Lirische und romantische Dichtungen Hugo's vom Schwarzthale. Laibach. Druck «nd Verlag »«» 3s»aj Aioys Edlem v. Kleinmayr. 1833 Allen, die ihn verstehen, insbesondere dem Herrn Josef F-ranj Trimmel (Grnil), Archivsdirekkor der k. k. vereinigten Hofkanzlei, Mitglied- der mährisch-schlesischen Gesellschaft des Ackerbaues, der Natur - und Landeskunde, der Gesellschaft der Geografie in Paris, u. d. ii., und dem Herrn Johann Aachler, Eigenkhiimer einer Pflanzcnsamen - Handlung in Wien, Mit¬ glieds der mährisch-schlesischen Gesellschaft des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde, der Londoner Gartenkultur-Gesell¬ schaft, der medizinisch-botanischen Gesellschaft in London, der praktischen Gartenbau - Gesellschaft in Frauendorf, u. d. ii. widmet diese Blätter der Verfasser, Inhalt, (-826 — 18Z0.) Seire Etwas Weniges für Viele ........ " Der blinde Schütze .4 Vaterlandsliebe ............... 6 Der Fund 7 Der Bergbewohner. . 9 Liebchens Hande. . . n Die Gründung des BiSthums zu Laibach >2 , Verbcßerung »8 Kaspar Lamberg Der Kohlenbrenner ............. 2^ Für Ida an ihrs Mutter .24 Der Lorberbaum .............. 25 2da am Flügel .27 Vslifar und Irene, in Eduard von Schenk's Trauerspiele »Belisar" durch Heinrich Anschütz und Sofie Müller im k. k. Hofschanspielhanse vorgestellt am 17. Februar 1827 28 Magie der>Geliebten 29 Der teutsche Jüngling. Za Mein Himmel .3r Lei Ludwig van Bethoven's Leichenbcgängnifi . . 3Z Die Lebensquelle . 34 Unterschied 35 Der Kranke . 36 Das grüne Kleid . 38 Meinen Freunden .Zg II Seit« Jda's Nosenstock. .... HZ Der Abschied des Freiwilligen.H4 An Sie ... , . . 60 An den Mond......... 6i Todesahnung .. 63 Unsterblichkeit ° , 65 Liebchens Haupthaar ..67 Die Genesung . ... . . . . ....... 68 Ida am Stickrahmen ..70 An einen-Falschen .. 71 Jda's Hänfling .... . . . . .... . . . . . 72 Am Grabe eines Unvergeßlichen...... 74 Die Sonnenblume . 77 Die Schwalben des Volumnius .. 78 Liebchens Wangen. 86 Die Insel der Glücklichen ............ 87 Liebchens Mund . .... . r . . .. 8g Dis Brüder von Stättenberg ........... go Liebchens Augen .. . . 97 Die Hirschjagd ..... ° ........... 98 Klage .. gg Dis Bärenjagd .. 100 Der Minnesinger .. >02 Die Jagd auf den Eber . . . . . . . . . . . . . 104 Vergißmeinnicht................. 106 Tod für Tod ..107 Die Sterne Les Friedens .......... 11Z An Lottchens Todtenbette ..iiH Die Rose - . 118 Die Nacht ..i2v Ms ein Auge mir schmerzte . . . ..- . 122 Heftigkeit der Liebe ............... 126 Des Sängers Klage -.127 Die Rose .. iZ, Der Herbst . - - . . . . 1Z2 Die Tröstende.-. -Z< - lil - Seite Träume und Wirklichkeit . ........ >35 Tröstung - - -... >3g Der Glockenton .>4> Bild der Geliebten ... . - . ..>45 An das Land meiner Heimat ........... i46 Die Zürnende. i4ö Die Zwillingsbrüder . ... >5o Die Locke. >53 Der Wolkenbruch - -. >54 Die Liebe ..e . - >56 Die Freundschaft................ >38 Unter ihrem Fenster ........>59 Amor's Uhr ..161 Der Kust.... -.-. . r6r Trinklied . .. . i63 Rechtfertigung...>65 Der Waise ..- . . . 168 Am Master .................. >7° Liebe ohne Leidenschaft.. >7^ Dis Erscheinung ................ >74 Bor einem Bilde Latonens mit dem schlafenden Knaben Apollon im Arms . ... Der eheliche Sohn .... Einladung ........ . ..... >84 Wilhelm von Schärfenberg .. . >85 Täuschung . ..>g8 Robert und Elise. . so». Ida im Gebet - 204 Dio ersten Perlen ............... 206 Der letzte Kust. 2>3 Gottfried und Adeline -. n>4 Entsagung . ..-.. Der Zweifler.- ... . 2-3 Verlust. 225 Rückkehr -.227 Der Abeiidwind. »3, Seite Einsamkeit .... -.- - - - 2Z3 Das Bild -34 Dee Gefangene. - - -'-35/ Meineid LZ7 Kleobis und Biten .-.238 Der Gärtner. ............... 24» Der Verirrte ................ 242 Der Schiffer.... . 244 Der Verbannte .. 246 Alkibiades und Thimandra ... . 248 In Las Stammbuch des Fräuleins Eugenie von S. . . 262 Bruno von Ainöd .. -63 Das Vöglein im Käfig ............ 268 Das Vergißmeinnicht ... In die Ferne ................ 271 Die Abendröthe 27.3 Der Sänger am Fels ............. 274 Die Sterbeglocke .............. 276 Graf Hugoli» ......v........ 277 Der Todte beim Gewitter. . 28Z Vorsatz.................. 284 Auf Sofie Müller, kaiserl. königl. Hofschauspielerinn . . 287 Lob der Mäßigung. 288. Die Schildwache, 290 Llrische und romantische L ch t u rr s e n. 1 Gtwss TMeniges für ^iele. Hietzing bei Wien, am 12. Juni >826. ^vas trutet ihr in Gram und Schmerz, und schrecket euer eignes Herz mit fieberhaftem Erau'n? Was hat das Äug' euch denn gethan? Ihr stecket düstre Gläser an, das Leben trüb zu schau'n. Entschlummert ist die herbe Zeit; der Schöpfer muntrer Fröhlichkeit, der liebe Lenz, erwacht. Wie feurigmild sein Auge glüht, wie rosig ihm die Wange blüht, wie all sein Antlitz lacht! O fperr't euch nicht in Mauern ein, lebendig in den Todtenschrein! Zum Frühling geh't hinaus! Es wohnt sich dort so frei und gut, zum Genius wird der'kranke Muth, die Au zum Gotteshaus. Denn hat zur Trauer auf die Welt der gute Geist uns hergestellt? Das hat er sicher nicht. Genießen wir das kurze Sein! Gedichte». Hugo »om Schwarzthale. 1 2 i Die Seele frei, die Stirne rein, und klar des Auges Licht! Die Lerche trillert in der Luft, es regt der Bär sich aus der Kluft, im Teiche spielt dec Fischi mit Blumen deckt sich das Gefkld, die Sonne strahlt so lieb und mild, die Lust ist rein und frisch. Die ganze Schöpfung freuet sich, nur, Mensch! allein du kränkest dich, und seufzest Gram und Leid? Nicht klüger bist du als ein Thier? Das Ew'ge schläft umsonst in dir, was dich zur Größe weiht? Und brauchen wir denn reich zu fein? Zst keine Freude sonder Wein, der Frohsinn nur beim Mahl? O sehet nur die Schöpfung anl Sie hat ihr Brautkleid angethan; es jubeln Berg und Thal. Wir herrlich, wenn das Morgenroth, ein Sieger über Nacht und Tod, am höchsten Joch erscheint, von tausend Sängern laut begrüßt, vom Blumenkelch die Zähren küßt, in stiller Nacht verweint! Wie lieblich, wenn der Silbermond, der am azurnen Himmel front, 3 dem Waller niederblinkt; wenn freundlich nah't der milde Traum, und seines Schleiers dunkler Saum auf matte Glieder sinkt! Ja — wen mit schadenfrohem Blick das launenhafte Mißgeschick auf tausend Arten quält; tver, ewig mit sich selbst im Streit, mit schönerer Vergangenheit nichteinmahl sich beseelt:. Was kehrt sich der an Wald und Flurs Ein Erabmahl ist ihm die Natur, wo all sein Leben ruht; und wenn sie auch der Lenz erneut, er bleibt darum doch unerfreut, und ohne Trost sein Muth. Ob aber das Verhängniff auch aus seines Köchers weitem Bauch die letzten Pfeile wählt: nicht gänzlich elend ist er doch, wer, selbst verkannt und freundlos, noch aus Menschenwürde hält. Drum öffnet die verschloß'ne Brust des Mitempfindens heil'ger Lust, der Liebe zartem Schmerz, der Freundschaft gottgegcbnem Drang, des Selbstgefühles edlerm Hang, der Künste holdem Scherz! L* 4 Der blirrve Schütze. Nach meinem Brauche ging ich unlängst wieder in den mir lieb gewordnen Buchenhain. Des Schattens Kühle lud zum Schlummer ein, ich warf mich unter einem Baume nieder. Dock freut' ich dieser Ruhe mich nicht lange; es schlich ein Knabe durch den Wald daher, des Augenlichtes zwar beraubt war er, bewehrt jedoch, und um den Tritt nicht bange. Ich fragte staunend: Wozu Pfeil und Bogen? er aber gab zurück mir: »Junger Mann! du staunst, wie mir die Waffe frommen kann, doch immer hat mein Pfeil sein Ziel erflogen.« Unmöglich! sagt' ich da. Du solltest immer die Beute treffen, die du niemahl stehst? »Der höchste Grad der Kunst des Waidmanns ist, bei Nacht zu treffen, wie im Sonnmschimmer.« Ich wollte dich den ersten Schützen preisen, wenn deine Rede Wahrheit sollte sein. »Ich treffe sicher dir in's Herz hinein, und will sogleich dir meine Kunst beweisen.« Die Stellung nahm er hurtig, seinen Bogen ergriff er mit der kleinen zarten Hand, und spannte flink der Sehne willig Band. Doch wie der abgedrückte Pfeil entflogen, schnell bückte listig ich mich seitwärts nieder. Erfuhr in einen Baum. Schon rief ich: Glück wie liebst du mich! — da prallt'er keck zurück, und traf mein Herz mit schelmischem Gefieder. 6 ^Kterlscnvsliebe. Ich liebe dich, mein teutsches Land! wie eine süße Braut, denn fest hat ja ein heilig Band mein Herz dir angetraut. Das ist's, warum mit heißerm Drang mein Blut zum Herzen wallt, wenn deines Namens holder Klang in meinem Ohr erschallt. Drum hang' ich auch so warm an dir, bin dir getreu und gut; und ist es noth, begehr' von mir den letzten Tropfen Blut! 7 Wer u n v. Jüngst beim ersten Strahl der Sonne ging ich einsam auf der Flur. Die erwachende Natur war mir reizlos, arm an Wonne. An mir zehrt' ein fremder Gram, daß mir starb das Roth der Wangen, Seufzer aus der Brust sich rangen, Waßer mir in's Auge kam. Doch ich wurde trostumfloßen ein bekanntes Kind gewahr. Seiner Augen kleines Paar war dem Tageslicht verschloßen; aus dem Rücken dehnten sich sanftbewegte bunte Schwingen, die den Köcher leicht umfingen; und der Knabe fragte mich. »Einsamer! warum in Za'hren trübt so bange sich dein Blick? Lehrt ein feindliches Geschick etwa dir so früh entbehren? Welcher Schmerz verbittert dir deines Lebens Blütentage? Traust du mir, so laß die Klage, sonder Aufschub folge mir!« 8 Zwar dieß durst' ich wohl verschmähen, weil er einmahl mich betrog; gber — wunderbar! — es zog mächtig mich, mit ihm zu gehen. Und wir wandelten zum Hain, wo die Linde duftend blühte, feuerroth der Mohn erglühte, zwitschernd flog das Vögelein. „Siehst du dort dis Lämmlein grasen, und mit strohgeflochtnem Hut, weiß wie Milch und roth wie Blut, ihre Hirtinn auf dem Rasen? Zage nicht, und tritt hervor!" — - O — was halt' ich da gefunden in der seligsten der Stunden, wo ich all mein Glück verlor! 4 9 Wer Bergbewohner. Wie schön, zu sein am Berg«! Da schau' ich in das Grab der bleichen Thalbewohner vergnügt und stolz hinab. Ich grüße stets dec erste der Sonne Morgenblick, und scheidend sieht am längsten sie auch nach mir zurück. Den Udler seh' ich staunend, wie er die Flügel schlägt, und mit sich meine Seele zu höhern Wesen trägt. Mich freut einjedes Blättchen, wenn es im Wind erbebt, weil da der Geist der Väter zu mir herunterschwebt. Und ob bei mir das Toben des Sturmes wilder saust, und gräßlicher der Donner des Ungewitters braust: so wohn' ich ja viel näher dem lieben Herrgott an, der kann mir in Gefahren zur- Hülfe schneller nah'n. LO Drum seh't mich an, und schauet, - wie meine Wange glüht, . wie jugendliches Feuer der Stern im Auge sprüht! Drum gleich' ich auch der Eiche, bin kräftig, riesenhoch, und lobe mir das Leben «m steilen Alpenjoch. Liebchens Kärrve. Als dieses Händchen, weich und rund, mit leisem Finger schüchtern ich berührte, und an den lieblich - überraschten Mund zum tief-gefühlten Flammenkuße führte: dar ward mir seltfam in dec Brust, sie theilte sich in Schmerz und Lust. Du herbe Lust, du süße Pein! ihr wußtet meinen Frieden zu durchwühlen. Doch ewig theuer werdet ihr mir sein, und stündlich macht' ich gern euch wiederfühlen. Dein Händchen, Ida, reiche mir! ich will es küßen für und für. 12 Oie Krünvuns ves Wsthums zu Laibach. Im Jahrs iHöo. Um des Felsenhügels Steile, dec die Zill er-Feste tragt, und an deßen Fuß in Eile zürnend sich die Sann zerschlagt, wogt der Krieger feindlich Streben in empörtem Fieberwahn, Wit 0 wi z e n blind ergeben stürmen sie zur Burg hinan. ") Aber auf der hohen Feste schaut der Kaiser stolz vom Wall auf der ungcrufnen Gäste tollen pflichtvergeßnen Schwall; sieht mit wonnevollem Grauen seine Treuen, die voll Muth dämmend sich entgegenbauen der Empörer wilder Fluth. Glühend ist der Kampf; den Frieden bringt des Abends Dunkel nur. Die sich würgten, sind geschieden; Ulrichs, des letzten Grafen von Zilli, Witwe setzt« sich mit gewaffneter Hand dem Kaiser Friederich IV. entgegen, wel¬ cher die Grafschaft, als ihm anheimgcfallenes Lehen, cinjiehen wollte. Witewiz war hiebei ihr Feldherr. 13 ruhig werden Berg und Flur, denn der Streiter eh'rne Glieder birgt das gastliche Gemach, und der Schlummer senkt sich nieder vom besternten Himmelsdach. Nur in kühn - gewölbter Halle sitzt der Kaiser noch und wacht, den sein Sinnen ist für alle, so ihm unterthan, bedacht. Aber auch des Fürsten Glieder fordern die entbehrte Ruh, und es schließt die Augenlider ihm des Tages Mühe zu. Zarte Friedensarme schmiegen sanft und kosend sich um ihn, und den hohen Schläfer wiegen dieses Traumes Fantasie'». Mit des Bischoss höchster Würde, mit dem Pallium, angethan, und der Mitra hehrer Bürde, sieht er Jemanden sich nah'n. Friede weilt auf deßen Wangen, wie er jenseits nur gedeiht, wo die Seele voll Verlangen schlürft den Born der Seligkeit. Milde zeigt, mit Ernst im Paare , auf der edlen Lippe sich, silbern ist das Bleich der Haare, hold der Ton und feierlich. 14 „Huld hast du vor ihm gefunden, dem die Welk ihr Dasein dankt, weil auch in des Unglücks Stunden nie dein Glaube noch gewankt. Die belagernd jetzt umliegen diese Feste, stark und steil, hilft dir seine Kraft besiegen. Heil dir, Friedrich! Glück und Heil!" Und den Kaiser führt er leitend an des Laibachffußes Rand, deßen Welle, langsam gleitend, lau benetzt ein harmlos Land, Hier am Ufer dicht erhebet eine kleine Kirche sich, und der Fischer Andacht strebst ernst zu Gott und feierlich. „Bin ich zwecklos hergekommen?" spricht des Kaisers Edelsinn. „Beten will ich mit den Frommen." Zum Altäre kniet er hin. Aber plötzlich zum Palaste wird die Kirche, die so klein, in des Daches hohlem Maste tönen Glocken hell und rein. Auf des Chores hohem Rande spricht die Orgel wunderbar, und in festlichem Gewände ') Jener Theil der Stadt Laibach, wo heutjutage die Domkirche steht, war damahls größtentheils oon Fischern bewohnt. 15 steht ein Bischof am Altar. Und der Kaiser sinnt, befangen von der seltnen Wundermacht, mit von Ernst gebleichten Wangen, voll Gedanken, und erwacht. Aber nicht der Andacht Sprache, welche demulhvoU und hehr von des Kirchleins rundem Dache widerklang, vernimmt er mehr. Wilde Stimmen hört er rufen in der Pauken Wirbelklang, über die belebten Stufen rauher Kriegsgesellen Gang. Er beginnt mit innermBeben: »Noch ist nicht die Nacht entfloh'n, und der Völker sinnlos Streben regt sich doch im Kampfe schon. Könnte stätcr Friede walten! Doch der Lauf der Zeiten zwingt mich, die Fahne zu entfalten, die nur Fluch und Unglück bringt.« »Ware doch schon bald gedampfet dieses Aufruhrs wilder Brand, und der Ruhe Glück erkämpfet dem so lang verheerten Land! Heute noch die letzte Probe laß mich, Ewiger, besteh'», und mein Traumbild, ich gelobe, soll in Wahrheit übergeh'»!« 16 Wieder starker hort er sausen das Gebrülle durch die Luft, wie des Waldstroms hohles Brausen durch des Felsens weite Kluft. Gierig läßt er Äug' und Ohren durch des Fensters Ocffnung späh'n, und erruft: „Ich bin verloren!" Stumm vor Schrecken bleibt er steh'n. Aber plötzlich knarrt die Pforte, eines Boten treuer Mund macht die leichten Flügelworte „Herr! wir siegen" jubelnd kund. „Als bei nächtlich-stiller Weile wir von Sorgen uns befrei'n, dringt der Feind mit hast'ger Eile allverderbend auf uns ein." „Nimmer ist ein Glück gediehen, welches nicht die Ordnung gab. Die Verwirrung macht' uns fliehen, mancher floh wohl in sein Grab. Aber auf den flücht'gen Wegen, wahre Retter in Gefahr, kamen Krieger uns entgegen, die das Krainerland gebar." „So gestarket kehrten wieder wir von nie- geahnter Flucht, stürzten auf die Feinde nieder, wie der Aar, der Beute sucht; und wir kämpften wie Ergrimmte, von der Rache Hand gelenkt. 17 Deren Rettungstrahl verglimmte, floh'n geschlagen und zersprengt." „„Traum, so hast du nicht betrogen?!"" ruft der Kaiser staunend aus. „„Glück hast du mir nicht gelogen, hoher Bischof Nikolaus! *) Drum, was ich im Traum gefehen, alfo Golt verband ich mich, soll in Wahrheit übergehen? denn erflehen ließ er sich."" Und zum schimmernden Palaste wird die Kirche, die so klein; in des Daches hohlem Maste tonen Glocken hell und rein; auf des Chores hohem Rande spricht die Orgel wunderbar, und in festlichem Gewände steht ein Bischof am Altar. *) Er hielt den Bischof, der im Traume ihm erschien, für den heiligen Nikolaus, welcher noch jetzt in der Domkirchc zu Lai¬ bach, die seinen Namen erhielt, verehrt wird. 18 ^erbeßerung. Mädchen! warum rührtest du Saiten, die in Herzens Tiefen in so holder Stille schliefen? Warum störtest du die Ruh? Heftig bebt mir nun die Brust, doch in stürmendem Gedränge athmen ihre Wirbelklänge keine Wonne, keine Lust. Und solange sie allein aus verstörtem Herzen dringen, werden sie nie freundlich klingen, immer rauh und kreischend sein. Liebst du nicht solch Mißgetön, laß nur deines Herzens Saiten meine Weise du begleiten! Dann erklingt sie rein und schön. Denn es kann im Leidgewühl nichts das arme Herz entquälen, als der Einklang edler Seelen» dieses göttliche Gefühl. 19 Ksfpar Lamberg. „Nein— länger kann ich's nicht ertragen, daß dieser Pegam ungestraft zu spotten und zu schmäh'» darf wagen die ganze teutsche Ritterschaft! Will ihm's mit meinem Arme sagen, daß Pulse noch voll Muth und Kraft in fremden Adern schlagen." »»Ist so dein ernstliches Begehren, verlangt es dich in's ferne Land, um deine Würde zu bewähren : als treuer Liebe Unterpfand nimm von der Mutter diese Lehren, die ihr ein Gott im Traum gestand, und du gelangst zu Ehren!"" „„Wohl Jeden ruft mit keckem Munde, bethö'rt von gottvergeßnem Wahn, zum Kampfe Pegam in die Runde, und Keiner darf ihm hoffend nah'n; denn aus dem tiefsten Hollenschlunde ruft er zum Schutz zwei Geister an, die steh'n mit ihm im Bunde."" „„Drei Häupter also wirst du schauen auf einem einzigen Genick. 20 Wirst du auf Gottes Hülfe bauen, so schrecket nimmer dich ihr Blick; und dann versuche mit Vertrauen und mit gehörigem Geschick das mittlere zu hauen,"" „Ich werde thun nach diesen Worten, so wahr euch jetzt mein Arm umschließt!" Dann sprengt' er durch des Schloßes Pforten, wie Staub in Wolken sich ergießt, eh Wetter schwarz den Tag umflorten, in's Land, wo rasch die Donau fließt an froh - belebten Orten. Zu Pegam sprach er: „Karg erhoben wird wahrlich deine Starke nicht, ich aber möchte doch erproben, ob nicht durch mich dein Lorber bricht." „„Ja? — Fühlen magst du wohl mein Toben, wenn's nieder dich vom Gaule sticht ; das will ich dir geloben!"" „„Denn wen nur will mein Arm berühren, der ächzt im Staube wie ein Hund.«« „Viel Eigendünkel läßt verspüren, wer, so wie du, mit großem Mund, was sich für Thoren mag gebühren, gibt voraus eine That schon kund, die schwer oft auszusühren." „Wie Ritter laß uns thun l Mit Schweigen verlaßen wir das enge Haus, und zu des Kampfes ernstem Reigen 21 geh'n wir auf's freie Feld hinaus, damit ein Schwarm von tausend Zeugen soll richten über unfern Strauß; ihm sei bas Urtheil eigen!" Und wie wir manchmahl sch'n mit Beben, wie Stürme, frei von Aeols Huth, einander zu bezwingen streben, und keiner weicht des andern Wuth ; so sah man dort sich auch erheben, doch um des Ruhmes höchstes Gut, den Kampf aus Lod und Leben. Es wiegten sich der Reiter Lasten auf Mähren, wild und fürchterlich; mit Lanzen, ähnlich kleinen Masten, mit denen sie im Laufe sich mit stets erneuter Kraft erfaßten, erfolgte wechselnd Hieb und Stich; cS war kein Ruh'n und Rasten. Schon taumelten von heft'gen Streichen die Roße zwei. Zu Fuß geschwind begann der Kampf; und wie sich Eichen, gepeitscht von grausem Wirbelwind, mit krummer Äste Kraft erreichen, daß innig sie verschlungen sind: so sah man dort desgleichen. Die linken Riesenarm' umschlangen, von aufgeregtem Blut durchloh't, des Gegners Leib; die rechten schwangen den Flamberg. Und schon purpurroth 22 auf bleichen vielzerritzten Wangen stand Beiden abgedrückt der Tod, doch Keinem wollt' es bangen. Wie ost der Kampf sich neu belebte , wie Lamberg, das bestimmte Haupt zu schlagen, glühend sich bestrebte, erst spät war solches ihm erlaubt; dann aber Pegams Schutz enrschwebte, und dieser, allen Sinns beraubt, sank, daß die Erde bebte. Und als zum Kaiser kam die Kunde, „Ich, Lamberg! will dir gnädig sein" sprach der mit wohlgeneigtem Munde. „Mit deinen Gütern all in Krain stehst mit mir du im Lehenbunde, sie sind als Eigenthum jetzt dein." Und so geschah's zur Stunde. 23 Der Kohlenbrenner. An dem harten Fohrenstamme üb' ich meiner Haue Schlag, und Les Feuers rothe Flamme unterhalt' ich Nacht und Tag; denn es flieht so leicht mein Schlummer, wie der Nebel in die Höh'n. Dennoch heg' ich keinen Kummer, und die Welt ist mir so schön. Bin ich gleich bestimmt, zu wohnen nur in Wäldern, dicht und wild, kann doch Liebe bei mir thronen, offen bin ja ich und mild. Darum fürchte niemahls wieder mein berußtes Angesicht, denn mein Herz ist rein und bieder! Trautes Mädchen, fürchte nicht ! 24 Ava an ihre Mutter. Wien, zum i. 2ä»er 18^7. Schmucklos liegt die Erde wieder, trauernd schlummert die Natur, weiße Flocken wallen nieder, Nebel dampfen aus der Flur. Nicht ein Sträußchen kann ich pflücken, um mit kindlich-frommer Lust es zum Angebind zu drücken an die liebe Muttecbrust. Aber blüht nicht allzugerne in dem eignen schmalen Haus, was man sucht in weiter Ferne? Bin ich selbst ja doch ein Strauß. Meiner Jugend zarte Flügel heb' ich hoffnungvoll und kühn, wie sich am besonnten Hügel hebt des Laubes freundlich Grün. Eine Doppelrose glühet mir am jungen Angesicht, und im tiefen Herzen blühet ewig ein Vergißmeinnicht. Der 25 Der LorServsum« Nach dem Italienischen Lorenzens Pignrtti. In des Erdreichs besten Raum, rief Elpin zum Lorberbcmm, hab' ich deinen Keim gelegt. Deine ersten zarten Sproßen hab' ich sorgsam schon gepflegt. Zn des Sommers Glutentagen hab> ich kühlend dich begoßen, dich im warmen Haus verschloßen vor des Winters rauhen Plagen. Meinem Schweiße dankst du bloß, daß du jetzt so stack und groß, daß sich stolz und dichtbelaubt nun erhebt dein blühend Haupt. Aber was für schonen Lohn hab' ich Thö'richter davon! Schleich' ich hoffnungvoll zu dir, mich des Hungers zu erwehren, wenig kleine herbe Beeren fallen nur herab zu mir, während mancher faule Gauch Gericht« v. Hugo vom Schwarzthake. 2 26 von ganz ungerühmtem Strauch süße Frucht in Menge bricht» Und der Baum mit Würde spricht: „Kann ich auch nicht Nahrung geben, spend' ich doch — ein ewig Leben.« 27 Dvs KM Flügel. Am Flügel spieltest du, Md deiner Stimme magische Gesänge verbanden sich dem Wohllaut seiner Klänge? „Ja, Freund! — Du hortest zu; sprich! welche von den Harmoničen alle» gewann dein meistes Wohlgefallen?" Du, Mädchen! treibst ein loses Spiel mit mir; nun fast erröthend muß ich steh'n vor dir. Doch — zwangst du denn nicht selbst, du holde Zau¬ berin ! aus den gewohnten Schranken meinen Geist zu flieh'n? Drum zürne nicht, daß ich dir nicht kann sagen. Was aus der Erde sich hat zugetrageni S' 28 Welisar uns Arene, in Eduard von Schenk's Trauerspiele „Belisar" durch Heinrich Anschütz und Sofie Müller im k. k. Hofschau« sxielhause vorgestellt am 17. Februar 1827. Geblendet — ach! von ewiger Nacht umfloßen, doch von des Kindes Liebe neu beseelt, sah ich, 0 Belisar, verkannter Held! dich von Irenens Tochlecarm umschloßen. Was frommt es, daß urheil'gen Schaar der Großen mit feuchtem Blick dich mancher Enkel zählt? Es sind nichtmehr die Zeiten deiner Well, und arm starbst du, geblendet und verstoßen. Doch — wie mein Fuß mit sicherm Tritte schreitet, mein Auge mit dem Blick des Fallen streitet, ich gäbe bald mein Glück um deine Pein. Wenn jene, die so liebend dich geleitet, auch mir dieselbe Liebe könnte weih'n, ich wollte gern —> ihr blinder Vater sein. 29 Magie ver Geliebten. Nach dem krainisch-slovenischen des Doktors Presche'rn. Die Sterne schau' ich oft in nächt'gcm Schweigen, und jederzeit, verstärkt, zu mildem Hoffen des Glückes fühl' ich meinen Busen offen, daß aufwärts mich es zieht in ihren Steigen. Doch wie der Morgen sich beginnt zu zeigen am höchsten Saume des Eebirgs, des schroffen, die Sterne laß' ich schwinden, mild-betroffen mein Haupt der Sonne huldigend zu neigen. So viele Stern' am Himmel glänzend prangen, soviel der Schönen blüh'n am Erdenrunde, und freudig bleibt mein Äug' an jeder hangen. Doch wenn die meine naht in fel'ger Stunde, für alle werd' ich blind, und süß-befangen verweilt mein Blick an ihrem Rofenmunde, 33 Der teutsche Aüngling. Wer ist der Jüngling dort am Eichenhügel? Ein Eichstamm selbst erhebt sich seine Lange, sein Haupt umlockt das Haar in blonder Menge, und blitzend zuckt des Auges blauer Spiegel. Auf seiner Stirne glanzt des Muthes Sigel, der Kraft in majestätischem Gepränge, eröffnen mit dem Donner seiner Klänge müßt' er des Grabes nie-erschloßne Riegel. Wie Odins Aar sich wieget in den Lüften, so macht' er flattern aus der Erde Grüften, und Leben athmen aus Walhallas Düsten. Befällt euch nicht ein wohllustvolles Grauen? 's ist Hermanns Sohn! Drum darf er sich getrauen, sich selbst für eine Gottheit anzuschauen. 3L Mein Mim m e l. Blau sind deine Augensterne, wie die Lust in weiter Ferne; Md in allen Himmelshöh'n ist kein Stern so rein und schon. Zwar ich will es nur gestehen, daß ich manchmal)! auch gesehen, Wir die Zähre, hell und groß, aus umwölktem Auge floß. Aber dann erschien mir immer efls ein Blitz sein-Halder Schimmer, wenn er unvermerkt und schnell zuckte durch den Tcänenquell. Und nachdem dir Tränen schwanden, auch die Sterne nicht sich fanden, denn aus deiner Augen Glanz quoll der Sonne Strahlenkranz. Farbe reiner Aetherfülle, Sterne, zarte Wolkenhülle, Regen, Blitz und Sonnenschein schließen deine Augen ein. 32 Und du fragst, was ost so langt mein Gesicht an deinem hange? Wer auf dieser Erdenbahn schaut nicht gern den Himmel an? 33 Wki Duvwig van Wethoven's Lktchrnbe gangniß. Wien am >9- Marz 1S27. Was wallt der düstre Zug lm Fackelscheine, wie eine Wetterwolke bang und schwer? Manch Auge naß — Auch du, Euterpe, weine! dein Liebling, dein Bethoven ist nichtmehr. Weß Finger schöpfte jemahls, wie der seine, Gefühle, so erhaben und so hehr, in solcher Männlichheit, in solcher Reine' tief aus der Seele Harmoničen - Meer? Dort schwebt er nun in jenen lichter» Hallen — O Seligkeit, in reinem Aetherlicht in seiner Nähe, ihm vereint, zu wallen! Ja, wenn vor Gottes heil'gem Angesicht die Hochgesänge solcher Künstler schallen, bedarf der Himmel andrer Wonne nicht. * Z4 Die Lebtnsyuelle. Unbegreiflicher Born, du quillst bald unter Mirthen, bald unter Dornen; über dunklem Grunde hüpfst du dem unbefangnen Wandrer plätschernd vorüber. Zn der wogenden Silberfläche spiegelt fich mein forschender Blick. Du flüsterst leise: ^Mensch! ich führe der Freuden viele, doch der Leiden nicht minder." Beide führst du: drum wenn mir Freuden winken laß dann langsamer deine Wellen rieseln, aber, wenn mir die Trauer nahend drohet, stürmend sie fliehen! 35 Unterschied. Der heil'ge Fischer büßt an schwerer Kette für seinen Glauben in des Kerkers Nacht. Er denkt an seinen Meister stets, und wacht, und betet knieend aus dem Marmorbette. Doch wie verklart sich schon die dunkle Stätte! Ein Engel, der ihm hold entgegenlacht, erscheint und spricht: »Nun, Kefas! ist's vollbracht. Dec Herr befahl es mir, daß ich dich rette." Wohl seufz' ich auch in eines Kerkers Gruft, seit Jda's Reize tö'dtend mich beleben; und doppelt lieblich lockt der Freiheit Lust. Als Engel seh' ich stets sie vor mir schweben, zu dem um Gnade meine Liebe ruft: > die Freiheit aber will sie mir nicht geben. Z6 Der Kranke. Ist der Lenz erschienen nach des Winters Nacht, mit vergnügten Mienen, mit verklärter Pracht? Blüh'n die Blumen wieder, schaut aus warmer Luft rein die Sonne nieder, rmd der Gukuk ruft? Ach! was hilst's mir Armen? Ich kann nicht hinaus, herzlich zu erwärmen, aus dem engen Haus. Meine Glieder beben, hin ist meine Kraft, selbst des Geistes Leben murhlos und crschlast. Jeder Blume spendest neues Leben du, mir nur, Frühling! sendest du nicht Heilung zu. 37 Sprich! warum so strenge grollst du denn nur mir? Sieh doch nur! ich Hangs gar so warm an dir. Ach! vielleicht liebkosen wir uns erst im Tod: und mein Grab bemoosen Blumen, weiß und roth. 38 Was grüne Klei v. Ich zweifle nicht, man werde mir vergeben, daß ich besing' ein weibliches Gewand; denn nicht begeistert mich des Meisters Hand,, die Reize vielmehr, die darunter beben. Wie dunkle Farbe grünt am Laub der Reben, das seh't ihr leicht im weinbeglückten Land; so seh't ihr auch, geschürzt von leichtem Band, ein flatternd Kleid um Jda's Glieder schweben. Wenn die Natur im Frühling sich erneut, da will der Matten Grün uns Hoffnung schenken, die milden Trost der kranken Seele beut. Willst du auch Hoffnung in die Brust mir lenken durch dieß Gewand, deß Farbe mich erfreut? N dulde, daß ich wage so zu denken! 39 Meinen freunden. Wien am io. April 1827. Einen, den letzten Kuß, entsend' ich zu euch, e Ge¬ liebte ! Freundlich nehmet ihn auf, wie er im Geiste sich naht! Denn, ihr ahnet es nicht, in der Jugend knospenden Blüte finkt schon welk mir das Haupt, so wie das Veilchen verdirbt. Euch zwar halt noch Higea, die purpurwangige Göttin», hin den duftenden Kelch, üppig zum Rande gefüllt; Kummer nagt nicht an euch, das Auge glücklicher Wesen wendet so gern den Blick von der Vernichtung hinweg; aber erinnert euch nur, wie Arm in Arm wir geschlun¬ gen gingen auf duftender Flur, horchend der Lerche Gesang; wie wir Knaben so oft, wenn die goldnen Strahlen der Morgen streute durch bebendes Laub, hüpften im säuselnden Hain! Dft ergeht' uns der Tanz um das Rauschen der hei¬ ligen Eiche, oder es flog der Hut manchmahl dem Schmetterling nach. Warfen wir fischend nicht auch die Angel in'S mur¬ melnde Bächlein, plätscherten selbst wir nicht oftmahl im Waßer herum? 4tt Denker ihr noch, wie der leichte Kahn auf den zit¬ ternden Wogen im befreundeten Fluß keck das Gestade verließ, und wie wir dann, wenn hoch die Fluthen drangen zum Rande, sangen von Helden ein Lied, sangen von Schlachten und Sieg? Könn't ihr dieß alles vergeßen? Gewiß durchschweif't ihr im Geiste jene Berge, wo wir träumten Moore *) zu sein; jedes vertraute Gemach, wo der Freund die Freunde be¬ suchte , wo zum geistigen Schmaus oft auch der Becher erklang. Friedlich theilten wir stets mit einander unsre Genüße, und wie schmeckten sie dann um das Gedoppelte mehr! Doch wenn neidischer Schmerz der Brüder einen be¬ trübte, wenn ibm nagender Gram neblig umwö'lktc den Blick: v — wie theilten wir auch so freudig die Fülle des Kum¬ mers , leichterten willig die Last seiner ermüdenden Brust! Magisch-schnell enthüpsten uns dann die Stunden deS Tages, und wie war uns dein Kelch, heiligeFreundschaft, so süß! Aber der Vorhang fallt, die Szene muß sich verwan¬ deln : wohl die Erinnerung blieb, aber die Wonne verschwand. Schlaflos lieg' ich am Lager; des Weisen zweifelnde Miene ') Wer denkt sogleich nicht an Schillers »Ränder»? 41 donnert im schweigenden Mund sparsame Hoffnung mir zu. Feierlich-still ist die Lust, nur aus fremdem Mund die Bedaurung tont im ahnenden Ohr schaurig wie Todtengesang. Freunde! wo seid ihr all? Euch sucht mein spähendes Auge, euch mit der Liebe Gewalt schwingt sich entgegen mein Geist. Ihr auch eilet heran, damit in der letzten Umarmung eine Träne noch euch schenke mein brechendes Aug! Kommet, noch einmahl zu ruh'n am schwindenden Pur¬ pur der Lippe, kommet zum letzten Druck dieser erkaltenden Hand! Ach — was ruf' ich umsonst! Der Seufzer verschwebt in den Lüften, kahl, wie des Todes Haupt, grinsetdie Mauermichan. Aber frommt es denn auch, mit hartem neidischem üinger . schon zu pflücken den Zweig, ehe die Rose noch blüht? Noch nicht sah ich ja mehr als achtzehn Sommer ent¬ fliehen, achtzehnmahl glänzte beschneit Leopolds heiliger Berg; noch nicht kenn' ich der Liebe süß - beglückenden Zauber, wer nicht diesen gekannt, hat nur zur Hälfte gelebt; nicht noch hat mir die Kunst, die Wahrheit entschleiert ihr Antlitz, Wer nicht dieses geschaut, ach! hat gar nicht gelebt; dennoch soll ich so früh die Welt, die schone, verlaßen, meine Geliebten nichtmehr, nimmer die Liebenden seh'n? Nein — Walküren! Verschonet mich noch im Lenze des Ledens, 42 spinnet, Göttinnen, mir länger den Faden noch fort! Laßet, erweicht durch mem Fleh'n, mich, bis dem zit¬ ternden Greise einst um das schlotternde Knie horchend die Jugend sich schmiegt; bis mein Äuge sich trübt, die dunklen Locken entfallen, und mein sinkendes Haupt sparsames Silber umfließt! Wenn ich schleichend ermüd'am wenig stützenden Stabe, und mein krankes Herz selbst schon nach Ruhe verlangt.: sei es — führet mich dann in's Land des Friedens hin¬ über, wo kein Sturm erbraust, ewig der Lenz sich erneut, wo kein Körper erkrankt, kein Mund zu Klagen sich öffnet^ keine Trane des Grams hagere Wangen benetzt! Fantasie! wo irrst duherum ? Vielleicht indesMor- gens duftend - dämmerndem Roth schwelgt schon mein Äuge nichtmehr. Wie es sei, ich murre ja nicht. — Leb't wohl, ihr Geliebten! Ein Paradies sei für euch, wie sie es mir war, die Welt. Dauerte gleich nur so kurz der Traum des entfliehen¬ den Lebens, aber er war ja so hold, aber er war ja so süß. 43 A v a-s No se n stock. So hat auch dich, du Strauch der jungen Rose! zerpflückt des Nordes Odem und entlaubt? Wie prangend blühtest du in grünem Moose, und alles Schmuckes liegst du nun beraubt! Nicht bald wird mehr um dich die Biene schwirren, kein Roslein nimmt dir Jda's zarte Hand, umfeßelt nicht, die Brust damit zu zieren, dein dunkles Laub mit Hellem Seidenband. Du liegst dahin, doch was du nun verloren, was je der Zeiten Stürme dir entzieh'», erhältst du doppelt-schon zurück von Floren, wenn liebevoll ein neuer Lenz erschien. Und was des Lebens Rauhheit mir genommen, was mir entzog ein einz'ger Augenblick, in keinem Lenze soll es wiederkommen? Erröthe dcob, stiefmütterlich Geschick! 44 Der Avschiev ves Freiwilligen. Li risch e s Spiel. (Eine einfache Stube.) Vater, Mutter, Sohn, Tochter. (Dee Sohn ist bei einem Tische mit dem Anziehen einer Art von kriegerischer Kleidung beschäftigt; die Andern sehen ihm aus der entgegengesetzten Seite der Stube lange Zeit Wit Rührung zu , endlich beginnt die) Tochter. Also willst du wirklich ziehen, aus dem lieben Heimatland fern an fremder Flüße Strand von dem Sitz der Deinen fliehen? Sohn. Gutes Madchcnl muß ich nicht? Vor der Raublust der Barbaren will ich euch mit Gott bewahren, unterlieg' ich auch der Pflicht. Mutter. Kannst du das so ruhig sagen? Kannst du üben ungescheut, 45 was dein Znn'res dir gebeut, ohne unfern Schmerz zu fragen? O, es war ein schöner Morgen, schöner, als je einer war, als und weil ich dich gebar. Mik dec Mutter zartem Sorgen drückt' ich jubelnd an die Brust dich in liebendem Umarmen, daß du möchtest sanft erwärmen. Za — es war ein Tag der Lust. Der erfreute Vater lachte dich mit heitern Augen an, als, geweckt zur Lebensbahn, ich dich, Theurer! dar ihm brachte. Aus des Himmels klaren Höh'n senkte sich ein lieblich Hoffen, und es lächelte uns offen eine Zukunft mild und schön. Vater. Weil wir zuversichtlich dachten, wenn gebeugt die Stärke sinkt, uns der Herbst des Lebens winkt, düstre Zeiten uns umnachten, wird er auch voll Zärtlichkeit für die greisen Aeltern sorgen, schäft uns einen schönem Morgen aus des Lebens Abendzeit. Mutter. Aber all die süßen Keim» 46 logen nur der Früchte Glück, und beschämt seh' ich zurück in die kindisch-holden Träume. Water. Nun, zum Jüngling angereift, seh'n wir dich in Fülle prangen, und du kannst mit Lust verlangen was der Aeltern Herz ergreift? Was ein launig Glück geboren, wahrt zu ängstlich nur der Thorr aber, wer ein Kind verlor, dem ist Alles mitverloren. S ° M.. Ja — ihr liebet mich so sehe, keine Aeltern sind so bieder, doch — ich liebe ja euch wieder, und die Trennung wird mir schwer. Aber will der edle Held allgemeines Wohl erfaßen, muß er manches einzle laßen, wie es auch das Herz ihm quält. Denn ihr sehet ja die Tränen, die mein Auge dar euch bringt; aber schaurig-froh durchdringt mich ein wunderbares Sehnen, treibt mich mächtig fort von euch, und ich kann es nimmer dämpfen. 47 Mutter. Willst du Schatze dir erkämpfen?' Gold und Silber macht nicht reich. In der sorgenlosen Hütte steur' ich meiner kleinen Noth nur mit selbstverdientem Brok; aber in der frohen Mitte meiner Lieben denk' ich mich, mit dem Wenigen zufrieden, doch die Glücklichste hienieden. Anders dächtest du wie ich.? (Aaf die in der Stnbe defindlichen Gegenstände iveiseud.) Sieh nur einmahl unbefangen, wie im Hause so vertraut jedes Werkzeug auf dich schaut? Kannst du Höheres verlangen? Sohn. Daß ist's eben, was mich rührt, was enkfeßelt meine Tritte, was mich fort aus eurer Mitte in das Schlachtgetümmel führt. Seh't ihr nicht die Brut der Wilden, wie uns droht ihr Schlangenhaar; und der Unfern kleine Schaar, wie sie in der Schlacht Gefilden nur vergebens Wunder thut? Und ich sollte müßig weilen, furchtsam nicht mit ihr zu theilen meiner Arme Zugendglut? Sollen sie in unsre Gränzen? 48 Soll in Knechtschaft ihre Hand schlagen unser Vaterland? O, es werden bald erglänzen ihre Klingen, rvth von Blut, das aus eurer Brust gefloßen, und das Blut, so sie vergoßen, dampft in dieser Hütte Glut! Darum laßet jedes Klagen, das vergebens euch betrübt! Mit der Kraft, so ich geübt, Helf' ich die Verwüster schlagen, neu dem Land die Ruhe geben, bannen von dem Vaterhaus der Verheerung wilden Graus, kecken Mord von eurem Leben." Dann noch fröhlicher werd' ich diese heimatlichen Auen, die ich jetzt verlaße, schauen; weil ihr im Umarmen mich sorglos-freudig werdet küßen, weil mir dann das Vaterland dankbar reichen wird die Hand, mich als Retter mitbegrüßen. — O, vereitelt nicht mein Glück! In dem Weltraum dieser Sonne weiß ich keine schön're Wonne. Haltet mich nichtmehr zurück! Mutter. Schmeichelhaft sind deine Bilder, lieblich deiner Hoffnung Traum; doch in meines Busens Raum 49 wird darum der Schmerz nicht milder. Weithin ziehst du fast entzückt, wo dich fremde Lust umfächelt, dir kein Freund entgegen lächelt, liebend an das Herz dich drückt. Wer wischt nach des Tages Mühen kosend di?,hinweg den Schweiß, der, mit Blut vermengt und heiß, auf der Wange dir wirb glühen? Soll Gesundheit dich verschmäh'« , wer wizch liebend für dich sorgen, wer dis Schmerzen, tief verborgen, wird zu lindern dir versteh'»? Keines Weibes zarte Hände werden deine Wärter sein; o , dafür sind si e allein! und du nimmst ein traurig Ende. — Oder bist du auch gesund, mußt du doch demüthig schweigen, in den unglücksel'gen Reigen gehen, wo aus eh'rnem Schlund wild der Todesengel waltet, ^ber dir das Schwert erblinkt, welches, wenn es niedersinkt, das geliebte Haupt dir spaltet. — O! ich seh' ihn, wie er fällt, sehe seine wunde Stelle, wie des Herzens Purpurwells den getränkten Boden schwellt; seh' ihn, wie er matt sich windet, den gerufnen Tod im Schoß, bis der letzte Tropfe floß, und der Wärme Rest entschwindet. — Gedichte v. Hugo »ow Schwarzthale. 3 50 Da zerbricht mein Hoffnungstab/ Diese Kunde, mir gegeben, werd' ich, Sohn! nicht überleben, folge bald dir auch in's Grab. Sohn. Rufet nicht so düstre Bilder aus der Schatten ernstem Reich! Nicht das Aergste fürchtet gleich! und der Trennung Schmerz wjrd milder. Kann denn nicht aus Todesnot^, nicht aus lauernden Gefahren Gott, der Starke, mich bewahren? Und wenn nicht, was ist der Tod? Nicht ein ewig Erdenleben gab er uns, der gut und mild, deßhalb, wenn die Pflicht befiehlt, müßen wir zurück es geben. Und wenn früher ich auch fiel, sch'n wir doch uns jenseits wieder; und ich siel für meine Brüder! Kennet ihr ein schö'n'res Ziel? Tochter. Ist ein Ausweg da gegeben?! In das Land, wo Friede ruht, stürmt der Feinde Mörderbrut, oder tausend freie Leben mäht des Todes kalte Hand. Wen zuerst die Habsucht freute, wer der Zwietracht Samen streute , 51 der das Mordgewehr erfand, ihnen wehe, wer sie waren! Mitleid kannte nicht ihr Herz, und des Bruders Todesschmerz zeugte Wohllust den Barbaren. — Zu Vergnügen nur erneut hüpfte jeder Tag vorüber» weil die Treuen nie ein trüber Sturm auf weiter See zerstreut. Hin sind all die schönen Tage; und der unbefangne Sinn der getäuschten Träumerinn dachte niemahls an die Klage, die sich jetzt in Zähren tränkt; denn du eilst, vom Herd zu gehen¬ dem ein fröhlich Wiedersehen nie vielleicht zurück dich schenkt. Vater. Laßet, Kinder, ab vom Klagen über unsern harten Stand! Alles kommt aus Gottes Hand, wenn wir noch so schwer es tragen. Was auch immer er verfügt, muß zu unserm Besten reifen, ob wir gleich es nicht begreifen, weil die Außenseite trügt. Muß es also nun geschehen, daß zum heimatlichen Herd der Gesiebte wiederkehrt, oder wir nichtmehr ihn sehen: nun — Wir murren dennoch nicht, 3' 52 und den Lenker auf dem Trone preisen wir mit frohem Tone, wenn das Herz vor Kummer bricht. — Du, zum Ruhme mir geboren, also folge deinem Trieb! Meine Vatcrsorge blieb wahrlich nicht an dir verloren; denn du hast ein gutes Herz, von geheiligtem Erbarmen will dein Busen gern erwärmen, und dich rührt des Bruders Schmerz. Auch, ein nicht gemeiner Krieger, einest du zur festen Hand lichtvoll-thätigen Verstand, böser Vorurtheile Sieger. Traue beiden, wenn mit Spott harte Zeiten es begehren! Schmähe nicht des Vaters Lehren, achte sie! Und jetzt — mit Gott — (2hm das vom Tische gehöhlte Schwert umgurtend.) Sieh her! — Diese Todeswaffe gürt' ich selbst dir um den Leib. Brauch' sie nicht zum Zeitvertreib! Nur des Friedens Glück verschaffe des Gewehrs metallne Wucht. Wer nicht diesen Grund beachtet, nur aus blinder Rachgier schlachtet, ist ein Unmensch, ist verflucht. Sohn. Ja — dieß blank-gefegte Schwert, das die Rechte bald soll führen, 53 mag nur jenen scharf berühren, der die Ruhe keck versehrt! Aber den, der um Erbarmen und um Schutz ohnmächtig stöhnt, wär' er feind mir auch, versöhnt will ich liebevoll umarmen. Tochter (ihm eins Feldbiiide umwickelnd.) Swh auch mich, geliebter Mann, wie ich um den Leib dir winde dieses schönste Angebinde, so ich nun dir bringen kann! Freude sollt' es dir verschaffen, Wie die Arbeit mir sie gab; mit dem stillen Friedensstab', nicht vereint mit Todeswaffen, sollt' es deine Zierde sein, dich auf jeder deiner Bahnen an das Herz dec Schwester mahnen, deßen Lust, sich dir zu wcih'n. Manche Träne, mir entfloßen, fällt darauf jetzt kummerschwer; säh' ich es nur niemahlsmehr, mit des Bruders Blut begoßen! Sohn. Gütige! wie dank' ich dir für die schwesterliche Gabe? Nimm das Beste, was ich habe, nimm ein dankvoll Herz von mir! 51 Doch die Klage laß verklingen! denn die Zähre, die du weinst, sollte Wiedersehen einst schöner deinem Äug' entringen. Mutter. Gehst du denn, Geliebter! schon? Was hab' ich dir auch zu bringen? (Ihm eine Kette mit einem Kreuze umhängend.) Komm! ich will dir betend schlingen " um den Hals den Gottessohn. So geht sichtbar Gott mit dir, wird im Drange der Gefahren dich mit starker Hand bewahren, bringt zurück dich lebend mir. Sohn. Nun, "wie eure Hand mich schmückte, sehet ihr vor euch mich steh'n, und gefaßter werd' ich geh'n, wenn dein Segen mich beglückte. O, mein Vater, segne mich! Vate.r (während der Sohn vor ihm niederkniet.) Mich durchfährt ein heilig Beben, Sohn , du meines Lebens Leben! ja — dein Vater segnet dich. Hoch zu dir den Blick erhoben, der du schaust vom Himmelstron, 55 segn' ich trostreich meinen Sohn. Alle Gnade kommt von oben, doch für diese Erdenzeit darf der Vater, selbst ein Sünder, dennoch segnen feine Kinder, und sein Segen auch gedeiht. !(Uel>cr den Sohn gebeugt.) Wie derKähren warme Quelle mir aus trübem Auge blinkt, und auf's Haupt dir niedersinkt, rinne dir des Glückes Welle! Nie verlerne das Gebot, so den Kindern Gott gegeben! dann in Frieden wirst du leben, ohne Schrecken naht dein Tod. Schwachen lerne Schutz verleihen, und mit unbefangner Huld selbst dem Feind die schwerste Schuld ohne Zögerung verzeihen! Theile brüderlich dein Gut! denn es wird in beßern Welten reichlich Gottes Hand vergelten, was man diesseits Gutes thut. Und beschloß ein launig Glück, daß uns Alle wir auf Erden niemahls wieder sehen werden, bleibt uns doch ein Trost zurück; daß, aus diesen Jrrgewinden abgefordert, neubeseelt wir in einer schöner» Welt . mackellos uns wieder finden. (Mit aufwärts gewendetem Gesichte.) Dann zu Gott mit heiterm Blick 56 werd' ich solches Wort erheben : Diesen hast du mir gegeben, nimm ihn unverfälscht zurück! Sohn» O, der Segen muß gedeihen, den ein solcher Vater gab, wird mir sorgsam bis in's Grab manche stille Rose streuen auf des Lebens Dornenpfad. (Zu den Andern.) Wollet ihr mich nicht umarmen, denen ich zwar ohn' Erbarmen, doch nicht wollend , wehe that? Mutter. Komm an's Herz mir, das so bange, und doch liebevoll-bewegt, deinem sich entgegen regt! Mög' auf deinem edlen Gange stets dein Engel mit dir geh'n! bis in dieser trauten Hütte, oder in der Heil'gen Mitte wir uns Alle wiederseh'n. Schwester (ihn umarmend.) Geh' hinaus zu Ruhm und Glück! Meiner Liebe bester Segen 57 folge dir auf allen Wegen, führ' dich unversehrt zurück! Sohn (zur Schwester.) Noch ein kurzes Wort für dich. Meines Armes Kräfte sollen Dienst dem ganzen Lande zollen, nicht den Meinen lediglich. Würde sich ihr Alter neigen, bauten sie voll reiner Lust auf den Dank in Sohnes Brust; nun — ich kann ihn nicht erzeigen. Doch ich kann zu dir mich wenden. Liebend wirst du fernerhin, bis ich rückgckommen bin, fromme Wartung ihnen spenden, wiesle mir am Herzen lag. Ao chter. Laß nicht Sorgen dich betrüben! Meine Pflichten werd' ich üben, und so gut, als ich vermag, die geliebten Aeltern nähren. Sohn. Nun nicht ohne Trost hinaus tret' ich aus dem Vaterhaus. Sollt' ich niemahls wiederkehren, wirst du dennoch nicht allein * 58 für die greisen Aeltsrn sorgen; denn es wird der schöne Morgen dir vielleicht nicht ferne sein, wo des Priesters Hand dich bindet an ein Herz, das nie verstellt alte teutsche Treue schwellt, einen Sohn, dec für euch sorgt, was mein Mißgeschick verhindert- Mutter. Der hat nie sein Gut vermindert, wer cs solchen Kindern borgt. Sohn. Nun — so war' cs denn vorüber, und die Last, die mich gedrückt, ist vom Herzen mir gerückt; denn ich sehe, daß kein trüber Hauch mehr eure Brust bewegt. Für die älterlichen Triebe, für die schwesterliche Liebe, so ihr stets für mich gehegt, - ruf' ich nun mit heil'ger Wonne einen festen, sichern Stab, Gottes Schutz, auf euch herab. Der du höher als die Sonne, horche meinem reinsten Fleh'n, und erhöre meine Bitte! Ueber dieses Hauses Mitte 59 laß des Segens Sonne steh'n! Laß darin die Ruhe wohnen; was der Reichthum nie verleiht, selige Zufriedenheit; und willst je du mich belohne«, wenn ich ruhmvoll dir gedient: o, gewähr' ein langes Leben denen, die mir's auch gegeben, die mir lieb und theuer sind! Auch empfehl' ich deiner Hand alle, welche gut und bieder, und dein Segen träufle nieder auf mein ganzes Vaterlands , Schütze mächtig es, und dämpfe jedes Innern Krieges Noth, der es zu vergiften droht, wenn ich mit dem Feinde kämpfe! — — Und nun reichet mir die Hand! (Der Vater sagt ihn bei der rechten, die Schwester bei der lin¬ ken Hand, die Mutter schlingt ihm eineu Arm um den Hals.) Lebet unbetrübt hieyieden! Mutter. Ach, so geh denn hin in Frieden! Vater und Tochter. (Indem er in obiger Grupp« abgeführt wird) Geh mit Eottl S ohn. Für's Vaterland! 60 , An Sie. Seh' ich dich, du Holde! vor mir stehen, nicht ein Mädchen wähn' ich bloß zu sehen, nein— nn jener Zeiten himmlisch Glück, wo in Göttern ähnlichen Gestalten beßce Menschen noch auf Erden wagten, denk' ich lustdurchbebt zurück. In der Unschuld rosigem Gewände, nicht vertraut mit geistentblößtem Tande, blühst du auf in trauter heil'ger Ruh. Noch hat Schmeichelei dich nicht bestochen, heiter ist des lautern Herzens Pochen, und voll Milde lächelst du. Nie erwachen laß in dir das Streben, dich zu mengen in das große Leben! Glücklich macht nicht einer Fürstinn Tron. In des Herzens Reinheit wohnt der Frieden, hast du, Kind! von dieser dich geschieden, ist dein Himmel schon entfloh'n. 61 Ä n ven M o n v. Sei mir gegrüßt, du Auge des Himmels! Sei mir willkommen, freundlicher Mond! Mildere Klarheit strömst du, o Holder! mir von des Himmels nächtlichem Blau. Liebliche Träume, labende Tröstung, selige Ruhe wehst du mir zu; und ich erhebe neu mich gesta'rket, wenn mich dein mildes Feuer umflimmt. Schatten der Theuern, die mich verließen! schwebet ihr nicht im freundlichen Mond? Sendet nicht ihr die Strahlen der Hoffnung in des verirrten Wanderers Herz? 62 Ja, ihr genießet Frieden und Ruhe, trinket den Becher geistiger Lust; sehet, von Wonne trunken, herunter, blick't von der Höhe segnend auf mich. Wenn ich auch einst dis Pilgerschaft ende, und mir des Lebens Fackel verglimmt: dann hebt der Geist sich siegend zu euch aus, wohnet mit euch im freundlichen Mond. O, dann genieß' ich himmlischen Frieden, wie er hienieden niemahls erblüht; und wie ein Schutzgeist seh' ich auf alle, die mich einst liebten, lächelnd hinab. 63 Todesahnung. Was rieselt fieberhaft mir durch die Glieder? Was schauert mir so schmeichelhaft um's Herz? warum verstummt es, schlägt dann stärker wieder? Was will der sonderbare süße Schmerz? Das Auge finkt mit mattem Scheine nieder, bald hebt es sehnsuchtvoll sich himmelwärts. Sind's Lodesboten, die mich nah' umschweben, und, es vernichtend, all mein Ich beleben? Ein schöner Gott mit lieblich-rothen Wangen erschließt das Leben seine milde Hand. Es bietet Jedem Schönes zu empfangen, und gütig leiht cs ohne Gcgenpfand. Doch alles läßt von ihm sich nicht erlangen. 's ist eine Wahrheit , so ich früh verstand. Was aber launenhaft versagt das Leben, wirst ungerührt auch du, o Tod! nicht geben? Drum, bist cs du, kein furchtbares Gerippe erscheinst du, a u ch - willkomm'ner Fremdling! mir. Ein froher Palmcnzweig ist deine Hippe, und Harfenton dein röchelndes Gewirr; so rosig blüht und kußlich deine Lippe. Ich sinke zärtlich in die Arme dir; mein letzter Hauch hat zitternd bald verklungen, o, halt recht fest, recht innig mich umschlungen! 64 Ich werde nimmer durch die Auen gehen, nicht Blumen pflücken auf verjüngen Flur; nicht athmen werd' ich mehr des Abends Wehen. Leb' ewig wohl, du liebliche Natur! Die Zähren werd' ich doch der Guten sehen, wenn sie vermißen ihres Freundes Spur. Wird aber Jemand wohl in wenig Tagen mit naßem Auge nach dem Sänger fragen? Ich werde schlummern in des Grabes Hallen, die fest ein unaufsperrbar Thor verschließt. Wird Ida still zu deßen Hügel wallen, der auch im Tode treu geblieben ist; läßt eine Blume nur darauf sie fallen, und eine Perle, die dem Auge entfließt' so werd' ich lächelnd auf sie niedersehen, und heil'ge Ahnung in das Herz ihr wehen. 65 Unsterblichkeit. A» G. M. Freund, wie kurz ist nicht des Menschen Leben, und von Stürmen doch so viel gekränkt! Nie wird ihm der Becher rein gegeben, stets ist Wermuth auch darein geschenkt, mühvoll ist sein ganzes Thun und Streben, oft nur von des Looses Hand gelenkt: und wornach er jahrelang gerungen, wird von einem Augenblick verschlungen. Aber was in ernster Brust gegohren, nicht erdrückt von falschem Rcgelzwang, und, von wahrem echtem Geist geboren, durch die Himmelskraft der Kunst entsprang, schwindet nicht im leichten Tanz der Horen, wie des Goldes seelenloser Klgng, das wird ewig — ewig nie vergehen, Wird schon sterbend wieder neu erstehen. Drum, Geliebter, laß lins'nicht erschrecken, nicht verlieren den gestählten Muth! Mag sie auch verborgen sich verstecken, dennoch lebt in uns des Geistes Glut; und, der Dumme mag uns spöttelnd necken, er begreift ja nicht, was schön und gut. 66 Wen es freut, dem Staub sich zu entheben, der muß Hö'h'res kennen als das Leben. Kühn gerüstet mit des Adlers Schwingen, eingeweiht zum seelenvollen Bund, gilt es wackern Fluges ciyzudringen in des Schonen florumhangnen Grund! Dann wird lieblich und melodisch klingen', was wir sangen, in des Volkes Mund. Modert auch im Staub des Körpers Same, ewig grünt und blüht doch unser Name. 67 Liebchens Oaupthaar. Wie schwimmst du schon um Jda's Stirn und Wange, du braunes Haar, -voll Glanz wie Edens Hallen, bald leicht gefeßelt^ bald in freiem Wallen, nicht stöhnend der Gewohnheit kaltem Zwange! Wie warm ich doch an deiner Farbe hangt, ob andre beßer Andern auch gefallen! und hätt' ich ein e Locke nur von allen, ich hielte Königen mich gleich im Range. Oft schaut' ich Berenbkens Haar *) als Knabe, und Aetherlüfte wähnt' ich selbst zu schlürfen, emporgewallt im Geist vom Erdgewimmel. Jetzt wenn vom Liebchen ich die Gnade habe, daß meine Blicke dich berühren dürfen, ich fühle näher auch mich meinem Himmel. ') Das Sternbild. 68 Die Genesung. Weidling am Bach, am 5. Juni 1827. An H. Z. Wieder leb' ich, mit leichterm Zuge wechselt der Odem! Theile den Jubel, 0 Freund! denn du hättest mir auch, wenn des Orkos Kluft mich verschlungen, Tranen des Schmerzes geweint. Wohl ein seltsam Gefühl, dem Tod' in's Auge zu schauen! Bruder, in's Auge dem Tod! schon verlaßen zu müßen vor der Blüte des Lebens alles, was lieblich und mild! Stiller gsrrt am Aste die Taube, so ehmahls die Lüfte mächtigen Schwunges durchflog, wenn sie mit Noch des Geiers mordbegicrigem Andrang grauenvoll-bebend entkam. So mein Geist. Die nahe Vernichtung seines Ge¬ fährten wirkte mit Allmacht auf ihn. 69 Weg ist mein heiter Gemüth, und jetzt zu milderer Schwermuth neiget mein Genius sich. Aber das Sterben selbst, weil cs schon so nahe mir winkte, scheint mir so furchtbar nichtmehr. Liebe! vielleicht dein Werk. Drum, tönt mir die Har¬ fe vom Tode, Bruder, dann rathe: warum! 70 Iva sm Ltickratzmen. Nur rothe Blumen liebst du, wie ich sehe, denn solche schufst du nur mit Meisterhand. Wohl sind sie schon, wie keiner sie erfand, wiesehr mit Künstlerruf sich mancher blähe. Dein Namen auch, umkränzt von grüner Schlehe? Doch wohl, damit es sichtbar sei am Rand, wer dieses Werk zu fertigen verstand, so werth ist, daß es niemahls untergehe? Ganz recht! Melange kann es aber währen? Nicht läßt für Staub sich Ewigkeit begehren; bald wird dein Name mit den Blumen flieh'n. Mein Herz nimm lieber, gutes Mädchen, hin! Es ist auch glühend-roth vor heißem Lieben, und ewig ist dein Name drein geschrieben. 71 An einen falschen. Wagst du mir in's Angesicht zu schauen, ohne daß der Fuß dir bebend steht, Tränen deine Wange nicht bcthauen, und Vergebung deine Zunge fleht? Mensch, wie schändlich hast du dich vergangen an des ^unbesorgten Freundes Haupt! Blüten, die so herrlich aufgegangen, hast du, Harter! fühllos mir entlaubt. Wer war je hienieden dir gegeben, der so warm dich in die Seele schloß, der für dich des eignen Lebens Leben in die Schale des Geschickes goß? Aber soll dein schmähliches Verbrechen meines Unterganges Schöpfer sein, sei gewiß, ich kann dafür mich rächen, denn ich kann dir deine Schuld—verzeih'». 72 A v »'s Wsnfling. Ist ein Schicksal zu beneiden, deines, Hänfling! ist es bloß; gern für deine stillen Freuden gab' ich, was nur lieb und groß. Ida hat dich wohlgelitten sich zum Liebling auserwählt, ohne daß du erst mit Bitten und mit Klagen dich gequält. Mit des Hauptes leisem Nicken winkt sie, wenn sie dich will seh'n; oder, kommst du selbst, dein Picken will sie ungesägmt versteh'«. Auf dem Händchen darfst du sitzen, welches unschuldvoll erbost mit den weichen Fingerspitzen dich, den kleinen Liebling, kosit. Auf die Achsel darfst du Hüpfen, wo die braune Locke schwebt, in des Schleiers Falte schlüpfen, die den Busen leicht umbebt; darfst von ihren Rosenlippen, deren du nicht würdig bist, süßer deine Mahlzeit nippen, als der Götter Nektar ist. Kann 73 Kann man, Ida! dir vergebet, daß du solchen Frevel übst, ach! und eines Jünglings Leben mit des Grames Wolken trübst? Kann der Vogel deine Leiden, kann er theilen deine Lust? Wie das Loos dich mag bescheiden, regt ihm nie die leere Brust. Sieh, der Vogel war zü kaufen, und wenn er die Zeit ersieht, wird er sicher dir entlaufen in der Freiheit Lustgebiet: und ich gebe, was ich habe, geb' umsonst mich, wie ich bin. Nimm die seelenvolle Gabe, holdes Mädchen, nimm sie hin! Daß kein Vorwurf einst dich quäle, Mir laß deines Hänflings Glück! Ach verstehe deine Seele, gebe doppelt dir zurück, was du kosend mir gegeben. Also wird aus uns ein Geist, Und der Liebe blüht ein Leben, beßen Faden niemahls reißt. Ewichl« r. Hugo vom Schwarzthal«. 4 74 Nm Srsbe eines Unvergeßlichen: Wien, am 23. Juni 1827. Hinter Bergen, wo der Fels verwittert, ging des Tages Flammenblick zu Grab, nur ein bleicher Strahl des Mondes zittert durch der Wolken engen Riß herab. Einsam steh' ich, wonnelos und bange, wo der Freund im langen Schlummer ruht, und es netzt die abgehärmte Wangs mir der Tränen heiße Perlenstuth. Sei gegrüßt, zufrühe Schlummerstätte!' meines Wesens Hälfte ruht in dir. Daß ich auch schon ausgecungen hätte, ganz zu schlafen beim Geliebten hier k Aber —> was für mildes Weh'n der Lüfte? Lieblich schauert es aus seinem Grab, und des Himmels unentweihts Düfte senken sich zum Weinenden herab. Komm an meine Brust, du theurer Schatten an dieß Herz, so zärtlich zu dir spricht, wo sich Körper zwar und Geist noch gatten, doch auch bald vielleicht ihr Band zerbricht! Ja, du bist es! So war dein Umarmen, als noch Blut in vollen Adern stoß. 75 Warum, Schicksal ! riefst du ohn' Erbarmen ihn so früh zurück in deinen Schoß? Durst' er langer nicht die Lüste trinken, die ihn ost so freundlich angeweht? Durst' ihm.lohnend nicht die Frucht «blinken, deren Keim er sorgsam ausgesä't? Durst' er länger nicht den Worten lauschen, so die Freundschaft spricht so hehr und rein, nicht vom Kuß der Liebe sich berauschen, bürst' er Sohn nichtmehr und Bruder sein? Grauenvoll und schwarz ist der Gedanke, dich zu wißen in des Grabes -Nacht. Frei entstürzt der Kummer seiner Schranke, bis des Glaubens tröstend Wort erwacht,' denn für ewig sind wir nicht geschieden, gabst auf Wicderfeh'n ja nstr die Hand, ließest Mich für kurz allein hienieden, gingst nur früher in das Heimatland. Schmerzlos wandelst du nun, frei und heiter Wohl in einer beßern Welt, umher. Nie belauscht von Chören bleicher Neider- Horst du keines Schmeichlers Lüge mehr; schöpfest aus der Weisheit erster Quelle, die aus ewig-voller Urne fleußt, und im Herzen mit empörter Welle düstrer Zweifel Nebelflor zerreißt. Blicke stets so freundlich, wie hienieden, bon des Himmels Dom auf mich herab, ström' in's Herz mir jenen hohem Frieden, 4" 76 der auch dich umfangt in diesem Grab! dann wird langer nicht die Zähre fließen, diese wehmuthvolle, die nun fließt, und verklärter werd^ ich dich umschließen, wo kein Tod, wo keine Trennung ist. 77 Die Können Slum e. Wie verlangend deine Arme beben, wie sich sehnend hebt dein Angesicht, als begehrtest du zum Sonnenlicht suf der Blätter Schwingen auszuschweben! Blume, laß ein überflüßig Streben! Deine gute Sonne feiert nicht; Willig übt sie selbst die fromme Pflicht, dich mit warmem Strahle zu beleben. Wir erschloß sich wohl des Himmels Thor, und verlöschend aller Sterne Re^en trat auch eine Sonne mir hervor. Zeder Reiz der Schönheit ist ihr eigen; aber ich kann nicht zu ihr empor, und sie will zu mir herab nicht steigen. 78 Die Kchwalden des "NolumyittS. *) »Higea kargt mit ihrem Becher, ich werde sichtbar immer schwächer, auch quält des Alters drückend Joch, am Leben aber hang' ich noch. Drum saß uns, Sohn, nach Bajä wallen, wo unergründet, unbelauscht aus ewig dunklen Geisterhallen der Nimse heilend Waßer ryuscht!" Volumnius und Beßus zogen mitsammen durch des Stadtthors Bogen, bald, in Entfernung ausgedehnt, blieb hinter ihnen Benevent. Sie wallten hoffend immer weiter, schon sahen sie Patshendpe, und rückwärts , wogtnlbs und heiter, die unbegränzte blaue See.' Die Sonne strahlte brennend nieder, da sprach der Vater : „Meine Glieder sind alt und sehnen sich nach Ruh; komm, setze dich und Höre zu! Ich weiß nicht, ob die Wunderquelle mir je Gesundheit wieder bringt, Sieb D- Veer'L Historien, H. Zenturie, 42. Erzählung 79 ja nicht, ob mir von deren Welte Gemurmel je zum Ohre dringt." rUnd soll ich fern vom Haus vergehen, mein Benevent nicht Wiedersehen, gern halt' ich, laut der Batermacht, was irdisch bleibt, zurecht gebracht. Zwar sind allein wir, ohne Zeugen, des Schreibens kundig bin ich nicht, doch stets war Redlichkeit dir eigen, vor der sich Argwohn scheu verkriecht.« „So will ich meinen letzten Willen, geliebter Veßus! dir enthüllen. Bon allem, was ich nenne mein, begehr' ich, sollst du Erbe sein. Doch hab' ich auch noch andre Kinder, auch mangelt mir's an Freunden nicht; für sie zu sorgen dünkt nicht minder mir unerläßlich - heil'ge Pflicht." „Drum zwei Talente laß vor allen für deinen Bruder du entfallen; das Haus soll an Dianens Hain Bermäcbtniß deiner Schwester sein. Die Mutter wirst du sorgsam nähren bis an ihr Sterbelager fort. Auch ist noch weiter mein Begehren — " Da siel ihm Beßus rasch in's Wort. „„Du machtest mich schon jetzt erbangen, und was denn kannst du noch verlangens Bertheilest du so Stück für Stück, was bleibt als Erben mir zurück? Für Titus brauchst du nicht zu sorgen, er hat sein eigen ländlich Gut; auch ist die Schwester schon geborgen, vertraut des Ehgemahles Huth.W Der Vater beißend und unwillig sprach: »Dann ist es wohl recht und billig, daß auch die Mutter nichts bekommt.« »»Ich gebe Jedem, was ihm frommt«« entgegnet Beßus. »„Darum eben soll Titus ein Talent empfah'n, den Frsu'n will ich das andre geben; so ist der Handel abgethan."^ »Wann bist du also ausgeartet? Das, Beßus! 'hab' ich nicht erwartet. Denselben, die aus einem Blut, mißgönnen, ein gebrechlich Gut! Doch hast du ja nichts vorzuschlagen; ich lebe — alles ist noch mein, und sollst du Ähnliches noch wagen, so wirst du — gar nicht Erbe sein.« »»Was?! Gar nicht Erbe sollt' ich werde»? Das nun der Lohn für die Beschwerden, so ich allein für dich ertrug, seit deine Kraft das Alter schlug?«« „Wie? Meintest du das nicht zu schulden? Gab ich dir nicht das Lebenslicht? Mit den Erzeugern zu gedulden, ist eines jeden Kindes PflichtF 81 »»Doch darf ich jetzt den Lohn begehren."" »Daß meine Ohren fühllos wären! Du thatest alles nur um Lohn? Hinweg! du bist nichtmehr mein Sohn. Verweht auf Treue flieht mein Glauben, weil du, verstellter Böfewicht! selbst dein Geschwister willst berauben, und ehrest Leinen Vater nicht." »Zwar meine alten Knochen zittern, doch mein untadelhaft Erbittern Wird Kräfte mir genug verleih'». Beim Volkstribune sprech' ich ein, will laut des Undanks dich verklagen; und soll man über solch Vergeh'n das Haupt vom Rumpfe weg dir schlagen, ich werd' es kalt, wie Brutus, seh'n." Urplötzlich mahlten wild und wilder mit Höllenfarben sich die Bilder der Strafe, Armuth und des Hohns im aufgeregten Hirn des Sohns; und rasend mit erstickter Helle, mit blutentleertem Angesicht, schrie Beßus: »„Halt, von dieser Stelle, -beim Haupt Megärens, kommst du nicht!"" Ein furchtbar Schauspiel ward. Es rangen ein schwacher Greis mit bleichen Wangen, und seines. Sohnes sünd'ge Glut in eines frevlen Kampfes Wuth. Sogar die Kunst mit stummem Grauen zieht ihren Himmelsschleier vor; * 82 nicht laßt sie eine Szene schauen, die aus der Hölle stieg empor. Zuletzt, von blinder Wuth gezwungen, traf, die er vorerst hoch geschwungen, des Beßus Keule gar verrucht auf Vaters Haupt mit schwerer Wucht, Bewußtlos sank der Alte nieder, aus offner Wunde quoll dqs Blut, es schloßen sich die Augenlider, es starb der Lippen letzte Glut. Auch Beßus mit unstä'tem Schwanken, selbst ohne Leben der Gedanken, stand mit verzerrtem Angesicht, und wollte fort und konnte nicht. Alsbald begann, verhüllt in falben Gesträuchen, mit so Hellem Klang zu zwitschern eine Brut von Schwalben, daß gellend es zum Ohre drang. Da öffnete die Augenlider Wolumnius dem Tage wieder, und stammelte, halb leblos schon, dieß Schreckenswort an seinen Sohn: »Und wenn umsonst mein Herz zur Rache nach Zeugen dieser That entbrennt, vernimm du nur der Schwalben Sprache, die laut dich Vatermörder nennt!« »Und sei verflucht in diesem Leben! Des Windes Hauch, des Laubes Beben, dein Selbst soll dir zum Schrecken sein, 83 und unabläßig »Rache!« schrei'»! Und wenn die gräulichste der Lhalem man nicht im Angesicht dir liest, die Schwalben werden dich verrathen, wenn abgelaufen deine Frist!" Der Sohn entsprang mit heft'gem Grauen,' lief sinnlos fort durch Wald und Auen; er gönnte sich nicht auszuruh'n, und wußte nimmer, was zu thun. In seine Heimat sollt' er gehen? dort fragt man, wo der Vater blieb — den Mord dem Richter eingestehen? das wehrt ein schnöder Lebenstrieb. All sein Bemühen, all sein Sinnen erfand nichts Gutes zu beginnen; in seiner Brust war keine Ruh, dem Troste schloß sein Herz sich zu. Der Tag erschien mit neuen Plagen, wenn schreckenvoll die Nacht entwich. ,,„O, ha'tt' ich ihn doch nicht erschlagen!"« so wünscht' er ost vergebens sich. Jndeßen fanden Wandersleute, die auch gen Bajä aus der Weite voll Hoffnung setzten ihren Fuß/ die Leiche des Volumnius. Sie wuschen sorgsam deßcn Wunde, doch längst erlosch das Lebenslicht. Sie zogen fort und gaben Kunde vom Vorgefallnen dem Gericht. 81 Doch wie den Thä'ter jetzt erfahren, weil Spuren nicht vorhanden waren? Kein Räuber hat die That vollführt, denn das Gepäck war unberührt. Hat gar ein Freund den Freund, vor blinden Begierden fühllos, umgebracht? — Man sendete nach allen Winden die Späher aus in Wald und Nacht. Vom finstern Gott herumgetn'eben, und von der Furien Geißelhieben kam Beßus martervoll umfaust, wo des Vulturnus Welle braust. Dort stand ein gastlich Häuschen offen; der Hunger zehrt' ihn halbtodt aus, daß furchtlos bald und ohne Hoffen ep näher trat zum stillen Haus. »Du bist wohl matt von weiter Reife. Mach' dir's bequem auf heim'fche Weife, du sollst bei mir willkommen sein! " so sprach der Wirth. Sie traten ein. Doch gleich beim Eintritt mit dem Stabe stieß Beßus an ein Schwalbennest, so über'm Thor am Architrabe im Vorhaus schwebte keck und fest. ' Aus ihrem Frieden aufgewecket, durch die Erschütterung' erschrecket, begann die ganze Schwalbenbrut zu zwitschern laut vor Furcht und Wuth. Da fuhr's dem Mörder durch die Glieder, das Mark gefror ihm im Gebein, 85 UNZ seines Busens tolle Hider Lab den Gedanken schnell ihm ein: »»Spricht wirklich dieser Vögel Sprache daß ich ein Vatermörder bin? Muß jetzt ereilen mich die Rache, die schreckliche Vergelterin.? Noch ward vielleicht es nicht verstanden,"^ Und mächtig führt' er einen Stoß, daß sich die armen Vögel wanden getödtet in des Nestes Schoß, Da sprang, von solcher That entzündet , die nur in böser Lust sich gründet, mit heftigem, gerechtem Grimm ein Diener des Gerichts zu ihm. „Was haben, elendster der Wichte! die Vögel dir zu Leid gethan? — Die Schrift in deinem Angesichte zeigt sehr viel Gutes mir nicht an." »Ich möchte mit Gewißheit sagen, du hast Volumnium erschlagen." Auf solche Worte — sonder Siny sank Beßus gleich zu Boden hin. Ec ward dem Richter übergeben, gestand die Unthat, und voll Schmach bezahlt' er dann mit seinem Leben, was zinst am Vater er verbrach. 86 LieSchrvs VN s n g e n. Ich schaue sinnend, Mädchen! deine Wangen? und mich durchwallt ein peinliches Entzücken. Nie sah so schon ich überm Mpenrücken das Frühroth, .eh der Tag emporgegangeI. Und Liebesgötter seh' ich da voll Bangen aus ihren Grübchen schlau hervor sich bücken, des Spähers Herz mit Wohllust zu beglücken, zu quälen mit der Sehnsucht Glutverlangen. Auch meine Wangen waren einst gerothet. O halt' ich stets gesparet mein Bemühen, in's Auge fester, Holde, dich zu faßen! Hab' ich mich selbst, hast du mich da gttödtet? Da sah ich deine Wangen hoher glühen, die meinen aber seit daher erblaßen. 87 Die Insel ver Glücklichen. Als ich in der Kindheit Tagen nur so wenig noch verstand, hort' ich schon so vieles sagen von dem schonen Jnselland. Klar ist rings das Meer und eben, wo dieß Land voll Blumen ruht, wo vom Stamnre dunkler Reben quillt der Traube goldnes Blut, Mildbewegte Friedenslüfte .athmen Lust und Seligkeit, daß auch in der Nacht der Klüfte Freude jedes Wefen weiht. Alle nähren ohne Sorgen sich von ungepflegter Frucht; jeder Kummer ist verborgen, Wird mst Fleiß nicht aufgesucht. Gold führt durch des Neides Pforte unter Brüder Zwist nicht ein; Arm und Reich sind leere Worte, ohne Deutung Mein und Dein. In dem glühenden Gehirne webet sich kein leer Gespinnst; Unschuld ziert di-e freie Stirne, und die Tugend bringt Gewinnst. 88 Dort ist Liebe kein Verbrechen, keines Eifersüchtigen Wuth wagt sich tollentflammt zu rachen an des Vorgezognen Blut. Nein, dort gibt es keinen Thoren, der der Herzen zärtlich Band, die einander auserkoren, fühllos trennt mit rauher Hand. Was, von Menschlichkeit bezwungen, Willenlos das Herz verbrach, sieht, von Mitgefühl durchdrungen', liebevoll der Gegner nach. Nie vereitelt wird ein Streben Lurch des Glückes Launenspiel. Hier schon lebt ein himmlisch Leben, wem ein solches Loos entfiel! Doch — wo bist du Land der Wonne! so den Fluchen sich entwand? Strahlt dir auch dieselbe Soyne? wundersel'ges Zauberland! Mär' es mir vergönnt, zu finden dein elisifches Gebiet: Allen wollt' ich mich entwinden, die mir gut sind, nahm' ich mit. «s Liebchens Munv.. Wie dieser liebe Mund von Purpur glüht, Her Rose gleich, die eben aufgeblüht, gleich dieser Honig trägt auf zarten Lippen! Im Feuerkuße still davon zu-nippen, p Seliger, Hem solches Loos erblühtl Doch ja! das wäre garzuviel für mich. Dein SMger, Liebliche! bescheidet sich, Laß nicht zugleich er alles Glück verlange. Erlaub' ihm einen Kuß nur auf die Wange, und stüstre still ihm zu; Ich liebe dich,! M Die Wrüver bon AtättenSer§. Wie Kas Wasser und die Flamme haßten unversöhnbar sich Waldemar und Friederich. Nicht, daß sie aus einem Stamme milderte die blinde Wuth, ja desselben Vaters Blut, das in Beider Adern rollte, und der Name „Bruder" Wand nicht den Mordstahl aus der Hand, der ihr Haus vertilgen sollte. Und der Vater sah mit Grauen auf der Söhne Zwist herab. Was er auch sich Mühe gab, deßen Wurzeln auszuhauen, stets blieb fruchtlos sein Bemüh'n, seines edlen Zornes Glüh'rn und zum Sterben warf den Frommen auf das Todtenbett der Gram. Eh die letzte Stunde kam, ließ er Beide zu sich kommen. „Eure Schuld ist, daß ich sterbe, aber doch nicht meinen Fluch schreibe Gott in's Richterbuch, meinen Segen nehm't zum Erbel 8 L Aber ja vergeßet nicht, was mein Mund jetzt zu euch spricht ! Laßet ab vom tollen Grimme, kehr't in Liebe jeden Groll! Was von tobten Lippen quoll, ist des Himmels heil'ge Stimme.^ Und dec Pulse Schläge ruhten, es entfloh der Wärme Rest; aber wunderbar und fest, wider Hoffen und Vermuthen, Kahl sich der Versöhnung Lust in des sanftern Friedrich Brust» „Ueber unsres Vaters Leiche knüpfe sich das Bruderhand! Gib versöhnt mir deine Hand, wie ich dir die meine reiche!" „„Soll ich mit mir selber brechen^" gab zurück ihm Waldemar, „„weil des Vaters Grille war, .eben solches Wort zu sprechen? Wenn cs Sprache Gottes ist, wie er wollte, warum fließt, auch vom Himmel mir gegeben, all mein Blut so rasch und laut, daß, wenn dich mein Äug' erschaut, sich zum Mord die Hände heben?«« »»Und wenn dir daran gelegen, nicht zu schüren eine Glut, die nichts löschen mag — wie Blut, meide ja mich allerwegen! 92 Was -as Erbrecht dir -verschaff nenn' ich nichtig, ohne Kraft. Als der ältere an Zähren herrsch' ich nunmehr unumschränkt; drum hinaus den Schritt gelenkt, willst du nicht Gewalt erfahren!"" Stumm, dach mit versöhntem Wicke, aus dem väterlichen Haus wankte Friederich hinaus; und nicht zürnend dem Geschicke, denn des Abgeschiednen Wort sprach fm Herzen mahnend fort, ferne vom verworrnen Strebey, -von der Menschen eitler Pracht, sucht' er in des Waldes Nacht Fine Höhle, drin zu leben. Doch nicht lange sollt' cs wahren. Auf der Erde weites Grab fenkte Dunkel sich herab von des Himmels Abendsfären. Auszutaumeln den Genuß, fetzte Waldemar den Fuß aus dem prunkenden Gemache; Lam zum Ort heran, wo tief Friederich und sorglos schlief unter schwankem Felsendache. Er erkannt' im schwachen Schimmer seines Bruders Angesicht; aber es erweichte nicht ihn der Menschlichkeit Gewimmer, 93 ble so laut um Mitleid bat, Nicht des Sanften edle That, Sicht der Reue heilig Wesen, die voll Ruhe, voll Geduld, sbzutragen ihre Schuld, freie Armulh sich erlesen.- „Will so nahe Mir die Schlange" rief er „bauen sich das Nest, daß ob ihres Hauches Pest ich zu athmen selbst erbange?" In der Rache Leidenschaft mit des Fußes Riesenkraft stieß er auf des Felsens Bogm; nieder dröhnt' es alsofort, und ein Bruder mar durch Mord um des Lebens Wahn betrogen. Aber aus dem Blut des Tobten, das am Boden rauchend quoll, nWehe" wimmernd es erscholl. Zischender Gespenster Rotten schlugen zürnend durch die Nacht ihrer Flügel düstre Macht; und mit schreckenhaftem Grausen hörte das bestürzte Ohr aus der Baume Laub hervor „Brudermörder! " gräßlich sausen-. Won Entsetzen hingeschmettekt Waldemar zur Erde sank, wie die Tanne, stark und schlank, wenn es grimmig-tobend wettert, 94 Seiner Geister letzte Kraft war gefeßelt und erschloßt, daß er martervoll nur träumte von der That, die er vollbracht, bis des Morgens heitre Pracht das Gebirg mit Gold umsäumte. Jetzt mit mehr entwölkten Sinnen sah er, so zum Himmel rief, Blut, vom Tag erleuchtet, tief in der Erde Spalten rinnen. Da wohl plötzlich in der Brust starb des Haßes böse Lust; aber dieses Fluches Stimme, Rachsucht! eben auf dir ruht, daß nur nach verströmtem Blut deine Teufelsgier verglimme. Aus zertrümmertem Gesteine, aus des Dunkels na'cht'gem Flor, grub er an den Tag hervor die zerschmetterten Gebeine. Küße von der Seele Grund goß er auf den blut'gen Mund. ^Kannst du eine That vergeben, die um Sühnung mächtig ruft?« sprach er jammernd, doch die Lust blieb ihm taub und ohne Leben. Zu der Asche seiner Väter setzt' er den Entschlafnen bei. Daß es ihm ein Denkmahl sei, «in Altar für fromme Beter, 95 ließ des Marmelsteins Gewalt in des Heilandes Gestalt schwebend er darüber thürmen, zu entledigen das Herz von der Neue heftigem Schmerz, von den friedenslosen Stürmen. - Doch nie fand er Ruhe wieder. „Siehst du mit dem Marterkranz" sprach er „von des Himmels Glanz unverföhnbar auf mich nieder? Heil'gcr Schatten! du hast Recht. Deine Hütte, klein und schlecht, hab' ich Vir sogar zerstöret, rind, von deinem Raube groß, berge mich ein stattlich Schloß? Ist nicht das, so dich empöret?" „Ja — befriedigt sollst du werden!" llnd des Feuers lichten Brand warf er selbst mit fester Hand und mit ruhigen Geberden in der Ahnen Burg hinein, daß mit blutig-rothem Schein sich zum Himmel hob die Flamme. Arm sodann zum Gnadentron wallt' er, wo des Menschen Sohn sühnend starb am Zederstamme. Mancher, der in öden Schlünden, wo die Gurk sich wälzend rauscht, . arg des Wildes Tritt belauscht 96 in des Wildes schwarzen Gründen, sieht noch jetzt den Sta'tttnberg, einst des Bauherrn rühmlich Werk, ganz zertrümmert und vernichtet. Niemand hat gehört, gesch'n, was mit Waldemarn gescheh'«, aber — Gott hat schon gerichtet. ") 2» Unterkrain, eine schwache Stunde »en der Kreisstadt Neustadt!. ") Genealogen und Chronisten, bei deren einigen er auch unter dem Namen „Wild» vorkommt, geben seinen To» verschieden' an. Nach etlichen ist er in einer zwischen dem Herzoge Albrecht von Oestreich und den auseührifchen Steiermärkern' im Jahre 1291 vorgefallenen Schlacht ge¬ blieben ; nach andern ist er in einem Slusie ertrunken; und noch andere wollen, das; er in Palästina aus unbe¬ kannt« Art umgekommen seu Zieh - 97 Liebchens Augen. Dieß blaue Äug', an dem mit Glutverlanzen so ost von ferne meine Blicke hangen, wie sieht- es wunschlos, ruhig vor sich hin, dem Himmel gleich, dm Wolken nicht umzieh'»! O Glücklicher, der ohne Scheu und Bangen sich dürste- nah'», die Holde zu umfangen , frei dürst' in diese lieben Augen seh'», und, spiegelnd sich darin, vor Lust vergeh'»! Ich bin es nicht; undwerd' ich's in der Lange? Zwar übst du nichtmehr die gewohnte Strenge: dein Auge blickt so mild und rein aus mich, und doch vor Wehmuth wölkt das meine sich. Gedichte o. Hugo vom Schwovjihale. 5 98 Die Wir s ch j a g v Horch! was für Töne drangen sich zum Ohr? Was will des fahlen Laubes herbstlich Rauschen? Was immer komme, laß't uns näher lauschen! — Der edle Damhirsch bricht erzürnt hervor. Berührend kaum des Grases höchsten Saum bewegt er blitzschnell seiner Füße Glieder, am Rücken legt er das Geweihe nieder, und bleich am Maule hangt ihm Todesschaum. Du edles Thier! vergebens mühst du dich. Es folgen mordbegierig dir die Hunde; der Schuß entfährt, und aus des Herzens Wunde erschöpfet bald des Lebens Quelle sich. — Doch stirbt er. nicht mit feigem Sklavensinn; im Tode läßt er noch mit heft'gem Wühlen die Mörder des Geweihes Schärfe fühlen und selbst besiegt geht er als Sieger hin.. 99 Und noch hast du nicht verstanden, was in meinem Herzen glüht, was mit immer engem Banden mich zu dir, Geliebte, zieht; was mir überall hienieden, ost im Traume selbst, sich zeigt, was mir nahm der Seele Frieden, mir das Haupt zur Wehmuth neigt! O, du würdest sonst nicht weilen, nicht die Lust dir selbst verbeu'n, würdest in den Arm mir eilen, und dich der Umarmung fceu'n; würdest meine Küße trinken, wie i'm Geist ich deine trank, in ein Wonnemeer versinken, wie im Geist ich schon versank. Würdest überzeugt gestehen, daß nur Glück mit Liebe geht, daß man keinen soll verschmähen, der um Gegenliebe fleht! — Aber stemmt es, daß ich sage, was aus tiefem Herzen ruft? Keine Antwort meiner Klage gibt die regunglofe Luft. _ 5* 100 Nie W ä r e n j s s v. Dort, sehet hin zur wild - verwachsenen Kluft, die hohe Felsen drohend uberschwebcn! Es regt sich-doct ein ungewohntes Lehen , und widertonend schallt es durch die Lust,. Es bellt umher der Hunde flinke- Schaar, und kecke Jäger steh'n im dichten Kreise, herauszulocken auf erprobte Weise aus ihrer Kluft.,, wo sie verborgen war, die rauhe-Bärinn mit der grimmen Brut. Doch nicht so leicht und friedlich will sie laßen von ihren Jungen, die sie scheu umfaßen, vertheidiget sie wie ihr eignes Blut.. Es fallt wohl Schuß auf Schuß in ihre Kluft, doch sie vermögen nur mit Blut zu röthen, nicht aber das. gefaßte Wild zu tobten, sie donnern laut, doch nutzlos, durch die Luft. Die Hunde hetzt man-in-die Gruft, hinein-,, um-ihre spitzen wohlgeübten Klauen der Feindinn packend in's Genick zu hauen, doch manchem muß es zum Verderben sein. Das Wild, verachtet selbst, der Feinde. Chor und ihrer Waffen mord-begierig Streben; indeß die rückgelaßncn Jungen beben-, tritt aus der Kluft beschützend cs- hervor: und kämpft erbittert einen offnen Kampf, kämpft einzeln gegen grimmer Hunde Biße, 101 und gegen Schwerter und gestählte Spieße, und gegen ungewohnten Pulverdampf. Doch was will Faßung gegen Überzahl? Der Tapferste muß öfters unterliegen. Zwei Loose sind: „Verlieren oder Siegen" und meist dem Glücke nur gebührt die Wahl. Die Mutter starb, vom Blut der Feinde roth, was wollet ihr? ihr unerfahrnen Kleinen! Ihr könnet ohne Widerstand nur weinen., und euer Schicksal ist gewißer Tod. 102 Der Minnesinger. Sonst als ein muntrer Knabe, die Zither an der Hand, durchzog am leichten Stabs ich manches fremde Land. Nichts nannt' ich mein hienieden, als was ich mit mir trug, und doch, damit zufrieden, befaß ich ganz genug. Bon Liebe fang ich gerne, und kannte sie noch nicht; auch von dem schönen Sterne in Liebchens Angesicht. Einst führte wohl die Tücke des Mißgeschickes bloß mich über Steg und Brucks in eines Ritters Schloß. Dort griff ich bei dem Mahle in's Spiel mit rascher Hand; zurück im hohen Sale gab vierfach es die Wand. Aufeinmahl sah ich, Blitze im Äug', und dennoch mild, am hohen Polstersitze ein lebend Serafbild. 103 Am Ende siel mit Grauen mich der Gedanken an: Worauf will der vertrauen, der nichts als singen kann? Umsonst mit solchem Muthe bist du für sie entflammt, die aus so edlem Blute des reichsten Ritters stammt. Da sank die Hand mir nieder , die Zunge ward zu schwer; wohl singen mocht' ich wieder, doch nicht gelang es mehr. Ach! meines Innern Treiben erfaßt kein sterblich Wort. Nicht gerne wallt? ich bleiben, und doch nicht könnt' ich fort. Ich stürzte fort; vergebens — es blieb mein Herz zurück, mit ihm des früher» Lebens umsonst- beweintes Glück. Wieweit ich auch gedrungen, noch hängt mein Geist an ihr; wieviel ich auch gesungen, nicht Ruh' ersing' ich mir. lor Die Asgv suf ven SSer. Dort setz't den Eber! Drohend heben sich ihm Borsten auf dem hochgewölbten Rücken, und blanke scharfgebvgne Hauer blicken aus seinem Rachen kühn und fürchterlich. In wilde Hast entbrennend stürzet er entgegen den mit List gespannten Netzen, und seine Zähne, die so scharf verletzen, eröffnen ihm den Durchgang nicht zu schwer. Zerrißen, wie ein luftiges Papi-er, läßt er zurück die ihm gestellten Schlingen. Wie aber wird es wohl ihm jetzt gelingen? ein neues schlimm'res Übel wartet hier. Der Jäge» ist es, der, gestützt auf's Knie, so er mit schnell-gefaßtem Geist gebogen, das wohlerprobte Jagdfchwert vorgezogen. Das Ungethüm erschauet ihn, und wie des Blitzes ungestümer Feuerstrahl, von nie-versöhntem Todeshaß durchdrungen, Wird es zu seinem Feinde 'hingezwungen, der es erwartet, ungerührt wie Stahl. Unkluges Thier! was will dein roher Muth! Du stürzest nur dich selber in's Verderben; des, kühnen Jägers mordend Eisen färben wirst du mit deines eignen Herzens Blut. 105 Wo nicht der Klugheit Tugend mit erscheint zu der Gewehre kämpfenden Gewalten, da wird wohl selten sich der Sieg entfalten; wohl dem, der beide mit sich selbst vereint! 106 Vergißmeinnicht. Wenn der Nacht geschwärzte Flügel schwinden, und das Frühroth aus den Fluchen steigt; wenn der Mittag sich am Himmel zeigt über dieses Lebens Jrrgewinden; Wenn die Nerven schwächlicher empfinden, von des Tages Mühenlast gebeugt; wenn die Sonne sich zum Grabe neigt, und im Schlaf die Augen still erblinden: Stets an dir, die oft mein Lied benennt, hangt mein Geist, und wird nicht von dir lenken, wenn des Daseins letzter Funke brennt. Müßt' ich mich in deinem Angedenken, in Gefühle, die ein Gott nur kennt, müßte dec Gedanke mich versenken» 107 Tov für Tov. Jahr 880. „Was?! Bin ich selbst nicht Mann genug, so ich bis jetzt geführt, zu schützen vor Gemalt und Trug ein Volk, wie stch's gebührt? Was soll ich da, mir selbst zum Hohn, ein Lehrer sein für Ruriks Sohn? Der letzte Zweig verderbe! Der Knabe Igor sterbe!" „Doch aus dem ganzen Reußenvolk mein längstes Wählen traf euch beide nur, dich, ZaroPvlk! und dich, mein Swiatoflaw! Verschwiegen, treu und klug seid ihr,' drum nahm ich euch zu Freunden mir; in eure Hand gegeben ist meines Mündels Leben." So redete die Diener zwei der Reichsverwefer an. Die eilten , daß sein Wille fei, der grause, schnell gethan. Zu Igor traten sie in's Haus, „Komm, süßer Junge, komm heraus! 108 Was hockst du hier verborgen am schönsten Sommermorgcn?"-- »Behaucht vom warmen Mittagswind zerrann am Feld dec Schnee; befreit von eisiger Decke sind die Fluthen all im See. Schau hin, wie nebellos und mild im Waßer strahlt der Sonne Bild, wie sich die Ente schaukelt, von leichter Brut umgaukelt!" — Und wie sie kamen allzumahl zum See-Gestade hin, da zückten den entblössten Stahl die Mörder gleich auf ihn. Er aber trat zu kurzem Glück um einen schnellen Schritt zurück, bestürzt an allen Sinnen. „Was wellst ihr da beginnen?" „„Du schaust den letzten Sonnenschein; dein Leben muß daran.«" „Beim Himmel nicht! das kann nicht sein. Mas hab' ich denn gethan?" „„Was deine Schuld, beirrt uns nicht, wir üben nur, was unsre Pflicht. Bon Olek ist dein Leben in unsre Hand gegeben."" „So war dein Mund, o Heichlerbrut! von Schmeicheiworten voll, daß deine Hand in meinem Blut L»9 jetzt roth sich färben soll?" „»Nicht anders ist der Lauf der Welt' Wer mehr, als noth, auf Freunde hält, ist selbst in's Netz gegangen, kann Beßres nicht verlangen."" „So soll ich denn so jung und zart in's kalte Grab hinein?" „»Es ist wohl etwas schwer und hart, doch kann's nicht anders sein."" „Nie hab' ich Böses euch gethan, o laßet mir des Lebens Wahn! Geh't hin zum Ohm, erzählet, ich liege schon.entseelet!" „»Ei, das verstehst du, Knabe! nicht. Des Mannes einfach Wort ist unerläßlich-heil'ge Pflicht."" „Doch nie zu Meuchelmord. Es lebt ja überm Wolkenpfad ein Rächer jeder blut'gcn That; der wird euch mit verderben." „„Er mag,' doch mußt du sterben!"" „Ach — sterben! Ist es doch so schwer, daß schon im ersten Blüh'n mir schlagen soll der Puls nichtmehr, der Wange Roth verglüh'n. Verschonet doch mein junges Blut! Euch treibt ja nicht Hiänenwuth; ihr habet selbst nicht minder Klieb'te kheure Kinder." . „Ich weiß, was meinen Ohm verführt; er sucht des Trones Recht, was Niemandem, als mir, gebührt, für's eigene Geschlecht. Er nehme meinen Herrscherstab, vom Trone steh' ich willig ab. Soll das ihm nicht genügen, ich will mich mehr noch fügen." „Wo nie des Eises Hülle bricht, stets Schnee vom Himmel fallt, und karg des Nordes traurig Licht die ew'ge Nacht erhellt; wo kränkelnd kaum die Flechte, sprießt, der Eisbär nur mein Nachbar ist: hin will ich rachlos ziehen, sein zürnend Äug' zu fliehen." „O, sag't ihm das, denn euer Wort mag ungebrochen sein! Er ist ein Mensch, wird alsofort erschüttert mir verzeih'n." — Die Männer wurden beide weich, beriechen sich und wurden gleich, daß einer heimwärts gehe, zu fragen, was geschehe. Den grinste donnernd Olek an: „Was?! Eines Kindes Fleh'n reißt, Memmen! euch aus eurer Bahn? Mein Wille wird gescheh'»! Des Knaben abgeschnittne Hand begehr' ich mir als Unterpfand, ltl daß ihm der Tod gegeben; ihr hastet mit dem Leben." Und Jaropolk mit ernstem Blick kam mit der Post daher, bedauert' Igors Mißgeschick; doch dieser bat nichtmehr. „Nun — wenn ich wirklich enden soll? sei Gott mir mild und gnadevoll! Zn seine Hand empsehle ich meine arme Seele." „Der aber mich ermorden laßt, dem ich nicht trotzen kann, bereit' auch sich das Todessest, eh noch ein Jahr verrann! Er stell' aus seiner Sünden Pfuhl sich dann vor Gottes Richterstuhl, dort findet er als Kläger den letzten der Waräger. *)" „Nmr senket ein den Meuchlerstahl mit feiger Tigerlust!" Und Beider Eifen allzumahl durchgruben feine Brust. Zu Olck brachten sie als Pfand des Knaben abgeschnittne Hand; auch deßen letzte Worte, chvor man ihn durchbohrte.- ') Insofern er der einzige noch vorhandene Sproßling der er¬ sten warägische» Fürsten Rurik, SineuS and Trn- wor war 112 Nach langem starrem Winterschlaf der Sommer neu erschien. „Laß uns, mein lieber Swiatoslaw, dem Qualm der Stadt entflieh'«!" Und aus der Stadt Ladoga flink der Diener mit dem Fürsten ging; am See in weißem Scheine gewahrten sie Gebeine. Da sprach denn Olek: „Siehst du nicht? Das that, ich sag' es dir, gewiß ein räuberischer Wicht." «„Herr! Igor schlummert hier."" „So? Nun — da fällt mir's wieder ein, heut muß cs eben Jahrsfrist sein; doch scheint mein Tod noch ferne. Profeten prahlen gerne." Und redend stieß er mit dem Schuh den Schädel ohne Haar, wo eine Schlang' in siäter Ruh im Nest verborgen war. Die sprang hervor, zerstach den Fuß des Grausamen mit gift'gem Kuß. Eh ganz der Tag entwichen, war Olek schon verblichen. 113 Die Sterne ves Friedens. Nach dem kraSmfchsu des Doktors Proschörn. So wie , ein Spielball heftiger Naturen, wenn in des Meecgeheul zu nächt'gsr Stunde der Donner schreit aus schwarz-uMwölktem Munde, nach euch der Schiffer späht, ihr Dioskurenl Weil, wie sich zeigen eurer Sterne Spuren, der Gräu'l verstummt vor eurem Brüderbunde, der Friede nah't^ die Waßer in der Runde sich freundlich ebnen wie' beklumte Fluren: So wart' ich, Liebliche! mit Elutverlangen, die blauen Lichter deiner Augensterne mit seelenvollm Wichen aufzufangen; -- Damit aus meines Schicksals bitterm Kerne mir Ruh' entblühe mit den Eggelswangen, die schützend leitet durch des Lebens Ferne. Ut Än Lottchens Tovtenbettc. Lachftnbiirg, «in 16. Miirz -1828. Schon Mit hohem Svnnenschimmer strahlt der Mittag auf dein Zimmer, und so tief noch schlummerst du? Lockt dich nicht der Wirbelklang der Lieder, daß du auf der Sehnsucht Flügeln wieder eilest den entthauten Fluren zu, und dem Glutendrang der Freude, die dir lacht im nie-befleckten Kleide, laßest ihren freien Lauf? Wache, Lottchen, Lottchen, auf! Süßes Mädchen! schläfst du gar so tief? Hortest du den Freund nicht, der dich rief? Soll ich mit der Hand dich rühren? Nein, nicht doch ! Warum ihr den Schlaf entführen? Ledig von des Staubes Zoch schw-bt sie auf des Traumes Flügeln jetzt vielleicht in schönem Regionen, wo an ewig neu beblümten Hügeln hochverklärte Geister wohnen- Wie sie schläft , so lieblich, wie die Blume in des Haines tiefstem Heiligthums 115 unbemerkt und duftend blüht, still und hehr wie ihr Gemüth! Ruhe sanft, du eines Engels Hülle! Stille! Stille! Aber darf ich — darf ich wagen, was mein Herz durchbebt, zu sagen? Mir wird grauenvoll und bang. Dieser Schlaf ist unnatürlich-lang; und fast dünkt es mich zu Horen, wie die feierliche Luft schneidend in das Ohr mir ruft: »Fruchtlos wagst du sie zu stören! Aus der Nacht, die den Todesschlaf gebracht, ist kein Sterblicher erwacht." Ist sie todt? Heiliger Gott, gib mir Klarheit! Ist es Wahrheit, oder täusch' ich mich , daß mildes Lächeln noch um ihre Lippen schwebt, daß noch mit des Odems Fächeln wechselnd sich ihr Busen hebt? Weh mir! Was, ihr argen Sinne! zaubert ihr mir trügenv her? Wie die Flut!) des Auges rinne, all umsonst! — Sie lebt nichtmehr! — Sähet ihr sie, wenn sie glühend von des Lebens Wonne sang, wenn im Tanz, wie Hebe blühend, H6 kunstvoll sie die Sohlen schwang; wenn sie mit des Jünglings Wagen, und dabei doch weiblich-mild, in dem Forste ging zu jagen das emporgescheuchte Wild? Kommet, kommet nun hieher! Aus den festgeschloßnen Äugen könn't ihr nimmer Wohllust saugen, ach — sie selbst sieht euch nichtmrhr! Und die Hand, die mit Gewalt, doch so zärtlich , sie geschwungen, wenn sie grüßend euch umschlungen,' diese — diese Hand —-ist kalt! — Sieh, zerknickt die Rose! Mutter! Mutter! und nicht haderst du mit dem feindgeflnnten Loose, sendest nicht Verwünschungen ihm zu.? Deines Glückes ganze Wonne^ die aus ihres Blickes Sonne deine Seele lechzend trank, ach! ste sank in ein leeres Nichts dahin. Jeder Weg zum Glück ist dir verschloßen., denn die goldnen Fantasie'» sind in Nebeldust verstoßen. Wohl auch strömt ein Tränenbach deiner Hochverklärten nach, und des Schmerzes Töne dringen aus der -tiefsten Brust hervor, daß sie im bestürzten Ohr gellend widerklingen. 117 Bei der Glocke Trauerklang stimmet an den Klaggesang; i leg't sie auf die- dunkle Bahre, eingehüllt in weißen Lein, und in die gelöstem Haare web't den Kran; der Lilien cin k Denn man möge schaudernd lesen, daß wie hier des Schmuckes Last eine Leiche nur umfaßt-, auch schon Sterben und Verwesen mit der Wange hoher Glut:, mit dem Arm voll Kraft und Muth, mit der Brüste die pochend schwillt, tändelnd spielt — daß, was irdisch ist, verdirbt, Liede niemahls — niemahls stirbt. 118 Die Nose. Von der Mauern Nacht geschieden wallt' ich sinnend auf der Flur, suchte den verlornen Frieden in den Armen der Natur. Weiße, rothe Farbe mahlte das Gefild in buntem Blüh'n, und das Licht der Sonne strahlte golden durch des Laubes Grün. Eine zarte junge Rose hob sich an der Quelle Rand, hingepflanzt in weichem Moose vpn des Himmels milder Hand. „Soll ich eine Blume laßen? Ach! so wenig blühen mir." Und den Finger, sie zu faßen, streckt' ich stillvergnügt nach ihr. Aber irdisches Vergnügen! Selbst der Freude keuschem Schoß ringt fick mit entstellten Zügen das Gespenst der Trauer los. Bist du drüber eingcschlafen? unbedachtsame Natur! Wolltest ja ein Mädchen schüfen, eine Blume schufst du nur. 119 Ein Geschöpf mit rothen Wangen wie die Rose, dornenfrei, das in jugendlichem Prangen seelenvoll und zärtlich sei: o — so lieb ist keine Blume in den Thälern, auf den Höh'n; in des Himmels Hciligthume sind die Engel nur so schon. L20 Die K s ch t. In hehrer Ruhe schlummert die Natur, und schweigend deckt« das Land Les bilderreichen Schlafes milde Hand. In seinem Schutz, befreit vom Harme, darf ruhen jetzt der tiesgedrückte Arme, der nie des Schweißes Lohn genoß. Es feiert alles in der Finsterniße Schoß, ein leiser Zesir nur bewegt die Lüste, und führet von der Flur gen Himmel deren Düste. Des Mondes Scheibe schimmert traurig am Firmament in düstrem Schein, den schwarze.Wolken dicht umschwimmen. Die Welt scheint unbewohnt zu sein, nur seufzen durch die Öde Geisterstimmen, und vom Gekrächz' des Uhu schaurig, indem zur Mitternacht die Glocke brummt, und in den Lüften spät ihr Klang verstummt, ertönt der Hain. Und staunend horcht das Ohr, des Todes Schauder fahren durch die Seele, und rüstig hebt sie aus dem Staube sich empor. Wohl nicht des Bleibens ist's auf dieser Erdenflur: ich höre selbst di« kleine Wiesenquelle s- 121 so wehmuthwcckend durch die Halme flüstern; ihr Waßer in des Moores lockerm Grunde verlieret sich zur Stunde, und weg ist seine Spur. Wird einst mein Leben sich umdüstern, dann wieget Zdas Lieder mich ein zur Ruh! Wenn sich mein Auge schloß, verbirg mich wieder, du Nacht, in deinem Schoß! Dann fand ich ja des Friedens Seligkeit, schloß deine Dunkelheit mein Auge zu. Auch sie schläft nun, mein fchön'res Ich. Schlaf süß, du meine Ida! Wehet linde, wie Bienenton, um sie, vertraute Morgenwinde, und störet nicht den Traum, der sanft ihr Haupt umschlich! daß mit verklärten Wangen sie heiter mag erstehen, wenn hinter grauen Höhen das Frühroth aufgrgangen. Gedichte p, Hugo vom Schtvaezthale. 6 122 Als ein Ange mir fchmerrte. Sinnend und voll Wehmuth auf dem Lager saß ich, denn der Schlummer scheute mich, und des Schreckens Bilder, stumm und hager, Drängten neu vor-meine Seele sich. Wie von nicht entsühntem Fluch getroffen- sah ich immer nur mit Gram gekrönt meiner Jugendjahre schönstes Hoffen, meine, liebsten Träume mir verhöhnt. Meinem Unstern zwang es mich zu grollen, ach ! ich weiß nicht, was ich alles that, dis ich staunend mich im lebenvollen-, freien Raume sah am Alpenpfad. Frühling , war, des Morgens sanfte Röthe lieh mir duftend ihren ersten Strahl , und des Hirten selbstgeschnitzte Flöte klang, zu mir aus feuchtem Buchenthal. Einem Himmel' gleichend, aufgeschloßen lag v"r meinem Tränenblick die Welt,' Vögel sangen, Silbcrbäche stoßen ruhig-plätschernd durch das Blumcnfcld. Und mit. leichtem lebensfrohem. Schritte, nie ein selbst sich peinigender Thor, kam mein Freund hervor, wo in der Mitte düstrer Buchen sich der Pfad verlor. ' - 123 Dieses sehend, doch nicht glaubend wieder, sank ich an das treue Bruderherz; meine Zähren tropften großer nieder, aber nimmer flößen sie dem Schmerz. „Bruder! rief ich, in des Freundes Armen, du, Natur! an deiner Mutterbrust, laßet den Verschmachtenden erwärmen, daß er fühle neue Lebenslust! " „Wenn mir schwarze Loose wieder fallen, wenn ich weinend zürne, daß ich bin, laß, geliebter Freund, zu dir mich wallet, mich in deine offnen Arme flieh'n! Denn im Spiegel deiner treuen Augen werd' ich deines Herzens Reinheit sch'n, werd' aus ihnen milde Labung saugen, in des Himmels Vorhof werd' ich steh'n." „ Eng-verschlungen auf des Berges Rücken will ich dann an deiner Seite flieh'n, mit des Auges lechzendem Entzücken all die Pracht in meine Seele zieh'»: und der Mißmuth, der das Herz umschlungen, webt vergebens seinen Nebelflor; Tränen fliehen, Seufzer sind verklungen, und ein neues Leben blüht hervor." — Wonncstunden, wo des Trostes Quelle durch das Auge »ach der Seele fließt, wo dem Klopfenden an dunkler Schwelle sich ein wunderselig Land erschließt; wo zum Aufenthalt mit Geisterwehen Gottgedanken sich den Busen wcih'n! 6* 124 soll ich euch im Bilde nur mehr sehen, soll die Wirklichkeit entflohen sein? Auge! Auge! wunderholdcr Funken, der aus nie-umflorten Höhen stammt, der, vom Späherstnn der Seraf trunken, unter hochgewö'lbter Stirne flammt, der, ein treuer Herold, laut verkündet, wie es in des Trägers Brust sich regt, und als Richter ahnungvoll ergründet, was in fremden Herzen sich bewegt! Ach! warum mit nebelgrauem Schleier wölkest du dem Jünglinge dich schon, dem in halb - gcnoßner stiller Feier zwanzig kurze Sommer erst enrfloh'n? Warum willst du dich der Pflicht entschlagen, schiebst die ganze Last dem Bruder hin? Ach! es muß, soll er allein sie tragen, -'eine Kraft doch endlich auch entflieh'». Soll ich dann schon vor der Zeit erblinden, tappend nur am Führerstabe geh'n, die mir wohlbekannte Heimat finden, ach! —> und meine Lieben doch nicht seh'n? Wenn sie hängend mir am Halse weinen, thau'n wohl Tränen auf mein Angesicht: aber meiner Augen frohes Scheinen spiegelt sich im Thilu der Liebe nicht. ' ' ' Werd' ich auf die Flur mit ihnen wallen, fühl' ich Wohl den warmen Frühlingsduft, höre lieblich und harmonisch schallen 125 tausend Stimmen durch die Morgenluft; aber was wird denn mein Äug' entzücken? Keine Blume, nicht das Grün der Au, nicht das Morgenroth am Alpenrücken, nicht des Himmels wolkenloses Blau. Ewig werd' ich an der Schwelle stehen, die des Paradieses Thor berührt, werde klopfen und verschmachtend flehen, aber ewig nie hineingefühct. Ngch den Früchten, welche vor mir hangen, nach dem Tranke, der kristallenrein, werd' ich lechzend, doch vergebens, langen, nie gesättigt, nie entdürstet sein. Eine Gattinn wird um mich nicht weinen, keinen Trost mir in die Seele weh'n, nicht in zarten unschuldvollen Kleinen wird ein neuer Tag mir aufersteh'n. Ach, vielleicht nach treuer Freundschaft Worten wird vergebens lauschen noch mein Ohr! Einsam trauert an des Lebens Pforten, wen zum Ball sich das Geschick erkor. Nimmer werden fremde Geistesblüten Hellen meine Nacht mit Dä'mmerschein, und des armen Blinden eignes Brüten wird vielleicht ein Spiel des Witzes sein. Dann, o Harfe, die schon immer trüber zu des Herzens Trauertö'nen klingt, Halle langsam meinen Geist hinüber, wo der Schleier mir vom Auge sinkt! 126 ^Heftigkeit der Liebe. Nach dem Griechischen Sapfo's. Ei» Gotterleben Hot für den begonnen, wer, dir genüber, dich darf lächeln sehen, einathmen deiner Stimme süßes Wehen, in deinem schönen Auge sich darf sonnen. Erschau' ich dich, du Urquell aller Wonnen! um all mein Wesen ist es dann geschehen, der Geist wird irr, die Zunge bleibt mir stehen, und meines Wißens Born ist ausgeronnen. Ein Feuer fühl' ich durch den Körper schleichen, doch beide Wangen farblos mir erbleichen., crloschnen Lichtern meine Augen gleichen. Die Ohren sausen, Angst mein Herz empfindet, ich zittre wie ein Halm, der Odem schwindet, und meines Lebens Dämmerlicht erblindet. 127 Des Sängers Alsge. Hochbeglückter, wem zum Geist der Dichtung sick ein immer-froher Muth verband! denn cs schlängelt sich in schöner Richtung ihm das Leben durch ein Feenland. Mag er klimmen auf beeistem Rücken, karg bedacht von zürnender Natur, doch im Geist mit seligem Entzücken wandelt er auf ebner Blumenflur. Mengt er ein sich in der Menschen Treiben, wiegt er sich im Schoß der Einsamkeit, Freude muß sein schönes Erbe bleiben, neu in ewig-frischem Zauberkleid. Mag umwolken sich des Glückes Hells, er empfindet dennoch keinen Schmerz, denn es birgt des Frohsinns Himmelsquelle unerschöpflich sein geweihtes Herz. Muthig greift er in das Spiel der Saiten, und zum Munde singt die Seele mit, denn die Worte, die den Ton begleiten, sind sein selbsterdachtes frohes Lied. Alles Schöne, das ihn angezogen, steigt geadelt aus der Brust empor; was ihm trüb sein Jnn'res angeflogen, mahlt ihm selbst nicht die Erinn'cung vor. L28 Fröhlicher begrüßt ihn jeder Morgen, lieblicher verlaßt der Abend ihn, immer, was des Busens Nacht verborgen", haucht er aus in süßcrn Melodie'n. Seelenvoll in niegehörten Klangen schallt es aufgehorcht von Ort zu Ort, spät noch in gefeierten Gesängen lebt er mit entzückten Enkeln fort. Manche Töne wohl, die spurlos schliefen, weckt' ich aus der Saiten Gold hervor, aber selten aus des Herzens Tiesen quollen heitre Lieder mir empor. O, in Jahren, die schon lang entwallten, schwang ich wohl bekränzt den Hirtensiab, aber Stürme, die noch nicht verhallten, streiften alle meine Blüten ab. Und es starb die schöne Zeit der Wonne. In der Liebe Hellem Rosenlicht, ach! selbst in der Freundschaft milder Sonne wärmte sich mein einsam Wesen nicht. Meine Rede wurde mißverstanden, schief gedeutet meine edle That, und der Falschheit Ungestalken wanden Gift verhauchend sich in meinen Pfad. Und ich warf mich so mit wundem Herzen an der Muse unschuldvolle Brust. „Ende, rief ich weinend, diese Schmerzen! Laß mich kennen deiner Jünger Lust! Darf ich nichts von all den Freuden wißen, welche in der Wirklichkeit crblüh'n, 129 laß mich jene nicht, du Gute, mißen, die nur in des Dichters Seele glüh'n!" Aber, Göttliche! ich klage wieder. Nicht genug ist mein erflehtes Glück, denn du gabst mir wohl die Kunst der Lieder, aber nicht den frohen Sinn zurück. Oder magst du, Gütige! mir grollen, daß so kühn war mein gepreßtes Herz? denn cs athmen, die mich trösten sollen, meine Lieder immer meinen Schmerz, Langte nach der Harf' ich, um zu spielen, war die Größe meines Liedes Ziel, Edle waren es, die schuldlos fielen, als der Lasterhaften leichtes Spiel. Sang ich von der Freundschaft heil'gem Triebe, Freunden galt es in der Todtenflur; träumte jemahls mein Gesang von Liebe, war's von unbelohnter Liebe nur. Seh' ich neu den Frühling wiederkehrcn, keine Blume keimt für mich empor; mit Gefühlen, die das Herz verzehren, poch' ich fruchtlos an des Lebens Thor. Mag ich wißen, daß mit Glutverlangen voll von Liebe, unverfälscht und rein, ich noch Millionen kann umfangen, nenn' ich Loch nicht eine Seele mein. Und ich welke vor den Blütentagen, ein entlaubter Baum auf dürrer Au; beb' ich freudlos, keine Weste tragen 130 mir herbe? des Mitleids Zahrenthau. Abgeschieden muß ich stehen bleiben, muß mir selbst bedeuten eine Welt; mochten Sproßen auch die Keime treiben, ach! der gute treue Pfleger fehlt» Aber sei es, wie die Götter wollen; nehmen muß ich, was sie mürrisch beu'n. Auch nicht dir, o Harfe! will ich grollen, kannst du gleich nicht trösten, nicht erfreu'«. Hörst, du doch geduldig meine Klagen, fühlst so innig jeden Schmerz mit mir; und gezwungen, Allem zu entsagen, sind' ich eine Freundinn noch in dir. 131 Die Nose. Oft mit Tranen hab' ich dich begoßen, wenn ich, Rose! mich zu dir gebückt, und du hast im Kelche still-entzückt sie bewahrt als liebliche Genoßen. Wenn dir Ida nahet und entschloßen dich mit ihrem schönen Finger pflückt, ja — und an den Busen selbst dich drückt, süße Blume, duld' es unverdroßen! Aber sollstZdu ihr am Busen weh'n, und vernehmen seines Pulses Klingen, säume ja nicht deinen Kelch zu dreh'n! Daß die Tränen sich dem Rand entschwingcn, und mit milden Peinen, ungeseh'n ihr zum ftstgeschloßnen Herzen dringen. 132 Der Kerbst. Na» rem Französischen von Alfons de la Martine. Ich grüße dich, o Wald, vom letzten Grün be¬ kränzet, dich, abgeweh'tes Laub, zu fahler Streu versengt, und dich, des Herbstes Luft! Mein Blick, der trüb erglänzet, sieht gern den Trauerflor, der die Natur umfängt. Noch einmahl will ich fchau'n, gekehrt in sinnend Schweigen, die Sonne, die nur kurz den Nebeltag erhellt, und deren bleicher Strahl durch ein Eewind von Zweigen auf meinen stillen Pfad mit karger Wärme fällt. Ja — nun, wo die Natur des Todes Grau'n um¬ schweben , nun reizt mich erst ihr Blick, den schwarzer Gram umfließt; es ist ein Lebewohl, ein letztes lächelnd Beben der Freundeslippe, die der Tod auf ewig schließt. So werd' ich scheiden, doch erwart' ich noch mit Sehnen, so nahe schon am Ziel, mein oft gerufnes Glück, 133 und schaue, weilend noch, mit einem Blick voll Trä¬ nen auf alles Schone, was ich nicht genoß, zurück. Ich scheide schwer von dir, du Erde, Haus der Wonne! Nehm't diese Zähren hin, ihr Thäler und ihr Hoh'n, ihr Lüfte, voll von Dust, du klares Licht der Sonne! Ach — einem Sterbenden ist doch die Welt so schön! O— daß ich jetzt erneut den Becher leeren dürste, deß Trank so ungleich sich in Melh und Wermuth theilt! Vielleicht, daß in dem Kelch, woraus ich Leben schlürfte, am tiefsten Boden doch ein Tropfen Honig weilt. Vielleicht, daß dennoch ich in spater Zukunft fände mein viel-ersehntes Glück, deß Hoffnung mir ent¬ schwebt , daß eine Seele doch, die mein Gefühl verstände, bis jetzt mir unbekannt, im Schwall der Menge lebt. Die Blume schenkt den Duft verwelkend noch den Winden, den Dust, mit welchem sie ihr Abschiedsopfer bringt: so sterb' ich, und mein Geist, in langsamem Ent¬ schwinden , flieht wie ein Trauerton, der angenehm verklingt. l31 Die Tröstende. Im Garten lehnt' ich an der Wand der Reben, und sah vom Hügel in die Ferne hin. In meinem peinvoll-aufgeregten Sinn durchschaut' ich da mein ganzes eignes Leben, und viel des Jammers sah ich vor mir schweben, die Lust in kleiner Schaar zurück sich zieh'n. Ich wurde düstrer, und di« Trösterin, — sie schaute lang mich, denn sie stand daneben — begann: „Du scheinst nicht glücklich mir zu sein." Ich aber gleich mit bittersüßem Lachen versehte: „Ida! gar nicht steht es fein, des Nächsten Unglück erst zu verursachen, und, daß er doppelt fühle seine Pein, ihn selbst aufmerksam noch darauf zu machen." L35 Träume unv ^Wirklichkeit. Ich denke dein, geliebte Zeit, die mich in Traumen wiegte, die sorglos mir das Knabenkleid um muntre Glieder schmiegte; wo Ummer frisch der Blumenkranz um blonde Locken blühte, und wo des Auges blauer Glanz mit Falkenhelle glühte! Voll Einfalt sah ich alles klar, verstand, was Vogel sangen, begriff dec Felsen Sprache gar, die meinem Ruf erklangen. Kein Himmel war mir weit genug, und, weil ich rückgeblieben, begrüßt' ich dort nach schnellem Flug die Geister meiner Lieben. Den Namen kannt' ich kaum von Schmerz, und von der Tücke Grauen, drum offen ließ ich in mein Herz einjcdes Wesen schauen. Ich sah der Liebe Flammenschrift auf jedem Blatt geschrieben, - und könnt' euch, Lämmlein auf der Trift! wie meine Brüder lieben. 136 Es senkten sich auf mich so hell dtk Muse Blicke nieder; melodisch wie ein Silberquell erklangen meine Lieder: und schön vom Rosenzweig durchlaubt, gereist am Helikone, verlieh sie meinem Dichterhaupt die eigne Lorberkrone. Wie war ich da so froh und reich bei meiner kleinen Habe; mir war der erste Fürst nicht gleich mit seinem Herrscherstabe: denn was nur je die Welt gebar, , und was nur Himmel zeigen, das alles , alles, alles war mir ungetheilt zu eigen. Wo bist du hin, o Rosenzeit! mit deinen holden Traumen? Ach! mußt' in solcher Flüchtigkeit dein Göttertrank verschaumen? Wie bin ich jetzt so arm an Lust und an der Seele Frieden, mit stets noch liebewarmer Brust so ganz allein hienieden! Dis Wolke schwand, die mich umfloß, daß regenbogenfarben sich jedes Wesen mir erschloß; doch auch die Schimmer starben. Nun seh' ich, für wie wenig nur all menschlich Wißen bürge, 137 und daß der Wahrheit kleine Spur des Pöbels Wahn erwürge. Des Gecken abgeschmackte Glut wird fruchtlos nie Verladern, und manches Herz, so lieb und gut, in trübem Wust vermodern. Der Heuchler dringt, von Gier entflammt, zum höchsten Heiligthume, die Freundschaft, die vom Himmel stammt, ist eine seltne Blume. In »»belohnter Dunkelheit seh' ich Verdienste stehen, und in des Ruhmes Feierkleid gemeinen Tand sich blähen. Ich seh' um schalen Goldes Klang sich jede Größe klammern, ein schöner Geist gehört schon lang in unbesuchte Kammern. Du trägst ein offen Herz -zur Schau, wie bald wirst du verrathen! Verschließ des Busens Tempelbau, umflore deine Thaten: dann martert sich die Schelsucht ab, um allerlei zu glauben, und, was die Schnöde nicht dir gab, dein Be^es dir zu rauben. So starb dahin mein schöner Traum in kaltem Morgengrauen, mein hoffnungreichec Lebensbaum 138 ist herzlos umgehauen. Von allem, was ich einst so fest umschlang in treuem Lieben, von allem ist mir nicht ein Rest, ist gar nichts mir geblieben. Wie.aber — hör' ich leise nicht aus tiefer Seele flüstern?: »Was hier sich nährt, das Gotterlicht, Wird nimmer ganz verdüstern." Ja — hat im Sturme sich mein Schiff zerschellt und tief gebettet, doch hab' ich auf den höchsten Riff mein beß'res Ich gerettet. Ich trete schuldlos aus dem Streit , und darf vor mir nicht beben. Mit Klarheit und Gelaßenheit beschau' ich jetzt Las Leben. Es hat sich unter langem Druck mein Jnn'res nur erweitert, und, fehlt mir auch des Lorbers Schmuck, mein Genius geläutert. Drum zage nicht, betrognes Herz, und sei zu stolz für Klagen! du hast für jede Lust durch Schmerz die Schuld schon abgetragen. Drum fühl' ich hoher mich beseelt, geformt aus remerm Stoffe, und fürchte nichts auf dieser Welt, wie ich von ihr nichts hoffe. 139 Tröstung. Sparsam blühest du mir, Freude! Beglückerinn! Rosen winden sich froh mir um die Schläfe nicht, Kipris lächelt nicht huldvoll mir aus Amathos Heiligthum. Trübe schleicht mir der Tag, düster die Nacht dahin - voll und ode zugleich sucht die beklemmte Brust zur vertrauten Gefährtinn , sich die stillere Einsamkeit. Aber soll ich vergch'n, weil nicht der Liebe Lust, weil das Glück mir nicht ruft, Rosen der Lenz nicht streut? Dich, Geschwister Kithärons! rührt ja leichter mein Klageton. An der führenden Hand dieser Geheiligten schreit' ich männlicher fort auf der umwo'lklen Bahn, und ob leiser die Brust nur seufzet, ist sie doch trostlos nicht. Klimmt der Weg mir zu steil, strauchl' ich von Ungefähr auf dem rauheren Pfad, o — so erhalten doch 140 ihre weihenden Arme mich am schützenden Gängelband. Ewig laßet mich euch, Himmlische, was ich nur jener strebte zu sein, die mir die Nutze nahm! dann fließt lauter mein Leben wie die Quelle Blandusiens. 144 Oer G l o ck e n t o n. Döbling, am 7. Lctober 1828. Purpurn mahlte den Himmel des Abends scheiden¬ de Rothe, langsam verstummte das Lied, so in den Lüsten er- : schallt; ' kühlend rauschte der West durch der Eiche wogende Wipfel, meine Locken am Haupt flatterten spielend umher; perlend hüpfte vorüber der Quelle leises "Geflüster, und zu ruhigem Schlaf lud es fo freundlich mich ein: da erklangen vom fernen einsamen Kirchlein die Glocken, klangen so rührend, daß ich glaubte, sie haben Ge¬ fühl. „Ruhe!" hallte der Ton, der mahnend ihnen ent¬ strömte, * aber er lullte sie mir nicht in die ängstige Brust. Schaurig ward mir und fremd, als ob mich Geister- umschwebten, und ich wurde fo ernst, ohne zu wißen warum. Schon im fröhlichen Alter der sorglos tändelnden Kindheit, wo nur ein einfach Spiel freundlich die Seele be¬ rückt, ' 142 hauchten Klänge zuweilen von dumpf - ertönender Glocke mir auf einsamer Bank ernste Gedanken in's Herz. Nimmer freute das Spiel den vorher hüpfenden Kna¬ ben, denn von magischer Hand glaubt' ich gefeßclt zu fein; zweifelnd staunt' ich dann in des Abends grauendes Dunkel, und so seltsam , so ernst schien das Gemüth mir be- tvegt. „Unglück künden vielleicht mir der Glocke wechselnde Töne, das mein friedsames Haupt schleichenden Trittes be¬ droht? Aber warum denn soll so früh schon Leiden ich kennen? blüheten mir ja doch Rosen so. wenig erst auf. Oder mahnen sie mich, von meinen Freunden zu scheiden, von den liebenden? Ach — Trennung ist herber als Tod!" — Zwar nicht hab' ich geirrt., die mich liebten, mußt' ich verlaßen, und oft neidisches Loos drückte den Jüngling herab; denn ich sollt' in den Tagen schwellender Jugend schon wißen,, daß der glücklichste Mensch nur im Entsagen gewann. Und ich dachte des Theuern, der fern auch meiner gedenket, deßen freundlichen Blick tränend das Auge vermißt. „Kind!" so sprach er zu mir „wenn einmahl höhere Mannskraft durch die Adern dir rollt, strebest du sicher empor; 143 horchst du so' gern, ja- der Glocke, die laut von der Höhe des.Thurmes aus dem Staube hinan gegen die Sterne dich ruft. Folge dem Ruse getreu! Was im vollen Herzen dir lodert, das beweise durch That! Folge dem Rufe: Empor!» Jetzo — jetzt mußt' ich, warum mit mit diesen To¬ nen voll Wehmuth mir der Glocken Mund sprach an's geängstigte Herz. »Was im Herzen dir lodert, das beweise durch Tha- ten!.» O, es schien mir die Welt immer zu eng und LU kalt! Einen Genius sah ich, flatternd in rosigen Lüften, wie er so gut mir und mild eine beglücktere wies; und ich schwebte nach ihm, gehorchte der winkenden Muse,, die in ehernen Mund lockende Worte gelegt. Was die Seele gebar — oft fühlt' ich tief es im Busen — schrieb ich mit jubelnder Hand aus das geduldige Blatt. Aber Früchte waren es nur von einzelnen Stunden, und doch »Höher empor!« hallte die Losung mir zu. Also Höheres sollt' ich, also Erhabneres wagen, denn im Großen allein thuc sich die Größe hervor. Dich, o S haks p eare! und dich, mein Schiller! sollt' ich erreichen auf der glänzenden Bahn, die ihr so rühmlich ge¬ wallt. Euch erreichen? O, zürn't nicht, Geister verblichener Barden, einem flüchtigen Wort, so mir zu eilig entfiel! 114 Heiliges Wesen, o du, du, der die unendliche Sehn¬ sucht, ihnen zu folgen, so tief mir in die Seele gepflanzt! ach! was hast du nicht auch die wunderbar schafen- de Fülle jener Kraft mir verlieh'n, welche du ihnen geschenkt? Würdige Sänger, vergebet! Ich kann euch nimmer erreichen, ha — wo blicket ihr von schwindelnder Hohe herab! Muthig will ich und wagend euere Stapfen betre¬ ten wenn auch der wankende Tritt eben im Schreiten er: stirbt. Spottet meiner dann nicht, ihr heiligen Sänger, und sprechet!: »Was er auch Großes nicht that, hat er doch red¬ lich gewollt." Bild 145 Rilv ver Geli eSte ir. Nach dem Italienischen Petrarca' s. -— /7 Auf welchem Sterne sah nm Himmelsbogen das Urbild für dieß Antlitz die Natur, durch das sie zeigen will der Erdenflur, welch hohen Grad der Kunst sie dort erflogen? War eins Gö'ttittn, deren Lockenwogen so glänzend wallten aus gelöster Schnur? Wann schlug ein Herz für so viel Tugend nur, obgleich es mich um all mein Glück betrogen? Dem war die höchste Schönheit zu erkennen noch nie vergönnt, der ihre Augen nicht gesehen, wie sie, sanft sich regend, brennen. Nicht weiß, wie Liebe heilt das Herz und bricht, wer nie verstand, was ihre Seufzer nennen, wie hold sie lächelt, und wie hold sie spricht. Gedichte v. Hugo vom Schmarzthale. 7 H6 An vas Land meiner Wcimat. Wien, am i3. Oktober 1828. Geliebtes Land, wo mit dem ersten Lallen den Arm ich um des Lebens Nacken schlang, wo mir aus besten Busens frohem Wallen in's Herz der laute Ruf zur Freude klang, wo gramlos auch aus grünbelaubtcn Hallen Acdons Lied mir in die Seele drang; es schwebt mein Geist aus rauschendem Gewühls zu dir zurück mit kindlichem Gefühle! Ihr seid mir gegenwärtig, holde Szenen! in deren mütterlichem Freudenschoß der edlern Schönheit erstem dunklem Wahnen sich meine jugendliche Brust erschloß,, wo nie mich quält' ein ungestilltes Sehnen, wo trauter mich des Glückes Hauch umfloß, wo liebevoll des Friedens Sonne scheinet, und Gutes gern mit Schönem sich vereinet. Ich grüße freundlich euch, ihr Rebenhügel ! dich , Dreihaupt, der ein ewig Schneekleid tragt! euch, Felsenbcrge, wo die schwanken Flügel der stolze Aar, die wilde Taube schlägt! auch euch, der heim'schen Flüße glatte Spiegel, in die der Himmel sein Gebilde prägt! 147 dich, feuchtes Moor! euch, satenreiche Auen! euch, Haine, voll von Geisterweh'n und Grauen! Ernst tret' ich ein in unterird'sche Hallen, von seltsamen Gestalten rings belebt, und Silbertropfen hör' ich plätschernd fallen auf matten Grund, von klarem Schmelz durchwebt; der Wandler Stimmen hör' ich auch erschallen, von denen scheu die Finsternis erbebt, die niemahls darf des Tages Helle schauen, nur dämmerlich von Fackelbrand ergrauen. Und Städte seh' ich auf begrünter Fläche, bald hingebaut zur nahen Felsenwand, bald an den Abhang sanft-bewegter Bäche; und aufgehellt durch läuternden Verstand, dem Freunde treu, nachsichtig gegen Schwache, die auch gebar dasselbe theure Land, wie froh ihr Fleiß sich anstrcngt in die Wette, und schön vereint die große Völkcrkette» Daß wahrhaft ich auf Heimatboden stände, und nicht bloß Täuschung wäre meine Lust! Jetzt grüßt' ich die bekannten Felsenwände, und sie antworteten mir unbewußt; den Lieben allen reicht' ich traut die Hände, sie preßend an die süß-beklemmte Brust: was auch die Trennung grausam mir genommen, es würde schmeichelnd alles wiederkommcn. So aber muff ich selig nur mich wähnen, bloß träumen mir des Wiedersehens Glück. Für euch entflammt sich nur mein banges Sehnen, 7" 148 euch widm' ich jeden frohen Augenblick, drum nehmet freundlich auch des Jünglings Tr§- nen-l Doch sieh — auf meine eigne Hand zurück seh' ich der Liebe treue Boten fallen, und meine Seufzer durch die Luft verhallen. Leb' wohl indcß, und blüh' in goldnem Frieden mein Heimatland, zum schönsten Glanz empor; erhebe mehr noch, was du nie gemieden, den Künstler und die Wißenschaft in Flor; ein milder Zepter sei dir stets beschicken: dann blüht ein Paradies aus dir hervor; das Leben wird im Schatten deiner Eichen dem Leben höh'rer rein'rer Wesen gleichen! 149 / Nie Türnenve. Zürnst du, Liebliche! mir? Sag', wie verschuld' ich es? Fruchtlos klärt sich mir des Himmels Azurgewolb, wenn dein wolkiges Auge Wehmuth mir in die Seel« weint. Ausgestvrbcn erscheint mir das geschäftige Weltall,' einsam umher wank' ich und wonnelos, fern der Heimat des Glückes, rmd dem eigenen Herzen fremd. Aber Ida ist mild, mild und sie zürnet nicht, sieht mich reuevoll steh'n, und mit verklärtem Wlick winkt sie freundlich-vergebend, daß ich drum nicht verzagen soll. Denn mein Fehler ist leicht, wenn er ein solcher ist-' unverfälscht ist mein Herz, Liebe verlockte mich: und was Liebe verbrochen, das entschuldigte Liebe nicht? 150 Wie Uwillingsdrüver. Wcr Horen will, der höre! Ein Mährlein künd' ich euch. Ich weiß von zweien Brüdern, an Leib und Seele gleich. Ob sonst sie immer theilten das nämliche Geschick, auf einen nur warf Doris der Liebe Zauberblick. Das wurmt den andern heftig, ertragen kann er's nicht, und eines Tags er also zu seinem Bruder spricht: „Der Len; ist schön und lieblich, der Morgen ladet ein, wir wollen uns ergehen im grünen Eclenhain.« Und wie sie schweigend komnten an eines Teiches Rand, es dürstet den Verrathnen vor heißem Sonnenbrand. Er beugt sich arglos nieder, im Herzen frohen Muth, der andre aber stoßt ihn hinunter in die Fluth. I5t Er schaut des Waßers Fläche, sie wird so still und leer; den Sokn der eignen Mutter gewahrt er nirgends mehr. O Eifersucht, du Unding, wie groß ist deine Macht! Der Bruder drängt den Bruder in grause Todesnacht. Da steht er stieren Blickes in der Verzweiflung Wahn; dann laust er scheu und flüchtig quer durch den Wiesenplan; bergauf und wieder abwärts, von jedem Laut geäfft, und sinkt erschöpft am Teiche, in dem fein Bruder schläft. „Verdient hab' ich zu sterben" er naßen Äue,'s spricht, „doch ohne würd'ge Reue — mein Gott! das kann ich nicht. Noch eine Stunde Leben, beleidigte Natur! und einen Tropfen Waßer auf meine Zunge nur!« Er schleppt sich still und langsam zum flachen Tcichesrand; und wie er vorgebogen will schöpfen mit der Hand, weis't ihm der Waßerspiegel, zwar jetzt noch schön und mild, 152 doch ganz entstellt und farblos, des Bruders Ebenbild. Da schwimmt ihm's vor den Augen. „Mein Bruder!" ruft er aus, „was schaust du mir entgegen aus deinem naßen Haus?" Er öffnet weit die Arme, und gleitet in die Fluch. Sie halten sich umschlungen, und sind sich wieder gut. 153 Die L o ek e. Nun — gestillt ist endlich mein Verlangen, dich besitz' ich, Botinn meiner Lust, Locke! die, des Glückes unbewußt, oft gespielt um Idas Rosenwangen; Die du ihren Nacken oft umfangen, der sich auf so schönem Leibe fußt, die du ihr zur jugendlichen Brust freundlich-flatternd ost hinabgehangen. O, wie gut, wie zärtlich bin ich dir! Ewig werd' ich dich am Herzen führen, denn du bist, du bist ein Theil von ihr. Durch dein leichtes magisches Berühren, werd' ich dann im vollen Herzen hier Lust, als ob sie mich umarmte, spüren. l54 Oer LNolkenbruch. Schwarz, ha! seh't ihr am Alpenjoch ersitzen l Zackig, krachend entfährt ein Blitz der Wolke, und mit mächtigem Rauschen sperret der Himmel sich auf. Heftig stürzt das Gemäßer aus den Lüften, kn den Abgrund, geschwemmt, zerstreut das Wild sich, zitternd eilet der Senne unter das sinkende Dach. Furchtbar strömt vom Gebirg der wilde Gie߬ bach. Komm't und seh't, wie daher die Fluthen brau¬ send streu'n entwurzelte Tannen über die schwindende Flur! Weh, die Hoffnung des Landmanns ist dahin! Die Elemente zerstören ohne Rücksicht; wie die strohene Hütte stürzet des Reichen Pallast. Auf dem furchtbaren Rücken führt die Woge, was die menschliche Hand mit vieler Mühe 155 schuf, in wenigen Stunden grausam vernichtet, daher. Mensch! was bist du, und was sind deiner Hände hochgepriesene Werke? — Alles, alles ist nur Staub in den Augen dcßen, der Alles beherrscht. Sich ! er spricht nur ein Wort, und Waßer stürzen aus den Lüften herab, dein Werk zertrümmernd, und cs findct somancher -,-n tief in den Fluthen sein Grab. 156 Die Liebe. Liebe, zärtlichstes der Gefühle! wo dein Odem lohnend, wie milder Zesirshauch in stiller duftender Mainacht, wehet, da nur sprießt das Entzücken. Süß wie Honigseim, rein und neubelcbend perlt im schäumenden Becher seine Welle, unversiegbar und unerschöpflich wie die Tiefen der Weisheit. Schöner mahlst du des Himmels unermeßne Bläue, lieblicher duftet dir die Rose, und mit reinerm Geflüster gleitet dir die Quelle vorüber. Seelen führst du zusammen, die in lautrer Unschuld still für einander glühen, lehrst der Eintracht, Häuslichkeit, niegestörten Ruhe liebliche Freuden; Schwellst zu Thaten das Herz für ew'gen Nach¬ ruhm , lehrest edleren Müßiggang in sanften mild-begeisterten Schwärmereien für die Stunden der Ruhe. 157 Liebe, süßes Gefühl! warum erringt man deine Wonne so schwer ost, und warum wird ohne einigen Wermuth nie dein Kelch dem Trinker geboten? Auch ich hab' ihn geschlürft, des Kelches Wer¬ muth; laß durch's Leben mich jetzt an deiner Seite wallen, tieferen Zuges seines Honigs Süßigkeit schlürfen! 158 Oie Oreunvfchrrft. Nach dem Französischen Karls Perrault. Mein Angesicht ist offen und voll Einfalt — denn fremd ist mir Verstellung und Betrug — voll meine Wange, lebhaft ihre Farbe, obgleich ihr stets das eigne Roth genug. Ich rede freundlich und mit süßem Lächeln, viel tausend Reize strahlt mein Auge aus; doch, wie ich schön bin, angenehm und lockend, in wenig Herzen hab' ich nur mein Haus. Man redet viel von mir, fast alle Menschen betheuern, mein Gesetz sei ihnen Pflicht; wie viele sind jedoch der Erdgebornen, bei denen Mund und Herz dasselbe spricht? Doch welche liebend sich durch mich entflammen, sind stets an edler Sorgfalt für mich reich; selbst alt, verlier' ich doch in ihren Augen an Schönheit nicht, sie achten stets mich gleich. Man klagt mich an, daß ich zu gern erscheine im lüsternen Gefolg des falschen Glücks: es sei; ich laße doch mich nur erkennen im leidumringten Schoß des Mißgeschicks. 159 Anter ihrem Fenster. Die Erde schweigt, die Luft ist still und leer, kein Sternlein spiegelt sich im Teiche mehr; sanft über Kieseln rollen mit kindlich-schwachem Grollen der Quelle Lispel her. Was flüstert hier, so leicht-bewegt entflieht? Was will das Lüftchen, das so schaurig zieht? Sind's Geister, die hier schweben? Die festen Nerven beben, die Seele schaudert mit. Die Nacht ist seltsam, grauenvoss und kalt, doch sieh, wie schlummerlos mein Auge strahlt! und in dem Ungewitter ertönt die leichte Zither mit lieblicher Gewalt. Was ist es, Holde! daß dein Sanger wacht, daß er so muthig schreitet durch die Nacht, und waget ihrem Grauen in's Auge f?st zu schauen? — Das ist dec Liebe Macht. Warum hat er zum Schloße sich verirrt, vor dem es bang durch düstre Ulmen schwirrt? — 160 Weil hier 'm deiner Nahe des Herzens friedlos Wehe zu Ruhe sich entwirrt. Hier steh' ich nun mit treu-ergebnem Sinn, nach deiner Kammer schau' ich rastlos hin, und süße Töne gleiten von leicht-berührten Saiten zu dir, Gebieterin»! Geliebte Schöne, du, mein halbes Ich! bist wach du noch? umfangt der Schlummer dich? O, werde wieder munter, und lächelnd steh herunter einwenig nur auf mich! Es starb schon ihrer Lampe mattes Licht. Ich horche, ob nicht freundlich jemand spricht — Des eignen Liedes Schallen vernehm' ich widerhallen, sie aber — zeigt sich nicht. Sie schlummert schon. Des Kummers Schlaiu genbiß, zerstör' nicht ihrer Träume Paradies! O, schlumm're frei von Sorgen bis an den jungen Morgen! Geliebte, schlumm're süß! I6t A M o r's Uhr. Nach dem Italienischen Gerhards de' Rossi. Höret einmahl! Amor übermachte eine Uhr mir, seinem Knecht. Müßt' ich doch, was er dabei sich dachte! Seine Uhr geht niemahls recht. Denn ihr Zeiger kreist mit Blitzes-Schnelle, wenn in Wonne schwelgt das Herz, und bewegt sich fast nicht von der Stelle, wenn im Busen tobt der Schmerz. 162 Der U u H. Sitzen wir gedankenlos beisammen, was sich dann so neu mein Wesen spürt, wenn, erglühend von der Liebe Flammen, Ida! deinen Mund mein Mund berührt? Warum kettet dann an deine Lippen mächtig mich ein unbekannter Drang? Warum mochte dann ich ewig nippen von des milden Hauches Ncktartrank? Aus den Busen, wo sie heiß entbrannten, zieh'n die Seelen auf die Lippen sich, und wie sie beim Kuße sich erkannten, da umklammern sie sich schwesterlich. Und wenn berstend alle Welten sprängen, fester knüpfen sie nur ihren Bund. Darum möcht' ich ewig, ewig hängen, Liebliche! an deinem Rosenmund. 163 T r i n k l i e v. Hat sich auch m schmalem Zimmer Freund zum Freunde nur gesellt, ist für ganze Welten immer eines jeden Herz geschwellt. Darum bringen — widertöne Hundertmahl, du enges Haus! — für das Gute, für das Schöne wir drei Sprüche jubelnd aus. Millionen sind entschwunden, und doch hatten sie wie wir, schöner auch vielleicht, empfunden; ihnen Dank und Ruhm dafür! Drum den ersten Becher heben hoch wir schwingend in die Luft: Wer gelebt ein ruhmvoll Leben, lebe hoch noch in der Gruft! Diese zweite Schale weihen wir dem jehigen Geschlecht! Wird man das uns wohl verzeihen? denn die Zeit ist arg und schlecht. Doch auch Gute gibt es eben, Und wenn's diesen nicht mißfällt, sollen auch die Ändern leben, dann ist's recht und wohlbestellt! 161 Andre Zeiten werden kommen, was für Menschen weiß man nicht. Für den Guten eingenommen? abgeneigt dem Bösewicht? Herzen für das Schöne offen? — Ja, wer sagte wohl uns das? — Laßet uns das Beste hoffen! Ihnen dieses dritte Glas! Z6S R e ch t f e r t i s u n x. Du zürnst, daß ich zu sprechen mich erkühne, wie meiner Liebe lang-verschmähte Klagen belohnend jetzt ein milder Gott entsühne? daß meine umgestimmten Saiten wagen zu prahlen, wie du dich hcrabgelaßen, der Liebe klar Bekenntniß mir zu sagen? wie meine Arme frei dich jetzt umfaßen, sogar dein Kuß auf meinen Lippen glühe? — Und hast du Recht, vermagst du mich zu haßen? Ein Morgen wac's in meines Lebens Frühe, wo deiner Augen Licht mir aufgegangen. Da würd' ich ernst, bald gern und bald mit Mühe gestand ich mir, daß mich dein BUck gefangen, und sprach: So muß sie seim, die meine Seele entzünden soll zu liebendem Verlangen. Doch was, entdeckt, ich nun nichtmehr verhehle, hab' jcmahls ich, Geliebte! dir gestanden? Wohl viele Monde sind es, die ich zähle, feit all die Zeiten froher Täuschung schwanden, und ich erkennen und begreifen lerne, wie wenig Blumen mir zum Kranz sich wanden. Geschrieben les' ich es im Gang der Sterne, daß ich am Schönen soll vorüber schreiten, und' nur zurück seh'n in die liebe Ferne- Wohl ziemlich lernt' ich es im Laus der Zeiten, 166 doch olles — alles kann ich nicht entbehren, der Wrlt nicht abseh'n alle Süßigkeiten. Z'm Stillen dich zu lieben, zu verehren, das kannst du nicht, kann kein Geschick versagen, und mehr — bei Gott! — mehr will ich nicht be¬ gehren. Daß aber meiner Harfe Laute wagen, beglückt durch deine Liebe mich zu neunen, das ist des schönem Lebens erstes Tagen, ein Strahl von Flammen, die im Himmel bren¬ nen , der sanft hefchwichtigt meines Herzens Beben, ein Freund, von dem mich keine Macht kann tren¬ nen , weil seine Worte mein Gefühl erheben, daß nicht zusehr die Wahrheit ich vermiße, und träumend leb' ein unabhängig Leben. Doch weil du schon, wennaUch mit leichtem Ri¬ ße, gesprengt hast meines Glückes zart Gebilde, und weil ich weiß, daß auch in Finsterniße sich senken muß des schönsten Tages Milde: mit starker Seele will ich mich bezwingen, aus einer Welt voll feßelnder Gefilde, wo wonnevoll des Lebens Lieder klingen, zurück zu pilgern in ein Land voll Grauen, und dort vom Schmerze des Verlustes singen, daß, was ich angefangen zu erbauen, nicht abgebrochen in der Mitte bleibe, und höhne mein gefaßtes Selbstvertrauen. 167 An diesem anspruchlosen Zeitvertreibe wirst ärgerlich, du Holde! nicht dich stoßen, wirst ruhig lesen, was ich friedlos schreibe, wirst lächeln höchstens, wenn, was ich genoßen, ich durch dich selbst mir nicht entzogen deute. Denn weshalb hättest du mich ausgeschloßen aus deines Herzens tiefstem Innern? Streute zuwenig Gaben auf die Bahn des Lebens das Glück mir? Da ihr Glanz mich selbst nie freu¬ te, weil er Erzeuger oft wird feilen Strebens, sie lockend deinem edlen Geist zu denken, bemüh' ich wahrlich jetzt mich noch vergebens. Die Schuld will ich für unverdientes Kränken auf des Geschickes rückstchtloses Wagen, auf falscher Menschen krumme Schliche lenken,' dich aber, Reine! werd' ich nie verklagen. 168 Der TM a i f e. Hier auf Grabern steh' ich, ach!,— auf Grabern meiner Liebm wankt dir Fuß. Schnee bedeckt die weite Gegend, und der Sonne letzter Gruß, mit gebleichtem Strahl geschrieben, schimmert durch die NebelstuG feucht, wie meines Auges Glut. Stille Weide! hat des Winters rauhes Walten dich auch deines Schmucks beraubt? Weiße Flocken hängen jetzt von deinem Haupt, und gebeugt, verlaßen, schmucklos hier am Ort der Todesruh steh'n wir beide, ich und du. Offne dich,' o Erde! Gib zurück mir, was dein Schoß unbarmherzig mir verschloß! Meine Ältern, meine Brüder, meine Freunde gib mir wieder, meinen Trost, mein schönstes Glück, gib mein Alles mir zurück! Ähr I6S Ihr Geliebter!, schließet aus das schwarze Thor, kommet einmahl noch hervor, daß ich euch mit Kraft umschlinge, und der Tränen milde Lust an der gleichgestimmten Brustl zum gefälligen Opfer bringe! Kommet, kommet, daß ick euch nur noch einmahl wiedersehe, und vor Sehnsucht nicht vergehe! Grause Stille waltet fort. Ach! der Erde schwarzer Port schließet nimmer meinem Klopfen seine Thore lächelnd auf, Und der Tränen schneller Lauf gleitet nur in heißern Tropfen von der Wange mir hinab auf ein schneevcrhülltes Grab- Gericht« v, ßagseemSchwarjthale, 8 176 A m TN s ß e r. Am Holme sitz' ich im schwellenden Bach, es späht mein Äug' einer Welle nach; sie murmelt so freudig hin und her, noch schau' ich ihr nach, und seh' sie — nichtmehr. Einst war ich gar glücklich, ich leugn' es Nicht, hoch färbte die Lust mir das Angesicht; doch wie die Welle schlüpfte davon, so sind auch die Freuden all' entfloh'n. Wohl kommen noch Wellen sonder Ziel, der Lust hat das Leben stets neu und viel; doch weil mir verdämmert Las Morgenroth, nicht freut mich die Sonne; das .Herz ist stobt. 17t Drehe ohne Deivenfchsft- Wenn du still am Kenster lehnest m dem traulichen Gemach, rind dich ohne Lauscher wähnest, späht dir ost mein Auge nach, weilt an deinen Engelszügen, die so unschuldvoll und rein; und ich denke mit Vergnügen, nun — sie kann nicht anders seitt^ Aber wettn die Glut der Mühen, oft nach mißgedieh'ner Frucht, still und langsam zu verglühen, sich den Schoß der Ruhe sucht, und im abendlichen Wehen mich auch du am Fenster siehst, nein — da kann ich nicht verstehen, wie du gar so ruhig bist! Enget nicht Mit heißen Flämmen eine ungewohnte Lust bald den Busen dir zusammen, sprengt sie bald dir nicht die Brust, wenn dein Auge nicht-bereitet deines Sängers Wink ersieht, und, vom kleinen Gott geleitet, dir sein Kuß entgegenflieht? 8* L7L Anders, wenn ich dich erspähe, wird, Geliebte! mir zu Muth. Wunder wirket deine Nähe, schneller wallt des Herzens Blut» und wenn nie-gemeßne Klüfte gähnten zwischen dir und mir, durch den ew'gen Raum der Lüfte reißt es mächtig mich zu dir. Siehst die Rebe du, die schlanke, wie sie nach der Höhe ringt, bis mit sehnsuchtvollsr Ranke liebend sie den Baum umschlingt? Einst „wenn gar nichts dauernd bliebe" sprachst du „bleibt sich Liebe gleich." Bist du doch schon arm an Liebe? Ach — dein Herz war sonst so reich! — Nein! Nein! — Wie der Silbcrspiegel KM umblüMten Wiesenbach glänzend rückstrahlt Flur und Hügel und des Himmels blaues Dach; alles, was sich fliehend reget, und was nahend ihn begrüßt, in die eigne Fläche präget, selbst doch immer ruhig fließt: So ist, Ida! deine Seele» Dieses Lebens ganzen Laus, ob er mild sei, ob er quäle, nimmst du leicht und bleibend auf; L73 theilst mit zärtlichem Gefühle fremde Lust und fremden Schmerz, weinest mit im Leidgewühle, und — doch ruhig bleibt dein Herz» r7t Are Erscheinung. Einen Freund, den stille Tugend fest mir an die Seele schloß, halt' ich schon seit früher Jugend, die nur allzuschnell entfloß. Nie-verdüstert rauschten Tage mir wie leichte Stunden hin. Schweige nicht, gerechte Klage! Ach, das Schicksal nahm mir ihn! Nie erlosch sein Angedenken in des Freundes treuer Brust, eine Zähre still ihm schenken war auch spät noch meine Lust; und obgleich nach langem Raume mir die Zeit geheilt den Gram, doch geschah es, daß im Traums mir sein Tod vor's Auge kam» Mir entfuhr ein ängstlich Stöhnen, als er mit dem Ende rang, und mit schauerlichen Tönen schon die Sterbeglocke klang; aber er mit schwachem Laute, seine Augen himmelwärts, die schon Todesnacht umgraute, sprach die Worte mir in's Herz: 175 n Suter Freund! du siehst, ich scheide. Lieb und theuer warst du mir, theiltest willig Schmerz und Freude, innig, innig dank' ich dir. Und noch eins; ehvor ich sterbe, geb' ich dir mein Bestes noch: Mein Gedenken nimm zum Erbe! wenig wohl, du nimmst es doch." So sprach er mit bleichem Munde, und sein dunkles Auge brach, und aus meines Herzens Wunde floh'n ihm Lausend Seufzer nach» Dann, des Guten Tod beklagend, und den Schmerz von Ort zu Ort, Wie das Reh die Wunde, tragend, dacht' ich seiner fort und fort. Wie ich einst aus stummem Gange an der Donau stillem Rand, vom bemoosten Felsenhange in dis Fluthen schauend, stand: schimmerte der Mond so traurig aus Gewolken, regenschwer, und die Stunde tönte schaurig mir vom nächsten Weiler her. Da sah ich in langem Schleier mir ein geistig Wesen nah'n, fühlte mit erhabner Feier mich von zarter Hand umsah'n. Und sobald nur das geschehen, wohl begriff ich schnell dabei, L76 daß, mit Trost mich zu umwehe», mir der Freund gekommen sei. Und da wollt' ich voll Entzücken, nach der Trennung langem Schmerz, meinen Mund an seinen drücken, an das seinige mein Herz; von der Liebe wollt' ich sprechen, wie sie herrlich uns gekeimt: doch — der Faden mußte brechen, und ich habe — nur geträumt. L77 "Por einem Nilve Latonens mit Vem fchla- fenven Rnaöen Apollon im Arme. Ewig hangen an dir meine Augen > Mutter, mit dem Kindlein an der Brust! ewig hängen sie an dir und saugen aus dem Bildniß ewig-neue Lust. Mit des Lebens Süßigkeiten allen ist die Welt so sparsam wie ein Grab, aber Minneglück und Freude fallen aus dem Schoß der Himmlischen herab. Also Glaube, dec mein Äug' erheitert? Lohn der Hoffnung, dec durch dich erblüht? oder Liebe, die mein Herz erweitert, daß es mächtig sür dein Bild erglüht? Za, nimm meinen Glauben, nimm mein Hoffen, alle meine Liebe nimm für dich! denn es blickt so himmlisch-mild und offen meine Ida durch dieß Bild auf mich. Bist du gleich des Neides Ball gewesen, blieb ein Herz dir doch voll heil'ger Ruh; so auch kann man ihr im Auge lesen, daß sie viel-gekränkt doch mild wie du. 178 Und dem mächtigsten der Gotter brannten deine Flammen fort, ein wärmend Licht; welch ein Leben sie mir schuf, benannten jeder sel'gen Liebe Worte nicht. Tändelt mich ihr Urm so sanft und linde, wie du deinen Sohn, zum Schlummer ein; ja, ich nurde wohl verjüngt zum Kinde, und doch glaub' ich auch ein Gott zu sein. 179 Der eheliche Kohn. Drei Jünglinge knien wehmüthig da am schaurigen Sterbelager,' ihr Vater darauf ist dem Tode nah, verbleichend, kraftlos und hager. Er spricht, als kam' es vom Geisterland: „Hin nehmet den Segen aus Vaters Hand! denn Zeit ist es wahrlich zu scheiden. Ihr wäret mir lieb von Kindheit auf; Gott geb' euch glücklichen Lebenslauf, mir bald ein Ende der Leiden!" „Nun aber, wo mir der heilende Tod im hohlen Auge zu lesen, euch kund zu machen thut es noth, was lang ein Gcheimniß gewesen. Nur einer aus euch ist mein ehlich Kind, die andern — vergebet der Mutter! — sind aus sündiger Liebe geboren. Ich sterbe — der Fehler wuchre nicht fort! drum sei mir nach des Gesetzes Wort der eine — zum Erben erkoren!" Da sinkt bas Haupt ihm matt in's Genick, ein Leben ist minder im Hause. Die Jünglinge steh'n mit tränendem Blick in stummer schmerzlicher Pausen 180 dann sargen, gehüllt kn weißen Lein, des Vaters Leiche sie in den Schrein Verwahrt mit ehernem Riegel, und senken in's schwarz-aufgähnende Grab ihr Liebstes auf Erden schwindelnd hinab, und pflanzen Blumen am Hügel. Doch welcher ist nun der ehliche Sohn? Nicht aus hat der Vater gesprochen; die Mutter ist todt; kein Brief weiß davon, obgleich alle Sigel erbrochen. „Vertraget euch, Brüder, und theilet das Gut! ihr seid ja doch all' aus einem Blut." Doch Eintracht bei Brüdern ist selten. Es willigt keiner zur TheUung ein, einjeder will ehlich und Erbe sein, und läßt den Andern nichts gelten. Der Streit gelangt vor des Königs Tron, der will die Jünglinge Horen. Der erste spricht: „Der ehliche Sohn bin ich, das kann ich beschwören. Ihr kanntet ja den Entschiasnen doch, den Vater erkenn't ihr im Sohne noch. Wie er ein Ries' euch erschienen, so ist auch meine Leibesgestalt des Vaters Züge sind abgemahit in meines Angesichts Mienen." Der zweite hebt an: „Nicht Ähnlichkeit des Körpers kann etwas bezeugen. Die Klugheit und Unerschrockenheit ward mir von dem Herrlichen eigen. 181 Der Vater war ein rühmlicher Held; wie die Romer sielen in unser Feld, noch hast du's, König! im Sinne, da kämpft' ich tapfer und klug wie er, und mir vor dem ganzen Cherusker-Heer ward deine Huld zum Gewinne." Der letzte sagt: »Der jüngste bin ich, und habe nicht solche Proben; doch hat am engsten an's Herz ihm — mich des Vaters Liebe gehoben. Stets nannt' er mich so zärtlich und lind sein liebes, trautes, freundliches Kind, zu Lust und Freud' ihm erkiesen. Und weil er am meisten mir zugethan, drum seh' ich mich für den echten an, es scheint auch mehr als erwiesen." »Ihr habet", so spricht der König nun, »fast gleichviel sagende Gründe; drum möcht' ich, daß euer eignes Thun das Wesen der Wahrheit verkünde. Des Vaters Leiche grabet hervor, befestig't sie an des Lagers Thor! und den, der mit seinem Pfeile den besten, rühmlichsten Schuß vollführt', am nächsten des Vaters Herz berührt, erklär' ich für echt ohne Weile." Und gleich geschieht nach des Königs Wort die Anstalt zum ernsten Spiele. Der eine Jüngling schießt alsofort, und trist nicht ferne vom Ziele. 184 O i n l a v u n g. Siehst du, wie zu des Meeres Wogen den Strahl die Sonne trägt? Hörst du, wie von des Thurmes Bogen die Feierstunde schlägt? Fort aus der Menge laß uns gehen! Glück sprießt ja bei ihr nies; selbst kann sie Liebe nicht verstehen, doch fremde störet sie. Zur stillen Laube laß uns schleichen, wo kein Vcrrather lauscht, wo unter dunklen Haselsträuchen des Baches Welle rauscht! Dort können wir uns ohne Bangen, in wonnigem Erguß, mit liebevollem Arm umfangen, und tauschen Kuß um Kuß° Dort können wir uns kosend sagen mit hochentzücktem Mund, wie gleichgestimmt die Herzen schlagen zu unsrer Liebe Bund. L85 TMilhelm bon Achärfeyverg. Aus Kmin's Verwett, Erster Theil. Daß die Lüste widerklangen, donnerte der Hufe Tritt, weil mit glühendem Verlangen in des Birschgewandes Prangen Wilhelm durch die Wälder ritt. Dumpf aus fernen Eichenhallen drang der Doggen Ruf in's Ohr und der Horner freudig Schallen, denn es flog den Dienern allen weit der kühne Jäger vor. Einer flüchtigen Gazelle folgt' er auf dem Fuße nach, daß in aufgefchreckter Schnelle wie des Hauches leichte Welle fle durch Halm und Staude brach. Plötzlich blendet' ihn ein Schimmer, der ein Hüglein schön umfloß; eine Jungfrau saß am Glimmer, und mit kläglichem Gewimmer lag das Wild in ihrem Schoß. 186 Staunend blieb der Ritter stehen, sah das Wunder zweifelnd an: denn was sollte nun geschehen? Macht' er thatlos rückwärts gehen? Mö'cht' er sich dem Hügel nah'n? Sein gewagtes Abenteuer kündigte zwar wenig Glück; doch ihr Anblick, neu und neuer, ihrer Augen lieblich Feuer hielten feßelnd ihn zurück. Sie begann mit sanfter Stimme: „Was für Ehre bringt es dir, daß, gefällt von deinem Grimme, in verströmtem Blute schwimme ein so schuldlos furchtsam Thier?" Er mit halb-entschlüpften Tönen: „„Seltnes Wesen, voll der Huld, liebenswürdigste der Schönen!; kann es deinen Groll versöhnen, ich — erkenne meine Schuld."" „Also ist sie schon vergeben" gab zurück ihr freundlich Wort; und der schmucke Waidmann eben wollte noch ein Wort erheben, aber sieh! — schon war sie fort» Einsam blieb er und betroffen an dem lieben Platze steh'n; was er mochte deuten, hoffen, nimmer ward das Räthsel offen, und die Maid nichtmehr geseh'n. 187 Bei der Vefperglocke Klingen trat er wohl in's Vaterhaus, doch an ihr die Sinne hingen, und inr stummen Innern gingen Zweifel ein und Zweifel aus« Bon des Todes Nachtgesilden kam der Schlummer, arm an Licht, mit den freundlichsten Gebilden der Erinnerung, der milden, aber doch — mit Ruhe nicht, Morgens gleich in ernster Schnelle sah man ihn zum Walde zieh'n; denn er suchte dort die Stelle, wo am Fels voll goldner Helle die Geliebte ihm erschien. Nach des Suchens langen Stunden blinkt' ihm zu ein goldnes Licht; denn das Berglern war gefunden, doch die Jungfrau blieb verschwunden, und erschien nur leider nicht. So besuchte jeden Morgen mit der Sehnsucht er allein, die, in stiller Brust verborgen, peinigte mit süßen Sorgen, jenes Hügels goldnen Schein. Aber meinahls, niemahls wieder fand er seiner Wünsche Ziel; und auf nächtlichem Gefieder senkte düstrer Gram sich nieder, der sein trostlos Herz befiel. 188 x Seine Lust, sein Muth perdarben. Wenig-mehr beirrt' es ihn, ob des Jahres Reize starben, ob mit bunten Lebensfarben neu der junge Lenz erschien. Nimmer lockend hallten wieder! ihm des Ruhmes Hochgcfang, Freundesworte, treu und bieder« des Gelages muntre Lieder und des Bechers reiner Klang, »Was hast" rief der Liebekranke, »Hatte! du gethan mit mir? Flüchtig aus gesprengter Schranke hängt mein leisester Gedanke, Unbegreifliche! an dir. Ist mein Wünschen ein Vergehen, warum durst' ich ein mahl dich in dem Glanz der Schönheit sehen, daß mit unheilbaren Wehen ew'ge Sehnsucht mich beschlich?." »Sieh, der Jugend goldnen Frieden hracht' ich dir. Du, Zauberinn! nahmst den Schlaf mir von den Liden, und, der niemahls mich gemieden, meinen arglos-frohen Sinn. Was die Welt mag Schönes hegen , was nur lieb und wonniglich und mit feurigem Bewegen das Gefühl vermag zu regen, ist mir reizlos ohne dich." 189 „Laß die Wunde dich erweichen, die du unbedacht mir schlugst, als ein Wesen sondergleichen, deiner Hoheit herrlich Zeichen, du zur kurzen Schau mir trugst! Daß ich wieder kann genesen, laß in deinem Angesicht, laß in deinem holden Wesen mich der Engel Wonne lesen! Komm, verzieh, du Schöne, nicht!" Und — o Wunder! — lieblich Schallen regte, Harfen gleich, die Luft; wogend, wie aus Edens Hallen, zog daher mit sanftem Wallen seelenvoller Mirthenduft. Aus der Nacht bemooster Baume trat hervor des Ritters Brauc, reizend, wie im Land der Träume, fremd für dieses Lebens Räume, nur des Dichters Blick sie schaut. „„Was ist, Züngking! dein Begehren ?"" fragte sie, er aber sprach: „Mag der erste Anblick lehren, eine Göttinn dich zu ehren, ach —> mein Her^ gibt doch nicht Nach! Nicht am Niedern kann ich hangen; an das Hohe waget sich all mein Wünschen, mein Verlangen, und ich sag' es unbefangen, wer du. seist — ich liebe dich!" 190 »„Wohl der göttlichste der Erlebe«« sprach sie „„ßeine Brust beseelt. Wennauch keine Hoffnung bliebe, o, die Allmacht rein'rer Liebe baut sich eine schönere Weltl Doch — nur Gleiches will sie einen,- Mag dein Streben auch nach mir kauterm Born entquellend scheinen, doch — ich muß es wohl verneinen — Unerreichbar bin ich dir,«" »„Wo der Rosen en?ge ÄlükeN, dort ist meiner Heimat Land; nur vor böser Geister Brüten fromme Unschuld zu behüten, was an diese Welt mich band. Nur mit Menschen Mußt du walle«, wenn du magst um Liebe frei'n. Won deü Frdentöchtern allen werden viele dir gefallen, viele deiner würdig ssin, «^ Wieder wollte sie verschwinden, und er rief ihr ttautig nach: „Soll in diesen Jrrgewinden nismahlsmehr ich wiedeksinden, dis mein Herz auf immer brach: laß dich, Göttliche, erweichen, weil kein Priester dich mir traut, doch ein unbedeutend Zeichen nur als Denkmahl mir zu resch«, daß dich je mein Blick gsschamk« I9l Schnell vom Finger zog ßie Hslde einen Demantring herab, einen Ring aus lauterm Golde, den statt süßem Minnesolde sie dem schönen Ritter gab« „»Nimm! Solang mein arglos Sinnen mir dein Herz mit Treue lohnt, wird dein Glück in Hauses Zinnen und im Felde nie zerrinnen; solche Kraft im Ringe wohnt.""*) Sie verschwand; der Ritter wankte schweigend seiner Feste zu. Wohl durch Monde, Jahre schwankte noch sein Jnn'res, das erkrankte, zwischen Liebespein und Ruh. Aber wahrlich, was vom Ringe ihm die Liebliche versprach, war nicht eine böse Schlinge, denn es flog auf treuer Schwinge überall das Glück ihm nach« Freilich jetzt verschrumpft zum Zwerge ist die Größe, und du fliehst wie aus einer Gruft voll Särge, ob du gleich vom Schärfenberge noch das golkne Hüglein") stehst. Lang in Trümmern ruht die Feste; Schauer weh'n wie aus dem Grab ') Kieb Vakvafor's »Ehre des Herzogthums Krain^, Th. IV., Topografie, S« 5oi. ") Einen markasit» und schwefelhaltigen Jelshiigel. L9L durch der Mauern lose Reste, und sein Lied vom schwanken Neste weint der düstre Kauz herab. Aber einst in andrem Glanze stand das traurige Gestein. Nach der Charitinnen Tanze' trat mit ihrem Lilienkranze hold-verschämte Liebe ein. Freude düstet' allerwegen, wie des Lenzes Odem lind;' keuscher Liebe zarter Segen kam mit süßem Lohn entgegen, schön und fromm wie Enge. sind. Vieler Freunde treuem Kreise durfte Wilhelm arglos nah'n. Stets, in friedlichem Geleise, in des Krieges rauher Weise, was er that, war wohlgethan. So durch Liebe glücklich immer, durch der Freundschaft Segen groß, mächtig durch des Reichthums Schimmer lebt' er, weil der Treue nimmer sich sein wachsam Herz verschloß. Z wci - 193 Zweiter T h e i l. Jahr i-gZ. „Knappe, sieh, wer kommen mag! Es ist jemand an der Pforte" mahnte Wilhelm beim Gelag. Und ein Manw von echtem Schlag trat herein mit solchem Worte: „„Gruß und Handschlag beut durch mich Eberharden von Sankt Peter, ziemend und bescheidentlich, von der Hainburg Ulerich, euer Freund und eurer Vater.«" „„Unvereinbar, wie «in Pol mit dem andern, halt er Fehde Mit dem Herzog in Tirol. Doch das wißet ihr ja wohl, und es braucht nicht weitre Rede. Ihr seid mächtig hier im Land; als ein Freund in beßern Tagen werdet, als der Treue Pfand, ihr ihm auch die starke Hand im Bedrangniß nicht verjagen.«" Wilhelm sprach zum Ritter nuni „Geh't, und redet solcher Maßen, daß ich Alles würde lhun, lieber selbst im Grabe ruh'n, als den Freund verderben laßen!" — Munter ging der Bote fort; Gedicht, ». Hugo vom Schwarzthale. 9 194 aber Wilhelm voll Vergnügen schuf zur Wirklichkeit sein Wort. Reisige von Ort zu Ort sammelt' er in tapfern Zügen. Bald ersah am linken Strand deßen Volk die reine Save, und in wenig Tagen stand es am karntnerischen Sand, den erbrausend wäscht die Drave. An die Wolken schlug hinaus der Verbündeten Begrüßen,, und es flog in keckem Lauf Schlachtbegier von Haus zu Haus, eins Fluth in schwarzen Güßen. — Aber seh't! Wer muß es sein, der daher sprengt wie ein Wetter, und doch lieb wie Sonnenschein? — — Ritter Kurt von Aufenstein, unsres Schärfenbergers Vetter. — „Wilhelm! Bruder! ist es wahr, was die Sage laut verkündet? Hast, dem königlichen Aar treulos, mit der Eulen-Schaar,, mit Empörern, dich verbündet?" „„Schilt mich, guter Konrad,, nicht! Keine Wahl ist mir gegeben; was ich thu', ist heil'ge Pflicht. Wer dem Freund die Treue bricht, schändet selbst das eigne Leben."" „Freund!" sprach der von Aufenstein, 195 „o — wiesehr bist du verblendet! Deinem Ulrich gut zu sein, hust des Krieges blut'gen Schein du dem Lch'nshaupt zugewendet." Da rief Wilhelm: Land und Gut ketten mich als eitle Dinge an den herzoglichen Hut; Freunde knüpft des Herzens Blut, eine gottgeweihte Schlinge."" Kurt dagegen: „Glaubst du dieß? — „Daß den Ulerich, den frechen, der von Meinhard los sich rieß, nicht sogleich dein Ärm verließ, ist nicht Treue, heißt Verbrechen." „Und es sei zu dieser Frist in des Schicksals Buch geschrieben, daß du reuig rückwärts ziehst, daß du deinen Warner fliehst, ewig bleibt dir doch mein Lieben;, und die unglückscl'gc Glut möge nie am Berge tagen, wo des Kampfes blinde Wuth zwingt der Freunde reinern Muth,' willenlos sich zu erschlagen!" — Thaucnd floß die Nacht herab von der Berge dunklen Stufen; lautlos ward es wie im Grab, was nur Lebenszeichen gab, war der Wächter schläfrig Rufen. Aber mit des Morgens Glut 9* 196 fing es weckend an zu grauen, und in fahler Nebel Fluch schwamm die Sonne roch wie Blut, gar entsetzlich anzuschauen. Wo der Wallersberg sich leicht neigt zum Feld, das sanft und eben von dem Flecken Griefen schleicht, bis cs Weißeneck erreicht, gab es bald ein buntes Leben. Ausgegoßen weit und breit schauten sich zwei mächt'ge Heere, keck zum Sieg, zum Tod bereit. Und schon flimmerten im Streit durch einander die Gewehre. Offen ward das schwarz« Thor, und der Tod war ausgelaßen. Grimmig, wir gezerrt hervor aus der Krieger Doppelchor, sah man sich zwei Reiter faßen. Beide kämpften hart und lang; wie an's Fenster trifft die Schloße, traf des Schwertes mächt'ger Klang, so die Rechte wüthend schwang, bis der Eine glitt vom Roße. „Nun — das ist mein letzter Tag" röchelte der wunde Krieger. „Daß ich ruhig sterben mag, wer gab mir den Todesschlag?« Ernst vom Gaule stieg der Sieger. Doppelt hob sich das Visier, 197 daß die Freunde sich ersahen. „„Himmel! Wilhelm! Wehe mir!"" rief da Konrad. „„Eben wir mußten in dec Schlacht uns nahen?!"" „Wer ist Sieger?" Wilhelm sprach. „„Herzog Meinhard"" war zu hören. „Meinhard — Also wirklich brach setzt mein Glück voll schwarzer Schmach? Ja — ich ließ 'mich wohl belhören. — Diesen Ring nimm, Aufenstein! Niemahls wird dein Glück verderben, wenn du hast dieß Ringelein, und das Herz von Falschheit rein. Jetzt — jetzt laß mich ruhig sterben!" 198 Täuschung. Ich saß im Buchenhaine an meinem Murmelbach, und dacht' im Abendscheine vergangnen Zeiten nach; da ward mit lauterm Klopfen mein Herz von Wehmuth voll, daß sie in Hellen Tropfen aus beiden Augen quoll. »Warum denn wohl des Lebens bethorend Angesicht dem Sterblichen vergebens ein dauernd Glück verspricht? Warum auch mich der Schimmer so mächtig an sich zog, daß doppelt-hart mich immer die Wirklichkeit betrog?" »Was hab' ich denn genoßen? Es sind für jede Lust mir Tränen nachgefloßen, und öde blieb die Brust. Wiesehr ich mich bemühte, zu fah'n das Glück im Lauf, mit einer Rosenblüte sproß dreifach Wermuth auf." L99 „Und werd' ich je erstreben, was niemahlS werden soll? — Drum dünkst du mich, o Leben! nichtmehr so wonnevoll. Mit Freude mö'cht' ich sterben, so kann vielleicht ich noch, was mir gefehlt, erwerben. O sprenge, Tod, mein Joch!" So fühlt' ich es im Herzen, und dachte mehr, dis mich der Balsam aller Schmerzen, ein leichter Traum, beschlich. Doch wieder schwand er leise, es kam in näcbl'ger Ruh ein Mensch von seltner Weise auf meinen Rasen zu. Er barg die schlanken Glieder in schimmernd: weißen Lein, er stand- und schritt dann wieder, und schien gerührt zu sein. „Wer bist du? fremdes Wefen! Ein Geist? Was suchst du da? — Ich hätte bald vergeßen, dem Tode rief ich ja." „So forderst du mein Leben? Mich schrecket nicht dein Blick. Das Wort, so ich gegeben, nehm' ich nichtmehr zurück. Schnell schwinge deine Hippe, und schließ mein Augenlid, 200 daß der gebleichten Lippe kein Seufzer mehr entflieht!" Kaum war mein Laut verklungen, so fühlt' ich unverwandt voll Sehnsucht mich umschlungen, doch nicht von Todeshand. Sie starrte nicht von Knochen, sie war so weich, so rund, ein Herzchen fühlt' ich pochen, und einen Kuß am Mund. „Was?! Zda? Schöner Engel! wer hätte das geglaubt? Der Freude Lilienstengel hebt neu sein welkes Haupt. Ich hab' ein Herz beseßen, das liebend schlug für mich: und ich war so vermeßen, daß Mißmuth mich beschlich?" „Was will ich mehr noch hoffen? Ich sehe, Knochenmann! schon hier den Himmel offen, der mich vergöttern kann. Was ich vermag zu geben, es werde alles dein, nur laß mich ewig leben, und Ida mit mir sein!" 2Nl Robert unv Glist. König Robert sinkt getroffen, giftig ist der Pfeil; selbst die kühnsten Ärzte hoffen Rettung nicht und Heil. Wenn nicht jemand mit dem Munde saugt des Giftes Fluß aus der schwarz - entflammten Wunde, Robert sterben muß. Wer wird wohl das Leben wagen? — Alle scheu und still; nur Elisen hört man sagen, daß sie gern es will. Doch der König laßt bedeuten, sanst und ruhevoll, daß kein Knecht aus seinen Leuten drum verderben soll. Und er spricht in Zeltes Runde so die Führer an: „Weil ich von der Todeswunde nicht genesen kann, meine Gattinn, die ihr weinend mir zur Seite schau't, wünsch' ich, so ihr redlich meinend, eurem Schutz vertraut." 202 „Kämpfet keck, daß, wo des todtcn Heilands Lager steht, alsofort der tapfern Schotten siegend Banner weht! Lebet ferner ohne Kummer! Mir gestattet nun, in des Lebens letztem Schlummer etwas auszuruh'n!" Und ein Gott, auch schlummertrunken, schwingt den Friedcnsstab. All' in Gram und Furcht versunken treten schweigend ab; Elsbct in der düstern Kammer bleibt zurück allein, will vom Liebsten voll von Jammer nicht geschieden sein. Ruhig träumt er, daß ein schöner Engel bei ihm ist, der, ein freundlicher Versöhner, an das Herz ihn schließt; daß ein Kuß von deßen Munde ihm die Brust berührt, und sogleich aus gift'ger Wunde allen Schmerz entführt. Wie ein milder Strahl der Sonne flieht das Traumgesicht; doch, verwirrt von Lust und Wonne, wacht und schlaft er nicht, nur in seinen Adern allen, leicht und unerschlaft, 2N3 fühlt er schneller-kreisend wallen neue Lebenskraft. Er ermannt sich; fremde Lippen mit erstauntem Sinn spührt er an der Wunde nippen: 's ist die Koniginn. Stumm vor seligem Entzücken an des Mundes Roth will er die Geliebte drücken, aber — sie ist lobt. 204 Ava im Gebet. Wie ein Seraf vor dem Ewi'gwahrcn betend kniet, von Himmelsdust umweht, seh' ich hier dem Aug sich offenbaren einen Engel, Ida im Gebet. Tief in Dcmuth ihre Knie gebogen, stimmt sie schweigend in der Geister Eher; sanft zum Busen ist das Haupt gezogen, doch zum Schöpfer fliegt das Herz empor. Zarte Rothe spielt um ihre Wangen, wie sie himmlisch leuchtet übcr'm Grab, und vom halb-gefchloßnen Auge hangen perlengleiche Tränen ihr hinab. Aber sprich! Wie soll ich es verstehen, daß dein Blick gebannt zur Erde sinkt? wie des Herzens andachtvolles Flehen? wie die Träne, die im Auge blinkt? Was kann, Holde! einen Engel kränken? Wonne blüht ihm, die kein Auge sah, die kein Sterblicher vermag zu denken, und ein Engel, Ida! bist du ja. 205 Diese Zähren, die dein Äug' umfloren diese Seufzer sende himmelwärts, daß der Friede, deinethalb verloren, kehre wieder in mein blutend Herz! 206 Die ersten Perlen. Auf bemoostem Seegestade, leicht bespült vom Wellenbads, saß das Mädchen ernst und bang; und wiesehr in tiefem Herzen schon die herbe Last der Schmerzen mühsam mit Verzweiflung rang: lange, grollend dem Geschicke, floh kein Wort aus ihrem Mund, nur mit unverwandtem Blicke sah sie in des Meeres Grund. Endlich löst' in Dämmerhelle sich des Grames schwarze Stelle in des Mädchens Jnnerm auf. Aus den trüben Augen drangen Tränen, und nach beiden Wangen hüpften sie in schnellem Lauf; und die trotzig vorher schliefen, durch des Mundes rosig Thor aus des Busens heißen Tiefen brachen Klagen jetzt hervor. »Jüngling, mild wie Maiensvnne, Quelle Meiner reinsten Wonne, Schöpfer meiner goldnen Zeit, o Geliebter, laß mich wißen. 207 welche Lüste dich umfließen, ob du nah' mir, ob du weit! Denn es rollen mir die Tränen--, quellend über's Angesicht, n - aber mein unendlich Sehnen kennst vielleicht du dennoch nichts „Hält das Meer dich noch umfangen, oder bist du hingegangen, wo die Tobten glücklich sind? Fühlst du noch dieselben Triebe, die zu seelenvoller Liebe uns verbanden zart und lind? Laß dich einmahl nur noch sehen! — In Gemolken, grau und dicht, hör' ich meinen Ruf verwehen, doch Bescheid — vernehm' ich nicht." „Falsches Meer, so glatt und eben, wie des Eises starrend Leben, spannst du nun vor mir dich aus, bist so arglos anzuschauen, daß man hieße voll Vertrauen Märchen deiner Stürme Graus. Aber als zum Traum mein Schäfer am Gestad das Auge schloß, spültest du den holden Schläfer falsch hinab in deinen Schoß." „Was beginn' ich jetzt im Leben? kann mic's doch Ersatz nicht geben; freudlos ist mir die Natur. Meine Tage sind geschloßen, 208 denn vom Glück hab' ich genoßen, ach — und einmahl blüht es nur! Klagen soll ich nur und weinen? Freund, so du aus deinem Grab niemahls wieder magst erscheinen, zieh auch mich zu dir hinab!" Also sprach sie, und mit Beben sah sie hin, ws- Wolken schweben, und hinab zum Spiegelmecr. Aber, ach! — von keiner Seite, nicht von nah, nicht aus der Weite kam ihr Vielgeliebter her; denn die Ruhe der Entfchlafnen ist so fest in stiller Gruft, daß kein Wort der Erdgefchafncn sie aus ihrem Schlummer ruft. Aber wie die stille Blume in des Haines Heiligtbume lieblicher und schöner strahlt, wenn, vom Mergenthau befeuchtet, sie der Strahl, der dämmernd leuchtet, mit des Purpurs Rothe mahlt: so, in neuem Reiz erscheinend, den 'die Wehmuth ihr verband, blieb das Mädchen heftig - weinend einsam an des Meeres Strand. Und das Schicksal zu versöhnen, bleibt der Unschuld Jammertönen selber die Natur nicht taub. Lind begann dec Wind zu säuseln, 2N9 ruhig sich das Meer zu kräuseln, leicht zu dreh'u verwehtes Laub; und die Binsen am Gestade, erst so still in träger Ruh, flüsterten, vom Wellenbade nun bewegt, sich Seufzer zu. Und der mächtigste von allen, der in feuchten Meereshallen haust mit seiner Nimfcn Chor, hob, unsichtbar Menschenblicken, über des Gcwäßers Rücken aus der Tiefe sich empor; denn nichtnur der Erdenföhne, auch der Götter mächtig Herz rührt die Allgewalt der Schöne und der Liebe süßer Schmer». Aber wehe! wehe! Haben seine Wellen nicht begraben den, der tront' in ihrer Brust? Hörte selbst er nicht sie sagen ihre tränenvollen Klagen? — Seiner ganzen Schuld bewußt durst' er noch ein Glück erhoffen, das er voraus sich verdarb? Blieb ihm noch ein Busen offen, wo sich Gunst sein Fleh'n erwarb? „Du der Schönen schönste Krone!" rief er „deiner Freuden Zone hat mein finstrer Muth verheert. Bist du gleich! ein menschlich Wesen, 210 ich zum Götterkreis erlesen, bin ich deiner doch nicht Werth. In der Brust, der reuevollen, wallt mir heiß des Blutes Lauf, aber selbst wem göttlich Wollen weckt den Tobten nimmer auf." „Auch das Rollen deiner Zä'hrm kann ich deinem Schmerz nicht wehren; könnte wer so grausam sein? Aber sorgsam auf sie faßen, sie der Nachwelt überlaßen, diese —> diese Macht ist mein: daß, wenn schon in dunklem Grabe lange deine Hülle ruht, man noch das Gedachtniß habe deiner reinen Licbesglut." Gleich mit unschuldvollen Mienen, sich auf hüpfenden Delfinen schaukelnd wie in leichtem Kahn, schwammen kleine Liebesgötter, Küstern Grames holde Tödter, auf dem blauen Meer heran; stiegen aus der Fluchen Näße zum Gestade still herauf, und in schimmernde Gefäße faßten sie die Tränen auf. Jede einzle Zähre ließen sie vom Meergott selbst verschließen, der daran ein Wunder thut, daß in Heller Muschel Munde, 211 die der Taucher hohle im Grunde, jetzt noch eine Träne ruht. Zwar vergangen ist der Flimmer, wie er blinkt in frischem Naß, fest ist sie und matt ihr Schimmer wie des Kummers welkend Blaß. „Woll't ihr meinen Gram verhöhnen sprach mit bittern Jammertönen die gereizte Jungfrau nun. „Sollen Tränen, die ich weine, an der Seite der Gebeine deßen, den ich liebte, ruh'n, und ich selbst mit ew'gem' Sehnen trostlos hier am Ufer steh'n? Wenn euch rühren meine Tränen, laßet mich zum Freunde geh'n!," Da ein seltsames Erbarmen traf den Meergott mit der Armen, was sie flehte, sollte sein. Schwimmende Sirenen singen magisch-lieblich an zu singen, wiegten süß zum Schlummer ein. Am Gestad in milden Träumen starb des Mädchens letzter Schmerz, und schon fest in Hellern Räumen schloß den Lieben sie an's Herz. Und die schnell-crhob'ne Welle über des Gestades Schwelle schweifte fluchend weit hinaus; spülte so das Mädchen wieder, 212 wie einst des Geliebten Glieder, in des Todes friedlich Haus, wo mit keuschem Glutentricbe sie ihn froh umfangen halt. Ach! warum ist wahrer Liebe Heimat nicht auf dieser Welt? L N 213 Der letzte Kusi. Warum wendest du so wonneleer, meine Ida! und fast tränenschwer, wenn ich einen Kuß dir flammend gab, deine Blicke seufzend von mir ab? Fühlst du nicht die Wohllust, die ich fühle, wenn mein Mund den deinigen berührt, daß aus diesem schalen Erdgcwühle mich ein Gott in schön'ce Welten führt? Zda! meine Ida! zürnst du mir? Bin ich nimmer der Ersehnte dir, den so vielmahl ohne Scheu und Angst du mit sehnsuchtvollem Arm umschlangst? Weißt du nimmer, wie du mir versprochen, mit zu fühlen meine Lust und Pein, und bis zu des Herzens letztem Pochen meines Wesens halbes Ich zu sein? Doch, beim Himmel! Unrecht thu'ich dir; aber, Ida! du verzeihest mir. Ach! dein Blick, der tränend übcrfließt, spricht, daß unser Kuß Verbrechen ist. Wohl auf fremden Jünglingslippen glühet dir des Lebens neuer Wonneguß; eine Frühlingstunden sind verblühet, iescr Kuß sei unser Scheidekuß! 214 Gottfrirv unv Ävelirre. -Frei nach dem Französischen Franzens von Moncrif. „Warum, süße Adeline! weicht von deinem Angesicht diese wonnelose Miene, diese kranke Bläße nicht? Aus der Fern' ein Krämer kam, der hat viel Eeschmeid und Ringe, freilich lauter eitle Dinge, dennoch mindern sie den Gram." „Von den Kostbarkeiten allen, die zum Kaufe beut der Mann, nimm heraus, mir zu gefallen, was dein Herz erfreuen kann. Jetzt auf kurze Zeit von dir werd' ich mich entfernen müßen, um des Jagens Lust zu büßen in des Schloßes Waldrevier." Kommt ein Mann mit stiller Miene, und der Schrank wird aufgethan. Die betrübte Adeline steht den Prunk mit Gleichmuth an. Aber wenn der Mann hervor weiset eines Kleinods Flimmer, 215 steigt ihm auch ein Seufzer immer aus der tiefen Brust empor. Zwar vom Antlitz nicht gewichen ist der Jugend holde Art, doch das Roth ist abgeblichen; ernst umfangt der kraufe Bart ein Gesicht voll Traurigkeit; und, in Falten flatternd, nieder um die schlank-gebauten Glieder fließt ein schwarzes Pilgerkleid. Ganz in eignen Schmerz verloren schaut ihn Adeline nicht; doch es merken hier die Ohren, was entgeht dem Augenlicht. »Warum seufzt er gar so sehr?" denkt die Frau. »Was mag ihm fehlen? Soll ihn Pein der Liebe quälen, dauert er mich desto mehr." »Fremdling! wie ich leicht muß denken, heget ihr gar schweren Gram. Woll't ihr mir Vertrauen schenken, wenn er von der Liebe kam?" »»Ach! was frommt es"" spricht der Mann, »»daß ich euch vom Schmerz erzähle, weil er doch arrs meiner Seele niemahls wieder scheiden kann?"" »»Einst ein Kleinod lernt' ich kennen, wie die Welt kein zweites hat. Ausgeübt, es mein zu nennen, 216 hätt' ich jede Wunderth.it. Arglos ließ und hoffnungvoll ich den schmeichelnden Gedanken meine Seele fest umranken, daß ich cs besitzen soll."" „„Hundertmahl es anzusehen macht' ich täglich mir die Lust. Was doch endlich war geschehen, ahnte nicht die trunkne Brust. Ach! ein Dämon kam herbei, meine Seligkeit zu trüben, frechen Raub an mir zu üben, daß ein andrer glücklich sei.«" " »»Ferne von dem Sitz der Meinen ging ich, als ich das erfuhr, wo die Sterne anders scheinen, wo sich ändert die Natur: nicht, als hätt' ich mich gedacht der Erinn'rung zu entschlagen, sondern daß ein rühmlich Wagen früher mir den Tod gebracht."« „Ist es Gold, sind's Edelsteine, was ihr gar so hoch verehrt?" „„Holde Fraui was ich beweine, ist viel mehr, als beide, Werth."« „Diese Muschel?" „„Solch ein Ding halt' ich ungekränkt verloren."« „Federn aus dem Land der Mohren?" „„Alles, alles zu gering.«« Eher 217 l,„Eher, als matt war gekommen, mir das Kleinod zu entzieh'», halt' ich deßen Bild genommen. Seit ich dattn beschloß zu flieh'n, mann ich es erschaue, wild spür' ich mich zerqualt im Herzett, führ' ein Leben doch voll Schmerzen nur, zu schauen dieses Bild.«« «Ach — sö bleibet nicht mit bangen zweifelhaften Blicken steh'n! Bittend darf ich ja verlangen, das geliebte Bild zu seh'n.« Seufzend aus der Seele Grund, in entzückten Schmerz zerfloßen, langt er ihr, in Gold geschloßen, ein Gsmählds, klein und rund« Was?! Ohnmächtig wankt die Holde, weil ihr eignes Bildniß ist, was der Kranz aus Hellem Golde auf des Eäfleins Rund umschließt. „Adeline, schönstes Ich! Gottfried kommt nach vielem Leiden, dich zu seh'n und neu zu scheiden. Aber — ach, ermuntre dich!" Sie erhohlt sich, und mit Beben sagt sie schluchzend dieses Wort: „Schone, Theuerster, dein Leben, doch, Geliebter — geh nur fort!" Schweigend nimmt er ihre Hand, und — der Gatte kehret wieder. Gedichte v. Hugo vom Schwarjthgle« 10° 218 „Bist «s du? vermummte Hider k die mein arglos Herz umwand.« Gottfried sinkt, vom Stahl getroffen, an der Reingeliebten Brust. — — Kein Vertrauen schwellt, kein Hoffen jetzt ihr Herz mit karger Lust. — Won der Gotter Sitz herab kommt zurück des Lenzes Wonne, aber — ach! — die liebe Sonne leuchtet auf ihr frühes Grab. 2lg Ontfagung, Darf ich meinen eigne» Blicken krauen? Was soll diese leidende Gestalt? Anders war das Bild nicht anzuschauen, wenn im Geist ich mir den Schmerz gewählt. Bebend sinkt dein Busen und hebt wieder hoch mit einem Seufzer sich empor; zweifelnd sehen deine Augen nieder, eine Tränenquelle bricht hervor. Deine Lippen offnen sich zu sprechen, Und erstarrend schließen sie sich zu, Eile das Geheimniß zu erbrechen! Mädchen! Mädchen! warum weinest du? Welcher Unmensch durfte sich erkühnen, freventlich ein Leid dir anzuthun? Möge, wenn ich nicht es kann entsühnen, jede Schande fluchend auf ihm ruh'n! Zwar die Reize, welche dich umschließen, werden magisch, wunderbar verschönt, wenn vom Auge^ milde Bäche fließen, aus der Brust ein banger Seufzer stöhnt. Eine Göttinn möcht' ich dann dich taufen, sonnenwärts dem Erdenstaub entrückt; aber — nimmer soll dein Schmerz erkaufen, was mein wvnnetrunknes Äug' entzückt¬ est* 226 Und sch mochte rathen — diese Zähren, diese reinen, fließen auch für mich. Den Verlust nicht selbst noch zu erschweren, liebe gute Seele, tröste dich! Ruhig laß den Seelenschmerz erkalten! Eigne Größe werde dir ein Stab! sah ja doch ein unnatürlich Walten neidig stets aus unfern Bund herab. Tag voll Seligkeit, wo einen Himmel mir erschloß ein launenhaft Geschickt wo mir aus der Glücklichen Gewimmel lächelnd galt dein zauberischer Blick; wo in zweifelnd - kämpfendem Gewühle sich dein Herz verlor in Scheu und Lust, doch im Feuer siegender Gefühle du errölhend sankst an meine Brust! Edens Wonne, als ich dich umfangen, lechzend-schlürfend deiner Küße Glut, bald mein Äug' am Purpur deiner Wangen , bald in deines Auges Blau geruht! Der verschmerzte Kummer floh von hinnen, Gegenwart und Zukunft flohen da vor den wonnevoll-berauschten Sinnen, das nur könnt' ich denken, was ich sah. Ganz verloren in dem Zauberbilde war auf dieser Welt nichtwehr das Herz, schwang sich in der Seligen Gefilde, wo die Liebe wandelt, himmelwärts. Wer wohl zögert' alles hinzugeben für so schauerlich-entzückend Glück? 22! Gotter, gebet für mein halbes Leben «ine solche Stunde mir zurück! Damahls war's, wo unser Sein begonnen, uns das Leben wirklich sich erschloß, und ein Paradies voll rein'rer Wonnen jedem Tritt der Liebenden entsproß. Wunderselig waren unsre Stunden, aber, ach! — der Herzen göttlich Band, die aus Millionen sich gefunden, trennt gewaltsam eine Schreckenshand. — Aber Thor ich, der gewagt zu hoffen, was er ewig nie erringen soll! Himmel sah ich in dem Blick mir offen, der auf mich aus deinem Auge quoll; und ich liebte dich, in deren Busen von so hohem Blut der Puls erklingt, ich, der nur die kleine Gunst der Muse« und ein redlich Herz entgegenbriugt. Gutes Mädchen! dir muß ich entsagen. Zürnst du mir, Geliebte! daß ich's kann? Den Gedanken will ich stark ertragen, daß die Quelle meines Glücks verrann. Aber lern> auch du, dich selbst besiegen! Keine Träne möge wehmulhvoll um die Lust des Lebens dich bekriegen; in der Brust ersticke jeden Groll! Schmolzen doch, wie Flammen sich vermäh¬ len, wie zwei Tropfen eint dieselbe Fluth, 222 feurig in einander unsre Keele», trotzend aller Elemente Wuth. Was in niedrer Menschlichkeit sich gründet dauert kurz, und wohl! daß es zerbricht: aber, der im Himmel sich entzündet, rein'rer Liebe Glanz verdämmert nicht» 223 Der Zweifler. Auf den abgehärmten Wangen glänzt mir hohe Rothe nicht, und die düstern Brauen hangen wehmuthvoll mir in's Gesicht. Doch vergebens ist mein Hoffen, nimmer kehrt verstoßnes Glück, und kein Rückweg ist mehr offen, der zum Frieden führt zurück. Einst in seligeren Tagen, an der Mutter zarter Hand^ Pflegt' ich sorgenlos zu jagen durch ihr schmales Gartenland; oder in des Abends Stille saß ich vor dem Vaterhaus, horchte dem Gezirp der Grille, zupft' an meinem Blumenstrauß. In der reine» Seele wachte heilige niegestörte Ruh, und ein Wonnelrben lachte mir mit Seraf- Miene zu; denn wohin das Auge schweifte in dem Umkreis der Natur, für des Knaben Seele reiste überall ein Himmel nur. 224 Wonnezeit dec ersten Kindheit, die kein rauher Sturm erschreckt, du, wo angenehme Blindheit mild des Geistes Auge deckt; wo der Freude zarter Stengel immer duftet, grünt und sprießt, wo der Mensch mehr Gott und Engel, als ein Erdgeborner, ist! Warum rührt dein Angedenken, Liebliche! so traurigfroh? Doppelt Wermuth einzuschenken, wenn dein holder Traum entfloh. In der Einfalt ist das Leben, und in kindlicher Natur: ach! es deutet all mein Streben jetzt auf meine Schwäche nur» Weil mit all den süßen Giften mich die arge Welt betrog, wollt' ich doch den Schleier lüften, der mein geistig Äug' umzog; da, zum Fremden hingetrieben, und dem Friedensland entfloh'», hab' ich mich dem Gram verschrieben, und Verkanntsein ist mein Lohn. 22S Verlust. Warum ich auf des Felsenufers Steile am dunklen Fliederbufche sinnend weile, und blicke traurig in den Murmelbach? Sie ist dahin, die Wonne meines Lebens! Mein Äuge wölkt sich fruchtlos nun, vergebens folgt ihr verathmend meine Seele nach. Sie war so schön und lieblich, wie ein Engel mit weißem Blütenhaupt am Lilienstengel; und, in der kalten Welt als milde Glut, als einen Stern in öden Finsternißen, in meine Seele durst' ich fest sie schließen, wie meines eignen Herzens theures Blut. So ist's nichtmehr. Der Freude goldne Tage, auf ewig fahret wohl! Doch jede Klage versenk' ich in die Tiefen meiner Brust; und soll das wonnelose Herz mir brechen, nur stille Trauer möge für mich sprechen, und eine Zukunft ohne Reiz und Lust. Wohin ich jetzt nur meine Blicke sende, zur Au voll Blumen, an des Berges Wände, zum Lindengange, in die Luft empor, mahnt alles an ihr holdes Bild mich wiedev; 226 was nur im Leben woget auf und nieder, singt mir den heißgeliebten Namen vor. Verlöschet, Sterne in den blauen Lüsten l Verwelket, Blumen mit den Honigdüften! Es trockne, Silberquelle, deine Spur! Du Lindengang, den wir so ost gegangen, der uns mit kühlem Blütendust umfangen^ du werde fahl! Stirb ab, stirb ab, Natur! Doch nicht so. Blinket immer fort, ihr Sterne! sie sieht euch an, und auch in weiter Ferne erinnert sie an ihren Sanger sich. Du murmle ferner, Bach, vom Felsemucken! blühst, Blumen, fort, den Busen ihr zu schmlik- ken! sie sieht auf euch hinab und denkt an mich» 227 W ü ck K e h r. Wo wall' ich hin durch unbekannte Gründe, wo keines Menschen Stimme noch getont, wo durch die Grauen weiter Felsenschlünde des Westes lauer Fittig seuszend stöhnt? Was such' ich hier, wo nur am steilen Hange die düstre krumm - gewachs'ne Fichte weilt, und mit so schauerlichem Widerklange sein Trauerlied der Todtenvogel heult? Wo führst du hin mich? namenloses Streven! Wann bleiben wir am heitern Ziele steh'n? Kannst du mir niemahls das Versproch'ne geben, laß ungetrübt mich durch das Leben geh'n! Denn grauenvoll ist's hier, und immer weiter treibt mich'ch gewaltig in die Nacht hinein. Entsetzlich Vorgefühl: nie werd' ich heiter, ich werde niemahls wieder glücklich sein! Wie war ich selig in dem stillen Thale, wo niebefleckt der Unschuld Sonne scheint, wo jede Freude, wie zum Göttermahle, im unerfahrnen Busen sich vereint; wo jede junge Rose mich entzückte, wo ich Geschöpfe, seelenvoll und mild, an meinen liebewarmen Busen drückte, und Liebe lohnend mir zurückerhielt! 228 Hier steh' ich nun, im Auge stille Tranen, und sehe rückwärts in das Thal der Lust. Ach! ein verhängnisvoll - getheiltes Sehnen entzweiet mir die jugendliche Brust. Es zieht mich wohl zu meiner Heimat nieder, in's leicht-vcrlaßne stille Vaterhaus, ach! aber stärker, stärker zieht es wieder mich in die unbekannte Welt hinaus. Denn selber in der Freundschaft milden Armen, auch im geliebten trauten Thal der Ruh kann jetzt mein Herz zur Freude nicht erwärmen', lacht Friede nicht der kranken Seele zu. Nicht mit der Kindheit zärtlichen Gefühlen will ich zum unschuldvollen Spiele geh'n; hervor will ich das Florumhangne wühlen, selbst unvollkommen, die Vollendung seh'n. Wir werden einmahl doch uns wiederfinden, du meiner Theuern vielgeliebte Schaar! Dein, bis die Stunden kurzer Trennung schwin¬ den , bleibt meine Seele, wie sie ewig war. Den Odem nimm für dich von meinen Küßen, und lebe wohl! Dem Flüchtling grolle nie! Du liebtest ihn, laß eine Träne fließen, denn, ach! vielleicht verdient er dennoch sie. Du aber, meines Geistes heil'ge Flamme, die still-erglühend mir im Busen brennt, du führe mich zu jenem Menschenstamme, der nur den Namen von der Schwäche kennt,, in jenes Land, wo rein're Lüste wehen, 229 wo Heller Licht dem Äug' entgegenbli'nkt, wo unbefriedigt Wünsche nie vergehen, und Ruhe sich der rasche Geist erringt! Wo alle Wahrheitliebenden und Frommen mit reinerm Blut, mit klarerem Gesicht zu edlern Freuden neu zusammenkommen, wie in dem Brennpunkt eines Meers von Licht; wo selbst die Bösen reuig in sich gehen, die Laien alle, hier so taub und blind, erstaunend auf zum Bild der Wahrheit sehen, es reden hören und erst glücklich sind! O Leben voll von Seligkeit und Wonne! ich ahne dunkel nur erst deine Lust, denn noch vertrag' ich nur die Alltagsonne, und dich begreift nur eine rein're Brust. Doch, wie es sei — ein liebes süßes Hoffen ist eines kühneren Entschlußes wcrth,' nur weiter noch! die Welt liegt vor mir offen, und meine Kräfte sind nicht aufgezehrt. — Doch wo zuletzt und wann denn werd' ich finden, wornach unendlich der Verstand sich sehnt? Wohl noch in dieses Erdballs Jrrgewinden? solange sterblich meine Brust sich dehnt? Unendlichkeit! dich such' ich schon so lange, Vollendung, dich, du Urquell alles Lichts! Ertönet, Klagen, tönet laut und bange! ich suche viel, und finden werd' ich — nichts 230 Warum auch, Thor! in diesen schmalen Räu¬ men , in dieses Lebens kurzer Pilgerzeit kannst du Unendlichkeit zu finden träumen-, die' nie dem Raum, der Zeit ihr Wesen leiht? Nie kann die Last des Körpers sich erheben in jenes dreimahl-sel'ge Ätherland, wo tausend Miriaden Sonnen schweben nach ew'gen Normen, die kein Mensch verstand. Ja, Ärmster ich! unzeitig war mein Streben? o lebet wohl, ihr goldnen Fantasie'»! Ich muß zurück in's niedre Erdenleben, und fühlen tief-beschämt, wie schwach ich bin. So schließ' ich denn genügsamer mein Sehnen in meines Herzens tiefste Tiefen ein; ob jetzt es aber ist,, ich darf es wahnen, nicht ewig wird es unbefriedigt sein. 231 Der Äbendiöinv. Was drangst mit leisem Flügel, du West! so freundschaftlich vom düstern Ulmenhügel um meine Wangen dich? 'Was willst du mir vertrauen? Kommst du vielleicht von ihr, der lieblichsten der Frauen? Noch schlüpfe nicht von mir! Erzähl', wie du geflogen um ihres Armes Rund, wie sie dich e.ingesogen in ihren Rosenmund; Ob sie des Glückes Trümmer mit leichtem Herzen trägt, ob noch vielleicht cs immer für ihren Hugo schlägt! Fliehst dann du von mir wieder weit durch der Luft Gebiet, und säuselst zu ihr nieder, nimm meine Seufzer mit! 232 Sprich, dort sei nur hicnieden wo sie, dos Paradies, und daß, von ihr geschieden, mein blutend Herz zerriß! 2Z3 Ginfsmkeit. Ws säuselnd meine Rasenstelle der traute Buchenwald umkränzt, und glitzernd in des Bornes Welle der Strahl des Mondes glänzt; wo aus der Stadt entfernten Mauern nur dumpf ein Glockenton erschallt, und flüsternd mich mit leisen Schauern mein Genius umwallt; wo ungestört der freie Wille erglüht in hehren Fantasie'n: dort nimm mich auf, erwünschte Stille, du süße Trösterin! O laß in Lir mich Ruhe finden! ich sehne mächtig mich nach ihr. Des Unmuths Nebel machst du schwinden, und herzlich-wohl wird mir. Da schwebt der Geist auf Seraf-Flügeln durch stäter Morgenlüfte Welsin, sieht aus vergeßner Gräber Hügeln Unsterblichkeit ersteh'n; da selbst in Räumen cw'ger Leere bevölkert er sich eine Welt, wo nie des Kummers bange Zähre von trübem Auge fällt. 231 D « S V i l V. Raub, an der Natur begangen, liebes unschätzbares Bild! Purpur schwebt um deine Wangen, und drin Blick ist engelmild. Hell strahlt mir die Brust entgegen, wo der Flor ihr Blöße ließ, und mein Auge weilt verwegen am erschloßnen Paradies. Bebend eil' ich dich zu drücken an die volle treue Brust, doch du theilst nicht-mein Entzücken, theilest mit mir nicht die Lust. Liebend send' ich meine Grüße deinem duldenden Gesicht, auf dir zittern meine Küße, aber, ach! du fühlst sie nicht. Wenn die Dichter Wahrheit sangen, wollt' ich, als dec Treue Lohn, nur dein selig Loos erlangen, glücklicher Pigmalion! L3S Der Gefangene' Mit verstehlnem Flimmer blinkt des Vollmonds Schimmer durch das Fensterlein still zu mir herein; gaukelt eine Weile um mein schlaflos Lid, bis in hast'ger Eile seine Sour entflieht. Könnt' ich, lieblichster der Sterne, folgen deinem stillen Licht, o, ich folgte schnell und gerne deinem milden Angesicht i Aus dem öden Trauerhaus schlüpft' ich gar behend hinaus, und wie mit des Windes Flügel eilt' ich über Feld und Hügel in ein edler schöner Land, wo mir niemand mehr die Hand mit der Feßeln Last umwindet, und mich stoßt in eine Gruft, wo des Tages warme Luft und des Auges Licht erblindet. Wenn ich dann ermüdet war', trüge mich der Fuß nichtmehr, 236 sank' ich wohl zur Erde nieder; und mit nie-gefühlter Lust, und mit tränendem Entzücken wollt' ich an der Mutter Brust meine Feurrküße drücken. Ich erhöbe dann mich wieder, um mit tiefem Athemzug viel, recht viel, doch nie genug von der Freiheit Luft zu trinke«, und mit neubelebtem Sinn auf die Allgebärerinn nur noch einmahl hrnzufinken. Mit verstohlnem Flimmer blinkt des Mondes Schimmer durch das Fensterlein oft zu mir herein; winkt, und winkt mir immer nur zu sich hinaus: ach — doch komm' ich nimmer aus dem düstern Haus! 237 M e i n e i v. Kann ich vsrbeu'n, daß mir die ,Pulse klingen mit raschem Schlage, mit erhitztem Blut? Kann ich verbeu'n, daß die gereizte Fiuth sie wechselnd in des Herzens Tiefen bringen? Kann ich verschmähen, wornach die Wünsche dringen mit immer starker angefachter Glut? Kann ich dem Geist, nach einem lieben Gut, wie ein Tirann gebieten, nicht zu ringen? Ich liebe noch, obwohl ich mir geschworen, stolz zu entbehren meines Lebens Glück, denn schwach und sterblich bin ich nur geboren. Zn seine Heimat flieht mein Herz zurück, es hat zum Kampf die letzte Kraft verloren. Vertrete diesen Meineid das Geschick! 238 Aleobis unv VitStt. Was wogt die festliche Menge in Argos her und hin? Am Wagen im dichten Gedränge sitzt Hera's Priesterin. Doch warum muß sie harren? die Stunde rief ja doch. Es fehlen nur noch die Farren, zu beugen das Haupt in's Joch- Es wahrt zukange das Weilen. Horch! neuer Jubelchor. Die Menge thut sich zektheilen, zwei Jünglinge treten hervor. Man sieht ihr freudiges Wagen, ihrem Mund entschlüpft kein Wort? sie spannen sich ein ohne Jagen, und zieh'» den Wagen fort. Zum Tempel kommt man munter, wo Hera's Opfer brennt. Die Priesterin steigt herunter, die nun die Beiden erkennt. Entzücken füllt ihr die Seele, sie schmeckte solches noch Air, Sie kniet an des Tempels Schwelle, und also betet sie: 23S „Weil meine Söhne mich zogen, o Hera, Gö'ttinn du, sei gnädig ihnen gewogen, und lächle mild ihnen zusi Das größte Glück, so hienieden den Menschen erfreuen kann, fei von dir ihnen beschieden! Um solches fleh' ich dich an." Und mit den schönsten der Tone, mit Worten der Mutteclust winkt beide ihre Söhne sie an die klopfende Brust. Sie schmiegen sich ohne Kummer an dis Mutter, still und hehr; ihre Augen befällt ein Schlummer, und sie — erwachen nichtmehr. 240 Der Härtner. Des Gartners kleine Wonne war noch sein Gartenland, wo ihn die erste Sonne schon an der Arbeit fand. Da nahm er an der Quelle sich seine Kanne voll, damit die Silberwelle auf alle Blumen quoll» Und eher ließ er nimmer von seinem Fleiße nach, bis sich des Tages Schimmer am Felsgebirge brach. Der ganze Garten blühte in junger Pracht empor, und überall erglühte ein bunter Blumenchor. Doch alles das entzückte Len Armen nicht mit Lust, ein schwerer Kummer drückte ihm die beklemmte Brust. Sein 24t Sein Liebchen, kaum gefunden in weite Fernen schied. Zn wehmulhvollen Stunden ersann er folgend Lied. „Warum so thätig-rege und friedlos plag' ich mich? Die Blumen, so ich pflege, erblüh'n ja nur für sich." „Es steh'n die lieben Nelken von keiner Hand gepflückt, und meine Rosen welken an keine Brust gedrückt." „Mich selbst freut keine Blume weil sie die schönste ist, um welche meine stumme doch reine Träne fließt." „So muß ich bald verderben, wie meine Blumen hier; verlaßen muß ich sterben, und niemand weint nach mir." Gedichte r. Lago rein Echwarjthate. 11 242 Der verirrte. Ach! wer sagt mir, wo ich bin? Wie aus diesen Jrrgewinden werd' ich einen Ausweg finden ? Gott! wo wend' ich nun mich hin? Warum stellst du so verwegen, rauher Fels! dich mir entgegen? Warum hüllest du so kalt, furchtbar-schauerlicher Wald! mich in deine finstern Hallen? Soll ich aus dem wüsten Haus niemahls — niemahls mehr hinaus? Frohe Vöglein seh' ich Hüpfen auf den Ästen her und hin, sie durch grüne Blätter schlüpfen, seh' sie kommen und entflieh'»: ich nur kann den Weg nicht finden aus den grausen Jrrgewinden. Nimm, geliebtes Heimatland hinter fernen blauen Hügeln, auf der Sehnsucht milden Flügeln deines Sohnes Scheidegruß! 243 Ach! — nie wird er mehr dich finden,^ nie — und sein zerstreut Gebein wird ein Spielzeug fremden Winden in dem fremden Lande sein. II* 244 Der Schiffer- Dm fernen Himmel rokhet des Abends milder Schein, die Nachtigall durchflötet den jungen Papelhain« In grauer Nebelhelle ruht weitumher das Land, mir aber netzt die Welle des leichten Nachens Rand« Ich schiffe ganz slleine am stillen See umher, ich schiffe, ach! und weine, das Herz ist mir so schwer. Sonst glich mein junges Leben der Unschuld leichtem Spiel; nie schwang sich hoch mein Streben, klein war der Wunsche Ziel. Nun schwellt ein mächtig Sehnen mir die gequälte Brust. L>st hat die Liebe Tränen, doch fließen sie vor Lust. 245 Was mir das Herz zerrißen, was mir die Ruhe nahm, dem meine Zähren fließen, ist hoffnungloser Gram. 216 Der Verbannte. Aus dem Kreise meiner Lieben hat man mich Hinweggetrieben, mich gedrängt mit rauher Hand aus dem lheuern Vaterland. Jetzt wohin soll ich armer Flüchtling zieh'»? Welcher Gastfreund, treu und bieder nimmt mich in die Arme wieder? Eines eignen Herdes Glück gibt mir niemand mehr zurück. Einsam soll ich geh'n und trauern! Niemanden im fremden Land wird mein hartes Schicksal dauern; und von jedermann verkannt werd' ich wohl des Lebens Plagen in die Länge nicht ertragen. Freude, süßer Wonnebecher, nimm des Abschiedgrußes Zoll von dem hochgetauschten Zecher, der dich nimmer schmecken soll! Aber muß er alles mißen, was das Leben lieblich macht, was in rosigem Gewände 247 freudevoll entgegenlacht: Eines ward ihm nicht entrißen, blieb ihm ja ein Bettelstab, und, wennauch im fremden Lande, doch vielleicht ein ruhig Grab. 248 Alkibiases unv Thimanvra. Lirisches Spiel. (Ein Landhaus in Frigien.) A l k i b i a d e s (acht »lißmttkhig auf und nieder, dann bleibt er, von Thittlandra abgewendet, stehen.) Thimandra (sitzt seitwärts mit einem Saiten - Instrumente zur Hand, siebt aber nach einigen Griffen auf.) Thimandra. Auch der Silberlaut von Tönen, der so sanft das Ohr besticht und hinein zum Herzen spricht, kann nicht deinen Gram versöhnen? All die frohe Rothe wich von der männlich-braunen Wange, Falten furchen sie so bange; und dein Auge wölket sich. Kann nicht meine Liebe heilen, was das kranke Herz dir bricht? A l k i b i a des. Freundliche! das kann sie nicht. 249 Thim a n dra. Darf sie nichteinmahl es theilen? Alki bi ad es. Nun -- so muß ich wider Willen, was in meines Herzens Nacht ich so gern allein bewacht, gutes Mädchen! dir enthüllen. Denkst du noch zurück in's Land, wo des Lebens Reize wohnen, wo Athene liebt zu tronen auf geweihter Felsenwand? Dieses kann nur Männer tragen die, im Herzen Götterblut, schwach an Menge, stark gn Muth, Millionen Perser schlagen. Aber auch, wer nie gekannt die gespenstige Sucht der Rache — Thimandra. Warum hemmst du da die Sprache? Alkibiades. Din ich nicht daraus verbannt? — All ihr jugendlichen Träume, so ich hoffnungvoll gehegt, wäret wohl unüberlegt! Denn nur eure ersten Keime lächelten dem trunknen Blick; 25N jetzt nach mühevoller Pflege find' ich auf des Lebens Wege nicht der Früchte lohnend Glück. Und das Land, was mich geboren, wo ich sonst, den Führerstab in der Hand, Befehle gab, geht doch auch mit mir verloren! Arm und kraftlos ist das Recht, Mißgunst und Verleumdung brüten, Schleicher und Tirannen wükhen, und der Redliche ist Knecht. Thimandra. Überlaß sie ihrem Sterne, weil sie sinnlos dich verkannt, ohne Regung dich gebannt in die freudenlose Ferne! A l k ib i a d e s. Wohl noch mehr, geliebtes Kind! Wenn mich Schauder selbst erfüllen, will ich alles dir enthüllen, was man gegen mich beginnt. Kund ist dir, daß zu den Hallen, wo der Perser König krönt, doch des Mitleids Regung wohnt, wir verwiesine Pilger wallen. Mancher Unglücksvolle fand unter jenen Himmelsstrichen bcßre Herzen als der Griechen, und ein beßres Vaterland. 25 l Aber der Athener Witth - überschreitet alle Gränzen. Nirgends möge mir erglänzen freundlicher Gestirne Glut. Selbst in der Barbaren Mitte, deren unbekanntes Feld an den Marken liegt der Welt, wollen sie, daß keine Hütte, wenn sie ärmlich auch und klein, mir zum Zufluchtorte werde, und ich soll auf dieser Erde überall ein Fremdling sein.- Doch — auch das ist nicht das Eine, was der Mißgunst schon genügt, weil sie dumm sich selbst belügt unter wacher Vorsicht Scheine, daß ich wohl dem Vaterland einstens Schaden dürfte bringen, sollte nun es mir gelingen, daß mich schützt des Königs Hand. Aber nur zu schwach — o Schande! — fühlt sich noch allein Athen, und zu meinem Untergeh'n knüpft es fchmachbeflcckte Bande mit der Nebenbuhlerin.*) Diese ruft, in Lust ergoßen: „Was wir über ihn beschloßen, das wird Farnabaz**) vollzieh'«!" Seine ausgeschicklen Horden — haben Sklaven eine Wahl? — schleichen schon durch Berg und Thal. Sparta. *') Ein gewonnener persischer Statthalter in Kleinasien. 252 Th i m a n dra. Und was wollen sie? A l k i b i a d e s. Mich morden. Thimandra. Morden — sagst du?! Gibt es noch Gotter, die nicht ohne Grauen so verruchte Thaten schauen, wie der Mord es ist, wenn doch sicher solche Ungeheuer auf der Bahn des Lebens gch'n?! Donnerer, aus blauen Hö'h'n tobte sie dein blitzend Feuer!- Aber ist kein Hoffen mehr, ihren Dolchen zu entrinnen? Al k i b i a d es. Was vermag ich zu beginnen? Nutzlos schau' ich ringsumher. Mag ich flüchtig auch entweichet» in den gottgeschützten Hain, darf ich dann versichert sein, daß nicht Mörder mich umschleichen? Auch des Lotterbuben Pfad klärt des Mondes düstre Helle, und der Klause niedre Schwelle, 253 die der scheue Fuß betrat, wird den Meuchler ab sie halten? Thimandra. Kann sich Rettung dem entfalten, der zu wagen nicht versucht? Willst du angstvoll-müßig stehen, selbst dem Sturz entgegengehen? Was versperrt dir noch di« Flucht? Alkibiades. Soll ich einsam freudlos ziehen, fern, du Gute! sein von dir ? Thimandra. Ach, wie wenig traust du mir! Will ich denn mit dir nicht fliehen? Alkibiades. Zn den Tod? Thimandra. Wich schreckt kein Wahn, und der schwarze Schiffer drüben an dem Fluß, dem ewig-trüben, nimmt zugleich uns in den Kahn. 251 A l ki b i a d e s. Mit mir, Mädchen! willst du sterben? Thimandra. Ist so schwer das? Ohne dich ist kein Leben ja für mich, als im Tode. A lkibia d es. All ihr herben Leiden, die ich viel gekannt, all ihr nie-verharschten Wunden, schmerzlos seid ihr mir entschwunden! Nimmer glaub' ich mich verkannt; reicher,^ als ich je gewesen, faß' ich in der weitern Brust kaum die unbegränzte Lust. Die zu Freunden ich erlesen, weil ihr schlau und lügenhaft meinem Glücke Rosen streutet, euch an meiner Große freutet, fröhntet meiner Leidenschaft! wo seid all' ihr hingekommen, seit mein günstiges Geschick mit dem abgewandten Blick Abschied hat von mir genommen? Seh't, ein Weib! Doch nicht, wie ihr, will sie schamlos von mir eilen; nein, mein Unglück will sie theilen, stirbt, gelaßen selbst mit mir. 255 Thimandra. Still davon! Die Sterne blinken hoch am blauen Himmelshaus, mahnen uns zur Flucht hinaus. Al.kibiad'es. Mochten sie nicht fruchtlos winken! Aber horch! Vernimmst du nicht grausenhafter Töne Sausen? Thimandra. Nun — es ist des Sturmes Brausen, der sich an dec Hütte bricht. A lkibi a des. Täuschung war es nur? — Ich hörte Menschenstimmen. Thimandra. Oder rief bös die Eule, weil sie schlief, und ein kecker Gast sie störte. A l k i b i a d e s (gleichsam auf ihre Worte nicht achtend.) Grausig schlagt es mir ams Ohr, wie wenn nahe Flammen praßeln, 258 schlecht-verwahrte Waffen raffeln. Nein, nicht Gutes geht hier vor. (Beide sehen vorsichtig zum Fenster hinaus.) Siehst du nicht die Balken brennen? Haid in Flammen steht das Haus. Thimandra (ihn vergebens wegziehend.) Also laß uns denn hinaus! Al k i b i a d cs°' Meinen Namen hör' ich nennen, und das gräßliche Gebot flüsternd durch die Lüfte schweben: „Hat er auch ein dreifach Leben, nicht entrinn' er uns im Tod!« Thimandra. Was wird, Götter! sich entfallen? A l k i b i a d e s. Was? Undankbar Vaterland! säumig ist nicht deine Hand; Blitzesschnelle hat ihr Walten, denn mein Leben ist der Preis. Unversöhnlich ist dein Haßen, doch nicht macht es mich erblaßen, weil ich auch zu sterben weiß. 257 Th i m a n dr a. Alss rettunglos verloren? Alkibi ad e s, Wohl nicht anders. Blicke hin, wie sie eng das Haus umzieh'»; wider unser Heil verschworen dringen selbst die Flammen ein! Aber dennoch will ich wagen, unversehrt dich durchzutragen, sollt' es durch den Orkos sein. Deine Jugend wird' sie rühren, und das Wort »ein schwaches Weib" und den reizbewachten Leib Wird kein Unmensch dir berühren, T h i m a n dra. Lieber! nun ist es zu spat. Die der Herzen Glut nicht kennen, würden noch im Tod' uns trenney; aber, was vom Himmel weht, sollen Frevler nicht verderben! Weil uns falsch verläßt das Glück, bleib' ich lieber hier zurück, um in deinem Arm zu sterben. Al kib indes. Wahrlich, du bist gut und groß. Nicht in meines Glückes Helle 258 fandst du mich; auf stürmischer Wells schlug das Schifflein um. Da schloß sich der Himmel auf, sein Bore stiegst du mit dem Fciedensstab liebevoll zu mir herab, und entrangst den Leib dem Tods, dec Verzweiflung Wahn mein Herz; und es freute bald mich wieder der vertraute Klang der Lieder und der Liebe holder Scherz. Auf des Lebens stillern Wogen glitt ich mit geklartem Blick; was mir feindlich das Geschick je mit schnöder Hand entzogen, fand ich herrlicher in dir. Und für das erneute Leben, das du, Gute! mir gegeben, nimmst du nun den Lod von mir? Thimandra. Nichts davon! Nur eine Bitte regt mir leise noch die Brust, meine letzte wohl — Alkibiades. Enthülle, was du wünschest! Ich erfülle, was du fordern magst, mit Lust. Thimandra. Zn dem allgewalt'gen Feuer, auch vom Blute gräßlich-roth, 259 duldest du nicht meinen Tod, und den Hohn der Ungeheuer. Deine Großmuth schützte mich stets mit Waffen edler Liebe, folge jetzt auch diesem Triebe! Alkibiad es. Beim Olimp! versteh' ich dich? Thimandra. Bebst du? Alkibiad es. Schadenfrohe Mächte! groß ist eures Haßes Glut. Dieses Mädchens reines, Blut soll verströmen meine Rechte? Thimandra. Willst du lieber, daß mit Spott Mörder mir das Herz zerwühlen? Alkibiades. Nun — so will ich es erfüllen, schmeck' ich doppelt auch den Tod. — Diesen Kuß vor kurzer Trennung. — (Er ersticht ste.) 260 Thimandra. Schmerzlos tödtet deine Hand. (Sie stirbt.) A l k ibi a d e s (sie sanft meLsrlegend:) Schlumm're sstnft! Im beßern Land, in der Heimat der Erkennung, ruh' ich bald an deiner Brust. (Langs Pause. Er ist in Gedanken verloren, aus denen er mit Len Worten erwacht:) Ist es nicht schon halb geendet? Wenn es völlig abgewendet, lohnt das Bittre selbst mit Lust. (Heftiges Gepolter von außen.) Ja ich will euch bald begrüßen, denn ich kenne diesen Ruf.-- Warum, Gottheit, die mich schuf! strömte nicht in rothen Güßen aus mein Blut, wenn beim Geklang der Posaune zugeflogen tödtlich-schnell vom Feindesbogen mir der Pfeil zum Herzen drang? Schontest du mich, daß mein Ende jetzt nur doppelt schmählich sei? Wohl in off'ner Schlachtenreih' wollt' ich, blutbespritzt die Hände, männlich fallen. Aber gegen Meuchler führ' ich nicht das Schwerk. — Meinen Tod hast du begehrt, Vaterland! Es bringe Segen mein Verderben über dich! 261 Nimmer werd' ich mit dir rechten, mich vertheidigend nicht fechten; (indem er den Dolch, den er bis nun in der Hand behielt, wegwirfn) ich bin wehrlos: morde mich! Und wenn meines Geistes Leben aus gesprengter Hülle quoll, nahm ich mit mir keinen Groll, nein, ich habe dir vergeben! (Mit Würde ab.) 262 An Vas Stammbuch des Fräuleins Gugenie don A. Wien am 17. Oktober »829. Wohl lieblich ist es, Schönes zu besitzen, schwer — aber was des Menschen Werth erhöhet, ihn adelt und ihn näher hebt zur Gottheit — ist unbeklagtes, ruhiges Entbehren. 263 V runo d on Äinöv. i 3 L o. Es war einmahl cin Ritter im Felsenlande Krain, der halt' ein gar bescheidnes und frommes Töchter¬ lein. Wiewohl zur Freite zogen viel Jflnglingc heran, doch blieb sie nur dem Vater in Liebe zugethan. Drum war er ihr so freundlich, und hatte sie so gern, es war ihm minder köstlich der eigne Augenstern; sie war sein halbes Leben, und seine beste Lust bewahrte, wie ein Kleinod, ihm Rosamundens Brust. Einst wandelte die Jungfrau im Garten still um¬ her, da kam ein Ritter, starrend in blinkendem Gewehr; der schwang sie auf den Rappen mit räuberischer Hand, und niemand konnte melden, wohin die Maid ent¬ schwand. Verfloßen waren Jahre, von Gram und Sorgen schwer war wohl das Herz des Vaters, doch kam sein Kind nichtmehr. 264 Aufeinmahk trat ein Bote zum Ritter in's Gemach, der Worte voll des Jammers aus heisrer Kehle sprach. „Der Ritter Kunz von Neudegg — den Donner auf sein Haupt! — hat euer sittig Fräulein mit schnöder Hand geraubt. Ec brachte sie von dannen mit Akglist, hoch zu Roß, «nd hielt sie eng gefangen auf seinem Felsenschloß." „Mit fußen Schmeicheleien, mit glatter Worte Kunst bewarb er sich voll Feuer um ihres Herzens Gunst; sie aber sprach: Solange mir brennt das Augenlicht, den Räuber werd' ich haßen, ihn lieben werd' ich nicht." „Und wie er sah, daß alles Bemühen nutzlos Mr, den schrecklichsten Gedanken das Ungethüm gebar. Er brach — warum auch Sprache Gott meiner Zun¬ ge gab! — der jungen zarten Rose den Keim des Lebens ab!"—' Jetzt wurde dumpfe Stille; cs brach im stummen Schmerz, unendlich, unaussprechlich, des armen Vaters Herz. Und Rache sollt' er üben, was brächt' es für Ge¬ winn ?- Sie lebte doch nicht wieder, und — seine Kraft war hin. Es grub sich nur die Wunde noch Liefer in der Brust; in den Gemächern sucht' er vergebens seine Lust; und 265 und sah im Abendgolde vom Fenster er hinab, die weite Welt erschien ihm nur als ein weites Grab, „So will ich hier nicht wohnen, wohin sie nim¬ mer kehrt, wo jedes Angedenken den Gram mir nur vermehrt; die Harfe will ich nehmen zur kriegerischen Hand, und klagen meinen Kummer dem ganzen teürschen Land," So sprach er und vertauschte das reich - gestickte Kleid mit einem schwarzen Habit voll ernster Traurigkeit; dann stieg er mit der Harfe vom Felfenschloß herab, dem er mit feuchtem Auge die letzten Grüße gab. Wo eine Burg herabsah von moosigem Gestein,' dort sprach er uNgerüfen mit feiner Zither ein; und wenn die Ritter saßen bei fröhlichem Gelag, begann er ernst und düster den lauten Saitenschlag. Und sang von einer Jungfrau, die fromm und lieblich war, von deren Rabenlocken, vom dunklen Augenpaar, wie sie der Mord gesarget in kalte Todesruh; vom eignen Schmerze sang er Und weinte still dazu. So schlich in muntre Kreise zuweilen Gram sich ein, und manchem, der ihm horchte, ward trüb des Au¬ ges Schein; wohl mancher bot ihm tröstend zum Aufenthalt sein Haus, er übernahm die Harfe, und wankte stumm hinaus. Gericht« v. Hugo vom Schwarzthaw. 12 266 So schwanden Monde, Jahre; gedämpft durch Spiel unk Sang benagt.' ihn immer leiser der Schmerz und minder bang: dir Harfe würd' ihm aber so theuer und so werth, als Hütt' ihm auch zur Tochter dec Himmel sie be- scheect. Einst hangt' er die Vertraute auf einen Elchenast, er legte sich darunter zur stillen Abendrast r da brach der Zweig im Winde, die Harfe fiel herab, die Saiten sprangen, daß es ein weinend Lispeln gab. Das traf wie Gottes Donner sein angstvoll-bebend Herz, und solche Worte rief er im neuerwachten Schmerz: „Ich lebte zur Genüge; ich kann es deutlich seh'n, ich werde bald, und mit mir mein Stamm, zur Rache geh'«." „O süße Rosamunde, du Blume, zart und mild, du Lust und Schmerz, des Vaters, geliebtes Engels¬ bild! dein Blut voll Unschuld färbte des grausen Mörders Stahl, und deine Schlummcrstätte — ich weiß sie nichtein- mahl!" „Darum, vertraute Harfe, du Trösterin« im Leid! damit kein Lotterbube dick freventlich entweiht, mit meinen eignen Händen bestatt' ich dich zur Gruft; - dann wart' ich einsam, bis mich des Todes Engel § ruft." 267 Mit eigner Hand zu graben begann er nun das Grab, senkt' abgewandten Blickes die Harfe tief hinab, die Erde scharrt' er wieder, die deckende, zu Häuf; dann saß er hin am Hügel und stand nie wieder auf. 12* 268 Was Vöglein im Käfig. Ich brüte düster Len Tag entlang, und mein Geflüster ist hohl und bang. Wann wirst du wieder mein Aufenthalt? du Haus der Lieder, geliebter Wald! Ich möchte singen, Loch, ach l — mein Lied mag nur gelingen im Waldgebiet. Zwar goldig Eise» umgittert mich- und meine Speisen sind leckerlich. Bin doch gefangen im engen Haus! Fruchtlos Verlangen treibt nach hinaus. 26S Kann ich nicht schweben ob Berg und Thal, so ist das Leben mir eine Qual. Drum brüt' ich düster den Tag entlang, und mein Geflüster ist hohl und bang. 270 Das Vergißmeinnicht. Wir sollten scheidend von einander geben, da bliebst du noch und nahmst mit schwanker Hand ein blaues Blümchen, so am Wegesrand auf dürrem Boden einsam war zu sehen. Du gabst es mir; ich könnt' es nicht verschmähen. Indem im Aug dir eine Träne stand, begannst du: „Wie der Blume rein Gewand wird meine Treue mackellos bestehen." Seit jenem Abschied auf entfernter Au sah ich wohl manche Welle schon entgleiten, und freudlos sind die Stunden jetzt und rauh. Doch treu gedenk' ich noch der alten Zeiten, dein Blümchen aber ist nun welk und grau; ich mag nicht denken, was dieß kann bedeuten. 27L v ! An vie sferne. Aus feuchter Luft wallt kühl der Abend nieder,- die Harfe ruft in's schön're Reich der Liede? aus dunkler Gruft crstorbne Freuden wieder. Gleich an die Theuern denk' ich zurück, und es umschleie-rn Herz sich und Blick. Von Stolz und Neid, von Tücke nicht Vergifter, voll Heiterkeit, die Gutes, Edles stiftet, entschwand die Zeit, von Liebeshauch gelüstet. Freunde! die Herzen, ledig vom Joch nagender Schmerzen, schlugen fo hoch. Die Harfe schweigt, ich kann nicht fürder singen. L72 Die Seele fleugt auf treuer Liebe Schwingen, euch gramgebeugt den Geistergcuß zu bringen. Segenreich daure euer Verein! Aber ich traure fern und allein. 273 Die ASenvröthe. Stürmisch ist der Tag vorbeigegangen, aber steh! der Wolken'Grau zerfließt, und ein sanfter Abendglanz ergießt sich auf seiner Gottheit stille Wangen. Nun zur Ruhe geht er ohne Bangen, weil er schön sein Tagewerk beschließt; wo der Duft Ambrostas entsprießt, werden Träume selig ihn umfangen. Mochte dereinst, nach des Tages Roth, ich auch vor mir selber nicht erbeben, nicht verglüh'n, was tröstend in mir loht! Dann vergeß' ich gern ein freudlos Leben, ruhig nach dem schönen Abcndroth wird mein Geist zum Sitz der Wonne schweben. 27 t Der Klinger am ^j?els Was seh't ihr so mit Grauen zum steilen Felsenrand? — Ein Mann ist dort zu schauen, das Harfenspiel zur Hand. — Den Tönen laß't uns lauschen! Ein Hauch, der schmeichelnd zieht, bringt uns in seinem Rauschen herab ein fremdes Lied. »Und fo schlummert tief und fest im noch nie erschloßnen Grabe, den ich nie genoßen habe, meiner Freuden größ'rer Rest." »Äber einst — so kommt mir's vor, und die Hoffnung stirbt mir nimmex — steigt mit rosenrotheM Schimmer mir ein neuer Tag empor." »Und da werden, so glaub' ich, meine Freuden auch erstehen, lächelnd mir entgegen gehen, mich umarmen schwesterlich." »Und ich selbst voll heil'ger Ruh werde fest an's Herz sie schließen. — 275 Leben, seliges Genießen! nur im Tode blühest du.« Horch, wie mit mattem Halle bas düstre Lied verklang , und mit gedampftem Schalle die goldne Saite sprang ! Der Schwan in Todesstunden weint solche Mrlodiestr. Der Sänger ist verschwunden; sagst an!: Wo kam er hin? 276 Die Sterbeglocke. Dumpf und bang tont der Sterbeglocke Klang von des Münsters Thurme nieder, schwelgt — und ernster hallt sie wieder. Wie sie ruft von der Erde nach der Gruft, . aus des Lebens munterm Hause in die ewig stille Klause! Doch vielleicht ruft der Tod jetzt unerweicht einen Wandrer, der nicht gerne folgt zur unbekannten Ferne. Neißt ihn los von der Altern zartem Schoß, weg vom treuen Arm der Seinen, die ihn hoffnunglos beweinen. Wandrer du, geh nur! denn du gehst zur Ruh, und des Lebens schönste Bilder sind dort lieblicher und milder. 277 Graf M ugo lin. D Aus dem Italienischen Dante's Alighieri. 2) Wir 3) warm schon von ihm 4) hinweggegangen, da sah ich zwei in eisiger 5) Must, so daß des Einen Haupt des Andern Haupt -bedeckte; 1) Hugolin Graf von Gerardesca, ein vornehmer Malier, von der Partei der Guelfen, verband sich mit dem Erzbi¬ schöfe Rüdiger Ubaldini, einem Gibellinen, seinen Tochtersohn, Ninu s von Gallura, welcher ebenfalls ein Guelfe war, und sich zum Herrn von Pisa gemacht hat¬ te, zu vertreiben. Nach glücklich ausgeführtem Anschläge entbrannte der Reid des Erzbischofs, der nun den Grafen als Herrscher nicht ertragen konnte. Als ob derselbe durch Rückgabe einiger fester Plätze an die Florentiner und Luc- cheser die Vaterstadt Pisa perrathen hätte, wigelte dieser mit Hülfe dreier mächtiger pisanischer Familien, der Gua- landi nämlich, der Sismondi und Lanfranchi, allrn Pöbel wider ihn auf. Der Graf wurde arglistiger Weife gefan¬ gen, und mit vier Söhnen in einem Thurme auf dem Platze der A n z i a n i durch etliche Zeit, Johann Vil¬ la ni behauptet, vom Monate August bis zum nächsten März, eingesperrt gehalten, worauf Ubaldini, damit ihnen keine Nahrung mehr gereicht würde, die Schlüße! des Ge¬ fängnisses in dm Fluß Arno zu werfen befahl. So star¬ ben die fünf Unglücklichen den Hungertod. 2) Aus seiner so genannten göttlichen Komödie, und zwar aus deren erstem Theile, der von der Hölle handelt. Die ersten 16 Verse sind der Schluß des 32., und di- fol¬ genden die erste Hälfte des 33. Gesanges. In diesen bei¬ den Gesängen wird von Derräthcrn und Undankbaren er¬ zählt. 278 «nd wie man Brot aus Hunger ißt, so setzte der Obere dem Untern an die Zähne, wo mit dem Nacken sich das Haupt verbindet» Nicht anders, wie an Mcnalippos Schläfen aus ungeheurem Zorm Tideos 6) nagte, biß dieser auch an Haupt, an Haar und Hirn. O der du durch so gräuelhaftes Thun den Haß für den bewährst, an dem du nagest, den Grund, sagt' ich, enthülle mir, daß ich, wenn du mit Recht bist über ihn entrüstet, euch kennend und begreifend seine Schuld, Z) Dante selbst und der römische Dichter Birgit Denn nach der Anlage der göttlichen Komödie durchwandeltDan- te selbst die drei Aufenthaltsorte der abgeschiedenen See¬ len. In der Hölle und im Fegefeuer wird er von Virgil, und im Paradiese von .seiner entschlafenen Geliebten, Beatrix Portinari aus Florenz, herumgefiihrt. 4) Bon einem sichern Vocca Abati. Dieser war ein Guel- se, aber von den Gibellinen bestochen, hieb er in der Schlacht bei Montaperti einem Jako b Pazzi die Hand ab, mit welcher dieser die Hauptfahne hielt; worauf die florentinischen Guelfen zu fliehen beganuen und deren bei Hooo »iedergemacht wurden. 5) Denn in jenem Theile der Hölle, welchen Danke im Za. und 33. Gesänge beschreibt, sind die Übelthäter im Trä¬ nen - See Kokitos so eingefroren, daß nur deren Köpfe über der Eisfläche hervorragen. 6) Tideos, des Königs von Atolle», Qneos, Sohn, und Va¬ ter des Diomedes. Er belagerte mit sechs andern Königen dis Stadt Theben, um dem Polinikes wieder zum Trone zu verhelfen. Der Thebaner Menalippos brachte ihm eine Wunde bei, wurde aber gegenseitig verwundet und starb. Der erbitterte Tideos ließ sich deßen abgeschlagenes Haupt bringen, worein er vor Wuth biß, und bald darauf selbst verschied. 279 dich zu rechtfert'gen auf der Oberwelt vermag, wenn nicht die Zunge mir erstarrt! Vom wilden Fräße hob der Sünder aufwärts den Mund, und wifchte rein ihn mit dem Haare des Hauptes, deßen Nacken er zerbiß; dann sing er an: Du willst, ich soll erneuern den ungeheuren Schmerz, der mich beklemmt, wenn sprachlos nur ich seiner mich erinn're; weil aber meiiP Worte des Verräthers, an dem ich,'nage, Schandthat melden sollen, so wirst du reden mich und weinen.sehen. Ich weiß nicht, wer du bist, und welches Schicksal hieher dich führte, doch eiki Florentiner, wenn ich dich höre, scheinst du wahrlich mir. So wiße denn, ich war Graf Hugolin, und dieser hier — Erzbischof Rüdiger: jetzt höre, warum so ich ihn behandle ! Daß ich durch seine hinterlist'gen Ränke, weil ich ihm traute, bin gefangen worden und starb sodann, thut gar nicht noch zu sagen; das aber, was dir niemand sagen konnte, wie grausam nämlich war mein Tod, erzähl' ich, damit du wißest, ob er mich beleidigt. Ein schmales Fensterchen in meinem Kerker, der jetzt nach mir der Hungerthurm sich nennt, und wohl noch manchen Andern wird verschließen, ließ mehrmahl schon mich seh'n des Mondes Wechsel', als jenes böse Traumgesicht mir kam, so mir den Schleier lüftete der Zukunft. Herr und Gebieter schien mir dieser, jagend sammt deßen Jungen einen Wolf am Berge, 280 der den Pisanern nimmt den Anblick Lucca's. 7) Mit magern, gierigen, verrufnen Hunden, Gualandi und Sismondi un" Lanfranchi, ließ knapp vor sich er jene Armen keuchen. Nach kurzem Laufe schien ermattet mir der Vater sammt den Jungen, und ich glaubte zu seh'n, wie man sie griff mit spitzen Klauen. Als ich erwachte vor des Tages Anbruch, die Söhne hort' ich, welche mit mir waren, im Schlafe weinen und um Brot mich flehen. Wohl grausam bist du, wenn du nicht erweichst, bedenkend, was in meiner Brust sich regte, und weinst du nicht, wann pflegst du denn zu wei¬ nen ? Schon wachten alle, wie die Stunde nahte, um welche man uns Brot zu bringen pflegte, und ängstlich dachte jeder seines Traumes. Bald hort' ich unter uns den Schlüßel abdreh'n am Thor des Schreckensthurms; da schaut' ich, ohne ein Wort zu sprechen, meiner Kinder Antlitz. Ich weinte nicht, so war mein Herz versteinert, sie aber weinten, und Anselmchen sprach: „Was schaust du so? mein Vater! Was ist dir?" Doch weint' ich nicht, und redete kein Wort an jenem Tag und in der Nacht darauf, bis neu der Arde sich die Sonne zeigte. Wie sich ein halber Strahl davon verirrte in's traurige Gefängniß, und aus vier -- 7) Am Berge des heil. Julian, welcher auch der Pisa« ner - Berg genannt wird. Denn Hugolin wollte sich über diesen Berg nach Lucea flüchten. 281 Gesichtern ich mein eigen Ausseh'n las, . zerbiß ich beide Hände mit vor Schmerz; und weil sie glaubten, daß ich solches wohl aus Hunger thäte, standen sie empor L»d sagten: »Minder wird uns schmerzen, Vater; wenn du von uns dich sättigst. Diese Knochen bedecktest du, und du entkleide sie!" Ich wurde ruhig, sie nicht mehr zu kränken. Den Tag und noch den andern schwiegen wir; und du verschlangst uns, harte Erde! nicht? Nachdem der vierte Tag uns angekommen, warf Gaddo ausgestreckt sich mir zu Füße» und sagte: »Vater! warum hilfst du nicht?" Dann starb er; und wie du mich sehen kannst, ss sah ich auch die andern drei verscheiden vom fünften auf den sechsten Tag, worauf ich, schon erblindet, nur nach jedem tappte, und noch drei Tage die Verstorbnen rief, bis über jeden Schmerz der Hunger siegte. Nachdem er so gesprochen, grimmen Blickes ergriff er neu den Schädel mit den Zähnen, die scharf am Bein wie Hundezähne knirschten. O Pisa, Schandfleck du der Razionen im schönen Land, wo man mit 8i bejaht! weil deine Nachbarn dich zu strafen zögern, so rege sich Kapraja und Gorgona 8), vor Ärno's Mündung sich als Wehr zu bauen, daß jedes Wesen er in dir ersäufe! Wenn das Gerücht den Grafen auch beschuldigt, 8) Kleine Eilande im tirrhenischen Meere, nahe an Arns's Mündung. 282 baß er durch Übergabe dich verrathen, nicht deßen Söhne hättest du gemartert, du neues Theben! 9) Schuldlos war die Kindheit des kleinen Hugo, desSrigata, usd der andern zwei, die oben nennt das Lied, 9) Wegen der vielen gräßlichen und verbrecherischen Ereig¬ nisse. 283 Der Tovte vei'm Gewitter. Am Hügel durchbläst des Nordes Hauch mit nächtlichem Grimm mir den Fliederstrauch,' ich muß hinaus in des Lebens Gebiet, zu schauen, was über mir geschieht. Hui! da geht es ja zu ganz grausenhaft. Die Wetter rasen mit wüthender Kraft, und heftig aus eilendem Wolkendach stürzt Regen nieder; es schwillt der Bach. Wie donnert flammend des Himmels Gewalt! und doch ist es schaurig - finster und kalt. Die Eule selbst bleibt in ihrer Kluft, aus der sie ihr ächzend Liedlein ruft. Die Weide zersplittert; der Erdball kracht. Bedaure dich, Wanderer! Gute Nacht! Es weiter' und stürme, wie es will, in meinem Haus ist es ruhig und still. 284 Darfst?. A» E. Zürnst du, daß kein freundlich Wort meiner Kunst gelinge, daß ich nichts als fort und fort Trauerlikder singe? Zürne nur nicht, guter Mann! Hältst du mich für einen, der sich gar nicht beßern kann? Nun, ich will's nicht meinen. Denn, auf Ehre! du hast Recht; was du sagst, ist richtig, und der Mensch ist dumm und schlecht, dem das Wahre nichtig. Wenn ich es beschau' am Licht, ist so ganz entsetzlich dieses Wanderleben nicht, und vielmehr ergetzlich. Zwar der GlückesgottinnfSohn bin ich nicht; dawider fällt auch ihr verdienter Hohn auf mein Haupt nicht nieder; denn — es sei, daß mgn nicht, zart ihren Ruf verletze — 285 diese Göttinn falscher Art nennt man eine Metze. Wie mein Name kurz und schlicht? hast du lang erfahren; meine Väter zahl' ich nicht seit neunhundert Jahren: aber bös ist nicht mein Herz, und — bei allen gelten! — kenn' ich doch auch Ernst und Scherz; soll das gar nichts gelten? Gold und Silber, Macht und Ruhm, was noch sonst in Ehren, hab' ich nicht; doch sei es druml man kann auch* entbehren. Und die Aussicht — Lieber Gottk was läßt sich erwerben? Doch vor Hunger und in Spott hoff' ich nicht zu sterben. Wiel gemartert hab' ich mich mit der Liebe Plagen, und zuletzt — wie ärgerlich l — nichts davongetragen. Aber ließ manch eite! Wort mich die Holde schreiben, muß sie dennoch immerfort meine Muse bleiben. Nie um Freundschaft hab' ich keck jedermann gebeten, 286 aber auch nicht jeder GeF darf mir nahe treten: Freunde doch — ich glaub' es sehr — hab' ich, die das Leben mir als Opfer, und noch mehr, wenn es möglich, geben. Drum zu lebeB, Wrüderlein! will ich neu beginnen, mit den Frohen munter sein, mit den Ernsten sinnen. Soll mir, fremd feit langer Zeit, Frohsinn auch mißlingen, werd' ich doch nach Thunlichkeit an zum Becher klingen. Dann wird schön dahin ein Tag nach dem andern schweben; und es komme, was da mag, wenn verrann das Leben. Soll auch dieses Erdensein in ein Nichts sich kehren, etwas Andres mir allein werd' ich nicht begehren.- 287 Auf Aofie Müller. *) kaiserl. königl. Hofschauspieierinn. Nicht schauen kann ich, wo du schläfst im Grabe, von ferne kam mir deines Todes Kunde, doch wahr ist sie. Mir brennt die heiße Wunde, und trauernd lehn' ich am gekrümmten Slabe. Ost staunt' ich über deine Wundergabe, die mit der Schönheit war bei dir im Bunde, und zur Minute schmolz die Abendstunde. Erschöpft ist, Künstlerinn! jetzt deine Habe. Doch freut es mich. Dm bist hinauf gegangen, wo der Erkenntniß traute Sterne prangen, die leuchtend glänzen und nie untergehen. Das Schöne all, wornach wir mühsam spähen, was nur im Kleinen wir durch Kunst erbauen, kannst ruhig du in lichter Wahrheit schauen. ') Nach einer langwierigen Krankheit starb sie in Hietzing tei Wien am ro. 2uni >83o, in der Blüte ihrer Jahre, zu in¬ nigem Bedauern aller Freunde der dramatischen Kunst. 288 Lob ver Mäßigung. Nachdem Lateinische» Horazens- Heitrer wird Las Leben, o Freund! dir fließen, wenn du auf der Höhe der See nicht steuerst, und, den Sturm versehend, nicht unklug nahst der Tücke des Strandes. Wer die Mittelstraße, die goldne, lieb hält, wohnet nicht im Schmutz des verfallnen Hauses, sicher doch; voll Nüchternheit im Palast nicht, den man ihm neidet. Dfters wird von Winden durchbraust die hohe Fichte, mit gewaltigerm Falle stürzt der Thürme Riesenbau, und die höchsten Felsen spaltet der Blitzstrahl. Des Geschickes Änderung hofft im Leide, fürchtet sie im Glücke des Weisen Seele. UnheilschLangre Wetter verhängt der Donn'rer, und er entfernt sie. Ewig wird nicht währen, was setzt betrübet. Manchmahl auch entzückt mit Gesang Apollon aus dem Schlaf Melpomenen, und nicht immer spannt er den Bogen, Muth- 289 Muthvoll sei im Drange der Zeiten, und nicht thatlos; aber auch, so zu günst'gen Windes schwimmt dein Fahrzeug, zieh du mit Klugheit ein die schwellenden Segel! Gedichte v. Hugo vom Schivgrzihale. 13 290 Oie Zchilvwache» Im Herbste r83o-. Einsam lehn' ich mich am Hügek auf mein friedliches Gewehr. Nicht ein Wefen regt sich mehr, nur der Nachtluft leiser Flügel weht mich an so traut und rein. Aber bin ich drum allein? Aus der Brnst geheimsten Falten seh' ich, ewig neu und jung, liebe freundliche Gestalten, Töchter der Begeisterung, ihre Fittige entfalten. Kommet, kommet nur hervor durch des Friedens offnes Thor, meine Feier auszuschmücken! Ich erwart' euch mit Entzücken. Schweigend liegt vor mir das Land auf den Flächen ausgegoßen, wie von einem Grabgewand, schwarz und schaurig, Überflüßen. Ohne Schlummer mag sich noch nur der wüste Schwelger treiben, denn des Lasters Augen bleiben frei von diesem sanften Joch. Aber auch der Weise wacht 291 noch bei stiller Leuchte Flammen; beß're Freunde hält die Nacht noch bei edlem Wort zusammen; unbclohnte Armuth mühet stch, in regen Schweiß erglühet, und um Lindrung ächzend ruft noch der Kranke durch die Lufk^ Ja, so mancher, mancher Blick, feucht von unverfchuld'ten Tränen, ausgepreßt vom Mißgeschick, von verschmähter Liebe Sehnen, sendet noch den dunklen Schein in die taube Nacht hinein; und von niemandem gestört steht er leichter nur und Heller, was das arme Herz empört, und. die Träne — fließt noch schneller. Mit des Sturmes heft'gem Wehen, wild-umrauscht von schwarzen Güßen, fromme Unschuld ringen sehen, und doch thatlos steh'n zu- müßen! Was ist Manches Lcbensreiz? Daß nach mondelangem Regnen! heiter ihm des Schicksals Geiz einen Morgen läßt begegnen. Wenn von eigner Große dann nicht der Geist vermag zu borgen, daß er auch den einen Morgen stolz und leicht entbehren kann: ohne Kraft, die dir zerrann, ohne Hülle, von den Peinen fiälen Hungers abgsquält, 13" 292 ohne Obdach auf der Welt . deinen schlotternden Gebeinen, und im Herzen ohne Ruh; was du führst, mit innerm Beben frag' ich dich, o Ärmster du! „ist denn das wohl auch ein Leben?" War' ich Herr von all den Schätzen, die, ich denk' es mit Entsetzen, mancher Wicht zusammcnscharrt und wie Mumien verwabrt, rufen wollt' ich freudig allen: „Nehmet, Dürst'ge, nach Gefallen!" Wiegt doch einen Haufen Gold eine Träne zehnfach auf, die, vertrocknend schon im Lauf, dankbar aus dem Auge rollt. Freilich, wem die tiefe Wunde, die der Kranke selbst nur kennt, in des Herzens stillem Grunde immer heißer schmerzend brennt; wer, von reiner Liede Plagen abgezehrt, in stillen Klagen, unerhört und unbedauert feine Blütenzeit vertrauert; wer mit rührendem Gebet die Gesundheit, dieses Lebens schönste Eöttinn, stets vergebens an sein Krankenlager fleht; wen der Reue gist'ger Zahn treibt auf friedensloser Bahn: welche Freude brächt' cs ihnen, 293 wenn der Reichthum aller Minen, den die weite Erde hegt, ihnen würde vorgelegt? Flitter kann nicht Geistern dienen. Traget, Edle, mit Geduld! Glücklich ist, der ohne Schuld! Und es tröge jenes Ahnen, so zum Geiste mächtig spricht, daß in rcinerm Ätherlicht, höher als der Sterne Bahnen, ein unendlich Wesen wohnet, welches über unsre Nacht väterlichen Blickes wacht, und einst fromme Duldung lohnet? Von des Friedens Trone nieder komm mit leisem Tritt, o Schlummer! Auf die kranken Augenlider senke dich, damit vom Kummer müde Herzen los sich ringen, über dieses Lebens Rand in der Träume geistig Land selig sich hinüber schwingen! Zitternd aus dem Glockenmunde tönt die erste Viertelstunde; und ich rufe laut und frei: Halt! Wer da? Patrouille vorbei! » -i» » Sprengtest du der Wolken Bande, die, o Mond! dein Angesicht 294 mit dem nächtlichen Gewand« keck verhüllten, schwarz und dicht? Aus des Rißes tiefem Blau sende nieder deine Strahlen, daß mit mildem Dämmerlicht sich die Erde, feucht von Thau, sanft-durchschauet möge mahlen! Durch der Ebnen weites Feld, durch der Walder einsam Schweigen, wo der abgestorbnen Welt in Verwundersamen Reigen irre Flämmchen nur sich zeigen, geht ein Pilger, froh und wach, jetzt vielleicht dem Glücke nach. Oder, die seit langen Jahren weit von ihm geschieden waren, all die Seinen, gut und bieder, die Geliebte sucht er wieder. Nur die trauten Plätzchen auch will vielleicht er wiedersinden, wo, umrankt vom Flirderstrauch, in der Nacht der Kirchhof-Linden er auf frisch-beblumtem Grabe schuldlos ost gespielt als Knabe. Laß, o Mond, dein freundlich Licht tröstend durch die Zweige flirren, daß der gute Wandersmann, folgend deinem Angesicht, nicht vom Wege seitwärts irren, hat er, neu ihn finden kann! 295 In die Schwankungen des Lebens ist der Menschen Volk gestellt. Keines Lichtes Glut erhellt seines viel-beengten Strebens nach dem Schonen irren Pfad. Völlig Kind in Wort und That hüpft es ohne sichres Sehnen, ohne seinen Zweck zu wähnen, ungezählte Jahre hin. Langsam, wie wenn noch der Morgen halb umfeßelt hält den Sinn, röstet sich zu edlern Sorgen die Vernunft, die Führerinn. Aber immer Heller fallen aus des Lebens weite Räume, über der Gestirne Tanz, in das kühne Reich der Träume, selbst in Gottes ew'ge Hallen, läßt sie ihres Lichtes Glanz. Wie in jugendlicher Holde eine reich-geschmückte Braut steht sie endlich da und schaut ihres Wirkens schön Gebilde, wie in reinerm Msrgengolde sich verklärt ein Weltgcbiet, wie das Vorurtheil entflieht, und zum Menschen wird der Wilde. Aus dem Fels, am Berg erzogen, winden Säulen sich hervor, und in kühn - gespanntem Äogen strebt des Tempels Dach empor. Aus des Festaltares Stufen, 296 durch des Meißels Allgewalt aus dem Stein hervorgerufen, prangt die göttliche Gestalt. Auf der Töne Zaubcrschwingen wieget sich des Geistes Sohn, der Gesang, hinauf zu dringen zu der Wahrheit Strahlentron. Nieder steigt des Friedens Segen, der des Himmels Früchte trägt, und es fühlt ein heilig Regen, wem ein Herz im Busen schlägt. Freilich ist's nur Mondeslicht, was des Menschen Geist verbreitet, was den Irren warnend leitet, und die Sonne — ist es nicht. Mag sich einer thö'richt blähen, ganz genug und scharf zu sehen; auch des ersten Geistes Macht geht nur tappend in der Nacht. Aber mancher will den blaßen Schein sich auch nicht leuchten laßen; der Undankbare verlacht, was für ihn mit langen Plagen fremder Fleiß herbeigetragen. Ach! und aus den Blüten auch qualmt gar ost des Giftes Hauch. Wer des Wahren schönen Abglanz mit dem redlichsten Bestreben dämmern läßt in's dunkle Leben, erntet kargen Lohnes Frucht, wird geächtet und verflucht. Und wer auf der Kunst Gefieder 297 je hinan zum Himmel schwebte, dort vertraut mit Göttern lebte, taugt für diese Welt nicht wieder. Dennoch wirke fort das Gute, dennoch bilde fort das Schöne! Werde, was geschehen muß! Ohne Opfer — kein Genuß. Aus der Glocke weitem Munde spricht die zweite Viertelstunde; und ich rufe laut und frei: Halt! Wer da? Patrouille vorbei! » » » Aus dem felsigen Gemach rauscht die Quelle hin zum Bach. Gern vereinen seine Wogen sich mit ihrer -Perlenfluth, und zugleich hinabgezogen mahlen sie in einem Spiegel letzt der Sterne zarte Glut, der Gestade niedre Hügel, hier der Weide dünnen Sten, dort ein Wiesenblümchen ab. Schönes Bild verwandter Seelen, die in lautrer Zärtlichkeit liebeglühend sich vermählen! Was sich erst noch fremd geschieden, wird zu einem trauten Sinn, und, den Waßcrn gleich, in Frieden rollt das Leben klar dahin. * 298 Das Gewitter, schnell-erhoben, mag am Himmel murrend toben, mit gesprengtem Hoffnungstab sei das Glück Hinweggetrieben; o! — in Seelen, die sich lieben, spiegelt alles froh sich ab. Glücklicher, der schnell und leicht, daß er sich mit ihr vereine, eine liebe Fluth erreicht! Fruchtlos eilt spmanche Quelle durch die sumpfig - lockre Flur; voll von Sehnsucht weint die Welle durch bewegtes Rohrgeflüstcr; ach! — der Moorgrund, schwarz und düster, trocknet ihre Zähren nur. Lieblich stand sie vor mir da, wie auf Erix Blumencückcn mancher Schäfer, voll Entzücken, kaum Dienens Tochter sah. Reiner, als des Himmels Blaue durch zerrißncn Nebelflor,§ sah ihr Auge, voll der Treue, unter zartem Lid hervor. In das Morgenroth dec Wangen, wo die Unschuld wohnt, getaucht war des Mundes rosig Prangen, das ihr Odem aufgehaucht. Ihre Anmuth zu verschonen, mit der schönsten Charitinn, mit der schönsten der Kamö'nen stand sie gleich an Herz und Sinn. 299 Warum halt' ich da gerungen mit der wonnigen Gefahr, weil vom seidnen Lockenhaar alsogleich mein Ich umschlungen, wie von Zauberketten, war? Ein unnennbar-süßes Etwas dehnte mir des Busens Raum; alle Engel sah mein Traum aus den Lüften nicdersteigen, meine Seele zu erfrcu'n, schön mit Blumen mir den Reigen durch das Leben zu bestreu'». Aber selbst im Rosenstrauch wuchert gar oft Wermuth auch, und im seelenvollsten Hoffen, in der Sonne reinstem Glanze hat der Blitzstrahl schon getroffen. Sehnsucht heißt woht eine Blume, und die andre heißt Gewährung; aber in demselben Kranze werden in des Lebens Stunden selten sie vereint gefunden. Ihre Grillen hat die Liebe, die Beherrscherin» der Herzen; den tirannisch quält mit Schmerzen, jenen, oft aus blindem Triebe, krönt sie mit Vergötterung. Aber wie die Alltagsonne reizlos bald wird solche Wonne; immer schön und immer jung sieht ihr Antlitz ohne Schleier MS» nur der unbeglückte Freier. Er mag nur der Liebe Macht, der geadelten, verstehen, der in sterneloser Nacht in der tiefen Brust die Wehen unverschuldet trägt und still, und niemehr genesen will. Mag die Schmähsucht herzlos ihn einen Zeitverschwender schelten, deßen Geister ruhlos zieh'n durch ein Chaos eitler Welten: thätig ist und freund dem Frieden in sich selbst sein Ich verschloßen. Von dem Edlen, von dem Großen, so gewandelt je hienicden, für des Herzens weites Haus sondert er das Schönste aus; und die lieblichste Natur, wo kein Mißgriff je zu lesen, immer frisch - und zart - beblümt, sprießt aus seinem Innern nur. Wäre Laura ipohl berühmt, so sie minder hart gewesen? Brummend aus dem Glockenmunde tont die dritte Viertelstunde; und ich rufe laut und frei: Halt! Wer da? Patrouille vorbei! » H » Welch ein jammerndes Getön über mir in dunklen Höh'n? 301 Du? o nächtlich-düstrer Räuber, Uhu! der die sanfte Taube, friedlich-schlummernd in der Laube, riß vom zart - geliebten Täuber. Blindheit, die dein Augenlicht nie der Sonne Glanz läßt schauen, schlage dich mit ew'gem Grauen, daß du immer lichtlos bleibest, auch im Mondesscheine nicht dein entsetzlich Handwerk treibest! Bon des Tages Schweiß ermattet geht der Friedliche zur Ruh, bald, von Schlummer leicht beschattet, schließen sich die Augen zu. Ledig von des Lebens Mühen sieht er in des Traumes Schoß hehr ein Paradies erblühen, so sich niemahls ihm erschloß. Unter heimatlichem Dache legt er von sich alle Sorgen, aber weh' ihm! denn verborgen, selbst im bräutlichen Gemache, lauert giftig schon dec Mord, der den Stahl in's Herz ihm bohrt. Ach! warum sind's doch nur Träume in der Dichter Brust geboren, nichts als arme kranke Worte, nutzlos im Gesang verloren, von dem seligsten der Räume, wo mit schadenfroher Kraft nicht gebeut die Leidenschaft, 302 wo der Eintracht zarte Bande Alle brüderlich umschließen, wo ein ew'ger Frühling blühst, wo dem ruhigen Gemüth unvergällt die Tage fließen zu des Grabes Blumenrande? Aus der Holle Sündenschoß reißt sich die Berleumdung los, ecklem Argwohn treu zu dienen; beiden mit verzerrten Mienen folgt der Habsucht schamlos Gräuel, und der Rache Satanswuth naht mit Händen, roth von Blut. Hin ist, was das Herz des Guten menschenfreundlich erst gehoben. In dem Schwall empörter Fluthen will das scheue Glück nicht weilen. Weinend sieht er cs nach oben aus der Lüfte Schwingen eilen zu dem heimatlichen Herde, und — zum Scheusal wird die Erde. Menschenfreundlichkeit, du zarte Himmelstochter, die von sich oft so rauh und feindschaftlich hinwegstvßt der Mensch, dec Harte, laß dich vollends nicht verscheuchen! Komm stets wieder! Seiner Schuld grolle nicht mit Ungeduld! Heil'ger Eintracht milde Schwingen spanne weitbeschattend aus über dieses Erdcnhaus, 303 daß in Liebe, daß in Frieden alle Menschen sich umschlingen, daß ein Leben voll der Wonne, wie es könnte sein hienieden, blüh' empor an's Licht der Sonne! Ihr Gewalt'gen auf den Tronen, denexr aus der Urne Schoß schwer, doch göttlich, siel das Loos, Glück zu sein für Millionen, o — daß milder Vatersinn stets in euren Herzen wohne, der den köslichstcn Gewinn und des Ruhmes Lorberkrone nicht in blut'gem Schimmer sucht; der des Fleißes treue Frucht ohne Kränkung läßt gedeihen, auch der Schwäche kann verzeihen, selbst dem Störer nicht zu hart nur das Seine treu bewahrt! Wenn die Völker sich bekriegen, wenn mit ihren Fürsten sie ohne Noch im Kampfe liegen, möge doch der Gräuel nie teutscher Herzen Kraft verderben! Möge wahrer Biederton von dem Vater auf den Sohn unabläßig sich vererben, und der Sinn zu Einheit nie für die gute Sache sterben: daß kein Spott in fremdem Mund sei her teutschen Völker Bund; 304 daß, soweit mit kräft'gem Schallen deine ernste Zunge spricht, wenn zugleich das schönste nicht, du das herrlichste vor allen Reichen seist, o Vaterland, die auf diese Welt gefallen aus des großen Schöpfers Hand! Horch! Schon aus dem Glockenmunde tönt die mitternächtige Stunde; und ich rufe laut und frei: Halt! Wer da? Patrouille vorbei! » » » Sei willkommen, Mitternacht! meines Wachens erste Hälfte ist mit deinem Ruf vollbracht. Frohe Rothe glättet noch mir die jugendlichen Wangen, meines Lebens Hälfte doch ist vielleicht schon längst vergangen. Schaurig lästert, Mitternacht! dich des Vorurtheiles Schrecken? O — dein dunkles Auge lacht mir mit holder Zaubermacht , deine stillen Arme strecken traut sich mir entgegen aus. Aus des ew'gcn Schlummers Haus könntest du die Tobten rufen? Ach , ihr allzufrüh Entschlafnen, die ihr an des Trones Stufen 305 jetzt vor eurem Schöpfer stehet und auf diese Erde sehet, die auch euer Kerker war: kommet, kommet denn, ihr Lieben, weil ich hier zurückgeblieben, euch nichteinmal folgen kann! Mit der Sehnsucht lauterm Regen mag sich wohl mein Herz bewegen, trostlos-harrend mag ich steh'n; keiner läßt sich Wiedersehen. Es ist wirklich sonderbar, keiner, den der Tod genommen, wie die Welt ihm theuer war, ist noch je zurück gekommen. Ist es beßer dort, als hier, weil nie Einer rück will kehren? Ist nur zeitlich unser Währen? Enden nach dem Lode wir? — Möge nichts den süßen Glauben auf ein ewig Leben rauben! Aber hört denn so die Liebe, der allmächtigste der Triebe, mit dem kurzen Lebenslauf für die Rückgelaß'ncn auf? Nutzlos an der Mutter Grabe weint der tiefgebeugte Sohn; seines Herzens höchste Wonne ruft des Mädchens Klagetvn fruchtlos an das Licht dec Sonne. 306 O wie Vieles würde noch die geloste Sprache sagen; von der Freundschaft goldnen Tagen, von der Liebe süßem Joch sich in neue Lust ergießen; über dieses Lebens Plagen in ein ruhig Meer von Klagen, Trost verlangend, sanft zerfließen! Was, der Grund somancher Pein, hinter dunkler Grabesdecke sich dem Sterblichen verstecke, würde bald enträthselt sein. Klarheit käme so in's Leben, Stürmen jetzt ein ewig Spiel, und ein unumstößlich Ziel in der Menschen sichrer Streben. Ja — es war mein statcr Traum, in den Tagen holder Blindheit, in der Rosenzeit der Kindheit, wie ein reicher Lebensbaum schon mit Kraft empvrgeschoßcn. Du, der lang den Blick geschloßen, denkst wohl auch daran zurück! Unbekannt mit Schmerz und Glück, unschuldvoll im Eichenthale saßen wir im Äbendstrahle, und dir selbst entfiel das Wort: „Wer der erste von uns beiden wird im Tode müßen scheiden, wird an diesem trauten Ort dem verlaßnen Freund erscheinen.^ Einsam in des Thales Hang 3l)7 ging ich, delnem Tod zu weinen, und wir harrt' ich ost so sang! Ach! der von dem Sitz der Reinen rückzukommen selbst versprach, kam dem Worte niemahls «ach, Oder werd' ich ungerecht? Kamst di;, aber nur zu schlecht deiner Flügel geist'gem Rauschen mußt' ich Sterblicher zu lauschen ? O verzeih dir Klage mir! Nur, was irdisch, faßen wir; was den Ecdstaub abgeschüttelt, und der Schwache sich entrüttelt, wird zu zart dem groben Blick; und ein freundliches Geschick birgt ost so geheimnisvoll, was der Mensch nicht wißen soll. Schlummert sanft, ihr mein« Liehen k Der Erinn'rung süßer Trost ist mir doch zurückgeblieben. Hör' ich einst des Todes Post, wallt zu euch mein geistig Wesen mit von Lust beschwingtem Tritte, und in eurer Gräber Mitte mag mein irdisches verwesen ! Aus der Glocke düstrem Munde spricht die erste Viertelstunde; und ich rufe laut und frei: Halt! Wer da? Patrouille vorbei! » » » 308 Äuf des Berges höchstem Joch weilt die einsame Ruine mit der ernsten Todesmiene. Nur durch loser Wände Spalten seh' ich eine Lampe noch graulich-blaßen Schein entfalten. Wer, vom Leben abgeschieden, floh hinan zum Alpenhaupt? Jst's ein Siedler, der den Frieden einsam dort zu finden glaubt? Armer Gaukler, was du thust! Schmachvoll auf den Nächsten nieder schaust du, und du birgst die Hider doch nur in der eignen Brust. Schloß dich richtend aus die Welt, weil du dich an ihr verfehlt: nur durch Handeln, nicht durch Brüten läßt die Sünde sich vergüten. Bist du schuldlos, edler rächen kann die große Seele sich. Oder locken fruchtlos dich, Ärmster du! des Lebens Reize? Däucht zu arg dich diese Welt? O! des Paradieses Frieden blühete so leicht hienieden: aber, was den Menschen quält, sind nur seine eignen Sünden, die Verdruß und Gram begründen, und er selbst ist sein Tirann. Manch Jahrtausend schon verrann, unentgeldlich, uns zu laben, beut juns immer ihre Gaben 309 die gefällige Natur; aber unerkenntlich immer nennen wir des Abends Schimmer und die Wunder aus der Flur ein gewöhnlich Schauspiel nur. Feh en kann der Mensch und irren, weil sein folgsam Angesicht Truggestalten keck umschwirren; aber böse — ist er nicht. O, es gibt so edle Seelen, denen zu der Gottheit Glanz nur des Lebens cw'ger Kranz und der Allmacht Zepter fehlen. Wer in Freundschaft, wer in Liebe, wer in andrem reinem Triebe eine gleichgesinnte Brust je verzagt voll süßer Lust mit den Armen zu umwinden, ist nicht würdig, sie zu finden. Einsam dürfte sein ein Wesen, das zum Glück geboren ist? Wo ist noch ein solcher Zwist in dem weiten All zu lesen? Wenn Natur die Mutterbrust lüftet, tausend Blüten beben, tausend Wohlgerüche schweben dankend ihr hervor mit Lust. Ganze Sängerchö're schwingen leicht-bewegt sich in der Luft; seiner treuen Herde ruft selbst der Stier mit Hellem Klingen. 310 Wolke reiht an Wolke sicht Millionen Sterne wimmeln in den azurblauen Himmeln, Liebend und gemeinschaftlich, war es auch in schö'nern Zonen/ wollten selbst die Götter wohnen; oder frei von Stolz und bieder stiegen sie zum Menschen nieder, der so selbstisch und allein flieht der eignen Brüder Reihen, Einsam kann in gleicher Klarheit nur das ew'ge Licht der Wahrheit, nur der Gottheit Wesen sein.- Nchmst im Geiste meinen GrrH, ihr geliebten Auserwählten, die zu edlerem Genuß auch mein Wesen erst beseelten k Was das Schicksal mir versagte, was mir raubte feine Hand, weil ich euch, ihr Guten.! fand, eurer Augen Licht mir tagte, doppelt froh und doppelt reich sand ich Glücklicher in euch. Es ist schwer verkannt zu sein, -denn es gibt doch kleine Seelen, und der Sterbliche —> muß fehlen. Aber ihr, Geliebten! nein, seid so hart nicht, ihr seid milder. Nur als nicht-gelungne Bilder von des Geistes schönecm Wesen seh't ihr manche Thaten an. 311 Nicht für dummen Stolzes Wahn gilt bei euch des Ernstes Stille, nicht für arbeitscheue Grille mcnschcnholde Einsamkeit. Was versagt die karge Zeit, nennet ihr nicht Frucht von Ranken, eine Brust nicht falscher Art, die für sich allein bewahrt, was auch andre nicht soll kranken. Lebet wohl! Auch in der Ferne bin ich freundlich euch und gut. Nie bestrahlen euch die Sterne mit verhängnisvoller Glutl Was an Wstrze mrinem Leben will cntzieh'n ein launig Glück, mag es reichlicher zurück euch, geliebten Freunde, geben! Zitternd aus dem Glockenmunds tont die zweite Viertelstunde; und ich rufe laut und frei: Halt! Wer da? Patrouille vorbei! * » Wirst du heftig? stille Nacht! In den schwarzen Wolken rollen Donner her mit dumpfem Grollen, und die Winde weh'n mit Macht. Wie der Blätter leises Schwanken flüsternd sich am Zweige regt, und die leichten Wipfel wanken! Doch der Stamm bleibt unbewegt. 312 Friedlich sind der Kindheit Tage, wie die schweigende Natur; nur dem Spielzeug gilt die Klage, wie der Jubel diesem nur. Aber eilig drängt der Knabe in der Jugend Treiben sich; da in seines Busens Grabe fühlt er erst sein eignes Ich. Aber auch in grausem Reigen, und mit zügelloser Kraft sieht er staunend aufwärts steigen Leidenschaft um Leidenschaft. Seiner Kindheit frohes Walten sieht er.trüben Auges flieh'n; aber neu beseelen ihn hohe göttliche Gestalten. Denn in edlen Stolzes Glüh'n will er schandvoll nicht erliegen, ruft erkennend: „Nur nach Siegen kann die Lorberkrone blüh'n." Wie des Baumes Blätter zittern in des Windes losem Hauch, wankt die Schwäche menschlich auch in des Lebens Ungewittern. Aber wie des Stammes Schaft, ruhevoll und ohne Beben, bleibt des Geistes inn'res Leben stets in ernster Riesenkraft. Will der Strahl den Mann verderben, fürchtet er vielleicht das Sterben? Angstlos öffnet er die Brust seines Schicksals böser Lust. Frei- 313 Freilich seltsam ist das Große, wie ein feurig Meteor; aber auch aus niederm Schoße geht es frei und klar hervor. * Denn von fremdem Glanz zu borgen braucht der Götterfunke nicht; wie die Himmelsglut am Morgen leuchtet er mit eignem Licht. Aber weiter als die Sonne wirst er feine Strahlen aus, trägt auch der Erkcnntniß Wonne in des Irrthums nächtlich Haus. Weisheit, schöne Götterblume, deren Duft vom Himmel weht, Seltne, ohne die das Große und das Edle nicht besteht, mit dem Zauber deines Odems hauche jeden Menschen an, daß er seiner würdig wandle auf des Lebens finstrer Bahn! Nicht im Steine weiser Thoren wohnt das Höchste, keusch und zart; nicht im Blut, das hochgeboren, nicht im altergrauen Bart; nicht im Blick, der scheu dem Bande stiller Freuden sich verschließt; nicht im lumpigen Gewände, das um hagre Glieder fließt. Freundlich ist des Mannes Seele, der in's Aug der Göttinn sah, und nicht schaut er fern und nah, Gedichte ». Sage vem Schwar-chate. 14 3!4 was ihn trübe, was ihn quäle. So den Kleinen schelten macht, nimmt er nur für kurze Nacht, und er denkt sich, doppelt theuer glänze dann des Morgens Feuer. Um der Mächt'gen Gnade bettelnd mag er sich nicht selbst entehren. Dennoch kennt er Hochmuth nicht, nährt mit Dank des Guten Licht, wenn's auch nur mit schwachem Glanze in des Bruders Jnnerm strahlt. Nach dem blutbesprihten Kranze blickt er schaudernd nur und kalt. Aber nicht verschmäht er wieder, durch ein friedlich - edles Streben unter Enkeln, fromm und bieder, auch im Grabe fortzuleben. Drum erträgt er mit Geduld die ihm zugesügte Schuld, und von Mitleid süß besangen lohnt er selbst, ein Gott an Huld, den, der sich an ihm vergangen. Ew'ger, der in dieses Lebens trübes Dunkel mich gestellt, das so karg sich nur erhellt, dulde nicht, daß ich vergebens zu erspähen mich bemühe einen Stern, der mir herab wie ein treuer Weiser glühe, mich geleite bis an's Grab! 815 Aus der Glocke düstrem' Munde tönt die dritte Viertelstunde; und ich rufe laut und frei: Halt! Wer da? Patrouille vorbei! » » » Es ist doch empfindlich-kaltt Fröstelnd beben mir die Glieder, und in meine Augenlider drängt der Schlaf sich mit Gewalt. Darf mich nicht zur Ruhe legen, während mancher leere Schuft sich bedenkt mit beß'rer Pflegung, blöde horcht und ohne Regung, wenn hier von des Hügels Höhe meine Losung durch die Luft, daß ich schlaflos, donnernd ruft. Aber feine Pflicht zu üben, kann ja Niemanden betrüben, und was wohl auch schlechtem Blut, das verdienstlos warm ist, thut, ist darum nicht minder gut. Aber soll das immer wahren? Wird die Trägheit stets sich bläh'n, sich von fremdem Blute nähren, und die Arbeit betteln geh'n? Wird das Hohe stets verspottet, und das Gute stets verkannt, nie das Laster ausgerottet, und der Jrrthum weggebannt? 316 Gleichheit soll auf Erden sein? Nur der Unsinn kann es denken. Doch vielleicht Vergeltung? — Nein. Gottes Liebe muß es lenken, daß den Ihren Recht geschehe, und kein Kind verloren gehe. Daß der Mensch nicht wie die Pflanze kriechend schleiche durch das Leben, daß er denkend möge streben nach des Wahren schönem Glanze, daß des Ew'gen hohen Bahnen, wennauch nur mit dunklem Ahnen, nachzugeh'n er sollt' erglüh'n, ward ihm des Verstandes Leuchte. Wem es nutzlos und zu kühn oder gar ein Frevel bäuchte, trat sich der nicht selbst mit Füßen? Wie? Soll Alles enden müßen, wenn dieß Leben ausgebrannt? Die hienieden ungekannt, sollte dann dem Blick des Menschen nie entschleiern sich, die Wahrheit, diese höchste Seligkeit, die in ungetrübter Klarheit ewig Gottes Haupt umfließt, und mit jenem einig ist? Selbstisch wie ein Dalai-Lama ist ja Gott, der Vater, nicht, 317 seiner eignen Kinder Äugen hehlt er nicht das Angesicht. Aber, der sein Lebelang, fühllos für den Glanz des Thoren, müh'voll nach Erkenntniß rang, und das Kind, das neugeboren schon das Auge wieder schloß, und der sträflich-dumme Troß, der nichts Höheres will ahnen, jeder harte Praßer, der seiner Brüder Blut vergeudet, und der vielgekränkte Dulder, der in frommer Stille leidet — — alle sollen gleich sich werden, wenn sie ausgelebt auf Erden? Nur des Lebens Gang beginnen wir auf dieser kleinen Welt, aber noch find nicht gezählt alle Zeiten, die verrinnen, und die Welten sind es nicht, die wir haben durchzugehen, bis, an Herz und Sinn geläutert, gleich wir und vollendet stehen vor der Gottheit Angesicht. Thätiger, verzage nicht! Was du sammelst dir auf Erden, trägst du als ein Kleinod mit in ein edler Weltgebiet, wirst so eher glücklich werden, deine Bahnen durchzuwandeln, 318 und das Höchste zu umfah'n. Aber ihr, die schmählich handeln, des Verstandes Licht ersticken, werdet schaudernd einst erblicken, wie ihr dumm auf dieser Welt Andre und euch selbst gequält, daß ihr erst erreichen wollet, was die Frommen längst errangen, daß in mancher schweren Duldung ihr noch mächtig soll't erbangen, bis entsühnet die Verschuldung, und ihr jenen gleichen sollet. Schone, wundersel'ge Zeit, willst du auch erst nach Äonen mit dem Blick der Wahrheit lohnen, sei gegrüßt mit Fröhlichkeit! Frei von körperlichem Fehle, von des Herzens Makeln rein, mit entwölktcm Blick der Seele, gleich in liebendem Verein alle Kinder dieser Sonne! Heiliger ist selbst die Wonne, solcher Wesen Gott zu sein.- Mill cs immer noch nicht enden? Wohl schon in des Schlummers Händen rnöcht' ich ruhen tief und fest.- Ein Uhr schlägt es. Abgelöst!