftächc der freien Ge. birgsläuder möchten zusammen wol etwas großer wie die preußische Monarchie, und etwas kleiner wie Großbritannien und Irland sein, die freien Oebirgsstriche bilden die kleinere Hälfte des Terrains. Man schätzt die Gesammtbevölkeruug nicht auf vier Millionen Kopfe. Rechnet man Ciskaukasicn, die cultivirte und cultur-fahigr Ebene längS der Nordfeitc des Kaukasus bis an die grosse Steppe hinzu, sodaß man den ganzen Erdgürtel zwischen dem Schwarzen-Asowschen Meere und dem Kaspischen Meere ins Auge faßt, so möchte derselbe auf 7 bis 8000 Quadratmeilrn mit einer Bevölkerung von etwa ä'/^ Millionen Köpfen anzuschlagen sein. *) ') Um politische Vergleichunacn anzustellen, geben wir hier mn> statistische Notion, die. wcnn sic auch nicht völlig zuverlässig sind, dvch hm- 9ä______ Was min die Bewohner, die Völkerstämme dieses Vandrs betrifft, so gibt es km, Land von dieser Ausdehnung, wo eine solche Zahl der in Abstammung, Physiognomie, Charakter, Religion, Sitten, Trachten verschiedenartigsten Völker oder Absplisse von Völ-brrn dem Beobachter entgegen treten als hier; dies ist von je her und in ältern Zeiten vielleicht noch mehr der Fall gewesen. Wenn die Nachricht der Alte», daß auf dem Markte in Dioscurias am Schwarzen Meere 5W Völker ihren Handel getrieben, übertrieben erscheint, so kennt doch Strabo allein im östlichen Kaukasus, in Albanien, dort, wo jetzt die Lesgicr wohnen, 2li verschiedene Sprachen. Die arabischen Schriftsteller Ebn-Hautal und Massudi berichten von 72 Sprachen, die östlich um Dcrbent her ganz wie bei der babylonischen Sprachverwirrung gesprochen »raren. Abnlseda nennt den Verg der albanischen Pforte- Gebalil Alason, d. i. „Berg der Sprachen", Noch jetzt sprechen die Völker, die man unter dein Collrctivnamen der Lesgier begreift, und die in Sitten und Trachten große Gleichheit haben, 30 verschiedene Spra chen. Im Ganzen rechnet man gegenwärtig etwa 7mcu. Man ssibt Größe und Vmwohnerzuhl an, von Tlanolau^sirn !l.1^5 ^Meilen mit 2.15!»Mtt Vmwohm'in Die freien OebirMnder 2.2W .. „ l.55<»>l»W ^iskankasieu 2.li'.0 ., .. «20M0 _____ 7 M5 HI Meilen ^,:lWMM Einwohnern Großbritannien und Irland 5.0U2 I^M^len mit 28,0,»0.0<><» CiiNvoh.iern Die preußische Monarchie 5,077 „ ., 1<»,^»0.00<) Dentschlanb ehne Preußen ^,51" " „ l7.<»(»<».«»«!<» Schweden 5M" .. . -V^'NMM . Nelqieu 5:l5) ,. . ',-!"...<>.»<» . ^S lel'ci, also auf diesem Mdemnirtel nur etwa zwischen 5<»<> nnd ttlw Köpft auf der uMeile, während in Bellen nder ^0<«> auf der ^Meile l^en. in (5,u,Iand fast 5000, in Deutschland :l700. In Schweden dann freilich ,mr 400, Tninolaufasien ^Meilen mit 2.15!»Mtt Viiiwohuein Die freien Oebirgsländcr 2.2<«l ^iskankasieu 2.tt!»0 l»2<»,<>00 >, 7.M5 m Meilen Einwohnern Großbritannien und Irland 5.0U2 m Meilen init 28,0<»0.0<><» ^iiNvohiierl^ Die preußische Monarchie 5,077 Deutschland lchue Preußen „ l7,<»(»<».«»«!<» Schweden Spanien ,, „ 12,M»MM Nelmen „ «,:!<»,»,<><»<» ^s lrl'ci, also auf dicftnl BrdomMtcl nur ttwa zwischen .',<»<> und l)W ^'öpfe auf der HMcilc, während in Vcl^icn üdcr tt0W auf dcr ^Mcile ^ben. in (K,u,Iand fast 50<«), in Dcntschlanb :N00. In Schwcdni dann Ncilich nur 4M», 96 »em andern Volköstamme verständliche Sprache. Folgende llrspra ä'en haben mit ihren Dialekten eine größere Verbreitung: 1) Das Tscherkessische, eine Ursprache, wie man bebauptet, dem finnischen Sprachstamme zugehörig. Sie zerfällt in cine Menge Dialekte. Es werden deren gegen 52 aufgezählt, die jeder einem eigenen, ziemlich abgeschlossenen Polksstamme angeboren Nacl' statistischer Schätzung sollen die t<» eigentlich lschcrlesstschen Stämme etwas über 500,000 Köpfe zählen, die vier kabardinischen Völkerschaften ungefähr 56 bis ^0,000 Köpfe, die zwölf abadischen Stämme l 10,000 Köpft, also insgesammt oit-c.i 700,000 Köpfe, 2) Die abchasische Sprache soll eine Ursprache sein, deren Zu sammenbang mit andern Sprachen man aber gar nicht kennt. Das Volk der Abchasen oder Abassen zerfällt in fünf Stämme, die zu sammen etwa 45 bis 50,000 Köpfe zahlen möchten. 5) Die ossetische Sprache ist eine persische Töchterspracht. Ueber dies merkwürdige iranisch-gcrlllanische Volk haben wir uns a». dcrswo des Weitrrn ausgesprochen. Das ossetische Volk zerfällt in 16 Stämme, die znsammen wol kaum ^00,000 Köpfe zählen möchten. Sie sind in der Mitte des Kaukasnsgrbirges angesiedelt. ^!) Den östlichen Theil des Kankasus brwohnt ein nngemcin mannichfaltigeö Gemisch von kleinen Völker,, mit bis jetzt noch nicht yinrcichend untersuchten aber sehr verschiedenen Sprachen. (5ö steht daher nicht fest, welche derselben als Ursprache, welche nur als sehr abweichende Dialekte anerkannt werden müssen. Als allgemeinere Namen treten hervor die der kistenschen, der tschetschenischen (die man zuweilen als verwandt znsammen zählt) und der lesgischen Völker. Man rechnet gegen 53 Völkerschaften, unter denen die Tschetschenien sich m ^ Stämme theilen und etwa zusammen 200,000 Köpfe zählen möchten. Die .",<> Völkerschaften, die man unter dem Gesammtnamen der Lesgier oder Lesghinzen zusammenfaßt, die zwar im Charakter, Trachten und Sitten fast völlig übereinstimmen, allein die verschiedensten Spra^ chen haben, möchten etwa 500,000 Köpfe zahlen. Man rechnet, dasi der Osttaukasuö von ungefähr 800,000 Köpfen bewohnt wird. Doch smo alle diefe hier angegebenen Zah^ Irn unzuverlässige und geben nur einen schwachen Anhaltpunkt für 97 die Beurtheilung der statistischen und politischen Verhältnisse dieses großen Landstrichs. Den ganze» Landstrich südöstlich des kaukasischen Hochgebirges längs dem Kaspischen Meere bis an dir persische Grenze auf einem Raume von cii-c, l50l) Quadratmcilen in den Provinzen Daghestan, Schirwan u. s, w. beivohnt der tatarische Volfsstamm, Einzelne fremdartige Völkerpartikeln wie Perser, Chinesen, Iudier u, s. w. sind hier eingesprengt. Von der ursprünglich medisch-iranischen Bevölkerung sindeu sich nur geringe Spuren, sie scheint grösttentheilö in den Tataren ") aufgegangen. Die Tataren andererseits wohnen auch überall eingesprengt im Kaukasus selbst und in den östlichen Landstrichen des georgischen Volksstammes, in Kache tien u. s. w. Die russischen statistischen Tabellen geben ihre An zahl auf 709,000 Köpfe an. Wenn das östliche Transkaukasien dem tatarischen Volksstamme anheim fällt, so ist oagegen das ganze westliche Transfautasien uom georgischen (grusinischen) Volksstamme bewohnt. Dieser Volks-stamm wohnt in Grusle», Kachetien, Imereti, Mingrelirn, Sua- *) Die Tataren zeigen sich in der Geschichte als ein höchst rathse! Haftes Volt. Sie bilden unstreitig die Grundlage der Bevölkerung von Turan, dem „Nachtlande", dem „Nachwolfe", im Gegensatze zu dem .,Lichtlande" Iran. in der persischen Eagengeschichte. Also eine Welt Monarchie aus vielerlei Völkern bestehend, aber durch ein und diesel^-Sprache verbunden. In dcr nenern Geschichte treten sie unter zwei Na men sehr fräftig hervor, als Tataren, welche die großen Weltznge der Mona.,,'!eil begleiten, und als Türken, zucrst im Solde der Sarazene», dann Vcsieger derselben und Eroberer nnd Stifter einer mächtigen Mon archie. Wenn man jetzt von den Tataren spricht, so kann man darunter keincn urspniugliche» Volksstamm, sondern nur eine Sprache verstehe», wie etwa bei den Nordamcrikanern, Die Nogaitatare» z. N, sind rffenba» mongolischen Ursprungs, wogegen die von Derdent bis nach Persien hin^ ei„ wohnenden Tataren offenbar fautasischcn Ursprungs sind. Die Türken gthören vielleicht ursprünglich zum finnischen Stamm. Die tatarische Sprache ist die Convcrsationssprache in Vordcrasien, Persien. Türkei, wie 'n Europa daS Französische, Wie la,M bereits die Tataren in den kaukasischen Ländern leben, steht historisch nicht fest. Klaproth nimmt, cigent-l'ch sel,r willkürlich, an, sie seien erst im tt. Jahrhundert hier eingewandert. Dei größer« Theil möchte wol erst dnrch die Einbrüche der Mongolen hie, ansässig sseworden sein, '« 7 98 netl, Gurien, nach den statistischen Tabellen auf 79,000 Q-uadrat-».'erst oder «'iicü, ll,00 Quadratmeilen. Die Bevölkerung wird hier auf 677,000 Köpfe angegeben, von denen aber wol nicht viel mehr als 600,000 Köpfe dem georgischen Voltöstamme angehören. Die Uebrigcn sind eingesprengte Tataren, Armenier, Türken, Kur^ den, Russen, Deutsche und Juden. Der südliche Theil von Transkaukasien, das russische Armenien, 7,tt0 Quadratmeilen groß, hat nach russischen Angaben 164,500 Einwohner, Armenier werden darunter 110,000 Köpfe angegeben, die Nebrigen sind Tataren, Kurde» lt. s. w. Die Armenier sind aber außerdem durch alle diese Landstriche zerstreut und man gibt ihre Gesannnt,;al'l ans fast 500,000 Köpfe an*). Das sind die Hanptvölker, welche anf diesem mächtigen Erd^ gürtel gegenwärtig wohnen. Nur zwei von diesen Völkern sind uralte Culturvölker und haben eine vicltausendjährige Geschichte und e»jeschichtösagen, die ihren Urspmng unmittelbar an die heilige Sage, deren Geschlechtsfolge, an die Patriarchen des ersten Menschengeschlechts, an Noah, anknüpfen. Dies sind die Armenier und Georgier. Diese Völker schon zum Theil vom 4, Jahrhundert an dem Christenthum angehörig, haben eigenthümliche Schrift und eine frühe Literatur, dir Armenier sogar eine sehr bedeutende und reiche. Die übrigen Völker haben keine Schrift, sie haben nur Mythen und dllnkle Sagen über ihren Ursprung und ihre Herkunft, Es ist wahrscheinlich, daß eine ganze, umfassende, reiche Sagenwelt bei diesen Völkern lebt und eristirt. Leider sind diese sür die Wissen schaft unermeßlich wichtigen Scha'ye noch nicht gehoben. Wie reich diese Sagenwelt sein mag, davon gibt unser Vuch Zmgnisi, Wir waren nur wenige Wochen in diesen Ländern, völlig fremd und ") Alle diese statistischcn An^adrn find wenig zuvcilässia. Koppe», der beste russische Slastitilcr. bercchuet i»'o I^l8 dic mciüuliche ÄeviMeruilg im Omizen nur auf ti7<>,4!»7 mannliche Seele» sodcr <>>'<'>, 1, Kl'pfc), darunter der gnlsinifche Voll^stamiu 182,431 männliche Köpft, d»>r tatarische Volfsstamm :ll«>,^i<> mauolichc Kl'pft. der armenische Volfö-stamm I47.:t«»:t >>,an,ll!che Kopfe. Dic Minqrelier, Snaiu'N. Guriri, u. s, w. find abs, hill »icht uiit ^ercchin-t. 99 der Sprache unkundig, und haben doch gleich eine grosie Zahl auf gefunden uild hier mitgetheilt*). Schon früh tauchen diese Landstriche aus dem Nebel der Mythe, Sage und Geschichte auf. Schon in den ältesten Theilen der Bibel kommen Andeutungen und Beziehungen zu diesen Ländern vor. Die altpersischen Tagen und Königsbücher kennen sie nicht blos, sie find vielmehr zum großen Theil der Schauplatz der Haupt Handlungen. Hier war ja das Land der Priester, der Magier, aber auch das der Heroen, des Sal »md Nustem. In den grie chischeu Mythen waren die westkaukasischen Landstriche das Ziel »nd der Schauplatz des Argonautenzuges. Herodot kannte diese Länder genau, aber es herrscht eine gewisse Zurückhaltung in seinen Aeuße rungcn darüber, und diese sindct man von da an fast bei allen Schriftstelleru. Es herrscht überall ein geheimnisvolles Dunkel über diese Länder! Merkwürdig ist, oaß von dr» meisten Bölkermnnen, welche die Alten hier anführen, die größere Zahl gar nicht mehr gegenwärtig hier eristin, oder doch die Namen ins Unkenntliche verstl'immelt sind. Nur die Armenier werden durch alle Zeiten hindurch hier genannt. Die Georgier scheinen die Iberier, die Lesgier die Albanier (Aelpler. Bewohner der kaukasischen Alpen*'), doch werden auch die Osseten so genannt) der Alten zu sein. Die Tscherkefsen möchten wol al5 Zichi bei ocn Alten vorkommen. Sie selbst nennen sich Adighi, Fn" 5en ältesten Zeiten, wo Sage und Geschichte sich nicht scharf scheiden lassen, sind vor Allem die östlichen Landstriche lä,s >'l.r vielfach l'e»utzt, 7' 100 wahre Iran im engern Sinn»», welcher Name später auf ganz Persien überging. Hier war das Vaterland und der Schauplatz der Thaten des Heroengeschlechts der Perser, des Sal und Rüsten,, und noch ;u Peter's l. Zeiten lebten hier die Heldenthaten der Schah nameh in Volks gefangen fort *). Vielleicht findet ein fleißiger Forscher sie auch jetzt noch wieder dort auf, Mitten in diesem Heroenlande, in diesem eigentlichen Iran, im Kurdelta, lag das heilige priesterliche Land, das Land Magon (ein Theil desselben, die jetzige Wüste Magon**), erinnert noch an den Namen), das Land der Magier, der Mcdcr). Ein ungemein fruchtbares Land! Strabo erzählt, daß man dort keines Eisenpflugs bedürfe, sondern mit einem hölzernen Pfluge ackere und dasi, einmal gesäet, man zwei bis drei (srnten erhalte. Dieses heilige gesegnete Land der Magier war nun die älteste Heimat des reinen Ormndzdiensteö, derjenigen Religion, welche der wahren, der Uneligiou, der Urtradition des Menschengeschlechts, *) Peter l. sendete mehre flei»e Erpcditionen vom Kaspischen Meere a»c«, um diese Küsten keunen ;u lerne». Ein Schiff legte sich 1720 an der Mündung des Kur vor Anler. Der SchiffScapilain und die Mannschaft wurden von den, kleine» Fürstc,! (Nrg) dieser Gegend freundlich aufgenommen und bewirthet. Beim Abschiede gab er ihnen noch ein kleines Fest, wobei ^olwsänger auftraten, welche Loblieder aus den großen Schah Khosrn-AnnrfchirvlM den Gerechten sangen. Der Veg sprach dann .'inen Lobspnich auf den Kaiser Peter aus mit dem für Nnßland so prophetischen Worte: Ein jeder Same bringt ;u seiner Zeit seine Frucht hervor. — In dieser Gegend unterhalb Derbent liegt die Stadt Schah-berau sjcht Schabran), welche in den Schahnameh häufig genannt ist. In den Gefangen Rnstcm'o wird hier der Strom Diogelah (Arares) besungen, au dein die Hohle lag, in welche der tnranrr König und Held ,'lfrasiao den fromme» König Bidgiam eingesperrt nnd dic Höhle mit einem Felseu zugedeckt hatte, den dann Rnstem fortwagte und den König brfrcitr. ") (5inst in der Urzeit der Geschichte scheint diese Wüste durch künstliche Kanall'ewässtrungcn, wovon die Spnren noch jetzt sichtbar, ein Herr-lich frnchtbares Land gewesen zu sein; jetzt aber ist sie einen großen Thril des Jahrs die unnahbare Heimat unzähliger Schlangen, und nur wenige Monate bemchen Nomaden die Weide» derselben. So liegt sie schon seit 2l»W Iahreu wüst danieder, denn schon Strabo führt an, daß dao Heer ves Pouipejucl, von panischem Schrecken ergriffen, vor sen Schlangen der Wüste Magon geflohen! welche Gott im Iudenthmne, wenn auch verhüllt, vollständig aus bewahrt hat, bio er sich in Christus unverhüllt und für dir ganze Welt offenbarte, am nächsten stand. Hier war das ewige heilige Feuer bei Vaku*), welches die Erde aus ihrem Inneru ohne Hülse und Zuthun des Menschen hervorftammcn ließ, als Gegenbild des Mithras, der Sonne, das Symbol des Ormudz, Aber schon früh fiel das Geschlecht ab vom reinen Dienst, es bildete sich aus dem Symbol ei» Idol, ein geschnitztes Bild, um es anzubeten! Der Mithras, der Lucifer, der spätere Demiurg, der Morgen^ stern, der „zuerst die Sonne hrrvorfuhrt und die Nacht verstreut", ward damals aus einem Symbol ein Idol, ein Götze! Da ward dann aber eben wieder hier in diesem Lande Arau, im alten Scha-makir. Zoroaster (Zerdutsch) geboren, welcher den Idoldienst be^ kämpfte und die alte reine Lehre des Ormudz wieder zur Gel tung brachte. Allein als »ach Alexander's Zeiten die Parther eil» neues partho^ persisches Neich stiftete», verdunkelte sich abermals die alte Lehre, und der Idol- und Götzendienst verbreitete sich allgemein, ja er sank bis zur Menschenvergötterung herab. Die Könige der Perser, die Arsacideu, behaupteten uon Ormudz uud Mithras abzustammen (Mithridates), nannten sich ^li-l^ ^uli^ el luiuio und uahmcn gott *) Die heiligen Feuer bei Baku möchten wol einen der wunderbarsten Anblicke gewähren, die es ans der ^rdc gil't. Nach warmen Herbstrege« entwickeln sich am Abend die Feuer und bald stehen alle Felder um Baku, so weit das Ange »eicht, in schönen weißen Flammen in breiten Massen von den Bergen in die Thäler herab. Gs sind nur Lichtmeteore ohne Hitze nnd Iüudlraft! Bei dunkln warmen dächten gaukeln die Flammen in der Hbrne. aber die, Berge ragen wie dnntle Gestalten darüber her, Bald ziehen die Flammen einzeln, bald vereinigen sie sich i» grosien Büscheln nud schweben in beständiger Bewegung wie Geister hin und her, Gegen die vierte Stunde d.'r Nacht erlöschen sie. Iu hellen Herbstnächten ist dagegen die Mene dnnlrl, aber die Gipfel der Berge überzieht cin wundervolles blaues Lichtster, besonders den heiligen Berg Soghdo-Kii, den Berg des Paradieses in dcr Ormndzzeit. S, Rcinegg's Kanlaslw, >. S. 155 »nd Witter, !l. S. 589, (5s ist übrigens mnfwmdig, daß bei den Allen feme (5,wahnn»g der "v'lV-n Feuer l'ei Baln geschucht. War dao Scheu vor Besprechung heilig"' Mnsterien? 1l)2 liche Verehrung in Anspruch. Pompejnö brachte dann den Mithras-dicnst sogar nach Nom*), und es finden sich Spuren, daß er von da an sich selbst über dir Alpen, in Kärnten, Salzburg und im nördlichen Europa verbreitete. Aber das persische Element überwältigte dann noch einmal das parthische. Die Sassaniden kamen zur Herrschaft und stellten, namentlich der große Cchah Khosru-Anu-schirvan, die reine Onnudzlehre wieder her. Endlich aber kam der Islam ans und verdrängte immer mehr die Ormudzlehre. Timur drang erobcrud hier ein; bei ihm vereinigte sich der uralte an geborene Haß des Turaniers gegen Iran mit dem mohammedanischen Fanatismus. Er beschloß die geheiligten Iranier, die Ghebern, gänzlich hier auszurotten, und es scheint ihm ziemlich gelungen. Die iranische Bevölkerung ging fast unter, und in ihre Stelle trat die tatarische Bevölkerung, die wir noch hier finden. Dennoch lebte der Fcuerdienst nach seinem Tode wieder etwas mehr auf, und Tausende von Pilgern aus dep Gebirgen Persicns und dem fernen Indien, wohin die Ghebern sich geflüchtet hatten und verdrängt wurden, kamen zu dem heiligen Feuer bei Baku, um ihre Andacht zu verrichten. Die mohammedanischen Schahs von Persirn behandelten sie feindlich und unter Schah Abbas erlitten sie »och einmal eine allgemeine Verfolgung, so daß nur wenige Pilger unter allerhand Verkleidung die heiligcu Orte erreichten und verstohlen ihre Andacht verrichteten. Unter der russischen Negierung hat jede Art von Verfolgung aufgehört; umgekehrt, man schützt sie, und reiche Kaufleute vom VolkSstammc der Ghebcrn in Astrachan haben den von unö beschriebenen Tempel und die Herbergen für die Ginsiedler und Pilger, Atesch-Dja, gebaut. Aber von Jahr zu Jahr werden dieser heiligen Einsiedler weniger, selten kömmt ein neuer Pilger aus dem fernen Indien heran, und es scheint, sie werden bald aus sterben! ") -) Die bischöfliche Mithra könnte auch lwch jetzt als eine leise Spur des Mithracidicnstcs. selbst im Christenthum, anacsehcn sein. *") Ueberall finden sich i„ dirsen Gegenden Rinnen l'dcr behauene Felsen, klinstliche Höhlen. Inscriplione». Die ftlts.'ll Höhlen, Felsma»crn, Felötreppe», Plateforincn, Nischen, Gräbern, Ioseriptionen in dielen Sprachen. Auf der Höhe ist ein Quell, ein Wallfahrtsort, selbst fiir ferne Pilger, al>>r ^uqleich ein Railt'eraufenchalt für Tatarex. Ritter, il, S. M2, ') Vor ^hristuö hatte kein asiatischer Koniq seine Waffe» gegen dleseö geheiligte Land gelehrt. Cyrns führte seinen Krieg gegen die Scythen an, östlichen Ufer des Kaspischcn Meeres. Darine« griff sie von der enr,,'-paiichen Seite an. Die große Handelsstraße aus Asien von Valtra »ach Colchis und Europa hatte hier ihre» Mittelpnnlt, sie blieb viele Jahrhunderte hmdnrch von, Kriegslariü unberührt. Alerander war nie hier, eine wie große Nolle scin vlame auch in allen hiesigen Sa^en spielt. Poinpejnc« fn>,r"3i' ttiumpligl. lO3 die Ursachen der Auswanderung, z. V, die Spaltung der Wisch nuiten und Siwaiten u. s. w. Die Alten schildern dies Volk der Sercn odcr Tschinn (Chi. nesen) als ein mildes Kulturvolk, Kanäle bauend, Ackerbau und Handel treibend, fleißig und ungrmein friedlich*). Der Handel erscheint selbst unter den wildesten Völkern als etwas Geheiligtes, Unantastbares, und er findet stets bei ihnen Schutz, Die Handelsleute dringen zn allen Völkern und werden gern gesehen. So war denn anch das Handclövolk der Tschinn durch alle kaukasischen Bänder verbreitet und bei allen Völkern geehrt und geschützt, ja die wilden albanischen Bergvölker dienten ihm als Kriegsknechte, namentlich als Pompejus zuerst den Krieg in diese friedliche Gegend trug. Der innere Volksorganismus war der ihres östlichen Vaterlandes. Strabo fuhrt an, daß das Volk in vier Classen getheilt sei, daß in den Familien Gütergemeinschaft unter Verwaltung des Aelteste» herrsche, Vehnsverhältnissc durchdrängen den ganzen Orga. nismus des Volks. Wir haben schon anderwärts angedeutet, daß noch jetzt auch bei den Georgiern Spuren der Lehnsverfaffung und der Vierkastencinthcilung sich finden. Der Handel, welcher hier betrieben wurde, war ein Tausch Handel. Die Römer berichten ausdrücklich, daß man keine Münzsorten dort gehabt oder gebraucht, kein genaues Maß und Gewicht gekannt. Schamakie war der Mittelpunkt dieses Handels. Sie trieben Seidenbau und Seidenweberei aller Art, kannten die Filz-bereitung u. s. w. Dies Volk blieb in ununterbrochener Handels^ Verbindung mit seinein alten Vaterlande und führte die kostbaren indischen und chinesischen Stoffe und Productc auf die kaukasischen Märkte zum Tausch mit den Europäern. Hier holten dann im Mittelaltcr auch noch die Venetian« und später ausschließlich die Genneser die berühmten indischen Stoffe sich hor, und wenn in den deutschen und französischen Minneliedern von Indien und seinen kostbaren Stoffen und Waaren die Nede ist, so sind die Landstriche ') Der arme»>schc (ihwulst Moses von Khorene bezeichnet das Volt b" Tschnu, als das fticdlichste unter all^n »nif »Krden. 100 am westlichen Ufer des Kaspiscben Meeres gemeint *). Im 16. Jahrhundert hatten auch die Engländer hier schon ihre Faktoreien, und Königin Elisabeth schickte 1501 Ienkinson als Gesandten nach Schirwan. Hamburger Kaufleute suchten hier Verbindungen; ihre l)teise I0H!5) daö Christenthum, wis Matthäus dem lnncru oder politischen Aethiopieu (NordNemasien). Ritter, II, S. 9M. **) Benjamin von Tudela erfnhr l175 in Persien, daß anf der Hochterrasse Nist",'», 28 ^agereisen oberhalb Samarkand, ni einem Lande voll Burgen und Städten rin freies V^'ll von Iuoen ^»6 den Stamnion Dan scbnlo,!, Ässer und Mphthali wohnc. unter einem Fnrsten Icsepl) A»,area. nin-m L^'itlü, Rittcr, !!. S, 4«7, 107 fleißigen, friedlichen, und daher geliebten und geschätzten sero. indischen Colonistenvolks lag, so treten uns in den westtaukasischcn oder sogenannten kolchischen Landstrichen dir ganz ähnlichen und ergänzenden Verhältnisse entgegen. Aus jenen östlichen Niederlagen ginge» nämlich mm die für Europa bestimmten Waaren und Prodntte nack den westlichen Handelsplätzen und Häfen, deven Hauptpunkt das berühmte Dioscunas (wahrscheinlich der kleine Hafcnort Isgaour, oder Sokoum^Kalc). Zu Mithridat's Zeiten, sagt Strabo, tra^ sen sich hier zum Handel und Wandel 70 Völkerschaften, und der Handel mit indischen und bayrischen Waaren, Edelsteinen, kostbaren Geweben brachte große Reichthümer in die Königreiche des Prusias, Attains und Mithridates. Zu Plinius' Zeiten war hier Alles verwüstet, doch erwähnt er noch, daß zu Anfang der Römer Herrschaft der dortige ungeheure Handel I7»<) Dolmetscher zum Ver kehr unter den Völkern nöthig gemacht habe. Die Römer gaben diese uralte Richtung des asiatischen Handels zum Theil auf und leiteten ihn über Alerandrien und das Rothe Meer nach Indien. Nach der Zerstörung von Dioseurias zog sich der Aazar für den asiatischen Tauschhandel nach Georgien, wo vorzüglich im Thale des Kur ad Dubios, zwischen Tistis und (5riwan der Handel aufblühte, aber im 7. Jahrhundert ebenfalls unterging, wo dann nur noch der östliche Handelsverkehr ill Schamakie u. s. w. so lange als die Sassanidcn trene Ormudzdirner, die Ghebern, schuhten, bestehen blieb. Als der Mohammedanismus die Ormudzdiener hier verfolgte, zog sich der Handel nördlicher nach der Wolga hin, in das Neict, Khozar, das dadurch aufblühte. Wie wir im Osten das friedliche indo-ftrische Colonistenvolk als einen Hauptträger des Welthandels erblicken, ebenso treffen wir nun im Westen ein ganz ähnliches Handelsvolk, die Kolchier. Auch diese sind nicht das herrschende Volt des Landes, sondern ebenfalls ein fremdes, aber hier von uralters her angesessenes Colonistenvolk gewesen. Ob ebenfalls ein sero-indisches oder ein äthiopisch, ägyptisches (zolonistenvolk. ist noch nicht wissenschaftlich festgestellt. In der Mitte des Landes nennt Herodot die Saspircn, dir schon in Lerxes' Heere dienten, wahrscheinlich sind sie mit den spä- l 08______ tnn Iberiern und den jetzigen Georgiern *) identisch, lieber ihren Ursprung steht nichtö fest. Ritter meint, sie könnten ebenfalls indochinesische Einwanderer stin, da das Wort Tschin so häufig bei Land- und Ortsnamen vorkomme, Tschin-Kartuel, Tschin-Val u, s. w. Dir edelste Familie Georgiens, die Orbellians, rühmt sich der chinesischen fürstlichen Abkunft. Strabo sagt, die Iberier theilten sich in vier Kasten: die erste, aus welcher der König nach dem Alter gewählt werde, der Zweitälteste wirb zum Richter nnd Feldherrn bestellt, Die zweite die Priester, welche den Frieden mit den Nachbarn unterhielten, die dritte die Krieger, die vierte die Sklaven und Knechte. Sie hätten Gütergemeinschaft und der Aelteste verwalte das Familiengut. Das deutet allerdings auf indische Verwandtschaft hin. Noch jetzt zerfallen die Georgier in vier Stände, die Fürsten, die Geistlichkeit, drn Adel und die Bauern (Leibeigene), und wie oer König (Czar), der Acltrste ans dem Geschlechte der Vagratiden, so ist auch der Aelteste aus dem zweitedelsten Geschlechte des Volks, dem der Fürsten Orbellian, der geborene Krongroß-fcldherr des Reichs. Die vorstehenden Andeutungen werden genügen, um die unermeßliche Wichtigkeit der Weltstellung, den dieser Erdgürtel in religiöser, politischer und commcrcieller Beziehung Jahrtausende der ältesten Zeit und Geschichte gehabt hat, zu begreifen. Dirs ist selbst noch im Mittelalter, wenn auch nicht ganz im selben Maße, so geblieben. Erst als die Türken das byzantinische Reich ganz überwältigt und die beiden mohammedanischen Reiche, die Türkei und Persien, sich völlig consolidirt, begannen auch sie die Wichtigkeit des Besitzes dieses Landes zu erkennen. Sie brachen zunächst die Kraft der beiden christlichen Reiche, die sich hier scit dem 4. Jahr hundert allmälig gebildet hatten, des armenischen und georgischen. Dann aber, wie ehemals Perser und Griechen, bekämpften sich auf diesem Voden jetzt Perser und Türken, sehr wol einsehend, daß, *) Der Name Georgier kömmt übrigens schon bei Pomp. Mela uor und bezeichnet bei ihm Ackcibaner, Vielleicht von dem Flusse Kur, Kürai, Gnrgi, KlN'Man. In christlichen Zeiteil verwandelte sich da« iü die Her-leitung vom Ritter St,-Oem-g. Die Georgier sind axch wiMch die Rille, der kaukasischen Holler uud Läudcr! 109 wer unbedingter Herr auf diesem Landgürtel sei, auch ganz Westasien beherrschen müsse, Veide Reiche hielten sich Jahrhunderte lang hier so ziemlich die Wage, so daß Osttranskaukasien Persien, Westtrans kaukasien der Türkei gehorchte und folgte. Allein das Land und Volk sank dabei unter diesen früher tief barbarischen, später jämmerlich elen den Gouvernements immer tiefer in Barbarei und Verwüstung herab. Aber der Mohammedanismus zersetzte im Lanfr der Iahrhun-derte sich immer mehr und mehr, seine Weltmission scheint beendet. Die mohammedanischen Reiche und Völker verloren nach und nach allen moralischen Halt, sie versanken immer tiefer in Depravation und entnervende Wollüste aller Art. Selbst der äußere Halt des socialen Staatölebcns dieser Völker, dir Energie des Kriegsmuths, verlor sich immer mehr, nur ab und zu flackerte sie einmal anf. Die Disciplin der Soldateska ging immer mehr unter. Von einem geistigen oder gar wissenschaftlichen Leben, wie es bei den Arabern sich entfaltet hatte, zeigte sich fast keine Spur mehr. In jeder Beziehung waren die christlichen Staaten und Völker den mohammedanischen nach nnd nach weit überlegen geworden. Während nun in den kaukasischen Ländern die Türken und Perser rnlweder um die Herrschaft kämpften oder sich doch neidisch und eifersüchtig im Schach hielten m,d beobachteten, hatte sich im Norden eine neue politische Macht rasch ausgebildet, die schon vor länger als einem Jahrhundert beiden mohammedanischen Reichen hier und anderswo im Kriege entgegentrat. Nußland hat sehr geschickt auf dem Felde des Kriegs wie auf dem der Diplomatie hier zu handeln gewußt. Nach dem uralten politischen Ariom: divide ot impel-.i! hat es stets die Vereinigung der beiden Mächte zu verhindern gewußt. War es mit der einen im Kriege, so hielt es die beste Freundschaft mit der andern, und die thörichte Antipathie und Eifersucht beiver war so g,oß, die politische Ginsicht trotz mehrtauselldjährigen Erfahrungen und ur alten Traditionen der früher hier vorhandenen Reiche, in deren Stellung Persien und die Türkei getreten, so gering, daß ungeachtet der bittern Erfahrungen von länger als einem Jahrhundert noch selbst in diesem Augenblicke Rußland mit den Türken Krieg führt und mit Persien Frieden hat, ja fast in ihn, einen Vundes 110 genossen gefunden hätte. — <^u<>« vlilt ^oi-cl^e, «lem^nlal! — Nnd wir könne» es doch nur für eine Fügung der Provide»; und ein Glück halten für die Cnlturwelt wie für die Landstriche insbesondere, daß in dic Stelle der barbarischen nnd zngleich kläglichen mohammedanischen Unterjochung eine christliche Regierung getreten. Nußland hat den .5daukasus theils durchbrochen, theile! umgangen und hat nach und nach, sehr langsam und mit großer Mäßigung fort schreitend, dir ganze Ländrrmassc dieses Grdgürtels eingenommen, Es hat durch dir letzten Friedensschlüsse mit Perficn und der Türkei eine äußerst günstige und militärisch sichere Grenze längs dem Kamme der Gebirge gewonnen, die einer tüchtigen russischen Armee sowol Persten als die asiatische Türkei völlig nnd wehrlos, wenn nicht Natm Hindernisse sich entgegen stellen, überliefert. Rußland stehen aber hier nur zwei Hindernisse entgegen, sonst könnte es un^ streitig bei einiger Machtrntwickelnng seine Grenzn an das Mittel-meer und den Persischen Meerbusen vorrücken! (inglaud und die Bergvölker des Kaukasus! Das übrige Europa könnte eine solche Eroberung Rußlands mit Gleichmuth ertragen, ja es könnte sogar große Vortheile darin finden, denn die westliche Stellung Nußlands würde dadurch bedeutend modifleirt, der sogenannte Zug und Druck dorthin würde sich mit bedeutendem Gewichte nach dem Südostrn wenden, England aber hat für seinen eigennützigen Standpunkt völlig recht, und es muß zuletzt den Kampf bis zum Messer sühren, denn es handelt sich im Hintergrunde ganz einfach um Ostindien, d, h. um seine Eristen;! — Und die Bergvölker? — Nun, sie kämpfen seit 50 Jahren für die Freiheit ihres Herdes.' wer kann ohne Interesse und Bewunderung ihren heldenmüthigen Kampf beobachten? Wir stehen hier möglicher Weise, vielleicht wahrscheinlich, vor dem Beginn einer ungeheuern politischen Weltkrisis, die die Um wandlung aller politischen, staatlichen, socialen Verhältnisse Asiens im Gefolge haben könnte. Der Krieg »im die kaukasischen Bänder und ihr dauernder Besitz wird wol entscheiden, ob diese Umwandlung rasch von Anßen oder allmälig durch innere Evolutionen herbeigeführt wird. Man könnte hier viele und qrosie politische Fragen an die Zu kunft lichten nnd darauf gegründete Meinungen aussprechen. Gs ist dies .in verführerisches Spiel der Phantasie! Die Vorsehung 411 spottet aber i» der Negel derselben, eS wird iinmer ganz anders, als man sich denkt und ausklügelt! Gelingt es England, den Fanatismus des erlöschenden ISlam nochmals zu entstammen, in der Person Schamyl's und den Prin. cipien des Mlnidismus eine weitwchende Fahne, ein Princip, zu geben, Sunniten und Schiiten, Türken und Perser zu vereinigen, käme eine bedeutende englische Kriegsmacht über den Persischen Meerbusen aus Ostindien, eine französische durch Landung im Winkel Kleinasiens ans dies Kriegslheater und bildete einen militärische organischen Kern für die mohammedanischen undiseiplinirten Massen, so bekäme Nußland allerdings einen schweren Stand. 'Allein dic Sache hat außerordentliche Schwierigkeiten, Es ist nicht leicht, eine europäische Armee hier aufzustellen, zu formiren, zu erhalten! Siegten dann aber die Nüssen und zwängen die Trum mer der europaischen Heere, das Land zu verlassen, so könnte nichts ihren Siegeslauf ferner aufhalten, sie würden unaufhaltsam alles Land bis zum Persische» Meerbusen und dem Mittelmecr in Besitz nehmen. Sie müßten dann schon zu eigener Erhaltung und Si-cherheit, nm nicht stets von neuem von dieser Seite sich Angriffen auszusetzen, die beiden mohammedanischen Reiche zerschlagen und zerstückeln, wo sich dann vielleicht vorläufig einzelne Tatrapien, wie etwa Chiwa, Buchara u. s. w,, bilden könnten. Einmal am Mit-tclmeer stehend, würde aber Nußland wol mit eiserner Faust auch Aegypten in Zucht halten! Dann aber hat Englands Stunde geschlagen! Aber den umgekehrten ssall angenommen, die Armee der Westmächte, begleitet von dem fanatisirten Islam, siegt vollständig und drängt die Nüssen über den Kaukasus zurück, was dann? Die Verlegenheit beginnt erst! was soll dann ans den Kaukasusländern werden? Will man diese christlichen Länder, nachdem sie seit 5l) bis 60 Jahren vom mohammedanischen Joche befreit unter einem christlichen Gonvcrnement gestanden, wieder unter das elende Gouvernement Perstens und der Türkei stellen, es den despotischen blutsaugerischcn Paschas und Sardaren überantworten? Das ist Unsinn, folglich eine Unmöglichkeit! Dabei lassen sich nun einmal diese Leichname, Persien und die Türkei, wol auf einen Moment durch (5uwirgalvanismus scheinbar beleben, aber dock nur auf einen 112 Moment! Will man 1el-<^ (Kouig der <5rde), der tynsche Hercules der Griechen. Bei de„ Hindn heißt er I(-9i't,->!<>li (der große Help). Bei dn, Aegyptern ^'U-.^ (der Starke), (^ö ist dev Nbnier ^iar^, der Griechen und Seythen Ares. — Ritter, ll, 5N3, Dieser W^i, monarch hat dann auch die Grenzsäulen des Lichtreichs im Osten, im Westen und in der Mittc gesetzt. In, Oste» «Mcr dem Namen des indischen Dollys»!? im äilßeche» Indien, im Westen im ängsten Europa unter dcm Namen des Hercnlcs die Herculessäulen, in der Mitte die von Ptolemän^ an^efülirten ..i^ oder Q>1»lmu>c> ^Ic!Xü»cli'i nördlich vom Kan' lasns nach dein Ta»^!,,' hin, Das, Aleninder nie hier war nnd dic Sage 115 Diese allgemein verbreitete orientalische Sage locaUsin sich „un in den kaukasischen Landstrichen, wie es sich so häusig bei den Volkssagen sindet, wo z, V. Alterthümer und Ruinen in Nord. dcutschland, welche die Volkssagcn und selbst die Chronisten des Mittelalters den Römern oder Karl dem Großen n»d seinen Frnn-trn zuschreiben, jetzt vom Volke sich in der Zeit näher gerückt und den Schweden des Dreißigjährigen Krieges zugeschrieben werden. In den Kaukasusländern wird der Weltmonarch Dulkarnein mit Alexander dem (kroßen identisieirt, und dem ,,Iskander" die Erbauung der kaukasischen Mauer, sowie die Neste und Ruinen von allem Großen, was sich dort findet, zugeschrieben, ungeachtet Alerander notorisch nie in diesen Ländern war "). So weit die Sage, die mythische Zeit! Ehe wir zur historischen Zeit übergehen, wollen wir kurz berichten, was von diesen Schutzlinien und Befestigungen noch übrig ist, und wie sie, nach bestimmten Nachrichten oder nach den Ncstcn und Ruinen zu schließen, beschaffen gewesen sind. Die Ueberreste der kaukasischen Mauer zeigen«*), daß sie nie sie nur auf ihn übertrug, ist unzweifelhaft. — In dieser Weltstellung aalt dann auch Derbent, als in der Mitte dcr Weltgrcuze liegen?, alo die I'«,,'!., >»f,!'lm'nm, die Pforte dcr Pforten. ") Dcr Alkoran Mohammed's halt sich an die älteste ursprüngliche Sage, cr erkennt de» ungläubigen Alerander als gerechten uud rechtmäßigen Weltmonarchen nicht an, sondern nur deu altgläubigen Perscrschah, welcher mit Abraham bereits nach Mekka gepilgert sei. — Dul-k-ar-nei» heißt übrigens Mensch mit zwei Hörnern, das deutet auf den ägypti-scheu Jupiter Amnwn und den ältesten Weltmonarchen, den ägyptische» Alerander, Sesostris, hin, der ja wirklich in den Kaukasllö eindrang. Die Sage von des luaeedonischei, Alerauder's mystischer ^r^euguug vi,'n einem Gotte, von Zeus Ammon oder gar dem indischen Dionysos, die in vielfachen Formen im ganzen Orient verbreitet ist, hat gewiß dazu beigetragen, diesen Fremdling in, Orient so popnlär zu machen. Die Meinung der Volker, daß er a!>) Sprößling der Heroen oder Götter ein Recht a»? die 'R'eltmonarchie habe, mag seinen sonst unbegreiflich leichten Sieg vorbereitet haben. Daß er selbst den (tauben von einer hoher» Abknnft und daher Berechtigung hatte, ist sicher. ") Der Verfasser ist für seiue Person nirgends in den legende» ge-wesV», wo sich die Spuren jener Mauer finden. (5r folgt demnach bei d'n hier gegebeneu Notizen bewährten Schriftstellern, wie Ritler, ^rdluude. "' ^>^ fg., und Dnl'ow de Montpereur, Reift in den Kaulasno u. s. w. 1l6 eine ununterbrochen fortlaufende Mauer gewesen wie die chinesische, Die Natur des Landes machte dirs völlig uunöthig, ja vielleicht unmöglich. Die meisten Felsgebirgc des eigentlichen Kaukasus sind kaum von dem Einzelnen zu überklimmen, für bewaffnete oder gar berittene Haufen völlig unzugänglich. Gs sind daher nur die mehr oder weniger engen Thalschluchten durch Mauern und Pforten zu verschließen gewesen. Ob die allgemeine Sage wahr, die Mauer ziehe sich 100 Meilen lang von einem Meere zum andern, das ist noch nicht hinreichend untersucht und festgestellt. Man kcnnt nur die Nestc der Mauern und Thore einzelner Engpässe und einige längere fortlau sende Maucrreste. Vom Schwarzen Mccr anfangend, so finden sich nördlich von Mngrelien überall Neste dieser Mauer, wie man behauptet, gegen 20 Meilen lang. Dann kommen einzelne kürzere Wegstrecken, wo durch Mauern einzelne Thäler und Pässe geschloffen werden*), im Lande der Walgircn am Arredon, im Lande der Sachas am Flog, dann in einem Seitenthale der Tagaari. Dann kommt der be rühmte Paß von Dariel und Wladi-Kaukas, welcher aber jetzt ganz anders befestigt ist, und wo mau von den alten Mauern und Thoren fast keine Spur mehr finden soll. Im Lande der Ieguschen finden sich am Schalgier dle Mauevveste von Wavila. Am Südabhang des Schahdagh zum Alasonflnß hm ist ein Hauptpaß! die Albanerpforte. Hier fand der Reisende Neineggs noch im 18. Jahrhundert einen noch fast erhaltenen Mauerrest beinahe 20 Meilen lang und hin und wieder 120 Fuß hoch. Wieviel gegenwärtig hiervon noch vorhanden, darüber fehlen uns die Notizen, Dieser mächtige Mauerrest steht noch in einiger Verbindung mit dem den ganzen Zug der kaukasischen Mauer am Kaspischen Meer bei Derbent schließenden Mauerrrst. Hier ist die Mauer noch zwei Meilen lang ziemlich erhalten. Wenn die Sage den fabelhaften Wrltmonarchen Dulkarnein alö Erbauer der Mauer nennt, so weiß die Geschichte nichts Sicheres über die erste Entstehung der Mauer zu melden. Ihre Entste- *) Vine Karte des General von (5l?atof. die ich aber nicht gesehen, foll drn Zua der großen MW Goldstücke ;u den Vcrtheibignngökosten hinzuzahlen. Die Sassaniden Schah Kobad und sein Sohn Khosru^Ann. schirwan U'areti die Wiederherstellcr der reinen Ornuizdlehre, In ihnen erwachten alle alten Sympathien nnd Traditionen der alten T'erserschahs. Ihr Blick wandte sich daher mit besonderer Viebe und Verehrung zum Nrlande der Iranier, zum geheiligten Vande der Magier und der ewigen Feuer, zum Vaterlande Zoroaster's und des gewaltigen iranischen Heroengeschlechts, ans dem Eal nnd Rüste,» hervorgegangen, Schah Kobad wollte das gan^e ^and in einen maurrnmschlossenen Paradiesgarten der Iranier vrr>vandrln. Er baute Vaku und begann die Wiederherstellung der kaukasischen Mauer"). Sein Sohn Khosru'Annschirwan vollendete den Van und legte beim Ostpasi (l'oi'l,, c!!^i>i,>) am Kaspischei, Meere die Stadt Dcrbcnt an "*), Die einheimischen persischen Quellen der Geschichte jener Zeit ') Der Van »oil limgmtiln^m^neni, lim die Rcichc acaen Einfälle der Oarbare» zu schütze», lag in de>, Gedaulvn uni' B»'ariff^!i jrinr Zeit, Gleichzeitig w^llto damals Kaiser Iuftillia» sei« Reich durch Mauern und Wälle vor den Einbrüchen der nordischen Barbaren schütze». (Vül!u5 'l'l'l^'llM U, s, U'.) '") Gs geschieht richer uic oicftr Stadt Erwahnunq; wcim alst' etwa vorher dor< ein Ort gelegen haben inöchie, so hat wliiigiteu? (5ho^ru sie ueu anfgvbanl und nüt Maller» nmgl'l^!,. 1 >9 sino mangelhast over noch nicht hinreichend durchforscht, Das Mristr, was wir über jene Bauten wissen, verdanken wir arabischen Schrift^ stellern, Ebn Haukal, Masudi, l^drisi u, s. w. Damals abcr war schon das ^and in den Hände» mohaiumedanischer Herrscher, die jedoch die Sagen und Traditionen über die kaukasische Schul) maner aufgenommen, nur dasi diese, statt der Volker deö Ähri man, die Tiws und Tschinö, die Turanier, nnn den Gog uno Magog der Bibel und des Alkoran abwehren sollten. Derbeut aber war in ihrem Ociste dadurch geheiligt, daß Mohammed selbst diese Stadt die Thür des Glaubens genannt hatte. Dadurch mm, dasi auch die mohammedanischen Herrscher hier viele Bauten vorgenommen, kann mau nicht recht mehr unterscheiden, was ursprünglich und den Sassaniden augrhört, uud was spater z»,ge setzt wordeu ^). ^^ Äm ausführlichsten hat sie HZcu-Iaeuti, IM"», beschrMe», desscn Vlschreibung ivir hier, andere «chenfallö beuuhend, zum (^ruude !>!a.l'!, wollen. Die Stadt Derbent liegt auf einem mächtigen Fei sm, sich drei Parasangen (?) lang längs dem Meer hinaufziehend, aber sie ist nur schmal, rinrn Pfeilschus; breit. Sie hat sieixn eiserne Tborc, jedes mit zwei Thürmeu, in dereu jedem eine Moschee"). Die Mauern, welche von den Sasfamdm außer ordentlich sorgsam gebaut sind, waren überall mit Wachtposten be^ setzt. Die Stadt ist in sieben O-uartiere getheilt. Der Chalif Harun-al-Naschid ließ die nöthigen eisernen Pforten schmieden, Hier beginnt mm auch die tauk.,sische Maner. Vom Meere an war die Malier hingezogen bis zu dem Felsgebirg Houaschb. Ebn Haukal (im Iayr Mil)) sagt, vie Mauer habe sich auch noch *) Der Name der Stadt ist bei dim M'lln'» verschieden. Dic Pnj.r uild A'incliicr m'mn'u fi»,' Derdent, vrn Der, Dar, Dm -^. Th^r, Thür, bent hcistt ruq, also eüssc'c« Thor, Vei den Tütteu findet sich der Na»n' Demir-^ape ^- nscrnecl Thor. Vn d^i, Arabcrn Aali-cl Abwabi --Thor der Thore dcr Gläubigen, dei den später» Arabcril anch: Vab-cl-Hadidi --- das eiserne Ther, Die Tataren nennen fle Val^Voreah -^ das GrcnzhauS. Marco Polo liiu Jahr 13W) «runt sic cdenfallö Pmta di ftsro. *'j Die Moscheen sind nustreiliq nicht v>.m d>,'!i Sassaiiitxn gcd.nlt. wndcri, mw der Zl'il dcr nn'ha»,>,>cda»ischcn Herrschaft. 120 tief m die See hinein erstreckt, um den lj>tzt völlig versandeten) Hafen vor Stürmen und feindlichen Schiffen zu säncheu. Vei Der-bent, und eine ziemliche Streckt weit, lief uoch eine zweite Mauer parallel und 300 Ollen weit von ihr entfernt. (Das Heer Peter's l. defilirtr iwch 1720 zwischen diesen beiden Mauern hindurch.) Alle hiesigen Mauern sind von einem kiesclfesten Muschelkalkstrin gebaut, alle Mauersteine in so großen Quadern gehauen, daß, um den kleinsten aus der Stelle zu rücken, 5,0 Menschen nöthig gewesen. 'Auf dieser ersten Strecke der kaukasischen Mauer bis zu jenem sselsgebirg, sieben Parasangen (?) lang, waren sieben eiserne Pforten. Ueber jeder lagen zwei ruhende ?öwcn *) (oder Sphinic) aus Pfeilern, es waren Talismane, welche die Ungläubigen zurück-schrecken sollten, welche stets an der Zerbröckclung der Mauer arbei. teten, um ins ^and der Gläubigen einzudringen **). Sieben Wege filmen von diesen sieben Pforten nach der Stadt. Masudi sagt, die Mauer beginne am Scegestade, laufe bis zum Kastell Caliat-Thabarestan und habe von da alle drei Meilen ein eisernes Thor und daneben ein Kastell, Edrisi (im Jahr l15l) setzt dieser Nachricht hinzn, die ganze kaukasische Mauer habe 300 solcher Thore und Thürme. Offenbar eine sehr übertreibende *) Diese ^'wm sind offenbar noch aus der Sassanidenzeit, ihre Bilder gehörten dem Cultus an. Die Mohammedaner haben nirgends Bilder und Bildsäulen errichtet. "') Hier liegen uralte Sagcn zum Grunde. „AlS Icckcmder lDul-farueiu) die große Neltmaucr zwischen dcn Reichen Ormuzd's und Ahriman's (Iran und Tnran) baute, hat er sie aus allen Arten von Metall aufgeführt, aber die DiwS mit einer Huudsschuaii^ benage» und belecken sie von ihn-r Scitc her befläudig, um sie zu zerstören. Viust, vor dem letzten Oericht, wird es ihnen arliugm!" Vci den Mohammedaneru siud aus den Diws Gog und Vlagog gcroorbcn, Vei den P^'lfern um Derbeut her herrschte und herrscht uoch jetzt die Prophetische Sagc - ,,Nur dann wird das Reich der Mäul'igeu zu Grunde gehen, wenn ein feindliches ungläubiges Volk mit gelben Gesichtern hier eindringen wird." — Als Niebuhr dic Türken fragte, welche Volker gemeint wären, welche dic Mauer durchbräche», sagte« sie: die Nussen; als er die Araber fragte, meinten sie: es wären alle Oliropäcr. weil Stambul durch ihr Drängen l'^ild uach Vagdad vorlogt wcrdrn mnsitc. Ritter a, a. i?. 121 Sage! Jedoch nennt er eine ganze Anzahl dieser Thürme mit Namen, S. Ritter, II, 865 fg. Vom t(l. Jahrhundert an verfiel Derbent allmälig, seine Vc-völkerung schmolz zusannuctt, die Vertheidigungsaustalteu wurden vernachlässigt. Die mächtigen Maucvn verfielen und wlirden zum Theil muthwillig zerstört. Dennoch behauptet es noch jetzt eine welthistorische Stellung, seine militärische Bedeutung ist nicht zu berechnen, M ist das Verbindungsglied der kaukasischen Schutzlinie mit dem Kaspischen Meere, — Als Peter I. nach dem kaukasischen Feldzuge in Moskau seinen Einzug hielt, galten unter allen Trophäen als die wichtigsten nnd bedeutendsten: Die Silberschlüsscl der Eisenthore von Derben t. Die Sassaniden haben, um ihre Herrschaft in diesen von ihnen so hoch und wichtig gehaltenen Landstrichen zu sichern, nicht blos die alte Schutzmauer wiederhergestellt und alle Engpässe befestigt, sie legten auch jenseits der Mauer, au drn Norbabhängen, und längs der Kette des Kaukasus eine grosic Zahl Städte und Kastelle an, die den ersten Andrang der Barbaren aushalten sollten, damit man sich hinter der Mauer sammeln und vorbereiten könnte. Ferner siedelten sie vor und jenseits der Mauer meist im Gebirge eine große Zahl Leute aus allen möglichen Völkern an und bildeten aus ihnen Militärcolonien zur Vertheidigung der Gebirgslinie, meist unter eingeborenen Stammesfürsten, die nach dem Zerfall des Safsanidenreichs sich als unabhängige kleine Dynastien constituirten und ihren alten Glanben lange gegen den Islam vertheidigten, aber auch untereinander m beständigen blutigen Fehden lebten. Vielleicht find ein Theil der Lcsgier, die ja in Sitten, Lebensart und Tracht sich sehr ähnlich sind, in Ursprung und Sprache aber höchst verschieden und mannichfaltig erscheine», die Nachkommen dieser Militä'rcoloniften *). *) Gs geschieht nichts Neues unter bcr Sonne! Wie damals in und vor dem Gebirge Militärcolonien gegen die Steppenvölker gebildet wurden, s» werden jcht nmgekchrt von deu Nüssen gegen die GebirM'ölter Militärcolonicn gebildet. Os sind die verschiedenen Kofackmstämme. vic auf der ganzen Linie längs dein Kantaslw angesiedelt werden, 122 Die Sassanidrn folgten auch darin dm altpersischen Traditionen, daß sic das uralte dem germanischen in (heist uud Charakter ahn liche Lehnsiresen wieder herstellten; nainentlich setzten sie an den Grenzen gern erbliche Lehnsfürsten, was wir Markgrafen nennen würden, ein. In uralt persischer Zeit regierte hier ja anch im echten Lehnsverbandc zum Schah das berühmte Heroengeschlecht von Sal und Rustem! KhosruMnuschirwan erbaute Schlrwan znr Residenz eines Grenz fürsten, er bildete ans den Gebirgsdistricten oberhalb des Kur ein Fürstenthum, womit er eineil seiner Verwandten aus Sassanidenblnt belehnte. Masndi kennt sie vom Jahr 5W an daselbst. Die merklvürdlgste Markgrafenschaft stifteten die Sassanide» oberhalb Derbent. Es ist das Fürstenthum des Herrn vom goldenen Thron. Für das, was wir hier darüber sagen, ist Ebn Hcmkal (im Jahr 000) die Hauptqnelle. Drei Tagereisen nördlich von Derbent begann da? Gebiet Serir. W ward damals, 9<,N, von Trrsas (?), das sind Christen, bewohnt, welche jedoch mit den Moölims in bester Freundschaft lebten. Nördlich grenzte an das (hebict Serir das ^and des Königs von Asmid (oder Semid), dessen Hauptstadt nördlich nahe an der O,enze des Reichs Chozi (Chozaren) lag, und dessen Komg eill Invc war, der aber soiro! mit seinem südlichen (Serir) als dem növdlichen Nachbar (<>h»ii) im besten Vernehmen stand. Der Fürst oder König von Serir führte den persischen Titel Padischah von Serir, d. h. König deö goldenen Throns. Der Feldherr und Blutsverwandte des Schah Khosru Anuschirwan, Namens Vrhrcnu^hopin, erhielt für seinen Sohn dies Markgrafenthum als erbliches Lehn. (5r führte anch »och den Ehrentitel Val (Vaal, Vel) und erhielt vom Schah zum Zeichen der hohen Würde, wonüt er belehnt, einen herrlich gearbeiteten goldenen Thron, daS Werk vieler Jahre. Ob diese Sassa-niden. oder Ghebernfürsten später die Ormnzdlehre allfgegeben und Christen geworden sind, oder ob daS Land erobert uud ein christ-lich-griechisches Fürstengeschlecht auf den Thron gekommen, ist Wo. risch dunkel. Im Jahr '.Ml, fand C'bn Haukal hier Alies christlich. Zu (5d»'isi Zeiten, I!.><), bestand dies Neich noch, fand aber dann seine« Untergang durch Dschiugischan, Dennoch scheint der Titel 123 einigermaßen auf das von Dschingischan 125V gestiftete, von Timur 1395 wieder zerstörte Reich der goldenen Horde an der Wolga übergegangen zu sein '), während in diesem Landstriche selbst sich wieder ein neues aber mohammedanisches Fürstrnthmn bildete. Es ist dies das Fürstenthum des SehM-Chaleds, tatarisch-lesgischen Fürsten in Tarku. Der Ursprung, die Entstehung unb'der Umfang dieses Fürstenthums ist sehr dunkel. So lange das Sassaniden- oder christliche Neich Serir in diesen Landstrichen bestand, kann hier nicht gleichzeitig das mohammedanische bestanden haben, wenn es nicht etwa lediglich ans die Stadt Tarku beschränkt war. Wahrscheinlich war sein (Gebiet ursprünglich ejn mehr westlich im Gebirge liegender Landstrich, dessen Fürsten aber nach Zer. störung des Reichs Serir ihre Macht über den größten Theil von dessen Gebieten ausdehnten, Eine dort im Lande oder beim Hose des Fürsten erhaltene historische Nachricht, oder vielleicht nur Tradition und Sage be hauptet. unter dem Chalifen von Damascus seieu in den Grenz-Provinzen Statthalter eingesetzt worden, da sei denn auch alls del Nordseitc des Kaukasus ein solcher Statthalter zur ^ertheioignng gegen die Uruß (Russm?) eingesetzt worden unter dein vornehmen Titel Seham-Chal, d. i. Stellvertreter des Chalifcn. Die Macht des Seham-Chal von Tarku, auf eine merkwürdig günstige Wcltstellung basirt, dehnte stch sehr aus. Er spielte eine bedeutende Rolle in dem Kriege Peter's l. gegen Persien. Im Jahre 1740 erstreckte sich seine Herrschaft fast über den ganzm Kaukasus bis zum Schwarzen Meere. Nachdem Rußland nach und nach alle transkaukasischen Landstriche erworben oder erobert hatte, trat er ganz in ein Vasallenurrhältniß zn Rnszland nnd saut in vollständige politische Nullität zurück. Der Seham^Chal war seinem Ursprünge und feiner Stellung nach der alleräußerste Vorposten des Islam auf der Warte gegen den Norden, gegen Oog und Magog! Nicht der Titel des Stell- *) Al-Mrdi, i:N». vcnvcchselt offenbar den ältern Fnrste» des ^'ldenc» Throns „nt dein spätern mongolischen (5han der goldenen Horde, dvn e, Senr-eb-de-hab nach dcn> alten Serir ucnnt. 12H Vertreters des ChaUfen, aber wol die effective und essentielle Stel^ lung, seme Macht, sein politischer und religiöser Einfluß auf die mohammedanischen Völker des Kaukasus ist jetzt alls seinen nach' sten Nachbar, den Propheten des Murivismus, ans Schami)! übergegangen! Der Kaukasus hat die alten asiatischen Wrltnwnarchien stets vor dem Norden geschützt. Die wilden Bergvölker haben zu diesem Schutze beigetragen, aber sie haben den Monarchien nie gehorcht und sich ihnen einverleibt, sie haben stets ihre Freiheit und Unab^ hängigkeir erhalten. Dennoch haben durch alle Zeiten hindurch Perser, Byzantiner, Araber, Mongolen und Türken es vielfach ver sucht, sie zu unterjochen. Vergebens! Die mohammedanischen Per-serschahs nannten den östlichen Kaukasus Alaphat, d. i. Gebirge des Siegs! weil sie sich stolz rühmten, hier 170 Völker unter ihre Herrschaft gezwungen zu haben! Wo ist jetzt ihre Herrschaft? Es gibt ein altpersisches Sprichwort! „Wenn es dem Schah zu wohl ist, so laßt ihn nur den Kaukasus bekriegen! Die Perser haben zwar einigemal sogar auf der Nordseite des Kaukasus Posto gefaßt, Cownicn angelegt, Städte aufgebaut, ja eine kurze Zeit erstreckte sich ihre Herrschaft bis an die Wolga. Aber es war eine unhaltbare Position! rasch im günstigen Moment gewonnen, aber eben so rasch verloren! Thamas-Kuli-Chan (Nadir-Schah) erbaute um l740 nördlich von Dcrbent eine drohende Veste uuv nannte sie gleichsam pro,', phetisch: Iran Gharab, Irans Verberben! Cben uou damals an, wo der letzte kräftige kriegerische Monarch auf Pcrsiens Thron sasi, sank Iran (Persien) immer tiefer, »lud Prrsiens Macht und Name ist im Kaukasus jetzt völlig erloschen, fast vergessen und ungekannt! Nur der Oroßhcrr und die Türken besitzen noch Ve-deutung und Smnpathie bei den kaukasischen Völkern! Das Verhältniß hat sich jetzt völlig umgedreht. Wenn die alten asiatischen Neiche ihre Arme über den Kaukasus binansstreck ten und über die Nordseite hinaus Eroberungen versuchten, welche aber schnell wieder verloren gingen, so hat jetzt die große noroische 425 Macht ihre Arme nach dm südkaukasischen Landstrichen ausgestreckt und steht drohend auf den Höhen der Landmarken der beiden asiati. schen Reiche, Wird diese Stellung etwa auch nur eine vorübergehende sein? — M ist nicht wahrscheinlich! In jener Vorzeit des Menschengeschlechts war die Cultur im Süden und die Barbarei im Norden. Jetzt umgekehrt, im Süden ist die Varbarei und die elendeste Verkommenheit! Das nordische Ncich ist dagegen wohl organistrt und eonsolidirt, und es ist unzweifelhaft, daß jene bei-den verrotteten asiatischen Neiche nimmermehr im Stande sind, mit eigenen Kräften Nußland aus seinen Positionen zu verdrängen. Es hat nun den Anschein, als ob diesen asiatischen Reichen eine unverhoffte Hülfe von einer Seite her gebracht und geleistet werden sollte, von wo man es nimmermehr hätte erwarten sollen! Wird hierdurch Rußland alls seiner günstigen Stellung verdrängt werden? Wer lüftet den Schleier der Zukunft? Zur Beurtheilung der politischen Weltstellling dieser Landstriche bei deni mögllchrrwclsc bevorstehende» großen Kampfe muß man die Charakterisinmg der politischen, socialen und religiösen Verhältnisse der hier lebenden Völker nicht unbeachtet lassen, Im Ganzen und Großen muß man drei verschiedene Völkergruppen hier ins Auge fassen, die seit uralters gesondert hier neben einander stehen, die kaukasischen Gebirgsvölker. die westlichen Volker, die östlichen Völker. Die Gebirgsvölker ohne Sympathie für Türken, Perser und Europäer, aber mit einer von Jahr zu Jahr zunehmeuden Antipathie und einem tiefen Hasse gegen Nußland, wollen nur völlig unabhängig sein und sich frei bewegen können. Sie wünschen, daß ihnen die crstern, die Türken, Luft machen, wollen sich ihnen aber durchaus nicht zugesellen. Sie sind grösitentheils Mohammedaner und haben eben jetzt einen großen politischen und religiösen Mittelpunkt und einen Vertreter desselben, einen Helden, gefunden, um den sie sich scharen, Die westlichen Völker bis über die Mitte des ErdgiirtelS hinaus, die georgische» uud armenischen Stämme sind Christen, meist mit der russischen Kirche verbunden! Mit den östlichen kankasischen Völker», haben sie niemals, durch alle Zeiten hindurch, einen poli. 126 tischen oder nationalen oder religiösen Zusammenhang gehabt, weder in altiranischer Zeit, noch in neuerer tatarischer Zeit. Gegen Perser und Türken haben sic einen tiefen Abscheu. Gegen diese werden sie stets mit den Russe» stehen. Die Armenier sind entschieden anhänglich an Rußland, bei den Georgiern möchte dies ein Theil des Adels nicht sein, wir glauben aber doch nicht, daß ei? westeuropäischen Einflüsterungen und Intriguen gelingen möchte, sie wirklich in ihrer Treue wankend zn «lachen. Ihre Greise wissen sich doch noch an dir Zustände vor 1800 zu erinnern, wie scheußlich Türken und Perser damals und stets Gmsien behandelt hatten, wie man einen Tribut von Knaben und Mädchen foderte, wie man den Islam mit Gewalt aufdrängte. Am Ende des vorigen Jahrhunderts, 1705, hatte der Schah Aga-Mohammed-Chan Tislis erobert und vollständig zerstört, dem letzten grusinischen Könige blieb nur noch Karschaur. Gr sah keine Rettung mehr! Da vermachte er sterbend sein 9lcich an Kaiser Paul und flehte ihn im Testamente an, das ^and zu besetzen und zu beschützen und das Christenthum aufrecht zu erhalten, welches 15 Jahrhunderte unter ewigen Kämpfen bestanden hatte, aber jetzt seinem Untergange nabc sei! Vs war gerade z»r Zeit der Thronbesteigung Alexander's, und dieser schwankte lange, ob er das dmnenuolle Geschenk annehme», sollte. Damals l«g Tiftls in Ruinen, welches jeht W bis ."»0,<»<»0 Einwohner zäblt! Die Ostseite, bewohnt von tatarischen und persischen Stämmen, durchgängig Mohammedaner, sind den Russen abgeneigt, ungeachtet sie außerordentlich milde behandelt werden. Rnßland wird wenig Hülfe von ihnen haben, aber ob sie sich förmlich wider Nußland auflehnen und sich offen an Türken und Perser anschließen wer den, ist eine ganz andere Frage, Sie haben gar keine Sympathie zu ihnen, haben gar keinen Sclbständigkeitssinn, und sind seit vielen Jahrhunderten gewohnt, fremden Völkern lind Herrschern ;u gehorche». Im kaukasischen Gebirgslcmde lcben vielleicht mehr als hundert verschiedene Völkerschaften, Völkerreste und abgesonderte, unabhängige Stämme. Von Mcheit der Veberrschung, von Einheit 127 in den Bestrebungen war bisher nie die Nede. Der Knegsznstand dauert bereits länger als ml Menschen alter. Einen wirklich,-,, und regelmäßigen Krieg kann man ihn nicht nennen. Früher machten die beiden zahlreichsten Völker des Kaukasus, die Tscherkessen nnd die Lesgier, häufige Raubzüge zu allen ihren Nachbarn hinab. Die Russen wollten das nicht dulden, sie siedelten überall ihnen gegenüber Kosacken an, suchten sie durch diese im Zaum zu halten und züchtigten sie mitunter tüchtig für ihre Räubereien. Dann kam eine Zeit, wo Nußland ernstlich daran dachte, sich dieser Landstriche zu bemächtigen. Trotz der allmälig steigenden zuletzt wirklich kolossalen Kraftentwickelnng eine völlig vergebliche Anstrengung! Rusiland gab dann die Eroberungspläne mit blanker Waffe anf. ES. versuchte, ihnen die europäisän' Civilisation, europäischen Lurus, Bedürfnisse, Sitten zu bringen, Statt die Bergvölker aushungern zu wollen und zur See die 'Ausfuhr und den Verkauf der Mäd^ chen und Knaben zu verhindern, öffnete eö den Tscherkessen seine Märkte, gestattete den Kinde, verkauf und suchte sie dnrch Wohl. thaten und Geschenke zu gewinnen. Auf der westlichen Seite bei oen Tscherkessen ward dies System mit ziemlichem Erfolg gekrönt. Schon seit Jahren hatte hier der eigentliche Krieg aufgehört, nur ftlten kamen noch Naubzüge kleiner Banden von Tfcherkessen vor. Das System hätte noch viel besser zum Ziel geführt, wenn man einen rechtlichen, aufrichtigen, wohlwollenden Handel und Wandel zu organisiren vermocht. Das hatte aber grosie Schwierigkeiten. Vielleicht wäre es am ersten mit Deutschen durchzusetzen gewefr». Die deutsche Gilden- und Zünfteverfassung trägt die Fähigüit zu einer strengen und rechtlichen Organifirung in sich, so dasi man olmr Gefahr ihnen einen priuilegirten aber beaufsichtigten Handel l'ätte anvertranen können. Man hätte ihnen dann vielleicht noch die ehrlichen Karaimjuden zum Zwischenhandel in dm tschertessischen Landstrichen selbst (denn diese würden die Tscherkessen zum Besuch zugelasseu haben) zugesellen können. Ein solches consequent durchgeführtes System hätte am Gnde wol allmälig Ruhe in diese Land-stnche gebracht, wobei ein völlig friedlicher Verkehr mit den Berg vvlkrrn eingetreten wäre, wenn dieselben auch noch lange ihre vollständige Unabhängigkeit bewahrt hätten. Das System ist aber «28 nicht consequent durchgeführt, und die neuesten Ereignisse haben allen friedlichen Verkehr völlig unterbrochen, fast beseitigt. Das Eindringen europäischer Cultur würde nun freilich das Schulte und Edle und die Energie des Charakters dieser Bergvölker zerstören und zersetzen, wenn sie dabei Mohammedaner blieben, sie wurden, wie dir Neutürken, abgeleckte Barbaren bleiben! Nur wenn gleichzeitig das Christenthum bei ihnen Eingang fände, würde auch wahre Gesittung sich verbreiten. Dirs wäre durch fromme, wohlorgauisirtc Missionen allerdings möglich zu erreichen, deuu die Tscherkessen waren ja schon in frühern Zeiten einmal zum großen Theil Christen. Theils war ihnen von den Georgiern das Christenthum gebracht, theils von den Ocnucscrn, von italienischen Mönchen. Seit etwas mehr als hundert Jahren fand der Islam beim Adel und den Fürsten Cingang, und noch jetzt halten sich die gemeinen Tscherkrssen meist ganz passiv, sie haben fast gar keinen positiven Glauben, Man behauptet', es lebten bei ihnen uralte Traditionen und Sympathien zu den Igenoaö (Genuesern) und das von diesen ihnen gebrachte Christenthum. Daß diese Sympathien nicht ganz er loschen, sieht man an der großen Anhänglichkeit und Liebe zu ihren alten Waffen, die ihnen nach ihrer Versicherung die Gcnuesen gebracht, und auf denen man noch oft lateinische Inschriften und Namen findet. Ueberall im Gebirge findet man Nuincn von genuesischen Kirchen und Capellen und aufgerichtete Kreuze, und kein Tscherkesse wird vorüber reiten, ohne abzusteigen, nieder zu knien und seine Andacht zn verrichten. Während es Rnsiland beinahe gelungen war, den Krieg mit den Tscherkefse» *) zu beseitigen, während man im Westkaukasus ') Der ganze Krieg mit den eigentlichen Tscherkessen hat feine große Bedeutung, er ist stets nur eiu Guerillalrieg gewesen. Ganz etwas Anderes ist es mit dem Kriege mit Schamyl und den Ostlaukasus. Beide Kriege werben aber häufig mit einander verwechselt nnd zusammengeworfen. Vs gibt viele Darstellungen derselb.n. Man fann sie aber nur mit Vorsicht benutzen, um ein Urtheil zu fassen. Giue ausführliche Darstellung findet sich alo Anhang zu Dul'ois de MlMprrrui, sie scheint aber nicht '.'on ihm selbst yerzurntnen. 129 sich nur beobachtete und fast friedlich mit einander verkehrte, mis lang Rußland im Ostkaukasus diese Pacification vollständig. Der Krieg wurde hier von Jahr zu Jahr erbitterter, regelrechter nnd im größern Maßstabe geführt. Hier waren andere (Grundlagen des Kampfs. In Daghestan (Lesgier, Tschetschenen u. s. w,) herrscht schon viel länger ein entschiedener Mohammedanismus, der bei den Tscherkessen nur laue Anhänger hat. Hier hat sich die mohammedanische Sekte der Munden gebildet. Der religiöse Fanatismus hat sich in unberechenbarer Weise gesteigert, und es haben sich allmälig Propheten und Führer gefunden, die Einigkeit unter den Völkern und Einheit und Regelmäßigkeit in die militärischen Bewegungen und Operationen gebracht haben. Die Nachrichten von dort sind äußerst unvollständig, unsicher und unzuverlässig. Die Bergvölker kämpfen, aber sie schreiben nicht, die Nußen kämpfen, aber sie dürfen nicht schreiben, die Staats-klugheit verbietet es. Welch herrliches, fruchtbares Feld für die europäische TageMgenliteratur. Mitunter haben Reisende einige wahre, aber noch mehr falsche Nachrichten gebracht. Sie verfolgten wissenschaftliche Zwecke und erkundigten sich nebenbei nach den kriegerischen Verhältnissen, Trafen sie zufällig wahrhcitliebende Leute, so erfuhren sie wol manches Nähre, aber viele Leute finden ein Vergnügen daran, namentlich neugierigen Reisenden etwas aufzubinden. Oeffentliche Orte, Kaffeehäuser u. s. w,, gibt es nicht, wo man über dergleichen spricht. In Tiflis z. V. hört man nie über den Krieg mit den Bergvölkern sprechen, Militärs fremder Armeen, meist der Deutschen, Preußen, Oest. reicher, doch auch Dänen lind Franzosen haben, um sich im Feld^ dienst zu vervollkommnen, oft ein bis zwei Jahre den Feldzügen der russischen Armee mit beigewohnt. Man hat sie durchgehendS vortrefflich und kameradschaftlich aufgenommen. Dies verpflichtet sie zur Discretion in Bezug auf alle Mittheilungen für das Publicum, Die europäische Literatur ist nicht reich an wahren und klaren Dar^ strllungen auch nur einzelner Epochen dieses merkwürdigen Krieges. Uns ist von einem Freunde, einem Deutschen von Geburt, ein kleines Manuscript mitgetheilt, aus dem wir einige Notizen über II. .> 130______ den Muridismus hicr mittheilen, Er hatte Oclegenheit, die Ver-Hältnisse ganz in der Nahe beobachten zu könne», und es scheinen ihm sogar aus dem Gebiete der östlichen Bergvölker selbst viele, besonders Pcrsonalnotizeii, zu Gebote gestanden zu haben, die er mit großer Unbefangenheit und ungetrübtem Blick benutzt und in seiner Darstellung mitgetheilt hat. Ma» nennt den Mliridismus eigentlich mit Unrecht eine mo-hammed attische Sekte. Man könnte ihn wol eher eilt politisch religiöses Schisma nennen. Der Muridismus hat keine dogmatischen oder theologischen Unterscheidungslehren vom übrigen Mohamme-danismuö' umgekehrt, er predigt offen die Einigkeit und Einheit der Schiiten und Sunniten *), ste sollen ihre religiöse» oder dogmas tischen Hanöstreitigkeiten und Zänkereien vergessen, um für jene principielle (weltliche) reine Lehre Mohammed's, „die Welt zu erobern für die Gläubigen und die Ungläubigen auszurotten", noch einmal die Fahne des Propheten aufzupflanzen. In ihrer äußern, weltlichen und staatlichen Organisation folgen sie den Satzungen tes persischen Sufismus, aber andererseits erkennen sie den türkischen Padischah als den rechtmäßigen Chalisen an. Aber sie lehren! Der Chalif ist schwach, cr ist von der reinen Lehre des Islam langst abgefallen, cr schließt Frieden mit den Ungläubigen, cr dul. dct diese um sich, sie haben Gewalt über ihn, er liegt in ihren Banden, er ist ihr Gefangener oder cr ist gar ein Apostat!") ') Die Trennnug der Schiiten und Sunniten ist uoch nicht alt. Ein Unterschieb in Ceremonien und religiösen ÄnschanuuzM bestand wol schon lange, aber Perser und Türlni sahen sich doch stets ale! Manbige nnd Glaubeusbrüder an, Abrr die Politik Iacoli-ChanS machte den Unter-schied geltend, um die Perser zu bewegen, sich gegen die Türken zu schlagen. Nachdem im Kriege 1547 etst einmal Vlut geflossen, ward der Haß unauslöschlich. '*) Alles findct in der Geschichte seine Analogie und Aehnlichkeiteu! Als Papst PiuS VII. mit Napoleo» das Concordat abgeschlossn uno eine Eircumscriptionsbulle erlassen, wodurch die Episkopale Frankreichs ueu gebildet wurden, proteftitte eiue Anzahl Bischöfe, wclche wahrend der Revolution vo» ihre» Sihcn vertrieben luid »icht wieder eingesetzt wurden, 131______ Seine Herrschaft über die Gläubigen hat daher factifch aufgehört und ist deshalb zurückgefallen auf die Gemeinde und ihre Mullahs, (Also auch die Volkssouverainetät im Islam!) Utberall erweckt Mohammed neue Propheten, neue Führer aus dem Volke, die von ihm gesendet sind, uns gegen die Ungläubigen zum Siege zu führen. „Ihnen müssen wir gehorchen!" Der Muridismus entwickelte sich, wie alles Große im Leben und in der Geschichte, aus einen« un-scheinbaren Keime! Im Dorfe Iareg in Daghcstan steht unter den übrigen kleinen Hütten ein armseliges zweistöckiges Gebäude. Eine kleine Treppe führt von Außen auf den hölzernen Valcon des zweiten Stocks, der durch ein Schirmdach vor Sonne und Negen geschützt wird. Es ist die arme kleine Dorfmoschee, der darüber hervorragende Halbmond zeigt die Bestimmung des Gebäudes! Im Innern ist Alles einfach, kahl, ärmlich. Wenn auch jede Moschee etwas mich tern aussieht, so trifft man doch oft schöne Vorhallen, zierliche Wasserbehälter zum Hänoewaschen u. f. w. Dies fthlt hier Alles! Es ist ein 30 Schritt langer und 18 Schritt breiter nackter Namn, etwas düster, da nur drei kleine wie Schießscharten runde Fensteröffnungen ein spärliches Licht gewähren, die Wände sind graubraun, der Fußboden mit schlechten Filztcppichen belegt. In der Mitte steht eine Art Kanzel von Nußbaumholz, grob geschnitzt. An den Wänden steheil in halbverlöschter großer Schrift Sprüche aus dem Koran. Diese kleine Dorfmoschee, welche kaum 200 Men schen fassen kann, ist durch die Macht des Worts, der Ncdc, die Wiege des Aufstandes geworden, der Daghestan in Flammen ge setzt, die sich bald über den ganzen Kaukasus ausgedehnt haben. Hier predigte mit tiefer, fortreißender Begeisterung Mullah Mohammed, der Vater und Gründer des Muridismus. Mullah Mohammed hatte ein imponirendes Arußeres, grosi, schlank, mager, ein ausdrucksvolles edles Gesicht, ein herrliches, glänzendes, schwarzes Auge, obgleich durch vieles Nachtwachen dagegen. M bildete sich daraus eine Art Spaltung, !-» Mit« ^liso, wM)e sich f^st yy,l Rom getrennt hätte, indem sie offen den Papst einen apostolische Apostaten nannten. Napoleon'6 eiserne Faust hielt aber jede anßevr Vcwegung nieder? 9* 132 völlig erblindet, ganz weißes Haar, ein kurzer weißer Part, aus einem Gesicht von bnnkelm Teint hervortretend, Seine sanften, heitern, wiewol von angestrengten geistigen Arbeiten angegriffenen Gesichtszüge ließen in ihm leicht den gelehrten ascetischen Mullab erkennen, was auch äußerlich der grüne Turban, der grnne Akha louk und darüber das blaue Obergewand andeutete. Nie hatte Mut seine Hände besteckt, sein Leben war rein, kaum möchten sündliche Gedanken seine Sinne gestreift haben. Die vom Bakon der Moschee zu überschauenden weiten grünen Wälder Laghestans, besäumt am äußersten Horizont von den blauen Wogen des Kaspischrn Meeres, mochten süße Erinnerungen seiner Jugend und seines Mannesalters sein. Seit er erblindet, waren nc versunken in seinem Innern wie die ganze äußere Welt mit allen Sorgen um sich selbst und seine Angehörigen. Er lebte nur in religiösen Uebungen und in Betrachtungen und Belehrungen über und aus den heiligen Büchern, die er seinen Schüler» gab. lind dieser so mild und friedlich sich darbietende Greis, der kaum nur noch mit einem Lcbenshauch an die (5rdc geknüpft schien, dessen leise Stimme nur bei der tiefsten Stille gehört werden konnte, predigte ssrhebung des Volks wie ein Mann und blutigen Kampf, nnetlöschlichcn Krieg und glühende,,, unvertilgbm'»'!, Haß. Seine zitternden unschuldigen Hände segneten die Waffen, welche bald Ströme von Blut vergießen sollten! Mullah Mohammed war unter Aslan Chan der angesehenste Kadi (Nichter) im Chanat von Kuril. Nis 1823 lebte er nchig in Iareg, nur seinen Forschungen in den heiligen Büchern und seinen Nichterpftichten lebend. An den Festtagen erklärte er dem Volke die Lehren des Propheten. Vald strömten die Leute auS fernen Gegendell hin, um den begeisternden Prediger zu hören. Der Zehent der Vodenerzeugnissc seiner Gemeinde*) und die freiwilligen Gaben und Geschenke frommer Muselmänner bildeten bald ein ansehnliches Vermögen. (5r lebte selbst dürftig und gab reichlich an die Armen. 'Alle Mullahs deö Landes erkannten ihn ") Der Zehent (Xlikot) ist auch t'ei den Mohammedanern die gesetzmäßige Mqadc. wov>,'l, die Geistlichkeit lebt, 193 als den ersten Mm (Schriftgelehrten) Dagestans an. ^tach und nach smnmelttn sich viele nm ihn, die nicht blos ihn hörten, so«, dern seine Schüler wnrden, sich in seinem Hause um ihn versam^ melten, mit ihm den Koran lasen und seine (5vtlärungen begierig auffaßten. Unter seinen fleißigsten und aufmerksamsten Schülern zeichnete sich KazKMohammed, ein Vuchare von Geburt aus. Dieser lel'te ganz bei ihm sieben Jahre lang und war sein innigster Vertrauter geworden, Plötzlich verläßt er seinen alten Lehrer, um, wie er sagt, in sein Vaterland zurückzukehren. Doch nicht ein Jahr vergeht, so ist er wieder in Iareg und wohnt nach wie vor beim alten Mullah Mohammed. Dieser, der ihn wie einen Sohl» liebte, bemerkt aber bald eine unbegreifliche Veränderung in seinem ganzen Wesen lind seiner Lebensweise. Kazi^ Mohammed mied jede Gesellschaft, kam nicht mehr in die Moschee, wohnte nicht mehr den Echriftcrllärungen des Koran bei, rr verlies» fast nicht seine enge Zelle. Einst überraschte ihn Mullah Mahommcd mitten in der Nacht. Er fand »hn bei einsamem Lichte tief in der Erforschung des Ko ran versenkt. Erstaunt fragt ihn der alte Lehrer über diese merkwürdige Veränderung in seinem ganzen Wesen und Leben, es müsse ein Geheimniß hierunter verborgen sein, ob vielleicht ein Verbrechen, daß durch kein Vetcn und Fasten wieder gut zu machen, auf seinem Gewissen laste? „Allerdings habe ich ein großes Geheimniß", war die Antwort von KaziMohammrd, „und deshalb bin ich zu dir zurückgekehrt, um dir die Mittel zu zeigen, es zu erforschen; das ist ja das winzige, womit ich dir meine Dankbarkeit für deine väterliche schon mehr als sieben Iabrr dauernde Liebe und Sorge beweisen kann. Seitdem ich dich vor Jahr und Tag verließ, hat ein neues Licht meinen Geist erleuchtet und ihm den wahren und tiefen Sinn der heiligen Bücher aufgedeckt, Thörichterweise glaubt ihr in Daghestan das Gesetz verstanden zu haben: ihr Alle, selbst auch du, der du im Koran ergraut bist, ihr ftht doch uur das todte Wort. aber nicht die tiefe und gött liche Bedeutung desselben!" Vergebens drang nun Mullah Mo hammed in ihn, über das Licht und die neue Erkenntniß ihn, Das, was ihm offenbart sei. mitzutheilen. ,M geziemt sich nicht sür 13z mich, einen so berühmten Alim, der noch dazu mein väterlicher Lehrer gewesen, belehren zu wollen. Aber wenn du wünschest, so wollen wir zusammen zu dem berühmten Effendi Hadschi-Ismael gehen, der hat auch mich eingeweiht in die tiefen Geheimnisse der neuen Erkenntniß und Wissenschaft!" Mullah Mohammed willigte ein und sie zogen zusammen, nach-dem noch mehre Schüler sich ihnen zugesellt hatten, nach Kurdamir, einem Dorfe in Schirwan, wo damals Hadschi-Ismael wohnte. Sie fanden Hadschi-Ismael eben beschäftigt mit dem Schneiden junger Maulbeerzweige, welche zur Fütterung seiner Seidenwürmer dienen sollten. Alle ergriff Staunen und Erschrecken, als sie den heiligen Mann eine im Koran so streng und bestimmt verbotene Handlung vornehmen sahen. Hadschi sah auf und ohne eine Hof-lichkeitöbezeugung, wie sie die Sitte wol verlangte, sagte er zu Mullah Mohammed! „Siehe, im Koran ist daS Abschneiden der Zweige verboten, aber nur um der Ausrottung dieser in Arabien so nothwendigen Väume vorzubeugen. Anders ist es hier zu Lande, hier darf man die kleinen Maulbcerzwcigc abschneiden, ohne daß es im mindesten den Bäumen schadet, aber sie dienen zum Futter eines der wohlthätigsten Geschöpfe Gottes, das unzähligen Menschen die Mittel zum Leben gewährt!" Diese weise Erklärung erfüllte die Zuhörer mit Bewunderung und bereitete ihren Geist vor für die neuen Lehren und Offenbarungen, die sie mm von Hadschi-IZmael erhielten. Mullah Mo-hammed blieb mit seinen Schülern einige Zeit bei Hadschi-Ismael, sie verständigten sich über den wahren und tiefern Sinn vieler Stellen des Koran, besprachen sich über den Verfall der Religion und über die Mittel und Wege ihr wieder aufzuhelfen, besonders über daS letzte und allein zum Ziele führende, das Joch der Ungläubigen abzuwerfen! Nachdem Hadschi-Ismael die ganze Fülle seines Wissens au Mullah Mohammed offenbart hatte, segnete er ihn als Murschide (geistlichen Prediger) ein und foderte ihn nochmals feierlich aus, sein Leben der Wiederherstellung der Religion in Daghestan zu widmen. Es ist merkwürdig, daß dieser Hadschi.Ismael gleich darauf 135 Plötzlich aus diesen Landstrichen verschwand und man nie und nir gends mehr etwas von ihm hörte, nachdem dcr Funke gezündet nnd der Mnridiömus in Daghcstan aufgcftammt und sich lebendig entfaltet hatte. Die Russen behaupten, es sei ein geheimer Emifsair der persischen Regierung gewesen, die damalö gerade einen nahen Bruch mit Nußland voraussah, und um diesem eine Verlegenheit zu bereiten, dadurch versuchen wollte, im Rücken von dessen Armee einen Aufstand in Daghestan anzuregen. Als Mullah Mohammed nach Iareg zurückgekehrt, widmete er sich mehr als je der tiefen Erforschung der heiligen Vücher, e» schloß sich ganze Tage in seiner Zelle ein. Immer mehr stieg nun der Ruf seiner Heiligkeit. Von allen Seiten strömten die Pilger herbei, um seine Lehren und Ermahnungen zu hören. Häufiger als je schilderte er die Verdorbenheit des Jahrhunderts, den Verfall des Glaubens, die Nothwendigkeit, ihn innerlich wieder zu beleben, ihm äußerlich dm Sieg zu verschaffe». So bereitete er seine Zuhörer allmälig auf dle Ausführung stinrr Grundsätze vor, und nach und nach ward das Vertrauen in ihn immer unbeschränkte und inniger. Da trat er eines Tageö, als eben dcr Zndraug des Volks größer als je war, vor die versammelte Meuge mit der ganzen Energie eines Nußpredigers, und warf dem muselmämnschen Volke seine Gleichgültigkeit gegen die Religion vor, beschuldigte die Mullahs der Vernachlässigung ihrer heiligen Pflichten, und daß sie sich fast nur um ihre irdischen Interessen kümmerten. Dann stellte er sich selbst als Beispiel hiervon dar, klagte öffentlich vor dem Volle sich an, daß er den Sinn und Geist des Gesetzes nicht wahrhaft erkannt und darnach gehandelt. „Nehmt mein ganzes Vermögen hin, nehmt mir die Vürdc ab", sagte er, „es besteht aus enern Gaben, ich bin dessen nicht werth, ich tappte im Finstern, ich habe euch die heiligen Gesetze des Koran unvollkommen, unvollständig, ia mitunter falsch gelehrt und ausgelegt." Das Volk, von seinem Eifer und seiner Demuth gerührt, bat ihn, die kleine Gabe, die er ja doch fast nur zum Wohlthun vcr. wendet hätte, nicht wegzugeben und auch künftig die milden Gaben der Gläubigen nicht zu verschmähen. Er blieb aber fest und ver- ___ 136 theilte noch am selben Tage seiue gau^e Habe unter vie Armen und lebte in großer Dürftigkeit von dm kleinen Gaben, alles Uebrige, was ihm gebracht wurde, sogleich verschenkend, Eine seiner Rede» ist voll einem Zuhörer niedergeschrieben und war in vielen Abschriften in Daghestan verbreitet. Wir geben ihrer mächtigen politisch?» Wirknngen halber sie hirr in wörtlicher Uebersehung: „Eure Reichthümer, cure Mitgift, rure Ehm, eure Kinder, Alles ist mit einem Fluch beladen, der Himmel hat sie mit dem Siegel der Hölle gestempelt, denn ihr lebt in der Sünde, ihr wollt nicht erkennen und erfüllen die Gesetze der Propheten. Derjenige, der den wahren Gott erkennt, sagt der Koran, kann Niemandes Sklave sein, er muß die heiligen Gebote befolgen und darf sich nicht beugen vor den Großen der Erde. Seine erste Pflicht ist, dnrch Uebcrredung und Schwert das Licht und den wahren Glauben in der Welt zu verbreiten, seine Familie und sein Vaterland zu ver-lassen, wenn dem Islam irgend eine Gefahr droht, und sich stets gegen dir Ungläubigen zu bewaffnen,' Und ihr, was habt ihr gethan, was thut ihr? Die Russen sind inS Land gekommen, u»d ruhig «nb feig, ohne zu kämpfen, habt ihr euch ihrer Botmäßigkeit unterworfen! Der freie Muselmann hat sich aus freien Stückelt zum Sklaven deS Ungläubigen gemacht und herabgewürdigt, des ungläubigen, der seine Moscheen entheiligt, der seine Freiheit unterdrückt, der vielleicht, ja wol gewiß, die Vernichtung des Islam in seinen Sinn hat. Und ihr elenden Feig. llnge, ohne Glauben und Gehorsam gegen die Gebote und Worte des Propheten, ihr jagt begierig den irdischen Gütern nach und laßt die Religion untergehen! Volk! Seit der Ankunft der Nüssen trägt deine Stirn das Siegel des Fluchs! Umsonst beobachtet ihr die Kamaz, die KhallrukS, umsonst geht ihr in die Moschee, der Himmel verschmäht eure Uebungen, eun- Gebete! Die Gegenwart der Ungläubigen versperrt euch den Weg zum Throne Allah's! Betet, thut Buße, aber dann vor Allem geht in den heiligen Krieg (Kasomet), Bereitet euch dazu vor durch Beten. Fasten und 137 Buße Thun! Die Stunde wird kommen, und ich segne euch jetzt ein zum Kampfe!" Der Tag, a» welchem diese mächtige Nedc gehalten wurde, war der eigentliche Geburtstag des Muridismus. Die Zuhörer wurden von dem Geiste der Rede ergriffen; ihr Inhalt verbreitete sich mit Blitzesschnelle durch alle Oauen der Bergvölker. Die Schüler Mullah Mohammed's zerstreuten sich in dem Gebirge und verliehen überall der schon lange vorhandenen Gährung der Gemüther eine Gestalt. Ueberall bildeten sie Vereine, die ihren bestimmten Zweck nnd ihren äußern gemeinsamen Gottesdienst hatten, auch wie man behauptet gewisse Geheimlehren, und bald eine Organisation untel festen gesetzlichen Normen gewannen. Die Lehren Mullah Mohammed's fanden auch hin und wieder einigen Widerspruch, Gelehrte Mullahs behaupteten, nur der (5halif (der Sultan) allein habe das Recht den Kasomet (Krieg) gegen die Ungläubigen zn rrklären, anch untersage der Koran den Krieg, sobald die Muselmänner die schwächrlv Pavtci bilden und dadurch dem Glauben Gefahr drohe. Allein das waren Schulzänkereien, das Volk nahm überall offen Partei für die Lehren Mullah Mohammed's. Tiefer lebte von da an äußerst zurücke gezogen in seiner Zelle und verließ diefc nur, um den Gottesdienst in der Moschee zu verrichten. Seine Frömmigkeit und geheimniß-volle Zurückgezogenheit gaben allen seineil Lehren und Neden eine» tiefen Einfluß auf die Gemüther. Die Zahl der Geweihten wuchs von Tag zu Tag, sie erkannten ihn alo Murschiden an und nannten sich selbst Mnriden (Lehrende Schüler, Apostel). Anfangs hielten sich diese herumziehenden und predigenden Muriden mehr in den Grenzen der Bußpredigt nach dem Beispiel ihres Lehrers Mullah Mohammed, bald aber trat das politische Element des Aufruhrs, die Aufreizung zum Kriege, mehr und mehr hervor. Die Muriden zogen in jeden einzelnen Aul (Dorf), versammelten die Bewohner, stellten sich auf einen Hügel und riefen, nach Norden (Ruhland) sich wendend! Muselmänner auf, in den Kasomet (Krieg)! Sie schlugen Jeden, der widersprach oder slch ihnen widersetzte, mit eigen« von ibnen gemachten hölzernen Schasras (Säbel). 138 Außer dm jetzt sich sehr vermehrenden und im großem Maß stabe sich zeigenden Einfällen und Naubzügen der unabhängigen Bergvölker brachen überall, auch in dcn Landstrichen, dir von Nuß land besetzt odcr von demselben abhängig waren, Unruhen ans, die, wenn sie auch nur vereinzelt sich zeigten, doch von der allgemeinen Gähnmg Zeugniß ablegten. Als ein solcher partieller Ausstand in Kury ausbrach, foderte General Icrmoloff den von Rußland abhängigen Aslan^Chan von Kazikumik und Kury auf zur Untersuchung und Unterdrückung, Asian Chan fodcrte Mullah Mohammed auf, sich mit seinen Schü, lern und Anhängern ihm zu stellen und zu vertheidigen. Nicht weit von Kirag nahe beim Dorfe Kassin-Keut mitten ans der Bandstraße stieß Aslan Chan auf den greisen, blinden Mur schiden, umgeben von einer großen Zahl volt Mnriden und Mul'. lays. Der Chan sprengte aus Mullah Mohammed zu und frug ihn zornig und drohend, Ivie er es wagen könne, so aufreizende und aufrührerische Nedcn zu halten? „Erkennst du nicht die Uebermacht der Nüssen und bedenkst du nicht, wie viel Vlut durch deine Schuld wird vergossen werden?" «Ich weiß es, war die Antwort Mullah Mohammed's, daß die Russen stärker als wir, aber Gott ist noch vlel stärker als sie! Wir sind allzumal Sünder und bedürfen der Buße. Auch ich büße und bete, ich habe mich in die Einsamkeit vor der Welt zurückgezogen, um Gottes Gnade zu erwerben, ich thue Niemandem Böses.'» „Aber deine Schüler, sie ziehen überall umher und rufen auf zum Kasomct und miöhandeln Jeden, der widerspricht? Erkennt ihr nicht, welch Elend ihr über uns bringen werdet?" «Meine Muridcn haben die Wahrheit der Schrift erkannt, sie mahnen das Volk nur an die Gebote Gottes und des Propheten, und wenn sie im Eifer und der Ekstase zuweilen zu Handlungen hingerissen werden, die im gewöhnlichen Leben nicht passen, so zeigt das dem Volke nur um so mehr, was zu thun nothwendig. Auch dir Chan rathe ich, die Sorgen der Welt abzuschütteln und zu bedenken, wohin wir alle gelangen, der armselige Sklave wie der größte Herrscher und Prophet. Es gibt kein Heil, wenn wir 139 nicht die Wahrheit Gottes erlangen und erkennen nnd nach dem Schariot seinen heiligen Willen thun!» Deine Lehren sind überflüssig, ich kenne meine Pflichten und erfülle pünktlich die im Koran vorgeschriebenen Gebote und die Gebete des Schariot." «Du lügst, rief der Murschide, du bist ein Sklave der Un. gläubigen (der Nüssen). Darnm ist deine Befolgung der heiligen Gebrauche ohne Werth!» Kaum hatte er dies gesagt, so warf ein mächtiger Fauftschlag des Chans den alten Mann nieder, und der gekränkte Chan lies; durch seine NnkirS (Vasallenknechte) die Munden nnd Mullahs ohne Unterschied ausstäuben und Jedem eine Geldstrafe ankündigen. Allein der Chan merkte bald aus der stummen Aufnahme, die er überall, auch bei den Seinigen, fand, daß er viel zu weit gegangen. Gr hatte einen Heiligen, einen alten blinden Greis ge-schlagen und die Mullahs und Mnriden mit Strafe belegt, weil sie ein offenbares Gebot des Koran befolgen wollten. Er berief Mullah Mohammed zu sich und bat ihn, die Kräu-knng zu vergessen. „Aber ich bitte dich, laß deine Mnriden nichts thun, was den russischen Gesetzen zuwider ist, die Nüssen würden mich auflodern dich auszuliefern, und ich würde zur Wahl gezwungen zwischen der Wicht, die ich gegen sie übernommen und beschworen, und der' Furcht, mir den Zorn Gottes zuzuziehen, wenn ich einen so heiligen Alim wie du den Nüssen auslieferte, die mich überdem meines Chanats und aller meiner Habe beraube» würben." «Deine Beleidigung gegen mich wird dir Gott vergeben, aber dir o Chan rathe ich, schließ dich wenigstens uicht ganz und auf. richtig an die Russen an, unterjoche für sie nicht die Völker Daghe-stanS, Wenn du deinen Unterthanen nicht gestatten darfst, den Tarikot *) zu befolgen, so halte wenigstens die übrigen Einwohner Daghestans nicht davon ab. Ein solches Verfahren wird dir auch *) Die authentischen Erklärungen des Koran zerfalle» in drei Theile, 1) dm Matarifat, der von den D^men handelt, 2) den Tarikot, der die Moral des Koran erklärt und !!> den Schariut, der den gerichtlichen Theil "'"faßt, und der auch auf dir Gebräuche nnd Uebungen des täglichen Lebens Vezug hat. 140 nützlich sein. It' mehr Feinde die Nüssen haben, desto nothwendiger ist ihnen deine Freundschaft, und ste werden dich mit Ehren nnd Geschenken überhäufen, haben sie aber das übrige Daghestan unterjocht, so bist du ihnen überflüssig, und du wirst deine Macht, deinen Einfluß, vielleicht dein Eyanat verlieren.» Asian. Chan war im Herzen von der Wahrheit der Rede des Mullah Mohammed überzeugt, er überhäufte ihn mit Geschenken, zog aber dennoch die Geldstrafen von den übrigen Mullahs ein und berichtete an General Iermoloff, er habe die Ordnung her gestellt. Man traute ihm aber uon da an nicht mehr recht. Mullah Mohammed, nach Iareg zurückgekehrt, fand unzähliges Volk versammclt, die seine Rückkehr und den Bericht, was ihn be. gegnet, erwarteten. Er suchte sie zu beruhigen und verbot ihnen eher die Waffen zu ergreifen, ehe er das Signal gebe. Vald darauf versammelte er die Häupter bei sich in Iareg und wählte den Chil^Schaban von Avarie (den später unter den, Name» Kazi.Mullah so berühmten Führer), legte ihm seine Hände auf und segnete ihn zum Kazl (Haupt des Kasomet, des heiligen Kriegs) ein. „Das Chanat von Kuril steht unter der Botmäßigkeit der Russen, es ist an den Händen und Füßen gebunden, aber ihr Nebrigc» seid frei, eure Pflicht ist es, den Kamps zu beginnen? Im Namen des Propheten befehle ich dir Kazi Mullah, gehe in deine Heimat, versammle das Volk, bewaffne es und beginne mit Gott den heiligen Krieg, Das Paradies erwartet Die, welche fallen, Die, welche einen Nüssen todten, aber wehe Denen, welche den Giavars (Giaurs) den Nucken zeigen!" Von da an nahm Mnllah Mohammed keinen äußern Antheil mehr, ja er predigte nicht einmal mehr, er zog sich in die tiefste Einsamkeit zurück. Dennoch besaht Iermoloff 4825 dem Asian Chan den Murschiden zu fangen und nach Tiftis abzuliefern. Haran. Veek erhielt den Auftrag. Er überfiel wirklich den alten Mann und brachte ihn nach Kurag, wo er aber durch Hülfe der Seinigen nach dem hohen Tabesstran entkam und sich dort verborgen hielt. Mittlerweile lenkte der ansgebrochene Krieg zwischen Persien und der Türkei die Vlicte des russischen Gouvernements in Kan 141 kasien mehr von Daghestan ab, das benutzte Kazi Mullah trefflich, um den Muridismus auszubreiten und die ganze Ostseitc der kaukasische!, Gebirge in sein Netz zu ziehen. Agnaten von Persirn halfen ihm, sie reizten zum Anfstandc und versprachen nahe Hülfr, Dennoch hielt sich Kazi ^Mullah sehr klug von allen äußern Unter, nehnnmgen bis zum Jahr 1830 zurück, er befestigte seiue Macht im Innern, Aber er unterwarf nicht blos durch seine Vercdt-samkeit sich die Bergvölker, er wandte auch ohne weiteres Gewalt an, wenn man seinen Worten, seinem Aufrufe nicht folgte. So erzwang er die Unterwerfung uutcr seinen Willeu in den Dörfern Kozonai, Grpeli, Arakan, Orezakaul und den Dörfern vou Koiffulan u. s. w., die ihm Geißeln stellen mußten. Auch die erblichen Oberhäupter kleiner Districte oder Dörfer, Chans und Vegs, zwang er zur Theilnahme an den Mnridismns. Jedoch im Chanat Avane» mislang ihn sein Unternehmen gänzlich. Der Chan von Avarien war gestorben, sein Sohn erst 44 Jahre, die Mutter reginte für diesen. Eine Schar fanatischer Munden drang in das Dorf Aßbatli. Vakll Vog, die Mutter des jungen Chan Numzale, sendete an Kazi-Mullah und ließ ihm sagen, er möge nicht nach Kanazak (ihre Residenz) kommen, sie sei bereit ihm einen ihrer andern Söhne als Geißel zu senden. Kazi Mullah drang, ohne ihre Vittc zu beachten, plötzlich mit 80U0 Munden inö Land bis Kanazak (Chun Zach), ja ein Theil seiner Truppen drang schon in die Stadt. Die Einwohner verzagten, sie hatten kein Vertrauen zu ihrem zu jugendlichen Chan. Da trat die Mutter, den Scharscha (krummes Schwert) in der Hand schwingend, unter die versannnrlte rathlose Menge. „Ich sehe, es ist nicht eure Sache, die Schwerter zu gebrauchen, gebt sie ab an uns Weiber und hüllet euch in unsere TschedraS (leinene Weibermäntel). Da schämten sich die Männer und ermannten sich, sie stürzten sich, ihren jungen Chan an der Spitze, voll Wuth auf die Feinde und trieben sie in die Flucht^ Kazi-Mullah selbst ward am Kopf verwundet und entkam mit Noth. Allein diese Schlappe cntmuthigte Kazi Mullah nicht, Er machte die Wälder von Tschcmkeskant zum Versammluugs-, Stütze und Mittelpunkt seiner Unternehmungen. Russische Detasckements 142 machten häufige militärische Promenaden dorthin, ohne ihn wesent lich zu beunruhigen. Selbst größere Erpeditionen unter General Baron 3tosen und eine andere nuter Fürst Beckowitsch hatten nicht das mindeste Resultat. Es war vielleicht den Herren kein rechter Ernst! Aber sie dienten dazu, den Nuhm Kazi-Mullah's und sein Ansehen bei den abergläubischen Lesgicrn zu erhöhen. ,,Seht ihr die klaren Beweise, daß wir und unser heiliges Werk unter Gottes Schutz stehen? Um den Sieg zu erringen, braucht ihr nur zu beten, Gott schlägt den Feind mit Blindheit, daß er uns nicht findet. Seht ihr nicht, wie er sich vor einer unsichtbaren Hand zurückzieht?" Nunmehr ging Kazi-Mullah zur Offensive über, er eroberte hinter einander Azlebi, Parent und Targy. Er belagerte Burusim und war im Begriff, es zu nehmen, als noch zu rechter Zeit General Distcrlo es entsetzte. Kazi-Mullah zog sich geschlagen in feine Wälder zurück, aber schon nach zehn Tagen erschien er vor Vulzopuvia, ohne es jedoch zu nehmen. Vei Annäherung des Generals Emanucl zog er sich zurück. Dann lieferte er eine blutige Schlacht beim Dorfe Aukh, wo die Munden siegten. In seinen Wäldern bei Tschenkeskant erhielt er im August 1851 eine Deputation aus Tabassavan, welche meldete, daß das Volk seiue Lehren angenommen, das, der Himmel sie dafür gesegnet, daß sie auf dem Berge Karnankh siegreich gegen die Ghiavars gekämpft und sie gänzlich aus Tabassavan vertrieben. Gs trat ein Ereigniß eilt, welches seine Stellung wesentlich hob. Es verbreitete sich Plötzlich 1831 das wiewol falsche Gerücht, die Perser seien unversehens in die südlichen Provinzen eingefallen. Alle russischen Truppen in Dhagestan zogen sich südlich nach Schirwan, nur zwei Bataillone blieben als Besatzung in Drr-bent. Dadurch kam ganz Daghestan in die Gewalt von Kazi-Mullah. Nur das südliche Tabassaran blieb den Nüssen treu, dafür ward es gründlich verwüstet. Kazi-Mullah rückte vor Der-bent, mußte aber nach achttägiger Blockade sich bei Annäherung des Generals Kakhanoff zurückziehen. Gr zog nach dem nördlichen Tabassaran, wo er sich mit der Familie des Murschiden Mullah Mo- 143 hammed vereinigte und dessen Tochter hcirathete. Später fi,-I rv noch ill Kislar ein und brachte Beute zu Haust. Jetzt aber begann der Stern von KaziMullah zu sinke». Gv zog nach Ghümry und übergab den Vrfehl über die Muriden inl Lager bei Agatzeh-Kale an Gamzad Veg. Oberst Miklaschewski griff diesen an und schlug ihn vollständig. Anfang 1832 erfocht Kazi. Mullah noch rinigc Vortheile an der Linie zwischen Wladi Kaukas und Kislar. Allein der General Varon Noscn zog nun selbst nach der Tschetschenza, plünderte und pafsirte den Sanlak und zog nach Ghümry, dem Geburtsort des Kazi-Mullah. Seit dem Rückzug von Derbcnt hatte dieser das Verträum der Bergvölker und in ganz Dhagestan verloren. Er rief den Gamzad-Veg zu sich zu Hülfe, der aber versagte ihm den Gehorsam. Da versammelte er alle die Seinigen um sich und sprach! ,,Ich sehe mein Ende heranrücken, ich sterbe hier, wo ich geboren, ich sterbe für die heilige Wahrheit des Xankot, für den heiligen Chariot, nur wer sterben will, bleibe bei mir!" Der Kampf um Ghünny war hartnäckig und blutig. Endlich ward das Dorf genommen. Kazi-Mullah vertheidigte sich noch in seinem Hause und ficl mit allen Bewohnern. Die Nüssen stellten seinen Leichnam, so wie sie ihn gefunden, aus, um den Gefangenen, Weibern und Kindern cincn heilsamen Schrecken einzuflößen. Die Wirkung war eine ganz andere! Der Tod gab dem Kazi. Mullah den Glauben an seine Heiligkeit wieder, den er im letzten Leben verloren zu haben schien. Der Leichnam hielt mit der einen Hand seinen Vart, die andere zeigte zum Himmel. Dies ist aber die Stellung des Gebets bei den Muselmännern, uud das bewies also Allen, dir ihn sahen, daß er im Augenblicke des inbrünstigsten Gebets die Seele ausgehaucht. Folglich war er heilig, er konnte nur von Gott begeistert gewesen sein, und der Glaube an seine Lehren entflammte von neuem alle Gemüther! — Der Murschide, der alte M»llah Mo-hammed, begab sich nach Irganai zum Gamzad-Veg und segnete ihn zum Führer des heiligen Kriegs, zum Nachfolger des Kazi' Mullah ein. Diefc Wahl oder Ernennung ist wol als eine unpassende uud verfehw anzusehen. Aber man erkennt, wie tief der Muridiömus 144 bereits innerlich begründet und erstarkt sein mußte, daß er selbst unter einer so verkehrten Führnng sich nicht auflöste. Daß dies nicht geschah, möchte den Einrichtungen des Kazi-Mullah zu ver^ danken sein, der bereits die Grundlagen eines theokratisch-politischmilitärischen Staats gelegt hatte, der später unter Schamyl eine bewunderungswürdige Organisation erhalten hat. Der neugewnhte >u Stuzal geboren, war von mittler Größe, etwas stark, kleidete sich nach tschcrkessischer Weise, aber stets weiß. Ueber der Mütze trug er einen Turban, grau, weiß oder schwarz, je uach Gelegenheit und Umständen. Am Tage seines Einzugs in Chunsach trug er einen schwarzen Turban, weil der Prophet am Tage seines Einzugs in Mekka ebenfalls einen schwarzen Turban getragen, Fünf russische Deserteure in russischer Uuisorm begleiteten ihn beständig, was bei den Nüssen zu dem falschen Gerüchte Anlaß gab, er hielte sich eine rnssische Ehrenwache, Das Jahr 187»." verhielt er sich uach Außen hin ruhig. Er suchte feine Macht zuvor im Inner» zu befestigen und auszubreiten. Am Ende des Jahrs fiel er in das Gebiet vou Gergebil ein, eroberte es und schlug die mit dem Schamchal von Tarku verbündeten Chaue von Mechtanli und Akauscha. Der »nächtigste und reichste Fürst dieftr Landstriche war der Chan von Marien, der früher vom Padifchah in Stambul stets außerordentlich geehrt wurde. Gamzad^Veg fühlte einen tiefen Haß und Neid gegen diesen Chan, der der öffentlichen Meinung nach ihn an Rang und Ansehen weit übertraf, und beschloß, sich seines Thrones zu bemächtige». Nachdem er dir zwischenlicgcnden Landstriche erobert und alle waffenfähige Mannschaft im Guten oder Vösen seinen Fahnen eingereiht hatte, drang er 5ZM0 Mann stark in Nvarien ein. Er sandte zum jungen Chan und ließ ihm Vorschläge zur Vereinigung machen, die in den Worten so glatt, ja unterwürfig waren, daß der Chan leicht die Schlinge und Hinterlist darin erkennen konnte. Der junge Chan lehnte stolz die Vorschläge ab. Aber seine Mutter Baku Veg, dieselbe, die vor fü"f Jahren dnrch ihre Entschlossenheit und ihren Heldrnmuth den Angriff Kazi.Mullah's vereitelt hatte, erkannte, daß hier Tapferkeit 143 nicht retten konnte und nirgends Hülfe zu finden sei. Sir foderle ihren Sohn dringend auf, zu Gamzad ins Lager zu reiten u>,v Frieden unter jeder Bedingung zu schließen. Der stolze junge Chan weigerte sich. Als die Mutter Bitten und Thränen vergebens ver schwendet, sprach sie! „Mein Sohn! ich weiß nicht, ob es Furcht oder Stolz ist, das dich so ;u handeln nöthigt, da aber dein Entschluß gefaßt, so ist rö der meinige auch, ich selbst werde in das Lager Gamzad ^Veg's gehen!" Jetzt begann umgekehrt der Sohn die Mutter zu bitten, sich nicht solcher Gefahr auszusetzen. Es wjlrd dann beschlossen, daß Umar-Bcg, der jüngere Bruder des Chan, t3 Jahre alt, der Ueberbringer der Worte der Versöhnung sein sollte. Mit Ungeduld erwartete man den Erfolg der Sendung. Stunden vergingen. Von der hohen Terrasse war der Blick vergebens nach dem feindlichen Lager gerichtet, der jnngr Knabe kam nicht wieder! Da stieg die Angst der Mutter aufs höchste, sie bat flehentlich den Chan, hinzureite», um das Schicksal des Bruders zu hören und jede» nur möglichen Frieden anzubieten. Der Chan vermochte nicht länger den Thränen der Mutter zu widerstehe,,! ,,Da du durchaus meinen Tod willst, so will ich hingehen." Er stieg mit seinen Nutars (Vasallen) zu Pferde und ritt dem feindlichen Lager voll trüber Ahnungen zu. Kaum auf halbem Wege stieg ein Unwetter auf, mit solcher Schnelligkeit und Macht, daß im Nu alle Bäche anschwollen, dir Blitze schlugen rund um sie ein, ein unaufhörlicher Donner rollte über ihnen, Das Roß des Chans bäumte sich und wollte nicht alls der Stelle. Die abergläubischen Begleiter sahen dies als ein Zeichen des Himmels an, als einen Wink, umzukehren. Mein der Unwille der Mutter hatte keine Grenzen, sie warf dem Sohne seine Feigheit vor. Voll Scham und knirschend vor Wuth warf er sich aufs Neue in den Sattel und jagte mit verhängtem Zügel, nur von acht seiner Nu-kars gefolgt, ins feindliche Lager. Der Gamzad »rat ihm sogleich mit chrfurchlsvoller, fast furchtsamer Miene entgegen, wie sie die Sklaven im Orient anzunehmen pflegen, und führte ihn in sein Zelt, wo er seinen Bruder fand. Aber bald suchte der Gamzad Beledenheit zum Streit, l5r behauptete, einer der mitgebrachten Nukars ves Chans habe ihm ein Pferd gestohleil, da nun er, der " l<> 140 Chan, dies nicht bestraft habe und sich stelle, als ob er nichts von der Sache wisse, so sehe er das als eine persönliche Beleidigung an und würde nun den Nukar selbst strafen, und zwar mit dem Leben. Der Chan sagte aufbrausend, er würde Niemandem gestatten, seinen Nukar zu bestrafe»«. Der Wortwechsel ward heftiger. Plötzlich verläsit der Gamzad das Zelt und gibt seinen davorstehenden Muriden einen Wink, Sogleich fallen mehre Schüsse in das Zelt, sie waren auf die acht zusammenstehenden Nukars gerichtet, die sofort todt niederstürzen, Tschonan-Neg, ein Neffe des Gan^ zad, zielte mit der Pistole auf den Knaben, den Bruder des Chans, der die Bewegung bemerkend sogleich ebenfalls zielt. Beide Schüsse fallen gleichzeitig, Beide fallen, der Umar^Beg todt, der Tschonan-Neg tödtlich verwundet, uieder *), Der Chan stürzte uun mit geschwungeuem Echarscha nus dem Zelt und schlug mit herculischer Kraft Alles vor sich nieder, jeder Hieb schlug ein Haupt ab oder spaltete einen Mann bis zum Gürtel. Die Muriden, vor Schrecken stumm, wagten kaum sich zu vertheidigen. Der Chan erhielt eine Wunde im Gesichte, Sich init der linken Hand deckend, schlug er mit dem rechten Arm uner- ') Von der im Orient herrschenden tiefen Ehrfurcht vor den vorhandenen Fürstemieschlechtern zeigt Folgende»?. Der tödtlich verwundete Tschonan-Beg rief seinen Vater au sein Sterbelager und sagte zu ihm: ,,Höre, ich lebe nur noch einige Augenblicke, ich habe meine Hand crhobcu wider den Sohn meines ^hi^herni; Allah hat gewollt, daß ich ein Verbrecher ward. Du hast außer mir feme» Sohn, erfülle meinen letzten Wunsch, rette Valatsch-Veg, den iüngsten und einzige» Bruder unsers l>'hans, nimm ihn an Kiudrsstatt und wahre ihn wie deinen Augapfel, daß er nicht in die Hände der Ruchlosen fällt, die ihn todten wollen. (5r wird dann cinft <ps>> riues Felsen in die reißenden Fluten des Kolsn hinabstürzte. Mit ilmi erlosch das uralte fnrstlichc Haus von Avarien, 147 müdlich Alles nieder, was ihm entgegentrat. Augenzeugen ver sicher», daß er über 20 Manil niedergestreckt, darunter den Schwa? ger des Gamzad. Seine furchtbare Kraft und die unvertilgbare Ehrfurcht vor der geheiligten Person des Chans schwächten jeden Widerstand. Alles flieht vor dem furchtbaren Mann! Allein aus der Entfernung fallen erst einer, dann mehre Schüsse. Getroffen sinkt der (5han todt nieder! So endete Chan Abu^Nmnzal, 22 Jahre alt, der kräftigste, schönste, edelste Mann seines Volts durch Hinterlist und Treulosigkeit! Als man im Lager von dem Kampfe und Morde hörte, ergriff ein panischer Schrecken die Bergbewohner, welche von Jugend auf gewohnt waren, den Chan von Auarien als den ersten Fürsten des Landes zu ehren. In wilder Flucht zerstreute sich alles Volk, Dem Munden Schamyl gelang es, die Flüchtlinge zu sammeln und zur Umkehr zu vermögen. Gamzad Peg zog nun mit seiner Kriegsmacht nach Chnnsach, der Hauptstadt von Avaric», die er ohne Widerstand einnahm. Er ließ die Mutter und andere Glieder der Familie des Chans ermorden und ward so unbeschränkter Herr von Avarien. Jetzt wollte er auch Dargo erobern, was aber mislang: er ward geschlagen lind mußte sich nach Avanen zurückziehen *). Gamzad-Vrg bereitete einen zweiten Zug gegen Dargo vor. Aber cr fiel, ehe er ihn ausführte, durch die Hand zweier Vrüder, Osman und Hadschi-Murad. Diese Beiden waren die Milchbrü der des letzten Bruders des Chans Abu Numzal von Avaricn, des von Tschonan-Beg erschlagenen Umar-Veg. Sie dienten als Munden unter Gamzad^Beg. Aber ihr Vater warf ihnen ihre Treulosigkeit gegen das Geschlecht ihrer angestammten Fürsten von Ava-rien vor, und foderte sie zur Blutrache für ihren erschlagenen *) Hier endet das uns anvertraute von unsern, Freund uns geschenkte Manuscript, welches wir mit seiner Erlaubniß zu vorstehender Darstellung fast ausschließlich benutzt habeil. W ist auch wol, wiv wir gehört hal'en, von Andern benutzt worden. Das mm Folgende haben wir anderu Quellen, z, V, der Zeitschrift „Ausland", Malten's „Weltfunde" und Bodrnsteot, „Die Vdtter des Kaulasuö", der offenbar am beste» unterrichtet ist, entlehnt. Wir geben daher, da es uns an eiqeileu und neuen ^.»elle» frhlt, »m eine fur;e Uebersicht w' Thatsache», 148 Milckbrudcr llmar-Veg auf. Dir Brüder erschösse» den Gamzad Neq in der Moschee zu Chunsach '). Der jüngere Hadschi-Murad entkam, und bemächtigte sich vorläufig des Throns von Avarien. Gamzad Veg war kein begeisterter Munde, er galt daher auch im Auge des Volks nicht als ein von Allah gesandter Prophet, N'ie Kazi-Mullah, Er glühte nicht für die Idee des großen Kam-pfeS gegen die Ungläubigen. Er benutzte die Führerschaft deö heiligen KriegeS nur, um seine eigenen persönlichen Interessen zn fördern und seinem ungemessenen Ehrgeize zu fröhnen. Nack dem Tode von Gamzad Veg fiel die Führerschaft zum heiligen Glaubenskriege wie von selbst und ohne weitere Berufung, da der alte Murschide Mullah Mohammed, welcher Kazi-Mullah und Gamzad-Veg zu Führern des heiligen Kriegs geweiht und gesalbt hatte, gestorben war, auf Imam Schamnl, dessen glänzende kriegerische Eigenschaften schon längstens über die aller andern Munden liervorragtcn **), Schamyl war der Lieblmgsjünger, der treueste Gefährte, der tapferste, einsichtsvollste Krieger Kazi-Mullah's ge Wesen, Bei der Eroberung von Ghümry fiel er an dessen Seite, von zwei Kugeln durchbohrt. Seine Rettung ist m geheimniß volles Dunkel gehüllt. Auch unter Gamzad-Beg war Schamvl der bei weitem hervorragendste Krieger. Iman Schamyl ist wie Kazi-Mullah im Flecken Ghümry, im Lande der Koissubulinen, 4707 geboren. Er ist nicht groß, aber von schönen edeln Proportionen. Er hat seinen nicht starken Körper durch alle erdenklichen Leibesübungen ungcmein abgehärtet. Gin fast regelmäßig schön geformter Kopf, eine Adlernase, kleiner Mund, blaue Augen, blondes Haar und Vart, eiuc sehr feine und weisie Haut würden eher auf germanische als orientalische Abstammung schließen lassen. Nngemein schon geformt sind Hände und Füße, Gang und alle Vewegungen sind stolz und voll Würde. ') Die Episode vou der Ermordung des Gamzad-Bea. ist uugemein hübsch erzählt in Vodclistedt's „Dic Völker deö Kaukasus", II. 228 fg. '") Zwar lr1 Schamyl hat seine Rettung stets in tiefes Dunkel gehüllt und nur angedeutet, daß ein Wunder Gottes zu Grunde liege. Im Jahre 4841 führten die Russen unter dem unmittelbaren Oberbefehl des Gencralgouverneurs Golowin mit großer Macht-entwickelung einen Feldzug, der gänzlich scheiterte. Ebenso scheiterten die Erpeditionen des Jahres i«42 und selbst der energische General Grabbc, den die Bergvölker nächst Iermaloff und Sasi am meisten fürchteten, vermochte keine Lorberrn mehr zu brechen, Gr warb abberufen. Nur dem georgischen Fürsten Arguntinski Dolgorucki war es damals gelungen sich des Chanatö Kasikunwch zu bemächtigen. Nur ein kleines Veispiel zur Eharakterisirung der kriegerischen Eigenschaften Schamyl's wollen wir hier anführen*). Im Herbst 4841 ward von den Russen eine Urprdition gegen die Tschetschnja beschlossen und ausgeführt. Man drang ins Land, aus jedem Busch, hinter jedem Vaum. jedem Felsvorsprung fielen Schüsse, Lärmen, Geschrei, kriegerische Neckereien Tag und Nacht durch, aber nirgends Massen der Bergvölker, nirgends ernsthaftes Gefecht, nur in der Nahe der Aule blutige aber nichts entscheidende Ge^ fechte! Die Russen verbrennen die Dörfer, die Heumagazine, er. beuten hin und wieder Weiber und Kinder und ein Paar Vieh' heerden, die sie aber nebst der sonstigen Beute beim Gros des Corps behalten müssen, denn hinter ihnen brechen überall wieder die Tschetschcnzen hervor, wie die Wellen des Meeres hinter dem durchsegelnden Schiffe wieder znsauunenschlagen. Die Erpedition endete Ende October ohne wesentliche Vortheile. Kaum hatten sich die Erpeditionstruppen in ihre Standquartiere zerstreut, so erschien Schamyl in den eben durchzogenen Landstrichen mit seinen Leuten, Er zwang augenblicklich alle waffenfähige Mannschaft, sich in seine Reihen zu stellen, indem er drohte, jeden Saumseligen mit einer Strafe von 4 Silberrubel oder 50 wohlgemessenen Kantschuhicben zu belegen. Binnen wenigen Tagen schwoll sein Heer zu 15,t)(!l) Mann an. Blitzschnell warf er sich in das Land der mit den Nüssen verbündeten Kmmiken, verbrannte die Dörfer, machte Alles ") Vgl, Bodenstedt, „Die Volker des KmllasllS", ll, ^8 ^. 152 nieder oder zu Gefangenen, trieb alles Vieh znsammrn und kam bis vor Kislar. Der dort commandirende Oberst geht ihm mit ein paar hundert Mann und zwei Kanonen im offenen Felde entgegen, wird umzingelt, mit seiner gangen Mannschaft niedergemacht und die zwei Kanonen erobert. Die Commandanten der Festungen Grosnaja und Tschcrwlenna, zwischen denen Schamyl durchgcdrun-gen war, rücken aus, um sich hinter seinem Rücken zu vereinen und ihm den Rückzug abzuschneiden. Vhc ihnen dieses aber gelingt, ist bereits Schamyl aus dem Rückzüge zur Stelle. Die russischen Generale sind nur noch zwei Werst auseinander, Schamyl drängt sein Heer keilförmig zwischen ihre Heersäulen, formirt augenblicklich drei Colonnen, greift mit zweien rechts nnd links die Russen an und bringt unter dem Schutze der dritten glücklich die ganze Veute, die Kanonen, die Gefangene» und 40,000 Stück Vieh ins Gebirge. Dieser glückliche Zug 'erhöhte den Ruf Schamyl's ungemein, aber er bildet auch iu sofern einen Abschnitt in diesem Kriege, als die Bergvölker zum ersten male zwei Feldgeschütze (die Pistolen des Czaren, wie sie sie uannten) eroberten. Im nächsten Jahre, 4842, misglücktc eine (Spedition unter Grabbe ins Land drr Gombeten gänzlich. Grabbe, Saß und Golowin wurden zurückberufen, man änderte das ganze Kriegs-system, begnügte sich mit der Defensive, suchte den Bergvölkern jede Zufuhr abzuschneiden und sie dadurch gewissermaßen auszuhungern, Dies System kam unter dem folgenden Gcneralgouverneur v. Nridhardt ein paar Jahre lang in Anwendung, ohne sonderlichen Erfolg, Herr v. Neidhardt hatte ein bedeutendes administratives Talent und hat in dieser Beziehung manches Gute bewirkt. In militärischer Vezichnng ist die Bezwingung oder Pacification der Bergvölker nicht einen Schritt vorwärts gekommen. 1845 trat Fürst Woronzow an die Spitze der Verwaltung und des kaukasischen Kriegs mit säst königlicher Machtvollkommenheit. Einer der ausgezeichnetsten und edelsten Männer, die Rußland besitzt' (5r ist von der Verwaltung erst im Jahre 1854 abgetreten. In den ersten Jahren seiner Verwaltung stellten sich die 153 Verhältnisse der Nüssen zu den Bergvölkern allerdings viel günstiger. Die westliche Seite des Gebirges, die Landstriche der Völker, welche man mit dem Gcsammtnamcn der Tscherkessen belegt, waren fast völlig pacificirt. Der eigentliche Krieg war hier längst erloschen nnd nur selten kamen noch Raubzüge von wenig zahlreichen Haufen vor, die sich begnügten, einige Gefangene, um Löse^ geld zu erpressen, zu machen oder 30 — 100 Stück Vieh zu erbeuten und in die Gebirge zu treiben. Fürst Woronzow verkehrte mit den Häuptlingen, er soll sie reichlich beschenkt und sehr für sich eingenommen haben, (5r organisirte einen lebhaften Markthandel mit den Tscherkessen und gestattete den Verkauf von Knaben und Mädchen nach der Türkei hin. Der Krieg gegeil Schamyl dagegen blieb ungefähr in gleicher Schwebe. Woronzow versuchte es, durch das Niederbrennen und Aushauen von langen Linien durch die Wälder sich das Land mehr ,md mehr ;u erschließen'), aber die Wälder sind zu mächtig, das Terrain, auch außer den Wäldern, zu bergig, zu felsig, zu unzugänglich! Gs trat hier kein bedeutender Fortschritt in der Eroberung ein. Seit Ausbruch und Fortgang des Kriegs mit der Türkei und den Westmächten ist abcr die Communication zwischen dem Kaukasus und Stambul völlig frei geworden. Die Bergvölker werden mit Munition, Artillerie, Lebensmitteln u, s, w. bedeutend unterstützt, und ungeachtet man wol nur wenige zuverlässige Nachrichten erhält, so scheint das Factum doch festzustehen, daß die Russen allen Einfluß auf die Bergvölker verloren haben und daß Schamyl gegenwärtig an der Spitze sämmtlicher Völker des kaukasischen Gebirges steht, und daß die Russen vorläufig hier rein auf die Defensive beschränkt sind. Die Tscherkessen nehmen diese ihnen von Konstantinopel und den Wrstmächten zugekommene Hülse an Munition, Salz u, s. w, gern an, wer aber daraus schließen wollte, sie seien mm zu einer Allianz mit den Türken ") Etwas AchnlicheS that Napoleon, als er die Vend« durch lange und I'N'it gebaute Chausseen die Kreuz und Quer durchschnitt. Dem Hcckenlandc sps^ l!,i ducca^o) ist dadurch der Nerv der Vertheidigung s° z>eml,ch durchschnitten, der Widerstand ward 15N<» nnd l^tl bald kewältint. und Franken bereit, dcr möchte sich sehr inen! Sir wollen die Türken und Westmächte durchaus nicht in ihrer Nähe »rissen. Diese ist ihnen vielmehr vollkommen eben so fatal und verhaßt, wie die der Nüssen, ja sie würden sich vielleicht mit diesen am Ende noch eher vertragen. Ob Schamyl selbst sich zu einer Cooperation verstehen wird, scheint uns nach seinem Charakter sehr zweifelhaft, er will herrschen, aber gewiß nicht dem Padischah gehorchen. Ob einer der Vielen Gmifsaire, die man durch das Tscherkessenland versucht hat ihm zu schicken, ihn wirklich erreicht hat, ist sehr proble. malisch. In der Negel sind sie Alle von den Tscherkessen gefangen, beraubt, selbst ermordet worden. Schamyl'ö kriegerische Thaten und Talente werden noch bei weitem überboten durch die großen Organisations^ und Verwalk tungsgaben, welche er bei der Organisirung eines völlig geschlossenen Staatswesens, einer trefflichen militärischen Verfassung und einer nun schon durch eine Reihe von Jahren geregelten und Wohlaus, geführten Verwaltung, gezeigt hat. Die Formen dcr staatlichen (Einrichtungen und der kriegerischen und Heeresverfassung in den mohammedanischen Staaten waren ans den religiösen Anschauungen und Gesetzen hervorgegangen und hatten sich nur nach den nationalen Sitten und Richtungen der Araber, Perser, Türken modificirt. Seit der Mohannnedanismus in sich immer mehr versinkt und alle geistige Kraft ihm entweicht, sind auch diese staatlichen Formen immer mehr mürbe geworden und verrottet. Was diese Staaten noch jetzt zusammenhält ist das nationale Element, welches, namentlich bei einem Kriege, noch immer mächtig hervortritt. Wir müssen nicht vergessen, daß die Araber, Perser und selbst Türken (durch ihre kaukasischen Zu-mischungen) zu den edelsten und begabtesten Völkern gehören. Daher die Vielen unerklärliche Erscheinung, daß, während die Türkei als Staat so verrottet ist, daft sic fast in sich selbst staatlich auseinandcrfällt, im türtischen Heerlager das Türkenreich noch immer ein kräftiges Leben zeigt. Die mohammedanischen Herrscher und Gouvernements haben 155 dies längst eingesehen, sie mußten dei jeder Gelegenheit dk lieber, legenheit der christlichen Staaten erproben und anerkennen. Sie verfielen in den materialistischen Irrthum zu meinen, diese Ueberlcgen-hcit bestände bloS in den Formen, und wenn man diese nach-ahme und einführe, so würde die Ueberlegenheit der europäischen christlichen Staaten aufhören. Schon vor 50 Jahren versuchte man in der Türkei solche moderne europäische Einrichtungen einzuführen, Sultan Selim büßte den Versuch mit dem Tode. Seitdem ist man mächtig vorgeschritten und namentlich ist eine neue Organisation der Hecresverfassung völlig durchgeführt, und Niemand kann leugnen, daft die türkische Armee in Europa sich im gegenwärtigen Kriege merkwürdig gut schlägt und ziemlich wohlorganisirt erscheint. Ob dies den neuen Formen oder den europäischen Lehrmeistern und Führern, oder dem noch keineswegs erloschenen kriegerischen Geiste der Nation, der sich mit Leichtigkeit auch in die ungewohnten Formen schmiegt, zu danken ist, mag dahin gestellt bleiben. In Persien sind ähnliche Versuche gemacht und durchgeführt, haben aber viel geringere Resultate geliefert, vielleicht weil der kriegerische Geist der Nation in Prrsien fast völlig erloschen. Am weitesten sind diese neuen Organisationen bei dem arabi-schen Elemente des Mohammedanismus durchgeführt. MehemedAli in AegMcn hat nicht blos sein Heer auf ganz europäischen Fuß organisirt, sondern selbst den ganzen Civilstaat. Daß ihm dieS äußerlich vollständig gelungen, stellt Niemand in Abrede, Ja, er hat den modernen omnipotenten Staat auf die scheußlichste Despotie und Willtür im Innern bastrt, mit einer (5'nergie aufgebaut, die dem besten Hcgel'schen Staatskünstler Ehre gemacht haben würde! Wäre es ihm gelungen, das Osmanenreich zu stürzen und ein neues arabisches in Stambul zu gnmden, es wäre ihm vielleicht geglückt, den sinkenden Mohammedanismus noch eine Reihe von Jahren vor einem vollen jähen Sturz zu bewahren. (5in kräftiges orientalisches mohammedanisches Reich von diesen, Charakter hätte vielleicht dem europäischen Staatensysteme, welchem ein solches Reich (für den Augenblick das türkische) eine bittere Nothwendig k"t zu frin scheint, genügt. Aber die feige europäische Diplomatie, l56 die vor allem Neuen und Ungewöhnlichen zurückbebte und das bodenlos zerrüttete türkische Wesen <^lito czuil <^ul« zu erhalten strebte, um nur nicht aus dem gewohnten Gleise zu kommen, hat dies verhindert. Sir zerstörte lieber die Flotte des Vicetönigs und warf seine Armer aus Syrien zurück, und lahmte so seine Kroberungskraft *). Die verlorenen günstigen Momente kehren nie zurück, und die europäische Diplomatie steht jetzt rathloS vor dem großen Räthsel der Zukunft! Wessen Schwert wird den gordischen Knoten zerhauen? Schamyl hat ebenfalls vollkommen klar eingesehen, daß einer europäisch organistrten Macht wie Nußland nur eine gleich gute Organisation mit Aussicht auf Erfolg, Erhaltung oder Sieg entgegentreten könne, und er scheint mit merkwürdigem Genie, tiefer Einsicht und energischer Beharrlichkeit eilte staatliche und militärische Organisation gebildet und begründet zu haben, dir allen Erfoder^ niffen seiner Lage entspricht. Die uns zugänglichen Quellen hierüber stnd dürftig und unvollständig, wir können daher hier nur einige allgemeine charakteristische Grundzüge geben**). ') Wir verwahren uns ansdrüMich gegen jede Parteinahme! Wir erlennen nnr im Siege des Christenthums das Zicl oer Weltgeschichte; der Mohammedanisnms in jeder Form muß vergehen, nachdem er seine Weltnüssion beendet. Nir spreche» daher hier nur im Siimc der welt^ lichen europäischen Politik nnd sind natürlich vom NalhhauS tommend virl flüger als die damals auf das RctthhauS gehenden Machte Oestreich, Frankreich, England, welche in einem fraftig organisirten Reiche Mehemet Ali'S ein ganz anderes Bollwerk, Rußland gegenüber, besessen hallen, als in dem elenden aller Stützen baren Türfenwestn! Nur Rußland hat sich damals klug nnd consequent benommen. Ihm war die Erhaltung einer Türkei, wie sie nun einmal bestand, ein politisches Bedürfniß, wie selbst noch in diesem Augenblicke! Und ist der kranke Mann noch irgend vor dem Tode zn bewahren, so wurde Niemand noch jetzt dafür mehr thun, als eben Rußland! Aber wenn er nn« tiotz Englands und Fra»srcichs «ninteressirlem Heilverfahren stirbt, und eS sich um Begräbnis! nnd (5rb schaft handelt, waS dann? **) Die einzige etwas ausführliche Darstellung findet man in Bodeu-stedt, „Die Voller des Kaulasus", ll, 5!5 sg. 1S7 Schamyl hat die Aufgabe ganz anders aufgefaßt als Mehemed-Ali! Or ahmt nicht sklavisch die europäischen Formen und Staats^ einrichtuna.cn und die Hreresverfassung nach wie Mchemed Ali, sondern er gibt allen seinen Einrichtungen religiöse und nationale Grundlagen, wie sie ihn dort zu Gebote stehen, und benutzt von europäischen Formen nnr was ihn dnrchaus nothwendig und praktisch nützlich erscheint. Die Grundlage der socialen und staatlichen Einrichtungen, welche Schamyl gelegt, ist nnc theokratische, Mah bat das Kaukasusgebirge als Grenze, als Schutzmauer, alS ewige Marke des Volks und Neichs d»r Gläubigen gegen den Gog und Magog, gegen die Ungläubigen, gesetzt, die Völker aber des Gebirgs hat er hingesetzt und berufen als Wächter zum Schutz, daß sie den letzten Kampf führen gegen die Ungläubigen, die in diesen letzten Zeiten vor dem Weltgericht grimmiger als je das Rcick der Gläubigen aufallen. Da nun aber der Chalif (Padi schah) schwach ist, und umsponnen von Vrrräthcrn und Ungläubigen, so hat Allah in der Gefahr aus dem Volke Propheten ,md Führer deS heiligen Kriegs erweckt, so zuerst Kazi-Mullah, der von Mullah Mohammed dem Heiligen, durch dessen Mund Gott sprach, berufen und geweiht ward, dann Gamzad-Veg, dann Schamvl. Ihnen musi jeder Gläubige unbedingt gehorchen und folgen*). *) Schamyl versichert den Munden und dem Volke offen und feierlich, daß er unmittelbare Offenbarungen von Allah und dem Propheten hade m,d iil wichtigen Momenten ihre unmittelbaren Aefehle eiuhole. Vei strü» ßern Unternehmungen bereitet sich Tchamyl durch ftomm,.' Ucbunqeu vor, ll zieht sich iu ciin- Höhle zurück oder schlicht sich völlig ein. Niemand dalf zu ihm. Drei Wochen betet er einsam uud fastet und vech'uft sich in die heili^u Bücher. Am letzten Abeud versammelt er bann die Führer uud Mullays uud verkündet ihnn,, was Mohammed unter der Gestalt einer Taube ihm offcnbarl uud best'hleu, dann tritt er uuter das in mächtigen Haufen vor dem Hofe versammelte Volk, betet, siugt einige Verse aus deu> Koran uud verkündet mit erhabener Stimme, was Allah und der Prophet befohlen. Das Volk stimmt eine feierliche Hvmme au. die Mämicr zieheu die Dolche und erueuevn deu ^id, dem Glalibeu treu zu bleiben uud die Unalaubigeu auct schont außer ihm frin Feldherrn talent unter den Ber^lkern sich entwick.lt ;n hadc». D^ch das ist eine müßige Zn^c an die Zukunft, stcht ja auch in ssrankreich Alles anf M'i Au^en! 159 Gs ist Schamyl sogar gelungen, die furchtbare Sitte der Vlut räche, welche alle Völker und Stämme des Kaukasus seit vielen Jahrhunderten zerfleischt hat, auf ein viel engeres Maß einzuschrän ke», indem er die Streitigkeiten dieser Art vor das geistliche Gericht der Mullahs verwies, lind selbst hier, wo sonst nur Zorn und Leidenschaft herrschte, meist willigen Gehorsam fand. Ueberwä'ltigt Schamyl die furchtbare Sitte der Blutrache, so ist er unbcdingtrr Herr des Kaukasus! Schamyl soll ein allgemeines Gesetzbuch, natürlich eine Para-Phrase des Korans, erlassen haben. Der Strafeodcr soll die mannichfaltigsten Strafen anssprechen. Die meisten sind Geld betrage, z. V. bei einem Diebstahle den doppelten Werth, den einen als Ersatz des Eigenthümer?, den andern als Strafe in die Kriegs^ kasse. Aber auch schwere Kerkerstrafen sind ausgesprochen und gegen Mord, Verrath, Trcubrnch die Todesstrafe, wobei die Hinrichtung durch daS Schwert, entweder ohne Verletzung der Ehre, oder mit Nusspruch auf volle Schande geschieht, Vei ersterer setzt sich der Verbrecher frei hm, entblößt sich selbst Hals und Vrust, verrichtet fein Gebet, beugt seinen Kopf vorwärts und empfängt so ruhig den tödtlichen Hieb. Beim zweiten entblößt ihn der Henker und beugt seinen Kopf gewaltsam auf einen Block. Ein Munde, der Verrätherei überwiesen, wird erschossen oder erdolcht. Nach der angewandten Lehre des SnfismuS bildet das Volt der Gläubigen vier Stufen der Treppe, die zu Gott nnd in das Paradies führt. Auf der obersten oder vierten steht allein der Murschide, der Stellvertreter Allah's und Mohammed's. Es kann immer nur einer sein. Auf der darunter stehenden oder dritten stehen die Statthalter des Murschiden. Auf der zweiten stehen die Jünger der Lehre, die Mnriden. Auf der untersten oder ersten steht das Volk der Gläubigen, welches sich nur an die äußerlichen Nebungen und religiösen Gebräuche hält, wärend die drei ober» Stufen an den theosophischen Lehren und den Geheimnissen derselben nach gewissen Verhältnissen und Abstufungen Theil nehmen. Echamvl hat sein Reich in Provinzen und diese in Naib-thümer (Statthalterschaften) eingetheilt. Wie viele deren jetzt eristi-n'n, ist unö unbekannt. Je fünf Naibthümcr bilden eine Provinz, der 160 ein Haupt vorgesetzt ist, das alle geistliche nnv weltliche Macht in sich vereint. Die Naibs sprechen Necht, schlichten Streitigkeiten, wachen über Erfüllung des änsiern religiösen Gesetzes (das Scha-riat), erheben die Abgaben und versammeln die Krieger. Schamyl hat ein geregeltes Abgaben system begründet, während früber nach altkaukasischer Sitte Kazi Mullah's und Gamsad^Veg's Einkünfte nur aus dem Antheil der Kriegsbeute, nämlich jedesmal des fünften Theils derselben, bestand. Zunächst und allgemein ist der Zehnte von jeder Ernte als Abgabe für dm Murschiden eingeführt. Alle bisherigen Abgaben und Geschenke au die Moscheen nnd Wallfabrtsörter, welche früher die Mullahs und Derwische b. zogen, fallen jetzt in die allgemeine Kasse des heiligen Kriegs, Die Mul lahs erhalten eine feste Besoldung, die Derwische werde» entweder unter die Krieger eingereiht oder müssen betteln. In einigen reichen Nalbschaften ist eine Kopfsteuer von 1 Silben rubel für die Familie eingeführt, in den übrigen Landstrichen wer. den Producte für den gleichen Werth angenommen. Das Vermögen der im Kampf gefallenen Krieger, wenn sie keine direete Nachkommenschaft hinterlassen, verfällt in die Kriegskasse. Die Kriegsverfassung ist in allgemeinen Zügen folgende: Jede Naibschaft unterhält 500 berittene Krieger. Je zehn Häuser eines Auls stellen einen berittenen Krieger. Die Familie nnd das Haus, woraus er hervorgeht, ist abgabenfrei. Ausrüstung und Unterhaltung wird von den neun übrigen Häusern getragen. Alle Männer von l5 bis 50 Jahren müssen aber in den Waffen geübt sein nnd müssen in Zeit der Noth, wenn das Land selbst angegriffen wird, ins Heer Schamyl's eintreten. Hierbei führt der von jenen zehn Hänsern ausgerüstete Krieger den Befehl über die übrigen Milizkrirger der zehn Häuser. Es herrscht der strengste Gehorsam im Heere, auf Ungehorsam steht der Tod, Schamyl hat eine auserlesene Leibwache von (früher) 1000 Manu, die Murtostgatoren, welche er stets selbst aus den Muriden aus. erwählt. Tapferkeit, Treue, Glut für die Lehre des Muri-diömus müssen ihre Eigenschaften sein. Sie übernehmen schwere pflichten, Enthaltsamkeit vom weiblichen Geschlecht, Mäßigkeit, die 161 strengste Befolgung des Schariat (Gebet und Ceremonialgcsctz), Eifer für die Ausbreitung der Muridenlehre, den unbedingtesten Gehorsam. Dagegen werden sie reich belohnt und genießen beim Volke die höchsten Nhren, das größte Ansehen. Sie dürfen nach einer Neihe von Jahren auftreten, thun dies aber in der Negel nicht. Je zehn haben einen Führer nnd zehn solcher Zehntschaften ein Haupt. Vis jetzt hat sich nie ein Verräther unter den Murtosigatorm gefunden. Ihr unvergleichlicher Muth. ihre Kalt blütigkeit ist der Schrecken der Feinde. Noch ist keiner von ihnen dem Feinde lebendig in die Hände gefallen. Sie sind die wahren Stützen von Schamyl's Macht, im Kriege sein Arm und sein Schild, im Frieden die begeisterten Apostel seiner Lehren, überall die Vollstrecker seiner Befehle. Höchst merkwürdig ist das Ordens, und Ordcnsdccorations. wesen, was Schamyl seit l«40 eingeführt hat. Es ist äußerlich eine Nachahmung europäischen unv russischen Wesens. Vielleicht aber sind Mysterien darunter verborgen, wie das im Orient häufig der Fall ist. Der Orden wird für ausgezeichnete Tapferkeit und schwere Verwundung verliehen und gewährt pecuniärc Vortheile. Es gibt drei Stufen, deren unterste aus einer runden silbernen Medaille, die zweite aus einem dreieckigen Orden, die dritte aus geschmiedeten silbernen Epauletten besteht. Die letzte gibt fürst, lichen Rang, Den kriegerische» Belohnungen und Auszeichnungen stehen aber auch Strafen gegenüber. Feigheit im Gefechte wird durch ein auf den Arm oder den Rücken gebundenes oder genähtes Stück Filz bestraft. Wen das trifft, der stickt meist bald den Tod im Gefechte. II ll Nachtrage. « ,»„- provl8lltic>n^ ol Kui'roßlu. l,l)o kllnilil lniil^l,!'«! uf I^u, »>,n l'Ll-5l2. l.ouc!., i8^l2, i<.) veranstaltet. Indeß wird eine Vel' gleichung derselben, welche einen starken Octavband füllt, mit der vbenstehenden 3lelalion zeigen, daß diese trotz ihrer Kürze reich ist ") Einer meiner jün^cru grlvhrten ssrcimdc, !)>-, Th. Psilud in Berlin, der mein Manuseript durch^rlesen und dessen Inhalt in manchen Beziehungcn mit mir durchsprachen, fand sich auf meine Veranlassung bewogen, über einige dariu berührte Gegenstände und Verhältnisse eine Anzahl Vemerklmgm u»d Andeutungen niederzuschreiben und mir zur Nenuhnng oder Aufnahme m niein Vnch „litzutheilen. Diese Bemcrfungen bilden drei kleine geschlissene Abhandlungen: I) Ueber die von mir im sechsten Capitel mitgetheilte Sage von Kjöroglu, 2) Ueber die Mautif ans den Schulterlnochen bei den laufasischen Vöiferstämme», 3) Ueber die welthistorischen Wechsel-Verhältnisse zwischen den tatarischen oder türfischen und den lausasischen Volksstämmen. Der Druck des Merks war bereits zu weit vorgeschritten, als daß ich den Iuhalt dieser Abhandlungen an den betreffenden Stellen hätte beuutzen oder dort sie ganz hätte einschieben sönnen, ich gcbe sie daher mit Bewilligung des Verfassers hier am Enoe des Buchs, als Nachtrag .4, und zwar unucrfmzt, ohne mir irgend eine Abänderung zu erlauben. 166 ail charakteristischen Zügen der Sage, welch»- in der englischen Version fehlen und sie zum Theil vervollständigen. Man mochte daraus schließen, daft im Munde des Volkes für denjenigen, der nach Chodzko sammeln wollte, noch eine reiche Ausbeute für diesen Sagenkreis zu machen wäre. Denn ein wahrer Sagenkreis ist es, den wir hier vor uns haben, wenngleich in der englischen Erzählung Alles beinahe historischen Grund zu haben scheint, der nur roman^ artig bearbeitet nnd ausgeschmückt ist, sodafi Zeit und Ort für Kjöroglu's V'eben bestimmt werden und sogar der Name Kjöroglu selbst zum bloßen Spitznamen wird, in dessen Stelle der andere wahre tritt, Roushan, der Sohn des Mirza-Serraf. Allein dies ist ja ein allgemeines Gesetz für alle im nationalen Gedächtniß bewahrten mvthisch heroischen Figuren, daß sie von beinahe göttlicher Natur herabsinken zu Men scheu, die dann in einer solchen Umgebung auftreten, daß man ste fast Zeitgenossen nennen mö'ckte. Man erinnere sich in Deutschland an Wodan, den wilden Jäger, der zuletzt zum Forstmeister eines braunschweigischen Herzogs wird, an den römischen Heros Curtius, der in den Lacus Curtins hoch zu Noß hinal'springt, als Erretter der Stadt und dann später als der gewöhnliche römische Ritter Curtms wieder in der Sage loealisirt anftailcht. Dir Erzählungen von Kjiirosslu tragen nun vollständig dasselbe jenem entsprechende Gepräge, welches die eigentlich mythi-schm Sagen charakterisirt. Der Mittelpunkt und Kern derselben ist in Allem das wunderbare Pferd, welches von einen» aus den Fluthe» des Orus, Dschaihun (Ohodzko, S. 1), emporgestiegenen Hengste von ebenso göttlicher Natur wie der Pegasus bei den Griechen, abstammt. Diese Vorstellung ist den Griechen nicht nnr mit den Türken, sondern einer ganzen Nrihr von Nationen gemeinschaftlich, zu denen auch Slawen und Deutsche gehören, und wie dem Pegasus auch Flügel verliehen sind, so, heißt es, wären dem Rosi des Kjöroglu ebenfalls Federn nnd Flügel gewachsen, wen» dieser die Behandlung desselben dnrch seinen Vater nicht dadurch zu nichte gemacht hätte, daß er aus Neugierde vor Ablauf der vierzig Tage in den dicht verschlossenen dunkeln Stall ein rundes Loch gebohrt hätte, nm hineinzusehen (Chodzko, S. 19), Durch die hier aus' sührlichere englische Relation verschwindet das Lückenhafte in der 167 deutschen. Hiermit hängt zunächst der Name des Helden selbst-„der Sohn deö Vlinden", zusammen, der an vielen Stellen durch die Namen Kjöroglu-Hissar, Kjoroglu-Kalessi, von Khorassan bis zum Gebiet der Albanesen, wo nur immer türkische Stämme hin-gelangten, localisirt erscheint. Gs sind immer in Ruinen liegende Gebäude der Vorzeit, welche diese Namen tragen. Kjorogln ist sonnt der wahre und ursprüngliche Name des fabelhaften Helden, der dann später ans einzelne die Aufmerksamkeit des Volks durch ihre kühnen Thaten fesselnde Ränberhelde», wie jenen Noushatt des 16, Jahrhunderts unter Sultan Murad, übertragen wurde. Der Name Kjöroglu steht nun offrnbar in der unmittelbarsten Ver-bindung mit dem Wunderrossc selbst. Sein Name ist Kyrat in der englischen Verston, welche die Uebcrsetzung kafianienfarbig gibt, (S. 29, Amnerk.) Allein S. 19 findet sich übereinstimmend mit der deutschen Erzählung die Farbe des Pferdes als grau angegeben. In der deutschen Version heißt es! Vlil-llm, k!^'«, >>!. Vierzig Jahre füllten also eine Art Sämlum bei den Türken. 172 ll. Die Manlik au6 den 5chuNerlmmlM liei ttcl« klnikassschell völkt'rstnmmen. Nach dem Aufsatz in Grman's Archiv, l«i2, S. 123 und i» mchvtn Neisebeschreibungen ist den Reisenden ein Gebranch bei d.u Tschrrkessen aufgefallen, aus den Schulterblättern der Schafe ver borgenc Dinge vorauszusagen. AllSdrücklich wird dabei angeführt, daß durch diesen Aberglaubell dir Treue der Weiber geprüft wii'd, Mn Tscherkesse, so erzählt man, untersucht nach dein Essen den Schulterkuochen und erkennt daraus, daß bei seinem Weibe ein Mann sich befindet, Nacheschnaubend wirft er sich auf sein Pferd und reitet nach Hause. Sein Bruder, der später herbei kommt, erfahrt verwundert diesen schleunigen Aufbruch, dann aber sieht er den Knochen, der noch da liegt, blickt ihn genauer an, lacht und erräth die Ursache und bemerkt dazu, sein Vrnder habe nicht genau genug zugesehn, sonst wäre er geblieben. Unterdessen kommt der Andere in seiner Wohnung an und findet bei seiner Frau wirklich einen Mann, allein es ist deren Bruder, Ganz dieselbe Art der Mantik ist auch bei den nördlich vom Kaukasus wohnenden türkischen und tatarischen Stämmen im Schwange und merkwürdiger-weise auch bei den Arabern der arabischen Halbinsll, wie v. Nrede mittheilt. Allein noch viel wunderbarer ist es, daß denselben Aber glauben 6il-3lc1u5 Omlx'nigis itm. <üi»m^i>. I. l i. e. 237). So schildert Hrrodot den Gebrauch der Scythe» (lV, 72): Sie stellten um den .Tumulus, dessen Höhe ein Maßstab der (5'hre gegrn den verstorbenen König war, die ausgeweideten und mit Stroh ausgestopften Leiber von 5l1 geschlachteten Pferden und Jünglingen rings herum, nachdem ste dieselben mit Hülse von Holzpfählen, Balken nnd Stangen in cine Stellimg gebracht, daß sie drn Anblick von 50 reitenden Män-nern gewährtl-n. Man vergleiche was Rllbruquis als Augenzeuge von den türkischen Kmnanen erzählt (!. o.).- Vnli ,un, elli ijl<^i»e>>«!l,'linU i)u!!o8 XVl osiuarliiu, <>^I ^uu«,!-lidot !>0ilir!ti»5. Hier wird durch die 1l» Pferdefelle, vier nach jeder der vier Weltgegenden, die rings um das Grab herum anfgehange» sind, deutlich die den 59 Pfer-den der Herodot'schcn Schilderung entsprechende Anordnung bezeichnet. (5cl kann noch zweifelhaft scheinen, ob Nubrnquis diese Felle nur anfgchangen sah, oder ob sie ebenfalls ausgestopft warcn. Indes; ist das Erstere wahrscheinlicher. Aber die Sitte des Ausstopsens bei den Seythen zu Hcrodot's Zeit war in jenen Gegenden später bei Leichenfeicrlichkciten auch noch üblich. Dies beweist ein Nubrn-quis fast gleichzeitiger Reisender in jenen Gegenden, der Mino-ntenmönch IoYannes de Plano Carpini, der in seinem ebenfalls erhaltenen Berichte (e,.!. I'i,l-. Uec. <1« vo^-i^s ^t, clu n^n,,, '1'. IV, t>. <^2«. l!^'.)) von den Tataren erzählt: llum imlom mui-tuuÄ ^l. (>. o. UIIU3 ex Icltal-is), 5i l?6l u3 .. . »opolilui- eum «u unum jumimlum ouin ,in!Iu, cl, equus oum li-onu el 8o!I/»: ''l lllium oc,uum cnm^».l>,l!)t, et utramilio coi-ium im^Icol. Sl 8UP0I- (lug Il^Ni, V^l »jU.ltUOl- ^Il!l!5 I'UNUIlt. lll lül- 178 l,«!,t, in «Ü0 munclu . . . c^qi,o5 is, HUÜM8 Vlile.'ll «ssuit.il'e. Also auch hier die Herodotische Ansstopftlng des PferdefelleZ mit Stroh und dessen Aufstellung unt Hülfe von Stangen, sodasi die natürliche Haltung des Pferdes nachgeahmt wird. Von den Kumaneu ist es aus dein durch Petrarca erhaltenen vom Jahre 17,07» datirten und vonKlaproth, Uäm. ro!. c!o I'^ie, IV ,ll. ,>. l22, herausgegebenen Glossar bewiesen, daß sie, wie also dir auch ihnen stammverwandten Pctschenegcn (da Nestor sie mit diesem, die Griechen sie mit jenem Namen benennen), Turk-manen waren, wählend Johannes de Plano den Gebrauch bei den Mongolen fand. Außerdem muß bemerkt werden, daß Veide, Johannes wie Nubruquis, ausdrücklich sagen, es wäre den Todten Fleisch und Kumis vorgesetzt worden, und auch dies erwähnt He-rodot alö Gebrauch der Seythen bei der Umfahrt des Todten i» seiner Freuudschaft, Ebenso entspricht der Statio des Johannes de Plano genan die über °dem königlichen Todten aufgeführte Hütte oder Inrte von Stangen, dir mit Flcchtwerk gedeckt ist. Nun ist es merkwürdig, dasi jener Gebranch des Answcidens der todten Könige bei den Sevthen nnd den Mongolen und Türken des Mittel-altcrs auch nach dem Zeugniß des Georg Interiano, nach Klaproth (Neise in den Kaukasus, l, 60^), bei den Vcgräbnissen der tscher kesstscken Fürsteu üblich war. Wie so viele andere Sitten, z. V. die Venennung I«,i>.,I^ für Kastfrelindschaft, der türkisch ist, wird auch dieses Institut von den nordischen Stämmen zn ihnen gedrnn. gen sein. Dergleichen lehrt, wie vorsichtig man sein musi, aus übereinstimmenden Sitten und Gebräuchen Schlüsse aus National-Verwandtschaft zu machen. Für Niebnhr waren, allerdings neben manchen andern Zügen, die ans eine solche Annahme leiten können, ein paar den Mongolen nnd Seythen gemeinschaftliche nnd in der That durch ihren barbarischen Charakter höchst bezeichnende Gebräuche, die Sitte des Bctäubens durch Nauch in der dichtverschlosse-nrn Jurte und das Neinigen der Haut bei den Weibern dnrch aufgeklebten Teig statt des oft kostbare» Wassers, entscheidend, die Mongolen nnd Scythen für identisch zn erklären. Aber gerade diese Sitte findet sich auch bei den nordischen Türketistämmrn, wie denn überhaupt eine größere Annähcrniig der türkischen Lebensart 179 lmb socialen Verfassung an die der hochasiatischen Nationen als ait die der indogermanischen nicht geleugnet werden kann. Auch ivar dieselbe fast noch mehr als durch nationale Verhältnisse bedingt dnrch den gemeinsamen Charakter des Steppenlebrns aller jener Hirtenstänline. Cs ist also der Einflnsi der Steppe, deren Gebiet die indogermanischen Nationen, so weit die Geschichte reicht, kaum vorübergehend bewohnt, fast n»r berührt haben können, wel cher auf Sitten und Lebensweise der sie bewohnenden Nationen einen nnwiderstehlichen Eindruck gemacht hat. Ganz unangemessen aber wäre es, nationale Gegensätze in neuerm Sinne anzunehmen zwischen jene» Stämmen, die wenigstens das deutsche Alterthum den Hunnen gegenüber durchaus nicht zeigt, und die uns vielmehr erst in dem Zusammenstoß von Hunnen und Römern und einigen sich ihnen anschließenden schon halb romanisirten deutschen Stämmen entgegentraten. Eine große Anzahl und zwar rein dentscher Stämme erscheinen in einem ihnen ganz natürlichen Vasallenverhältnis; zu Attila. Sie finden darin gar keine nationale Ehrenkräukung, wie es ein Volk fühlt, welches in seinen Helle» nur wilde Barbaren erblickt. Der eigentliche Grnnd dafür liegt offenbar darin, das? trotz aller nationalen Verschiedenheiten damals doch noch nicht die Lebens weisen beider Nationen so stark von einander abwichen. Dazu kommt nun, daß die Berührung dieser hunnischen Stämme mit den Nationen des Kaukasus, der Taurischcn Halbinsel und des Süd-randes der Steppe auf der einen, und mit den Donauländern alls der andern Seite schon mannichsache Vermischungen mußten hervorgebracht haben. Von den ältern Zeiten gilt dies ohne Zweifel bei den Scythen, die sich in der Darstellung von Grimm (Gesch. der deutschen Sprache, S. 2t8), in welcher er natürlich für seinen Zweck das Angemessene aus der Menge des über die Scythen liebem lieferten, in der That ein ansehnlicher Vorrath, auswählt, fast so ausnchmen, als ob ste sich in die Kette der indogermanischen Nationen hineinfügten. Dagegen hat Zeuß (Die Deutschen und ihre Nachbarstämme) eine Reihe von Namen bei den Seythen mit dein Persischen übereinstimmend nachgewiesen. Anderes deutet aus einen Zusammenhang mit der Nordostküste des Pontus. Allein es bleibt doch noch ein starker Rest von unerklärten Worten und von Ge- 12* _____180____ brauchen, welche recht eigentlich diesen Nationen charakteristisch erscheinen und auf die Nomadcngebiete des innern Nordasiens hin. weisen, und es ist anffallend, daß Grimm, indem er Niebuhr's mid Vöckh's Meinung, nach welcher die Scythen Mongolen gewesen, eine Meinung, die wenigstens für die königlichen Scythen als herrschende Horde Hansen festhält und die in dieser Einschränkung viel Ansprechendes hat, verwirft, uon den Türken gänzlich schweigt. In der That wird es schwer sei«, die Türkenstämmc, die in solcher Fülle über die mohammedanische und christliche Welt des Mittelalters hervorbrachen, für jene Zeiten noch in ven hohen Norden zurückzuweisen. Die Scythenüberschwemmung von Kleinasien im Alterthum, das Reich der Parther in Persicn aber er-klären sich eher, wenn man darin Versuche türkischer Stämme, in den Süden herabzudringen, erblickt, und H, Wuttke's Zusammen stellung der Nachrichten von Kriechen, Römern und Orientalen, in denen sich der Türkenname vorfindet (Aethicus, S. XXXIl), wenn auch öfter in bedenklichen Verschreibungen, die jedoch die Menge der Zeugnisse beseitigt, muß nothwendig die Klaproth'schc Ansicht, nach welcher die Türkenwanderung viel spater datlrt wird, sehr wankend machen. Im Veginn des Mittelalters finden wir die süd^ russischen Steppengebiete erfüllt von türkischen Nationen. Erst jetzt beginnt das russische Element das türkische zu verdrängen, das indessen die Taurische Halbinsel noch ganz einnimmt, dieses merkwürdige Land, das bestimmt scheint, die Reste sonst längst verschwur dener Nationen zu beherbergen, wie es so lange Jahrhunderte einem deutschen Stamme, den tetraritischen Gothcn, das 5!eben fristete. Nehmen wir nun an, dasi türkische Stämme schon seit den älte^ sten Zeiten, treu ihrer alterthümlichen nomadischen Lebensweise, in den innern Steppengebieten zwischen Ural, Kaukasus und Donaumündung sich hin und her getummelt haben, so muß es doch auffallen, wir leicht die Türken in den Zeiten, wo die Nachrichten reichlicher fliesten, fremde Cultur angenommen haben. Abgesehn von ihrem fast unvermittelten Eintreten in die mohammedanische Culturwclt, von dem völligen Aufgchn der Parthcr in dem persischen Staats- und Neligionswesen, geben die Chazaren, ein türkischer Stamm, ei» merkwürdiges in der Geschichte wahrlich seltenes 181 Beispiel von einer Aufnahme deS Indenthums in ihr Religions-leben. Chane der (ihazarcn sogar warm Juden geworden, und die heutigen Kcraiten, die reine und unvermischte Tataren und sicher nicht jüdischen Bluts sind, geben den redenden Beweis dafür. Bei auffallendem Mangel an Befähigung, höhere Lebensformen aus sich hervorzubringen, haben die Türtenstämme, wenn sie einmal das Steppcnleben ausgaben, die verschiedensten Cultursormen des Orients angenommen, aber freilich auch, ohne sie weiter auszubilden, man müsite denn das Ianitschareninstitut als ein ihnen eigene thümlichrs ansehn, obgleich auch dies in der Entwickelung der orientalischen Nationen nicht isolirt dasteht. Aus dieser Armuth eigner Produetionskrast möchten sich nnn viele Orbräuche, Saa^n und Institute, die merkwürdigerweise mit deneu der indogermanischen Nationen völlig übereinstimmen, hrrschreiben, die sich bei ihnen erhielten, als sie die sudlichen Nationen schon abgestreift hatten, (5'in besonders belehrendes Beispiel ist die Homerische Polyphemossage, die sich ausier in Griechenland noch in Serbien und Deutschland findet und bei den Türken i>, sehr altert!)ümlichcr Auffassung heimisch ist, welche eines der ältesten türkischen Literaturdocuinente bildet. Nehmen wir also für die Scythen des AltertlmmZ türkische Nationalität in Anspruch, so kann das häufige vorkommen von persischen Namen, überhaupt der Muftuß arischer Nationen, nicht befremden. Dazu kommt nnn noch ein anderes Motiv, welches in den Steppengebieten zu allen Zeiten eine grosie Rolle gespielt hat, der Fraucnraub und die Nachbarschaft des Kaukasus. Vs ist eine in neuerer Zeit fast von allen Reisenden gemachte Bemerkung, daß sich die Züge und Physiognomien der transkubanischen Kosacken völlig verändert und so stark veredelt haben, daß sie säst den Kau-kasier» gleiche». Noch mehr tritt dies bei der tatarischen Bevölkerung der Karatschai im Gebirge sclbst hcruor, welche noch viel langer in der Nähr der kaukasischen Stämnn- gewohnt haben und völlig die schöne Körperbildung der Kantasier an sich trage». Die edlere Gestalt der transkubanischen Kosacken ist nun nachweisbar davon das Resultat, daß die Kosacken ihre Frauen den Männern des Gebirges geraubt haben. Dieser Frauenraub ist aber nicht blos bci ihm-,« Gebrauch, sondern bei allen nomadischen Nationen 182 des innern Landes, sogar innerhalb desselben Stammes. Selbst die südrussischcn Märchen bei Dielricl, sind voll davon. Die Män-«cr erschlagt man und heirathet die Frauen. Dies findet sich auch häufig genug bei den Tscherkessrn im Kaulasus selbst und ist die Quelle vielfacher Fehden, Nun ist es aber merkwürdig, das; gerade dieses Gebiet des Nordabfalls deS Kaukasus nach der Krim ;n von Herodot als der Sitz der Sauromaten angegeben wird, deren fabelhafte Abstammung von den Amazonen er erzählt. Charakteristisch ist es, das; er die Sauromatcn auch ihrer Sprache nach als einen Mischstamm darstellt. Die Sauromatcn seien von ftythischen Vätern und den Amazonen entsprossen, und die Kmder hätten die Sprache von ihren Müttern gelernt. Daher weiche sie zwar von der sevthischen ab, sei ihr aber ähnlich wie ein verdorbener Dialekt. Genauer kann wahrlich eine den Nachbaruationru anffallende unter ihren Angen sich begebmdc Entstehung eim'6 nenen Volksschlaa.es durch die Kreuzung zweier Raeen nichr bezeichnet werden. Dazu kommt nun das historische Zeugniß des Lucian im Toraris, wo gerade ein solcher Frauenraub der Seythen an der Tochter des bosporanischen Griechenkönigs erzählt wird, unter so abenteuerlichen Umständen, wie sie noch heute in jenen rändern vorkommen und dir man bei Lncian nachlesen mag. Aber der Kaufasus mit seinen schönen Frauen hat zu allen Zeilen eine grosie Bedeutung bei den umliegenden Nationen gehabt, zu denen sic bald durch Kauf, bald durch Raub übergingen, und so sehr sind sich die Kaukasicr der historischen Wichtigkeit ihrer Frauen bewußt, das, es ein Sprichwort bei ihnen gibt' Für dieses Land haben wir unsere Frauen gegeben (Klaproth, Neise, I, 564). So denken wir nns also den Mischstamm der Sauromateu bei Herodot ganz in der Weise entstanden, wie sich heutiges Tages dort wieder eine Bevölkerung festsetzt, eine kosackenartig aus allerhand Stä'nu men, vor allem türkischen zusammengesetzt, die in fortwälzender Fehde mit den Gebirgsbewohnern, wie Alane» und Scythen im Toraris, leben, m deuen die nordischen Nomade» in kühnen Raub-zügeu sich Weiber erobern. Die Zustände, die uns Lucian schildert, find z« merkwürdig, als dasi wir nicht einen Augenblick bei ihuen verweilen sollte». Erst ülier ein halbes Jahrtausend mußte 183 verstießen nach Herodot's Schilderung, ehe "»t nicht minder anziehendes und lebensvolles Vild jener Gegenden lins in Vneian's Toraris begegnet, den inan nicht mit Unrecht eine oströ'mische C>),,^ mania nennen möchte, da auch in dieser Schrift deil entarteten Griechen die Tugend eines naturkräftigen Volkes entgegengehalten wird. Aber wie gewaltig ist der Abstand im Veben der Stämme jener Gegenden gegen Herodotus Darstellung. Mag Luciau noch so sehr idealisirt haben: die fast ritterlichen Institute rönnen un^ möglich erfunden sein. Das Land ist in ei» unverkennbar viel höheres Culturstadium getreten. Und nun die politischen nnd ethnographischen Veränderungen, Zunächst sind offenbar die königlichen Scythen Herodot's, diese herrschende Horde, spurlos verschwunden. Von einem Oesamnttkönigthmn bei den Seythrn ist keine Rede mehr. Statt dessen erscheint ein xa^ov -7uv ^x^«v, eine Art von aristokratischer Kriegerverfassung, welche an mittelalterliche ^'chnö-zustände und die am Kaukasnö sitzenden Häuptlinge und Dynasten, mit denen häufiger kriegerischer und friedlicher Verkehr stattfindet, ennnern. Valv ist es kriegerischer Frauenraub, bald friedliche Gpl-gamie, woran auch die Hellenen des Bosporus Theil nehmen, W sind Abenteuer bei Lucian erzählt, wie sie eben das heroische Zeitalter eines Volts charaktcrisiren, und wir erfahren von ihm ausdrücklich, daß sie keine Traditionen des Alterthums, sondern gleichzeitige Begebenheiten waren. Einen Wink über die Ursache aller dieser Umgestaltungen gibt unS aber der Stamm jener weiberbeherrschten Sarmaten, von denen das Alterthum voll ist lind über die schon oben gesprochen ist. Noch begegnen wir ihnen bei 5,'ueian zwar fast in den alten Sitzen. Allein ein Jahrhundert früher sind bereits ihre Stammgenossen bis über die Donan durch Vessarabien vorgedrungen, wo sie der arme Ovid mit eigenen Augen zu sehn Gelegenheit fand. Mit den Scythen selbst sind die Alanen bei Lucian in so enge Verbindung getreten, daß er sogar Gemeinschaft der Sprache behanptet nnd sie nur dadurch unterscheidet, daß die Alanen kürzeres Haar trugen, und diese waren doch sicher ein kalt kasischer Gebirgsstamm, dessen wunderbare Körperfchönheit den Alten ebenso auffiel, »vie uns die ritterlichen Leiber der Osseten und Tscher-tesfm. Füglich kaun man sagen: bedarf es noch weiter Zeugnis;? 184 W ist offenbar, daß ein durchgreifender (5inftuß, wenigstens auf den Südraud der Steppe, von den Kaukasusstämmeu ausgeübt wurde. Die Sauromaten, selber schon ein kaukasischer Mischstamm, dehnten sich in kriegerischen Unternehmungen einzelner Haufen in die westlichen Gebiete aus, gewaltsame und friedliche (5pigamie ver^ edelte das Vllit der Scvtheu, N'ozu auch die Griechen mögen beigetragen haben, im Allgemeine», wie einzelne Züge in der Königsfamilie der bosporanischen Hellenen Verhcirathungen und Ver-schwägenmgen mit nordischen Hällptlingen nachweisen und in der berühmten olbiopolitanischen Inschrift, irelche den Protogeucs ver^ herrlicht, die N^/XX^e«^ schon früher eine Vermischung zwischen Barbaren u»d Hellenen beweisen. Wie in Olbiopolis Einfluß thrakischer und an der Donau wohnender Stämme in den Namen der Inschriften sich zeigt, so kaukasischer in den südöstlichen Gegenden der Steppe. Den größten weltlnstorisclien Einfluß aber übte der Kaukasns aus die Geschicke von Europa, als wenige Iahrhun derte später ein Theil jener Alauen, dieser wunderschönen hart^ herzigen Männer, mit deutschen Stämmen vereint die Donall hin ans durch Frankreich nach Spanien zog nnd sich daselbst ein neues Vaterland eroberte. Wir sehen also, damals, wie lnnge Jahrhunderte spater, haben in der alten Hrnnath türkische und kaukasische Stämme in Liebe und Haß mit einander gerungen, und als die Türken die Erben der ostro'mischen Kaiserkrone geworden waren, setzte sich der Proceß zwischen den beiden Naeen auf dem neuen erweiterten Gebiete fort, (5>reassische Sklavinnen haben fortwährend das Blut türkischer Herren veredelt uud circassische Sklaven haben bald einzeln, bald als Mamluken in grösirrn Gemeinschaften an der Herrschaft über die oströmischen Gebiete Theil genommen. Ueberblicten wir somit die Natur des Einflusses, den die taukasischeu Gebirgsstämme zu den verschiedensten Zeiten des Alterthums auf die nordischen Gebiete ausübten, die höhere Begabung rer Kaut'asirr gegenüber den Steppen-nationen, so wird es begreiflich, wie sich als Sitz der Amazonen, sagen das Gebiet der Sarmaten in der Tradition ausbilden konnte, wenn cireassische Weiber, durch Frauenraub zu den Nomaden der Steppe geführt, eben durch ihre überwiegenden Anlagen und die 18ä ihnen auch in ihrer Heimath eingeräumte größere Freiheit der Bewegung, wovon die Reisenden zu erwählen wissen, auch j» der Fremde ihrem Geschlechte eine höhere Lebensstellung erwarben. Die politischen Hellenen konnten die Sassen von den Amazonen am Thcrmodon an sie knüpsen, wenn sie den muthigen Antheil derselben am Kriegrrleben ihrer Männer erfuhren, wie die Römer erstaunten, alö sie die Weiber der Cimbern und Teutonen sich, da Alles verloren schien, selbst in den Kampf stürzen sahen. Damit ist freilich bei weitem nicht die ganze Amazonensage erklärt, wohl aber ihre Verknüpfung mit den Sauromatcn, welche die nördlichsten Bezüge der antiken Ueberlieferungen über die Amazonen bilden. Auch Grimm hat von ihnen im erwähnten 'Aufsatze über die Scythen gesprochen und sucht sie mit den normannischen und deutschen Schildjungfrauen, den Walkyren, zu verbinden, die in der That große Achnlichkeit mit den griechischen Amazouenkämpsen zeigen. Stärker davon weichen die kleinasiaüschen Sagen ab, welche in der (^ö'tterfigur der Kybele und ihr äbulichen wurzeln, und deren charakteristisches Moment darauf beruht, daß die Geschlechter förmlich vertauscht werden. Die Männer verwcindeln sich in Flaue», wovon der Gipfel das <5'lmuchenwesett ist, die schwachen furchtsamen Frauen in kriegerische Amazonen. Auch diese Vorstellungen scheinen seit alter Zeit im heutigen Südrußland Eingang gefunden zu habe», wofür die sonderbare Sekte der Eunuchen spricht, vor allem aber die Erzählung, welche unser Reisender über einen gräulichen Ritus einer verwandten Sekte mittheilt. Den Mittelpunkt derselben bildet, dasi einem jungen Mädchen von 486 mm' Iacobine, Iwan's Tochter, der Mutter Christi zu stehe«, wclchc ill einem ihrer liturgischen Gesänge (Studien, l, .'»<»7») vorkommt. Eine solche Abweichung von Maria, der Mutter des Hei lands, sieht völlig heidnisch aus nnd scheint sich eher auf ein Götterwesen zu beziehn von dem Charakter der asiatischen Knbele, der großen Göttermuttcr, mit ihrem Cunuchengottc Attis, deren Dienst durch die Galloi, ssunuchenPriester, gefeiert wurde. Denu das Castratenwesin spielt eiinual bei diesen russischell Ketzern eine Hauptrolle als Gott besonders wohlgefällig. Sie sagen: Der Heiland ist nicht gestorben, er wandelt noch auf l^rden in der Ge^ stalt Peter's 111., aber gcschlcchtloö. Die scythischen '6^225 des Herodot ziehen wir absichtlich nicht hierher, wenn sie auch als (5'unuchen und Priester und Schützlinge der Aphrodite erscheinen, weil sie nach Herodot und Hippokrales natürliche Castraten waren, obgleich Hansen gerade dies vielleicht nicht ohne Grund bezweifelt. Es ist bis jetzt nicht möglich, die einzelnen Züge dieses russischen Aberglaubens in das Altrrthnm und nach Kleinasien hinein zu verfolgen. Aber dorthin deutet Alles, was uns davon mitgetheilt wird, und cS mag einstweilen genügen, dargethan zu haben, wi,e mannichfaltige Bezüge zu den umliegenden Culturländern jene südrussischen Landschaften darbieten und wie treu sich dort die alterthümlichsten Vorstellungen erhalten habe», (sine solche liegt auch dem so höchst merkwürdigen Krtzerdogma der Selbstverbrcnner zum Grunde, welches wir nur darum hier anführen, weil es fast als Complement jener heterodoren Sekte erscheint und sich ebenfalls in dem Kreise der kleinasiatischm Cnlte, deren Gegenstand das seruelle Element ist, bewegt in dem Weilhin verzweigten (Kultus des He. rakles Saudon, der sich, wie Herakles auf den Oeta und Sard«, napal, selbst verbrennt'). Indessen wollen wir doch aus klein- *) Die russische Selte der VlorelstschM (Sclbstaufopferer) in den Gewende!! nm Saratt'w au der Wolga uud »ach Sibirien hinein Herr-schcud, zeichnet sich besonders dadurch aus, daß an abgelegnen Ovten mit besonder» (Zeremonie» Von den Keheru eiuc Grube mit Vrcmm^tcrial gefüllt wird, um welche sich Echaaren von 20 biö 1W Maschen versammeln und, wcnu der Holzstoß anflodert, sich hineinstürzen, Znweilrn ver-l'rcnncn sic sich auch sammt dem Häuft, in welche sie sich eiugrschlossen. l87 asiatische Zusammenhänge hier darum weniger dringen, da der Feuercultlls sich bei allen asiatischen nnd europäischen Nationen in früherer Zeit findet und zwar ohne Unterschied der Abstammung, Indogermanen unv Semiten, und dessen Ausgangspunkt Persicn mit seiner Feuer- und ^ichtreligion zu sein scheint. Gerade das Factum, daß die Todtenverlnemumg, von Indien bis Island einmal Gebrauch, sich nur in Persicn nicht nachweisen läßt, dem Ausgangspunkt aller dieser Völkerwanderungen, wo sich doch zu allen Zeiten die Verehrung des Feuers als Mittelpunkt der Religion erhielt, beweist, das; der Gebrauch auch hier einmal herrschte, aber durch Zoroaster's durchgreifende Nesormen beseitigt wurde. Wenden wir uns zum Schluß uoch einmal jenen südrussischen Steppengebieten zu, so sei es gestattet, einige Worte über die Steinbilder der Steppe hinzuzufügen, welche, je mehr man über sie nachdenkt, desto räthselhafter erscheinen. Denn es hilft durchaus nicht, anzunehmen, daß es Bilder der im Hügel Begrabenen selbst sind. Nach den über dieselben bisher bekannt gewordenen Nachrichten sind eö Männer nnd Weiber, welche die rohen Statuen vorstellen, allein doch im Ncbcrgewicht Weiber, so daß die Russen sie unterschiedslos Vaba'ö, alte Weiber, nennen. Schon dies allein scheint darauf zu führen, Götterbilder ill ihnen zu vermuthen, da bei der sonstigen soeialcn Stellung der Weiber dieser Stämme, zumal im hohen Alterthnm, es ungereimt wäre, eine so besondere Verehrung derselben gegen ihre verstorbenen (5'hefranen anzunehmen, wozu man doch gezwungen wäre, wenn jene Steinbilder die Verstorbenen selbst darstellten. Daher könnte man auf die Ansicht kommen, mit diesen Statuen seien Nntcrweltsgöttinncn gemeint, wobci man sich an das Leichenweib erinnern mag, welches bei den ältesten russischen Vecrdigungsftierlichkeiten an der Wolga vorkommt und mit besonderm Gransen uo» Ibn-Foßlan in seiner so denkwürdigen Beschreibung geschilvert wird, das wahre Bild einer er- Zahlrciche Zuschauer umgeben es, ohne sie zu hindern an dem, was diese Seltirer die ^eiiertalife nemim. Ueber den Zusammenhang ihrer Neli-ttw» sä »sichten herrscht völliges Dunkel. Uebrigens findet sich noch als Variante des Selbstverbremieüs gegenseitiges Erstechen mit Messern (v. Hart-hausen, Studien, 1, 300, Ml, ftanzos, Uebers.). 188 barmnngSlosen Todesgöttin. Ibn ^ Foßlan nennt sir den Todes-engrl. Dieses Leichenweib ,uuß unt so mehr rine besonders heilige Bedeutung gehabt haben, da sie allem den Todesstreich an der sich dc»l Verstorbenen opfernden Sklaven vollzieht, nnd die Männer, die ihr zur Seite stehn, nur Nebeusignren find in dem entsetzlichen Ritus. Allein bei Herodot sehen wir uns vergeblich nach einer solchen Todesgöttin mn, während sie den germanischen Nationen wohl bekannt ist und auch bei den türkischen Nationen nicht gefehlt haben kann, da sie einen Unterwellsgott, den Irle-Chan, hatten. Doch ist es möglich, daß dir scythischc Hestia, Tabiti, gemeint ist. Dafür läßt sich anführen, daß diese Göttin sich speciell auf den Hausstand bezog, auf die Familie mit Allem, was zn ihr gehört, und als solche Familienangelegenheit erscheint anch das Vegräbniß, wobei der ganze Hausstand, eine Wohnung im Grabhügel, mit Speise, Getränk, Pferden, Dienern und endlich das Weib des Gestorbenen selbst diesen? in den Tod solgt. Von Tabiti hängt so sehr das Wohlergehen des Hauses ab, das« ein falscher Schwur bei ihr dasselbe gefährdet. Wurde der Seythenkö'nig krank, so glaubte man, daß Jemand bei seinen: Herdfeuer, welches also ein besonders heiliger Schwur war, falsch geschworen, nnv der Nebelthäter, wenn er entdeckt wurde, mußte sterben. So erzählt Herodot. Gs ist daher wohl denkbar, daß Tabiti bei dem Tode ihres Schützlings ebenfalls eine Thätigkeit zuerkannt wurde. Im ältesten Ritus des Begräbnisses bei oen Russen war es das Feuer, welches die Bestattung vollzog, ganz analog jenem Hcrdfeuer, das mit der Eristenz des Hausherrn so nnzertrennlich verbunden war, und eine solche nahe Verbindnng zwischen der Verehrung des Hausfeuers und der Todtenvcrbrennung ist überhaupt bei den Nationen, wo sich beide Institute finde», unleugbar. Allein Schwierigkeit macht, daß die Todtenverbrennung bei den Scythen und wol auch ihren Nachfolgern, den Türken und Tataren im Süden Nußlands, während des Mittelalters nicht stattfand, wenngleich Spuren besonderer Verehrung des heiligen Hausherdcö noch vorkommen. Selbst der türkische Ausdruck bei den Tschertessen, k<>nr 'Ansicht der Alten waren den Scythen staunn verwandt und derselben von ihnen als scythisch bezeichneten Lebens weise anhängend die Saken, wie die ihnen benachbarten, vielleicht der Nace nach identischen Massageten. Die Perser brauchen den Namen als Collectivbezeichnung der nordischen Stämme. Von ihnen hat uns Diodor (II, 3^) die merkwürdige Erzählung aufbewahrt, eine stets siegreiche Königin derselben, Zarina, habe sie einst beherrscht. Die Meder unter ihrem Könige Astibaras hätten sie lange vergeblich bekämpft um der Parther willen, anf deren Knechtschaft beide Nationen Anspruch gemacht, bis endlich der Friede geschlossen sei. Die Sakrn aber hätten ihrer Königin nach ihrem Tode göttliche (§hre erwiesen nnd ihr einen Grabhügel errichtet der alle andere ihres Landes überragt hätte. Denn er sei ein Stadium hoch gelvesen. Auf dessen Spitze hätten sie m,e kolossale Bildsäule von Gold gesetzt, welche die Zarina vorgestellt habe. H. Kiepert machte mich hier darauf aufmerksam, daß Zairi uu Zend Gold, somit Zarina die goldene heißt, also der Name mit der Sage von der Goldstatue auch wörtlich stimmt. Dies ge^ mahnt wiederum an die .»ure.-, .iims (8!»t« d«da) im hoheu Nor- 190 dm an dm llfern des Ob, also ebenfalls eine goldene Statne, von der Herberstein im ^6. Jahrhundert hörte. Der Goldrcich-thum des innern Asiens war im Alterthnm den Inder» und seit Herodot den Griechen bekannt. Hier also erblicken wir eine unsterbliche und göttliche Königin der Tabiti der Scythen ganz ähn^ lich und obendrein ganz denselben (Rebranch, Statuen auf die Tmnuli zu setzen, wie er bei den Steinsiguren auf den Knrganen der Steppe sich findet. Dazn mag hier oh»e Commcntar eine Stelle aus dem Reiseberichte von Totareff stehen aus der Gegend des Kuban, ge radc mitten in dem Gebiete dieser Steppennationcn, (lillüotil, dn l'.^ol,^. cic 3t..I'^Ll-8i)., I. Vll, p. ^5«) i^n 8uiv.»,U ll du Iiu>5 oll l)>amilM5 l« I<,!>!^ lla Ivull!>/l!l P<-,I' UN« e^püoo (^l> ^l(>li!6, nommü ^Ilü'd^X)!!!^. I^Il <»u müilll! «l'uiio clllll'N'l« ci'llll l^l)!3 ^'« vi8 III! MOllUMLNl, czui tout, ll,0Nlj<>!^. (^t.1!< Uliu o5l»oc« ci'iltolu, llant ^'iii «58.^'6 ll« VUU8 lr^cor 1.1 li^ui-L ol cl'uno 5(.'u!ptui-o tout-lt l-lm,!«, Io8 voux, II) »«^, !,'» l>0U(!liL, l!'i>0U8 ^roL^iuromllot, l«« l)!'!,5 pon- lillil z)<>>' u l>.'i8 l!>> «iü>s>!o l^luc lußl,!^, uxpuls^l, lins c<'.!lNlL!> l,ol!l'!u» ^l« l:, ll>,>lcl!i, viill'(^i>t «owi 0li nc>U!> <)li!)N8; c^uil'l; .ivl!lLl!t u»t) l>! llilll).^8u, l^uii'8 Vl';n6 I'll ion I, I^0i!U0uUsi' ^^ l>ui iloliil!» 8Uli IIMN 3lioino ü 1'endi-cx't; Ol^llo pl-lNLl:«50, <'tnilt moi'lo, oll« V lut eillorr^c!, ol «lit' »a lunilio l>i>, z, lo l«unllln«>,l, clonl. ,je vou8 p. Also am nördlichen Abfall deö KautasuS, am Kuban, knüpft sich an ein steinernes Frauenbild der Steppe dieselbe Sage im Munde deö Volks, die von den Saken Diodor unS bewahrt hat, nur dasi hier auch noch die göttlichen (3hren, die Zarina erwiesen erhält, berichtet werden. Auch die Mafsageten hatten eine solche sagenhaste Königin, Tomyris, die halbmythische Rächerin ihres Sohnes an Kyros. Also hier in nahe benachbarten Ge^ bieten zwei und zwar mythische Fürstinnen, von denen die eine an eine Art von Dentmälern geknüpft wird, welche noch heute uns 191 erhalten sind, und a» cine Sage, welche noch heute nicht in künstlicher Tradition der Literatur, sondern im Munde deS Volks sich fortpflanzt. Und es kann in dem ganzen Kreise der Kurganbildcr nicht genug hervorgehoben werden, dasi Russen, Türken und Tataren alle, selbst die offenbar Männer darstellenden Statuen Vabas, Weiber, Steinmädchen nennen, und wenn denn durchaus eine solche Männerstatuc soll bezeichnet werden, sagen sie „männliche steinerne Weiber" (Lullet. ^1« 8l.-!'6tos3l)„ 1845, I. II. p. 4!)!>. „„l. 5). Indessen so willkommen uns die Ansicht des Hrn. V. Koppen, dem wir diese Mittheilung verdanken, sein muß (i!i. p. "N>7 lli,.), daß nämlich die Steinbilder ans einen Neligionseultus zu beziehen seien, so wenig können wir unö in seine Combination finden, wonach er die Babas der Steppe mit den Feldteufeln des Alten Testaments vergleicht, worin, ihm unser Reisender folgt, und ebenso wenig vermögen wir seiner Annahme über damit verbundenen Schlangencultns beizutreten (Alterthümer am Nordgestade des Pontus, 5825, S. 50.4). Denn die Bezeichnung eines Flusses in Kolchis durch das Wort ; wie in Arkadien kann nur die bekannte Symbolik von Drache als Fluß nnd Quelle bezeichnen. In der hellenisircnden Sage von der Abstammung der Scythen von Echidna und Herakles ist Echidna dieselbe Symbolik, die sich in so vieleu schlangenfnsügen Heroen der Griechen findet und auf deren Au-tochthonie deutet. Dagegen ist von Schlangenmlt in den specifisch scylhischen Traditionen weder bei Herodot noch sonst wo eine Spur zu finden, llebrigens würde für alle Kurgane eine durchgreifende Classification gewonnen sein nnd unserer Darstellung, daß die, Steinbilder der Steppe Götterbilder sind, keine geringe Stütze geliefert weroen, wenn sich bestätigte, was Koppen zu behaupten scheint, daß überhanpt in keinem Kurgan, über dem sich ein Steinbild befindet, alte Gräber sich befänden. Indeß dafür sind die im obigen Bulletin mitgetheilten Resultate aus zu wenigen planmäßigen Nachgrabungen und überhaupt zu kleinem Gebiet entnommen, als daß man sich darauf verlassen sollte, um so mehr, da die Tradition dagegen spricht, welche stets darin Gräber findet. Ueberhaupt ist zwar schon wegen der aus dem Alterthum angeführten Zeugnisse als Hauptgebiet der Steinbilder die 192 Steppenlandschaft am Schwamm Meere nördlich vom Kaukasus und weiter nach Osten hin anzuschu, also die eigentlichen Gebiete der Türkenstämme, Indessen sind uns, was nicht zu verschweigen, von zweiOertlichkeiten Berichte bekannt geworden, die freilich völlig außer-halb dieser Grenzen liegen. Zuerst berichtet ein Bulletin der Peters burger Akademie von einem Steinbilve bei Moskau, das anch uilser Reisender in einem hohlen Vailine gesehen hat. Sodann behauptet rin Aufsatz über Ignatjev's Untersuchnnqen der Mirgane dec« Gon-vernements Nowgorod (Mman's 'Archiv, XIII, 7H), dasi sich in den Kurganen de^ nowgoroder Gouvernements ebenfalls Neste von Eteinweibern gefunden; die steinerne Statue bei Moskau könnte man nach dem, was im Vullcun der Akademie erzählt wird, daß der Vaunt mit der Bildsäule offenbar auf einem tatarischen Kirch-Hofe gestanden habe, auf die Epoche der Mongolenherrschaft deuten. Allein über das, was der Aufsatz bei Ernmn behauptet, muß man weitere Nachrichten abwarten, und bis diese es bestätigen, sei es gestattet, die Sache einstweilen zu bezweifeln. Fast alle in den vorstehenden Blättern enthaltenen Betrachtungen bezogen sich auf die Türken und die Gebiete ihrer Hcimath, die jetzt bei dem Kriege der drei mäcbtigstcn Nationen der Erde ein neues Interesse gewinnen, llebevschaue» wir den Stand unserer Kenntniß von der historischen Bedeutung der türkischen Nation, deren Hater zu seinem und uuserm Ruhme unser Landsman» Diez ist, so wissen wir davon gerade genug, um zu erkennen, wie man^ gclhaft sie ist. Das ist die Klage deutscher und russischer Gelehrten. Bisher sind im Wesentlichen die Türken nur in ihrcr Be^iehnng zur arabischen Welt betrachtet worden, denn die Berührungen mit dem Occident waren eben so äußerlich wie die der Mongolen. Jetzt drängen die Geschicke der Gegenwart znr Erwägung ihres nor dischen Charakters. Gauz neue Acten sind hier erforderlich, und es ist die natürliche und ehrenvolle Mission der russischen Gelehrten, sie aus der alten Türkenheimath, die jetzt in der weitesten Ausdehnung unter russischem Scepter steht, herbeizuschaffen, ein Beruf, der durch zahlreiche Vorarbeiten bereits documrntirt ist. B. Hur Jurisprudenz in Tmn^kaukasien. Das russische Gouvernement hat schon seil den Zeiten Katharina's II., den Ansichten und der Vildung Westeuropa's folgend, gestrebt, eine gleichmäßige Nechtsversassung des ganzen Reichs durch ein allgemeines Gesetzbuch zu begründen. Unter dem Kaiser Nikolaus I. ist diese kolossale Arbeit endlich vollendet und das allgemeine Gesetzbuch, der Swod, proclamirt worden. Im Allgemeinen sind alle Länder und Völker des unermeßlichen Reichs in Bezug auf ihre Rechtsverhältnisse in dieses Prokrustesbett gelegt worden. Dennoch mußte man bald anerkennen, das; bei den unendlichen Verschiedenheiten in den Vildungs- und Culturzuständen, in den Lebensanschauungen, in den Sitten und Gebräuchen, endlich in den religiösen Pflichten und Begriffen, der Swod entweder im Ganzen oder iu einzelnen Theilen gar nicht passe, oder die vorhandenen realen Lebensverhältnisse gar nicht träfe. Welche Anwendung konnte» russische Utase bei den heidnischen Völkern Sibiriens, die auf der tiefsten Stufe der Cultur stehen, finden. Welche Wirkung konnte russischerseitö religiöses und Kirchenrecht, welches im Swov enthalten, auf die mohammedanischen Tataren finden, denen der Koran nicht blos religiöses, sondern unantastbares bürgerliches Gesetzbuch ist? — Das Gouvernement half sich auf zweierlei Weise, M brachte daö Gesetzbuch dort, wo eö nicht paßte, beim Samojeden und Kamtschadalen, gar nicht in Anwendung, es schläft für diese, Dort aber, wo es in directem Widerspruch mit den religiösen und Lebensanschauungen kam, wie bei den Mohammedanern, ward es N. 13 1!)4 suspendirtz ,nan ließ dir Leute bei ihren alten Gesehen und Ge branches. Man ging aber noch rinen Schritt weiter. (5s ward angeordnet, daß alle Privilegien, Partieulargesetze nnd Rechts-gewohnhriten der verschiedenen Völker und Landstriche gesammelt würden, mn daraus partieulare Nechtsbücher für dieselben zu forin ire n Diese Sammlungen sind geschehen und die gesammelten, höchst interessanten Materialien liegen im Ministerium in Petersburg, Einzelnes Material ist auch gedruckt, aber nicht in den Buchhandel gegeben. Ich erhielt im Winter l84i ans dein Mimsterium eine in Folio gedruckte Sammlung der in den transkaukasischen Provinzen gesammelten Gesetze und Rechtsgewohuheiten. Sie sind hier aus der Landessprache ins Russische überseht; es ist aber keine Notiz hinzugefügt, »reder über ihren speciellen Fundort, noch über Entstehung und Geschichte, noch über ihre Geltung in den verschiedenen Landstrichen. Kurz' es ist ein Nolorong sine relaw!") Ich besitze nicht die mindesten Materialien, diese Lücke auszufüllen, auch habe ich nicht gehört, daß sich die russische Literatur mit diesen eigenthümlichen Rechtömunnmenten beschäftigt hätte. Ebenso wenig habe ich ssehört, das? in der übrigen europäischen Literatur auch nur das Dasein derselbe» gekannt, geschweige den» gelehite Nntrr suchungen darüber vorgenommen wären. Der Abdruck des Ganzen möchte etwa achtzehn Druckbogen mm fassen. Wer den nöthigen Commcntar dazu zn schreiben vermöchte, würde daher rill mäßig umfangreiches Nuch daraus bilden können. Ich gebe hier einen Auszug. wie er mir für dies mein gegenwärtiges Vuch angemesfen erscheint, Ich hebe Das heruor, was charakteristisch national, was die Volt'ssitten nnd den Culturzustand bezeichnend darstellt. Jener russische Folioband cutl'ält mm folgendes Material' 1) Das Gesetzbuch deö Wachtang, Czar von Grüften (Georgien). 2) Die Gesetze deö Czar Georg von Grusien. ') Ich habe gehört, daß diese mcvlwnrdigc Sammlung der tninslau-kastschen Gesetze durch den Varon von H"h» angeordnet worden. IencS Driqinalgesehl'uch des C>>n Wachicma st'll damals im Besitz eiilcö Pri-valen gewesen ftin. dem cr eo f>n l<»,N) Die (^LliokiL und Lxt><^,6 von MoseS, l)) Dir Gesetze der byzantinischen Kaiser, welche ihm die vier griechischen Patriarchen verschafft hatten. e) Die armenischen Gesetze des Czar Georg von Armem,'», welche er aus Edschmiazin, dem Vegräbnißorte dieses Czars, erhalten habe. 6) Die Gesetze des Czar Oeorg von Grusien, die noch zur Anwendung gekommen, e) Die Verordnungen und Befehle von Asbag und Dschakel- Zechis und Dschneril. s) Die ältern Gesetze Grusienö, welche zum Theil in Folge der häufigen Theilungen nur für einzelne Theile des Landes gegeben waren. Dann habe er selbst während seiner Negierung viele neue und nützliche Gesetze gegeben. Alles Dieses habe er zu einem Ganzen zu verarbeiten gesucht. Wir geben hier zuerst aus dem Gesetzbuch? des Czar Wach^ tang von Grusien die von ihm selbst geschriebene Einleitung wö'rt^ lich und vollständig. Eie gewährt uns einen Vlick in den Charakter des Königs, in den Culturzustand des Volks, in die herrschenden Idee» in jenem Lande, in jener Zeit. ,,Indem ich dem ewigen Schöpfer aller Dinge ein, wenn auch unwürdiges, Opfer des Dankes und der Vrrsöhmmg darbringe, will ich hier Das, was bis jetzt unbenutzt gebliebe», der Mit-u»d Nachwelt mittheilen. ,,Wir Fürsten, welche im Besitze von Perlen sind, zuweilen nur Glascorallen unter diesen finden, und dieselben der Seltenheit wegen dennoch in unserer Schatzkammer aufbewahren, wo sie, verschönert durch den Glanz der andern Edelsteine und Kostbarkeiten, von manchen Fürsten höher selbst als die echten Perlen geschäht werden, sind diesen (Glascorallen) oft selbst ähnlich. So hat denn der Herr, der Urheber alles Lebendigen, der Allweisr, aus der Mitte uieler solcher Perlen mich berufen, der ich sagen kann, ich war der Kleinste untl'r meinen Brüdern uud der Jüngste im Hause meines Vaters, zeigte mich thöricht und unfolgsam, Meine Hand hat nichts Gutes geschaffen und ich habe mich nicht bestrebt, den l 97 WiUcn GotteS zu erfüllen, sondern war müßig. Wer kann dem Herrn alle meine Sünden verkündigen! Doch der Herr selbst gab sein heiliges Versprechen, dem Frevler zu verzeihen! Er berief mich, den Jüngsten aus dem Hause meines Vaters, und setzte mich zum Richter und Verwalter des Landes ein, das der sündenloscn Mutter Gottes angehört; nicht etwa meiner guten Thaten wegen, sondern nur meiner Nichtigkeit willen, auf daß Alle wissen sollen, daß es dem Allgütigcn stets gefällig und angenehm gewesen ist, durch ungeschickte und gewöhnliche Menschen seine wohlthätigen Zwecke auszuführen. „Grusien war ein mit allem Guten begabtes und geschmücktes Land, aber wegen des Wechsels der Zeiten und der Veränderung der Umstände richtete und waltete man darin nach eigenem Gutdünken; die Einen ließen sich von Verwandten und Freunden, die Andern von Furcht verleiten; wieder Andere waren gottlos, Viele aber ließen sich bestrafen, Jeder handelte nach Wohlgefallen. ,,Daher haben wir, von Gottes Gnaden Czar Wachtang, Sohn Leon's, genannt Schah Kulchan, des Mdiwanbeg von Iran, des Verwalters Grusiens, wir Patron und Stellvertreter des unaussprechlichen Lobes würdigen Fürsten, des Soladar-Spaßalar von Iran, des Anführers eines unzählbaren Heeres, des berühmten Siegers Veglarbeg von Kandahar und Kirwan, des Veherr-schers von Kirischki und Gailatsk, des starken und siegreichen, der früher Georg hieß, jetzt aber vom Kaiser Schachnawas II. genannt worden, und der Sohn des Czars von Grusien war, jetzt im Paradiese hellen Geistes glänzt — dieser hieß zuerst Wachtang, dann ward er Persisch Schachnawas genannt — beschlossen, diese Gesetzsammlung zu fassen, indem wir darin die mosaischen Gesetze aus der Vibel, griechische und armenische Gesetze, die Gesetze der Katholikoffe und die Verordnungen vom Czar Georg und Vck an führen. Prüfet und lernet kennen die Gesetze, ihr Richter, und wendet diejenigen von ihnen an, welche ihr für die be sten haltet und fället richtige Urtheile. Was aber die von »ms selbst abgefaßte Gesetzsammlung anbetrifft, so sei es Jedem kund gethan, daß wir dieselbe nicht allein unternommen, sondern auf Genehmigung und Mitwirkung des Patriarchen der Residenz Mzcheta, des Katholikos Dementius, desgleichen des ^rzbischofs Georg und anderer Metropoliten, Bischöfe, Aebte und anderer Geistlichen, im Einverständnisse mit Herakles, den Beherrscher von Muchran, mit Gristaw Georg von Aragew, mit David von Nan, nut Gre-statius Mdiwanbeg, mit allen hohen Beamten und andern verständigen und erfahrenen Männern, solche Gesetze verordnet und vorgeschrieben haben, N'ie sie uuftr Verstand hat hervorbringen können. Wir haben dieses Vuch um so lieber herausgegeben, damit Niemand aus Freundschaft, Verwandtschaft, Vestechungssucht oder aus irgend welcher Parteilichkeit, der Gerechtigkeit ihren Lauf hindere. Mag der Richter zuvor jene obenerwähnten Gesetze einsehen und dann diese neuen, und mag Recht sprechen »lach denen, die er für zweckmäßig hält. Ich schmeichle mir nicht, daß mein Buch ohne Mängel wäre. Vieles kann vorkommen, woran wir nicht gedacht haben, der menschliche Verstand kann ja nicht Alles umfassen und berechnen! Wer also etwas Nützliches findet oder entdeckt, der wird sehr gut thun, wenn er dasselbe von sich gibt und in dieses Vuch einträgt. bestimmen, wie Zeugen bei Civil-ansprüchcn zu verwenden. §. 14. Das Aufsichnehmen der Sünde findet nur bei Anschuldigung kleiner Diebstähle unter einem Martschil (circa 1« Sgr.) statt. Der Angeschuldigte hebt den Kläger auf seine Schulter und spricht- „Möge deine Sünde auf mich übergehen, ich will statt deiner verdammt sein, wenn ich Das gethan, dessen du mich be-beschuldigst. Die §^ 15 und 10 enthalten interessante Notizen und Fest-sehungen über die Münzverhältnisse Grusiens und Vcrgleichungen mit russischen und europäischen Münzen. Vou russischen kommt 2<)l vor der Rubel, der Griucnik, von europäischen der Florin. Der Werth der Münzen ist bei Geldstrafen festgesetzt im z. 16. Wörtlich! „Um von dem Silbergclde unserer Zeit gründliche Kenntniß zu gewinnen, muß man wissen, daß vier Mohnkörner dem Gewichte nach einein Hirsekorn, vier Hirsekörner einem Weizcnkovn, vier Weizenkörner einer Erbse, vier Erbsen einer Dangi gleich sind; das Gewicht einer heißt Karat. Sechs Dangis oder 24 Karat machen einen Solotnik. Gin Solotnik ist dem Gewichte nach gleich zwei und einem halben Silbcrzjack. Eine Griwea nenne» die Perser Usaltun, die Türken und Europäer aber Kinger. Vier Pjatake machen einen Abas, der bei den Europäern Tult heißt, Fünf Abase machen einen Rubel, drei Abase einen Martschil, zehn Nubel einen Tuman; ein Teman enthält l6 Martschilc und zwei Abase. Die Türken nennen 50 Temanc eine Kessa. Das europäische Geld wird etwas anders genannt, allein hier wlrd es nach dem Curse angenommen. Die Europäer nennen drei Pjatake einen Nubi. Gine Goldmünze, welche dem Gewichte nach einer Griwca gleich ist, heißt Florin. Dieser Florin gilt bald einen Nubel 4N Kopeken Silber, bald anderthalb Rubel, bald aber auch weniger als ein Pjatak." 8. 47 spricht von dem Sühnegcld für Erschlagene im Allgemeinen. 8- 18. Das Sühnegcld für einen erschlagenen Bauern beträgt 6t) Ochsen oder Kühe, oder deren Werth, Von N, 111 — 24 nähere Bestimmungen über Sühnegeld. Verbrechen gegen den Czar und gegen den Katholikos werden ganz gleich bestraft. Der Eine hat die Gewalt über die Körper, der Andere über die Seelen. Wenn dem Czar mehr Ehrfurcht erwiesen wird, so geschieht dies auS Furcht. Wir geben keinem den Vorzug. Irren wir, so mag, wer es besser weiß, anders schreiben und uns deshalb nicht verdammen. 8l und 82. Für Keschwistermord behält sich der Czar die Strafbestimmung nach Ermessen vor. Für Verwundungen und Verstümmelungen sind Entschädigungssätze bestimmt. Der älteste Bruder darf den jüngern mäßig züchtigen. 88, 8H und 85. Strafen bei Weiberraub und Entführung. 88- 86 und 87. Fernere Bestimmungen des Gherechts. 88- 88 — 9-4. Fernere Nestimmungen bei To'dtungen und Verwundungen. 8. 95». Wer seinen Vauer wegen irgend eines Vergehens erschlägt oder verstümmelt, der zieht sich den Zorn des Czars oder des Katholikos zu, denn Niemand hat das Necht, seinen Bauer ohne Einwilligung des Czars zu bestrafen. Jeder ist ver- ") Auch nach dem Doqma dcr qrit'chischnl Kirchr darf der ehebrechexdc Theil bei Lebzeiten des geschiedenen Galt«, nicht wieder keirathen. Wahrscheinlich gilt diese Bestimmung daher »ur für den Fall, daß der unschuldig d<'in' Gatte bereitö gestorben, 200 pflichtet, das etwaige Vergehen dem Czar zu melden, und der be straft, Wenn Jemand seinen Vauer erschlägt, so muß er dessen Erben das volle Suhneqcld eines Lebens zahlen. Hat der Herr den Bauer unvorsätzlich erschlagen, so muß er dennoch Entschädigung den Nachgelassenen leisten. Hat er ihn verstümmelt, so kann der Bauer bei ihm bleiben nnd der Herr musi ihm das Gut lassen: will er mit seiner Familie und seinem Erwerbe fortziehen, so kann ihn der Herr nicht halten. Er hat sich seine Freiheit durch Plut erkauft, Bei der Ermordung sind selbst die Brüder und deren Angehörige frei geworden, bei einer Verstümmelung aber nicht. da Wein als 20»1 Zinsen genommen iverdcn. Cine Koka Wein kostet 20 Kop, Sil ber, und das bildet die erlaubten Zinsen von 1 Martschil. ^. 129. Der Gläubiger hat das Recht uo» 1 Martschil l V2 Koda Weizen als Zinstn zu nehmen. Ist er habsüchtig und gewissenlos, so verlangt er 2 Koda, und wenn er sehr schlecht ist, auch 3 Koda. Gin Koda Weizen kann nämlich mehr oder weniger 72 Kop. Sil^ bcr tosten, also kommt beinahe so viel heraus als 120 Procent, (Hiernach scheint es, als ob 1 Martschil cii-«^ 180 Kop. --- 1 Rubel 8t) Kop. Silber betragen hat.) tz, 130. Soll statt der Zinsm eines Martschil Arbeit geleistet werden, so sollen vier Arbeitstage dafür jährlich gerechnet werden. Gin Arbeiter erhält nämlich 5 Kop. Tagelohn und die Zinsen von 1 Martschil betragen 20 Kop. 8H. 131 — 134. Fernere Bestimmungen, Der Gläubiger muß billige Rücksichten nehmen; wenn der Schuldner verarmt, so fallen die Zinsen ganz weg, selbst ein Theil des Capitals, Ist er in Gefangenschaft, so müssen Frau und Kinder, wenn hinreichend Vrr mögen ist, nach und nach abzahlen. Sind sie unbemittelt, musi er warten bis der Schulvner wieder frei ist. Stirbt der Schuldner, so kann der Gläubiger erst sodem, wenn die Kinder 15 Jahre alt sind u. s. w. Im Ganzen scheint die Gesetzgebung nur indirect gegen den Wucher eingeschritten zu sein. Von einer Personalhaft aber scheint nirgends die Rede. 8. 136, Wer von seinem Vater oder Bruder verkauft worden, ist nie für deren Schulden verantwortlich. §. 137. Das Vermögen eines verstorbenen Schuldners, der weder Frau noch Kinder hinterlassen, wird zur Befriedigung der Gläubiger verwendet. Bleibt etwas übrig, so erhält der etwaige Herr des Verstorbenen nach grusinischer Sitte einen Änthrtl, Der Nest soll für die Seele des Verstorbenen verwendet werden, H. 15tt. Hinterläßt er nur eine Tochter, so erhält diese von dem Vermögen zunächst ihren Unterhalt, und nur der Rest fällt an die Gläubiger. Die Tochter braucht die Schulden des Vaters nicht zu bezahlen. Uebcrhanpt hat der Gläubiger nur ein Recht auf das bewegliche und das etwa durch Ankauf erworbene unbe-I, 14 All» lregliche Vermögen, nicht auf das Stammgul, was der Gutsherr nicht gestatten wird. U, 17»'.> I^> Fernere einschränkende Vestinlmutlgeu, Daö liotn^liciilln involttli!-!! des Erben gilt. Eö ist auch die Rede vom „Wechsel", nicht aber von einem besondern Wrchselrecht. Daö Schulddoeument nnis; im Falle des Streits durch Zeugen erhärtet werden nach der Höhe der Snmme, für !^<) Nubel zwei Zeugen, 9tur dir Einwohner der Stadt Tiflis haben das Privilegium durch einen Eid die Sache zu eonstituiren. Hat der Vater nur rine ver^ heirathete 3ochter, so erbt sie das ganze Vermögen, musi aber auch die Schulden bezahlen. War sie aber bei des Vaters Leb zelten schon verheirathet, so ist sie von der erhaltenen Mitgift nicht verpflichtet Schulden zu bezahlen. Nun folgt eine Abtheilung des Gesetzbuchs, überschriebe« kom Diebstahl, 8. 150. Wiederholter Diebstahl ist mit angemessener Leibes strafe zu belegen. Ueber die Entschädigung für das Entwendete Folgendes: 55. Die Bestrafung und den Ersatz für Beraubung der Krongutskasse setzt drr Czar und Katholitos fest, §§. 156— !5'>. Vestinnuungen be, Untersuchungen des Dieb-stahlS. Es folgt die Abtheilung des Gesetzbuchs vom Kauf, «j. l60. Was Jemand verkauft, in dessen Vcsiy nuch er geschützt rocrden. Nur der Czar hat, wenn er Jemand zürnt, es ihm zu nehmen das Necht, denn er hat über Alles Gewalt, die Seele ausgenommen. Doch muß auch der Czar wissen, daß, wie er auch Jemand bestrafen wollte, er ihn, doch seines gekauften GutS nicht berauben darf, 176. Wahrend eines Krieges kann Niemand eine Entschädigung für Diebstahl, Raub und Mord fodern. Niemand ist dann verantwortlich. z. 177. Bestrafung von Widersetzlichkeit gegen den Czar. §. 178. Wer im Kriege in der Schlacht einen Feind erschlägt oder gefangen nimmt, dem gehören dessen Pferde und Kleider, aber Panzer, Helm,- Schild und etwaige Kleinode gehören dem Czar, (Ich gebe die nächsten §§, hier wörtlich und vollständig, weil »" Züge des Völkscharakterö andeuten,) 8- 179. Wenn auf einer Jagd unter den Jägern darüber Streit 213 entsteht, wer von ihnen ein Thier nüt dem Pfeile erlegt habe, ft muß man zuerst die Wahrheit zu erforschen suchen, und wenn dies? nichts Genügendes beweisen, so muß untersucht werde», wo sich die Jäger während des Schießens befanden und von welcher Seite her das Thier vom Pfeile getroffen sei, Sobalo man aber auch da^ durch zur Wahrheit nicht gelangen kann, so muß der Aelteste von den Streitenden seinen Vogen mit den Pfeilen auf das erschossene Thier legen und sprechen: Mag mir Gott kein Thier mehr erlegen lassen, wenn dieses erlegte nicht zuerst von meinem Pfeile getroffen ist. Spricht er diese Worte, so gehört ihm das erlegte Thier; wo nicht, so hat er keinen Antheil daran. H. 580. Es kann vorkommen, daß ein Jäger einen, Wilde eine Wunde beibringt, der andere aber es erlegt. Wenn die Wunde so groß ist, daß man die Sehne eines Bogens hineinthun kann, so gehört das Wild dem ersten Jäger; sonst aber den, letztern. §. 18t. Wenn zwei Jäger nach einem Wilde schießen und der eine das Horn des Wildes mit dem Pfeile trifft, so gehört das Wild ihm, sobald das Ohr des Wildes den Pfeil erreichen kann, sonst aber Demjenigen, welcher dem Wilde eine tödtliche Wunde beigebracht hat. §. 182. Wenn zwei Reiter auf der Jagd gegeneinander rennen und einer bleibt todt, so ist der andere straflos, wenn die Verwandten des Todten nicht beweisen, jener habe vorsätzlich gehandelt. Er kann sich durch den Eid reinigen. 8. 483, Ist Streit über die Erlegung des Wildes durch Feuer-gewehr, so wird untersucht, ob das Wild an der Seite, wo der Jäger stand, die Wunde hat. Haben beide Jäger auf derselben Seite gestanden und hat das Wild nur cine Kugel, so gewährt diese das Anzeichen des Jägers. Wird Jemand auf der Jagd erschossen, so ist zu untersuchen, ob Feindschaft bestand, war das nicht, ist der Thäter straflos. tz. l84. Ein Fluß, bisher Grenze, der sein Flußbett ändert, hört auf Grenze zu sein, diese wird durch das alte Flußbett bezeichnet Drr z. 185 fehlt im grusinischen Originalmanustript gänzlich, Der z. 186 ist eine wörtliche Wiederholung des l) Jahre noch nicht verflossen, so rann ihn der frühere Herr reclamüen, z. 205. Niemand hat das Recht, die Witwe seines Bauern zum Heiratheii zu zwingen. Sie kann heirathm wen sie wlU, oder, wenn sie nicht heirathen will, bei ihren Kindern bleiben. Wenn sie aber heirathet, so muß ihr Bräutigam für sie, ma^ sie gut oder schlecht sein, ihrem Herrn einen Ochsen und einen Martschil geben, Mehr für die Witwe zu verlangen, ist weder der Gutsbesitzer noch dessen Verwandte berechtigt, Hat die Witwe einen Sohn von ihrem vorigen Manne, so muß sie ihn erziehen und ihn dann ihrem Herrn übergeben; hat sie eine Tochter, so ist sie oder ihr Oheim verpflichtet, dieselbe zu erziehen, zn versorgelt und zu verhriratheu. Der Gutsbesitzer darf sie nicht als eine Dieustmagd gebrauchen. Wenn aber Niemand da ist, der sie erziehen soll, so bleibt ihre Erziehung und Versorgung ihrem Herrn überlassen, ver sie auch in seinen Dienst nehmen kann. H. 20H. Stirbt ein Bauer, so fällt HauS und Flur an den "lt.'strn Sohn, die Getreidescheuer an den jüngst"», Pftug und Ackergrschnr dem, der dem Ackerball vorsteht, Schafe nnd Hammel dem Hirten, Waffe» und Pferd dem zum Soldaten bestimmten. Alles Uebrige wird gleichmäßig vertheilt. S ch l u ß lv ort. Nachdem ich, der Sohn des Czarcn, Statthalter von Grusle», Prinz Wachtang, dieses Gesetzbuch geschrieben habe und es allen gegenwärtigen und zukünftigen Geschlechtern widme, so wende ich mich abermals an euch, Katholikosse, Bischöfe und Metropoliten, desgleichen an unsere nachfolgenden Czaren, Prinzen, Fürsten und Edelleute, überhaupt an alle Kartalinzcn und Kachetinzen, an'die gegenwärtigen und zukünftigen, die ihr mein Werk, das ich für euch unternommen, sehen werdet. Ihr werdet schon zu Anfang dieses Bnchs finden, mit welcher Sorgfalt, Unparteilichkeit und mit welchem Eifer Wir diese Gesetze geschrieben haben, welche von allen unsern Unterthanen, von dem geistlichen- und Kricgerstande, von weisen und erfahrenen Männern gebilligt sind. Außerdem haben Wir auch andere oben erwähnte Gesetzbücher von großen Ländern benutzt, sie genau übersetzt und länger als zwei Jahre daran gearbeitet. Diese Gesetzbücher sind bei den verschiedenartigsten Gerichten in Gebrauch und werden angewendet, aber da die grusischen (georgischen) Gebräuche verschieden sind von den Sitten und Gebräuchen anderer Völker und weil hier andere Beamten und Fürsten sind, man auch über einen Mord, einen Verrath und eine Beleidigung anders urtheilt, so ist das Urtheil in jenen Gesetzbüchern dennoch nicht feststehend und für uns nicht genügend. Es ist nicht, um mich selbst zn loben, wenn ich glaube, daß dieseS Mein Gesetzbuch für unser Land besser und zweckmäßiger ist, als alle jene Gesetze, Darum verachtet und verwerfet es nicht! Ich bitte jeden weisen und aufmerksamen Nichter, der, weil das Bestechen und die Parteisucht in diesem Vuche verboten ist, angereizt würde, dasselbe zu Haffen und die darin vorgeschriebenen Gesetze abzuändern oder nicht zu befolgen, dies nicht zu thun und meine Mühe nicht so schlecht zu vergelten! Wenn aber Jemand die Fähig, keit besitzt, etwas Besseres zu leisten, so bleibt es ihm überlassen, dasselbe da anzubringen, wo er eö für gut findet, damit auch das Seinige nicht verloren gehe. Wer aber diese unsere Pitte ver- 2l7 uommen Uttd venuoch unsere Gesetze ab - oder veräudl'rt zum Vösen, der mag für unsere Sünden büßen! Von der Rechtspflege. tz, 205. Mn Eremplar von diesem Gesetzbuchc muß in der ezarischen Schatzkammer unter dem Siegel des Mdiwanbeg aufbewahrt werden. Wenn die Richter eine Sitzung eröffuen, so wird dieses hervorgeholt, der Mdiwanbeg nimmt das Siegel ab und der Mdiwan liest die betreffenden Stellen uach. Nach Vernehmung des Klägers und des Verklagten werden alle ihre Klagen und Aussagen zu Protokoll genommen. Dabei wird bemerkt, ob einer von ihnen vereidet oder ob die Sache ohne einen Eid entschieden wurde; was der Gegenstand der Verhandlung wäre, ob es z. V. eine Lebenöeutschä'digung, einen Ehebruch, einen Diebstahl u, s. w, anbetrifft. Auch muß angegeben werden, auf Grund welches Buches und welches Capitels dieser Gesetzsammlung das Urtheil gefällt sei, damit im Falle der Nichter einer Parteilichkeit oder einer Bestechung angeklagt wird, das von ihm gefällte Urtheil mit dem Gesetze verglichen werden kann; denn die Angelegenheiten sollen auch nach diesen Gesetzen und nicht allein nach dem Gutachten der Nichter entschieden werden. Nach geschlossener Sitzung muß der Mdiwanbeg das Gesetzbuch mit seinem Siegel versehen und es wieder nach der czarischeu Schatzkammer zur Aufbewahrung bringen lassen, §. 296. Bestimmungen über Vollziehung von Urtheilen. W, 207—209. Bestimmungen über Aufbewahrung fremder Sachen und fremden Guts, §. 2i0. Bestimmungen, wenn Jemand Bauern fremder Gutsherren zu sich nimmt. 8. 2N. Bestimmungen, wenn Iemaud fremdes Vieh zur Aufbewahrung nimmt. H, 212, Entsteht Streit über mündliche Verabredungen, so stellt Kläger Zeugen. Erscheinen diese unzuverlässig, so verlangt man Zeugen vom Verklagten. Stellen Beide keine Zeugen, so wird d'c Sache duvch einen (5'id entschieden. 8- 2l7>. Bestimmungen bei undeutlichen Documentm, Ll8____ H. 2l^, Das Veitreiben ungeschlichrr Abgaben der Krone over ver Städte soll einem Morde gleich geachtet werden, Darnln müssen zu iltichtern und Einnehlneril Männer bestellt werden, die Gott und den Czar fürchten nnd ihre Pflicht erfüllen, .^. 2l5 Z» Schiedsrichtern sollen Männer bestellt werden, 4l) Jahre alt, gottesfürchtig. nicht arm. Sie müssen ein gntes Gedächtniß haben <^, 2ll». Weiber dürfen gegen Männer vor Gericht klagen, Aber sie dürfen nicht als Zeugen für einen Mann vereidet werden. Habe» zwei Weiber Streit, so sind sie nicht vor Gericht zuzulassen, sie müssen sich an den Gemeindevorstand wenden. H. 2l7. Bestimmungen über Kirchengrundstücke. ^j. 218, Im Innern der Kirche dürfen keine Grabstellen verkauft werden, Selbst der Patron der Kirche ist nicht würdig, dort begraben zu werden, nin so weniger riu Anderer. Wer mit Gewalt seine Todten in einem fremden Grabe beisetzt, der muß dem Eigenthümer ein Drittel einer Lcbensentschädigung zahlen, es wäre denn, wenn er den Leichnam wieder fortschafft, dann ist er straflos, denn das Aufgraben des Todten ift Strafe genug für ihn, Urbrigens beraubt selbst der l5zar des größten Verbrechens halber Niemanden seines Grabrö. Alle Orabstellen außer der Kirche wer-den gekauft und befahlt. Der Vaner ^ahlt für jede Grabstelle eine Kuh, dir höhern Stände mehr, nach Verhältniß, wie ihre Lebens, entschädiglmg steigt. H, 2IN. Der dritte Theil des beweglichen Vermögens drö Nachlasses mnß die Beerdigungskosten decken. H, 220. Wer zum Feinde desertirt, dein wird, sobald man ihn wieder ergreift, ein Vein abgehallen, 8. 224. Für Den, der aus einer Festung desertirt und die Geheimnisse dem Feinde verräth, wird keine Strafe festgesetzt. Jede willkürliche Strafe ist da gerecht. H. 222, Wer sein Vaterland verräth, vom Christenthnm ab. fällt, der ist als Feind Gottes und des Czaren jeder Strafe würdig, K, 227». Nach dem Tode eines Verlobten sollen alle Braut geschenke in das Hans des Vrä'ntigams gebracht werden. 8. 224. Die Ausstattung der kinderlos verstorbenen Fran 2 19 gehört de,n Manne, wenn sie lange mit ihm gelebt und er sie ehrlich hat begraben lassen. War sie nur kurze Zcit verheirathet, so wird ihre Ausstattung in drei Theile getheilt, einer wird für ihre Seele verwendet, einen Theil erhält der Mann, den dritten ihr Vater. Stirbt die Frau kinderlos nach ihrem Manne, so bleibt sein ererbtes Vermögen beim Hause, sein während der Ehe erworbenes wird zu Messen für die Frau verwendet, ihre Mitgift aber fällt an ihren Vater zurück. . 258. Wenn ein Bauer seinen Herrn erschlägt oder ver. wundct, so kann ihm keine Entschädigung oafür auferlegt werde», denn Alles, was ein Bauer besitzt, gehört ohnehin seinem Herrn. In diesem Falle erhält der Herr vom (5zarcn ein Doeument dar^ über, daß ein solcher Bauer weniger Rechte haben soll, als ein gelauster, damit die andern Bauern dadurch von einem ähnlichen Verbrechen abgehalte» werden. Zugleich muß sich der Herr schriftlich verpflicht ten, den Bauer ohne Einwilligung des Czaren weder zu todten noch zu verstümmeln. Doch kann der Herr über das bewegliche und unbewegliche Gut seines Bauern «ach Gutachten verfügen Allem es kann auch der Fall vorkommen, daß der Vauer im Stande ist, seinem Herrn eine Lebensentschädigung zu bezahlen, dann hat der Richter darauf zu sehen, daß Letzterer eine angemessene Vergütung erhält, ohne dieselbe eine Lebensentschädigung zu nennen. Wenn der Herr selbst nach geschehenem Ersatze seinen Bauer tödtet oder verstümmelt, so muß der Nichter das Haus des Letzter« von der Leibeigenschaft freispnchen. 8. 25'.», Wenn der Bauer seinen Herrn schlägt, so wird ihm eine Hand abgehauen oder er bezahlt seinem Herrn den Preis drr^ selben; für eine persönliche Beleidigung verliert er seine Zunge oder bezahlt den Preis derselben. Wenn der Bauer weiß, daß er sich von seinem Herrn befreien kann, so läßt er sich verleiten, Alles zu thun. Wenn ein Bauer seine Frau beim (Khebruche mit seinem Herrn antrifft oder diesen fälschlich beschuldigt, so ist ^u verfahren, wir in Beziehung auf Witwen vorgeschrieben ist. tz, 2l.U Wiederholung von -cht oder wenigstens völlig richlig überseht, scheint mir cNvaS zweifelhaft. Daß die Könige von Georgien im 14. Jahrhundert bereits die Formel: „Wir von Gottes Gnaden" gebraucht huben sollten, wäre jedenfalls sehr mnfwürbiss. 2Z5 beriefen wir Se. Heiligteic, den Katholikos von Grusten ((5ph^ mius), die Ncichsräthe, Bischöfe nnd Lnndschaftsvorsteher zusam-inen und erführen, daß große Unordnungen und viele schlimme Gewohnheiten unter unsern Unterthanen geherrscht haben, Feind-licht-Anfälle, Zerstörung voit Festungen, Mordthaten, Frauenraub, das Verlassen seiner Ehefrau ohne wesentlichen Grund und viele andere verschiedenartige Verbrechen hatten bereits so sehr überHand genommen, das; nunmebr durchaus keine Gerechtigkeit beobachtet wurde. Daher haben wir für gut erachtet, mit Uebcrgehung alles Dessen, was bis jetzt stattgefunden hat, von nun an Gesetze ab zufassen, in denen die Strafen für verschiedene Verbrechen festgestellt sind; jedoch sollen diese nnr die bürgerlichen Angelegenheiten bestrafen. Alle NeligionsvcrbreHen aber gehören zur Gerichtsbar - keit des Katholikos und des Bischofs. Wir haben nur für Civil nnd CrlminalfäUc folgende Verordnungen festgestellt. 8- ^. Wie bis jetzt Niemand es gewagt hat, den Gristaw (Statthalter) zu ermorden, so mag es ferner auch Niemand wa gen. Wer es thäte, wird aus dem Vaterlande verwiesen, Da ein Fall dieser Art noch nicht vorgekommen"), so behält sich der (5^ar die Strafbestimmung vor. H. 2, Nähme, ein gauzes Dorf oder eine ganze Provinz au einem solchen Morde Theil, so soll die Geldbuße MM'Silben linge (?) ") betragen und jede Familie von den Theilnehmern soll dem (5zar jährlich ein Pferd liefern (für immer). N' 5 und : 2l><» Drachmru ^ l2<><» Sill'crlmgr. Silberlin^e scheint eine b!i;antimsche Münze, die nach Grusien ;,cfl)mmc!i, wenigstens tommt sie in dein weiter »ntcn folgenden byzantinische» Orfehc auch uor. **") In den grusinischen (»eschen tt'mmt äußerst selten die Todesstrafe rm', stist nur beim Aelternmord. II. ,5 schast, oder sonst einölt zuverlässigen Mann aus der (Gemeinde zu dessen Amt. (bleiche Straft, wenn ein Ältester den andern erschlägt. Nach drei Jahren können die Verbrecher nm Begnadigung einkommen, N. «, !>, >l>, 12 und 15. Wcnn,eine Gemeinde ihren Ael-testen erschlägt, so zahlt sie ei» Sühnegeld von Silberlinge Strafe, Die Grenze uon Lomi aber erstreckt sich nach der alten Verordnung bis zu den Dörfern von Chode^ zacl,et" (?). ^, ^H. Wer den auf der That ertappten Dieb erschlägt, zahlt kein Sühnrgeld. 8. 4N. Zinsen zu' nehmen ist nach grusinischen Gesetzen eigens lich verboten. Nie darf man aber von einem ausgeliehcnen Capi tal mehr als 20 Prozent Zinsen ein für allemal nehmen, so lange auch das kapital in den Händen des Schuldners bleibt, II. Asbuga's Gesetze. Wer Asbugli gewesen, wann er gelebt, »reichen Ursprung und welche Bedeutung und Giltigkeit die ans seinen Namen lautenden Gesetze haben, darüber vermag ich keine Notiz zu geben. Der Eingang dieser Gesetze enthält Folgendes- (5r, Asbuga, habe die Gesetze seines Vorgängers und Groß-uaters, des ^arischen Feldherrn (die russische Ucbersctzung bedient sich des Titels- Genrraladjutant) Veka, revidirt, er habe sie in ihrer Fassung gelassen und nur einige Bestimmungen hinzugefügt. Die Entschädigungen (Sühnegelder) seien früher in kasani schem (?) Silbergelde festgesetzt, da dies aber jetzt nicht mehr eristire, so habe er dafür die Geldmünze angenommen und festgesetzt, welche Czar Georg der Große eingeführt habe, die aus 2 und 5 Den-gen (?) reinen Silbers bestehe. Wer unter den 15 Czaren oes Namens Georg die Bezeichnung des Großen führt, weiß ich nicht"). Ich gebe hier einige ") Nach Klaproth G^sch. », ^corssieii fnhrto'Ocovss Vl., 5 l:t4<», dic Bezeichnung des Durchlauchtig,!, Auch G^l'g Vll, war eiil tapferer ^ücklichn- Kriege»-. Der im lli. Jahrhundert lebende (5zar Georg hatte ft'inrr Oreuelthate» halben den Beiname»! Der schändliche Äw-Oeovgi, 15' 228 Auszüge ails diesen Gesetzen, die mit Nationalsitte und Anschauungen in Berührung und Beziehung zu stehen scheinen, <^. 2, Erschlägt ein Walmoscha (?) einen andern, so. wird, so lange nicht ein Geistlicher mit dem Bilde der Mutter Gottes einschreitet, kein Schaden, der dein Mörder etwa von Seiten der Verwandten und Freunde des Ermordeten zugefügt wird, bei der von diesem demnächst zu zahlenden Entschädigung (Sühnegeld) in Betracht gezogen und angerechnet, Tritt aber, ein Geistlicher mit dem Muttergottesbilde hinzn, so darf keine fernere Nache stattfinden. Die dann noch vorkommenden Schäden oder Beleidigungen werden vielmehr dann uom Sühnegelde, welches der Erzbifchof von Mazkursk auf 40M9 Silbcrlingc festgesetzt', abgerechnet. H. 3. Wenn ein Walmoscha einen Fürsten oder hohen Gdel^ mann, der eine Festung (Burg) oder Kloster (waren anch stets befestigt) besitzt, erschlägt, zahlt er 20,900 Silberlingc Sühnegeld. Die Bestimmungen über Sühnegelder für Morde, Verwun-düngen u. s. w. sind meist in das Gesehbuch von Wachtang über gegangen, nur sind andere Münzverhältniffe und Berechnungen ein. getreten, K, ^l>. Wer bcl einer Schlägerei dem Andern obsiegt, ihm aber nichts wegnimmt, ist schadlos; wer den Ueberwundenen dann aber in sein Haus schleppt nnd dadurch (?) beschimpft, zahlt ein halbes Sühncgeld. H. 26. Wer Grabmäler eines Kirchhofs zerstört oder beschädigt, muß das Sühnegcld (Lcbensrntschädigung) der zwoi vornehmsten auf dem Kirchhofe Begrabenen zahlen. Wer einen Kirchhof entweiht, oder dessen Mauern oder Thüren erbricht, dessen Bestra-fung sollen Personen bestimmen nnd festsetzen, die ein Heiligthum zu schätzen wissen, H. 34. Wer gastfrei in einer Familie aufgenommen ist nnd verräth dann ein Familienglied (etwa an einen Räuber), der zahlt das doppelte Sühnegeld nach dem Stande des verrathenen. Verräth er aber seinen Feind, der ihn gastfrei aufgenommen, so znhll er, nur das einfache Sühnegeld. ' 8- 58. Wer Iemano in solcher Nähe feines Hauses überfällt 229 daß der Nuf einer »umschlichen Stimme dort noch gehörr werden kann, muß dasselbe Sühnegeld, als wenn er ihn im Hause überfallen, bezahlen. 8. 60, Wer einem Andern seine verlobte Brant abspenstig macht, hat zwar kein bestimmtes Sühncgeld zu zahlen, doch ist es billig, daß er ihm etwas vergüte, um großen Feindschaften vor. zubeugen. H, 79, Ein Bauer, der nach einem andern Ort gezogen, kann in den ersten sieben Jahren von seinem Herrn zurückgesodert werden. War er aber etwa nach einem ganz unbekannten oder unzugänglichen Ort gezogen, so kann er noch während 50 Jahren, aber nicht länger, reelamirt werden. §, 85, Vei Streitigkeiten zwischen Gutsherren und Bauer ist es rathsam, daß unparteiische Männer den Streit schlichten, denn selbst zwischen dein Schöpfer Himmels und der ^rden und dem sündhaften Menschengeschlechte sind Lehrer und Vermittler eingesetzt, welche das Geschöpf mit dem Schöpfer aussöhnen. ' 8. 9l, Die Urtheile eines der Bestechlichkeit überwiesenen Nich: ters sind ungültig und der Proceß kann von Neuein eingeleitet werden. 8. 94 und 95. Veim Ausleihe» von Getreide ist als Zins erlaubt bis zu ein Maß von zwei Maß, Von Geld 20 Prozent jährlich, Zinseözmsen verboten, U. 102 — 109, Kein Bischof, und hätte er sich selbst gegen den Czar vergangen, darf verhaftet werden, daö duldet seine Würde nicht. Er ist in der Würde dem Czar gleich, Ein Walmoscha, der einen Bischof beschimpft, muß l)0M0 Sil. berlinge Sühnegeld zahlen, ein Edelmann 20,000 und Abbitte thun. Auch ein Priester oder Mönch darf nicht verhaftet weiden, erst, wenn ein Urtheil gegen ihn gesprochen, wird die Strafe ge gen ihn vollzogen, Wer eine Priestcrsfrau verführt, zahlt 60,00(1 Silbcrliuge. 3. Verflucht wird und in den Vann gethan (außer der Strafe des Sühnegeldes), wer Einen des Gesichts oder eineö Glic^ des beranbt, wer einen in der Schlacht Gefallenen völlig beraubt und nackt liegen läßt, wer ein Weib entführt, wer einen Mönch oder Priester todtet, ill. Verordnungen des Katholikos, Patriarchen von Grusien. Während die weltlichen Gesetze in Transkaukasten fast gar teine Leibes- und Todesstrafe kennen, sondern fast alle Verbrechen durch Skhnegelder und Geldentschädigungen vorbüßtn, sind dagegen dir kirchlichen Grschc streng, hart und strotzen von Todesstrafen. Nicht das occidenlalischc koclesili >>ui» »Üil, ^lil^uitwm schciut zu herr^ schrn, sondern uingckehrt, die weltliche Macht scheint sich nicht das Recht beiznlegen, über das Leben eines Menschen zu diöponiren, sondern dies der Kirche zu überlassen. Der Eingang dieser Gesetze lautet! Im Namen Gottes haben Wir, durch die Gnade Jesu Christi Katholikos Patriarch von ganz Grusien und Katholikos - Erzbischof von Abchas, Ludcmon, da hier große Unordnung und Gesetzlosigkeit geherrscht, unter Mitwirkung uller Bischöfe von Äbchao, folgende Verordnungen gesammelt und führen sic hier ein. H. 2, Wer, vornehm oder gering, Fürst oder Baner, einen Menschen verkauft, wird von der Kirchenvevsammlnng verflucht und ausgeftoßen, Er muß ihn loskaufen und lMtschädtgung leisten, sunst wird er erhängt. Der Henker, der sich bestechen und 231 ihn entrinnen ließe, nnterliegt 5«' von den Aposteln bestimmten Straf«', ist ercommunicirt. ^«lz. I nnd ^« Cin Kirchen- nnd Gottesbilderränber soll ohne Gerichtsspruch sofort erhängt werden. Wer heimlich Kirchengut stiehlt, muß es ersetzen nnd soll verstümmelt (?) werden. §, 5». Ginem Vater nnd Brudermörder wird die Hand ab gehauen nnd er ans dem Vaterlandr verbannt, 8- <». Der iltaubmd'rder wird mit dem Tooe bestraft, 8. 7. Wer einen Diebstahl begeht, wird nach ehemaliger Sitte bestraft. tz, 8. Ein Bischof, der, ohne durch Noth oder Krankheit verhindert zu sein, 20 Tage seine Kirche nicht besucht, seinen Vicar nicht zum Besuch der Gemeinden ausschickt, die Gesetze nicht aufrecht zu erhalten, den Zustand der Kirche uud ihr Gut zu verbessern und zu erhalten sucht, ungesetzliche Trauungen vornimmt, soll ven Schaden ersetzen und soll von der Kirche verflucht uno ausgeschlossen sein. §. 9. Ein Bischof, der ohne Prüfung, ob Jemand des Amts fähig ist unv die Kirchenbücher lesen kann, ihn zum Priester oder Diakon weiht, wird mit dem Vanu belegt, 8- 40. Ein Bischof, der erlaubt, was ein anderer verboten, kommt in den Bann"), 88. II und 12. Ein Bischof, der das Abendmahl durch einen Weltlichen reichen läsit, wird des Amts entsetzt, und der Bischof, der es wagt nnd ihn nicht gleich entsetzt, kommt in den Van». z, 13. Der Vicar des Bischofs, der nicht fleißig Kirchen nnd Gemeinden uisitirt, kommt in den Bann. M. iä und 15. Wer, vornehm oder gering, sich dem Bischof und'den-Visitationen des Vicars über den religiösen Zustand der Gemeinden und Kirchen widersetzt, sei verflucht (gebannt).' Widersetzlichkeit bci Untersuchungen des Nischofö nber Verbrechen ist dem Hochverrath gleich zu achten und zu bestrasen smit dem Tode!), ") Wie verhalt cö sich aber, wenn lmu^tchrt ^iü Bischof verbietet, was andere Bischöfe erlaul't habrn? 232 §, 1<», Der Bischof, der sich dem Katholikos widersetzt und, von diesem ermähnt, sich nicht bessert, wird entsetzt. H. 17. Auf Hochverrat!) Todesstrafe. ,gentbum einer Kirche oder eines Klosters widergesetzlich aneignet, sei verflucht, §. 22, Wer, vornehm oder gering, seine Schwiegertochter heirathet, der soll als von Gott und alleu Heiligen verflucht mit ihr mit Kalk verschüttet werden, und Wir segnen Diejenigen, welche solche Strafe an ihnen vollstrecken. Wer seine Ehefrau ungesetzlich verläßt, der sei von den heiligen Aposteln verflucht unv werde unt dem Tode bestraft, §. 23. Wer diese von den Aposteln und den Kirchenver^ sammlungen festgestellten und von llns bestätigten Verordnungen unterstützt und erfüllt, auf den komme der Segen Gottes lind aller Heiligen herab, dein und seiner Familie mögen alle Güter zu Theil werden, die Gott für den Menschen erschaffen. Wer aber diese Verordnungen nicht billigt, sich der kirchlichen Gewalt wider-setzt und Unsere Lehre nicht beobachtet, den treffe jedes Unglück, der zittere wie Kam, werde erhängt, wie Judas, und bestraft, wie Alle, die von der Lehre Christi abfallen. Unterschrieben sind diese Gesetze von Katholikos von Abchas; Simon, Metropolit von Kntais; AntoniuS, Erzhischof von Ge-lata; Philipp, Metropolit von Vedia, (5rzbischof von Morul; CoS>, mas, Erlbischof vou Zeger; Sacharins, Erzbischosvou ChonSk; Joachim, Bischof von Nikorzcrind; Kirill, (srzbischof von Tschimsk, IV. Rcchtsacwohnheiten in Grusicn. Sie scheinen erst in russischer Zeit gesammelt zu seiu und ihr Inhalt stimmt im Wesentlichen »mt den Bestimmungen des Gesetzbuches des Czar Wachtang überein, waö auch der Sammler bei 233 ' den einzelnen Paragraphen vermerkt und anf diese hingewiesen hat. Für meine Zwecke sind sic wenig interessant und wichtig, sie umfassen meist nähere Bestimmungen bei Käufen, Sclnüdverschreibun-am, Wechseln, Handel, (iirbschaftsverhä!tnissen. In ^, 1 ist gesagt, daß meist schriftliche Kaufbriefe über Gü. ter »nd Vaucrn verfaßt und vor Zeugen übergeben, ein Abgabestempel an die Krone von der Kaufsnmmr sei nicht üblich gewesen, Nur iu Tiflis hätte der Melik den Kaufbrief vor Zeugen unter-zeichnen müssen und es hätten müssen 5 Prozent an die Krone gegeben werden. tz. 2. Vorkaufsrecht dcf Verwandten nnd Nachbarn des Käu^ fers. Die ältern 'Kaufbriefe sind meist ohne Siegel und Unterschrift. Man tauchte die Finger iu Tinte und machte ein Kreuz darunter. Dennoch sind solche Kaufbriefe gültig. H. 11. Es kommen Verschreibungen vor folgender Fassung: „Ich übergebe dir mein Gilt als Pfand für das Capital, und wenn ich den Zahlungötermiu versäume, so kannst du das Gut als dein Eigenthum betrachten," Mn solcher Vertrag heißt per? sisch Veascharti, war aber in Grusirn für ungültig erklärt 8. 12. Nach Zerstörung von Tiflis durch Aga-Mamet-Chan entstanden viele Streitigkeiten zwischen Schuldnern und Gläubigern, welche Letztere Hänser und Länder als Unterpfand halten, Czar Herakliuö setzte fest, daß ein Gläubiger, der ein Haus als Pfand hatte, was aber abgebrannt, dem Schulduer ein Viertel erlassen solle. Abgebrannte Laden aber sollen die Gläubiger wieder ans bauen und nach Erhaltung dcS Capitals dem Schuldner wieder zurück geben. zy. 95 uud 2«'». Wenn Handelsgexossen, Commissionäre und Handlungsdiener sich an verschiedenen Orten befanden und mitein^ ander correspondirten, so zählten ihre Vricfe, wenn diese Nechnun gen enthielten, gleich Wechseln, wmden vom Gericht als gültig anerkannt. Etwaige Streitigkeiten hierüber sollten durch andere Kaufleute schiedsrichterlich entschieden werden. 8- 32. Hinterließ ein Bürger nur eine Tochter, so erklärten angesehene Kaufleute den Schwiegersohn zum Erben. War auch keine Tochter vorhanden, so konnte die Witwe einen der nächsten 234 Verwandte,» des Mannes an Sohnes Statt annelnnen und auf ihn Alles übertrage». 8, 34, Hatte ein Vürger in Tiflis keine nahe erbfähige Verwandten, so ward der Nachlaß in drei Theile getheilt. Einen Theil wies der Czar zu wohlthätigen Zwecken an, ein Theil fiel an die Stadtobrigkrit für gemeinnützige Ausgaben, den dritten Theil ei yielt der Beichtvater zu Seelenmessen, il uicht Jeder sich vor diesem unbestechlichen Nichter verantworten kann, denn bei Gott ist kein Ansehen der Person, er vergilt Jedem nach seinen Thaten, Daher muß der Richter Gott zn seinem Beschützer in diesem und im zukünftigen ^eben haben und bedenken, das; er dazu berufen sei, um ein gerechtes Urtheil zu Mm, die Menschen vom Vösen abzuhalten nnd mit den Verbrechern nach aller Stenge des Gesetzes zn verfahren. Da nun dem Herrn nichts verborgen bleibt, so ist es besser, gerecht zn richten. Der Heiland sagt im Evan, gelium, daß selbst die Haare auf unserm Haupte gezählt sind. Gott ist die Wahrheit und liebt am meisten die Gerechtigkeit', dir Wahrheit aber kommt vom Himmel nnd wird durch Gott erlangl. Völker und Nationen, welche der Wahrheit folgen, werden start und heben sich durch sie empor; und daher sind auch wir Alle ver-pflichtet, jederzeit die Wahrheit zu crsorschen und ihr zu folgeu, um uns die Liebe Jesu Christi zu erwerbeu. Der Richter muß beständig jenes Wortes eingedenk sein, das vom wahren Gott nnd gerechten Nichter ausgesprochen wurde: Richtet nicht falsch, sondern gerecht, und gesegnet sind Diejenigen, die nach Wahrheu dürjtcn, denn sie werden sich davon sättigen, das heißt, sie werden in dieser Welt an der Wahrheit und im küns> tigen Leben sich an Freude sättigen. Wassily (Vasilins).dcr Große sagt! Wer aus (5'igennutz, Parteilichkeit, Feindschaft'oder aus Ge. fälligreit gegen höhere Personen die Gerechtigkeit nicht beobachtet, der heißt ein üngerathener und bestechlicher Nichter. Einer von den alten Philosophen sagte! Willst du gerecht sein. so siehe nicht ans die Person und halte die Wage der Gerechtigkeit stets gerade. Desgleichen lehrt uns der weise Salomon, dasi wir nicht aus Gewinnsucht fremde Schätze auf unrechtmäßige Weise uns aneignen sollten. (5s ist besser, wenig auf gerechte, als viel auf ungerechte Weife zu erobern. Diese Wahrheit beweist der weise 'Sirach, in. dem er sagt! Wenn auch der Reichthum wächst gleich einer Ueber, schwemmung von Negcn, so werden dennoch, wie der Regen von Sturm und Gewitter verjagt wird, alle Schätze verschwinden, die unrechtmäßig erworben sind. Wenn gleich nach den Worten des Kyrillos dcr Aerurtheilte lndet und spricht! Mag ihn Gott so rich'. 236 ten, wie er mich gerichtet hat, so heistt es dennoch! In dem Maße/ wie ihr messet, wird euch wieder gemessen werden, das heißt, wie du den Armen richtest, so wird dich Gott richten. Georg von Nissa sagt ebenfalls- DaS Gericht Gottes wird nnscrm Gerichte entsprechen, das heißt, wie wir Andere richten, so wird Gott uns richten in diesem und dem künftigen Leben. Nicht Alle richtet Gott zu Grunde, sagt Chrvsostomus, und es sage Niemand, daß es keine Auferstehung gebe und kein Gericht für Lebendige und Todte. Gott wird nicht Jeden hienieden bestrafen mid nicht Irden ohne Strafe lassen. Der griechische Wcltweise Plato sagt! Geehrt sei Derjenige, welcher die Gerechtigkeit beachtet, und wer den Nichter von Ungerechtigkeit abhält, der ist einer doppelten Achtung würbig, denn er rettet dadurch seine Seele und die des Nichters. Der Redner Demosthenes sagt! Nicht Der ist gerecht und lobend würdig, der aus Ehrgeiz nur gewissen Personen Gerechtigkeit wic-derfahrcn läßt, sondern Der, welcher dieses Allen gleich thut. Dem reichen Manne ist es gleich, einen kleinen Theil von seinem Neichthumc den Armen zu geben, wenn' er aber auch dies Wenige bedauert, so schändet er flch und geht zu Grunde. Wer friedlich lebt in der Gesellschaft, der ist uon jeder Gefahr frei, gleich dem Löwen, der Niemand fürchtet. Im Weltgerichte wird k^ine Ungerechtigkeit vorkommen, denn der himmlische Nichter, der weder den gerechten, noch den ungerechten Menschen fürchtet, richtet Alle gleich. Der Philosoph ^piktet sagt! Es ist besser, gerecht zu richten, damit Niemand fluche. Der Fluch für ei» ungerechtes Urtheil ist verderblich, denn der Heiland sagt! Selig sind, die um der Wahrheit willen leiden, denn ihrer ist das 'Himmelreich. Für ein ungerechtes Urtheil aber hat man einen Fluch zu befürchten. Der Richter, der die Mchrheit liebt, ist unerschütterlich, nach den Wor ten David's: Er gibt den ganzen Tag Almosen, ist gerecht und seine Gerechtigkeit blühet und gedeihet wie die Palme und die Ce-der ans dem Libanon, lim der Wahrheit willen wird die Hoffnung der Gerechten nicht verloren gehen und ihre Kinder werden die Hülfe Anderer nicht nöthig haben, sondern werden glücklich sein auf dieser Welt nnd ewige Nuhc genießen, denn sie lieben die Varmherzigkrit und die Wahrheit; die Gerechtigkeit wird den En^ 237 geln gleich geschätzt, kernet verstehen diese reinen Worte und bewahret sie m euern Herzen. Sie geben die Anleitung, ein gerechter und guter dichter zu werden; sie rühren und besänftigen den Menschen, wie er auch an (Grausamkeit dem Tiger gleich wäre. Wer gerecht richten »rill, der muß Gott um seinen Beistand anrufen und stet»? darauf bedacht ftin, die Angelegenheiten nach dem buchstäblichen Tinm' der hier vorgeschriebenen Gesetze zu ent^ scheiden. Auch darf der Richter nicht allein über eine Sache, wie unbedeutend sie auch sein mag, verfügen, sondern er musi linen oder mehre verständige und sachkundige Männer zu Nathc ziehen und die Sache der Wahrheit gemäsi entscheiden. Wer auf diese Weise verfährt, der wird unbestechlich, l oben s würdig und gerecht sein vor allen Heiligen, vor der ganzen Welt »nd vor Gott selbst, dem Allwissenden; er wird in der Gemeinschaft der Heiligen leben und daö Himmelreich erben. Ich gebe nunmchr einige Proben alls diese» in <^N Paragra phen abgetheilten Bestimmungen, die wenigstens eigenthümlich ge nug sind: Im H, A werden die Nichtcr crmahnt, verständig und gerecht zu urtheilen. Der Kaiser spricht den Fluch über den ungerechten Nich. tcr in der Hoffnung, das; cr aus Furcht vor dem Fluche gerecht richten wird. Wer die Gerechtigkeit nicht beobachtet, den wird Gott verlassen und die (5ngel schlagen. Ihr Leben möge knrz sein, ihre Häuser mögen bis auf den Grund zerstört werden und mögen ihre Kinder sich nie am Vrole sättigen! H. .1. stach den kaiserlichen Gesetzen sollen gewisse Ketzer keine solchen Erbrechte haben, als rechtgläubige Christen. 8, 11. Aeltern dürfen bci Noth nnd Armuth ihve Kinder verkaufen, unter gewissen Bedingungen. M 30 und 3! Wer aus einer Festnng descrtirt und deren Lage dein Feinde verräth, soll an einen Pfahl gebunden und ver-brannt werden. (5in Christ, der zum ungläubigen Feinde übergeht, ist vogelfrei, Jeder mag ihn erschlagen. Wer Ungläubigen die Anleitung gibi, Schiffe zu bauen, soll enthauptet werden. 8- "N, Wenn Jemand zum Heil seiner Seele einen Sklaven 238___- lostaufeu uud freilasseil will und ein Anderer halt ihn uon sol chcr guten That zuvück, ver thllt eine so schwere Sünde, daß »nan slch verwundern könnte, ,vie cinen solchen Bösewicht nicht gleich der Donner trifft, oder vie Erde, oder das Wasser ihn nicht verschlingt ! Ein Frauenväuber wird enthauptet, seineni Helfers l,elfer sollen Haare und Nase abgeschnitten werden, 210, Herkömmliche und Ortsgebräuche, ob niedergeschrieben oder nicht, gelten gleich Gesetzen. H. 527. Wenn Vnider zusammen in denselben Kriegsdienst treten, so haben sie Sold uud alles im Kriege Erworbene, alle Beute gemeiusai». K. 7»."»2. Jeder Geistliche. (Bischof oder Priester), der einen Ungläubigen im Kriege oder bei einem Mordanfallr erschlägt, darf nicht mehr als Priester fungircn, obgleich er seine Würde behält. H.'55<. Das, Gesetz erlaubt vier Wissenschaften zu fiudireu.-die Arithmetik, die Musik, die Geographie, die Astronomie, jedoch nur insoweit, als dadnrch Andern kein Aergerniß gegeben wird. tz. 7»5»2. Opferschaner (Wahrsager) müssen enthauptet werden. Wer sie um Rath fragt und belohnt, wird verbraunt und sein Vermögen eoufiseirt. 8. 3Uä. Wen» Jemand seine Braut küßt uud vann selbst 23 <) oder Letztere vor der Heirath stirbt, so fällt die Hälfte des Braut, geschenks an die Vraut oder an die Ihrigen zurück, die -andere erhält der Bräutigam oder dessen' Vater, Hat er aber seine Vraüt nicht geküßt, so fällt ihm oder seinen Erben das ganze Vraut g eschen k zn. z. 40,^. Wer in der Kirche ^i laut und ausgelassen stngt, wird herausgewiesen, denn der liebe Gott mag kein Geschrei, sondern stilles, inbrünstiges Gebet, (Merkwürdig! in der griechischen Kirche gibt eo ja keinen Volkögesang,) . ^il)^. Kein Todter soll in der Kirche begraben werden, das verbieten die Heili^n nnd der Bischof von Cypern im neun ten Abschnitt seiner Gesetze. Merkwürdig, aber wenig juristisch, sind eine Anzahl Bestimmungen über Eid und Meineid, von HH. ^>"» — ^2- Z, B. H, /ll»7,.Wer minorenn ist, kann keinen Eid leisten. H, <4OK: Die Kaiser ^eo und Konstantin verordnen- dein Eidbrüchigen oder Meineidigen soll du» Zunge ausgeschnitten werden, hat er beim Evangelium geschworen, verliert er auch die Hand. H, 409° Der Eid gottloser Menscken soll ohne Wirkung sein (?), §, 4l0! Mein: ridigc sollen nicht glanben, daß ihre Strafe ausbleiben werde (?), <^. äli: Jeder soll den Eid vermeiden, selbst bei gerechter Sache, H. -412- Der Meineidige wird von Gott verstoßen s?), VI, Armenisch? Gesetze. Czar Wachtang erhielt vom armenischen KatholikoS und Pa triarchen von Edschmiazin eine Abschrift eines armenischen Gesetzbuches, um es bei Entlrerfung des seinigen zu benutzen, Aus innern Gründen möchte ich dieses sogenannte armenische Gl'setzbucl) nicht für ein wirkliches promnlgirtes und geltendes Gesetzbuch halten, sondern nur für einen Entwurf zu einem solchen, verfasit von einem geleb/rten Patriarchen oder Vischofe. ES enthält nur selten eine niedergeschriebene NcMfindnng aus den vorhandenen socialen Her. Hältnissen dieses Volts, sondern zum größern Theil Ereerptr aus dem mosaischen Rechte, aus byzantinische» Rechtsquclleu und vor. berrscli,'„d viel Kirchenreätt aus Concilienbeschlüssen, Synodal^ und Palriarchaissch.lz..,i, 2t« Das Gesetzbuch ist umfangreicher, als die übrigen vorstehenden Quellen, (56 entbält /l5l Paragraphen. (5s folgen hier Auszüge, wie sie mir für die Beurtheilung der dortigen socialen Ver dältnisse interessant erscheinen, Vorwor t. Dieses Vuch ist eine Nebrrfttzung des Gesetzbuches von Oroß-Armenien nnd heißt Gesetzsammlung. Wenn ihr wissen wollt, woher diese Gesetze stammen nnd wo sie gesammelt sind, so erkläre» wir' Ans' dem Alten Testamente, welches zu 'Anfang von Gott durch Moses gegeben wurde, aus dem Neuen Testamente, dem heiligen Evangelium und aus den übrigen ältern lind neuern hei-ligen Schriften, überhaupt aus allen denjenigen, die wir benutzen konnten. Wir verlangen nicht, daß diese Gesetze von Jedem beobachtet werden sollen, sondern wir fodern alle sachkundigen und einsichtsvollen Männer anf, die in dieser Gesetzsammlung etwa vorhandenen Fehler zu verbessern und das Gauze zu vervollkommnen. ' Wir unsererseits haden nach Kräften darin gethan, was nothwen-dig schien. Wir bemerken noch, daß ei.mge Nationen von uns ' behaupten, wir hätten keine Gesetze, noch Gesetzbücher, und Viele meinen, daß sie und nicht wir gute Gesrtze haben. AUei» dieö ist die Ansicht Derjenigen, die ungebildet sind und weder alte noch neue Schriften gelesen habeu und aus Umvissenbeit ohne Grund verdammen. Das wahre und edelste Gesetz gab Gott dem Menschen, wie eS im Allen Testamente heißt! Und Gott verbot Adam von der Fiucht des Erkenntnisses zu essen, aber rr gehorchte nicht. Darauö lernen wir, daß der Uebertreter des Gesetzes bestraft werden muß. Gott sprach zu Admn- Weil du von dem Vaumc des Erkenntnisses deo Guten und Vöseu gegessen hast, so seiest du verflucht und im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Vrot essen, bis du wieder zu Erde werdest, von der du genommen wurdest. So vertrieb der Herr den Uebertreter seines Gebotes aus dem Paradiese zu Kummer und Schmerz. Adain zeugte Erth, Scth zeugte Henoch u. s. w. bis auf Noah; Noah zeugte Sem und dessen Nachkoiw J24J____ men. »jlfcrofjciin geugtc nad) ber Ü3ert;t'ijjmig ©oüeö 3saaf, ttefei gengte Safob unto 3«fob etc jtvßlf (Stämme. Diese sielten bag für »Me so ive(;lt^atigc ©ebot ©otteS in (Sf;ren unb tie iJMter «ererbten iljrc ©liter iljxm @6f;ncn, tnie Spoils; feine @b'6,ne segnete unb ifynen if;re (Srt»fcfjaft gab. Wbr«-$am vcrmadjte feinem ©oline Sfaaf «us 33efct;l ©otteö fein gaujeö SSermb'gen uub enterbte ben Von ber 9Jiagb J&agar geborenen So^n 3imacl. Sie nun 3f«a? geerbt Ijatte, so erfcte lvtcber »on ttjm fein Ootjn 3fl!ob. Safob'S (Sr6e ttjarSose^; ju biefem sagte er: Diefeö ©ut t;a(u' id) mit ^feil unb SBogen cnuor6eu. 3)aburd) i|t bie (Sitte entstaubn», feine ©üter sfinni ®6()ncn 5»« vererben, Uttb eö bilbete fict) so bri atsen Golfern b«Ö (Srbrc^t. aiJfr aber feine ^inber tyatte, ber tonnte (Srben nad) feiner 5öil(füv cinfegen. 3n ber SMjje fanbeu inele ^Ibiueidjungen von ber 3lt$t\ statt, ober man tjielt fic^ ju fireng an baö Söw^ftäblidje biefer ©itte. (^nbtid) erfd)iei» unser ^»err 3cfug CSfjvifinö, Vimu ^nter in bie SBcIt gefaubt ^ut Erlösung ber ücrlorenen SDJeufd^eit; er gvarb bett Sfrsteliteu baö 9ieuc Testament verfiinbet. @eltg ftnb, bie ber Iße^ve beß Stootigelium« folgen! (Selig ist attd) ber Äaifer Jtonflanttn ber ©rojje, ber unö btefe ©efefee gegeben. S. ± Ssöer iJlö^Ud) ofync Testament stirbt, ol;ne keltern ober itinber ju hinterlassen, so fmb bie D(;etme won väterlicher ©eite feine (Srbeu; gibt e« foltfje ntdit, so erben bie (Söljne feiner ®d)ive fier, ober, n»enu bied nid)t ber 2f«U ist, beren flotter. §. 5. Sn meliern llcbeuö«Uer bars ber 5.)ienfd) ein Üefiament mad)fu'^ .15a ei» SWäbd)rn tüö ju i^rem ^ivölfteu 3al?re unter 9luffid)t ftel;t, so bnrf stc bU baf)in fein Sfftoinrnt maddenj b,at Re ober tl)r jiöölftfö Üebertöiat)r erreid)t unb uurb ber 9tuf|ld}t ent-lassen, so l)at sie baö S)kd)t, ein Testament aufjuff|en. (Sin Äntibf ftel;t btö jju feinem fünfzehnten Üfbcnöia^rc unter iöormiinb-II. U\ L4^l schaft und kanll nach (5rreichung dieses Alters für majoreun erklärt werden und über sein Vermögeil verfngeil. ntferntern vertheilt, tz, 15, Wer seinen Sohn oder seine Vntel seiner Obhut cnt-lasit, der muß eiuen Vntlassnngoschein aussetzen, den das Gericht attestirt! sobald sich das Gericht vom Gehorsam (Zustimmung) des Sohnes überzeugt hat, ist dieser entlassen, Der entlassene Sohn hat aus das väwliche Vermögen keine Ansprüche zu machen, auch darf der Vater ihm nichts von seinen« Vermögen vermachen, :ilach dem Tode deö Vaters beerben ihn seine übrigen Kinder, di? bei seinen Lebzeiten aber entlassenen Kinder sind von seiner Erbschaft ausgeschlossen, <^, 7)!>. Wenn Jemand sein Vaterland verläßt und fti» Gnt. Hans, Garten oder sonst EtwaS «erkauft, so musi der Käufer nach Ablauf von zehn Jahren dem Veikäufer bei seiner Rückkehr das gekanfte Gnt nach nnedererhalteneiu Kaufgelde znrückgeben. Suclit der Vcrkällfer nach Ablanf uon zehn Jahre» das Gllt nickt aus-znlösen, so hat er später kein stecht inehr dazn Besiüdet er sich aus Reisen oder im Kriege, so kann er sein uertaustec« G„t auch innerhalb zwanzig Jahren zurücksodern; nach Ablauf dich-r Frist dat er jedoch ebenfalls kein Nrcht mehr dazn. . Der Kaiser Konstantin befahl, die christliche Kirche in Ohren zu halten, ihr Dörfer nnd auch sonstige Güter, wo sie auch sein mögen, zu schenken, damit die Klöster und Kirchendiener davon Gebrauch machen und ihre Geschwister, Witwen oder Waisen, die sich in der Nähe derselben befinden, nntrrstutzrn können! durcd ihr Gebet wird der Thron des Kaisers feststehen, H. ^, Der Kaiser Leo hielt während seiner ganzen Rrgie rung den Sonntag heilig und stellte dnrch ein Gesetz fest, daß an diesem Tage knne Staatöabgaben oder sonstige Gebühren eingetrie ben, noch Gericht gehalten werden sollte; Alle sollten vielmehr i» den Kirchen sich zum Gottesdienste versammeln und statt der Arbei: den Tag mit Veten zubringen. Am Sonntage darf Vci.-mand sei.-M'n Schuldner nmhnen, schmauchen oder sich betrinkrn, noch Verbrecher strafen, sondern Alle müssen, wie oben erwähnt, sich in Frieden versammeln, in der Kirche beten nnd dnrfen nicht von, Ge-richte beunruhigt werden, 8. 5l. Wenn eine Frau ihre Kinder verliert und dann selbst stirbt, so mns, ibr Mann den sechsten Theil ihrer Ausstattung zum Lesen der Seelenmessen fnr sie verwenden, Stirbt sie drei Jahre 1«!' nach dem Tode ihrer Kinder, so erhält ihr Vater den vierten Theil von Dem, was sie von ilnem Manne geschenkt bekommen und die Hälfte ihrer Ausstattung ;urnck, das Nebrige wird zum Lesen von Seelenmessen bestimmt. Ist ihr Vater nicht am Leben, so muß ihr Mann sie vor ihrem Tode fragen, wem sie den Antheil ihres Vaters geben will und es demselben zustelle!». Stirbt die Frau zwölf Jahre nach dem Tode ihrer Kinder, so bleibt es der (Gewissenhaftigkeit ihres Mannes überlassen, das ganze Vermögen derselben ;u Geschenken an Kirclien für ihr Seelenheil zu verwenden, H. 57. Wenn eine Braut ein Brautgeschenk, in Gold, Silber und dergleichen bestehend, erhält und der Bräutigam vor der Hochzeit stirbt, so wird, wenn die Brautleute sich gesehen, stch belustigt und geküßt haben, die eine Hälfte des Brautgeschenks der Braut gelassen, die and«c in das Haus des Bräutigams zurückgeschickt. Hat der Bräutigam keine Aeltern oder Geschwister, so haben Fremde kein Recht, das Brautgeschenk zurnckznfodern, sondern dieß bleibt Eigenthum der Braut, Habe« sich die Verlobten nicht gesehen, so muß das Brautgeschenk unversehrt zurückgegeben werden. Im Falle, das; die Braut stirbt, tann der Bräutigam seine Geschenke, ausgenommen die verbralichtc» Sachen, zurücknehmen. z. «2. Der Entführer eines unschuldigen Mädchens muß mit dem Tode bestraft werden. Hat er mit ihr in keiner nähern Verbindung gestanden, sondern sie nur mit ihrer Einwilligung entführt, so wird er als Ehebrecher bestraft, 2, Nachdem wir unn Verordnungen im Betreff der Bt schöfe, wie es ersoderlich war, festgestellt haben, gehen wir zur (5rllärung der Rechte der Kaiser über. Jedem sei eö kund, daß i)er Kaiser der erste Machthaber »ächft Gott fei, und obgleich er dem Aeußern nach ein Mensch ist, so stM er dennoch in Betreff seiner Thaten und stiller Gerechügicitsliebe eitlen Gott auf (irden vor, und Jeder ist verpflichtet, ;nerst Gott und dan» veil Kaiser zu ehren u»d zu fürchlen Nach vem Tode deo Kaisero wird daö hinterlassene Vermögen unter seine Söhne »nd Töchter in gleiche theile vertheilt und der älteste Sohn ist der (5rbe seines Thrones. Ist jedoch ein jüngerer Sohn zur Regierung tüchtiger, alö der älteste, so fällt ihm die Krone zu. Hat der verstorbene Kaiser einen Bruder hinterlassen, so gehört ihm allein von Rechtswegen der Thron, Die Tochter des Kaisers, deren Mann und Kinder erhalten die Hälfte von Dem, was der Sohn erbt, Hinterläßt der Kaiser leine Kinder, so gehört der Thron seinen (5„keln männlicher, aber nicht weiblicher Linie. Das ist die Verordnung dcs Czars Awgar von Per-fien. Der Patriarch Noab hat aber seinen Söhnen und Töchtern besondere (5rbtbeile hinterlassen. Im Süden herrschten auch Frauen, von denen der Heiland selbst im Evangelio Erwähnung thut, Ebenso wie die Tochler das Vermögen des Vaters erbt, wenn dieser keine Söhne hinterlassen hat, so gehört der Tochter des Czars der Thron, welche auch berechtigt ist, die königliche Gewalt und die Krone auf ihren Mann zu übertragen, welchem die Kinder den Thron nicht streitig machen dürfen, Uebrigens rann der Kaiser den Thron vererben, wem er will und ein solches Te-ftamcnt muß nach den Worten des Apostels Paulus und nach dem Beispiele des Kaisers Konstantin, der sein Neich seinem Sohne vererbte, nnantastbar sein. Ist kein Sohn, kein Bruder, kein Enkel u. s w. vorhanden, und sind überhaupt keine Anverwandten bis zum vierten Gliede da, so hat der Kaiser das Necht, seinen Thron auf einen Fremden zu übertragen, jedoch darf Niemand, gleich den indischen Fürsten, dem Älerander von Maeedouien und Andern, stch ohne den Katholikos - Patriarchen zum Kaiser eruennen. Der Kaiser darf nicht anders Festungen oder Städte bauen, Colonien anlegen, Geld prägen, als nach Berathung der Walmo-schen und Fürsten, Kein Privatmann darf Geld prägen, sonst wird sowol die Müuze als auch das Münzgebäude von der Krone genommen. Das Erbauen von Brücken über große Flüsse liegt dem Kaiser und nicht den Fürsten ob; diese dürfen sich auch nicht wie der Kaiser kleiden, noch in dessen Gegenwart, ohne seine be-sondere Erlaubniß, sitzen bleiben. Niemand außer dem Patriar^ chen hat das Recht, sich auf den kaiserlichen Thron zu setzen, auck darf der Kaiser sich nicht im Hause des Patriarchen setze», selbst wenn der Patriarch ibn einmal dazu auf- 249 fodert. Ein christlicher Kaiser darf keine Mätressen halten gleich den ungläubigen Herrschern, sondern musi seinen Staat mit patriarchalischer Unschuld nnd Einfachheit verwalten. Wenn er fremden Völkern eine gerechte Kriegserklärung macht, über sie den Sicg davon trägt und dadurch den Nuhm seiner Waffen erhöht, so geziemt es sich nicht, daß er die Gefangenen niedermetzeln läßt. Bei der Belagerung einer Stadt hat der Kaiser zuerst die Belagerten zur Ergebung aufzufodern und, falls sie es ablehnen, die Stadt mit Sturm zu nehmen, nur die Widerspenstigen mit den« Schwerte auszurotten und die Ucbrigen zum Gehorsam zu zwingen. Ergeben sich auch Letztere nicht freiwillig, so sind ihre Hauptanführer mit dem Tode zu bestrafen. In einer eroberten Stadt dürfen die Obstbäumr nicht gefällt werden. Was aber die Verräther einer Stadt oder Festung, die sich in der Folge als die Urheber des entstandenen Uebels erweisen, betrifft, so müssen sie nicht mit dem Tode bestraft, sondern mit Geld losgekauft, ihres Gesichts beraubt und nackt über die Grenze geschickt werden, nachdem der Sieger dessen Familie, in seine Gewalt nimmt. (Ebenso ist mit einem Christen zu verfahren, der eine Stadt den Ungläubigen oder Christen überliefert. Wcnn ein Ungläubiger ein Stück Vieh von einem Landmann stiehlt, so wird er mit dem Verluste seines Gesichts und einer Hand bestraft, ins Ausland verbannt und seine Familie nebst seinem Vermögen der Krone übergeben. Macht sich ein Christ dieses Verbrechens schuldig, so wird ihm das Gestohlene abgenommen, sein Vermögen von der Krone eonsiscirt, seine Familie aber frei gelassen. Wenn ein Ungläubiger einen Christen vorsätzlich erschlägt, so muß er hingerichtet werden; war der Mord nicht prämeditirt, so wird ihm der rechte Arm abgehauen und er zahlt eine Entschädigung. Urbrigens kann für den Mord eines guten Menschen keine Entschädigung festgestellt werde«, denn er ist das Geschöpf und daS Ebenbilo Gottes. Nur Gott vermag die Todten zu erwecken. Dabei darf man den für Joseph oder für Jesum Chri^ stum erhaltenen Preis, der in 2N oder 30 Silberlingen bestand, nicht als Norm aufstellen, denn ihre Verkäufer waren Uebelthä-ter. Der Preis für einen Menschen kommt der Zahl der Jahres- ___ ^ö0_____ tage gleich, nämlich 7»<»5 Goldstücke, von de»e» jedes etwa l3 Drachmen Silber beträgt, Vorziiglich mlls; diese Sunlme für die Ermordung eines Christeil, für die eines llngläubigen aber nnr der dritte Theil, näinlich 122 Geldstücke, entrichtet werden. Im Fall, daß der Mörder nicht im Stande ist, diese Entschädigung zu zahlen, so wird er einem Christen uerkanft, der Erlös den Ver waudtm des Erschlagenen übergeben und das Hans des Mörders zum Vortheil der Krone eonfiscirt. Wenn ein Christ einen Ungläubigen vorsätzlich erschlägt, st' zahlt er 122 Goldstücke! geschah es nnvorsätzlich, lli Goldstücke zum Vortheil der Krone, welche den dritten Theil davon den Per wandten des Erschlagene» abtritt. Wen» aber ein Christ einen andern Christen erschlägt, so hat er eine Cntschädignng znm Vor^ theil der Anverwandten des C»mordeten zn zahlen «nd wird all sierdem mit einer seinen« Stande allgemessenen Geldbuße znm Vor. theil der Krone belegt. Zwar muß ein Mörder nach dem Gesetze selbst wieder mit den» Tode bestraft werdet», aber haut man ihm einen 'Arm ab, so hat er noch Zeit znr Nene. Ist ein Mörder nicht im Stande, eine Entschädigung zu zahlen, so wird er nebst seiner ganzen Familie znm Vortheil der Anverwandten des Crschla. qein'li verkauft, zi'n nncu nicht prainebltirte» Mord erfolgt nur die Hälfte der gewöhnlichen Entschädigung zum Vortheil der Ver. wandten, außerdem zahlt der Mörder eine Geldstrafe an die Krone, ^eibeöstrafc aber bekommt er nicht. Die C'ittscheidnng von Crimi »alangelegrnheiten ist das Amt der Kaiser und nicht der Richter Andere Angelegenheiten aber unterliegen dem Gutachten der Rich tcr. Gewissenssachen gehören ansschliesilich dem Gerichte der Bischöfe und der Geistlichkeit. Die Fürsten, welche die Verpflichtung l,abeu, Diebe abzuschrecken, sind jedoch nicht berechtigt, Mörder ohne Befehl des Kaisers dem Tode zu nberliesern. Edelleute dürsen ohnc Gericht nnd ohne Fürsten teinc» Dieb mit einer Geld- oder a» vern Strase belege». Wenn der Kaiser irgend ein Land unterjocht, so gehört ihm das als Veute genommene Geld. Wer ihm solcheo nicht zustellt, musi im Vetretungssalle das Siebenfache ersetze». Der Kaiser da-qeqen qidl- veil .zehnten Theil von der Masse des erbeuteten Goldeo 261 dem Katlwlikos, Dir übrige Beute aber und die Gefangene,, müs^ sen in zwei theile getheilt werden, von denen den eine» Theil der Kaiser, den andern die Fürsten und die übrigen Kinder erhalten; jedoch müssen auch diese den zehnten Theil der Kirche abtrete». Befand sich der Kaiser nicht persönlich im Kriege, so gehört ihm das erbeutete Gold dennoch, desgleichen der zehnte Theil von der übrigen Beute und den Gefangenen; der fünfzigste Theil aber wird zum Vortheil der Kirche verwendet. Der Kaiser oder die Fürsten dürfen keine Diebe oder Mörder anwerben. Die Fürsten, Soldaten oder andere Militarpcrsonrn, dir auf Befehl des Kaisers ein Land verheeren, müssen riurn Theil der Beute dem Kaiser abtreten, den andern unter sich vertheilen. Haben sie aber die Verwüstung eines Bandes aus freien Stücken un-ternommeu, fo vertheilen sie zwei Drittel der Veute unter sich und überlassen dem Kaiser ein Drittel; den» sie haben sich freiwillig Gefahren ausgesetzt. Wenn Jemand im Kriege stirbt, so ist Derjenige, der ihn in denselben geschickt hat, frei von jeder Schuld; wer aber seinen Leibeigenen zum Diebstahl ausschickt, der ist für dessen Lebe» verantwortlich. Wer alls eigenem Antriebe zur Ausführung eines Diebstahls schreitet und dabei erschlagen wird, der ist für sich selbst verantwortlich. Wen» Derjenige, der vom Kaiser oder von Fürsten auf Diebstahl ausgeschickt worden, in Gefangenschaft geräth, so muß ihn der Absender loskaufen. Wer aus freiem Autriebe sich irgend wohin begibt «nd vcr^ haftet wird, der muß sich loslaufen. Wenn ein Soldat im Kampfe seinen Feind besiegt, so gehört ihm das Pferd, die Waffen und die Kleidungsstücke des Besiegten. Der Besiegte selbst aber, sein Schwert und Helm ist Eigenthum deS Kaisers. Das in riuem solcheu Kampfe erbeutete Gold, Edelsteine und dergleichen gehören ebenfalls dem Kaiser, Perlen und Silber den Fürsten, die übrige Beute den Soldaten, Ausier der Gemeinde^ und Staatsabgabe darf nichts vom Volke eingetrieben werden. Gott setzt die Regenten dazu ein, damit stc ihre Staaten erhalten und beschützen, nicht aber zerstören sollen. Von jeder Ernte ^52 gehören fünf Theile den Ackersleuten, der sechste der Krone. Hon einem gekauften Grundstücke nnd Garten wird keine Abgabe gezahlt, desgleichen von gemietheten Mühlen, Häusern nnd Läden. El» Kopfgeld kann von Ungläubigen, nicht aber von Christen eingetrieben werden. Von Weinbergen, Obst- und Gemüsegärten gehört der zehnte Theil dem Kaiser, als dem Landesherr». Von Ochsen wird keine Accisc genommen, denn sie werden zum Ackerbau gebraucht und von diesem wird die Gala eingetrieben, Von einer Kuh aber nimmt man 100 Drachmen Butter, für ein Schaf von je zehn Lämmchen ein Lämmchen. Von Pferden und Mauleseln wird keine Accise genommen. An Feiertagen dürfen Christe» keine großen Geschenke von Lebensmitteln von ihren Bauern erwarten, sondern müssen sich da-mit begnügen, was Letztere'im Stande sind ihnen zu geben. Solche Geschenke sind überflüssige Tribute und dürfen deshalb nicht mit Gewalt abgcfodert oder wegen ihrer Unbedeutcndhcit bestraft werden. Wenn ein Fürst auf Befehl des Kaisers das ihm von diesem verliehene Grundstück allbaut, so erhält ein solcher Fürst ein Do^ cument darauf nnd ist frei von Staatsabgaben. Desgleichen we»n ein Pauer in der Stadt ein Haus baut und einen Acker düngt, so gehören dieselben als Eigenthum seinen Nachkommen. §. 155. Pfarren können alS Erbschaft von einem Dorfprie-ster auf den andern übergehen ("). In einigen Orten haben auch die Töchter der Priester das Recht, an solcher Erbschaft Theil zu nehmen (!). Die Bischöfe sind verpflichtet, das Amt eines Dorf-vricsters Demjenigen zu übertragen, der sich tüchtig dazu zeigt. Wenn Jemand die Pfarre gegen das Gebot des Bischofs behält, so wird er seines Annes entsetzt. Zuweilen machen die Verwand-ten der Pfarrer nach dem Tode derselben von den Pfarreintünften Gebrauch, aber dies ist ungesetzlich. Hinterläßt ein Pfarrer einen Diakonus als Verwandten, so wird dieser als Geistlicher cinge. führt; die nicht geistlichen Verwandten aber sind dazu nicht berechtigt. Eignen sie sich die Pfarre eigenmächtig an, so kann sie ver Bischof m den Bann thun, bis sie es bereuen und um Verzeihung bitten. Befindet sich ein Geistlicher im Kloster, so darf er von 23Z der Pfarre leinen Gebrauch machen. Wenn ein Weltlicher ein Vieh opfert, ft muß er dem Geistlichen daö Vordertheil und das Fell übergeben! wer dies aus Hartnäckigkeit nicht abgibt, der wird vom Bischöfe gezwungen, dem Prediger das Doppelte zn ersetzen. Wenn ein Weltlicher einen Pfarrer beschimpft oder schlägt, der wird derjenigen Hand beraubt, mit der er geschlagen hat, oder mit einer Geldbuße belegt. Wenn ein Pfarrer, der etwas für fich fodert und es nicht erhalt, Jemanden deshalb flucht, so wird er verklagt und vor dem Bischof und der übrigen Oeistlichfeit zn einer Buße ver-urtheilt. Widersetzt er sich diesem Befehle, so kann ilm der Bischof mit dem Bann belegen, Vl'u dem Älter eines Bräutigams uud ciuer Braut, §. l56. Der Bräutigam muß um mehre Jahre älter sein, als die Vraut, denn die Vibel erzählt, daß zuerst Adam und dann (iva erschaffen wurde. Der Mann musi in Allem den Vorzug vor der Frau und mehr Gewalt haben, Erweist sich der Mann nach der Verehelichung zum Coitus nut einer Unschuldigen unfähig, so bleibt es dieser überlassen, mit ihm zu leben oder sich von ihm scheiden zn lassen. Im letzten Falle erhalt sie ihre Ausstattung zurück und bleibt der Mann im Besitz seines Vermögens, ohne irgend eine Entschäoignng zu zahlen. Wenn Vieh zur Ausstattung gehört, so wird in diesem Falle der Frau Alles zurückgegeben, von den jungen Thieren aber nnr die Hälfte. Die vor oder nach der Verhrirathnng gemachten Ausgaben werden nicht wieder erstattet. Der Mann ist verpflichtet, der Frau die Erlaubniß zu geben, Je. den, der sie will, heirathen zu können. Will er sich nach der Scheidung wieder verheirathen, so darf er sich kein Mädchen, sondern eine Witwe nehmen. . Wer seine Frau wegen Ehebruch todtet, hat eS vor Gericht zu verantworten, denn wegen Ehebruch befiehlt Gott, sich zn scheiden, aber nicht einen Mord zu begehen. Wenn aber eine Fra» ihren Mann durch Gift oder aus irgend eine andere Art tövtet, so hat sie in diesem und im künftigen Leben dafür zu büßen. 8. 171. Der Mensch ist an und für sich frei. Weder der Kaiser noch ein Fürst ist berechtigt, Jemanden an irgend ei»en Ort zu bannen. H. lttl. Jede Goldgrube, sie mag sich befinden, wo sie will, gehört dein Kaiser, iede Silbergrube der Kaiserin. (5s hängt je doch von dem Willen des Czaren ab, ob er Etwas vom Ertrage dem Kaiser abgeben will. Kupfer, Zinn, Eisen n. s. w. gehört dem Besitzer des Grundstücks, desgleichen Salz, Theer, Steinkoh len u, s. w., Edelsteine und Perleu aber dein Kaiser. Schwefel, Benzoe, Galläpfel und Muskatnüsse müsse» verkauft und der zehnte Theil des Ertrags an die Krone entrichtet werden. Jedes Gebirge product gehört den Einwohnern des Dorfs, zu welchem der Verg gehört. Wenn ein Fremder an der Ernte dieser Producte Theil nimmt, d, h. wenn er bei der Ernte den Bewohnern behülflich ist, musi er den zehnten Theil davon erhalten, Wenn die Gemeinde Holz, Brennmaterial nnd Heu verkauft, so muß der Gutsbesitzer 255 bcö CDovfö ben $rt;nteu il;ei( von Allein erhalten, beöglpidjeu er; Ijalt er dnc (n-ftimmte Qkrgütung für bie SBeibe bcS .Sßirfycfl. 35er JVdif? gef^rt bem WukHnjiijev nuv so nmt, alš er jidj ans feinem (Mute erflrerft, bieö gilt and) von ber g-ifdierei unb bem ?sagb revtere. 9.i>er eine 3iagb »ber ^1'™ ftifdjfang auf ftembem ©efeietc niitevnimmt, bev mufi bon fieb^'^nten :Is;ei( beij ©euMiinö bem (Si-iV'ntbümoi' nbtjobott imb and) von ben ©cbinirn ben ;;c(;nten %i)('\\, bem 9)iamasja^HS (Starojl) bfö @»tS. SHcfcS ©efefe erftvetft sid) aurf) auf Silber unt* ©ri)iffev. S>. 18*2. 9Benu Semanb beim iku ctutö <§aufe^, toi tu Lesern ciuciS Jelbcö obev teint ©vafccn einer ©rubc einen längst uevi]intenen <3cl)al3 finbet, so gehört bcrfelDe bciu Jlnifa, ivovott ttx 5'iuber ben ^efynten fi's;eil ev(;alt, foOalb biiö ©vuubfiiicf, nuf bem ber @d)a§ ^ofunten, Knit nics)t ßel;crt. Sünbet afcev 3emanb eine» ©cfjafe in feinem ^aufe, ©arten ober Ü6ert;au^t auf feinem (SJnmbfUicfe, so a,etyort ifjm bev fünfte U(;eil beffel&en. Sfl ein foldjev od;a|i erst 'con ben 1?orfafyren ober ben ^envanbten be§ ^inberö vergraben iuorben, n>eld)eö von ^luitbauirbiijnt 3f»slfn Deflrttigt toirb, so t]cl;ö'rt ber Sd;ai3 bem ßinber nad) (Snhiditung beö ^clnttt'it %l}t'[[d bavou c\n bie Jl'rone. 3fi ber (Sdjafc von einem Qlvtcitfv obev :lrtk]l5l,nKU' cjefunben luovbfn, so evtjcitt berfelbe ntd>t ben jet)ttten, fonbevn nur einen untebeutenbeu 1T;eil bavon. SJ. 183. StBntu ^loei Wanner, einer mit eiiu'in ^arte, ber atu bere ofyne ^3art, in (Streit gerathen unb ^ejjterer bem (Srflern im 3ont beu üWart auöruvft, fi> uurb er juu-imal jiefdjoren unb ei: l)äU jebcötual jleOcu vgtoirb ber Anbete nur einmal (\e\äp ren unb mit fiefcen or-ben unb toiS vergossene .5Alut finrß Wenfd)en luirb burd) Giflb cnU fd)äDigt, jeiiadjbem taö ikibvcdjen nndjtig ist, %. 233. äöenn Semattb ein ^»auö, einen ©arten, ein ©runb-flücf ober bergteldicn ^iim ^fanbe t>at unb bte Oteveuüen bavou ben betrag ter stufen üüerfteigfu, so mu|5 ber Ucberfd)U|l ^um _____256____ Capital geschlagen werden, übersteige»! die Revenue« auch das Capital, so muß der Schuldner sein Pfand zurückerhalten. Wenn der Gläubiger Etwas vom Pfande verkauft hat, so wird es eben falls zu dem Capital gerechnet, desgleichen wenn er eiu verpfa'n deteö Kleid abgctragm hat, Bestand das Pfand in Gold oder Silber imd ist dasselbe entwendet, so hat sich der Gläubiger durch einen Eid vom Verdachte z» reinigen und muß der Schnloner den Schaden tragen. Erweist es sich, daß der Gläubiger falsch ge schworen hat, so musi er dein Schuldner den doppelten Werth des Pfandes ersetzen ^ dieselbe strafe erfolgt, wenn er das Pfand verhehlt. Wird das Pfand vom Feinde geraubt, so braucht es der Gläubiger nicht zu ersetzen, wird es beschädigt, so findet ein Ersatz von Seiten des Gläubigers statt. Äestcht das Pfand in einem Stück Vieh und ist dasselbe, in Folge des schlechten Futters, er krankt oder gefallen, so nmß der Gläubiger dies in Natura ersetzen. Stirbt es aber ohne diese Veranlassung oder ohne seine Schuld, so hat er es nicht zu verantworten. §. 23^, Wer das Haus eines Andern vorschlich anzündet und dabei betroffen wird, der wird ebenfalls verbraunt. Wird er von dieser Strafe verschont, so haut man ihm eine Hand ab und er znhlt die Hälfte dee! durch den Arand verursachten Schadens. Erläßt man ihm auch das Abhauen der Hand, so musi er den gauze» Schaden ersetzen. Wenn Vieh bei dieser Gelegenheit umkommt, so hat er das Vierfache, für Getreide und Heu das Doppelte zu ersetzen, desgleichen auch für Kleidungsstücke und andere Sachen, jedoch muß dabei das Vermögen des Angeklagten berücksichtigt werdeu, H. 25!1. Wenn man auf fremdem Grund und Voden eine» Ermordeten sindet und der Morder unbekannt ist, so muß der Ael-teste und der Nichter die Entfernung von dem Orte, wo der Erschlagene gefnnden, biS zu den anliegenden Dörfern messe» nnd auf dem nächsten von diesen die ältesten Einwohner versammeln und diese zur Lesung der Todtenmessen über den Verstorbenen anf-fodern. Uebrigens ist der Nichter verpflichtet, alle nothwendigen Maßregeln zu ergreifen, um des Mörders habhaft zu werden, um ihn in Betretungsfallc mit einer angemessene» Strafe zu belegen. !1 Heirathet eine solche Frau alsdann einen Andern und wird von diesen: geschieden oder stirbt er, so darf sie ihren ersten Mann nicht wieder Heirachen. Als die Israelite» Jesu vorstellteil, daß Moses die Ehescheidung erlaubt habe, so antwortete ihnen Christus, daß man nur wegen Ehebruch und aus keinem andern Grunde sich scheiden dürfe. Eine wegen Ehebruch geschiedene Frau darf, selbst wenn sie die ihr auferlegte Kirchcnbuße gelitten hat, nicht wieder ihren ersten Mann heirathen. §. 273. Ein Neuverehelichtcr darf nicht in den Krieg gehen, noch sich lange Zeit von der Frau tlennen, sondern muß zu Hause bleiben, denn er könnte im Kampfe fallen und seine Frau dadurch ihrer Freude und ihres Trostes beraubt werden. Dies Gesetz muß streng beachtet werden. ,-- H. 274. Den obern oder unter» Mühlstein darf Niemand verpfänden, denn das heiße seine Seele verpfänden, dc»n dies verbietet das Geseß, indem man diese Steine ebenso wenig trennen darf, als die Seele vom Körper. Der Richter hat auf die Ve-obachtung des Gesetzes genau zu achten, H, 275. Wenn oir dein Nächster etwas schuldig ist, so gehe nicht zu ihm ins Haus, sondern rufe ihn zu dir und mahne ihn alsdann um dein Geld. Wenn der Schuldner von selbst feine Schuld bezahlt, so nimm sie an, ebenso wir ein Pfand von ihm. Ist er H59 aber so arm, daß er das Pfand, welches er dir geben will, selbst gebraucht, so nimm dasselbe nicht an und beunruhige ihn nicht; Gott wird dieses nicht unbelohnt lassen. C'in Pfand mit Gewalt vom Schuldner nehmen ist dem Willen Gottes zuwider. 8. 276. Wer von einem Armen oder Fremden ein Pferd, Esel oder dergl, miethet, muß nach Sonnenuntergang an demselben Tage dem Eigenthümer den Miethzins bezahlen, da er es aus Noth abgetreten hat. Widrigenfalls zwingt das Gericht den Miether, mehr als den verabredeten Lohn zu entrichten. §. 279. Von einer Witwe sollst du keine Kleider und kein Vett zum Pfande nehmen, du sollst mit ihr Geduld haben und nicht so verfahren wie die Aegyptcr, sonst wirst du deshalb zur Verantwortung gezogen, H, 282. Wenn ein Weltlicher oder Geistlicher einen Todten bestiehlt und im Vetrctungsfallc seine That nicht cingesteht, so ist er mit dem Tode zn bestrafen. Gesteht er aber sein Verbrechen, so wird er nicht der Todesstrafe unterworfen, sondern nur von der Kirche ausgeschlossen und zu einer lebenslänglichen Kirchenbusic u erurtheilt. 8. 286, Den Grund zum Van einer Kirche legt der Erzbi-schof, welcher auch verpflichtet ist, durch seinen Segen denselben zu befestigen und zu heiligen, jedoch können dieses auch sein Vicar oder andere Geistliche auf seine Verfügung verrichten. Wenn bei Ab-Wesenheit des Grzbischofs ohne seine Bewilligung eingeweiht wird, so muß das Gebäude zerstört werven und muß der Bischof von neuem den Grund dazu legen. Man muß bemerken, daß von den zwei Vicaren nur der eine die Macht hat, Kirchen einzuweihen. Wenn diese ohne Vorwissen des Erzbischofs eine Kirche eingeweiht haben, aber alsdann ihr Vorgreifen bereuen und den Erzbischof um Verzeihung bitten, so muß dieser ihnen vergeben und die Kirche nicht zerstören, sondern sie von neuem eiuweihen. z. 306. Wer am Grünen Donnerstage Fleisch ißt, der wird sowol von der Hauptkirchenversammlung als von der zu Nieäa mit dem Fluche belegt. 8. 5l5. Wenn sich Jemand im Wahnsinn von einem Berge stürzt, oder auf irgend eine andere Weise das Leben nimmt und 17' 260 der Ortsbischof von dessen Verwandten erfährt, daß dieses wirklich im Wahnsinn geschehen, so mufi incm Seelenmessen für ihn lesen. Zeigt sich aber, daß sich Jemand aus Verzweiflung das Leben genommen hat, so darf man seinen Namen beim (Gottesdienste nicht nennen. In solchen Fällen mi'issen genaue Nachforschungen angestellt werden, denn sonst ziehe» sich die Priester selbst eine Strafe z«. Dergleichen Angelegenheiten werden von den Vischöfcn und überhaupt von der ganzen Geistlichkeit, nicht aber vom Civil gerichte, untersucht. 8. 320. Wenn ein Priester unterwegs von Räubern überfallen wird und einen von ihnen todtet. so muß untersucht werden, ob er es zur Nettuug seiner eigenen Person gethan habe; war dies der Fall, so muß er dem geistlichen Stande entsagen, denn wegen seiner persönlichen Sicherheit darf er nicht nur keinen Menschen, sondern nicht einmal ein. Thier erschlagen. Hat er aber einen Räuber getödtet, nm seinen Gefährten zu rette», so ist er schuldlos. Wenn die Räuber keine Christen sind, so bleibt es der Geistlichkeit überlassen ob ein Priester seinem Amte entsagen muh oder nicht. §. 323. Wenn Geistliche in ihren Gütern oder alls ihren Feldern Steine sammeln oder solche an die Seite werfen und dabei Jemand so treffen, daß er vom Steinwurfe getödtet wird, so dürfen sie, außerdem dasi sie einer Vuße unterworfen werden, ihr geistliches Amt nicht mehr verwalttn. Auch wird der Priester seines Amtes entsetzt, der Jemanden sendet nm seinen entlanfeneu Vancr zu fangen und dieser von Jenem getödtet wird, denn in diesem Falle wird der Priester, wenn er auch selbst nicht den Mord begangen, einem Mörder gleich geachtet. Wenn ein Weltlicher in der Stadt oder auf der Jagd seinen Gönner vorsätzlich oder aus Unvorsichtig-eit tödtet «nd sich darüber freut, so wird er, nach den« Ermessen des Czaren, bestraft i dirö gilt auch von einem Nichtchristen, der einen Christen aus Unvorsichtigkeit erschlägt; für einen vorsätzlichen Mord ist eine Strafe, gehörigen Orts, festgesetzt worden. Nichtchristen freuen stch gewöhnlich über rrstern Tod, Jedoch muß Derjenige, der aus Unvorsichtigkeit einen Mord begangen, sein Perbrechen aufrichtig bereuen und die Vorgeschriebene Vuße thun, Kommt die Sache aber vor Gericht, so muß hier der vorsatzliche und unvorsichtig Mord und die Ursache genau untersucht und demnach ein gesetzmäßiges Urtheil gefällt werden. Ausführlichere Verordnungen sür diesen Fall findet man in den Gesetzen des hei. ligcn Masfnli. H, ."»."KI. Wenn Jemand durch ein falsches Zeugniß unsclmlvig mit dem Tode bestraft wird, so muß der Meineidige eine fünf jährige Vußc thun und eiu Jahr Kranke pflegen. Wird Jemand durch eineil falschen Zeugen nicht zum Tode, sondern zu einer Geldstrafe verurthcilt und der Meineidige in der Folge entdeckt, so muß dieser alten dadurch entstandenen Schaden ersetzen und außerdem sich der oben vorgeschriebenen Vusic unlevwerfeu. H. ."7. Wenn ein Witwer eine Jungfrau heirathet und diese ebenfalls durch den Tod verliert, so darf er keine Ehe mehr schließen. Thut er eö aber dennoch, so muß der Priester, der ihn getraut hat, seines Amtes entsetzt, er selbst aber einer Kirchenbußr unterworfen werden. Hat ihn der Priester aus Gewinnsucht getraut, so wird er außerdem noch mit einer andern Strafe belegt. 8. 54."», Wenn der Vräutigam nud die Braut von ein und derselben Amme erzogen sind, so dürfen sie sich nicht heirathen, auch selbst nicht, wenn keine Verwandtschaft unter ihnen stattfindet, denn die Amme ist fur sie so gut wie die Mutter. 8. 3t»9 Wenu Jemand von einem Vaume fällt und stirbt, oder auf demselben umkömmt, so ist der Vaum eben sowol als der Eigenthümer desselben unschuldig. Nach dem Gesetze Moses' aber ist das Thier, welches einen Menschen beschädigt oder tö'dtet, unrein und darf zur Speise nicht gebraucht, sondern muß gesteinigt nnd den Vögeln zu,» Fraß überlassen werden. Der Vaum, durch welchen Jemand den Schaden erlitten, muß entwurzelt und dürfen seine Früchte nicht gegessen werden, sproßt aber ein anderer Vaum hervor, so können seine Früchte genossen werden. Fällt Jemand von dein Dache einer Kirche herab oder wird er durch einen herab-fallenden Htein geto'dtet, so ist zwar die Kirche unschuldig, aber der Katholikos muß selbst die Liturgie und noch einmal die Ein-weihnng in derselben verrichten, wobei die Gemeinde bitterlich weinen muß, damit dnrcl, ihre Thränen und der Dienst des wür- 2U3 digen Patriarchen Gott versöhnt werde und er verzeihe, daß Jemand durch die Kirche seinen Tod fand. 8, 570, Wenn einem Christen befohlen wird, einen christlichen Dieb oder einen Dieb fremder Confession an den Pfahl zu binden, so mnß er sich anfangs weigern dies zu thun: wird er dennoch dazu gezwungen, so muß er Geschenke machen j kann er sich aber auch dadurch nicht losmachen, so muß er, da er dem Befehle des Kaisers nicht widersprechen darf, denselben vollstrecken, jedoch nicht mit Lust und Freude, sondern mit Mitleid und Bedauern, gleichwie Johannes der Täufer befohlen hat, die Befehle des Kaisers pünktlich zu vollstrecken. Gott sieht auf das Herz und nicht auf die Person. 8- 373. Für den Unterricht der Kinder darf kein Geld genommen werden I wenn der Lehrer im Stande ist, muß er die Kinder kleiden und ernähren, wenn nicht, so sind die Ael-trrn verpflichtet, sie mit allem Nöthigen zu versorgen und außerdem die Lehrer, ihrem Stande gemäß, zu belohnen, was aber Letztere von Armen nicht verlangen dürfen. Wenn aber Jemand wider das Gesetz eine Belohnung für den Unterricht von seinen: Schüler verlangt, so kann er nur Dasjenige bekommen, was sich der Schüler, seit dem Aufenthalte bei ihm, erworben hat. 8- 378. Wer zum Nachtheil einer Kirche eine andere erbaut, der muß durch das Gift einer Schlange den Tod finden, wie es im Gesetz geschrieben steht. Ein solcher Verbrecher wird auch, er mag Bischof oder Priester sein, in den Vann gethan und seines Amtes entsetzt, da er das Gesetz der Propheteil, Apostel und Kirchenväter verletzt hat. Die neu erbaute Kirche erhält der Eigenthümer des Grundstücks und muß der Erbauer die Arbeiter aus seinen Mitteln bezahlen, §. 7,84, Wenn Jemand einen Kanal zur Befruchtung seines Weinberges, Ackers, Gemüse- oder Obstgartens gräbt und daS Wasser die Ernte des Nachbars verdirbt, so muß cr demselben die Hälfte des entstandenen Schadens ersetzen. Hat er dem Nachbar sein Vorhaben, den Kanal zu leiten, nicht mitgetheilt, so muß er den Schaden vollständig ersetzen. Man muß jrdoch untersuchen, ob dieses durch Bosheit und durch wen, ob von einem Herrn oder 263 Leibeigenen, von einem Minorennen oder eineui Diener, geschehen, und danach die Sache entscheiden, H, 3W Für die Grabstätte darf keine Bezahlung angenommen werden, allein habsüchtige Priester verlangen es dennoch, werden cs aber gewiß vor Oott zu verantworten haben, Für die Veerdi. gung muß inan sich damit begnügen, was ein Jeder geben kann. Das Leichentuch muß an das Kloster gegeben werden für Einsiedler und Prediger. Der Nachlaß eines Pfarrers, der keine (Hrben hinterläßt, bleibt zur Verfügung des Bischofs, welcher Seelenmessen für den Verstorbenen leftn lassen mnß und für sich nur dessen Kleidungsstücke und Bett nehmen kann. Der Priester muß sich mit Demjenigen, was ihm ein (5ingepfarrter gibt, begnügen. Hinterläßt der Priester einen Sohn, so muß dieser, sobald er dazu tüchtig ist, die Pfarre übernehmen, wenn nicht, so muß man sie auf einen andern übertragen. Das Haus eines verstorbenen Priesters gehört dem Bischöfe. Der Bruder eines Priesters darf, wenn er nicht dem geistlichen Stande angehört, der Pfarre nicht vor stehen; wenn aber sein Sohn Priester wird und sich seinem Amte tüchtig zeigt, so muß er die Pfarre bekommen. Der Katholikos wird von Viele» eingeweiht und welht selbst Viele ein. Sein Haus muß zur gemmlschaftlichen Benutzung dienen, gestattet er aber dieses nicht, so bleibt es sein alleiniges Eigenthum, Nach dem Tode eines Bischofs kann der Katholikoö die demselben etwa verliehenen Kreuze oder geschenkten Vüchrr und Rosenkränze wieder zurücknehmen; sind aber selbige das allein erworbene Eigenthum des Bischofs, so gehören sie Demjenigen, oem er sie vererbt hat. tz, 5W, Die Tollheit des Viehes geschieht nicht wegen ihres Vergehens, denn sie sündige»! nicht, sondern uns zur Strafe. Daher muß Jeder seinr Sünden beichten, dieselben bereuen, eine vierzigtägige Fastenzeit, im Laufe von drei Jahren beobachten und mit dem Cruzifir vor dem Evangelio beten, damit ihn Gott erhöre und ihn vor Strafe behüte, (5in tolles Thier muß geschlachtet und das Fleisch an Nichtchnstrn verkauft werden. Wenn Jemand ein solches Thier gekauft hat und durch Zeugen beweist, daß es vor dem Verkaufe toll gewesen sei, so ist er berechtigt, es dem Ver^ raufer zurückzugeben. War daö Thier aber nicht toll. so braucht 2«4 der Verkäufer es nicht wieder zurückzunehmen, Ist das Thier unrein, so muß man es an Heiden oder Nichtchristen verkaufen. 8, 4U2, Oft sehen wir, daß Menschen das Gebot Gottes übertrete» und verachten. Christus befahl, in keinem Falle beim Namen Gottes zu schwüre», und daher darf Niemand schwören oder fluchen, es sei wo es wolle. Doch im Falle eines Streites MUß vor dem Richter, zum Beweise der Wahrheit, ein Eid abgelebt werden, Wenn Jemand vor Gericht einen Eid leisten soll, er sei Mönch, Priester, Greis oder Jüngling, vornehm odev gering, und Ginwendungen dagegen macht, indem er sagt: Christus hatte verboten nberbaupt zu schwören, so führen wir zur Widerlegung seiner Behauptung Folgendes an. Als Gott dem Abraham dnrch einen Engel anzeigte, daß Gott geschworen hatte bei sich selbst, so war dies ein Schwur, welchen Gott seinem Knechte Abraham leistete. Auch schwor der Herr dem David bei der Wahrheit; die Regeliten schwören unter einander und bestätigen dadurch die Auf rechthaltung des Friedens. Desgleichen können Fürsten und Staatsbeamte, zur Beruhigung des Volks, einen Eid ablegen. Der Schwur geschieht alls folgende Weise. Der zu Vereidende legt die Hand auf die heilige Bibel und das Eruzisir und spricht diese Worte: „ Gott weiß es, und daö Evangelium und das Kreuz smd Zeugen, daß ich die Wahrheit rede." Oder er spricht fol gendc Worte: „Ich schwöre kraft dieses Evangeliums und Kreuzes, daß ich der Wahrheit gemäß gesprochen nnd weder etwas zu viel gesagt noch verschwiegen habe." Sagt der Schwörende: Ich schwöre beim Evangelium, daß ich das Versprechen halten werde, so ist dies ein Gelübde. Gott sieht das Herz eines Jeden. Das Kreuz ist die Verherrlichung Christi, das Evangelium das Wort Gottes, und die Kirche das Haus Gottes. Alle unanständige» Neden vor dem Richter sind eine Ver^ achtung des Kreuzes und des Evangeliums. Gebet euch lieber dem leiblichen Tode hin, ehe ihr daö Kreuz und das Evangelium verleugnet. Uebrigcns hat sich der Richter z» hüten, wegen unbedeutender Sachen einen Eid aufzuerlegen und in Streitigkeiten den-selben stets zu vermeiden. In Religionssachen wird eine Kirchenbusie statt des Eides auferlegt. Soll ein Mönch oder Priester vereldet 265 werden, so dürfen sir in keinem Falle dazu zugelassen werden. Auch ist zu bemerken, das; der Eid in solchen Fällen stattfindet, wo es weder Zeugen, noch schriftliche Beweise gibt. Wird Jemand gegen einen Andern klagbar vor Gericht, kann aber zum Beweise seines Nechts keinen Zeugen stellen, so muß man nö'thigenfalls nicht den Kläger, sondern den Verklagten vereiden. Desgleichen dürfen keine Lügner, sondern nur rechtliche Leute, welche die Bedeutung des Eides kennen, znm Eide zugelassen werden. Wenn Jemand eines Diebstahls oder Ehebruchs beschuldigt wird und der Kläger keine Zeugen hat, so muß derselbe vcreidet werden, denn der Angeklagte könnte leicht, wegen der Strafe, falsch schwören. Weiß aber der Nichter oder erfährt er, daß der An^ geklagte unschuldig sei, so muß dieser stine Unschuld eidlich er-härten. Niemand darf vor seinem fünfundzwanzigsten Jahre zum Schwur gezwungen werden; desgleichen keine Kranken oder Diejenigen, welche eine Kirchenbußc thun. Unmündige sind gleich den unreifen Beeren; Kranke sind in Todesgefahr und müssen ihre wenige Lebenszeit noch zur Vuße benutzen. ,^. Vol. VII, p. 20p. 83), im Königreiche Whldah (^ new ßLnoi-ul colloclian ol va^ß05 <>>>,! tivivvl». Lonciun, 1747. 4, Vol. III. p. 40), in Guaja (Ebend,, II, p. 040 u. 009), in Loango (Gbcnd., III. ,>. 224 u, 201), in Monomotapa (Guthry und Gray, ^cxlol-n univor«.,! nisloi-^, Vol. XV, p. 464), in Guinea, Senrgambien (Ehrmann's Geschichte merkn'ürdiger Neisen, Vd. IX, S. 13« u. 56l) u. s. w. Auch die Antigone des Sophokles zeigt deutlich, daß das Gottesgericht, wenigstens bei den ältern Griechen, Gebrauch war. Meines Wissens siudct sich dagegen weder in der Geschichte noch in den Rechts-büchcrn der Römer auch nur die leiseste Spur von einem Ordale, was sich alls dem Umstände auch leicht erklärt, daß sie ein jüngeres, von dem Urvolke und den Urtraditionen durch viele abschwächende Mittelglieder getrenntes Volk waren. Weder Tacitus, noch Cäsar, noch sonst irgend ein Geschichtschreiber erwähnen dagegen der Gottesgerichte bei den alten Deutschen der vorchristlichen Zeit. Daraus kann man meiner Uebcrzeu gung nach mit völliger Evidenz den Schluß ziehen, daß die alten Deutschen die Gottesgerichte entweder gar nicht gekannt haben, oder daß wenigstens dieselben kein hervorstechendes Moment ihres Gerichtsverfahrens gewesen sind. Sonst würde, namentlich dem Tacitus, eine so merkwürdige von dem Rö'merthum so abweichende Sitte sicher nicht entgangen sein, und er würde es nicht unterlassen haben, von derselben zu berichten. Die Sache steht demnach so: dlr alten Deutschen des TacitnS hatten das gerichtliche Beweismittel des Ordalcs gar nicht. Dagegen tritt später das Ordale in den salischen, ripuarischen, frisi-schen, lvestgochischru, thüringischen und den andern germanischen Gesetzen, welche nach und nach vom fünften Jahrhundert an bei den eiuzelne,, germanischen Stämmen gesammelt wurden, als all- ' ______27? gemeines und wesentliches Beweismittel auf. Daraus kann man mm wol deu Schluß ziehen, daß das Ordalc durch die Stämme, welche in der Völkerwanderung aus Asien nach Europa zogen, nach Deutschland gebracht worden ist. Freilich wäre damit allein noch nicht bewiesen, daß es eben transkaukasische Stämme waren, welche das Ordale mich Deutschland hinübertrugen. Denn die Gottesurtheile blühen seit undenklicher Zeit nicht blos in Kauka sien, soildern auch in andern asiatische» Gebieten, nud namentlich bis auf den heutigen Tag in Indien. Sie könnten demnach, wenn man auch den eigentlichen Urstamm aller Völker nach Trans kautasien setzt, doch nicht unmittelbar von dort aus, sondern durch verschiedene Mittelglieder, z, V, durch Indien, zu den Deutschen des Mittrlalters hinübergetragen worden sein, Sobald man aber die besondern Bestimmungen über die Ordale bei den einzelnen Völkern mit einander vergleicht, so stellt sich hier gleich die unmittelbarste Verwandtschaft der deutschen Gottesgerichte mit den transkaukasischen heraus, während die Gottesgerichte der Indier und der andern asiatischen Völker keineswegs in Form und Verfahren eine gleiche Aehnlichkeit ausweisen. Die beiden ältesten und ursprünglichen 'Arten von Gottesgerichten bei den deutschen Stäm^ men waren das siedende Wasser, oder der sogenannte Kesselfang, und daS glühende Eisen. Gö läßt sich nachweisen, daß alle an der» im Mittelalter sich vorfindenden gottesgrrichtlichen Beweismittel, wie z.V. die Probe der glühenden Pflugscharen (Micium vume-i-um), die kalte Wasserprobe (^uliioium inzlMiouln), die Kreuzprobe, bei der die streitenden Parteien oder deren Stellvertreter mit ausgebreiteten Armen so lange an einem Krenzc stehen mußten, bis einer zuerst die Arme sinken ließ u. s. w., sodann die Probe des geweihten Bissens (MN'cium pm»^ lulM'.lli), die Abendmahlsprobe (pm-gnU» i^i- süL^im cuclun'i^tiam), das Bahr-gcricht u. s. w., nur spätere Modifikationen und Zusätze zu jenen beiden ursprüglichen Formen des Ordales in Deutschland waren. In Transkaukasien hat man nun ebenfalls weder früher noch irtzt andere GotteSprobrn, als diese beiden gekannt, während man in Indien und bei den übrigen asiatischen Völkerschaften sich neben dem Kesselfang und dem glühenden Eisen schon seit alten grauen 273 Zeiten verschiedene andere Proben leimt, welche in Deutschland nie reeipirt wurden. Hätteli daher indische Stämme die Ordalien nach Deutschland gebracht, so würden sie doch wol nebst dem Kesselfange und dein glühenden Eisen auch die verschiedenen Veweis-proben, die damals schon bei ihnen Sitte waren, zugleich mit ein-gcbürgert haben. Daß aber in Deutschland zuerst die beiden For men der Ordaleö einzig und allein anftrrtrn, welche ebenfalls ausschließlich nur in Transkaukasien die Sitte des Gottesgerichts bilden, deutet schon mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine nächste und directe Abstammung von dorther hin. Alle etwaige Zweifel darüber müssen schwinden, wenn wir in den transkaukasischen Gesetzbüchern noch eine dritte F<.md ihre Vurgcn ballten, tonnte sich leicht beweisen lassen. Und abgesehen davon, so müßte man ja alsdann zu der gänzlich unhaltbaren, moralisch unmöglichen Hypothese greisen, daß der Zweikamps uicht als eine Ursitlc in das germanische Europa übertragen wurde, fonder» daß er dort plötzlich, etwa im vierten oder fünften Jahrhundert, wie eine geharnischte Minerva vollständig ausgebildet mit einen» Male unter den verschiedenen Stämmen alö durchgreifende, das innerste Nationallrben bedingende Sitte, wenn ich so sagen soll, erfunden worden sei. Derglei chen wird aber von den Menschen uicht erfunden; es wächst und pflanzt sich fort und weist immer bei der Frage nach semer Entstehung auf die Ursittc eines llrvolkes zurück. Und ausierdrm würde man sich vergeblich bemühen, solche erste Anfänge, solche Keime, ans denen sich nach und nach der Zweikampf zn seiner ausgebildeten Form und Idee entwickelt hätte, bei den Germanen des Mittelalters nachzuweisen. Von dem Augenblicke an, wo die geschichtlichen Doenmente uns über die Eristenz des eigentlichen Zweikampfs unter den mittelalterlichen Germanen berichten, ist cr auch schon vollständig ausgebildet nnd steht als uralte, mit dem ganzen rechtlichen, socialen und religiösen Leben dieser Stämme ties verwachsene Sitte vor unser» Augen da. (5in naives und drolliges Veweisverfahre» bei den Tranökauka siern ist das Auffichnehmen der Sünde der Gegenpartei, mit der man vor Gericht erscheint. Man kann sich bei dieser besondern Abart des (5idcs wirklich eines heitern Lächelns nicht erwehren, welches dadurch gewiß nicht vermindert wird, daß der also Gchwö rende, der für den Ml der Unwahrheit seiner Behauptung sich bereit erklärt, die Sünden des Gegners auf sich zu nehmen, diesen nun wirklich persönlich, wie er leibt und lebt, auf die Schultern nimmt. Ich habe leider keine Gelegenheit gehabt, einem solchen gerichtlichen Acte beizuwohnen. Weshalb aber das Gesetzbuch des Czars Wachtang ausdrücklich bestimmt, daß diese besondere Art von Schwur nur bei unbedeutenden Streitobjekten über Mein nnd Dein stattfinden solle, ist mir in der That nicht recht verständlich. Eine Kleinigkeit ist es doch sicher nicht, wenn man neben seinen eigenen Sünden auch noch für die Sünden eines Andern hier und dort aufkommen muß. Auch scheint es fast. als wenn fromme imd heilige Männer bei dieser Procedur leichter Gefahr liefeu, durch unwahre Angaben ihres Gegners ihren Proeesi zu verlieren, als Vösewichter, die in recht schlimmem Rufe stehen, Auf die leicht wiegenden Sünden der Erster« hin kann der Gegner schon eine falsche Aussage eher riskiren; aber wenn er es mit einem Mörder lind hundertfachen Tvdsündcr zu thun hat, wird er sich wahrschein lich drei und viermal besinnen, bevor er eine Unwahrheit auf diese Weise erhärtet. Meines Wissens findet sich dieses seltsame Beweis-verfahren bei keinem andern Volke der (6r?e, als eben unr bei den Transkaukasiern; wahrscheinlich, oder vielmchr ganz unzweifel haft, ist es auch jüngern Ursprungs, Neben dem Ordale und dem Zweikampfe besasien die mittet alterlichen germanischen Stämme bekanntlich auch ein zweites Mit tel zur Erforschung der Wahrheit vor Gericht, das Institut der Gideshclfrr. Auch dieses Institut der Oideshelfer ist von uralten Zeiten bei den Transkaukasiern eingebürgert und zwar in der rei: neu und vollendeten Form, wie es sich in den deutschen Gesetzbüchern des sechsten und siebenten Jahrhunderts findet. Ebenso ist die Grundidee, welche den mittelalterlichen (irimmalstrafen bei den Germanen inhärirle, auch bei den Transkaukasiern consequent durchgebildet. Solche Strafen, durch welche der Beschädigte keinen <5r fatz erhielt, waren den Deutschen des friiheru Mittelalters gänzlich fremd; man kannte weder Freiheits- noch Todesstrafen, Die Idee, das; die Sünde um der Sünde willen und weil Gott es so an geordnet habe, aucl, von der weltlichen Macht hienieden bestraft 1«* 270 werden müsse, also dic eigentliche Strafe in» engern Sinne stammt aus den heiligen Büchern deö Alten Bundes. Sic scheint bei allen vorderasiatischen Völkern gänzlich verloren gegangen zu sein lind tritt erst wieder mit Ausbreitung der christliche» Kirche in die Ge fetzgebung derselben ein. Diese eigentliche Strafe kennt daö ivelt-liche Gesetz bei veil Tranökaukasiern noch bis ^ui» heutigen Tage nicht. Diese, n'elche als Verlust eines Gliedes, als Tod u, s, w., iveniger aber als Entziehung der persönlichen Freiheit auftritt, über lveist es stets den kirchlichen Gerichten, Das weltliche Gericht er-kennt selbst für den Mord nur eine Geldentschädigung für die An gehörigen des Gemordeten, die eigenMchc Strafgewalt hat der Katho-Ükos, der Patriarch, dem der Verbrecher alsdann nachträglich überantwortet wird. Indessen geht alls den spätern trcnMaukasi schen Gesetzbüchern hervor, daß die transkaukasische Kirche dieses ihr Ämt der weltlichen Strafe doch lästig und «»angemessen gefunden haben muß, sodaß sie sich dieser Strafgewalt wahrscheinlich in neuerer Zeit freiwillig begeben hat, Czar Wachtang erklärt in sei-nem Gesetzbuchr, welches mehre Jahrhunderte jünger ist, als die geistliche Gesetzgebung, dasi das Gebot Gottes! „Auge mn Auge, Zahn um Zahn", durch die christliche ^ehre aufgehoben sei und Geld entschädigung an die Stelle treten müsse; und daß in der lsinlei-Nlnq er wirklich versichert, das: sein Gesetzbuch nichts gegen die aus-drücklich eiugeholte Zustimmung des Katholikos enthielte, so scheint daraus hervorzugehen, daß die transkaukasische Kirche ihr weltliches Slrasamt aber auch zugleich die Idee der eigentlichen Strafe überhaupt in neuer» Zeiten wieder aufgegeben und falle» gelassen haben möchte. Anders bei der katholischen Kirche. Diese hat von vornherein dir weltliche Strafe der Tünde der weltlichen Macht, dem Kaiser, dem Staate u, s. w. überlasse», sie hat sich nur die geistlichen Vußen vorbehalten. Daß übngms das ganze Strafrecht in dieser Beziehung durch die russische Herrschaft eine andere Gc-stalt gewonnen haben muß, «ersteht sich uon selbst. Die Vergleichung der alten transkaukasischen Rechtsbüchl'r lind NechtsinMntioneu mit dem alten germanischen Nechtr hat mich übrigens in meiner Hon lange gehegten Ueberzeugung immer mehr befestigt. M gibt nicht leicht eine hellere Fackel zur Veleuchtung 277 der dunkel» Partien der alten Geschichte, als eben die vergleichende Erforschung der alten Rechtsinsiitutione». Sprache und Sitten gewähren uns allerdings auch mannichfache Fingerzeige und Resultate, aber rs ist ein Irrthum, wenn man annimmt, daß zumal die Sprache unter allen Umständen eben das Cvnstanteste sei, das dem wenigsten Wechsel Unterworfene, an deren Hand man am sichersten das Labyrinth der Urgeschichte durchwandern kann, Nicht immer reicht dieser Faden der Ariadne aus, während dagegen die ursprüng lichen socialen Nechtsidee» uud Nechtsausfassungen häufig gleich dem Granit allen verwitternden Einflüsse,, der Jahrhunderte widerstehen. Diese Erkenntniß mußte natürlich dem 18. Jahrhunderte, dem Jahrhunderte des preußischen Landrechts und der »ngeschichtllchen willkürlichen Gesetzmachcrei gänzlich fehlen, und es ist daher be. grriflich, wie man eben auch diesen wissenschaftlichen Weg zur (5r^ forschung der Geschichte bis in die neueste Zeit »lehr vernachlässigt bat, wir manche andere Wege, die freilich auch zu demselben Ziele führen und deren Vebahnung ich gewiß nicht geringschätze. Je-mehr uns aber eine unglückselige Erfahrung »lit der erperimenti^ rende» Staatsgesetzgebung wieder zur sorgsamen Beachtung der hi-stonschen Grundlage unsers eigenen Rechtes zurückgeführt, ich möchte sagen, zurückgezwungen hat, nm so mehr wird auch diese praktische Erkenntniß auf die wissenschaftliche» Forschungen über den Gang der Menschengeschichte überhaupt zurückwirken. Auch hier sprechen die Zeicheil der Zeit deutlich genug und ein oberflächlicher Blick in die heutige geschichtliche Literatur zeigt, wie mächtig und unaufhaltsam sich auch in dieser Beziehung die Richtung zur wcch ren Wissenschaft anbahnt. Ulm dl'll l^licnsjieftjzl'll .f1r„sil'n5. ^) 3as Gefetzbuch drs Czarewitsch llnd nachherigen Czars Wachtang IV., w'elches uon ihm verfaßt n^wrden im Anfange des 1^, Iahrhun-rerts (1704—1712), als er noch Regent des Vanocs in Ab-N'sscnheit seines Onkels, des Czars Georg Xll, war, der da. mals sich in Prrfken befand, hatte Rechtskraft bis znr ^inverlei. b»uq Orusiens mit de>» russischen Reiche. Dies Gesetzbuch bestcyt aus siebe» Theilen, welche verschiedene Gesetzsammlungen um fassen, deren Titel und Ursprung in einer allgemeinen Vorrede besprochen werden, welche dem Anscheine »ach vl?n Wachtami selbst geschrieben ist, Der crsir Theil unter dem Titel! Mosaische Gesetze, be. stehend aus 52 Artikeln, enthält verschiedene Bestimmungen, die Wort für Wort aus dein fünftel» Buch Moses entlehnt und nach der Folge der Capitel und Verse dieses mosaischen Buches angeordnet sind. Dieser Auszuq steht in gar keiner Verbindung mit dem an-drrn Auszuge aus verschiedenen Büchern Moses, welcher das 45. Capitel drs russischen Kirchenrechts (Kormtschaia Kniga) bildet, noch mit dem Werke eines römischen Juristen, bekannt unter dem Namen: I.<.>x !i«j xivl> klo^jlüü'Mü cl, ll<,m:m,!!'Ii!!io. Der zweite Theil umfaßt die griechischen Gesetze, welche uach den Worte» Wachtang's - ,.IHm durch seine Ucberredung von ') Mitgetheilt au>.' Pl'tt're3lÄi-l5 ü^nl^gm!, ^IpllclliotlLl!!»), Dieser Auszug ist bekanntermaßen nicht verglichen worden mit dem Onginalterte, wahrscheinlich weil er, wie es scheint, verfaßt worden ist auf Wach-tang'ö Verlangen zu seinem eigenen Gebrauche. Im dritten Theile sind enthalten die armenischen Gesetze, welche nach den Worten Wachtang'ö „ausgeschrieben worden aus Gdschmiazin, dem Vegräbnißorte des Seelenhirtrn und Apostels von Großarmenien, Grrgonus." Diese Sammlung armenischer Gesetze ist in 451 Artikel getheilt, uuter zwei Hauptabthcilungen, Die erste, 15tt Artikel umfassend, ist in einer besondern Einleitung (>>i'«0!.'mmm) gewidmet worden ,,dem großen Czar Konstantin". Die hier enthaltenen Bestimmungen sind gro'ßtentheils auf die Werke römischer Juristen gegründet und auf die Verfügungen vcr^ schiedenrr Kaiser Roms vor Justinian, Die zweite Abtheilung, in welcher die folgenden ^ttl Artikel der Sammlung entHallen sind, umfaßt Bestimmungen, welche auf mosaische Gesetze gegründet sind, aus das Neue Testament, auf die Regeln der heiligen Väter und Kirchenversammlungen, alls die Bestimmungen verschiedener Czarc von Armenien lind auf armenisches Gewohnheitsrecht. Ob. gleich es schwer ist, die Zeit festzustellen für die (5'ntstrhnng der einzelnen Theile, aus welchen diese Sammlung armenischer Gesetze besteht, ja sogar auch der Sammlung selbst, so kann man doch mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, das; in ihrer 280 gegenwärtigen Gestalt sie aus dem ssndr des 1'2. Jahrhunderts herrührt *). Ill dem vievten Theile unter dem Titel: Katholikos' Gesetze, ist das Concildeeret des Katholikos Patriarchen von ganz Grusien, Maleachi, des Katholikos','st^o v^'ii (5rschmi^in, armenischer Gesetze, g^ lilfert i,i dem Werfe de^ Madcmilers Vr^'set: liul'i>'"'t «'"' "" v«>llßs !irc!i«nl(>^l>i>li, Bros-set in ftince Ansgabe der Grusinischc» (^eschichlc (I1i8tuiro llL lu cleur «"') S, ) der Sammlnng enthalten. Atabek Beta (II.) bc. herrschte die Provinz SamnchiSka iln Lehnsverbande der grusinski-schen Czaren von >."»<,'»! bis l7»9l. Seine Statuten waren gegründet, wie es scheint, auf alte Nechtsbräuche und Satzungen Grusiniens und sind in folgender Reihe geordnet: zuerst die Ve stimmnngen wegen der Sühne für Vlut, Verstümmelung, Wunden, Verletzungen und andere Vergehen, hernach einige eivilrecht liche Vestimmungen, jedoch immer geinischt mit den criminalrechtli-chen; dir Regeln des Rechtsverfahrens sind an verschiedenen Stel len dieses Re5)tsbuches eingemischt. Der Znsatz zu dieseu Statute» vom Atabek Agbnga, der in der samuchiökischen Provinz von lä-i^ bis ^51 regierte, ist in einer andern Reihenfolge angeordnet. Den ersten Platz nehmen die Regeln für das Rechtsvrrfahren ein; darauf folgen die Verordnungen über die Sühne für Verbrechen und Beleidigungen und die Vorschriften über Auseinandersetzungen zwischen Brüdern unter sich und zwischen dem Vater mit Söhne», und andere sowol civile als criminalrechtliche. Der siebente u»d letzte Theil des Gesetzbuchs Wachtang's enthält seine eigenen Gesetze in 267 Artikeln mit zwei besondern Er: fla'rungcn, wovon die eine in Gestalt einer Vorrede zu Anfange des Vuches, die andere zu Vnde nach dem 204. Artikel. Die Verordnungen Wachtang's gründen sich mehrentyeils auf altgrusinische Rrchtsgebräuche und Satzungen, auf welche er sich oft beruft; andere hat er entlehnt aus dem Gesetzbuchc des Czar Georg, aus der Sammlnng Agbuga's und aus den griechischen Gesetzen. In der Zusammensetzung derselben folgte Wachtang dem Systeme Agbuga's. Voraus stellt er die Regeln über das Rechtsüerfahren; nach diesen die Verordnungen wegen der Sühue für Vlut, wegen der Untersuchungen und Strafen für verschiedene Vergehen, sodauu die Verordnungen über die Auseinandersetzung zwischen Brüdern und andern Sippen, über das Darlehn, über Diebstahl, über Kauf und Tausch, endlich noch einige Verordnungen verschiedener Gat- 282 tungm, mehrentheils in Vetreff auf Civilrecht und Rechts verfahren, aber beinahe ganz ohne System "). In der allgemeinen Vorrede zum Sammelwerke, »vie auch i» der besondern zu feinen eigenen Gesetzen erklärt Wachtang, daß nicht alle in dem Weite zusammengestellten Gesetzgebungen in glci. chrm Masie dem Bedürfnisse der Grusinier entsprechen und ihnen nützlich sind, weil ihre Sitten und Gebräuche verschieden seien von den Sitten und Gebräuchen anderer Völker, und er deshalb ver-ordne, daß seine eigenen Gesetze vorzüglich beachtet werden sollen. In Folge dessen finden die mosaischen, griechischen und armenischen Gesetze der Wachtang'schm Sammlung nur Anwendung in Gru sien als Hülfsrecht und i» den Fälle» für deren Entscheidung feine Gesetze unzulänglich. Mit der Einverleibung Ärnsiens zum rnssischen Reiche unterlag die Loealgcsetzgrbung jenes Bandes folgender Vrrändernngi Durch den Mas von 1801 über die Einrichtung der in: nrrn Verwaltung Grusicus wurden die im russischen Reiche allgemein bestehenden Gesetze über dieses 5!and ausgedehnt, die ei. vilrechtlichm Angelegenheiten aber der Entscheidnng auf Grundlage der Geschbücher Wachtang'o überlassen, sowie der Loealgebränche, welche noch ferner sollten ^'sammelt und in Ordnung gebracht werden. In Erfüllung dieses Ukases wurden die in Grusien in den Wichtigsten Punkten des Hivilrechts geltenden Gebräuche zur Kennt niß gebracht und veröffentlicht. Diese neue Sammlung besteht alls 74 Artikeln. In der Änwendnng anf eivilrechtlichc Fälle erwiesen sich sehr bald die Gesetze Wachtang'ö und die von der russischen Verwaltung veranstaltete Sammlung von Rechtsgebräuchen als in vielen Vezie- *) Ausführlichere Nachrichten über W^chtaiig'S Ges.tztmcher >md den Anhalt seiner eigenen Gesetze si„h j,, d<>n Betrachtmigm vo» Vwsset zu finden: ^ul,io6 «ur lo <üuu, liidiiat!»,'^»!,? rn> >»lo (Xonv. ^«nrn. ^.«iut., I8^l», ^Illi-»), und Viencr, Vorlänsiae ^l.^ch« richt über einige noch jetzt geltende aemgischc und .nm^nschc Nechlösamm-lungen sKrit. Zeitschr. für Rechts, und c^esetzss. dco Aiiol., II. Vt»,, 2, Hft,, I83N. ______283 hungen mangelhaft. In Folge dessen schritt man dazu, auf Gru-sien die allgemeinen Gesetze Rußlands auszudehnen über die Vormundschaft, die Cura, über die zehnjährige Verjährung, über die Erbfolge beim kinderlosen Tode und über die Ordnung bei Willen svoltstreckung, I„ allen übrigen Punkten des Civilrechts be hält das Gesetzbuch Wachtang's, sowie der grusinische Ncchtsbrauch bis heute volle Nechtskrafl. Aber mit der Umwandlung der Ge-richtsscellen haben sich auf Grusieu die allgemeinen russischen Gesetze über die Nechtspslege ausgedehnt, nur mit wenig Ausnahmen, welche die Abkürzung des Geschäftsganges bezwecken. Das Gesetzbuch Wachtang'S und der grusinische Nechtogebrauch sind in die russische Sprache übersetzt nnd für die Obrrgenchtösteilrn gedruckt worden. Ncm dcr Einllersnfltt,»^ der ^lulilulnrrechle. die in den Husn'illü'll Nl'n CllsjMlMM ulld Mstnwa «lelle», m de>l 6mod der Reich^ijeftlje ^). Vor dem, drills; dec? Allerhöchsten llkaseö vom 1i». Juni 1^/<<» über die (5i»führ»ng der ^llgenn'iiit'n vussischl'a Gcschr in voller Kv^ft und Gcltmlg ill dlc Gubnnicii von Wilna, Minsk, Grodno, Kiew, Volhvnim, Podolirn und drn Krris von Bialvstok, b^ab sichtigte ma» für dksc Ländcr cillc» besondern Swod von Par timlarn'chjen zu verfasfm, und diese Arbnt »vurde der zweiten Abtheilung der PrivMcmzlei Sr. Kaiserl. Majestät übertragen. Im Verfolg derselben eutstand die Frage! in welchem Masie man die Vestim«mma.e„ dieses Partielllarswods auf die Gubernien von Ischer. nigow und Poltawa ausdehnen solle? Die ersten Grundlagen der civilrechtlichen Gesetzgebung in dir sen Gegenden »raren dieselben, wie in den »restlichen Kreisen, welche in späterer Zeit durch die russischen Waffen von Polen zurück-genommen wurden, d. h. das Statut, genauut das lithauische, und eine beinah gleichmäßig in Uebereinstimmung mit demselben gebildete Gerichtsordnung, ") Der Druck dics« Vlicheo war bereits fast vollendet. alS ich das Glück hatte aus Dfsieiellen Duelle» i>l Petersburg »achfolgeüde Notizen zu erhalten. Die erste Abtheilung enthält eine Uebersicht, wie Rußland überhaupt dao Par!ie,llanecht in Vezug zu dem allgemeinen Gesetzbuche (dem Swod) behandelt; die zweite kürzere Abtheilung bezieht sich spceirll auf das grusinische (tranöfaufasischc) Recht. Äeide aber sind so interessant u>ld belchrend, daß ich es vorziehe, sie vollständig mitzutheilen, anstatt sie dnrch line» An^l,g ^>i '.'crstiimmeln. 283 Pa Mr dieser Swov fur oie ivestlichcn Oubernicn bcstimmt ist, so kann rr, wenigstens in der Gestalt, welche ihm seine Ver-faffer gegeben, für die Gubernien von Tschernigow und Poltawa gar nicht diene». Die ältesten Handschriften des lithauischen Statuts stelle» drei gesonderte Codere dar, jeder verschieden vom andern, nicht nnr in Zeit lind Anordnung der Theile, solldern allch in dem Wesentlichen einiger Bestimmungen *), )n den westlichen Ouberuien richtete man sich nach dein dritten unter ihnen; ohnehin war dies Statut ergänzt durch Reichstags-Verordnungen, u»d verwandelte sich auf diese Weise unter dem l>in fluß der polnischen Gesetzgebung mehr nnd mehr, beinahe ohne Unterbrechung bis zu Ende des 48, Jahrhunderts, als diese Gu bernien unter russische Herrschaft zurückkehrten. Die Vereinigung Kleinrußlands mit den Nusseu desselben Glan benö wurde vollzogen lauge vor diesen wichtigen Veränderungen im lithauischen Statut, Der Czar Alerei Michailowitsch empfing am 8. Januar 165^ den feierlichen Eid der Untrnhänigkeit im Namen aller klrinrussischen Lande, Der hierauf zn Moskau KiKN ab geschlossene Vertrag mit Polen bestätigte die endliche Zurücknahme der smolmskischeu und aller klmmlssischm Wojewodschaften dicsseit des Dnieprs, und auf der rechten Seite desselben Kiews mit den Ländern, welche zwischen den Flnssen Irprn und Stugna licgen. Die Kosacken, welche jenseit der Fälle des Dnicprs in Sjetsch, ") Dcr crstc (iodcr ,,'d^r das Statn! vo» !'>^!> in rn' alten n^st-russischen Sprache ist in Handschrift, nnd oir Abschriften d^'on sind ziemlich selten sselvulden. Der zweite l>'»der, l5,<;<>. bekannt nnter dem Name» des volliyinfchen Statutü ist ebenfalls iu oer alte» westnlssischm Sprache abgefaßt uno ebenfalls in Handschrift geblieben. Vildlich der dritte, 15^ nrspriiglich in derselben altwcstrussischen Mund art abgefaßt, wurde in demselben Jahre zu Wilna henincla/nel'rn, al'cr damals auch eine Polnische Ucbersch»»^ dav»,'» gemacht l^rdrnckt Kil4), welche in der Folge den ursprünglich russischen Tert außer Gebranch setzte. Nni« dem Polnischl',' wnrde eine Urberfetznng in die heittiqe russische Sprache gnnacht »»d 181 l herauolgegslxn z» St. Ptterölnirg, 286 Kndak und andern Orten um Sadnjeprowsf wohnen, verblieben auch an Nusiland ^, In Kleinrußland hatte während dieser Zrit da^ Statut, nicht die dritte, sondern dir zweite Abfassung (von 156ll) gesetzliche Wirksamkeit, und die Bestimmungen desselben erhielten sich in diesen Ländern beinahe in ihrer ursprünglichen Gestalt; auf sic hatten die Veränderungen, welche nach der Abfassung dieses zweiten oder volhMischen Statuts in die lithauische und polnische Gesetzgebung eingeführt waren, keine Wirkung; dagegen begann schon von, 17. Jahrhundert an der Einfluß der allgemein russischen Rechtsordnungen sich auf Kleinrußlaud auszudehnen, indem dieselben später als unzerstmkelte Hauptgrundlage des Civilrechtö in diesen Ländern verbleibend, ihre Wirksamkeit nur dem Geiste und der Nichtung russischer Gesetze anpaßten. Hiernach wird klar, oaß die klemrussischc Gesetzgebung betrachtn werden muß als ciue, die nach dem Willen der Regierung und unter der ^iinvirkuilg politischer Ieitumstände sich ihre eigene Ord-nung gebildet hat, verschieden von der Gesetzgebung der westlichen Gubernien nicht nur in Einzelheiten, sonder» auch in dem Wrseut lichen einiger Bestimmungen unv noch mehr, »vie schon oben be merkt, in der allgemeinen Behandlung und de»> Geiste, Dies geht hervor auch aus der kürzesten und flüchtigsten Ueber sicht der Anfänge nnd des stufenweisen Fortganges in der Gesehn gebung der tlrinrussischen Lande. Geschichtliche Uebersicht des Herganges der kleinrussischen Gesetzgebung. I"> Jahre l<>54 verordnete der Czar Alerei Michailowitsch, als diese Lande sich Nusiland unterwarfen, in einer bei dieser Ge. legenheit erlassenen Urtuude unter Anderm auch, daß sämmtliche ') 27. Mär; ls)5, l!M; ".!' I^ '««ll (l!8<>). lDiese N,,^^ »»„.ion si„d in der all^'mciüm fti^cii,) 287 Bewohner Kleixrußlandö ihre bisherige Nechtsverfass«ng beibehalten sollten'). Diese Vorrechte wurden in der Folge mehrmals bestätigt von den russischen Herrschern: 1) Im Jahre 4s,59 in dem Erwähl lnngöaet des Hetmans Georg Chmelnitzki; D im Jahre 4662 ln dem Gnadenbriese an die kleinrussischen Vorgesetzten: 3) im Jahre l6U5» in den moskowischen Artikeln; ^) im Jahre 46l»!> in den gluchowscheu Artikeln; 5) im Jahre ls»72 in den konstanti nowschen Artikeln bei der Wahl des Samoilowitsch znm Hrtman; 6«7 in der Vertragöm'wnde mit Mazeppa; 0) im Jahre 1709 in dem Gnadenbriefe an den Hetman Skoropatski; i<)) im Jahre 172tt in den Artikeln dem Hetman Apostol und in vielen an dern Verordnungen die bei verschiedenen Gelegenheiten erlassen worden, In allen diesen Verordnungen sind die gebrauchten Ausdrücke mehr »der weniger unbestimmt, und für die Arbeiten, welche der zweiten Abtheilung der Privatfanzlei Sr, Kaiserl, Majestät alls gegeben waren, entstand die Nothwendigkeit, genau festzustellen, welches namentlich die Rechte wa»en, deren Erhaltung den Klein rcussen von ihren russischen Selbstherrschern zugestanden worvrn, d. h., welche Gesetze in Kleimußland wirklich geltend waren zur Zeit seiner Wiedervereinigung mit Nußland. Den im Jahre i5 von Lithauen zu Polen abgetheilten Kreisen (dem Fürstrnthnme Kiew, den Wojewodschaften Polhy men und Vraclaw) wurde von den polnischen Mgierungrn der Gebrauch d>'s Ttatnts beibehalten nach Ausschluß der Abtheilung von dem Landesschntzc, welche mit den polnischen Cinrichtnngen sich nicht vertrug. Ausier diesei» Etatnt von 1Nl)s» gehörten in dieser (Epoche zn dein lleinrnssischen Nechte noch die von polnischen Königen den Kosackcn zugestandenen Vorrechte, die in der Zeit der Kosacken Verwaltung sich eigentlich ausbildenden Nechtögebränche und Hrtmans-vorschristen und für die Städte da«? magdeburgische Recht, und ') '27, März !<»,',! ll l<.»). H«8 besonders, was in Kleinreufsen aus Groizki's Sammlung wohl^ bekannt ist, unter dem Titel: „Ordnung drr Stadtrcchte." Die )lothwendigkeit ein»'»' Vereinbarung aller dieser vielvölke ri^cn Bestimmungen, dir sich auf KIrinrusiland blichen, ivilrde scho» seit langer Zeit von unsern Regierungen anerkannt. Schon im Jahre 172« wurde befohlen, aus den Ortsbewoh nern Leute des geistlichen wie des weltlichen Standes zu wählen, befähigt dirs lithauische Statut und die Stadtgesetze in die russische Sprache zu übersetzen nnd daraus einen gleichförmigen Swod zu bilden'). Dieser Vorsatz wurde damals nicht ausgeführt. Im Jahre I7,Vl erging abermals ein Vefehl übcr die nnver. weilte Beendigung dieser Angelegenheit, nnd es wurde» Abgwrd nete dazu bestimmt, welche sich in Moskau versammelten und eine besondere Commission bildeten **). Bei dieser sollten nach der Verordnung zugegen sei»;, jedesmal ein Archimandrit oder Abt ans jeder Eparchie Klein« usilands, ein Mönch aus dem Heiligen-gruftl'lostcr, ein .Oberpriester, ein Hauptvorgesetztrr, ein Oberster Mld noch einige bestellte Personen, jedoch so, dasi ihre Zahl nicht über zwölf sich erhebe. Die Glieder der Commission sollten in der Abfassung des Swods die ,^u wortreichen Gesetze abkürzen, die außer Gebrauch gerathenen ausschließen, die mangelhaften vervoll ständigen und die Zweifel aufklären *'*), Im Jahre 1735 wnrdc für die Commission zur Beschleunigung ihrer Arbeit ein besonderer Vorsitzender aus den eingrbon'im, Russen bestellt, und in Folge dessen wurde den Abgeordneten geboten, sich von Moskau nach Gluchow zu begeben, nm die begonnenen Arbeiten an Ort und Stelle zu vollbringen-,'). Diese Commission erfilllte ihren echaltenen Auftrag. Sie, über setzte in die russische Sprache !) das lithauische Statut; 2) das Werk Groizki's (Ordnung der Stadtrechte), was dir Glieder der Commission für das eigentliche magdeburgifchc Recht erachteten i ') 22. August 1725 (',32Y §. 20. ") ;ll. Ianiun l7^jl (05l(») ß. 7 und ü«. Juli (0011) §. 5. ") 8. August I73l Mll) §. 3. 5) 2. Deceml'^ ^.I^ l^.'!7) >md l l. ^bni.ir I7!l,lu» (Sachsenspiegel), welches sie ebenfalls fur dir Sammlung der eigentlich sächsischen Gesetze erachteten *). Hirraus fertigte die Commission daö Project eines Swods an, in welchen, man sich bemühte das lithauische Statut zu verschmelzen mit den aus den Werken Groizki's und Schtscherbitsch' geschöpfte» Stadtordnungen. Dies Project, unter dem Titel' „Necht, nach welchem das kleinreuffische Volk gerichtet wird", wurde der Kaiserin Elisabeth Petrowna überreicht im Jahre l743, aber, wie es sich erweist, hat eS nicht nur keine Bestätigung, sondern auch keine Prüfung erhalten. Im Jahre 17, 1l, Januar 1852 15068^ und 16. Januar 1854 Is.7181). Ausier den Veränderungen in den Vrrwaltungsangelegenhcilen wurde auck die bisherige Gesetzgebung von Kleinrußland im Laufe der Zeit entweder vollständig umgetauscht durch die allgemeinen Neichsgesetze, oder wenn auch in den Hauptgrundlagen seine Gel^ tung beibehaltend, wird sie bald vervollständigt und erläutert, bald beschränkt und zum Theil verändert, zuweilen durch entschiedene Verordnungen der Negierung, zuweilen nur durch Nechtsgebräuche und Praris, 291 Zu den durch allgemeine Neichsgrsetze vollkommen abgeänderten gehören: Die Anordnung über Verhör und Oeständniß, die Anordnung der Fincmzverwaltung und Polizei, der kirchlichen und sittliche» Aufsicht, die Strafgesetze mit den zu ihnen gehörenden Ordnungen der Proceßführung. Aus diesen Regeln werden kamn einige und unwichtige Ausnahmen zugelassen, Beibehalten in der frühern Geltung aber mit ergänzenden und vielfachen Veränderungen sind: 1) Einige der Gesetze von den Ständen, 2) die Civilgesrtze mit der dazu gehörige» Proceßovdinmg, aber das magdeburgische Recht ist abgeändert worden, theils durch besondere und absichtliche Verordnungen der Regierung darüber, theils durch allmäligen Einfluß der allgemeinen Gesetzgebung. C6 verändert sich mit der Lage der Städte. In Kiew hat sich mehr als an andern Orten das magdeburgische Recht erhalten. Aber auch dort ist es abgeändert worden im Jahre 183^ (3, Februar 183! l/l319^, 23, Deecmber 1834 I7NU> und 7. Mai 183« 192207). Endlich wurden noch im Jahre 1832 für die Negierung der tlnnnissischen Kosacken neue Ncgcln verfaßt; auf Grundlage derselben bildeten diese Kosacken eine besondere Körperschaft, obgleich sic mit den übrigen Bewohnern dieser Lande hinsichtlich der Proceßordnung gleich blieben. Als die Sache nun auf diese Weise zur Revision in der zwei ten Abtheilung der Privatkanzlei deS Kaisers gelangte, musite die Verarbeitung sich beschränken einzig auf die folgenden Gegenstände! 1) Dir Gesetze von den Ständen, 2) die civilrcchtlichm Gesetze, und 3) die Gesetze über Civilproceßordnung. Aus allein Vorhergehenden wird es klar, wie schwer es war, genau zu bestimmen, welche namentliche Artikel des lithauischen Statuts als ganz abgeschafft gelten müssen, welche im Laufe der drei Jahrhunderte sich ohne besonders hierzu gemachte Verfügung so zu sagen durch sich selbst verändert haben, und endlich, welche namentlich in der Gestalt bleiben müssen, in welcher mau sie in, lithauischen Statut findet. 19' 292 Diese Schwierigkeit wird noch vermehrt durch die Einverleibung aus alten Zeiten der freind^n Satzllngen in dem Statist, sonne des magdeburgischen Rechts nnd des Sachsenspiegels*), obgleich auch im Jahre 185l eine entschiedene Aufhebung der magdeburgischen Gesetze erfolgte; es kann aber nicht wohl angenommen werden, daß die durch so lange Zeiten sich fortsetzende Wirtung derselben ohne Einfluß geblieben sei cms die örtliche Auffassungsweise des Sinnes nud der Bedeutung im Statute selber; auf der andern Seite mußte von dem sick dazu gesellenden Vinflnß der russischen Gesetzgebung ebenfalls eiue besondere Rechtspraris entstehen, welche sich in ihren Wirkungen nicht nur nach den verschiedenen Gubernicn Klemruß-lands, sondern anch ^uivcilen nach den verschiedenen Kreisen ein und desselben Guberuiums unterschied. Diese Willkür in Auwendung der Gesetze vermehrte sich noch seit dem Jahre Ittli, als'man die Uebrrschung des lithauischen Statuts herausgab, welche, außer einer großen Zahl von Irrthü-mrrn lind Unrichtigkeiten, nicht nach dem zweiten in Kleinrnßland Gesetzeskraft habenden Coder gemacht wurde, sonder» nach den» dritten in den westlichen Gubernl'en geltenden und Verweisungen auf die Constitution entl'ält und dadurcb die Gerichtshöfe in neue Schwierigkeiten setzt "). ') DaS hohe Alter der Verschmelzung dieser Satzungen in dem lithaui scheu Statut erweist sich unter Ändenn auch aus dem »ben erwähnten ^remplarc der sleinrussischeu Rechte, verfaßt im Jahre 174:!. ") Uebrigeiw, wie man auc« dl'n gesammelten Nachrichten und der ersten AuSgabc dieser Ucl'nsi'hm'g ersieht, wurdeu die flcilirussischru Behörden sowie auch Privatpersonen i» vielen u>,d sogar wichtigen Fällen zu'vcilei, dnrch die Grundsätze dcc« drittrn lithauischen Statuts geleitet, wahrscheinlich aus dem Grunde, daß die Ercmvlare desselben als gedruckte viel leichter und bequemer zu verschaffen und vor Augen zu halten sind, als die Er<,'mplare des i» Handschrift übrig gebliebenen zweiten oder vulhy-nischcn Statute, So z, V. war eo nach der Abfassung im Jahre I5lis» l^auch uach der ersten von 15M erlanl't, nur über den dritten Theil einer Nachlaffeuschaft iu verfugen, abcr nach der Abfassung v>.'U 1,^9 war es erlaubt nber da>> ga»:e Vermögen z>« verfügen, ohne Anschn dessen, wem der dritte oder die zwei Theile znkamen (Worte dec- Statuts von l7»88). Diese letzte sslegel wnrdc im Proj"t deo fleinrussischen Ewodi< festgehalten und erkält sich bis heute in Kleiornsiland. _____293____ Aus allen diesen Gründen mnslte die zweite Abtheilung der Privatkanzlei des Kaisers sich sehr Huten, sowol solche Gesehtitel des lithauischen Statuts ivieder herzustellen, die schon voMommen vergessen waren in Kleinrußland, als auch dagegen solche aufzuheben, welche nach den örtlichen Begriffen zu dein frühern Rechte der Lande gehören, feierlich bestätigt waren von den russischen Selbstherrschern und vielleicht für die örtlichen Umstände unentbehrlich oder wenigstens sehr nützlich sind. Indem sich die zweite Abtheilung der Privatkanzlei des Kak fers Mühe gab, die bedeutende!» Schwierigkeiten in dieser Angelegenheit zu überwinden, kehrte sie auch zur ersten im Anfang der gegenwärtigen Schrift angedeuteten Frage zurück' ob man die besondern in Kleinrußland gellenden Satzungen in den damals beabsichtigten Swod örtlicher Mchtc der von Polen zurückkehrenden Gubermcu einverleiben, oder von ihnen gesondert und in welcher Form herausgeben solle? Hierüber erstattete der Oberdirector einen Vcricht an den Kaiser, und indem er in kurzer historischer Uebersicht den Gang der Gesetzgebung in den kleinrussischen banden darstellte, die Ein führung des lithauischen Statuts in dieselbe, die stufenweise» und indirectcn Einflüsse der allgemeinen russischen (Gesetzgebung auf dieses Statut und den daraus hervorgehenden Zweisel in der Aus-gl.ichung sowol unserer Gesetze als auch der Nechtsbcstimnnmgen deö Statuts, bat er um die Entscheidung diesrr Angelege»heit: hiermit zugleich lenkte der Staatssecrctair Vludow die Allere höchste Aufmerksamkeit alls einen wichtigen Umstand in dieser Angelegenheit, Der Sin» der Nechtsbestimmungen die sich auf Klrinrusiland beziehen, ist oft schou in den Nebeln des allgemeinen Swods ent halten, noch öfters begegnet man in den kleiurussischeu 3techts bestcmmungen solchen Regeln, deren Sinn entnommen fein mag aus der Annäherung verschiedener Regeln des allgemeinen Swods. der aber in ihnen nicht unmittelbar ausgedrückt ist, sodas, die Auf. ssellung eim'v ähnlichen Bestimmung kaum nur für daö tschermgowschr und voltawische Olubelnium ^u dein Schlüsse führen kann, dasi der Sinn dieser Vestimmnngen durch den Ewod al die bisher in den Gubermen Tscher^ nigow und PoltaN'a gegolten, über dir civilrechtliche« Zustände und (besetze einer neuen sorgfältigen Revision unterworfen werden solle mit Beistand des Justizministeriums, und hierauf, da er nicht besonders gedruckt wird, die Verordnungen tie in ihm enthalten sind, in die neue (zweite) Ausgabe des allgemeinen Swods von Reichgesetzen hineingetragen werden sollen, indem dieselben zu dcn^ jcnigen Gesrtztiteln hinzugeschrieben werden, zn welchen sie ihrer Gattung nach gehören. 2) Daß in Betreff der Unbequemlichkeiten, welche aus Mäu. gelu bestätigter und genau bestimmter Regeln in der Localprocesi^ führung und ans der Voraussetzung der zweiten Abtheilung entspringen, die allgemeinen Gesetze über Proceßführung und über die Grenzen der eivilrcchtlichen Schuldbeitreibung, auf Kleinruß. land ausgedehnt, und zugleich auch wegen der Aufhebung in allen klci«russischen Gubernirn, der Collecte von Procesigeldern, besondere Denkschriften über alle diese Gegenstände angefertigt werden solle», die dann nach vorgeschriebener Ordnung zur Revision beim Reichsrathe einzugeben sind. 3) Daß bei der schlicßlichen Redaction des Swvds der Gesetze für die Gubcrnien Tschernigow und Poltawa die Vintheilung beobachtet werden solle dicftr Gesetze in vier Gattungen. Namentlich zu der ersten Gattung sollen diejenigen Gesetztit.l des lithauischen Statuts gezählt werden, deren Sinn schon vollständig enthalteil ist in dem allgemeinen Swod und nur in andern Worten ausgedrückt ist, die also eine ganz nutzlose, ja sogar beschwerliche Wiederholung sein würden der Bestimmungen in den allgemeinen Gehetzen, und folglick ganz aufgeschlossen bleiben müssen. Zu der zweiten Gattung diejenige» Nechtsbestimmungen i» wcl-chen sin nm ^nllgfugiger Unterschied mit den allgemeinen Gesetzen 29V bemerkbar ist und welche ebenfalls ausgeschloffen werden können, als hinreichend vertreten durch die Negeln, die im Swod festgestellt worden. Zu der dritten Gattung die Grsetztitel, welche nicht eigentlich Ausnahmen des allgemeinen Gesetzes sind, sondern im Gegentheil mit Nutze» dazu verwendet werden können, dasselbe zu ergänzen oder zu erläutern in allen den Fällen, wo das allgemeine Gesetz sich mit der Hauptregel begnügend die Anwendung derselben den, Urtheil des Nichters anheimstellt. Zu der vierten Gattung endlich diejenigen Gesetze, in welchen mehr oder weniger Unterschiede der bisher in Kleinrußland geltenden civilrechtlichen Gesetze mit den unsrigen enthalten sind; sie muffen auf Grundlage des im vorigen Jahre erlassenen Ausfpruchs Sr. Kaiscrl. Majestät vertheilt werden nach ihrer Zugehörigkeit in der neuen (zweiten) Auflage des allgemeinen Swods der Neichsgesetze, mit Bemerken bei jedem einzelnen dieser Gesetztitel, daß solche Rechts-bestimmung wirksam nur ist in den Gubernien Tschernigow und Poltawa. Getroffene Maßregeln zur Vollstreckung deS Allerhöchsten Willens. Zur Vollstreckung dieses Allerhöchsten Willens sind die folgenden Anordnungen getroffen worden: Ueber den ersten Gegenstand: Von dem Justizministerium nach Berathung mit der zweiten Abtheilung der Privatkanzlci Sr. Kaiscrl. Majestät wurde ein in der kleinrussischcn Gerichtspraris erfahrener Beamter ernannt, mit welchem das ganze lithauische Statut von Anfang bis zu (5nde nach der besondern vom Staats-secretair vorgeschriebenen Ordnung geprüft wurde in der besten, im Jahre 1830 angefertigten Ucbersctzung desselben, und gegen jeden Artikel wurden die Vcmerken gestellt, welche von denen in denselben enthaltenen Bestimmungen bis heute in den Gubernien Tschcrnigow und Poltawa in Kraft bleiben und welche ganz abgeschafft sind, und wie? namentlich nnmittelbar, oder mittelbar durch neue Rechts, bestimmungen oder durch die Kraft allein der Nechtsgebräuchc und gerichtlichen Praris, Gine solche Dmchstcht erwies die Nothwen^ 396 digkeit sich volle Gewißheit darüber zu uerschafsm, daß alle bis heute in Kleinrußland geltenden Nechtsbestimmuugen eingetragen worden in daS Project der Gesetztikl von den Ausnahmen, welche für die Guberm'm Tschernigow und Poltawa zulässig sind. Aber diese Arbeit, ungeachtet ihrer Verwickelungen, war nur die Einleitung zu der eigentlichen Schwierigkeit. Die zweite Abtheilung mußte noch einmal diese Revision vergleichen mit Gegeneinander-Haltung der Anmerkungen, die auf dem Statut gemacht worden, mit den Verordnungen, die zu verschiedenen Zeiten für Kleinrußland blassen oder aus dasselbe ausgedehnt worden. Zu diesem Ende wurde die vollständige Gesetzsammlung durch laufen und alle Hauptbestimmungen alls derselben herausgelogen, welche sich auf Kleinrußland beziehen von den ältesten Zeiten bis auf die unsrigen. Hierauf ward die Aufmerksamkeit gelenkt auf das im Archiv der zweiten Abtheilung aufbewahrte, im Jahre 1743 (zu Gluchow) angefertigte, seltene und vielleicht cluzige handschriftliche C'remvlcu der nicht herausgegebenen Gesetzsammlung unter dem Titel: Rechte, nach welchen verfahren wird zu Gerichte über das klrinrussische Volk u. s. w. Alle dies,.' Ävbcitcn waren »ach der Meinung des Staats sccrctairs Vludow noch nicht vollkommen hinreichend für eine ge. nauc und zuverlässige Abfassung eines klcinrussischen Swods. Nach den oben auseinandergesetzten Umständen mußte untersucht werden, auf welche Weise die aus Klmm'ussen bezüglichen Gesetze in vielen Theilen unvollständig und nicht gänzlich klar in Anwendung tom inen auf die Praris; um die möglichst genaue Kenntniß darüber zu gewinnen beschlofi der Oberdireetor der zweiten Abtheilung, nachdem er sich mit dem Justizministerium berathm hatte, zwri älteste Beamte der zweiten Abtheilung in die Staatsarchive abzuordneu, um die Untersuchung über diesen Gegenstand auszuführen. Zufolgc einer diesen Beamten ertheilten Instruction ward ihin'n aufgetragen zu erfahren uno genau zu merken, indem sie sich übrigens nur aus die letzten zwanzig Jahre beschränkten: Ob in den Gubernien Tschernigow und Poltawa die Rechts-bestimmungen des lithauischen Statuts sich noch erhalten! 2!) 7 >l) in Sachen der Vormundschaft'. j») in Sachen des Schadenersatzes nach Äesitz; <^) in Betreff der Hypothekenrechte auf Eigenthum und der Abfassung von Urkunden darüber; 'l bchiimm'n fik die Hittl'mstl'llllng dicstr Gcsrtztitel im all^Mlincn Swoo, Ueber den zweiten Gegenstand (von der Proceßordnung >» den Ollbcrnim Tschernigow und Poltawa) »vurden auf Grnnd läge deS kaiserlichen Befehls, der noch im Februar l«4<) nach folgte, dem illeichsrathe besondere Schriftell von den verschiedenen speeiellen Fragen hierüber eingegeben, namentlich über die Absckof fnng der Colleete uo» Proceßgeldern, die Abschaffung der Me>! gerichte, endlich auch die Ausdehnung im Allgemeinen auf die Gu bernien Tscheruigow und Poltawa der in andern Theilen deö ^teicko grlteuden (besehe, betreffend die Proceßführung und die Ssnanteu eivilrcchtlicher Schuldbeitreibungen, Diese Schrift wurde geprüft und gebilligt in» Departement der Gesetze; sie sollte ;nr Untersuchung der allgemeinen Vcrsammllmg drö Nelchöraths gebracht werden, alü in den» (5oulitat i'lber An gelegelcheiten der westlichen Gubernien auf des KaiscrS Verlangen die Frage entstand über gänzliche Abschaffung in diese» Gubernlen des lithauischen Status, der dasselbe ergänzende»! nnd verändernde» ?)tcichsrathsbeschlüsse, und über die Einführung daselbst der allge. meinen Gesetzgebung des Reichs sowol ill Beziehung alls das (5ivil recht, als auch auf daö siecht der Proceswrdmmg. Auf Veranlassung dieser in Folge dec? Maseo vom ^5, Iuill l^^U bekräftigten Vorfrage erkannte der Vorsitzende dr(^ lileicho. raihs die ^lothwrndigreit, dasi die Vorstellungen der zweiten Ab. theilnng in der Privattanzlei des Kaisers über vie Abändennige,! der Procesiordnung und über die Schraure» der eivilrechlliche» Schuld-beitreibung in Kleinrußland einer neuen Revision und Auögleichnng in dieser Abtheilung z>, uuierwerfeu, wozn den» auch a»f seincn Vericht die Oenebmigling erfolgte. Gegenwärtig gehl diese Verfügung Sr Kaiserl. Malchal in (5rfül lung, ulld zugleich mit dieser Schrift wird eine andere besondere aufo 300 Nene vorgelegt über dir Abschaffung der früher» Bestimmungen i» Betreff der Proceßführung und von den Schranken der eivilrecht lichen Schuldbeitreibung i! 5. '.'l, Vixcklvnlj in Vfi^i.,, Bei F. A. BrockhaiiN in Leipzig erschWn mul ist durch (ill*1 Buchhandlungen /;u beziehen: Reise in die Steppen des südlichen Russlands, unternommen von Hr. Fr. Ctoebel in Begleitung tltr Herren Dr. C. Claus und A. Bergmann. Zwei Theile. Mit 18 lithograpliirten Ansichten und einer Karte vnn