/tfj> if /i/j i/ifert' fjitr*/tfct /cs&o?~cc.-n f/\.» /ic/Sti* xr Mit *8 Bildern in Rupfertiefdruck 19 3 8 Leykam-Verlag, Graz Einbandentwurf von Ernst vonDombrowski, Graz Alle Rechte Vorbehalten Gedruckt bei Leykanr in Graz Dieses Buch, die Ehre des Triglav, widme ich meinem lieben Freunde Albert Bois de Chesne, dem Herrn des Gartens „Iuliana', dem Schutzherrn der Iulischen Alpenflora, der in treuer Gemeinsamkeit an meiner Seite steht, wenn ich vom Trentatale zum Rönig der Iulier emporschaue. Inhaltsverzeichnis Seite Einleitung (Ztugy)................................................ 3 1. Rapitel. Der Name Triglav und seine Geschichte (Gstirner)................... S 2. Rapitel. Valvasor, 1669 (Rugy).............................................. 29 3. Rapitel. Die ersten Ersteigungen des Triglav. Lorenz willonitzer und Balthasar Hacquet, 1777-I7S2 (Rugy)................................................ 3S 4. Rapitel. Die folgenden Ersteigungen bis zum Jahre 1848 (Rugy)............... 53 5. Rapitel. Etwas über meine Reise auf den Triglou in Oberkrain, angefangen am IS. September 1808 (Stanig)......................................65 6. Rapitel. Hauptmann von Bosi'os Reife auf die Spitze des Berges Terglou in Rrain, im July des Jahres 1822 (Jacomtni-Holzapfel-Waafen)..........81 7. Rapitel. Schilderung einer Ersteigung des Terglou in Oberkrain im July 1828 (Rosthorn) 101 8. Rapitel. Eine neuerliche Ersteigung des Triglov, 1831 (Hermannsthal)........US S. Rapitel. weitere Ersteigungen des Triglav, neue Wege bis zur ersten Erstürmung der Nordwand (Rugy).................................................143 10. Ra pitel. Der See von Veldes und die Wocheiner-Save, 1861—1864 (Gilbert und Churchill) 157 11. Rapitel. Der Terglou in Rrain, 1869 (Howard)................................171 12. Kapitel. Aeite Aus den Iulifchen Alpen, J872 (welter) ..............................185 13. Rapitel. Eine Wanderung durch Oberkrain, 1875 (Rugy)..........................213 Einleitung zum 14. Rapitel: .Die Sagenwelt des Triglav' (Rugy).......225 14. Rapitel. Die Sagenwelt des Triglav (Pfarrer Abram) ...........................229 15. Rapitel. Die große wand (Raltenegger)......................................... 253 16. Rapitel. Die Nordwand des Großen Triglav, 1906 (Heini)........................273 17. Rapitel. Der .Vberkrainee weg', 1928 (potoLnik)...............................261 18. Rapitel. Rameraden, 1927 (Frau Debelakova) ....................................313 19. Rapitel. Die Triglavkante, 1929 (prusik)......................................325 20. Rapitel. Triglav (2863 m), 1925 (Rugy)........................................ 345 21. Rapitel. II Tricorno della Val Trenta — Der Triglav des Trentatales (Cherfi)..355 22. H a pitel. Meine Eindrücke vom Triglav (Longstaff)..............................365 23. Ra pitel. Schlußwort (Rugy)....................................................371 Verzeichnis der Bilder Der Triglav (Cerglou) der „Oryctogra-phia“ Hacquets ....................... Triglav vom Emir...................... Triglav vom Tosc...................... Großer Triglav vom Kleinen............ Triglav von der Krstenica-Alm aus (Süden).......................... Der Triglav über dem Spleutakar vom Razor............................ Karte des Triglavstockes (Militärgeographisches Institut, Wien).............. Triglav von der Vrbanova Špic«........ Der Triglav über feinen südlichen Felsenmeeren vom Kanjauc.................... Waldweg im Krmatale................... Triglav vom tTtošic................... Frühlingsabend int Krmatale........... Der Triglav raucht seine Morgenpfeife.. Motiv bei velo polje.................. Der Triglavgletscher.................. Der Triglav vom Wege auf die Škrlatica.. Der Periönik-Fall im vratatal......... Der Triglav. Nach einem Gemälde von Markus pernhart.................. Triglav vom Rokavgrat................. Frühlingsstimmung im Krmatal. Die duellen erwachen................. Höhenzauber in der Trenta (gegen den Razor)........................... Höhenzauber in der Trenta (gegen den Ialouc)............................... Titel- Dr. Ing. Bruno Tarabochia, Trieste biid Seite Cveto Švigelj, Ljubljana........... XII Cveto Švigelj, Ljubljana............. S HofratHeinrichwalland-Finkenstein, Wien................................ IS Cveto Švigelj, Ljubljana............ 24 Dr. Peter Michaelis, Müncheberg 32 Dr. I»g. Bruno Tarabochia, Trieste 40 Cveto Švigelj, Ljubljana............ 48 Dr. Walter Eger, Graz................ 56 Cveto Švigelj, Ljubljana............ 64 Cveto Švigelj, Ljubljana............ 72 Cveto Švigelj, Ljubljana............ 80 Slavko Smolej, Iesenice............. 88 Cveto Švigelj, Ljubljana............ S6 Ing. Wilhelm Dronowicz, Maria- Rain............................... J 04 Slavko Smolej, Iesenice............ 112 Fritz Gellrich, Dresden............ 120 Ing. Fritz Orel, Klagenfurt....... 128 Dr. Mirko Kajzelj, Zagorje ob Savi 136 Cveto Švigelj, Ljubljana........... 144 Dr. peter Michaelis, Müncheberg 152 Dr. Peter Michaelis, Müncheberg 160 Höhenzauber in der Trenta (der Flitscher @cite Grintouc über dein Trentatal).... Dr. Peter Michaelis, Müncheberg 168 Triglav von der Repa (Villacher Mittagskogel) ............................... Dr. Nikola Rostreneio, Zagreb ... 176 Triglav vom Mlincesattel ............. Hofrat Heinrichwalland-Finkenstein, Wien............................. 184 Wolkenbrandung am Fuße der Triglav- Nordwände........................ Slavko Smolej, Jesenice....... J82 Schneerosen im Rrmatal................ Cveto ävigelj, Ljubljana...... 200 Triglav von den Rarawanken............ Ing. Wilhelm Dronowicz, Maria- Rain ............................ 208 Die Zadnica, das „Letzte Tal' (Trenta).. Dr. Peter Michaelis, Müncheberg 218 .Zlatorog'. Nach einem Ölgemälde von Rarl Huck im Alpinen Museum, München.......................... Graphische Runstanstalten F. Bruckmann A.G., München............ 224 Die Zlatorogsage. Nach einem Gemälde von v. polli, Milano............. Aug. Marega, Gorizia.......... 232 Föhn über dem vratatal................ Dr. Mirko Rajzelj, Zagorje ob Savi 240 Zadnicastimmung (Trenta).............. Dr. Peter Michaelis, Müncheberg 248 Ranjauc und Ozebnik über dem Zadnica- tal.............................. Dr. Peter Michaelis, Müncheberg 256 Triglav-Nordwand mit dem AljaLev- Dom.............................. Dr. Nikola Rostrenöiö, Zagreb — 264 Der Götterthron des Triglav über dem .Letzten Tal'.................... Dr. Peter Michaelis, Müncheberg 272 Triglav vom Trentatal (Westen). Nach einem Aquarell von + Jan Havliczek- Trentan, Wien.................... Dr. Ing. Bruno Tarabochia, Trieste 280 Triglav aus dem RriLki podi........... Ing. Wilhelm Dronowicz, Maria- Rain............................. 288 Triglav-Nordwand. Rückblick in die Einstiegsschlucht................ Ing. Wilhelm Dronowicz, Maria- Rain.............................286 Der Triglav (Nordgrat) vom Nordwestgrat (Bambergweg)..................... Ing. Fritz Orel, Rlagenfurt...304 Gentiana terglouensis, Hacq. (natürliche Größe)........................... Dr. Peter Michaelis, Müncheberg 312 Geranium argenteum, L. (halbe natürliche Größe)........................... Dr. Peter Michaelis, Müncheberg 320 Campanula Zoysii, Wulf, (zwei Drittel natürlicher Größe)............... Dr. Peter Michaelis, Müncheberg 328 Seite Leontopodium alpinum, Cass. (halbe natürliche Größe). Ein Niefenexem-plar im Alpengarten .Juliana", aus einem Wurzelstock 20 größte Sterne an 2 dm langen Stielen .......... Triglav vom Wege auf den peSLenik (Martuljek-Gruppe)............... Triglav von der Sovatna-Senke........ winterlicher Blick auf die wocheiner Berge vom Ranjauc................ Triglav von Trenta (Srebrnjak)....... Dr. Peter Michaelis, Müncheberg 33$ Slavko Smolej, Jefenice........... 344 Cveto ävigelj, Ljubljana.......... 352 Dr. Walter Eger, Graz............. 3$0 Johann Vidmar, Trieste-Santa Lucia..............................3$$ Triglav vom Lmir Lichtbild von Cveto Švigelj, Ljubljana ilSSSISI Einleitung (Rugy) Es ist eine Botschaft an mich ergangen. Von den Juliern. Sie betrifft ihren Herrn und König, den heißgeliebten Berg meiner Jugendzeit, den altehrwürdigen Triglav. Seine fünfhundertjährige Geschichte soll geschrieben werden. Eine solche Botschaft kommt nicht häufig vor. Und erhält man sie, so frägt man nicht lange, sondern stellt sich sofort freudig, vertrauensvoll und zielbewußt zu seiner Arbeit. Es erscheint mir klar, daß eine solche Geschichte von einem von uns Alten geschrieben werden muß, ehe wir alle wegsterben, wie es ja sein muß. Die wir einen Teil derselben miterlebt haben, und die wir gerne und in einer gewissen Abklärung zurückschauen. Das ist keine Arbeit für die vorwärtsstürmende, icherfüllte Jugend, die alle Zukunft für sich hat, aber keine Vergangenheit. Ich fühle mich zu dieser Arbeit berufen und richtig auserwählt. Es sind zweiundsechzig Jahre her, daß ich zum ersten Male auf seinem Scheitel stand. Aber schon lange vorher hat er in meine Kindheit und in meine Knabenzeit hereingeschaut. Und in mein ganzes langes Leben hat er dann seine geheimen Runen und Zeichen geschrieben. Auch ist es in diesen Zeiten eines immer stärker überhandnehmenden Nationalismus gewiß gut, daß ein Mann an diese Arbeit trete, der hoch über allem Nationalismus steht, dessen Horizont nicht dort endet, wo die Grenzen seiner eigenen Sprache liegen. Es wäre meiner Meinung nach verfehlt, wollte man eine derartige Geschichte von einem völkischen oder von einem nationalistischen Standpunkt aus anfaffen, wobei man doch vielleicht geneigt sein könnte, die Bergleistungen seiner eigenen Volksgenossen zu sehr in die erste Linie zu rücken. Es soll alles unbeeinflußte und unbeirrte Historie sein, und der Berg selbst ist immer der 'Zerr. Aber eines: ich habe schon etwas viel über die Julischen Alpen geschrieben. Ein Geschichtchen steht da in meiner Erinnerung, das Rudolf Baumbach mir einstens erzählt hat. Es war einmal ein 'Zerr Gymnasial-direktor. Der hatte zehn Kinder. Das ist ein bißchen viel, wird man vielleicht sagen. „Solches war in alten Zeiten, heute kommt das nicht mehr vor." Und wie es schon so ist, kam das elfte. Es herrschte große und freudige Aufregung im ganzen Gymnasium. Die Oktavaner ver- sammelten sich zu einer Sitzung. Ihr Bester erhielt den Auftrag, ein lateinisches Glückwunschcarmen zu verfassen und es an der Spitze einer eigenen festlichen Abordnung beim t^errn Direktor vorzutragen. Das tat er gerne. Er hoffte, sich damit beim teeren Direktor, wie man so sagt, „einzutegeln". Aber es trat das Gegenteil ein. Er siel in tiefe Ungnade. Sein schönes Larmen begann mit den Worten „iterum, iterumque“: „schon wieder und schon wiederum!" Das ist der Wahrspruch, den ich so sehr fürchte, wenn ich nun „schon wieder" aus den Julischen Alpen erzählen will: „iterum, iterumque!“ Und die Ungnade meiner lieben Leser fürchte ich! So habe ich mir — in bäuerlicher Schlauheit — Mitschuldige genommen, um meine eigene Schuld mindestens zum Teil zuzudecken. Ich gebe dem Buche die Form einer Anthologie. Daraus verspreche ich mir auch andere Vorteile. Die Lebendigkeit und die Farbigkeit des Textes können nur gewinnen, wenn man den Autoren nicht lediglich nacherzählt, sie vielmehr in ihren Griginalartikeln selbst reden läßt. Auch wird man im Lesen der ältesten Originalberichte bis herüber zu den neuesten, den modernsten, ein gutes Spiegelbild erhalten können, wie sich die Einstellung von uns Menschen und von uns Bergsteigern den Bergen gegenüber im Verlaufe der Zeiten entwickelt und zu ihrem heutigen Stand herausgearbeitet hat. In diesem Sinne wird das Werk sicherlich einen Beitrag zu der Entwicklungsgeschichte des Alpinismus bedeuten. Die Form eines Sammelwerkes habe ich somit gewiß nicht aus Bequemlichkeit gewählt. Im Gegenteil kann ich meine Freunde versichern, daß ein solches viel mehr Arbeit gibt, viel größere Schwierigkeiten entgegenzustellen, viel mehr Zweifel und Sorgen zu verursachen vermag, als wenn man sich entschließt, ein ganzes Buch unter voller Verantwortlichkeit aus eigenem zu schreiben. Es ist mir gelungen, für diese Arbeit ganz hervorragende Mitarbeiter zu gewinnen. Ich sage ihnen für ihre hingebungsvoll geleistete Hilfe an dieser Stelle auch im Namen des Werkes selbst und gewiß auch im Namen der aufmerksamen Leser desselben einen besonderen, großen Dank. Es wird sie das Bewußtsein lohnen, zum Preise und zur Ehre des großen Berges einen überaus wichtigen Beitrag geleistet zu haben. Die Namen dieser Mitarbeiter sind überall ihrer Arbeit vorangestellt. wo bei den einzelnen Kapiteln kein Autor besonders angegeben ist, da stammen sie aus meiner eigenen bescheidenen Feder. Dies ist also der Fall bei Einleitung und Schlußwort, bei den Kapiteln r, 3, 4, 9, 13, 20 und bei der Einleitung zum Kapitel 14 „Die Sagenwelt des Triglav". Der Titel des Buches „Fünf Jahrhunderte Triglav" ergibt sich aus der überaus dankenswerten, grundlegenden historischen Arbeit des Herrn Regierungsrates Adolf Gstirner in Graz, die bis auf das Jahr 1452 zurückgeht, und der die erste Stelle in diesem Buche gebührt. Die Ersteigungsgeschichte des Triglav beginnt mit dem Jahre 1777, da der erste Ersteigungsversuch Balthasar Racquets stattfand, somit neun Jahre vor der ersten Ersteigung des Montblanc. Nicht ganz leicht liegt für mich die Nomenklatur jener Berge. Man weiß gewiß schon allgemein, daß ich vor den im Volke entstandenen Namen absoluten Respekt wahre. Sie sind für mich die einzig maßgebenden und richtigen und dürfen nicht angetastet werden. So bemühe ich mich selbstverständlich überall, die slavischen Namen genau in ihrer Originalität zu bringen und in ihrer richtigen slavischen Schreibart wiederzugeben, wo ich aber nach alten Ouellen zitiere, da muß ich natürlich diejenige Schreibart anwenden, die sich dort vorsindet. Eine Korrektur ist mir da nicht gestattet. Auch habe ich einige der slavischen Namen schon in alten Zeiten so in die deutsche alpine Literatur eingeführt, wie ich sie damals vom Volke selbst gehört habe. Zu einer Änderung derselben kann ich mich heute, der Klarheit und der Kontinuität in der Literatur wegen, nicht mehr entschließen. 3n diesen wenigen Fällen muß ich somit auch heute meine eigenen Wege gehen, Wege gleichsam eines Kompromisses in mir selbst. Die altberühmte Alpe am Südfuße des Triglav heißt jetzt „Velo polje". Die Alten sagten „Belo polje". So kommt sie in aller alten Literatur vor. Der große Berg über Kranjska Gora (Kronau) mit dem berühmten Gratfenster heißt „Prisojnik", ein VTatne, den ich allerdings zu meinen Zeiten beim Volke nicht gehört habe. Man nannte ihn damals: „prizinik", „priznik", „prisanik", „Prisank". Im Trentatale sagen heute noch alle: „prisanik". Ich bin bei „Prisank" verblieben. Der Suhi-Plaz hieß so im Trentatale und in Mojstrana. Die Leute von Kranjska Gora nannten den Berg „skrlatica". wunderschön bezeichnend: „Die Scharlachwand".' Heute heißt er fast allgemein so. Aber ich trenne mich von dem Namen „Suhi-Plaz" nicht so leicht, wenn er auch weniger schön ist als „Škrlatica". Er ist zu stark mit meinem Bergsteigerleben verknüpft, und zu oft habe ich ihn in der deutschen alpinen Literatur hören lassen. Und selbstverständlich ist er im Volke entstanden. Das sind nur Beispiele. wie dem auch sei, darf niemand, der anders, vielleicht schärfer und streitbarer nationalistisch denkt und fühlt, an meinem guten und gerechten willen zweifeln. Doch bin ich mir, so ehrlich ich es auch meine, klar bewußt, daß es in dieser Richtung sehr schwierig sein kann, es allen recht zu machen. Im Kapitel ri ist die Nomenklatur festgehalten, wie sie in den heutigen italienischen Karten angewendet wird. So haben wir also gesehen, daß ich in diesem Werke nicht überall der Autor bin. Doch eines bin ich hier, an dieser Stelle: ich bin der Torwart. Das ist auch eine schöne Stellung. Ich stehe vor einem ungeheuren, verschlossenen Riesentor und halte den Schlüssel dazu in meiner Hand. Ich öffne das Schloß und stoße die schweren Torflügel auf, weit auseinander. Schauet auf, blicket hin auf das gewaltige Bild! Da steht er, der Triglav. Eben tritt er aus dem düster erglühenden, mystischen Feuer ferner Jahrhunderte hervor in das Helle Tageslicht unserer Zeiten, Hoch in den blauen Äther ragend, das ernste Haupt von lichten Himmelswolken bekränzt, Herrscherglorie auf seiner breiten Felsenstirne, Sagenzauber in den weiten Falten seines Gewandes, gleißende Schönheit über seine Flanken gegossen, mit Wundern über Wundern gesegnet! Da thront er, der Triglav, mächtig, stolz und sieghaft, höher und berühmter als alles um ihn her, ehrfurchtgebietend, inmitten allen Glanzes, inmitten aller Pracht und Herrlichkeit seines farbigen Julischen Reiches. Ein jubelnder Schrei aus vieltausend begeisterten, erinnerungstrunkenen, dankesfreudigen, in heißer Wiedersehenshoffnung harrenden, sehnsuchtgeschwellten Kerzen tönt ihm entgegen: Triglav! J. Rapitel Der Name Triglav und feine Geschichte Von Adolf Gstirner in Graz Triglav vom Tosc Lichtbild von Cveto Švigelj, Ljubljana M : ^Die Geschichte des Samens des höchsten Berges von Krain muß erst noch geschrieben werden, wenn sich auch einzelne Schriftsteller schon seit etwa achtzig Jahren, freilich nicht sehr eingehend, damit befaßt haben. Auch die Erwähnungen dieses Namens in alten Urkunden sind bis jetzt nur im engsten Kreise von Fachgelehrten bekannt gewesen, mit einer Ausnahme. 3n der Zeitschrift des Deutschen und österreichischen Alpenvereins looo, S. 400, habe ich eine Nennung des Triglav (Terglou) veröffentlicht, die in einer Tonfinbeschreibung des Landgerichtes Weißenfels vom Jahre 1664 vorkommt, welch letztere ich im Archiv des Landesmuseums in Laibach gefunden habe. In den Urkunden und Akten dieses Archivs ist gewiß noch eine Menge über die östlichen Julischen Alpen zu finden, was der Benützung harrt. Damals, also vor etwa vierzig Jahren, wußte ich über Landgerichte sehr wenig, beffer gesagt eigentlich gar nichts, der gelehrten Welt ist es damals auch nicht viel beffer ergangen. Einige Jahre später hat sich die Wissenschaft mit ihnen befaßt. Man erkannte, daß sie kleinere Verwaltungseinheiten seien, entstanden im j r. Jahrhundert aus den alten Grafschaften der Karolingerzeit. 3n Bayern sind die ältesten jzzj—)rrs nachgewiesen, in Tirol treten sie im 13. Jahrhundert schon als Fertiges auf, in Kärnten entstanden sie schon sogar noch früher, in Krain wurden sie erst durch die Franzosen am 30. September j 8) 1 aufgehoben. Sie sind also eine Art Vorläufer der Bezirkshauptmannschaften. 3n den zahlreichen aufgefundenen Grenzbeschreibungen dieser Landgerichte erkannte man bald wichtige «Quellen für die Territorialgeschichte der Alpenländer des ehemaligen österreichischen Kaiserstaates. Mit der Unterstützung der wiener Akademie der wiffenschaften entstanden der historische Atlas der österreichischen Alpenländer und eine Reihe von gelehrten Abhandlungen. Die meisten Lonfinbeschreibungen liegen auch gedruckt vor, nur die von Krain noch nicht. Mit diesen beschäftigt sich seit Jahren Dr. Ludmil Hauptmann, Universitätsprofeffor in Zagreb, der auch in den Erläuterungen zum historischen Atlas jgzg in einer höchst mühevollen, aber auch sehr aufschlußreichen Abhandlung die ganze Territorialgeschichte Krams vom Altertum bis zur Gegenwart behandelt hat. Er wird wohl auch in absehbarer Zeit diese Lonfinbeschrei- bringen herausgeben, denn in seiner Hand befinden sich die Abschriften aller von ihm und Kaspret gesammelten Akten und Urkunden. Seiner großen Liebenswürdigkeit verdanke ich, daß ich alle in Betracht kommenden Akten in den Grazer Archiven bequem benützen konnte. Ohne ihn wäre diese ganze Abhandlung nicht möglich gewesen. hauptsächlich in Betracht kommen für den Triglav in Krain die Landgerichte Weißenfels und Veldes, dann auch noch Radmannsdorf und im Görzischen das Landgericht Flitsch. wann nun bekommen die Berge Namen, werden sie getauft; Jedenfalls erst dann, wenn Menschen auf sie aufmerksam geworden sind. Die ersten Menschen aber, die mit Bergen zu tun hatten, wenn man von besonders hervorragenden Landmarken absieht, sind Jäger und Hirten. Diese benennen aber nur die Orte, die ihnen wichtig sind, das sind aber gewöhnlich nur weiden, Almen usw., nicht aber die Spitzen. Erft mit dem Erwachen des Alpinismus beginnt das Interesse an den Spitzen, beginnt daher auch eine intensive Gipfelbenennung. Alle Bergnamen weiters in der Umgebung des Triglav sind slovenischen Ursprunges, aus der vorslavischen Zeit hat sich kein Name erhalten. Das historische Leben in Oberkrain erwachte im Gegensatz zu den andern Teilen von Krain erst spät, ein Zeichen, daß es lange noch ein sehr menschenarmes waldland war. Veldes und Umgebung werden im Anfang des n.Jahr-hundertes an Brixen verliehen, )ozz Lengenfeld an Freising. Solche Verleihungen betrafen gewöhnlich nur menschenarme Gegenden, und es war Sache der beschenkten Herren, Ansiedler herbeizuziehen, um ihr Gebiet nutzbar zu machen. Aus dem Jahre i zör ist eine Urkunde erhalten, die uns mitten hineinführt in die Kolonisation des obersten Savetales. Ludwig, der Patriarch von Aquileja, schreibt an den Pfarrer von Radmannsdorf, zu dessen Sprengel das ganze oberste Savetal gehörte, er habe erfahren, daß innerhalb der Grenzen der Pfarre Radmannsdorf in den bisher unbewohnten und unkultivierten Wäldern von Lhrainau (Kronau) und Lengenfeld viele Rodungen gemacht worden seien, auch Äcker und Wohnungen errichtet, ja sogar in jedem der beiden Orte Kirchen erbaut worden seien. In diese sollen nun passende Vikare eingesetzt werden, die Radmannsdorf unterstehen. Ein weiterer Grund des Aufblühens der Kultur im obersten Savetal waren auch der beginnende Bergbau und die Eisenindustrie, die mit Hilfe von deutschen Knappen und Schmieden betrieben wurden. iZSi erließ der Graf Friedrich von Ortenburg für Aßling eine Bergordnung, 1404 entstanden in Weißenfels, das seit 1350 Eigentum der Lillier war, die ersten Eisenhämmer, i4Z) wurde dort ein Schloß erbaut, 1462 eine Kapelle, j 5)6 die Kirche, die aber dem inzwischen selbständig gewordenen Pfarrer von Kronau unterstand. Erst )68) wurde es eine selbständige Pfarre. Natürlich blieb die neue Bevölkerung nicht bloß int Tale der Save stehen, sondern rückte auch in die Nebentäler hinauf. Mit Recht sagt daher auch Professor Hauptmann, daß längstens im ^.Jahrhundert diese neuen Rodungen von Radmannsdorf und Lengenfeld in der Talsohle bis auf den Gebirgskamm vorgerückt waren, wenn aber dieser Hochkamm, also die Grenze zwischen Krain und Flitsch, erreicht war, so war man auch bis an den Fuß des Triglav gekommen, bei dem die drei Landgerichte Weißenfels, Veldes und Flitsch zusammenstießen. Jetzt also war eine genaue, feste Grenze nötig geworden, wie auch ein Anlaß zur Namengebung für die Grenzberge und auch für die Entstehung von Lonfinbeschreibungen gegeben, wirklich hatte auch Weißenfels schon i45r eine solche, die leider nicht erhalten, aber doch sicher bezeugt ist. Auf die nämliche Zeit führt auch eine andere Spur. Dit einer Grenzbeschreibung des kärntnerischen Landgerichtes Straßfried wird auch die Grenze gegen Weißenfels genau eingesetzt. Diese Festsetzung ist erfolgt, wie angegeben wird, nach einem alten Urbar von Weißenfels, welches 1464 auf Pergament geschrieben war. Es hat also 1452 und 1464 schon bestimmte Grenzfestsetzungen für Weißenfels gegeben, und in diesen mußte auch der Name Triglav enthalten sein. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen. Die Namen der einzelnen Grenzpunkte sind in den Lonfinbeschreibungen auch von sehr verschiedenem Alter immer ganz gleich (wie natürlich), höchstens in Schreibweise der einzelnen Worte etwas verschieden. Aus einer alten Ausfertigung werden sie eben ganz genau in eine jüngere übernommen. Das zeigt die folgende Zusammenstellung aller vorhandenen Grenzbeschreibungen von Weißenfels in der Strecke vom Manhart bis zum Triglav. 1664: als Mangart, podgrat (dem Grat östlich von ihm), Traunik (c. rroo m der Karte), Versik 06)5 m), dingia (Velika duina, der ganze Zug), presodnica (prisenska spica, 2555 m), prosek (proseco-wald), Zadnica, Wille potok (Biel potok), pischatz (Biehauc, 24)8 m), Lukna, Terglou, Kerma. )6)2: Mangart, podgrat, Traunik, Versik, dingia, presodnica, prosek, Sadnica, willepotoc, pischatz, Lukna, Terglav, Kerma. )6oo: Mongarth, podgrath, Traunik, Versik, Dingia, presodnica, prosek, Sadnica, wilepotok, pihauc, Lukna, Terglav, Kerma. 1573: Mangart, podgrat, Travnik, Versik, digna, presodnica, Prosek, Sadnica, willepotok, Pischatz, Lukna, Terglav, Krma. Man sieht, daß Namen und Reihenfolge ganz gleich sind. Daraus können wir schließen, daß auch in der nicht mehr vorhandenen, aber sicher bezeugten Beschreibung von I45r (1464) die nämlichen Namen sich vorgefunden haben. Allerdings ist es auch möglich, daß man vom Süden, von Flitsch her, also aus der Trenta, früher an den Fuß des Triglav gekommen ist, als vom Norden, und daß von hier aus eine Namengebung erfolgte. Die spätere Hauptmannschaft Flitsch wurde jo6o dem Kloster Rosazzo verliehen, zoS3 dieser Besitz erweitert und dabei auch ausdrücklich von dazu gehörigen „montibus et alpibus“ gesprochen. Am Ende des H.Iahrhundertes (Gstirner, „Geschichte der Manhartalm", Graz 100z) dürfte dieser Besitz noch wenig besiedelt gewesen sein, sicher aber ist, daß am Ende des 1 r. Iahrhundertes Flitsch selbst schon bestand, und am Ende des 1 z. auch alle Ortschaften, die heute dort zu finden sind, und da wird man wohl auch in die Trenta vorgedrungen sein, wo am Ende des 15. Jahrhunderte» drei oder vier Almen sich befanden, alle im Besitze von Trentanern. 1530 aber machten weißenfelser Untertanen von Kronau her einen Vorstoß über die Grenze, verbrannten eine Almhütte, rodeten neuen Grund und erbauten unter der Lan (Lawinengang) Kmelukh einen neuen Tamer, die Alm Karnissla (die jetzige Kronauer Alm). — Natürlich protestierte Flitsch und behauptete, die Grenze gehe „benanntlich von Aufgang bis auf die Lrokla mit einem großen Kreuz in felsen gehauen, da confiniert Trenta an Soza von einander, von Nidergang bis an das Egkl genant Troninza Rob, und von dannen durchaus von aller höch des gebirgs". Aber nicht genug damit, in Weißenfels beanspruchte man auch noch die Trenta-Alm, nicht bloß die Alm Karnica (Karnissla). Noch 1620 behauptete man, als Grenze beider Almen: „Erstlichen fengt sich gegen an dem prießnigg pach und bei der Sucha Loritniza von aller höch anfangend, was der Träf mit sich bringt durch und durch herab bis dieser pach in das Wasser Sotscha felt. Gegen Mittagwerts aber nach dem Sotscha pach Heraufwerts bis zum Ursprung desselben, und sodann von diesem Ursprung nach dem dürn pach Sucha potok Hineinwerts bis gegen den Stainfelsen Bouth genannt. Die dritte seitten von diesem dürn pach nach der Schneid des. Steinfelsigen perges Khoseg genant über sich bis auf alle höch des gepürges, alda sich die Trenta und Flitscher Alm Sapotek (ze potocco, 1 jo6 m) genant schaidet. — Die viert seitten geht aber oben in der hoch nach der Scherst des gepürgs herumb allenthalben bis wider umb zu den graben, da der prießnig pach herab fleuft. Und obwol in diesem gepirg mer namen zu finden als priffanig, Sotscha und dergleichen vil mehr, so find das nur waiden, so in diesen beiden weißenfelserischen Alben Larnissla und Trenta gelegen." Ich kann nicht alle hier genannten Berge und Grenzpunkte bestimmen, das muß ich einem Nachfolger überlasten, der, mit größeren Kenntnissen ausgestattet, als ich besitze, eine wissenschaftliche Namenskunde der Triglavgruppe schreiben wird, also mit Einschluß der Vergangenheit und des Wissens der Einheimischen, aber soviel kann man doch ersehen, daß die beiden genannten Almen die ganze obere Trenta von der Kirche S. Maria angefangen mit Ausnahme des Gebietes der hintersten Alm za potok umfassen. Aber trotz dieser in Weißenfels ausgefertigten Behauptung, die sich auf ein weißenfelser Urbar von 157S stützt, scheint man doch schon früher zu einer Art von Ausgleich gekommen zu sein, denn gerade auch in diesem weißenfelser Urbar wird bestimmt, daß von diesen Alben Larnissla und Trenta die Untertanen von Flitsch, welche die halbe Alm benützten, sechs große Almkäse, jeder zo Pfund schwer, als Abgabe liefern sollen, die weißenfelser Untertanen aber, welche die andere Hälfte innehaben, 250 Pfund in 36 Stücken (also je 7 Pfund etwa). Die Flitscher Käse sind für diese Zeiten (sie waren jedenfalls aus Schaf-und Ziegenmilch) ganz auffallend groß, die der weißenfelser entsprechen mehr dem gewöhnlichen Durchschnitte. Schwere Käse sind aber auch schwerer zu bereiten, es wird also hier der Käserei der Flitscher ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. Diese Streitigkeiten sind wahrscheinlich auch die Ursache, daß ein Hauptmann von Flitsch sich verpflichtet fühlte, eine neue und genaue Lonfinbeschreibung von Flitsch herauszugeben, und zwar im September 16oj. Die schon öfter erwähnte Stelle im Hauptzuge lautet hier: „Manhardt, podgrat, Traunig, Verschikh, Dingna, Krokla, alwo vor Jaren ain Treu; in ainem Stain ausgehauen gewest, welches beiden Land Lonfinen Kärndten und Train wie auch Alben susitza von ainander geschieden", hier war die Grenze von Tolmein und Rosazzo. Dann wird fortgesetzt: „presodniza, prosek, sadniza, Weißenbach, pihane, Lucna, terglau, Lärma." Bis hieher confiniert die Hauptmannschaft Flitsch mit Weißenfels. „Die Lonfinbeschreibung Hab ich Georg Philipp Herr von Gera zu antröttung meiner Hauptmannschaft auß den alten Schriften und behelfen, Tonfinbeschreibungen, aussag der alten männer mit ein* wendung des Augenscheins, sovil ich in dem gebürg steigen khennen." Die Alm Susitza muß sich also nördlich wie südlich vom Versecsattel ausgedehnt haben, weil südlich davon eine Grenze gegen Dolmein und Rosazzo genannt wird, während die gegen Flitsch erst beim prißnig beginnt. Daher könnte es wohl sein, daß Rosazzo, welches Flitsch früh verloren hatte, diese Alm noch länger behielt. Zugleich aber lernen wir in teeren von Gera den ersten historisch beglaubigten Alpinisten in dieser Gegend kennen. wenn wir also den ganzen Gewinn aus der Betrachtung der Grenzbeschreibungen zusammenfaffen, so können wir sagen, die erste schriftliche Aufzeichnung unseres Bergnamens stammt aus dem Jahre 157; und lautet Derglau; sie steht in einer Grenzbeschreibung von Weißenfels; als vollkommen sicher können wir aber auch annehmen, daß der gleiche Name auch schon in der früheren Beschreibung von 1452 (1464) gestanden haben muß. Es ist also der Name nachweisbar 485 Jahre alt. wahrscheinlich ist er aber auch noch älter, wenn auch nicht gar zu viel, denn bevor Menschen in der Nähe des Derglou lebten, ist er kaum benannt gewesen. 157; erscheint also der Name (als Derglau), ebenso auch )6oo, j6oj und j6ja; dagegen 1664 als Derglou. In späteren Grenzbeschreibungen heißt es 1730 Derglou, 1749 in einer deutschen Ausfertigung Derglou, in der gleichzeitigen slovenischen Derglau, in einer Beschreibung von Lengenfeld von )838 aber Derglou. Beide Schreibungen bedeuten natürlich ganz das Gleiche. Sie sind von deutschen Beamten niedergeschrieben (mit Ausnahme von 1749 b) nach der Vorsage aus slovenischem Munde. Beide Formen kann man auch noch heute aus dem Munde der Einheimischen hören, mit dem Done auf der Endsilbe, das „au" oder „ou" dumpf ausgesprochen, so daß man es nach Belieben „au" oder „ou" schreiben kann. Es sind also diese Dialektformen der älteste richtige und auch in der Folgezeit noch allein angewandte Name. — Valvasor „Die Ehre des Herzogtums Kram 1689" kennt einen Berg Driglav nicht. Im ersten Bande (Buch II, S. 100) spricht er über die Grenzen von Krain. Von der uns interessierenden Strecke heißt es nur: „... hienach weiter fort nach dem Gebirge und Wäldern bis in die,größeste Wildnisse... Hier nechst gegen dem Schneegebirge und nach demselben 8 meilen an Flitscher Lonfinen". Auch das „prie-sangloch" kennt er (S. 141, Lap. XI), „dadurch man zu Fuß wiewol. kriechend in Flitsch kommen kann, da man sonst viele Meilen herum zu gehen". Das beweist, daß er mit der Örtlichkeit dort nicht recht ver- traut ist oder vergessen hat, daß der schon seit Jahrhunderten bekannte Paß über den Veršecsattel nahe ist. Auch das Hochtal der Kerma kennt er und nennt es nach der Sitte der damaligen Zeit „Berg". Auf diesem dauert der Tag länger als anderswo, und man kann dort Gewitter herbeizaubern. Das alles zeigt, daß ihm beachtenswert nur das Seltsame, wunderbare erscheint. Er ist gleichsam ein Raritätenkrämer, und Berge als solche allein erscheinen ihm nicht erwähnenswert. Es ist daher ganz gut möglich, daß er den Namen Triglav kannte, aber keinen Grund fand, ihn zu nennen, weil er keine Sage von ihm wußte. Es ist ein richtiges Beispiel dafür, wie wenig die Berge damals von denen, die nicht unmittelbar mit ihnen zu tun hatten, beachtet wurden. Das ist auch der Grund, warum erst 1744 der Terglou auf einer Landkarte erscheint, und zwar auf des Floriantschitz: „Ducatus Carniolae Tabula Chorographica, Laibach 1744". Der ganze Zug vom Manhact (unter dem nur ein See eingezeichnet ist) bis nach Veldes heißt „alpes Carnicae vel Noricae“. Beim Mons Terglou findet sich als Beisatz: „Carniolae altissimus, cujus vertex perpendicular! altitudine supra horizontem Labacensem 1399 hexapedis Parysiensibus assurgit“. Es hat sich also schon die Wissenschaft mit dem Terglou beschäftigt und seine Höhe berechnet. Es sind dann noch verzeichnet bei Mojstrana der Bach Feistritz und die „Alben Vratto", sowie ein Mons Kerma und im Gebirgszuge zum wocheinersee eine Reihe von Bergnamen (M. Lemisch, M. Gognatsch, M.Vogu usw.), die auch schon in den Lonfinbeschreibungen eine Rolle spielen. Dn dem Floriantschitz zeitlich nahestehenden Werke: Granelli: „Topographiae... Austriae, Stiriae, Carinthiae, Carniolae... Wien 1752", wird zwar S. 20z—279 in der Topographie von Krain dieses begrenzt dargestellt von den „Carnicas, Juliasve alpes“, welche gegen Italien zu liegen, die Hauptsache machen aber doch Stadtbeschreibungen nach Schönleben und Valvasor aus. Von Bergen ist darin sehr wenig die Rede, der Triglav ist nicht genannt. Dagegen nennt ihn oft der vielgereiste, berühmte Gelehrte Hacquet, so schon in seiner „mineralogisch-botanischen Lustreise von dem Berge Terglou in Krain zu dem Berg Glöckner in Tyrol 1779—178)". Der Terglou ist der höchste Berg der krainerischen Alpen und überragt das Tal der Trenta, er besteht aus Kalkstein. In seiner „Oryctographia Carniolica“, im I. Bande 1778, schildert er einen Besteigungsversuch auf den „mali Terklou“ und im III. Bande (1784) auf S.9Z seine Be- steigung des Cecglou. Eine Pflanze nennt er Myosotis terglouensis. Er gebraucht also immer den alten volkstümlichen Namen. Karten, welche um jgoo herum herausgegeben wurden, verhalten sich verschieden. Die „Charte von Innerösterreich oder Steyermark, Kärnten, Krain usw., nach Entwurf von Lichtenstern, Wien ) 807", hat in der ^auptkette „Monhart, Berg widromitz (an Stelle der Mojstrovka), Berg Terglou". — Die 1 Sog nach Lichtensterns Zeichnung von wustinger in Wien herausgegebene „Charte der Vereinigten Provinzen Krain, Görz usw." hat überhaupt keine Bergnamen in der Hauptkette, ebenso wie Palma, „Carte des Provinces Illyriennes, Trieste 1812“. Dagegen bringt die „Carta Generale dell’Illyria de Capellaris, Vienna 1812“ zwar nicht Manhart und Terglou, wohl aber witromitzberg südwestlich von Kronau an Stelle der Mojstrovka. Auch die alten Lonfinbeschreibungen verzeichnen nie diesen Namen Mojstrovka, das erstemal fand ich ihn in paumgartner: „Trigonometrisch bestimmte Höhen 1852", S. 87: „Moistroka, 5 Stunden westlich vom Orte Kronau, 1244, 36 Wiener-Klafter", dann in der „Generalstabskarte des Königreiches Illyrien und des Herzogtums Steiermark 1834" und in der „Generalkarte des Königreiches Illyrien, Wien 1843". Ich kann diese Sache nicht weiter verfolgen, sie liegt außerhalb meiner Aufgabe, aber es könnte wohl sein, daß Mojstrovka ein ganz junger Name ist. Es wäre diese Angelegenheit, wie überhaupt die Vergangenheit aller dieser Berge wohl wert, näher untersucht zu werden, denn Dr. Tuma in seiner „Namenskunde der Julischen Alpen (Imenoslovje Julijskih Alp, Ljubljana 1929)" verfolgt, wie er selbst angibt, andere Zwecke, die Vergangenheit der Berge beachtet er im allgemeinen nur in den westlichen Juliern, soweit die Arbeit über die „Raibler Berge" (Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, 1900) ihm Führer war, aber über die Mojstrovka gibt er doch auch eine historische Anmerkung (S. 36): „Mojstrovka war ursprünglich nur der Name für weiden unter den Gipfeln und der Umgebung der 8ita, überlassen den deutschen Kolonisten, Gewerbetreibenden aus Kronau, also Meisteralm". Dies könnte wohl sein unter drei Bedingungen: j. muß noch nachgewiesen werden, daß Mojstrovka ein alter Name ist, 2. daß es in dem kleinen Kronau je eine größere Anzahl von deutschen Gewerbetreibenden gegeben hat, 3. daß je einer Vereinigung von Gewerbetreibenden eine Alm verliehen worden ist. Das ist wenigstens meines Wissens in den benachbarten Alpenländern nirgends vorgekommen. Ich glaube vielmehr, auch in Mojstrovka steckt eine slovenische Wurzel, wie Großer Triglav vom Kleinen Lichtbild von Hofrat Heinrich Walland-Finkenstein, Wien bei den andern Bergen der östlichen Julier, aber das muß ich Kundigeren überlasten. Das reichhaltige Archiv in Laibach birgt gewiß auch eine Menge von Material für solche Untersuchungen. Aber kehren wir wieder zum Terglou zurück. Bei Hoff „Gemälde vom Herzogtum Krain )Sos" heißt es: „der Terglou ist der höchste in der ganzen Provinz Krain, 10.194 pariser Schuh. Die nördliche Seite desselben hat ewige Eisberge und Eistäler". Es wird hier nicht nur der alte volkstümliche Name des Berges gebraucht, sondern es wird auch ganz deutlich aus den Triglavgletscher hingewiesen. Denselben volkstümlichen Namen gebrauchen auch, soweit ich es erkunden konnte, die ersten Besteiger, so i§os und 1S09 Deschmann: Terglou, kl. Terglou; 1808 Stanig: Triglou; 1822 Bosio: Terglou; I828 Rosthorn: Terglou, eigentlich Triglou, nach den drei Gipfeln, und bei den Kronauern: „bieli vrh (weiße Zinne)"; 1831 Hermannsthal: Triglov. 1832 erschien das schon erwähnte Verzeichnis der trigonometrisch bestimmten Höhen von paumgartner, darin ist auch angegeben: „Der Terglov Berg, der höchste Punkt der Julischen Alpen, 1506,15 w. Klafter." Im nämlichen Jahre erschien auch die „Karte des Herzogtums Krain" von Loschan. In ihr sind zwar nicht viele Bergnamen verzeichnet, aber doch der Berg Terglou. Eine wichtige und aufschlußreiche Karte ist die gleichfalls schon erwähnte „Generalstabskarte des Königreiches Illyrien und des Herzogtums Steiermark, 1834". Hier erscheint außer dem Terglou auch noch eine ganze Reihe anderer Spitzen in seiner Umgebung. 1835 erschien das Buch: „Reisen durch das österr. Illyrien, Dalmatien und Albanien von R. v. H.......g, Leipzig 1835" (eine frühere Bearbeitung auch schon Meißen 1822). Es scheint von einem höheren Regierungsbeamten in Laibach zu stammen. Auf S. 225 wird dort auch unser Berg besprochen: „Der höchste Punkt in Krain ist die Spitze des Terglou in der nördlichsten Kalkalpenreihe zwischen den beiden (Duellen der Save. Hacquet gibt seine Seehöhe nur zu 9294 pariser Fuß, Hassel zu 10.194 Schuhen, eine dritte Bestimmung von Schinkburg ist zu 9374 Schuh und scheint sich der Wahrheit am meisten zu nähern. An der Nordseite des Terglou findet man ewigen Schnee und den einzigen Gletscher (von geringem Umfange), der in Krain vorkommt. — Vom Terglou oder Belli Vergh nehmen auch die Julischen Alpen ihren Anfang." Die Karte von Illyrien 1837 enthält nur Istrien und Triest. Aber 2 Äugy, Triglav. 17 in einem Höhenverzeichnis ist auch der Cerglou mit 1506,15 w. Klafter angegeben. Eine sehr genaue und schöne Karte ist die gleichfalls schon erwähnte „Generalkarte des Königreiches Illyrien. Militärgeographisches Institut, Wien )S4Z". Hier erscheint der Cerglou mit der Lukna, Kerma, Belpole, Mali Drasky Vrh usw. in seiner nächsten Umgebung. In dem beigegebenen Verzeichnisse der trigonometrisch bestimmten Höhen wird auch der Terglou mit ) 506,15 w. Klafter angeführt. Auch Holsmay 186) und Gilbert und Churchill 1864 in ihrem Reisewerke gebrauchen durchgehends die Form Terglou. Die beste Karte vor der jetzigen Spezialkarte 1 : 75.000 ist die 1656 erschienene „Generalkarte der Österreichischen Monarchie" von Scheda. Gezeichnet in einem Maßstabe von 1 :5)6.000 enthält sie auf Blatt XII auch unsere Gegenden mit dem Terglou, der Kerma und vielen anderen der wichtigeren Spitzen. wenn wir diese Zusammenstellung überblicken, so sehen wir, daß von der ersten erhaltenen Erwähnung an im Jahre )57? bis in das 19-Jahrhundert hinein unser Berg immer Cerglau oder Terglou, was beides dasselbe ist, genannt wird. Dies entspricht auch vollkommen dem Dialektausdruck, den auch heute noch die Umwohner des Berges gebrauchen. Erst -sir taucht ein neuer Name auf, in der Schriftsprache gleichsam, nämlich Triglav, der übrigens ganz dasselbe (Dreikopf) bedeutet wie das alte Dialektwort. Die erste Erwähnung dieses neuen Schriftausdruckes fand ich in einem Buche: „Die illyrischen Provinzen und ihre Einwohner, I8ir". Auf S. 11 steht dort „Triglav" und auf Seite z r: „Der höchste aller dieser illyrischen Berge ist der Triglav (d.i. Dreikopf)". Ein zweitesmal vor 1850 habe ich Triglav noch gefunden bei Costa, „Reiseerinnerungen, Laibach 1 848". S. 14Z bringt er eine Ferienreise nach Veldes und in die wochein, welche im August 1 845 gemacht wurde. In dieser bringt er ein Zitat aus Humphry Davy über den Zusammenfluß der wocheiner und wurzner Save: „Strom, der gleichsam im Busen der Schönheit entspringt, aus seinem unterirdischen Behälter in dem schneeigen Gebirge des Triglav und Manhardt hervorstürzt." S. 174 sieht man bei heiterem Himmel den Triglav. Schmiedl, in seinem „Handbuche für Reisende in Österreich", gibt das Panorama des Triglav. So heißt es immer Triglav und nie Terglou. Ja, so über? zeugt ist er von der alleinigen Richtigkeit des Namens Triglav, daß er auch bei Zitaten aus älterer Zeit, wo im Originale Terglou steht, dafür Triglav einsetzt. So schreibt bei ihm Hacquet wohl Myosotis terglouensis, aber mali und velki Triglav, S. 203 bei der Aufzählung der verschiedenen alten Höhenmeffungen sagt er immer Triglav, die Originale aber sagen Terglou. Ebenso macht er es bei der Nacherzählung von Bergsteigerberichten, so bei Bosio, bei Deßmann (Desch-mann), sogar im slovenischen Texte seines Gipfelzettels; S. 322 bringt er ein Zitat aus Vodnik 1795, auch dieses mit Triglav, S. 224 findet er es auffallend, daß der l^ame Terglou oder Triglav bei Valvasor nicht vorkommt: „Und doch ist der Triglav so alt als die Welt." Nur von Floriantschitz gibt er wahrheitsgemäß Terglou an. Da sich dieses erste Erscheinen des Namens Triglav 1S12 (Illy-rismus) und gegen 1848 vorfindet, so glaube ich, daß es mit dem allgemeinen „Risurgimento" des Slovenentums in der damaligen Zeit und besonders mit der Bildung einer Schriftsprache zusammenhängt. Man wollte statt des bäuerlichen Terglou einen reineren Ausdruck nach der Schriftsprache haben. Eine Erörterung darüber oder eine Begründung in Schriften dieser Zeit habe ich nicht gesunden. Der neue Name wird zuerst neben dem alten oder abwechselnd mit ihm gebraucht, wie ich im folgenden durch eine Auswahl aus Reiseschriften, Schulbüchern usw. zeigen möchte. Besonders die letzteren scheinen mir für diesen Zweck sehr geeignet, da sie nur allgemein anerkannte Lehrsätze der Wissenschaft aufnehmen und ihrerseits wieder am meisten zur Verbreitung und Verallgemeinerung des Wissens beitragen. Anfänglich tritt der neue Name nur erst schüchtern auf. So bei Schmidi: „Das Kaisertum Österreich 1857." S. 127 heißt es hier Triglav, S. 128 Terglou. „Der merkwürdigste Berg ist der Terglou, auch Triglou, Triglav genannt von seinen drei Spitzen." Beide Formen verbindet: „Der kleine Terglou (mali Triglav)." Gewöhnlich wird aber doch Terglou gesagt, S. 155 aber wieder Triglav. Bestimmter tritt schon Steinhäuser: „Geographie von Österreich-Ungarn 1872" auf. S. 108 „Der Stock des Triglav (Terglou)" usw. In Umlaust: „Österreichisch-Ungarische Monarchie" steht S. 37: „Die Jütischen Alpen oder Terglou-Gruppe", S. 85 „Terglou-Gruppe", aber auch „Triglav", S. 655 „Triglav oder Terglou", aus der nächsten Seite wieder „Terglou und Terglougruppe". Hannach: „Österreichische Vaterlandskunde, 6. Auflage, 1879", lehrt in der Unterstufe „Terglougruppe, die im Triglav usw." In der Oberstufe heißt es 1878: „Terglougruppe mit dem Terglou oder Triglav, 2865 m"; 1890 aber in der 9. Auflage „Terglougruppe und Terglou, 2865 m." ISS) nimmt die österreichische Spezialkarte 1 :75.000 den neuen Namen als Hauptnamen auf: „Triglav (Terglou)" und „pod Triglav (Terglou)". Das hat wohl am meisten zur Verbreitung des neuen Namens beigetragen. Ein gleichfalls sehr verbreitetes Schulbuch: Umlauft, „Österreichisch-Ungarische Monarchie", schreibt in der 2. Auflage 1883, S. 33, „Terglougruppe". S. 87 aber „Triglav-Gruppe, wo sich der Triglav oder Terglou (Dreikopf) befindet". Der nämliche Umlauft in seinem „Geographischen Namenbuch von Öfterreich-Ungarn" schreibt zwar: „Triglav — höchster Gipfel der Iulischen Alpen", aber auch Terglou, höchster Berg der Julischen Alpen", weiters berichtet er: „Der Name Terglou ist nicht durch die Franzosen entstanden, da schon Hacquet den Berg so nennt." Es muß also dieser Glaube damals verbreitet gewesen sein. Meyer: „Deutsche Alpen, III", S. 262, gebraucht auch beide Namen: „Triglav oder Terglou". In Artaria „Generalkarte von Kärnten und Krain ) 889" wird Terglou noch an die erste Stelle gesetzt: „Terglou (Triglav)". In dem bekannten „Wegweiser für Reisende" von Trautwein wird 1894 angegeben: „Triglav (sprich Terglou)". Aber auch wiffenschaftliche Werke, wie z. B. Philippson, „Europa 1900", gebrauchen noch beide Namen. S. 204: „Triglav oder Terglou". Im „Hochtouristen" 1911, III, S. 465, ist im Texte angegeben: „Triglav — Triglau", die Karte aber hat „Terglou (Triglav)". wir sehen also von 1850 bis über 1900 hinaus die beiden Namen abwechselnd und gleichbedeutend im Gebrauch; aber je weiter gegen die Gegenwart hin, desto mehr herrscht die Form Triglav vor, bis sie nach und nach die beinahe alleinherrschende wird. So finden wir bei dem Dichter Seidl (1804—)87)) nur Triglav, z. B.: „des Lands dreiköpfiger Bergwardein Triglav". Der Dichter aber, der am meisten zur Verbreitung des Namens Triglav beigetragen hat, ist Baumbach, ins-besonders durch seine Dichtung Zlatorog. Auch Samhaber, in seinen preserenklängen (1880), bedient sich immer der Form Triglav, daher wohl auch prešeren selbst. Man kann also nicht sagen, daß Triglav vielleicht eine nur bei slovenischen Schriftstellern bevorzugte und beliebte Form gewesen ist, nein, sie wurde gebraucht bei allen Schriftstellern, die sich überhaupt mit diesem Berg befaßten. Aber auch in Schul- und Lehrbüchern, bei Reiseführern usw. wird diese Form immer mehr die herrschende. So gebraucht Swida im Bande „Krain (1882) der Länder der Österreichisch-Ungarischen Monarchie" immer nur den Namen Triglav, ebenso auch Radies im „Führer von Krain" 0885). Auch in der „Österreichisch-Ungarischen Monarchie in Wort und Bild" 089)) wird immer nur der Ausdruck Triglav angewendet, desgleichen auch im Lehrbuche von Zeehe-Schmidt: „Österreichische Vaterlandskunde". Aber auch in rein wissenschaftlichen Arbeiten, wie z.B. bei Krebs: „Länderkunde der österreichischen Alpen" finde ich nur Triglav. Doktor Tuma in seiner: „Imenoslovje Julijskih Alp, 1929" bringt nur: Triglav (2863 m) und Mali Triglav (2725 m) und noch die Namen.von einigen ganz benachbarten Örtlichkeiten, sonst nichts. Freitag & Berndt „Karte des Königreiches Iugoslavien j 935" gebraucht sowohl auf S. 2 als auch auf S. 142 immer nur den Namen Triglav. Diese Zusammenstellung, die noch bedeutend vermehrt werden könnte, insbesondere von einem besseren Kenner der slovenischen Literatur, als ich es bin, zeigt, wie ich glaube, mit großer Sicherheit, daß der Name des höchsten Berges von Krain im Laufe der Jahrhunderte Veränderungen erfahren hat. ... Von den andern großen Gipfeln der Julier erscheinen (Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins 1906, S. 372) der Manhart 1548 (nach dem neuen Material wohl auch schon 1452), der wischberg als mons fortis 1275, Montasch 1259, Kanin 1275. Es werden also die Gipfel der westlichen Julier früher genannt als die der östlichen, was ganz begreiflich ist, da die westlichen Julifchen Alpen in der Nähe einer großen Römerstraße liegen. Es hat sich also bei diesen sicher früher ein geschichtliches Leben entwickelt, während das Savetal noch länger waldland war, und seine Bevölkerung erst spät vom Tale aus bis zu den hohen Bergen vorgedrungen ist. Von der ersten Nennung des Namens )573 (1452) bis etwa )8oo wurde der Berg immer Terglou oder Terglau (was dasselbe ist) genannt, und dieser Name ist auch heute noch als Dialektbezeichnung gebräuchlich. Nach 1800 kommt, wie wir gesehen haben, der Name Triglav auf, wahrscheinlich eine Form der reinen Schriftsprache darstellend. öit der ersten Hälfte des neunzehnten Iahrhundertes wird dieser neue Name im Wechsel mit dem alten gebraucht, in der zweiten Hälfte wird er immer mehr vorherrschend, und jetzt hört man ihn beinahe allein, und der alte Name erscheint beinahe nur mehr als Ausnahme. Das ist der historische Verlauf und das muß wohl auch in jeder Namenskunde der Julischen Alpen angegeben werden. Auch eine andere Frage ist noch zu erörtern! was bedeuten diese Namen und wie sind sie zu erklären; Daß sowohl der alte als auch der neue Name der „Dreiköpfige" bedeutet, darüber besteht keine Meinungsverschiedenheit. was aber der Grund ist, warum der Berg der drei- köpfige heißt, darüber bestehen zwei Ansichten, und es ist auch schon einiges zur Begründung dieser oder jener Ansicht geschrieben worden, wir tun wohl auch hier wieder am besten, wenn wir, ohne irgendwie Partei zu ergreifen, die Gründe anführen, die für die verschiedenen Meinungen vorgebracht worden sind. Das Natürlichste wäre selbstverständlich, wenn der Triglav wirklich drei Spitzen hätte, die von irgendwo auch deutlich gesehen werden könnten, dann wäre ja der Name von selbst gegeben. Das wird auch von verschiedenen Seiten behauptet. Schon Rosthorn, einer der ersten Besteiger, sagt 1828: „Der merkwürdigste Berg ist der Terglou; auch Triglav, Triglav genannt von seinen drei Spitzen." Umlauft, „Geo-graphischesNamenbuch von Österreich-Ungarn j 886", schreibt: „Triglav, höchster Gipfel der Julischen Alpen, das ist der Dreikopf, von flovenisch Tri = drei und glava = Haupt, wegen seiner drei zuckerhutähnlichen Spitzen, die von Radmannsdorf aus besonders schön zu sehen sind." Das ist doch ganz bestimmt, es sind ganz klare Angaben. Am bekanntesten ist aber die Behauptung Baumbachs geworden, wenn er auch den Namen anders begründet: Drei Häupter hebst du trotzig in die Höh' — Und jedes trägt ein Diadem von Schnee: Aber trotz dieser ganz bestimmt geäußerten Ansichten, welche die drei Gipfel bestätigen, gibt es doch sehr viele Menschen, wahrscheinlich die große Mehrzahl, welche die drei Gipfel nicht sehen konnten und können. Dn erster Linie gebührt als wahrscheinlich häufigstem Besucher des schönen Berges Dr. Kugy das Wort: „Die drei Gipfel", schreibt er mir, „habe ich nie sehen können; obwohl ich seit meiner Jugend nach ihnen ausgeschaut habe". Ich glaube, alle Bergsteiger werden ihm beistimmen. Es gibt ja auch eine Menge von Photographien des Berges, besonders in dem schönen Buche von Kugy: „Die Julischen Alpen im Bilde." wenn ich diese vergleichend prüfe, so möchte ich allerdings zugeben, daß man bei einigen von ihnen, mit Hilfe von einiger Phantasie, drei Spitzen sehen kann, bei der Mehrzahl allerdings nicht. Es ist daher auch nicht zu verwundern, daß schon seit längerem eine zweite Ansicht aufgekommen ist, welche den tarnen des Berges nicht von den drei Gipfeln, sondern von einer dreiköpfigen Gottheit ableitct, deren Sitz auf diesen Berg verlegt wird. Das ist eine Ansicht, die ihren Grund in der slavischen Mythologie hat. Es ist darüber schon ziemlich viel geschrieben worden, es wurde die Sache in ruhiger, echt wissen- schaftlicher weise erörtert. Am besten führt in die ganze Angelegenheit ein Aufsatz von Lofta ein (Mitteilungen des historischen Vereines von Krain 1890, S. 23). Valvasor, so schreibt Costa, nennt den Triglav nicht, sondern als den höchsten Berg von Krain die Kerma, es hat also damals der höchste Berg Kerma geheißen und nicht Triglav, oder Valvasor hat den Triglav nicht gekannt, was nicht anzuvehmen ist. Floriantschitz kennt Kerma und Terglou. Linhart im „Versuch einer Geschichte von Krain", S. Z90, führt unter den slavisch-krainerischen Göttern den Triglav als einen dreiköpfigen Gott an, dem die Herrschaft über Luft, Erde und Wasser zugeschrieben wird, der aber vorzüglich von den im worden Deutschlands lebenden Slaven verehrt wird. Der Berg Triglav, sagt Linhart, in Bochein (wochein) scheint von dieser Gottheit seinen Namen zu führen. Auch Valvasor kennt Triglaf, aber ob er auch in Krain verehrt wurde, sagt er nicht. Nach hanusch, S. 272, ist der krainerische Triglav (Terglou) nach dem Gotte benannt. In Wirklichkeit hat der Berg Triglav nur zwei Köpfe (mali und veliki Triglav), daher kann auch der Name nicht von triglave = Dreihaupt abstammen. „So scheint die Ansicht begründet, daß der Berg Triglav von der gleichnamigen Gottheit den Namen habe, mindestens aber dürfte festzustellen sein, wann der Berg jenen Namen erhielt, und ob auf ihm wohl gar eine Gottheit verehrt wurde. Ich wünsche, daß diese gewiß interessante Frage als eine offene angesehen und gründlich erörtert werden möchte." Das sind gewiß sehr besonnene Worte von Tosta, denen man nur beiftimmen kann. Über Valvasor haben wir schon gesprochen (S. 14). Er sagt im VII. Buche, I. Lapitel, daß die Stettiner den Gott Triglaf (man beachte diese Form „Triglaf", der Berg hieß damals Terglou) verehrten und ihm ein schwarzes Pferd hielten, von irgend einer Beziehung dieses wendischen Gottes in Pommern zu Krain sagt er nichts, jedenfalls weil er nichts davon wußte. Auch hacquet 1786 in seinem Werke „Abbil-dungen usw. der sw. und östl. wenden und Illyrier und Slaven I, 1" spricht von der dreiköpfigen Gottheit Triglav der alten wenden, „der man die Herrschaft über Luft, Erde und Wasser zuschrieb", aber auch ohne jede Beziehung auf Krain. So ist also Linhart 1791 der erste, der die Beziehungen zwischen dieser Gottheit und unserem Triglav herstellte, in seinem Buche „Versuch einer Geschichte von Krain". Dort im zweiten Bande, S. 256, in dem Kapitel Slavisch-Krainerische Götter, sagt er: „Triglav ist ein dreiköpfiger Gott, wie es schon der Name anzeigt, weil sie ihm die Herrschaft über Luft, Erde und Wasser zu- schrieben. Ihn verehrten vorzüglich die im nördlichen Deutschland wohnenden Slaven, wo sie ihm ansehnliche Tempel erbaut haben. Der Berg Terglou in Bohein, welcher der höchste in Krain ist, voll prächtiger Szenen der wilden VXatur, scheint von dieser Gottheit seinen Namen zu führen." Es wird also auch hier nur als Vermutung ausgesprochen. Etwas bestimmter drückt sich Hämisch („Die Wissenschaft des slavischen Mythus 1842") aus. So S. 99 bis jos: „Im slavischen Mythus tritt an die Stelle der indischen Trimurti (Brahma, wischnu und Schiwa) die Gottheit Triglav, welche auf hohen Bergen verehrt wird." „Auch der Berg Terglou in den Krainer Alpen hieß ursprünglich Triglaw oder Trigluw wie der bei Stettin." S. 272: „Triglaw muß überhaupt auch in jenen Zeiten als eine mächtige, überirdische Gottheit angesehen worden sein, wie seine Verehrung auf hohen Bergen beweist. So ist z. B. der nach ihm benannte Trigla (Terglou) in den krainerischen Alpen 12.000 Fuß hoch." Hier ist also die Benennung des Berges nach einer Gottheit, die auf ihm ihren Sitz hat, bestimmter angegeben. Die Schwierigkeit, daß dieser Berg ja gar nicht Triglav sondern Terglou heißt, wird beseitigt dadurch, daß Terglou nicht als der älteste, sondern erst als ein später entstandener Name angenommen wird, in Wirklichkeit ist es aber gerade umgekehrt. Die Guelle, auf die man sich bezieht, ist die Vita Ottonis, die Lebensbeschreibung eines Bischofs Otto von Bamberg (1102—jj?9), der der wichtigste Bekehrer der heidnischen Slaven in Pommern und Brandenburg wurde. Diese Vita ist als eine wichtige Geschichtsquelle auch in den Monumenta Germaniae abgedruckt. In ihr ist mehrmals die Rede von einem großen Gotte der slavischen Heiden, Trigelaus, der in der Nähe von Stettin auf einem Hügel einen schönen Tempel hatte, in dem sich auch sein Bildnis mit drei Köpfen befand. Daß also dieser Gott Triglav bei diesen und den benachbarten Nordslaven in hohem Ansehen stand und dreiköpfig abgebildet wurde, ist sicher. Die Frage ist nur, ob er auch bei den Südslaven und speziell in Krain bekannt war und verehrt wurde. Das wird behauptet und bestritten. Am entschiedensten geschieht das erstere von Terstenjak in seiner Schrift „Über den Gott Jarmogius" (in den Mitteilungen des Historischen Vereins für Krain 1857, S. 108). VTad) ihm ist der Triglav der höchste Gott, der Himmelskönig selbst gewesen, „Und zwar perkun selbst", er ist auch Donnergott und erscheint thronend im Himmelsraum oder auf Berges- ' gipfeln. Es hat dann Trstenjak (auch diese Schreibung erscheint) noch I870 eine weitere Schrift geschrieben: „Triglav mythologicno raziska- \ Triglav von der Krstenica-Alm aus (Süden) Lichtbild von Cveto Švigelj, Ljubljana vanje“ (mythologische Untersuchungen), in welchen er die obigen Gedanken weiterführt. Aber Trstenjak ist ein recht phantasievoller Schriftsteller, der trotz mancher Anerkennung doch mehr oder minder abgelehnt wird. Dr. Klun („Mitteilungen des historischen Vereines für Krain 1857") urteilt: „wer wird die Arbeiten Terstenjaks nicht gerne als sehr wertvolle kritische Forschungen anerkennen, mag man auch mit den Resultaten nicht immer ganz übereinstimmen." Nach Professor Krek ist in dieser Schrift „Triglav usw." „nicht wenig Anfechtbares". Auch in der Hauptfrage, ob Triglav ein altslavischer Gott sei, d. h. auch in Krain bekannt war und verehrt wurde, urteilt Professor Krek — und diesem Altmeister der slavischen Philologie gebührt wohl eine entscheidende Stimme--------: „das vermögen wir nicht zu bestimmen, es ist eher wahrscheinlich als nicht" (Einleitung in die slavische Literaturgeschichte, S. 395). wie ich weiter von maßgebender Stelle an der Universität in Graz belehrt wurde, gelten diese Ansichten von Krek auch heute noch. Auch ist es in dieser Beziehung bemerkenswert, daß in dem sogenannten Kronprinzenwerk, Band Kärnten und Krain, S. 260, der Reiseschriftsteller Schweiger-Lerchenfeld schreibt: „Der Triglav ragt nicht nur im realen Sinne in die Wolken, sondern auch als heim eines Gottes, des dreiköpfigen Olympiers der altwendischen Göttersage." wenn er auch vorsichtig sagt: „der altwendischen Göttersage", was den (Quellen vollständig entspricht, so geht aus seinen Worten doch hervor, daß ec diesen Gott Triglav auch für die slovenische Mythologie in An-spruch nimmt. Der Bearbeiter der Volksüberlieferungen aber im nämlichen Werke, also der eigentliche Fachmann, Scheinigg, lehrt (S. 378), daß von den Überresten des alten Götterglaubens nichts erhalten blieb über die Hauptgötter, aber sehr viel von den geringeren göttlichen Gestalten. Denn es ist selbstverständlich, daß die christlichen Bekehrer in erster Linie die Hauptgottheiten bekämpften. Es war überall so. Auch in Deutschland sind die Versuche Klopftocks, die nordische Götterwelt in die deutsche Dichtung einzuführen, schon längst überwunden. Aber sei dem wie immer, uns berühren diese gelehrten Meinungsverschiedenheiten nicht, uns genügt die Tatsache, daß jedenfalls viele Menschen glauben, daß der Berg Triglav von einem Gotte den Namen hat. Keiner hat das lauter der Welt verkündet als der Dichter Baumbach im Zlatorog: „Drei Häupter hebst Du trotzig in die Höh' wie jener Gott, nach dem sie einst Dich hießen!" 2Z Auch Dr. Kugy glaubt daran („Aus dem Leben eines Bergsteigers", 2. Auflage, S. 67) „der Name Triglav stammt von der altflavifchen dreiköpfigen Gottheit", andere Zeugen, wie etwa Cofi«, haben wir schon angeführt, weitere sind nicht nötig, es ist eine weitverbreitete Meinung. Das ist alles, was ich über den Namen Triglav erkunden konnte. 1573 erscheint er das erstemal in einer Confinbefchreibung von Weißenfels, doch können wir mit Sicherheit annehmen, daß derselbe Name auch schon in der Grenzbeschreibung von 1452 gestanden hat. Valvasor 1689 nennt ihn nicht, jedenfalls, weil er nichts Merkwürdiges von dem Berge wußte. Das erstemal in eine Landkarte ausgenommen hat ihn Floriantschitz 1744, auch seine war damals schon gemessen. Bis zum 19. Jahrhundert wurde er immer Terglou (Terglau) genannt, ein Name, der noch jetzt im Volksdialekte fortlebt. Dann kommt ein Schriftname auf, Triglav, der seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr und mehr ausschließlich gebraucht wurde. Das ist die Geschichte des Namens Terglou-Triglav! Vielleicht ist es zum Schluffe noch erlaubt, etwas persönliches vorzubringen. 60 Jahre haben der Triglav und seine Gefährten in den Juliern in mein Leben geleuchtet. Ich bin froh, daß ich noch in meinen letzten Jahren ihnen den Dank abstatten kann für alles das, was sie mir geworden sind. 2. Rapitel Valvasor (J689) e steigt. Alsdann kommt ein starcker wind dazu, bewegt und treibt solche neugeborne wolcke tapffer fort. Durch sothane harte Bewegung und ungestümmes Wind-Geräusch wachen noch andre winde mehr auf und stoßen dazu. Da geht es alsdann nach dem Virgilianischen Vers: Unä Eurusq. Notusq. ruunt, creberq. procellis Africus-------------—---------." „Da erhebt sich dann gleichsam eine grausame Schlacht zwischen dem wind und Gewölcke, zwischen den unterschiedlichen kalten und heißen Dünsten, biß die so hart angefochtene wolcke sich vor zorniger Unge-dult entzündet und zu canoniren oder fulminiren beginnt, mit Blitz und Donner und ein solches Geraffel und Gewudel entstehet, als ob in der wolcken etwas in vollem Sud aufwallete. Dann ergeht ein wettec-schlag auf den andren und wird die Lufft mit feurig-geschlängelten viel-gebogenen Strichen linirt. Unter solchen Donnern und Blitzen schüttet die verwundete und zerrissene wolcke alsdann an stat deß Bluts oder der Dhrenen die Hagel-Schloßen und den betrübten Schauer aus, so den Äckern wiederum viel Dhrenen auspreffen." „Denn es zittert und erschüttert daselbst Alles gleichwie bey einem Erdbeben oder Gebrüll vieler nacheinander loß gehenden Kartaunen. wobey denn die Blitzen auch so starck leuchten und so hart auf einander flammen, daß die gantze Gegend so licht erhellet, als ob Alles in volle Lohe entbrannt wäre, und der feurige Blitz-Glantz der Stralen der Sonnen nacheyfern wollte." Derartige Hochgewitter werden wir in diesem Buche erleben. Den Triglav kennt also Valvasor nicht. So haben wir aus den Blättern seines Riesenwerkes über den Berg selbst nicht viel gelernt. Aber dennoch blickt dieser, wenn auch unverstanden, unerkannt und noch ungenannt, aus stolzer, hehrer Höhe herab und herein. Er steht da, dem wissenden allgegenwärtig. Sein gewaltiger Atem weht allenthalben herüber. Und „Die Ehre des Herzogthums Krain" fügt sich trotz allem als ein bemerkenswerter, fester und bedeutsamer Grundstein zu der großen Triumphpforte mit ein, durch welche der sagenumwobene König der Julier aus dem Dunkel der Jahrhunderte in unser Bewußtsein und in das Licht unserer Tage eintreten soll und wird. 3. Rapitel Die ersten Ersteigungen des Triglav Lorenz willonitzer und Balthasar Hacquet (1777—1782) . Streffleur in der „Österr. Milit. Ztg." 3, i860. Siehe Legende Lichtbild von Dr. Ing. Bruno Tarabochia, Trieste Legende zur Rarte des Triglavstockes. 2m Zentrum des Bildes laufen die vier Grate (Oft-, Nord- Nordwest-, Südgrat) zum Gipfel des Großen Triglav zusammen. Ost-südöstlich von diesem der Aleine Triglav. Das mehrfach gelappte blanke gel5 nördlich davon ift der Triglavgletfcher mit feinen Firnfeldern. Nördlich darunter zur Linken die Nordwände des Triglav, die Furche des Vratatales in der Tiefe, zur Aechten die Aare zwischen Triglav, Cntir, Begunjski-Vrh, Urbanova-Spica, Ajavina. Südlich unter dem Triglav das große, von Ost- und Südgrat halbkreisförmig umfaßte Schnee-kar, in der Tiefe, am unteren Aandc des Bildes, die Alpe Velo polje. westlich unter dem Großen Triglav der Flitscher-Schnee. Der Nordwcftgrat fällt zum deutlich erkennbaren Luknjapaß ab, links (westlich) in der Tiefe, auf dem Bilde nicht mehr sichtbar, der Zadnica-Graben und das Trentatal. X A'tWefik ' r. - 1 Zoll 400 W. Klafter oder 1 : 28.800 der Natur Originalzeichnung des Obersten fl’e iss im k.k. geogr. Institut. Ausgeführt auf Stein und in Kreide von A. M oering, k. k. Minist. Ingenieur durch Beyhülfe des ^errn Baron von Zois Leute genug bey mir, die sehr beherzt waren, obgleich kein Mensch aufzutreiben war, der da hätte sagen können, ich habe schon die Spitze dieses Berges erstiegen. Einer, mein Schüler, der auf Unkosten des erwähnten Bergwerksinhabers zum Vortheile der Naturlehre und Heilkunde unterhalten wird, ein Mensch, der in dem Gebirge sehr bewandert war, hatte den andern Tag eben so wenig Lust, als die mit habenden Gemsjäger, die wir bey uns hatten, diesen Berg zu besteigen: denn es war den Tag sehr windig, und der Gipfel des Bergs war, wie gewöhnlich, mit Wolken bedeckt. Die wichtigen Einwendungen, die mir von meinen mithabenden Leuten gemacht wurden, in Betreff der Ersteigung des Bergs, waren, daß der wind große Steine würfe, die einen jeden tödten könnten, daß er so stark sey, daß der stärkeste Mensch sich nicht erhalten könnte. — Ferner, wenn man von den Wolken umringt würde, wüßte man nicht mehr, wie man zurück kommen sollte. Es wäre noch niemand hinauf gekommen; was man auch immer davon gesagt und geschrieben hätte, wäre falsch usw. Allein, ich dachte mit Ernst darüber nach, was ich zu thun hätte, um meinen Endzweck zu erreichen. Lange da zu bleiben, erlaubte mir für diesmal die Zeit nicht, indem die Lebensmittel abgehen würden; ferner, wäre ein Regen oder Schnee eingefallen, so wäre es noch unthunlicher gewesen: ich entschloß mich daher gegen alle Einwürfe, und entwich meiner Gesellschaft nach 4 Uhr in der Frühe, und kroch die Felsen hinauf. Im Anfang fand ich gegen zwei Stunden lang keinen großen widerstand in dem Einschnitte der Felsen, wo große Stein- und Schneeriffe lagen. Indem ich aber diesen zurücklegte, sähe ich, daß meine Leute die Wahrheit gesagt hatten, daß noch wenige oder gar niemand hinaufgestiegen wäre, wenigstens doch kein Kräuterkenner, dann ich fand Pflanzen, die weder Scopoli, noch ein andrer gesehen hatte, welche ich einmal bey gelegener Zeit bekannt machen werde, was das Steinreich anbetraf, fand ich nichts, als den bloßen Kalkstein und eisenschüssige Thonerden. In einer Schlucht fand ich einen etwas stark grün gefleckten Kalkstein, der dem ersten Ansehen nach dem Geisbergerstein glich, allein, er war ein bloßer Kalk, und ich erinnerte mich eines Reisenden durch die Schweiz, der mir sagte, man habe ihm oft einen grün gefärbten Kalkstein für den bunten Geisbergerstein gezeigt, und so ist es dann auch möglich, daß man oft die auf den Gipfeln der Berge wahrscheinlich befindliche Steinart unrecht bestimmt hat, weil man nicht selbst dahin hat kommen können. Nachdem ich meinen weg weiter in die Höhe fortsetzte, gieng es mir immer beschwer- licher. Ich will nichts von der Lebensgefahr sagen, da wir nirgends eine Stunde unfers Lebens sicher sind: nur so viel will ich für andre zur Warnung anführen, daß, wenn man eine gewisse Höhe erreicht hat, man sich weder aus den Tritt, noch aus das Anhalten eines Felsen gewiß verlassen kann: indem hier auf der Oberfläche alles bereit ist, bey geringster Berührung einzustürzen. Am gefährlichsten ist es, wenn man sich auf den Steinriffen sortzuhelsen sucht, indem die Steine, so bald man auf dieselben tritt, nicht allein herunter fallen, sondern auch von oben einstürzen können, so daß man in solchen sein steinernes Grab» mal findet: ich rathe daher, daß, wenn jemand auf solche große ver-witterte Berge in Gesellschaft wandern will, keiner hinter dem andern hertrete, um nicht beym Vortreten ertappt zu werden, wahrhaftig, derer ihre Meynung ist nicht ganz zu verwerfen, die eine jährliche Abnahme solcher Berge wie unsre und die pyrenäischen sind, annehmen: ganz gewiß, wenn man die spitzigsten jährlich abmeffen könnte, so würde man sich davon gewiß besser überzeugen können, als es für jetzt seyn kann, und eben diese große Verwitterung ist dann Schuld, vielleicht auch etwas der mineralische Gehalt unsres Kalksteins, daß nicht das ganze Jahr die Koppen der Bergen mit Schnee bedeckt bleiben, sondern nur jene Theile, welche gegen Norden liegen, da doch Berge von geringerer in der Schweiz beständig damit bedeckt sind. Man sehe Relation des alpes par De Luc. Als ich mich höher hinauf begab, wo schon auf keine weise mehr eine Pflanze aus vollkommenem Mangel der Erde fortkommen kann, wendete ich alle meine Kräfte und Behendigkeit an, die Felsen zu ersteigen und dem Steinfliegen auszuweichen. Ich lavirte immer auf der Mittagseite, dieweil ein sehr starker Nordwind blies; doch um 9 Uhr hatte ich das Glück, eine Seitenspitze des Bergrückens zu erreichen, welchen man te male Terklou, oder den kleinen Terklou nennt. Diese Felsenspitze hat vielleicht vorzeiten einen einzigen Körper mit dem übrigen Gipfel ausgemacht, aber durch die sehr schnelle Verwitterung sich abgesondert; hier sollte man denken, daß die Eisentheile, die sich in dem Steine befinden, zu der Zerstörung vieles beytragen, indem der ganze Zwischenraum allhier sehr eisenschüssig ist; solchergestalt, daß, was sich davon abwäscht, die ganzen Felsen färbt, und dies hat dann schon viele Wirten und Jäger bewogen, dem Ver-weser der dortigen Eisenwerke diesen Ort als einen solchen anzudeuten, wo sich viel Eisenerz fände, indem eine solche Neuigkeit dorten sehr angenehm ist, da es sehr an dergleichen gebricht; allein, es trauete sich doch keiner hinaus, es zu hohlen, und sie hätten auch ihre ganze Mühe umsonst verschwendet, da ich nicht das geringste davon sand. — Als ich an die Spitze zur plordseite kam und dem winde frey stand, wurde ich auch alsogleich zu Boden geworfen. Ich sähe mich auf der Erde nach dem Hauptgipfel um, welchen ich, wenn es möglich gewesen wäre, leicht, als ein geübter Fußgänger, in einer halben Stunde erstiegen hätte; allein, winde, Wolken, die die Gipfel umhüllten, und unüber-steiglich senkrechte Felsenwände zeigten mir, daß es wenigstens von der Seite, wo ich war, unmöglich wäre. Ich kehrte also gleich zurück, welches mir aber bald wäre unüberwindlich gewesen. Als ich an den Fuß des Berges kam, fand ich meine Leute beschäfftiget mich aufzusuchen, und sie dachten, ich müßte schon wenigstens ein paar Knochen zerbrochen haben; allein, bis auf einige blaue Flecke war ich eben so gesund, wie vorhin; mir war es nur sehr leid, daß ich, ohnerachtet meiner Mühe, doch nicht den höchsten Gipfel erreicht hatte. Ich wollte noch den andern Lag mit meinen mithabenden Leuten den Berg von einer andern Seite zu ersteigen versuchen: allein, die Witterung ließ es nicht zu, ich befriedigte mich also mit der Erkenntniß der Gebirg-arten. Doch hoffe ich, ihn ein andermal zu besteigen, wenn ich einmal das zweyschenkliche Barometer des De Luc erhalten werde, um ihn ab-zumeffen: denn dieses mein Ansuchen an den Erfinder selbst hat mir nicht bewilliget werden können; indem mir sein Herr Bruder schrieb: ich kann ihnen ein solch Barometer um keinen preiß aus Genf verschaffen, indem mein Bruder das feinige mit nach England genommen hat, und hier niemand ist, der ein solches verfertigen könnte. — Der Berg soll, nach der Angabe unsers verstorbenen fleißigen Landsmannes Floriantschitfch, der die großen Karten mit vieler Mühe und Fleiß von unserem Lande verfertiget hat, 1399 Pariser Lachter über die Fläche der Stadt Laybach erhaben seyn. Da wir noch nicht mit Gewißheit wissen, wie sich die Meeresfläche von Trieste gegen den Horizont unsrer Hauptstadt verhält, so scheint mir doch, so viel ich abnehmen kann, aus dem Wasserfall des Flusses Iderza und Sozha, da erstrer nach Abmessung zu Hydria in dem nämlichen Horizont stehet, wie die Stadt Laybach, ihr Fall bis ins Meer mit zoo Lachter nicht zu viel angegeben zu seyn: und folglich hatte dieser Berg 3699 Lachter, oder 30.394 pariser Schuhe, an der Höhe. Aus diesem ist also zu ersehen, daß das Gebirge unsres Landes zu der wahren Alpkette gehöre. Die Zeit wird lehren, wie richtig Floriantschitfch gemessen habe: so viel weiß ich, daß, ob ich gleich noch nicht auf dem Gipfel des Bergs war, ich dennoch über ganz Kärnthen und Krain bis in Kroatien habe sehen können, und hätte ich einen Hellen und ruhigen Lag gehabt, so würde ich auch ohne Zweifel mit *5ülfe eines Englischen Seherohrs, welches ich bey mir hatte, bis Venedig gesehen haben. Allein, so hoch auch unser Terklou ist, so ist er doch nur ein Kind gegen den Thimboraro in Peru, der, nach Bericht eines Bouguer und Tondamine, die ihn abgemessen, ri>izo Fuß über das Meer an Höhe haben soll. Dieser ist aber auch der höchste der neuen und alten Welt so viel bekannt ist." Schon in das folgende Jahr 1778, somit acht Jahre vor der ersten Ersteigung des Mont Blanc durch Dr. Michel paccard und Jacques Balmat — am 9. August 17so — und neun Jahre vor Sauffures denkwürdiger Mont-Blanc-Tour — am 3. August 1787 —, fällt die erste Ersteigung des Triglav durch Lorenz willonitzer, angestellten Wundarzt in Althammer. Baron Sigmund Zois erzählt von dieser epochemachenden Besteigung ausführlich in feinen nachgelassenen papieren/ und Hacquet bestätigt sie in der Vorrede zum II. Teile feiner „Orycto-graphia“.9 Er sagt da: „Die erste Besteigung der äußersten Spitze dieses Berges geschähe zu Ende des verflossenen Jahres 177S durch zwo beherzte Gemsschützen und einen meiner gewesenen Schüler. Da nun jemand aus diese verwägne Unternehmung einen Geldpreis gefetzt hatte; so mußten diese Leute zur Versicherung ihres erreichten Endzwecks Zeichen in die Steine einhauen, welche ich auch an einigen Orten gefunden habe." willonitzer war begleitet von dem Gemsenjäger Rosizh und den Bergleuten Matthäus Koß von Jereka und Lucas Koroschez von Goriusche. „Sie stiegen", wie Professor Richter nach den Mitteilungen des Freiherrn Sigmund Zois berichtet, „den 24. August 177S bis zu den Alpenhütten in Belo Polje. Den 25. August brachten sie zu, den bequemsten weg nach der Höhe, genannt Seleni plas (grüner platz), ausfindig zu machen, und untersuchten zu dem Ende drei Theile des Berges. Den 20. daraus, bei Tages Anbruch, schritten sie von Belo polje, Anfangs links (westlich), dann, fast in einer diagonalen Richtung von Südwest nach Nordost, innerhalb fünf Stunden nach dem genannten grünen platze. Dort will der Wundarzt willonitzer die Fläche von Laibach und das Thal von Mojstrana gesehen haben. Er schrieb dem Baron Sigmund Zois, es sey fürchterlich, dort oben in die schaudervolle Tiefe hinabzublicken. Der alte Schnee erschien ihm völlig grün; auch bemerkte er eine «Quelle mit großem Geräusch daraus hervorstürzen. Von dem grünen platze kamen die Steiger längs der Schneide des Bergrückens Krederza in einer aufsteigenden westlichen Richtung bis unter den letzten Kopf des Triglav, in etwas mehr als einer guten Stunde. Der weg dahin soll an manchen Stellen nur zwei Schuh breit seyn und aus zertrümmerten Felsenstücken bestehen." „Unter dem letzten Kopfe des Triglav angelangt, fingen willonitzers Begleiter an, zaghaft zu werden. Bis auf den Gipfel des Kopfes rechneten sie noch Dreiviertel Stunden. Dennoch faßten sie sich ein Herz und erkletterten längs der Schneide des nördlichen Randes den höchsten Punct des Triglav. Das Wetter war ihnen günstig, heiter, ohne wind und die Kälte erträglich, willonitzer fand den Platz auf dem Gipfel fo groß, daß etwa 50 Personen darauf stehen könnten, aber keine Spur, daß jemals Menschen vor ihm oben gewesen wären. Die Gesellschaft hielt sich beiläufig zwei Stunden auf dem Gipfel auf, und grub die Namen: Joseph II., Baron Sigmund Zois, Balthasar Hacquet, Joseph Stephantschitsch, Lorenz willonitzer, Christian Novak, Stephan Rosizh, Matthäus Koß, Lucas Korofchez, auf zwei Felsen ein. Hierauf keilten sie Hammer und Stemmeisen neben einem Spalt der Felsen ein, und kehrten noch am selben Tage bis in ihre Heimat zurück. Im Herabsteigen wurde der weg bezeichnet, um ihn nächstes Jahr desto leichter zu finden." „Das folgende Jahr 1779" — erzählt Richter nach der gleichen Ouelle weiter — „erhielt besagter willonitzer von Baron Sigmund Zois den Auftrag, den Professor Hacquet bei der Besteigung des Triglav zu begleiten, und zu dem Ende die schon das erste Mal gebrauchten Gefährten mit zu nehmen. Professor Hacquet war den 1. August 1779 nach Feistritz in der wochein gekommen. Den r. darauf machte sich die Gesellschaft, bestehend aus Hacquet, willonitzer und Matthäus Koß, um 7 Uhr früh auf den weg und kam bis zur Alpe „sa Utach“, wo übernachtet wurde. Am 3. fetzte man die Besteigung fort und gelangte in den Nachmittagsstunden an die überhangende wand unter dem letzten Gipfel des Bergkopfes, wo die gefährliche Stelle anfängt." „Der erschöpfte und entkräftete Professor erklärte, daß ihm ganz schwindlich sey, und daß er nicht weiter könne. Ohnehin sey jener Platz zur Höhemeffung des Triglav geeignet genug und der Unterschied von dort bis auf den Gipfel nicht so bedeutend. Somit war Hacquet nicht auf, sondern an dem höchsten Kopfe des Triglav, als er die Höhe desselben maß. Diese letztere, meinte er gegen willonitzer, laufe nach seinen Instrumenten mit der von Floriantschitsch angegebenen, ziemlich auf Eins hinaus. An ein abgerissenes Felsenstück gelehnt, habe Racquet die beobachteten Thermometer- und Barometergrade auf ein Stück Papier geschrieben. Nach ungefähr einer halben Stunde trat man den Rückmarsch nach Belo polje an. Erst am 4. August kam die Gesellschaft von hier nach Feistritz zurück." „Am Jahre 1781 kam der Mineraloge und practikant bei der Münz- und Bergkammer, Graf v. wrbna, bis nach Belo Polje, um die nächsten Anhöhen zu messen, ohne sich auf die Besteigung des Triglav-Gipfels einzulaffen, wozu das Wetter nicht günstig war. Eben dieser Graf stieg auch zum Wasserfalle, sah eine Gemse wenige Lachter über der Lascade weiden, und schwamm im Rückwege neben einem schlechten Kahne quer über den See." „Am Jahre 1784 (nach andern Berichten 1783) stieg Hacquet über Althammer, Ravno Polje, Kopishiza, Sleme, Tostiz nach Belo polje, und so fort Tags darauf über die Prodi auf den kleinen Triglav und nicht weiter. Denselben weg machte er 1786 (nach verläßlichen Nachrichten 1786, den 23. Juli), und zwar von Belo polje nach dem mitternächtlichen Rande bis an die seigere wand des Gipfels, die er aber doch nicht überwältigen konnte." Aber diesen Mitteilungen, nach welchen hacquet den Gipfel des Großen Triglav niemals erreicht hätte, stehen gegenüber die vollkommen klaren, positiven Angaben, die er selbst über seine beiden Ersteigungen des Triglavgipfels bringt/" und der genaue und gewissenhafte Forscher tritt mit den leicht kontrollierbaren Einzelheiten seiner alpinen Leistungen in der vollkommen glaubwürdigen, schlichten Einfachheit, welche alle seine Werke auszeichnet, so bestimmt vor seine Zeitgenossen, daß ein Zweifel daran wohl nicht statthaft erscheint. Es liegt mir sehr am Kerzen, zur alpinen Ehrenrettung des großen und bahnbrechenden Meisters in voller Überzeugung auch das Meine beizutragen. hacquet erzählt in der Vorrede zum zweiten Teil seiner „Orycto-graphia“,11 daß es ihm „wider sein Vermuthen" am 8. August 1779 geglückt sei, die Spitze des Berges zu erreichen. Und er fügt hinzu: „Mit eben diesen Anstrumenten habe ich auch endlich den Berg Terglou oder Terklou abgemessen, und diese von der Abmessung des Floriantschitsch um etwas, doch nicht beträchtliches, verschieden gefunden. Dieser Unterschied war mir zu gering, einen so würdigen Mann einer Unrichtigkeit zu bestrafen, um so mehr, da man aus den vielfältigen Beobachtungen, die man schon mit dem Barometer gemacht hat, weiß, daß sie nicht jederzeit die richtigsten sind. Der Stand meines Barometers war 22" 3V2"' und das Thermometer auf der Sonnenseite im Schatten 13% Grade nach Reaumur; folglich ist die Höhe dieses Bergs mit der vom Sanct-Gotthards-Berge, wo die Einsiedeley steht, beynahe gleich, wie man aus dem Barometerstände, den Herr Andrea in seinen Schweizerbriefen auf der 117. Seite usw. geliefert hat, ersieht. Ich habe also in Rücksicht dieses, meine Höhe mit der von Floriantfchitfch angegebnen verglichen, und feine für eben so wahr gehalten, als die meinige, und also seine Zahl beybehalten, mit Zusetzung der Seehöhe von i5o Lachtern zu 1399, welches dann 1549 pariser Klaftern machet, die ich dann auf das Titelkupfer des ersten Theils gesetzt habe. Um pariser Klaftern anzuzeigen, habe ich ein o mit einem p durchgezogen, hingesetzt. Da der Text schon seit einem Jahre gedruckt war, so war es nicht möglich, darinn etwas hiervon zu erwähnen. Im übrigen hätte ich wohl sehr zu wünschen, daß man auf der Spitze dieses Berges mehrere Tage hätte bleiben können, allein dieses ist unmöglich. Erstens ist es kaum möglich hinaufzukommen; zweytens ist man in der Gefahr, durch den ersten Windstoß sein Leben zu verlieren, und entweder hinabgeworfen, oder von dem Steinregen erschlagen zu werden. Denn wer Granit- und Kalkgebirge bestiegen hat, weiß, wie leicht man auf ersteren, und wie schwer hingegen man auf den zweyten herumwandern kann. Drittens, da diese hohen Gebirge selten lange von Wolken entblößt sind, so läuft man auch hier Gefahr, den Rückweg nie wieder zu finden. Viertens würde die große Kälte, welche in der Höhe von den daran gegen Mitternacht liegenden Eisbergen herrscht, das Übernachtbleiben beynahe unmöglich machen. Ich gestehe also hier aufrichtig, daß ich mit meiner Messung nicht zufrieden bin, indem mir es unmöglich war, länger als eine Stunde, und das nur ein einzigesmal, da auszuhalten; und dieses ist mir nicht hinlänglich, die Richtigkeit meines Messens zu versichern: dem ohngeachtet bin ich bis itzo niemals mehr Willens, die Arbeit von neuem vorzunehmen, denn es ist immer ein großes Glück, wenn man mit ganzen Knochen davon kömmt, was ich von der Entfernung des kleinen Terglou bis zum großen im ersten Theil gesagt habe, nämlich, daß ich von meinem letzten Standorte in einer halben Stunde die höchste Spitze zu erreichen vermuthete, ist mir unmöglich gewesen, weil ich von demselben bis zu der höchsten Spitze drey Stunden gebraucht habe: diese große Entfernung kann man aber nicht aus dem Kupferstiche ersehen, da solcher nicht gelinde genug gehalten worden, um seine weite deutlich zu machen. Den Gipfel des Bergs bildet eben der weißgraue Kalkstein, der sich tiefer befindet. Versteinerungen sind hier eben so wenig zu finden, als an dem Orte, dessen ich im ersten Theil erwähnt habe. Da nun die Verwitterung an diesem Steine ungemein groß ist, so darf man sich auch nicht verwundern, wenn seine Endspitze von Jahr zu Jahr abnimmt, und wenn man nach einer langen Zeit die Höhe davon geringer findet." Dennoch führt er i?Sr seine zweite, somit also die dritte Ersteigung des Triglav glücklich durchs Im dritten Teile der „Oryctographia“ führt er auf den Seiten 93 und 94 aus: „Ich habe zu diesem Ende das Jahr daraus, als ich eine Botanische Reise in das Gebirge des Terglou machte, diesen Berg mit einem ein» schenklichten Barometer nochmals gemessen. Ich nahm mir dießmal bey Besteigung des Berges vor, wo es möglich wäre, bey Sonnen Aufgang auf dem letzten Gipfel des Berges zu seyn, um bey dieser Gelegenheit die richtige Lage des Bergs Klökner, Snisnik ohnweit Fiume, Grindouz und Dobratsh abnehmen, und um diese Gebirge in ihrer wahren Lage gehörig aufs Pappier auftragen zu können. Ich gieng also den rzten des Neumonds in der Frühe vom Fuß des Gebirges bis Bella-pola, wo ich diesen Tag auf meinem Wege von dem Berg Koinshza zu dem erwähnten Bella-pola einen Koralfelsen antraf, welcher zwischen den ursprünglichen Kalkbergen eingekeilt war, der doch ein ziemlich Bergstück bildete, und tief ins Thal hielt. Da mir dieses merkwürdig vorkam, indem dieses die höchsten Versteinerungen waren, die ich noch jemals angetroffen habe, so verfolgte ich solche auch, so weit es angieng. Die Steinart war weniger als der ursprüngliche Kalkstein, grünlichgrau, und nebst den versteinten Koralarten auch viel mit ein- und zwoschaligen Muscheln gemischt. Die höchste Höhe dieser Versteinerung mag 6 bis 700 Lachter Seehöhe betragen. Zu Bella-pola blieb ich sechs Stunden, um auszurasten. Da ich eine sehr Helle Nacht hatte, und zween beherzte Bergsteiger bey mir waren, wovon einer mit Namen Lucas Koroshez, der erste war, der ihn, vielleicht so lang die Welt steht, bestieg, so gieng ich also mit diesen Leuten nach Mitternacht von meinem Ruheort weg, und erreichte nach unausgesetzten Steigen mit Sonnen Aufgang die erste Schneide oder Rücken des an dem Terglou Hangenden Bergs Kreterza, wo ich dann die Lage der oben erwähnten Berge, besonders jener, welche gegen Osten gelagert waren, vollkommen übersehen konnte. Nach sieben Uhr erreichte ich dann erst den höchsten Gipfel oder das • 'Zorn des Terglou, der dieses Jahr gegen Norden um drey Lachter Triglav von der Vrbanova Špica Lichtbild von Cveto Švigelj, Ljubljana höher mit Eisschnee bedeckt war, denn die Felsen, worauf folgende Buchstaben als I. 8.2. H. (worüber ich einen halben Zirkel mit einem Punkt einhieb) L. K. L.K. eingehauen sind, waren um vier Lachter tiefer, wo sie sonst nur um sechs Schuhe vom höchsten punct entfernt, oder niedriger waren. Nun schritt ich zur Messung mit dem Barometer, nachdem ich noch einmal alle mögliche Punkte der höchsten Berge ausgenommen hatte. Ich maß erstens mit dem zweyschenklichten Barometer, um zu sehen, wie die in der Vorrede des zweyten Bandes angegebene Höhe, mit derjenigen, welche das Barometer anzeiget, übereinstimmen würde. Nach dieser Messung betrug die Höhe neun Lachter weniger, als die am angegebenen Grte bestimmte. Da nun der untere oder zweyte Schenkel an meinem Barometer beweglich war, so nahm ich ihn aus dem Gueck-silberbehälter heraus, und erhielt also dadurch einen allgemeinen Barometer, wodurch mir augenblicklich die Säule des (Quecksilbers auf 19" 9'" fiel, folglich gegen Zoll mehr, als mit dem doppelten Schenkel. Aus diesem sähe ich die Richtigkeit der Messung, die man mit dem gemeinen Barometer auf dem Berge Dobratsh vorgenommen hatte." Ausführliche Angaben über die wichtigsten, so über die stark exponierten Kletterstellen geben weder willonitzer noch Hacquet. Des schmalen Grates zwischen dem Kleinen und dem Großen Triglav, der „Schneide", die in den späteren Beschreibungen eine so große Rolle spielt, wird nur in kurzen Andeutungen Erwähnung getan. Das war kein Kinderspiel für die damalige Zeit, in der alle Schrecknisse auf den Bergen hausten, es war eine ganz gewaltige Leistung. Es galt einen höchsten Einsatz, den wir aus unserer heutigen Einstellung den Bergen gegenüber nicht im Entferntesten messen können. Es waren die frühen, allerersten Ersteigungen eines großen Berges, da über ihm noch das unsichere und unheimliche Dämmerlicht des aufgehenden Alpinismus lag. Steht somit die erste Ersteigung des Triglav durch willonitzer außer Zweifel, so muß als feststehend angenommen werden, daß Balthasar Hacquet die Ehre der zweiten und der dritten gebühre. — Ehre diesen beiden kühn und beharrlich vorwärtsschreitenden Männern und den drei Tapferen, die sie mit berggewohntem Blick und mit starker Hand geführt haben. Gedenken wir ihrer in Ehrfurcht! t Ttugy, Triglav. 49 \ Die folgenden Ersteigungen bis zum Jahre M8 \ \ Aach denselben (Quellen: Professor Richter und Heinrich (Losta, „Reiseerinnerungen aus Krain", kann ich weitererzählen: Anno 1790, im Juli, stieg der Gberhutmann Schervonik mit dem alten Roß und dem Fischer Nazei bis auf den höchsten Gipfel des Triglav. Er fand die von willonitzer eingegrabenen Buchstaben und schlug einige Kupferkreuzer in die Spalte der Steinwand zum Denkzeichen ein. Von Feistritz sah Baron Sigmund Zois alle Drei mit einem Dolondischen Achromaten deutlich auf der Spitze und bemerkte, wie Schervonik bei der überhangenden wand sich auf den Bauch legte und auf allen Vieren rücklings herabkroch. In demselben Jahre bezog auch der G. N. (Oberst Nagel;) eine s£ütte in Belo polje, den 16. August, und blieb vierzehn Tage in der Gegend. Am 4. August 1792 war Baron Zois im Kerma-Tale und Dr. Host in Belo polje. 1792, am 28. August, wagte Primus N., ein Gemsjäger in Diensten des Grafen Vincenz Thurn zu Radmannsdorf, etwas Ungewöhnliches. Er war die wette eingegangen, den Gipfel des Triglav in der Dämmerung zu besteigen, ein Bund Stroh nebst einigen Holzrinden mit hinaufzunehmen und oben Feuer anzuzünden. Und er gewann die wette. In Feistritz sah das ganze Gewerkenpersonale zwischen $ und 9 Uhr abends das Feuersignal auf dem Gipfel des Berges, und wie sich der Jäger über den steilen Rand herableuchtete, worüber man ihm dann auch ein schriftliches Zeugnis ausstellte. Dieser verwegene Steiger — erzählt Richter, der gleichen (Quelle folgend, weiter — habe sich dann in der Folge an einer minder gefährlichen Stelle durch einen unglücklichen Fall erschlagen. Noch in dem gleichen Jahre, am 11. September, machte der Gberhutmann Schervonik seinen zweiten Gang nach dem Gipfel des Triglav, und zwar in Gesellschaft der beiden Roß — des älteren und des jüngeren — und zweier Bergknappen von Goriushe. Anno 1795, am 14. und 15. August, bestieg Professor Vodnik, damals noch Pfarrer in Goriushe, in Gesellschaft des Grafen Franz von Hohenwart, des rühmlich bekannten Kanzelredners Dr. piechak und des Steigers Koß, den Triglav; er kam jedoch nicht bis auf die höchste Spitze. Doch mag er selbst erzählen: „Am 14. August kamen wir von Koprivnik aus in neun Stunden nach Belo polje. Am 15. nahmen wir den weg über Sterishiza zwischen dem Kcrma-Thale und dem Triglav auf die mit ihm zusammenhängende Schneide Kerederza. Von dieser Höhe übersahen wir den Golfo di Trieste, das Tiroler und Schweizer Gebirge. In Krain sah man den Kahlenberg zwischen den wässern, die Save, das Laibacher Feld, den Krimm und den Schneeberg mit freiem Auge. Um 11 Uhr begaben wir uns von der gegen Veldes gerichteten Seite des Triglav." Das Jahr, in dem die Gebrüder Jacob und Johann Deschmann, als Tapläne von Mitterdorf, den Gipfel des Triglav, und zwar jeder für sich, bestiegen haben, ist nicht verzeichnet; doch ist es sicher, daß sie noch vor dem berühmten Reisenden Dr. Sieber oben gewesen, wenigstens hat Letzterer die Flaschen, mit einem Zettel darin, gefunden, welche jene oben gelassen. Der eine soll bei dieser Gelegenheit auch den *5ut verloren haben. Ebensowenig ist bekannt, in welchem Jahre eigentlich die Gebrüder Mooro mit ihren Freunden von Klagenfurt auf dem Triglav gewesen sind, wahrscheinlich geschah es, als die Mooro noch die Wollenspinnerei in der wochein hatten und daselbst ein eigenes Haus unterhielten. Am 24. September 1 sos erstieg Valentin Stanig den Bergriesen und machte auf dessen Spitze nach den beiden oben genannten (Quellen die ersten barometrischen Beobachtungen. Stanig ist als Bauernsohn geboren am -r. Februar 1774 im Görzischen, gestorben am 29. April 1847 als Tanonicus und Schulen-Oberaufseher in Görz. Dieser in hohem Grade energische Mann hat uns eine köstliche handschriftlicheSchilderung seiner Bergreise hinterlaffen. Sie wurde 1885 in der Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins veröffentlicht und erscheint mir von derartiger Bedeutung, daß ich sie in einem der nächsten Kapitel dieses Buches bringe. Er findet die Ersteigung des Berges schwierig, warnt Ungeübte vor ihren Gefahren, und der luftige Gang über die schmale, verwitterte „Schneide", die vom Kleinen Triglav in leicht gebogener Linie über den gewaltigen Abgründen zum großen Gipfel zieht, verfehlt auch auf ihn seinen Eindruck nicht. Aus Stanigs Erzählung ist ganz zweifellos zu entnehmen, daß die beiden Kapläne Johannes und Jacob Deschmann kur; vor ihm, am 1. September desselben Jahres, mit Anton Koß als Führer, den Gipfsl des Großen Triglav erreicht und oben als Zeichen ihres Sieges ein Steinmännchen errichtet haben. Aber der eine der beiden Brüder, Johannes Deschmann — er selbst scheint sich Deßmann geschrieben zu haben —, unternahm im darauffolgenden Jahre 1809 die Bergfahrt zum zweiten Male. Er erreichte am 8. August glücklich die höchste Spitze. In einem sorgsam verpfropften Ersteigerfläschchen fand Hauptmann von Bost'o die Karte dieses bergfesten Seelsorgers, als älteste nebst zwei anderen. Er hat sie wörtlich in sein Taschenbuch kopiert, wir werden ihren denkwürdigen Wortlaut im Aufsatz Bosios finden. Sie klingt wie ein jubelnder Aufschrei aus Deschmanns bergbegeistertem Kerzen! Allerdings sehe ich, was die Ersteigungen durch die beiden Kapläne Deßmann betrifft, einen gewissen dunklen Punkt in der Triglav-geschichte. Stanig, ihr Zeitgenosse, erzählt, die beiden hätten ihren Steinmann auf der Spitze am j. September 1808 aufgebaut. Die Gipfelkarte des Johannes trägt dagegen das Datum 8. August 1809. Soll es vollkommen stimmen, daß somit Johannes innerhalb zweier Jahre zweimal „so herzhaft" gewesen sein soll; Oder war am 1. September 1808 nur Jakob Deßmann oben, und sein Begleiter war nicht Johannes, der also erst 1809 auf den Triglav kam, sondern ein anderer Kaplan, vielleicht jener von „Veistritz", wie Stanig an einer anderen Stelle schreibt; Dies wird wohl nicht mehr genau ergründet werden können. Im Jahre 181 r, am rr. Juli, war der Botaniker Dr. Franz Wilhelm Sieber auf der höchsten Spitze. Auch seiner tief empfundenen Gipfelkarte werden wir im Aufsatz Bosios begegnen. Diese beiden kurzen Gipfelkarten Deschmann und Dr. Sieber gehören gewiß zu den reizvollsten Dokumenten, die uns aus der Ersteigungsgeschichte des Triglav bewahrt worden sind, was reden sie für eine eindringliche Sprache, eine viel wirkungsvollere als mancher lange Aufsatz aus moderner Zeit! Einen neuen weg für die Besteigung des Triglav, von der Nordseite her, wählte im Jahre 1819 Baron Tarl Zois. Es ist dies der bedeutend kürzere und in späterer Zeit dem von der wochein über die Alpe Belo polje allgemein vorgezogene weg über Mojstrana durch das Kermatal. Losta schreibt darüber: „Einen weg, der für Reisende, welche von der Wurzen Herkommen, recht erwünscht seyn muß, denn er führt von der Hauptstraße über Mojstrana ziemlich gerade in das Kerma-Thal, und von hier aus stieg besagter Baron, von dem Jäger im Kerma-Thale geleitet, bis zur Schneide der Kerma, von da über den Sattel nach der Schneide des Bergrückens Krederza, bis unter den letzten Kopf des Triglav, aber nicht hinauf. Der weg von der Landstraße bei Moistrana bis auf den Sattel soll in 7 Stunden zu machen, und von da bis auf die Spitze des Triglav sollen 5 andere Stunden erforderlich seyn, was aber von den Kräften des Steigers abhängt. Dieser neue weg von der Nordseite her, bis auf die Spitze des höchsten Triglav-Gipfels vor-zudringen, wurde auch 1 S) S von den Akademikern Jacob Jahn, Joseph Poklukar, Barth. Tratnik und Mathias polz fammt einem gewissen Lorenz Polda, eingeschlagen. Diese gingen am 3. September besagten Jahres von Obergörjach über Kerniza und dann immer an der Roth-wein (Radouna) aufwärts durch das obere Rothweiner Thal bis zur Wohnung des Jägers Georg Sima, Hier übernachteten sie und stiegen des folgenden Tages durch das schmale Kerma-Thal zu den Alpenhütten, spodna Kerma und sgorna Kerma (eine Viertel Stunde von der letztern ist eine sehr gute Ouelle) bis zum zweiten Gipfel, oder eigentlich bis unter den letzten Kopf des Triglav, weiter wagten sie sich nicht. Es war 3 Uhr Nachmittag, und sie hatten demnach den weg, ohne sonderliche Eile und Anstrengung, selbst die sich vergönnte Rast mit eingerechnet, in 9 Stunden gemacht. Im Jahre jS2o, den j. August, kam der Mitterdorfer Laplan Simon Pfeiffer bis auf den kleinen Triglav, feine Begleiter aber, Urban hodnik und noch ein anderer aus Koprivnik, bis auf den Gipfel des großen Triglav, wo sie einen klafterhohen Schnee fanden." Unter den Triglavunternehmungen der folgenden Zeit ragt besonders hervor die abenteuervolle Ersteigung durch Hauptmann von Bosio im Jahre j srr. Sie war zu Triangulierungszwecken unternommen worden und hat in der phantasiereichen, sehr schwungvollen, doch nach unseren heutigen Anschauungen allzu drastischen Schilderung durch Franz Ritter von Jacomini-Holzapfel-Waasen ein ganz gewaltiges Aufsehen erregt, das noch viele Jahre in den Gemütern nachzittern sollte. Verschiedene periodische Zeitschriften jener Jahre haben sie nachgedruckt, sogar in die „Lesebücher" für die Jugend ist sie gekommen. In meinem Schullesebuch im Deutschen Gymnasium in Triest war sie enthalten, wie ich mich noch heute sehr deutlich erinnere. So soll sie den ihr gebührenden Platz auch in diesem Buche finden. Bosio verbrachte eine schwere Gewitternacht auf der höchsten Spitze des Berges, „auf jener furchtbaren *£öt>e mitten im feurigen Kampfe des erzürnten Fimmels". Er selbst wurde mit seinen Gefährten wieder- ’ holt vom Blitze gestreift, und einer seiner Führer wurde erschlagen. Der Triglav über seinen südlichen Felsenmeeren vom Kanjauc Lichtbild von Dr. Walter Eger, Gra; MU M i MK wt'äm m ■■mšSm Dennoch nahm er am folgenden Tage seine Beobachtungen vor und berechnete die Seehöhe des Großen Triglav mit 9067 wiener Fuß. Zu dieser Ersteigung Hauptmann von Bosios bemerkt V>. Streffleur in seiner Monographie „Der Terglou", abgedruckt in der Öftere. milit. Ztg. 3, Wien i860, also im „Organ der militär-wissenschaftlichen Vereine", herausgegeben vom Ausschüsse des militär-wissenschaftlichen Vereines in Wien, Druck von R. von Waldheim in Wien, folgendes: „Die Katastra!Vermessung Krains fällt in das Jahr i srr. Bei der Triangulirung waren zu jener Zeit nur Offiziere in Verwendung. Später hat sich die Thätigkeit der Gfficiere auf die Errichtung des trigonometrischen Netzes erster Ordnung beschränkt; die Netze zweiter und dritter Ordnung wurden durch Trigonometer des Katasters ausgeführt. Die trigonometrische Vermessung in der Gegend des Terglou war Herrn Hauptmann von Bosio übertragen. Bekanntlich gibt es unter den trigonometrischen Signalen Stand- und Fixpunkte. Schwer zu ersteigende oder gänzlich unzugängige Bergspitzen werden gewöhnlich als Fixpunkte genommen, und deren Lage aus den umgebenden Standpunkten bestimmt. Zu solchen Fixpunkten war auch die Terglouspitze gerechnet. Hauptmann von Bosio wollte es aber versuchen, den Terglou, als einen wichtigen Knotenpunkt im Netze erster Ordnung, auch als Standpunkt zu benützen. Das Unternehmen war gewagt, weil Bosio von allen Bewohnern der Umgebung gehört hatte, daß der Terglou nur mit Lebensgefahr zu besteigen sei, daß bis jetzt nur von wenigen das Ziel wirklich erreicht wurde, und daß eine trigonometrische Operation auf der Spitze um so schwerer auszuführen sei, als das schwere Gehölz zu einer Pyramide hinauf geschafft, und oben auf einer Stelle operirt werden müßte, die kaum Platz für ein paar Menschen biete. Gefahr und Hindernisse haben aber oft einen eigenen Reiz, und der Soldat entzieht sich ihnen um so weniger, wenn er weiß, daß es der Erfüllung einer Pflicht, daß es dem Nutzen des Allerhöchsten Dienstes gilt. Nach langem Bemühen und guter Bezahlung gelang es endlich Bosio Leute aus der wochein zu gewinnen, welche die nöthigen Holz-und Eifenbestandtheile auf die Bergspitze brachten, und daselbst nach seiner Anleitung die Pyramide und neben ihr, zur Ableitung des Blitzes von der Pyramide, eine Wetterstange errichteten. während dieser Arbeit hatte Bosio andere Messungen vorgenommen, kam aber zurück, als er Nachricht von der gelungenen Er- richtung der Pyramide erhalten hatte, um nun mit den Meßapparaten selbst den Berg zu ersteigen. Er wählte hiezu den gewöhnlichen weg aus der wochein, im Süden des Berges." Das war also der erste Tote auf dem Triglav. Leider ist es in der Folge bei diesem einen nicht verblieben! 62 Jahre später hat dieses grauenvolle Abenteuer Hauptmann von Bosios auf einem anderen Hochgipfel der Irdischen Alpen ein trauriges Seitenstück gefunden. Am 7. August J884 wurde der Ingenieur des italienischen Militär-Geographischen Institutes Francesco Domeniconi auf der Spitze des Großen Kanin vom Blitze erschlagen, wie die Cronaca della Societä Alpina Friulana 1884, IV, VI, meldet. Nach Bosio — so erzählt Losta in seinen „Reiseerinnerungen" weiter — erstiegen den Großen Triglav am 10. August 1824 der Pfarrer Carl Scherovitz von Sairach, dann am 18. Juli j 828 der Hofrat Käferstein aus Halle bei Leipzig und der Kaplan Johann Schemua von Mitterdorf; hierauf Franz von Rosthorn mit dem Major Maurer, endlich Franz von Hermannsthal mit dem Freiherrn Anton Zois, dann mit dem Gubernial-Konzipisten Tarl Steinböck und mit dem jungen Theologen Leopold Thanhauser. Sowohl Rosthorn als auch Hermannsthal haben damals über ihre Ersteigungen sehr schöne Referate veröffentlicht, die ich beide in diesem Buche bringe, weil sie mir für die Ersteigungsgeschichte des Triglav sehr wichtig zu sein scheinen. Rosthorn steht dabei ohne Zweifel noch sehr stark unter dem Einflüsse der temperamentvollen Schilderung Bosios, während Hermannsthal sich davon frei zu machen versucht. Steinböck war am 1 z. August 18?2 zum zweiten Male auf dem Triglav^ und zwar in Gesellschaft des Berggerichts-Aktuars Max Gritzner, des Gubernial-Konzepts-Praktikanten Tarl Ritter von Gold und des Guber-nial-präsidial-Kanzellisten Georg Nepozitek; dieser gab hierüber in den Nummern 15 bis 18 des „Jllyrischen Blattes" von 1843 einen interessanten Bericht. In demselben Jahre, den 25. August, stand Leopold Kiener, Magazineur der Zuckerraffinerie Venier et peroch aus Laibach, mit dem Bindermeister Johann Martschitsch aus Feistritz auf der Spitze des Triglav, wo Kiener seinen Namen und die Worte zurückließ: „Nur dem Kühnen ist das Schicksal günstig, aber den Feigen verfolgt es." Ein Wahrwort, welches schon die alten Lateiner kannten: „Audaces fortuna juvat, timidosque repellit!“ „Dr. Michael Tuschek erstieg diesen Gletscher" — so schließt Losta seine Erzählung in den „Reiseerinnerungen" — „am 19. Juli iszz mit Dr. Raimund Melzer und mit dem Kameral-Verwaltungs-Konzepts-praktikanten Vincenz Seunig, und gab darüber im „Illyrischen Blatte" Vto. 47 und 49 des Jahres i833 eine lesenswerthe Relation. Der Magister der pharmacie und Lustos des krainischen Landes-Museums, Heinrich Freyer, aber war" — für Lostas Werk, das 1848 erschien —, „der letzte bekannte Ersteiger des Triglav, den er von Moistrana aus am 10. August 1837 erkletterte. Er gab hierüber in den „Beiblätter zur Allgemeinen Botanischen Zeitung", j83S, Zweiter Band, £Jr. 1, einen in botanischer Beziehung sehr interessanten Bericht; er fing am Gipfel des Gletschers eine Fliege, die er, laut Museal-Berichten vom Jahre 1838, S. 18, in das Landes-Museum ablieferte." „Es ist auffallend", fügt Losta hier noch hinzu, „daß der Name Terglou oder Triglav bei Valvasor nicht vorkömmt, und daß dieser Topograph die Kerma den höchsten Berg in Kram nennt, während man heut zu Tage mit diesem Namen ein Vorgebirge des Triglav bezeichnet, und doch ist der Triglav gewiß so alt, als die Welt. Floriantschitsch gibt dagegen in seiner, im Jahre 1744 erschienenen Karte von Kram, nebst der Kerma auch den Triglav genau an, und sagt: „Mons Terglou Carnioliae altissimus, cujus vertex perpendiculari altitudine supra horizontem Labacensem 1399 hexapedis Parysiensibus assurgit“. Viel kühler als Bosio, in wohltuender Ruhe, beurteilt Freyer die Schwierigkeiten und Gefahren der Triglaversteigung. Er betrachtet 1834 den Terglou in ziemlicher Nähe vom Vershaz in der wochein, 1830 von seinem „wetteifernden Nachbar", vom Gipfel des Manhart, kommt auf dem Rückwege in das Vratatal bei Moistrana, findet die Sage bestätigt, daß der Triglav von da in seiner ganzen Herrlichkeit zu sehen ist, und vernimmt von den Kohlenbauern, daß der Berg von der Kerma aus leichter als von der wochein ersteigbar sei. Wohl steht er die „horriblen Präzipitien" des Berges, doch „ähnliche schon gewohnt", findet er die Ersteigung nicht so abschreckend, wie ihm von den meisten geschildert ward. Freyer berichtet uns bereits von gewissen wegver-befferungen, welche an den schwierigeren Stellen angebracht waren. So fand er oberhalb des sogenannten Triglavtores den Einstieg in die Felsen des Kleinen Triglav durch aufgeschichtete Steine, an anderen Stellen den Zugang mittelst des Hammers erleichtert. Ebenso berichtet schon Freyer, daß es außer den wegen über Belo polje und durch die Kerma noch einen dritten Weg auf den Triglav gebe, nämlich den durch das Tal Kot, welcher übrigens allerdings kürzer, jedoch nur geübten Gemsen- jägern zugänglich sei — und )841 forscht er vom Talschluffe der Vrata aus nach Zugängen zur Erklimmung der Höhen und glaubt, bei günstig Verfügbarer Zeit und mittels Steigeisen links längs den Schuttriesen des Zmir auf noch unbetretenem kürzestem Wege zum Triglavgletscher gelangen zu tonnen.18 Bei der zweiten Ersteigung am z$. Juli j 851 wurde die Sonnenfinsternis von der Höhe des Triglav beobachtet; doch wirkten Umwölkung und zunehmende Kälte hindernd. Freyers Schilderung 1838 liest sich überaus angenehm und freundlich. Er steht im Dienste der Botanik, der liebenswürdigsten aller Wissenschaften, und es ist geradezu rührend, die Sorgfalt zu beobachten, die er seinen gesammelten Pflanzenschätzen zuwendet, wie reizend erzählt er von einer Rast unter dem Steiner: „Ein Theil dieser Pflanzen wurde in mitgenommenes Papier während des Ausruhens eingelegt; allein öfter herabfliegende Steine machten den Platz höchst gefährlich; ein paar Minuten später stürzte eine Schneelawine mit Donnergetöse über die verlassene Stelle, dieß verstimmte unser Gemüth, und wir eilten stillschweigend, so schnell als möglich über den in der Tiefe sich abgelagerten Schnee. Mit Besorgniß erwarteten uns die Köhler, denen der Donner nicht entgangen war." Am Wege auf den Triglav übernachteten sie in der Sennerhütte auf der oberen Kerma. „wir waren den Wirten willkommene Gäste, trotz des beengten Raumes. Von Bett oder r£eu zur Liegerstatt ist keine Rede, man bequemt sich, so gut si'ch's läßt, auf einem glatten Brett." Und am nächsten Morgen des 10. August 18Z7: „^iec am Sattel na Kermi pod Terglovam (auf der Kerma-Alpe am Fuße des Terglou) wurde mittagmahlt, dann das Nöthigste mitgenommen, und beim Proviant ein Hirt zurückgelaffen, der sich mit Ghoi! rufen unterhielt, welches die Wirten in belo polje (weißes Thal, von dem das halbe Thal deckenden, von den Nachbaralpen herabgeschwemmten weißen Kalkgerölle so benannt) deutlich erwiederten." Sie erreichen die Spitze des Kleinen Triglav. „Immer dichter auf-steigendem Nebel folgten Wolken, ich war daher genötigt, diesen Gipfel um V2J Uhr zu verlassen, meißelte eher meinen Namen zum Andenken in einen Felsen, und eilte dann auf der steilen scharfen Kante des Berges in die Höhe, links und rechts unter den Füßen schwindelnde Tiefen und Abgründe. Mein Begleiter, ein Knabe von 17 Jahren, in Holzschuhen voran, die übrigen Schwindler blieben zurück. Beide in aufrechter Stellung, mit Ausnahme bei ein paar Utfelfen, die erklettert werden müssen; doch ist bereits mittelst Kammer der Zugang erleichtert worden. 3n der halben ^Zöhe des hohen Gupfes ersieht man links ein rundes durchbrochenes Gewölbe im Felsen, gleich einem Fenster durchsichtig, von beinahe 0 Schuh Diameter, gleich dem von Otelza (durchlöchert) bei Leidenschaft, welches dem Orte den Namen gibt." „Um Vzt Uhr Nachmittags erreichte ich glücklich den Triangulirungs-punkt der höchsten Spitze. Meißelte dann ein großes F in einen Flitscher-seits gelegenen Felsen zum Andenken, und fing bei der Gelegenheit eine eben angeflogene Fliege, während dem Ausruhen labten wir uns mit einem guten 34er. Mein Begleiter Simon Poklukar durchsuchte die aufgeführte Mauer des Triangulirungsthurmes; allein es waren außer Bosios Stein keine Schriften zu finden." „Der Rückweg war beschwerlicher. Der Eile wegen, bequemte ich mich ein paarmal niederzusetzen, und mich so über den steilen Felsenkamm zu helfen, um V23 Uhr war der Gipfel des Mittlern (richtig des Kleinen) Terglou glücklich erreicht, in dessen Einsattelung mir verwitterter Thoneisenstein auffiel, sonst war aber nirgends eine Spur einer andern Erdart vorhanden. Die Wolken nahmen andere Richtung, der Fimmel wurde wieder heiter, wäre es nicht schon zu spät an der Zeit gewesen, so hätte ich Lust gehabt, nochmals den Gipfel zu erklimmen, um die oben erwähnte Felsenöffnung näher zu untersuchen, was ein andermal geschehen kann, Hier am mittleren fand ich häufigere Spuren von Blitzentleerungen als in der Höhe. Um 3 Uhr verließ ich die unwirthbare Stelle und sammelte noch einiges in Mehrzahl der früher erwähnten Pflanzen. In einer Stunde erreichten wir die kleine wiese pod Terglovam, wo uns die Zurückgebliebenen mit Sehnsucht erwarteten, zugleich erklärten, es sey besser mitzuklettern, als von hier die balanzierenden Steiger durch vier langweilige Stunden zu beobachten, und einsam zuzubringen. Bis 5 Uhr war das Mitgebrachte eingelegt. wir begrüßten nochmals den Altvater Terglou und wanderten vergnügt und guter Laune gegen die Kerma Kozhe (Kerma-Hütte)." „Um XA auf s Uhr Abends traten wir in unsere Herberge auf der obern Kerma und lagerten uns auf die schmalen Bretter um das wärmende Feuer, welches die ganze Pracht unterhalten werden muß. Am 11. um V28 Uhr Früh wurde aufgebrochen, nachdem alle Pflanzen in Sicherheit gebracht waren. Um % auf 10 Uhr kämmen wir ins Thal zu den Sennerhütten pod Kerma. Sowohl oben als hier findet man köstliches Wasser. Man bewirthete uns mit Milch, ich sah auch saubere Butter und hinreichendes Geschirr, was in der obern Hütte mangelt. In zwei Stunden erreichte ich Moistrana. Vergnügt über die reiche Aus- beute, begab ich mich zur Ruhe, nach einer kleinen Labung die köstlich schmeckt." wir wollen unserem lieben und tapferen Botaniker eine wohlverdiente gute Ruhe wünschen und ein fröhliches Erwachen mitten in seiner so hingebungsvoll gesammelten und so pflichteifrig versorgten, freudebringenden, herzerfreuenden Wunderflora des Triglav. Und das muß ich an dieser Stelle doch sagen: wer die Triglavsagen nicht kennt und nicht den unsagbaren Zauber, der über seiner Flora liegt, der steht dem Triglav trotz aller Kenntnis des Berges doch als ein Fremdling gegenüber. Auch durch diese Flora weht seltsame und wunderbare Sagenstimmung! Sie ist einzig, so wie dieser Berg einzig ist und ohnegleichen! 5. Rapitel Etwas über meine Reife auf den Triglou in Oberkrain angefangen am 18. September i$c$ Von Valentin Gtanig" Aus .Zeitschrift des Deutschen und österreichischen Alpenvereins' 1885, Band XVI. Waldweg im Krmatale Lichtbild von Cveto Švigelj, Ljubljana Aaum erwartete ich ein günstiges Wetter, um den auf dem Man-hard gemachten Vorsaz zu erfüllen. Der Fimmel hatte ausgedonnert und der Gstwind und gute Stand des Barometers versprachen schönes Wetter. Ich wünschte zwar einen Begleiter, aber da keine besondere Lust bei Zweien sich zeigte, so dachte ich, ich wills auch allein probiren, zumal meine ökonomischen Umstände das wünschten: also Ich gienA allein mit Sack und pack Und litt so manchen Schaberirak In Gberkrains Gebirge. Am Sonntage als am iS.September machte ich mich, nachdem ich in der i Stunde entfernten Kirche (weil ich abwechsle) den Gottesdienst vollendet und das Mittagessen fast ganz stehend und einpakend eingenommen habe, auf den weg. Bis zu der z Stunden entfernten Maurusbrücke ^ ging jener Steig, den ich auf den Manhard machte. Diesen elenden weg befahl das Gericht von Lanal zu jener Zeit, als der Fluß Jsniz" die Jnterimsgrenze zwischen dem italienischen Reich und Ostreich machte, so herzustellen, daß man doch mit zweirädigen Karn fahren könnte. Allein die Gemeinden vom Gebirge, worunter die meinige die Hauptrolle spielte, prozessirten dagegen und verwendeten eine bedeutende Summe, statt daß jedes Haus höchstens ein Individuum zur Arbeit geschickt hatte. Und so blieb diese nüzliche Verordnung unausgeführt. Bei S. Lucia verließ ich die Isniz und ging fast int rechten Winkel rechts am Idriafluffe hinauf. Unweit vom Dorfe wazza" verließ ich ihn und ging am Bache wazza in das Gebirge hinein. Bald bemerkte ich auf dem jenseitigen Ufer eine bedeutende Anzahl Menschen beisammen, ich fragte was sie thäten und erhielt zur Antwort, daß sich eine Kuh zu Lode gefallen habe. dachte ich, so ist auch das wahr, was ich schon öfter erfahren habe, daß nämlich die Menschen gewöhnlich mehr Mitleiden empfinden, wenn ein Stück Vieh zu Grunde geht als wenn ein Mensch stirbt. Bald darauf kam ich zum großen Lata-rinischen^ Holzrechen, der auf einer schönen Sandebene steht. Das Holz wird tief im Gebirge gefällt und bei großem Gewässer durch Bäche der 5 2t tt g y, Triglav. 65 Seitenthäler in die wazza geschwemmt. Natürlich zieht es durch das lange Liegen im Wasser so viel Wasser in sich, daß es nicht mehr würde schwimmen können. Hier wird es also aufgefangt, auf der Trockne auf-gehauft, getrocknet und dann bis Görz geschwemmt. — Schon hatte die Nacht ihren schwarzen Mantel über unfern Horizont ausgebreitet, als ich zu Knefa" ankam. Der gute wirth (Kampelz) bediente mich ohne zuvor meinen Charakter zu wissen. Ich schlief in einem Bette, was auf der ganzen Manhardexkursion nicht geschah. Stille und dunkel war die Nacht, bald aber heiterte sich der Himmel und durch mein kleines Fensterchen erfreuten mich die am Himmel funkelnden Sterne. Ich stand bald nach r Uhr auf und der dienstfertige wirth begleitete mich mit einer brennenden Fakel r Stunden weit. Der Himmel hatte sich wieder überzogen und nur zuweilen funkelte durch den dünnen Schleyer ein Sternchen. Stille war die ganze Natur, und das Wasser sauste in dem tiefen Graben, von welchem weit entfernt der Fußsteig oben über und unter Felsen hingieng, und ein Uhu billte aus dem jenseitigen Walde, woraus mir mein Begleiter die unwillkommene und ungebetene Prophezeihung, daß es bald regnen würde, sagte. Ich dachte: du singest oder weinest, weil du dazu izt aufgelegt bist, ohne die Möglichkeit der Sympathie, welche die Thiere mit der Beschaffenheit der Luft haben können, abzusprechen, und schied, nachdem es Tag geworden war, von meinem Begleiter. Ich ging nun hinauf nach dem tiefen Graben zwischen hohen aber meistens doch bewaldeten Bergen. Nur dort und da sieht man ein Häuschen oder Spuren, daß dieser Graben von Menschen bewohnt wird. Wohl zehnmal passirte ich den Bach auf einzelnen darüber gelegten Bäumen, bis ich das Dorf und die Seelsorge pod-berdo erreichte. Dieser Bach muß öfter zu einem bedeutenden Strome anwachsen; weil die Bäume, worüber man geht, ob sie schon ziemlich hoch über dem Wasser sind, doch alle an einem Ende angebunden sind, damit sie vom Wasser nicht fortgeriffen werden. Zu podberdo frühstückte ich, erhielt Gesellschaft, indem mehrere dortortige Landleute nach Kärnten giengen, um dort Flachs einzukaufen und damit weiter zu spekuliren. Einer trug mir mein ziemlich schweres Gepäck. Der Steig geht sehr steil über das Dorf wazza hinauf und wird noch steiler als man das Gebirg übersteigt, welches die Gränze zwischen Görz und Krain bildet. Meine Begleiter erzählten mir, daß diesen weg Seine Kaiserliche Hoheit der Erzherzog Prinz Johann machte und mit einer gewissen Ehrfurcht, Freude und Sicherheitsgefühle stieg ich unter schauerlichen Felsen hinauf. wir giengen auf der andern Seite eine Strecke hinab, und ich mußte mich von meinen Begleitern scheiden, weil ich zuerst den Driglau besteigen wollte. Leicht wäre ich mit ihnen, die den nächsten weg nach Kärnten wußten, dahin gekommen; aber das Schicksal hatte größere Beschwerden für mich bestimmt. Und wirklich schon beim Eintritte in die wochein sieng eine Kette von Bitterkeiten an. Der VJetv über der linken Kniescheibe fieng an mir solche Schmerzen zu machen, daß ich den Fuß ohne ihn zu biegen, nachschleppen mußte. — Bald übersah ich das wocheiner Thal, in dem sich vorzüglich die Pfarrkirche von Mitterdorf und das Dorf Veistritz Herausnahmen. Mein Auge wünschte den Driglou zu sehen, aber tief an den Bergen herab hiengen die Wolken. Ich hinkte über die steilen wiesen hinab und eher noch als ich Veistritz erreichte, rieb mich der Schuh auf der Daumwurzel des zuvor schon erkrankten linken Fußes. Zu den körperlichen Leiden gesellten sich nun auch die geistigen, Nasse Nebel erhoben sich zu Wolken und drohten mit Regen. Ich suchte den Jury Keusche, der mein Führer werden sollte, auf, der aber erst den folgenden Dag nach Hause kommen sollte. Unbekannt mit dem Lande und den Leuten suchte ich beim Herrn Pfarrer des Orts Rath. Mit inniger Herzenfreude aber auch mit einer gewissen Beneidung vernahm ich, daß bereits unlängst zwei t$emt Kapläne von Veistritz und Mitterdorf den Driglou am i. September dieß Jahrs erstiegen und so die fast allgemeine Meinung, daß er unersteigbar sey, vernichtet hatten. Ein gewisser Anton Koß, der selbe hinauf begleitet hatte, ward natürlich auch mir anempsohlen. Zuvor war ich der Meinung, daß ich mich nicht ferne vom Fuße des Driglous befinde, nun mußte ich aber hören, daß dessen Spize wohl über 12 Stund entfernt sey. Das Wetter schien sehr bedenklich, um den Driglou aus den folgenden Dag zu besteigen, und da in meinem plane auch halb und halb lag, bei dieser Excursion auch meinen innigstverehr-testen Gönner, den Hochwürdigsten t$ecrn Generalvikar des Fürstbischofs von Gurk, den Ditl. Grafen von Hohenwarthe in Klagenfurt zu besuchen, so entschloß ich mich zuerst nach Klagenfurt zu gehen und dann bei der Rückreise den Driglou zu besteigen. (Stanig reist nun trotz seines kranken Beins mit der „Apostelpost" über Veldes und den Loibl, dessen wildromantische Scenerien ihn begeistern, nach Klagenfurt, wo er vor 18 Jahren zwei Jugendjahre verlebt hat [„in ziemlicher Armuth zwar, aber die Freuden im Apollosaale gleichen denen nicht, die ich damals genoß"^. Dort wird er von seinem Gönner Grafen Hohenwart bestens empfangen und bewundert dessen Sammlungen. Auf demselben weg, aber über die Seleniza, kehrt er nach Veldes zurück.) Schon tagte es, als ich durch das langweilige, nur durch Kohlenbrenner belebte Thal gegen Feistritz hinauf gieng. Noch hatte die Sonne den dichten Nebel nicht verscheuet als ich Feistritz erreichte, t^ier wünschte ich ein Pferd, um zum Wasserfalle Saviza zu fahren oder reiten, es war aber keines zu bekommen. Ich nahm meine Zuflucht zu dem dortigen Herrn Verweser, und nach einer langen Zeit, die mir eine halbe Ewigkeit schien, war ein Pferd, aber kein Sattel da. Herr Verweser war so gut, den seinigen mir zu geben — aber da der Bauer nebst dem, daß er nur für's Reiten bis zum Wasserfalle, der nicht einmal z Stunden entfernt ist (denn von da wollte ich dann weiter auf den Triglou gehen) 3 fl. begehrte, beleidigenden übermuth hatte, so gab ich ihm etwas für sein Versäumniß und gieng zu Fuß. Ich mußte über Jereka, weil dort mein Führer war. Nach langem Zaudern und proviantirung giengen nun ich und Anton Koß, nachdem ich ihm feyer-lich versprochen hatte, ihn und sein Weib bei einer vorhabenden Wallfahrt in meiner Heimath gastfrey zu bewirthen, über Mitterdorf der Saviza zu. Für die Uiberfahrt über den wocheinersee, um den mir aus Politik sehr lang beschriebenen Umweg zu ersparen, die nur y2 Stund dauerte, mußte ich 1 fl. geben, ohnerachtet der Fischer das noch nie gesehne Monument bei der Saviza mit ansehen gieng. Uiber % Stund stiegen wir hinauf auf fahrbarem Wege durch herrliche Waldung, wo dann eine kleine sehr steile Strecke zu Fuß bis zum Wasserfalle gemacht werden muß. Eingehüllt in dichten Wald hört man rechts unter sich den Bach Saviza vorübersausen; oben im Vordergründe brauset donnerartig der Wasserfall selbst. f£at man sich hinauf aus dem Walde gearbeitet, so hat man das herrliche Monument vor sich, dessen Inschrift seine Bestimmung anzeigt; aber izt ist es Zeit, seine Augen auf den Wasserfall hinzuwenden. In dem spizigen Winkel, welchen die beiderseitigen Gebirgswände bilden, stürzt die aus dem Felsen kommende Saviza über die sehr hohe schauerliche wand herab, und löst sich fast in Staub auf, ehe sie den schäumenden Kessel erreicht. Als ich da war, war das Wasser nicht besonders groß, ist also mit der Majestät des Falles der Salza in der Krümel im Salzburgischen nicht zu vergleichen. Ein schmaler Steig führt vom Monumente unter der Felsenwand ganz zu dem Kessel hin. Alles träufet vor Nässe und eiskalter wind stößt vom Kessel entgegen. Ich arbeitete mich hin zum wallenden wassek, trank drey Becherchen davon zur Gesundheit — ja ich konnte kaum einige denken, noch weniger alle mir bekannte Naturfreunde nennen — weil die nassen Luftstöße eiskalt gegen meine Gegenwart protestirten. Ich retirirte dann etwas und betrachtete den unnachahmlichen Schöpferbau ober mir. Links hanget Schauer und Bangigkeit erweckende wand einem über den Scheitel. Vor sich d. i. gegen Nordoft erreicht das Auge kaum die perpendikuläre wand, von welcher herab die Saviza stürzet. So geht diese wand in Krümmung gegen Ost und Südost hin. wie kleine Kerzlein stehen die abgedorrten Tannenbäume auf dieser senkrechten erstaunlichen wand hinaufgestellt. Ich ward ganz entzückt über diese unvergleichlichen Anblicke, die absolut nur genossen, nicht beschrieben werden können, und rathe daher jedem Naturfreunde, wenn er auch noch so viele Wasserfälle gesehen hat, die Mühe zu diesem Orte nicht zu scheuen, sie wird ihm reichlich belohnt. Ich begab mich nun zurück zum Monumente, um auch da etwas zu verweilen. Das Denkmal ist aus herrlichem Marmor, über ein Klafter hoch und mehr als % breit. Es ist unter einem ewigen Felsen herrlich und sicher angebracht. Der plaz vor demselben gleicht sehr einer Kanzel. Von Westwestsüd kömmt man auf sehr steilem stiegenartigen weg aus dieselbe, gegen Süd und Ost hat man Abgrund unter seinen Füßen, durch welchen die Saviza hinabsaust. Gegen Nordost kann man herrlich den Wasserfall etc. betrachten und gegen Westnord steht das Monument, über dessen Heraufbringen man nicht ohne Bewunderung denken kann. Die mit goldenen Buchstaben eingegrabene Inschrift dieses herrlichen und kostspieligen Denkmales ist: Joanni Archiduci Austriae Geognostae Origines calcarei Alpini scrutanti ad kontern Savi 8 Idus Julii 1808. D. D. D. Zois Metall. Bochinens. Cultor. Lenard Kelbel is bohinske Belle isekau. Ich beobachtete meinen schon anfangs an das Monument aufgehangenen Bars- und Thermometer, betrachtete noch einmal diesen erhabenen Kessel, den aber jener des hohen Göhl's im Salzburgischen an der Gollinger Seite, meines Erachtens, zwar nicht an dunkler Schauerlichkeit, aber doch an der weite, Höhe und an kahlen wänden übertrifft, und begab mich auf den Rückweg nach Mitterdorf (Sredniza), da von Südwest ein starker Regen daher zog. Nicht weit vom Wasserfall erhebt sich ein weg; links über denselben hinaus. Diesen dachte ich zu Feistritz einzuschlagen, um auf den Triglou zu kommen; aber mein sonderbarer Führer überredete mich diesen Berg von Mitterdorf aus zu besteigen, wir giengen also hinab gegen den See, begleitet von starkem Regen, der aber nachließ, herrlich stellt sich vom See aus das Ende des wocheinerthales vor die Augen. Rechts hat man einen hohen meist bewachsenen Bergrücken, an besten Fuße am Gestade des See's hin ein weg geht, den ich hätte machen können, statt daß ich mit dem Fischer Zeit verlohr. Ober dem Ende des See's müßte man über den Bach sezen, um auf den gewöhnlichen weg zu kommen. Links am Gestade des See's zieht sich der eigentliche weg zur Saviza bei der Kirche zum hl. Geist genannt hinauf, weiter hinten erhebt sich die große und kahle Gebirgskette zwischen wochein und Lolmein. Darüber führen zwei Steige, Suhu und Skerbina genannt nach dem Tolmei-nischen, welche ich im Herweg hätte nehmen sollen, um nicht den weiten Umweg über podberdo nach wochein machen zu müssen. 3m Vordergründe mehr rechts sieht man wie einen Schleyer den Wasserfall. Schon war die Nacht angebrochen, als ich zu Mitterdorf eintraf. Der schlechten Bewirthung müde nahm ich recht gerne die Einladung des teeren Pfarrers, wo ich zuvor meine pakage gelassen hatte, an. Das war ein herrliches Abendmal und Nachtlager. Gott vergelte es dem guten Manne! Da traf ich den andern Triglou-Erfteiger, den Ferrit Kaplan IiMf■ *^v * 15%.^: "Ü 3 W ^ Bi L W2^MM SPÜB ^WÄ^ÄL> t* ^^3pläPlf *> M L*.» ®* mW WUMUL' ‘*C - Z^šF&GS&t ■ 4!^jj r*j| M. M^,-' 3 ÄOc%l? t' ^ It w 1 . NM« ... ^DM/W«ML i '-■ s «V - - ä f M. .»# -1 erzählte mir auch Hystörchen, B. daß ein gewisser großer Herr seinen Führer, wenn er ihn von Triglou wieder gesund zurückbringet, von Fuß bis zum Kopf in Seide wolle kleiden lassen. Man hatte aber hernach diese Bekleidung nur in Geld verwandelt. Meines Führers Absicht ist leicht zu errathen, machte aber auf mich keine Wirkung. Daß er eine Spekulazion vorhatte, zeigte sich bald, denn er erklärte fest, er wolle und getraue sich nun nicht mehr weiter. Nun gut, sagte ich, so wartet ihr hier meiner, und machte mich auf den weg, weil ich schon in Belo pole und auf dem Wege herauf alle mögliche wegkenntniß unbemerkt aus ihm herausgelockt hatte. Seine Spekulazion scheiterte also und er sagte, er wolle auch auf den Spiz. Nun wollen wir also mit einem etwaigen künftigen Triglou-Besteiger unser Klettern hinauf beginnen. Vom Standorte Non plus ultra wendet man sich gegen Nord und schon der erste Schritt ist ziemlich schwer, man steigt nämlich aus dem Ende der Schlucht hinauf gerade gegen den mitteren Triglouspiz. Nur kann man sich etwas mehr rechts halten, weil man den Spiz so etwas umgehen kann. Ein Verirren ist nun unmöglich, weil man, wollte man zu sehr links oder rechts gehen, auf Abgründe kommen würde. Zwar sollte man auch hier den Mittelweg wählen, doch kommt man leichter, wenn man sich ziemlich rechts hält. Ist man also eine ziemliche Strecke aufwärts gestiegen, so wird man bald den mittern Triglou links gelassen haben. Nun befindet man sich aber auf jener Stelle, wo alles wegverfehlen nicht nur auf Klafter sondern meistens auf Schritte unmöglich wird. Denn man ist auf jenem schneidigen Rücken, der den mittern und den großen Triglou-spiz verbindet, Hätte ich einen Anfänger im Bergsteigen bei mir gehabt, so wäre ich gewiß wegen seiner sehr besorgt gewesen; ich rathe jedem Anfänger lieber auf die Freude der Triglou-Ersteigung Verzicht zu thun als sich in bevorstehende Gefahren zu begeben. Sehr schmal nämlich und schneidig ist der Rücken, auf dem man hinzieht, cvft muß man mit ausgestreckten fänden balanziren; verwittert ist der sehr schneidige Rücken, auf den der Fuß feste Tritte sezt und rechts und links sieht man unter sich fast perpendikuläre, schäußliche Abgründe. Zwar verbarg der dichte Nebel dieselben meistens unfern Augen, aber desto gräßlicher waren selbe, wenn ein Windstoß die Wolken gäh verdrängte und die Augen die schwindelnde dunkle Tiefe bis in den Kessel hinab maßen. Ich, der ich so viele Salzburg's Gebirge erstieg, der ich den Hohen Staufen auf verschiedenen Seiten, den Hohen Göhl, den hintern noch nie erstiegenen höchsten Wazmanns-Spiz, der ich den Groß- glotfncr24 erstieg und maß, mußte hier, was ich sonst nie that, mit beiden fänden meinen Augen Schirme machen, damit sie nicht die beiderseitigen Abgründe, sondern nur gerade vor mir Hinsehen konnten. Mit Stößen begleiteter Südwind drohte desto leichter das Gleichgewicht des Körpers zu zerstören. So war es eine lange Strecke gegangen, bis man wieder fast senkrecht hinauf über Felsen steigen mußte. Nach und nach näherten wir uns unserem Ziele, denn schon fing der Rücken wieder fast gerad aus zu gehen und weiter zu werden. Und nun erblickten wir durch die dichten Wolken das Zeichen unseres Sieges, jenes Steinmännchen, welches die zwei treten Kapläne Deschmann im Anfänge Septembers da errichtet haben. welche unbeschreibliche überirdische Freuden hätte da mein Geist genossen, hätten nicht die mißgünstigen Wolken alle Aussicht mir entzogen, hätte nicht der Greis Triglou in seinen so gewöhnlichen Schleyer mich eingehüllt und so die Heiligthümer der Natur meinen Augen verborgen. Freylich kann dieser ehrwürdigste Patriarch mehr Opfer fodern, als daß ein Fremder gerade hinläuft und so schon seine ganze Majestät und das Erhabenste der Natur zu genießen würdig seyn sollte, das Jahrtausende selbst nahen Bewohnern entzogen war. Auf die Aussicht des Manhard mich hin orientirend, genoß ich doch im Geiste eine erhabene aber freylich dunklere Aussicht vom Triglou hin über alle Ebnen und Bergriesen unsers Kaiserthums, hin über die nahe Fläche des adriatischen Meeres, hin auf den Glöckner, wisbach-Horn und vielleicht selbst auf den Montblanc und andere Italiens, Tyrols und Schweiz's Schneeriesen! Ich hatte sogleich mein Reisebarometer aufgehängt und machte also zum ersten mahle am rz. September 180$ an dieser berühmten SpizeV die Baro- und Lermometer-Beobachtungen .. ,26 Daß ich oben keinen alten Schnee antraf, ist leicht zu vermuthen, weil dieser Felsenspiz zu steil ist. Dafür liegt aber unten an seinem Fuße in dem schon bemerkten Kessel ewiger Schnee, den die Hize des ganzen Sommers zu zerschmelzen nicht im Stande ist. Die höchste Spize des Triglou ist ein sich von Süd-Südost gegen Nord-Nordoft ziehender schmaler Rücken, der aber auf der nördlichen Seite bald nach der Spize in grausliche wände enden muß. Naturfreunden kann ich leicht sagen, welche hohe Gedanken sich meiner Seele bemächtigten, wenn ich auf dem ganz verwitterten und zersplitterten Scheitel dieses Kolosses herumtrat, wie oft dringt sich nicht bei dergleichen Szenen einem der Gedanken auf: Mensch, wie \ klein, wie schwach bist Du an Deinem Körper — aber wie groß an Deinem Geiste! — Zu Staube werden Deine Gebeine, zur Erde diese Felsmaffen — aber Deine Seele kann nicht vergehen! Noch einmal beobachtete ich den Barometer und Thermometer, und da Kälte, VJe&el und wind zuzunehmen schienen, machte ich mich, nachdem ich meinen Namen in einen oben gelassenen Stecken einschnitt und einige mormorartig gefärbte Kalksteinchen eingeschoben hatte, zufrieden, daß ich die Hauptabsicht meiner Reise erreicht habe, wieder auf den Rückweg. An vielen Orten bemerkte ich, daß der harte Felsen des Triglous wie ganz frisch aufgerissen ist. Der Führer sagte, daß dieß die Wirkung des Einschlagens ist, was sich auch erklären läßt. Viel schien es mir, daß ich wenige Klafter unter der höchsten Spize schon Vegetazion von Kräutern und Gräsern antraf, die ich mitnahm. Izt umging ich nicht den mittern Triglouspiz, sondern gieng hinauf, da dieß sehr wenig brauchte, und machte meine Barom. ete.-Beob-achtung, gieng dann über den sehr steilen Berg hinab und traf gleich unter dem Spiz die zwergartig wie Moos gewachsene Salix ... (Lücke) an. — Diese hohe Holzvegetation schien mir sehr merkwürdig. Nicht ohne Beschwerden kam ich bis zu dem von mir sogenannten Non plus ultra, weil ich den Barometer trug und den kränklichen Fuß nicht recht ausstrecken durfte, wir nahmen das zuvor hiergelassene Winkelmeß-instrument mit und stiegen über das lockere Stein- und Sandgerölle hinab, wo man den Mangel der Stiefel sehr stark fühlte. Aus Erfahrung kann ich sagen, daß Bergsteiger am besten thun, wenn sie, wenn kein Schnee oder Eis ist, in Stiefeln ohne Fußeisen klettern, denn man fühlt viel besser, ob man festen Tritt hat, ohne Eisen als mit denselben. Die Hauptstüze bleiben aber immer die Hände, wo es gefährliche Stellen zu klettern giebt, nur muß die größte Vorsicht gebraucht werden, daß man solche Stellen mit den fänden paket, die fest genug sind, denn meistens sind die Felsen verwittert und durch vorheriges Versuchen muß man sich der Festigkeit versichern. Der Botaniker wird meines Erachtens für das Steigen gegen den mittern Triglou hinauf hinlänglich belohnt. Vortrefflich schön stand die Myosotis lannata da. Da ich kaum Anfänger in der Botanik bin, nahm ich mit, was mir auffiel, besonders da ich mehrere Pflanzen in schönster Blüthe antraf, das ich aber sehr ruinirt nach 'Zause brachte, weil ich nicht darauf eingerichtet war. Kaum hatten wir das Non plus ultra verlassen, als es bedeutend zu schneyen anfieng. In dichte Wolken gehüllt stiegen wir, ohne Spuren vom alten weg zu bemerken, hinab gegen Belo Pole. Der Führer zog sich zu weit rechts und wir mußten fast zurückkehren, um auf jenen Steig unter der wand ober Belo Pole zu kommen. Schon fchnie es nicht mehr, sondern dichter Regen trieb uns den Hütten zu. wir tranken nun den hier gelassenen wein, bis wir damit fertig und etwas illuminirt waren. Naß von innen, naß von außen ergriff uns eine schauerliche Kälte, die wir nur mit sehr schnellem Gehen vertrieben, Nach dem Thale gegen Nordwest von Belo Pole hinaus und dann über das Gebirg links würde man durch das Thal Sozha nach Flitsch kommen. Das Wetter war ungünstig und ich wünschte aus den Sonntag zu Hause den Gottesdienst zu halten, daher wählte ich den zuvor gemachten weg und wir eilten Mitterdorf zu. Man ist kaum von Belo Pole etwas gestiegen, so scheidet sich der weg, und man muß den linken wählen, wenn man Mitterdors zugehen will, denn der andere führt etwa den vielen Bergseen und anderen Alpen zu. Bald heiterte sich der Fimmel im Süden und das Antlitz der Sonne und die Wirkung des Weines erfreuten uns. wir stiegen den zuvor beschriebenen weg gegen die untersten Alpen hinab. Bei Übersezen jenes großen Grabens oder Baches sind niedliche petrefakten. Ehe wir noch zu der großen untersten Alpe kamen, war der Fimmel wieder dicht überzogen und Regen mit Donner begleitet zwang unsere Schritte zu verdoppeln. Da Regenguß und Bliz und Donner fortdauerte und die Nacht schon einbrach, so mußten wir uns entschließen, in jener Hütte zu übernachten, wo wir beim Hinaufgehen frühstückten. Ich traf sreylich jene guten und zuvorkommenden Älpler hier nicht, die ich in Deutschland antraf, aber man muß bei dergleichen Umständen froh seyn, wenn man ein Gbdach bekömmt. Aus den Gesprächen meines Führers fand ich bestättigt, daß es ein elendes Ding sey um einen Bauer, wenn er aufgeklärt seyn will, aber das dazu nöthige Licht nicht hat. Auch hatte ich eine mir und ihm seltene Blume (wird eine Art von Semper Hörens sein) mit wurzeln mitgebracht. Er wünschte sie zu haben, aus Zuneigung schnitt ich sie auseinander, gab sie ihm, damit er sie einpflanzen kann. Ich fand sie unter dem großen Schneekeffel. Er aber sagte, daß er etwaigen Botanikern sagen wolle, er habe sie auf der Spize des Triglou's gefunden, dieß wirft sreylich einen üblen Scheyn auf seinen Karakter. Noch goß es, als wir uns zur Ruhe legten, und durch die Fugen des Daches und der wände leuchtete der mit Krachen begleitete Bliz. Müdigkeit drückte mir die Augen zu, und als ich wieder erwachte, funkelten durch die Fugen die Sternlein herein. Es war r Uhr. Ich machte mich mit der hier gelassenen Laterne und mit meinem Führer auf den weg nach Mitterdorf, wo alles noch in tiefer Ruh war. Von da machte ich wieder den Umweg über Jereka, (wir waren gleich unter der Alphütte wieder in dichten Vlebel gekommen.) Nun brach der Tag ein, und es war Zeit, mich von meinem Führer zu scheiden. Er hatte mir auf dem Wege erzählt, daß er zentnerschwere Versteinerungen vom Gebirge herabgeschleppt habe, gegen ziemlich geringen Taglohn. Da ich ihm versprochen hatte, daß ich ihn, sein Weib und andere Bekannte bei einer vorhabenden Wallfahrt auf den hl. Berg bei Görz über Nacht bewirthen wolle, so glaubte ich, daß er zufrieden sein könnte, wenn ich ihm für 1V2 Tag, den er versäumt hatte, wo ich ihn aber, wo nicht sehr gut, doch kostspielig verkostete, 3 fl. gebe. Er aber begehrte 6, dann gar 7, endlich aber S fl.; mir schien es zu viel, besonders da ich ihm auf dem Wege alles mögliche Zuvorkommen zeigte. Er aber war unartig genug, mir mein Winkelmeßinstrument zu nehmen. Durch die Ungeschliffenheit etwas gereizt, wollte ich denn erst seinen willen nicht ganz erfüllen. Er machte sich mit meinem Tischlein und 3 fl. auf den weg. Ich sagte, ich wolle ihn beim Gerichte anklagen — dann daß Tischlein nicht 40 kr. werth sei — aber er blieb bei 5 fl., ob ich ihm schon 4 fl. etc. zusagte und schieden wir. P. 8. Ich ließ aber gleich darauf in Feistritz bei Herrn Loop. Desch-mann für den Führer doch noch die z fl. und erhielt bei einer späteren Excursion in die wochein das Tischchen mit zerbrochenem Diopter zurück. 6. Rapitel Hauptmann von Bosi'os Reife auf die Spitze des Berges Terglou in Rrain im July des Jahres mi Erzählt von F. Ritter von Iacomini-Holzapfel-wKasen (1822) Aus .Illyrisches Blatt zum Nutzen und Vergnügen' 1823, Nr. 14—17 Frühlingsabend im Krmatale Lichtbild von Cveto Švigelj, Ljubljana i •« Ivx® fe-' MM Jk \ m ,Äls ich im May dieses Jahres meine vorläufigen Beobachtungen gegen den nordwestlichen Hauptzug der Gebirge wandte, und bey dieser Gelegenheit im Kreise jener Thäler bey Krainburg den Jodociberg, bey Radmannsdorf die Jellounza bestieg, sodann an dem lieblichen Veldeser-Thale mich ergehend, das wocheiner- oder Buchenthal besuchte, — und auf das Bestehen meiner schon in früheren Jahren auf den Gipfeln des Zherni prst und der Suha gebauten Pyramid-Signale mein Augenmerk richtete, wandte ich mich gegen Mitternacht, und bestieg die Alpe o Schoulastenza, den Ursprung der Savitza. Ehe ich noch aus jener Gegend zurückkehrte, um — was ich sodann vollführte — wieder über Veldes und Lees zurück, auf den gegenüber liegenden Rücken zu übersetzen, und über Katzenstein, über die neu gebaute Straße, welche einen herrlichen Anblick des ganzen Thales bis Laibach gewährt, und über Neumarktl den höchsten punct des Loibl-Berges, Koshiutta genannt, zu ersteigen — wurde in mir der längst genährte Wunsch, die höchste Spitze des Terglou, welche bekanntlich noch von wenigen erreicht worden ist, zu erklimmen, und auf solcher ein Triangulirungs-Signal zu erbauen, auf das Lebhafteste wieder rege." „Fortwährend mit diesem, meine größte Sehnsucht reihenden Gedanken beschäftiget, welchen ich, wie eine Geliebte, nicht aus meinem Gemüthe und aus meinem Sinne ließ, suchte ich durch die sorgsamsten Erkundigungen nähere Nachrichten über die Art der Besteigung, über die bisherigen Beobachtungen, über das, was Anderen sich ereignete, die ihren Zweck erreichten, oder der Beschwerlichkeit erlagen, und über jene Personen der Umgegend einzuziehen, welche entweder schon so glücklich waren, die Zinne des Berges erklettert zu haben, oder den Muth hatten, mit mir diese Wanderung zu wagen. — Mehrere dieser Nachrichten zog ich in Mesnouz, andere in Althammer — in welchen Beyden sich Hammerwerke und Nagelschmieden des Baron Zois befinden, und eine ganz seltene, gegen die übrigen nahen Thäler verschiedene, ausgezeichnet schöne und geregelte Gesichts- und Körperbildung die Bewohner, besonders des weiblichen Geschlechts, bemerklich macht —, die meisten der mich und mein Vorhaben beruhigenden Daten aber, in Feiftritz selbst ein, wo ich Bereitwilligkeit zur thätigen Mithülfe für mein Unternehmen, und auch Leute fand, die mich mit um« 6 Augy, Criglae 81 stündlicher Erzählung versicherten, die Spitze des Lerglou bereits erstiegen zu haben." „Meine Bemühung, diese Menschen für mein Vorhaben zu stimmen, mein Zureden, welches durch meine Sehnsucht, und durch meine über-zeugung der Wichtigkeit, die in der Errichtung eines Triangulirungs-Signals auf diesem bis nun nur durch die Beobachtungen von anderen Berghohen bestimmten Hauptpuncte für den Dienst als ausgezeichnet sich mir darstellte, einiges Feuer der Überredung erhielt; endlich selbst meine feyerlichen Zusagen eines nahmhaften, der Arbeit angemessenen Lohnes, vermochten den Gberrichter zu Feistritz, und die erwähnten, mit der Lage und den Bedingniffen des Unternehmens vertrauten Bewohner zu dem Versprechen, auf der Spitze des Lerglou nach der von mir ihnen gegebenen Anleitung, eine Triangulirungs-Pyramide, welche bekanntlich aus vier an der Spitze zusammenlaufenden, durch «Querbalken unter sich befestigten, und mit, in kleinen angemessenen Entfernungen, welche dem winde zur Verminderung des Widerstandes den Durchzug gestatten, angebrachten Bretern verschlagenen Baum-stämmen besteht, sogleich zu erbauen, sobald die stets zunehmend begünstigende Jahreszeit, folglich die Entfernung der winterlichen Hindernisse des Eises und Schnees, das Ersteigen und das Verweilen auf dieser Höhe gestatten würden." „Mit dieser Versicherung, und mit der Zusage, daß man mich von der Bewerkftelligung meiner getroffenen Einleitung unverweilt verständigen werde, schied ich damahls aus jener Gegend nicht ohne dem, in mein Inneres zurückgedrängten Zweifel an der Erfüllung, da ich wahrlich nicht geringe Ursache hatte, die Besorgniß zu hegen, daß der gute Wille jener, welche mir das Versprechen gegeben hatten, an dem unbesiegbaren Kampfe mit den Elementar- und sonstigen Hindernissen scheitern könne, welche in solchen Höhen, und so unwirthbaren gefahrvollen Erdgegenden ihre unbezwingbare, vom menschlichen willen unabhängige Herrschaft geltend zu machen pflegen." „Doch war die Vorsicht meinem Wunsche hold, die von mir gedungenen Landleute erfüllten ihr Versprechen, die Pyramide ward auf der höchsten Kuppe des Derglou, nebst einer von mir, zur Verhüthung der Entzündung der Ersteren, angeordneten Wetterstange erbauet, und ich trat unverzüglich, sobald ich die Nachricht davon erhalten hatte, ohne meiner Umgebung mein gewagtes Vorhaben mitzuteilen, meine ernste Wanderung an." „wer sich schon in ähnlicher Lage befand, Gefahren entgegen zu gehen, wozu nicht unmittelbare Pflicht, sondern reine Liebe für das Beste des Dienstes, und das Streben in dem enge beschränkten Wirkungskreise des Menschen, nach Kräften nützlich zu seyn, die heftigen Triebfedern sind, wird sich in dem eigenen Mitgefühle einen Begriff jener Empfindung machen, welche mich während meiner Zureise bis Mitterdorf, und so wie ich allmählich meinem Ziele näher kam, wechselweise beherrschten." — „Am 3. July dieses Jahres spät Abends zu Mitterdorf angelangt, welches in jener Gegend den Gränzort der geselligen Vereinigung der Menschen bildet, versammelte ich meine Führer, jene Landleute, welche das Triangulirungs-Signal, die Pyramide an der Bergspitze erbauet hatten, um mit ihnen über unfern Reiseplan Rath zu halten. — Gerne würde ich meiner Sehnsucht gefolgt seyn, schon um ein Uhr nach Mitternacht die Wanderung zu beginnen, hätte mich nicht die Versicherung dieser, der Local-Verhältniffe kundigen Leute bestimmen müssen, ihren Vorstellungen der Gefahren des Gebirgsweges, nachzugeben, und bis vier Uhr morgens in Mitterdorf zu verweilen. — wir brachen also dort, 9 an der Zahl, am 4. July dieses Jahres zur besagten vierten Stunde auf, welche für mich, wie der Schritt in den heißen Kampf, von stetem Interesse bleiben wird. — Zu meinen Begleitern hatte ich zwey Bergbewohner, welche das Gebirge bereits erstiegen hatten, und 5 Andere, die ich zu Trägern meines Messungs-Instruments, des Theodoliten, der in einem hölzernen Kasten verwahrt sich befand, meines Zeltes, und einiger Lebensmittel verwendete. — Außer diesen mir unbekannten Führern und Trägern hatte ich noch den bey meinem Geschäfte verwendeten Lorporalen Johann Rothemmel, des Infanterie-Regiments Reuß-Plauen, auf welchen ich mich, hinsichtlich seines mir bekannten Eifers und seiner treuen Ergebenheit, verlassen konnte, mit mir genommen." „So schritten wir frohen Sinnes den Alpenweg hinan, der immer steiler durch das Abnehmen der Vegetation uns das allmählige Entfernen vom cultivirten Boden, von unserer Heimath, von der menschlichen Gesellschaft bezeichnete, in der Erinnerung der zurückgelegten Beschwerlichkeiten unseren Muth stählte, und bald über felsigen Klippengrund, bald über kurzes Alpenmoos, und zwischen ärmlichen Alpenhütten, den Sommerwohnungen friedlicher Wirten, uns an die eigentliche Stufe der grauenvollen Höhe leitete." „Muthig blickten wir die schroffen Felsenwände hinan, bey welchen unser ermüdender weg vorüber führte, — sicheren Schritts eilten wir, wie im geregelten Gange, längs dem schmalen Pfade fort, der anStein-maffen gelehnt, dicht an schauderhaften Abgründen, in der Leichtigkeit des Besiegens unsere Herzhaftigkeit um so mehr erhöhte, als wir ins-gesammt, vertraut mit dem Erklimmen der Berghöhen, und mit demjenigen, was den Neuling solcher gefahrvollen Gänge beängstigen würde, darin vielmehr die Ermuthigung für unser künftiges Bemühen fanden, und ich darf mit Überzeugung Jeden, welcher ähnliche Reisen machte, an die ganz eigene Stimmung der Heiterkeit und Ruhe erinnern, mit welcher man in solchen Gelegenheiten die gefährlichsten Strecken zurückleget." „So gelangten wir in die Koinska planina (Pferde-Alpen), wo auf enge begränzter Fläche, die man in jeder anderen Lage einen jähen Abhang eines hohen Berges nennen würde, sich die letzten Alpenhütten (Upole genannt) befinden, welche zum Theile in einer schönen großen Ebene liegen." „Senkrecht erhob sich hier über uns der Gipfel des Giganten; dräuend schien er unseres stolzen Beginnens zu spotten, die wir, wie Würmer an der erhabenen Eiche, emporzuklettern im Begriffe standen. — Es war zwey Uhr nach Mittag, und meine unbegränzte Sehnsucht trieb mich, noch Abends die Spitze zu erreichen. — Doch hielt mich die gegründete Vorstellung meiner Führer, daß die Erreichung des Gipfels erst nach wenigstens fünf Stunden möglich, und wegen der Last des Meß-Instrumentes kaum ausführbar seyn werde, — daß folglich die Nacht uns noch früher ereile, als wir das Ziel, — und daß wir daher keine andere Wahl haben würden, als in Kälte und Finsterniß auf dieser 10.194 Fuß hohen Zinne zu übernachten, — in der Alpenhütte zurück, und wir beschloffen, um eilf Uhr vor Mitternacht den weg fortzusetzen, um mit Tagesanbruch an dem erhabenen Ziele anzulangen. — Die Stunde kam, aber mit ihr hatten sich auch um die Kuppe des Terglou so mächtige Wolken gelagert, daß uns nichts als das Abwarten der Gunst des Fimmels erübrigte." „Am 5. July um drey Uhr Morgens, in welcher Stunde das Thermometer z Vz Grad unter Null nach Reaumur zeigte, wie sich denn allezeit bey dem Morgenkampfe, in welchem der werdende Tag die scheidende Nacht besiegt, eine bedeutende Kälte in der Atmosphäre einzustellen pflegt, — besah ich die Stellung des feindlichen Gewölkes, und wie eine grauende Ahnung, stieg die Besorgniß in meinem Gemüthe auf, daß der werdende Tag kein Tag der Freude, und des glücklichen Gewährens meiner so lange, und warm in mir genährten wünsche seyn werde." „Noch sah ich die neblichten Begleiter des mir damahls schon ganz bekannt und freundlich gewordenen Terglous und seines würdigen Scheitels, zwar minder als vor einigen Stunden, doch immer so versammelt, daß ich als das Geringste, was mir widerfahren konnte, die Fruchtlosigkeit meiner Bemühung, die Unmöglichkeit, meine trigonometrischen Beobachtungen anzustellen und zu vollenden, besorgen mußte. Aber meine Begleiter dachten anders; sie glaubten aus dem Zuge des Windes eine günstige Vorbedeutung für eine reine heitere Witterung in den Höhen entnehmen zu können, und ihrer Meinung schloß ich mich um so lieber an, als eines Theils der gegründet scheinende Schluß, daß die Vorhersagung dieser Ortskündigen auf Wahrnehmungen öfterer Erfahrungen beruhe, meine Besorgnisse beschwichtigte, und andern Theils mein sehnliches Streben mit froher Haft diese Beruhigung ergriff." „Also eben so rasch, als ich nach diesem Urtheilsspruche meinen Entschluß gefaßt hatte, eilte ich auch meiner kleinen Karavane voran, und ließ meinem mit Gründen, und Gegengründen kämpfenden Sinne nicht Zeit und Muße, durch ein sorgfältiges Abwägen meinen Beschluß in seiner Ausführung zu hemmen, bis die allmählige Erheiterung des Luftkreises, welche der werdende Morgen wie ein freundliches Lächeln über eine kummerumwölkte Stirne verbreitet, auch in meiner Seele das frühere Zagen für neue Hoffnungen empfänglich stimmte, und mich an der Spitze meines zum Theile schwer beladenen Geleites über Felsenspitzen hinan, neben tiefen, spät und dumpf wiederhallenden Schluchten, durch Eisthäler, deren Farbenspiegel der Stammbaum ihrer hohen Ahnen ist, über schauderhafte Spalten, die ihren Schlund in tiefer Höhlung wie Riesenrachen öffneten, — von Klippe zu Klippe klimmend, ohne sicheren Tritt, zu jeder Seite das Unendliche des Abgrundes — in schweigender Stille, lautlos, wie die stets nahe, immer sich erneuernde, stets wachsende Gefahr die Zunge lähmte, — zu einer Felsenspaltung führte, welche das Thor des Terglou genannt wird." „Mit Recht wird es so genannt, denn eine neue Welt gestaltet sich von Innen und Außen. — Das Ende jeder Vegetation, der Scheide-punct von allen lebenden Wesen, weil sich im Innern des Thores kein Würmchen mehr blicken läßt, und nicht einmahl der in andern Höhen heimische Schneevogel die Luft durchkreist, schließt es die letzten kärglichen Halmen dicht an seiner Mündung von jeder Mittheilung in das Innere dieses Felsentempels aus, welchen Nahmen ich ihm nicht versagen kann und darf, weil mir mein Gefühl, vereiniget mit meiner Überzeugung, eine nie empfundene Ehrfurcht vor diesem erhabenen Gebäude der Statur abgedrungen hat." „wie belohnend ist der Anblick bey dem Durchschreiten dieser Oeffnung, wenn sich plötzlich gegen Osten, Süd und Westen, wie mit dem Hinwegrollen eines Vorhanges, die Bühne öffnet, nordöstlich der Blick das schöne Thal der kärnthnerischen Hauptstadt Klagenfurt berührt, und gegenüber die freundlich bekannten Berge des wocheiner-Thals, östlich die Mittelgebirge in der Gegend von Krainburg, wie mit einer wohlwollenden Begrüßung herauszublicken scheinen, und neu ermuthigen sich auf höheren puncten bey dem Anblicke anderer bekannten Höhen in der Erinnerung vergangener Zeiten einen unersetzlichen Genuß zu gewähren." „Eben dieß beruhigende, ermunternde Gefühl ist die Himmelsgabe, welche bey dem Erblicken der kommenden Beschwerniffe des Weges, das Zagen in die Brust zurückdrängt, das sich des Gefühls bemächtiget, wenn man die fast senkrechte Felsenwand des kleinen Terglou (Mali Terglou) vor sich sieht, die nun erklimmt werden muß." „wir sahen ein, daß mit dem Gepäcke, welches wir, so karg wir es anfangs zugemeffen glaubten, mit uns hatten, das weiterkommen, und vielleicht die Verhinderung der Trennung einiger beladener Gefährten, nicht wohl möglich sey. — Ich entschloß mich also hier zu verweilen, unser frugales Mahl zu halten, und indem wir die Reste unserer wenigen Victualien, und ihrer Requisiten an einer Steinhöhlung hinterlegt hatten, so daß uns keine andere Last, als jene des Theodoliten mit seinem Behältnisse, meines Zeltes, und einer mit wein gefüllten Feldflasche übrig blieb, eilten wir, nachdem ich das Thermometer beobachtet, und den Stand desselben auf sVz Graden unter Null nach Reaumur befunden hatte, um 0V2 Uhr Morgens, unsere Wanderung fortzusetzen, und mit muthiger Hast die Höhe des kleinen Terglou zu ersteigen." „Die heftigen Stöße des Nordwindes, der unser Erklimmen mächtig erschwerte, erfüllten uns jedoch mit der beruhigenden Hoffnung, daß eben durch diesen unseren Widersacher die Wolken zerstiebt werden würden, welche noch immer im wechselnden Kampfe den Zenith des großen Terglou umhüllten, und sich gleichsam um die Herrschaft seiner Umgebung zu streiten schienen." „In Absätzen getheilt, bildete die riesenhafte wand ein Amphi-. theater, zu dessen Gipfel man sich nur von Stufe zu Stufe, und nur mit wechselseitiger Hülfe, in steter Gefahr des nahen Sturzes in unabsehbare Liefen, emporschwingen konnte, während enge Felsenspalten, durch welche wir uns nur mühsam, und mit schrittweisen Versuchen einen haltbaren Tritt zu gewinnen, langsam durchwanden, theilweise unser weiterklimmen um so mehr hinderten, als das Meß-Instrument und sein Behältniß, nicht nur dem Träger, ungeachtet er an einem, um den Leib gewundenen Seile von zwey anderen Gefährten fest-gehalten, und seine Last von einem dritten rückwärts unterstützet war, bey der Unsicherheit eines jeden seiner, auch lastlos gefahrvollen Schritte, zur beynahe unerträglichen Bürde wurde, sondern auch dasselbe durch die schmalen Spalten, oft nur mit unsäglicher, durch die eigene Lage der selbst auf unsicherer Basis schwankenden Hülfe-leistenden bis zum höchsten Maße gesteigerten Müheanwendung fortgebracht werden konnte." „Doch errangen wir die Spitze des kleinen Terglou, welcher nach Hacquets Bemerkungen einst mit der großen Spitze vereiniget gewesen seyn soll, und nach seinen nicht ungegründet scheinenden Vermuthungen, durch die Verwitterung, welcher solche kahle, meist kalkartige hohe Bergkuppen unterliegen, und durch die dem Schicksale aller Erdkörper, und der Zeit angehörende gewaltige Zerstörung, von seinem größer« Nachbarn nun so entfernt stehet, daß er gegenwärtig für sich allein, eine herrische Veste bildet." „wer nicht schon diesen punct errungen hat, und den unbezwing-lichen Beruf in sich fühlt, allem Dräuen zum Trotze, die höchste Zinne zu ersteigen, dürfte wohl schwerlich bey dem Anblicke dessen, was ihn, nach kaum errungenem Siege, noch zu bekämpfen erwartet, zu dem Betreten des sogenannten Pfades sich entschließen, welcher, als der einzig mögliche, an das noch ferne Ziel führen kann." „An der Mittagsseite der Bergkuppe, an einem Felsenrücken fortlaufend, dessen beyderseitige Abhänge in endlose, nur durch Schneelagen und Eisberge erhellte Tiefen schroff sich abstürzen, zeigt die nahe Verbindung der Klippen die Möglichkeit, jene ersehnte Höhe zu ersteigen, — aber die verwitterte Oberfläche erzeugt jedem Tritte, in jedem Steine, den der schwankende Fuß berührt, und der oft kaum berührt, schon mit rollendem Getöse in die unabsehbare Schlucht stürzt, neue, stets augenscheinlich nahe Lebensgefahr, und so erübrigte uns nichts, als auf dem Bergrücken sitzend, und mit Händen und Füßen kriechend, diese seltene, gewiß Schauder erregende Strecke zurückzulegen, auf der mir jeder andere Gedanke, als der meiner augenblick- lichen Erhaltung auf dem hohen, über so viele Fernen hinausragenden Felsen, entschwunden war." „Rastlos, ohne einen Rückblick, arbeiteten wir uns so sort, und die steile Rückenwand hinan, an deren hervorragenden Massen wir uns festhielten und emporschwangen, bis wir nach einer Stunde solchen, gleichsam in steter Nothwehr kämpfenden Bemühens, um neun Uhr Morgens den Zenith des velki Terglou, der höchsten Spitze, also das erhabene Ziel erreicht hatten, nach welchem ich mit solchem Sehnen, so viel Bangen, und so großem Mühen strebte." „welch' ein himmlischer Augenblick der Wonne, nach zurückgelegten sechs Stunden des Ringens und Leidens — nach so vielen glücklich überstandenen Gefahren, welch' ein Anblick des Entzückens! — wer wagte es wohl, die Gefühle eines solchen Moments beschreiben zu wollen! — Mit einem Blicke in die Liefen, in die Welt, die zu unseren Füßen lag, — träumten wir uns den Stolz eines weltgebiethers, der mit dem Bewußtseyn seiner Herrschergröße, auf die besiegten Völker herabblickt. — Es ist ja ein Attribut der menschlichen Natur, daß überhaupt Jener, welcher höher steht, stolzer auf seine Mitmenschen herabzusehen pflegt, und wenn es gewiß ist, daß physisch und moralisch genommen — jeder erhabene Standpunkt auch gewöhnlich zu erhabe-nern Gefühlen stimmet, so mögen in eben diesem Maße unsere freudigen, erhebenden Empfindungen Entschuldigung finden, welche uns bei dem Gedanken durchglühten, diese Höhe erklimmt zu haben, die in der Voraussetzung ihrer Messung von 10.194 Fuß über die Meeresfläche, und bey einem gleichen Niveau derselben mit dem Umkreise des Berges, den Überblick von 54 geographischen Meilen gewähren würde." „Kaum erhohlt von dem ersten angenehmen Eindrücke, mußte ich die, meine Freude gewaltig niederbeugende Bemerkung machen, daß ein weit hin sich verbreitender Nebel, welcher die Fernen verhüllte, meinen Gesichtskreis nahe begränzte. — Doch gewährten mir die mehreren Öffnungen, durch welche die Nebelwolken getheilt waren, die zum Lheile beruhigende Hoffnung, daß sich der Nebel in die Betten der Lhäler senken werde, und ich gab so gerne dieser Hoffnung ohne Bedenken Raum; denn sie wird ja, diese ewige Geleiterinn des Menschen, wie Schiller sagt, selbst mit dem Greis nicht begraben." „Ich nahm mir daher vor, bis zu dem ersehnten Augenblicke, mich damit zu beschäftigen, den Boden meines Standpunctes näher kennen . zu lernen, mich zu meinen physikalischen Beobachtungen vorzubereiten, Der Triglav raucht seine Morgenpfeife Lichtbild von Slavko Smolej, Iesenice und zum Theile, in so ferne ihre Natur solche auf den kleinen Terrän meines Aufenthaltes beschränken ließ, solche sogleich vorzunehmen." „Mein Wärmemesser, der mir vor einer Stunde um 8 Uhr Morgens auf dem kleinen Terglou (mali Terglou) bey dem heftigen Nordwinde, der die Luft durchbraußte, 7V2 Grad unter 0 nach Reaumur gezeigt hatte, stand auf dem Velki Terglou (der höchsten Spitze) nur auf 7V3 Grad mittägig gewendet, und nur, wenn ich nordwärts an das Ende des platteau kam, und das Thermometer auf den Boden aufsetzte, fiel er bis 914 Grade hinab. — Die Luft wurde aber nach und nach dicker (dichter), und je höher die Sonne von Osten emporstieg, desto mehr erwärmte sie auch unsere Luftschichten, und ungeachtet der Läuterung derselben, hatten wir in kurzer Zeit den Thermometer-Stand 1 über 0 so zwar vorschreitend, daß um die Mittagsstunde schon ein Wärmegrad von s-7s vorhanden war, weil gleichsam schwül die erhitzten Steine ihre Wärme im engen Dunstkreise den nächsten Körpern und den Theilen wieder gaben, mit welchen die Luft geschwängert gewesen ist." „Bey diesen Beobachtungen durchschritt ich meinen Kampfplatz zu wiederhohlten Mahlen, machte mich mit seinen Verhältnissen, und seinen Gränzen so ziemlich vertraut, und fand, daß er wie voraussehlich einen schmalen Rücken bildend, in der Richtung von Süden gegen worden, einen Flächeninhalt von beyläufig )z bis 15 Klafter in der Länge, und von abwechselnd zwey bis drey Klafter in der Breite inne habe. — In der Mitte ist die plattforme der Kuppe erhöht, folglich nicht wagrecht, und senket sich von beyden Seiten etwas bis zu den Abhangs-Gränzen." „Die ganze Oberfläche des OQC, unter dem Zenith ist, so wie überhaupt durchaus das Kleid der Kuppe, völlig verwitterter eisenschüssiger Kalkstein, von dessen Eisenhältigkeit ich in der Folge, während des kurzen sejour auf meinem verehrten Terglou, die fpürsamsten Beweise erhielt, und noch in diesem Augenblicke in der Lage bin, die Proben seiner elektrischen Attractions-Kraft an meinem Körper zu zeigen, wie in einem Gießbache das Beet des abgerollten, gehäuften Kieses, bedeckt die Kuppe eine aus Felsenbrocken bestehende, beynahe den Nahmen eines groben Schotters verdienende Steinhülle, auf der man bey jedem Tritte die Spitzen der unter dem Fuße hin und wieder gleitenden Felsenstückchen in andere Lagen bringt." „Die Pyramide, die ich, wie einen Unbekannten freudig begrüßte, dessen Erblicken ein lange genährter Wunsch war, fand ich nicht auf dem höchsten puncte in der Mitte der Kuppenfläche, auf welchem dagegen man die Wetterstange angebracht hatte. Da diese Aufstellung meinem Zwecke entgegen war, so bewirkte ich mit »£ülfe meiner Gefährten ihre Übertragung auf den Mittelpunkt, der zugleich die höchste Spitze der Höhe bildet, ließ die Wetterstange südlich in einiger Entfernung von der Pyramide, in das Felsengestein bauen, und bereitete, die unten ohne Verschaltung gelassene Basis der Letzteren so vor, um unter derselben, senkrecht unter ihrer Spitze, mein Messungs-Instrument aufstellen, und von dort aus nach allen Seiten meine Beobachtungen mit dem Theodoliten vornehmen zu können, wozu mir, wie gewöhnlich, das Guadrat der Grundfläche der Pyramide, mit den 1V2 Klafter messenden Seitenwänden hinlänglichen Raum dar-both. — Mein Instrument an der Seite, mein Zelt zur Hilfeleistung gegen wind und Sonnenstrahlen in Bereitschaft, wollte ich die Erheiterung der fernen Höhen, und ihre Entwölkung vom umhüllenden Nebel erwarten, und beschäftigte mich indeß, der bestehenden Ordnung Genüge zu leisten, und in einem in der Mitte des innern Raumes der Pyramide gesenkten Steine, die übliche Bezeichnung des Triangu-lirungs-Signals nebst meinem Nahmen als Trigonometer, der solches errichtete, durch ^iilfe eines hiezu mitgebrachten Meißels und Stein-bohrers, einzugraben." „Mit diesen, meinem Zwecke angehörigen, mancherley Beschäftigungen, welche meine Thätigkeit in Anspruch nahmen, war die Mittagsstunde herangeeilt; — aber der Nebel hatte sich nicht gelegt, sondern allmählig zum immer dunkleren Gewölke geworden, schien es, als ob sich die übrige, unter uns lebende Welt nach und nach durch stets dichtere Verhüllung von uns trennen, und uns in der heiteren *£öt)e, ohne Rücksicht auf unser Erdenwallen, die Ahnung reiner Himmels-nähe genießen lassen wollte." „Müßig, nach vollendeter Vorbereitung zu meinem Geschäfte, mit den stets wechselnden Hoffnungen einer baldigen günstigen Gewährung meiner wünsche, und den immer stärker anpochenden Besorgnissen der Zukunft streitend, überließ ich mich, auf das spitze Felsenbett hingestreckt, dem Wogendrange meiner Gefühle, die wie Ebbe und Fluth mein erregtes Blut durchwallten. — Das donnerähnliche Abrollen der Steine der losgeriffenen Felsenmaffen, die sich durch die lange vorbereitete Verwitterung von ihren in Lüften ragenden puncten befreyt, mit einem wild ertönenden Abschiedsgruße in ihr kaltes Grab stürzten, — das krachende Bersten der Eisberge, die in neuen Spaltungen neue \ Massen für ihre ewige Dauer gestalteten, — bereiteten mein von düsteren Vorgefühlen tief bewegtes Gemüth in einem schaurigen Dahinstarren für mein nahendes Geschick. — Als ich, wie aus böfm Träumen erwachend, um mich blickte, gewahrte ich, daß mich der größte Theil meiner Gefährten, bis auf zwey derselben, und meinen treuen Gehülfen verlassen hatte. — So schmerzlich in solchen Momenten die Überzeugung ist, daß im Allgemeinen die Selbstliebe der Menschen größer, als ihre Nächstenliebe fey, so biethet doch eben diese, die bessere Meinung von den Gesinnungen der Mitmenschen kränkende Erfahrung für denjenigen, welchem der gütige Schöpfer die unendliche wohlthat einer mehreren Bildung der Seele gewährte, wieder einen neuen Bestimmungsgrund dar, die Hülfe nicht in der Gunst Anderer, sondern in dem eigenen Bewußtseyn festen Handelns und in dem eigenen Muthe zu suchen." „Von diesen Empfindungen erweckt, hob ich mich von meinem felsigen Lager, um mit meinen, bis jetzt mir treu gebliebenen Gefährten, den Genuß der Gegenwart zu theilen. — Bey dem Durchwühlen unserer kleinen luftigen Heimath fanden wir in einer Vertiefung ein gläsernes, sorgsam zugepfropftes Fläschchen, welches die rückgelaffenen Andenken einiger mir vorhergegangenen Erklimmer des Terglou in sich verwahrte." „Mir waren diese Zetteln, und ihr Inhalt von so wesentlichem Interesse, daß ich mir solche wörtlich in mein Taschenbuch copirte; der Erste derselben enthielt: „„Bester Leser!"" „„Ich war so herzhaft, um auf den Gipfel des Terglou zu kommen, „„thue also das Zedl hier zurück."" „ „Sem diu tok korashen, to mismize nai is viskik tukej ostane, nekar „ „ga un neusemi, narvezhi moje vessel je je na gorah.““ (Das heißt in deutscher Übersetzung: „Ich war so herzhaft, dieser Zettel soll hier bleiben, nimm ihn nicht heraus, meine größte Freude ist auf den Bergen!"). „„Joannes Deßmann, Kaplan „„na Jeffenize, den s. August 1S09."" Der Zweyte. „„Nach Racquet bin ich der dritte, du Leser wirst der vierte seyn, „„genieße den Augenblick, denn in diesem Leben erwirbst du ihn „„nicht mehr."" „„Franz willhelm Sieber, Botanniker in Prag, „„den rr. July-Sir."" Der Dritte. „„Am i. August 1820."" „„Simon Pfeiffer, „„Looperator von Mitterdorf."" „Unwiderstehlich drang es mich, auch meinen Nachlaß zuzugesellen, durch welchen ich, wie im Ahnungsgefllhle der nahenden Ereignisse, meinen Empfindungen durch die beygerückten, mit meinem Nahmen und dem Jahrs-Tage meiner Ersteigung versehenen Worte: — Elemente — Größe — Menschen — Staub: Luft zu machen suchte, das Fläschchen wieder eben so sorgfältig verschloß, und solches in einem größeren Steine, in welchem ich ein Loch bohrte, vor dem äußeren Eindringen der Elementargewalt, verbarg." „Indessen hatte sich während dieser freundlichen Beschäftigung der Nebel in dem ganzen Umkreise der Thäler immer dichter versammelt. — Es war vier Uhr nach Mittag geworden, und das Thermometer zeigte i Grad Wärme nach Reaumur." „Ein heftiger Nordwind braußte, und ließ uns mächtig fühlen, daß wir noch kein Hausrecht auf dieser Höhe erworben hatten. — Schwarze Gewitterwolken zogen kampflustig gegen unsere wolken-ftätte heran, — umhüllten sie von allen Seiten, bargen wechselweise ihr Haupt, und ein dichter Regen fiel, um, — nicht wie sonst die Fluren erquickend — uns das Nahen unseres Schicksals zu verkünden. — Ungewiß des Rückweges, noch von leisen Hoffnungen hingehalten, ohne der nöthigen Hülfe, welche zu meinem Hinabklettern auf dem mir bekannt schrecklichen Pfade, und zum Mittragen meines Messungs-Instruments und meines sonstigen Geschäftsgepäckes, unerläßlich erforderlich war, — mußte ich, beynahe ohne Wahl, den Entschluß fassen, im Angesichte des nahen Sturmes, auf dieser Giganten-Spitze eine Nacht zu verweilen. — Fünf war es geworden, als ich meine' gewiß eben so seltene, als ungesuchte Herberge in dem Innern der \ Pyramide bereitet hatte, die ich mit den Flügeln meines Zeltes, und mit einem großen Stücke Wachsleinwand zur Bedeckung der oberen Öffnung umhüllte, um mich und meine Gefährten in dieser engen Behausung, die wie ein gethürmtes Grab mitten in den unglücks-schwangeren Wolken stand, vor den heftigsten Wirkungen des rasenden windetobens, und des Schnee- und Regengestöbers, möglichst zu verwahren." „Von meinen Gefährten war in der Zwischenzeit auch der zweyte, der kurz vorher noch anwesend gewesenen zwey Führer, entwichen, folglich nur noch einer derselben, und mein Gehülse, die Treuen, die bey mir ausharrten und entschlossen waren, mein Verhängniß zu theilen." „Angsterfüllt, horchend nach dem fürchterlichen Gebrause des wüthendsten Orkans, der von allen Seiten gegen die wände unseres schwankenden Thurmes mit feindlicher Gewalt tobte, hatten wir kaum eine halbe Stunde zugebracht, als das Getöne des nahenden Donnerrollens unsere bangende Furcht zur schrecklichsten Gewißheit erhöhte. — Nicht lange war uns dieser Zustand gegönnt, als allmählig sich mehrende Gewitterschläge, die drohenden Verkünder unserer jetzt schon peinlichen Lage, den ersten Sieg über unsere Besinnung errangen, und in wenigen Momenten unser düsteres Haus, am Spitze vom Blitzstrahl getroffen, vom feurigen Zucken erleuchtet, die letzten Reste unseres Muthes zernichtete." „Ich stürzte durch die Öffnung des Zeltes hinaus in die streitende Natur. — Finstere Nacht hatte sich um die Zinne des Berges gelagert, — nicht, wie wir Menschenkinder es gewohnt sind, von oben herab, — sondern aus den Abgründen herauf, hoben sich mit brausendem, dumpfen Getöse, die schwarzen, grauenvollen Gewitterwolken, vom Schlangenzischen der Blitze erleuchtet, die wie ein Fackeltanz der Furien der Hölle sich durchkreutzten, bald hier in die Wetterstange schlugen, bald dort den Spitz unseres einzigen Asyls der Pyramide berührten, und zischend über die eisenschüssigen Steine, welche die ganze Oberfläche bedeckten, ihre hüpfende gräßliche Verbindung hatten." „Da stand ich auf jener furchtbaren Höhe mitten im feurigen Kampfe des erzürnten Fimmels, und blickte mit Schauder in den Orkus hinab. Mir blieb keine andere Überzeugung als der gewisse Tod, weil ich es für unmöglich hielt, von den unzähligen electrischen Strahlen, die hier aus kleinem Raume ihren ordnungslosen Wechselverkehr trieben, ver- schont bleiben zu können. — Fort von diesem Platze des Schreckens! war der einzige Gedanke, der mich lebhaft erfüllte. Ich kehrte in die Pyramide zurück, verlangte von meinen Leidensgenoffen den augenblicklichen Aufbruch. — Doch der einzige treu gebliebene Führer erklärte mir, daß er bey diesem heftigen Sturme, dessen zerstörendes wüthen geradezu unmöglich mache, auf dem Bergrücken, welchen wir zurück zu legen hatten, sich zu erhalten, uns nicht hinabgeleiten könne, weil mit diesem Unternehmen der Tod unvermeidlich verbunden seyn würde, der uns vielleicht auf der Höhe für dieß Mahl doch noch verschonen könne." „was blieb uns Armen, als entsagende Ergebung in unser schreckliches Geschicke — Mit einer Innigkeit, als ob wir ewig aneinander-gedrückt bleiben wollten, hatten wir uns auf dem Boden der Pyramide gegenseitig umklammert, um vereint den Todesstreich zu empfangen, wenn der Wille des Allmächtigen uns dieß Los beschieden." „Doch, was sind selbst so heiß gefühlte Entschlüsse des Menschen! — Der nächste Augenblick bereitet ihr Grab, und wie in den Lethe gesenkt, führt nicht einmahl die Erinnerung an sie zurück. — In solchen Lagen, bey so raschem Eindringen stets verschiedener, und stets kräftiger Bestimmungsgründe, erweiset sich das Lichts unseres stolzen Willens, der, wie eine Wetterfahne, sich nach dem Andrange äußerer Verhältnisse unaufhörlich wendet. — Kaum hatten wir uns so fest umschlossen, als ein heftiger electrischer Schlag uns willenlos aus einander stiebte. — Mir war die Besinnung nicht geraubt, aber sprachlos saß mein Gehülfe, und deutete, wie ein wahnsinniger, auf den Mund, während ich bey dem steten Leuchten der Blitze an seiner Stirne ein Brandmahl der electrischen Berührung bemerkte. Ich rief den Führer zu doch dieser lag bewußtlos wie erstarrt neben mir. — Mit jener Hast, mit jenem Eifer, welchen Menschenliebe und Noth erzeugen, warf ich mich über ihn, und suchte ihn durch Reibungen, durch Eingießen des Weins, den ich in meiner Feldflasche hatte, und durch Beschütten mit demselben, wieder in das Leben zurück zu rufen. Es gelang meiner heftigen Bemühung, er brach in fürchterliche Konvulsionen aus, erhohlte sich jedoch allmählig, während mein Gehülfe nur verwirrte, kaum verständliche Worte ausstoßen konnte. Endlich war auch ihm der Gebrauch der Sprache wiedergekehrt, als ein neuer Schlag uns insgesammt betäubend dahin streckte. — Als ich aufblickte, riß ich die Zeltenleinwand rasch hinweg, und stürzte, dieß Todeshaus des Verderbens fliehend, zum zweyten Mahle in den wüthenden Streit der Elemente hinaus. —• Meine Gefährten folgten mir, und einige Schritte von der Pyramide \ entfernt, warfen mir uns in eine kleine Felsenvertiefung von der Zeltenleinwand umhüllt, die das Gräßliche unserer Lage, unserem ge-schlossenen Auge verbergen helfen, und uns doch zum Theile vor dem unbeschreiblichen Gestöber der niederstürzenden Regenfluth, des Schnees und Gagels schützen sollte. — Keine Stätte war uns vergönnt, denn auch in diesem Felsengrabe fand uns der rächende Blitz, der gleichsam unsere Verwegenheit zu strafen schien. — Mich hatte dieß Mahl der Schlag am meisten getroffen, ich war lange sinnlos, empfand noch eine längere Zeit die empfindlichsten Schmerzen in meinen Gebeinen, ward am Scheitel, und an dem linken Backen beträchtlich verbrannt, und soll, wie mir meine Begleiter, als ich wieder zur Besinnung kam, einhellig versicherten, mit convulsivischen Geberden, in ein fürchterliches, wahnsinniges Gebrüll ausgebrochen feyn. — Diese Scene hatte unseren treu gebliebenen Führer, der schon sechs Mahl die Spitze erklimmt, und der erste den gegenwärtigen Pfad mit dem Laplan Deshmann aus Iesser-nize am 8. August 1809 entdeckt haben soll, seine frühere vernünftige Überlegung geraubt. Er drang darauf, dieser Hölle zu entfliehen, und den Rückweg zu wagen. — Aber meine Erschöpfung ließ es mir nicht zu, ihm zu folgen. Ich war entschlossen, mich dem Tode zu weihen, den ich damahls für unvermeidlich hielt, und mein edler Gehülfe Roth-hemmel, dessen herrliches Gemüth mir die schönsten Gaben der Dankbarkeit und des Seelen-Adels reichte, erklärte mit treuer Liebe auch im Tode nicht von mir zu lassen." „Auch der letzte Führer wich! — Ohne zu blicken, wohin ihn seine beflügelte Angst treibe, blieben wir in unserem Schreckenslager auf dem Felsen, wie in einem Schwefelpfuhle, in einander verschlungen liegen. — Rastlos tobte die zürnende Natur, die zahllosen Blitze vereinigten sich in ein Feuermeer, das fürchterliche Krachen und Dröhnen des Donners barst an den felsigen wänden des erbebenden Gibels, und war mit feinem tausendfachen Nachhall ein Schreckenston der Zerstörung geworden. — Immer steigernd schien die wuth sich selbst zu übertreffen, neue electrische Schläge berührten unfern schon nur halb empfindungsfähigen Körper, — und plötzlich, wie der Augenblick der Vernichtung, hatte — sey es ein Werk der Phantasie, sey es Wirklichkeit, die sich durch den phosphorifchen Gehalt unserer Glieder erklären lassen könnte, — eine Flammenhülle unsere Körper umschlossen, die wir mit lichtgeblendeten Augen von uns abzureißen bemühet waren, aber mit jedem Zuge der Hand, die unsere Kleider berührte, neu lodernd vermehrten." „Entsetzen, Betäubung, Todesangst, hatten mit unwiderstehlicher Gewalt uns ergriffen. — Wir flohen wie brennende Leichname, welche die Windsbraut im raffelnden Sturme vom Opferherde hebt, die Stelle, auf der wir uns befanden, um die nächste wieder zu fliehen. — Hinabstürzen wollten wir, und umschlungen begannen wir den Tritt ins Grab, als ein neuer Blitzstrahl den feurigen Abgrund im Licht-meere vor unserem Blick enthüllte, und Schrecken besinnungslos uns am Abhange niederwarf." — „Vergebens würde ich mich bemühen, auch nur entfernt anzugeben, wie lange wir an der äußersten Kante der senkrechten bodenlosen Tiefe im stumpfen Dahinstarren gelegen haben, und welche Gefühle, welche Gedanken damahls in mir lebten! — Ich kann nur behaupten, daß unter den Milliaden der Blitze, die wie ein dichter Regen, durch so viele Stunden, im eifrigsten Wettkampfe sich überbothen, auf ein Mahl durch ein reines Leuchten, wie bey der Entfernung einer Electrisir-Maschine, das Flammenmeer völlig aufgezehrt war, und wir unsere Feuerprobe vollendet zu haben schienen." „Noch einige Blitze, die immer entfernter sich zeigten, — noch immer ferneres Rollen des Donners, der wie ein böser, von göttlicher Hand besiegter Geist, noch im Scheiden den dräuenden Abschiedsgruß seines unterdrückten Zornes wiederhohlet — und gereiniget von allem, was vor wenigen Minuten noch Schreckliches den Wolkensitz beherrschte, trat freundlich lächelnd der Mond am azurnen Sternenhimmel hervor, und goß sanfte Labung in unser krankes Gemllth, das durch den erlittenen Sturm erschüttert, noch nicht fähig war, den süßen, rettenden Wechsel unseres Geschickes zu ertragen." „Doch zähle ich diesen Moment unter die seligsten meines Lebens, und nie wird die Stunde der Mitternacht von dem Übertritte des 5. ZU dem ö. July des Jahres isrr aus meiner Erinnerung scheiden." „Allmählig legte sich auch der Sturm unserer Seele, doch blieben wir auf unserer Stelle, und erst um drey Uhr Morgens wagten wir cs zu versuchen, ob es uns gegönnt sey, die Freyheit unseres Handelns auf der Giebelfläche zu benützen." — „wir mußten rückwärts kriechen, um aufstehen zu können, weil unsere Beine halb in den Abgrund hinabhingen. — Glücklich erhoben wir uns von diesem mehrstündigen Schreckenslager, und blickten von der Zinne des Berges mit dankbar heiligem Gefühle zu dem Schöpfer empor. — Ein heiterer Morgen hatte sich entfaltet, — Aurora grüßte mit wonnigem Verkünden aus den reinen Fernen, die den Horizont Motiv bei Velo polje Lichtbild von Cveto Švigelj, Ljubljana M » *'Mm V r \ drA- xr Bft;V ' >; umkreisten — weithin schaute mein Auge in das endlose All, und wie Tropfen perlenden Thaues erquickte, beseeligte, stärkte mein nieder-gebeugtes Gemüth der Genuß dieses Götteranblicks auf solcher „Doch, keine Freude ist rein dem Menschen beschieden. — während ich Hand in Hand mit meinem Gehülfen mich in dem Entzücken der Gegenwart labte, war meine Pyramide das Haus des Todes. — Ich nahte mich ihr, um mein Meffungs-Instrument aufzustellen, und welch Entsetzen ergriff mich, als der zuletzt bey mir gebliebene Führer, vom Blitzstrahl getödtet, erkaltet, in einer sitzenden Stellung in dem Innern der Pyramide lehnte. — Ich eile hinweg über diese Scene, die mich in dem Tiefsten meiner Seele erschütterte, und dankend blicke ich noch jetzt gegen den Fimmel, dessen göttliches walten mich noch frühe genug aus dem hölzernen Raume lenkte, welchen ich nun bey unbefangenem wirken der Vernunft, als die während eines Gewitters gefährlichste Stelle erkenne, die wir auf dem ganzen Giebel hätten finden können." „Ich suchte, von dem Anblicke des Leichnams abgewendet, meine physikalischen Beobachtungen vorzunehmen. — Ich maß zwey Höhen, nähmlich die Berge Hradisze und Matajor, und in Folge dieser Messung mit dem Theodoliten, habe ich die Seehöhe des Velki Terglou, nähmlich der höchsten Spitze des Terglou, auf 9067 w. Fuß berechnet. — Lange bemühte ich mich, meine Beobachtungen fortzusetzen, aber die körperlichen und moralischen Leiden der jüngsten Nacht, das Entbehren aller physischen Stärkungsmittel, und die traurige Katastrophe meiner Unternehmung, welche die unglückselige Veranlassung des Todes eines armen Menschen geworden war, hatten meine körperlichen Kräfte so erschöpft, daß ich kraftlos niedersank, mich unfähig fühlte, irgend ein Geschäft mit der nöthigen Unbefangenheit und Ruhe zu bewirken, und mich genöthigt sah, mein Meß-Instrument, das sowohl äußerlich, als auch an der Wasserwage mehrere Merkmale des Blitzstrahls an sich trägt, wieder zu verwahren." „Um acht Uhr frühe kamen sechs am verflossenen Tage entwichene Leute wieder herauf, und ich schreibe diese Hülfe wesentlich dem Umstande zu, daß der letzte meiner Flüchtlinge die übrigen, die in den Alpenhütten, in den Pferde-Alpen, das Gewitter abwarteten, sie von dem Rückbleiben eines ihrer Genossen benachrichtigte." „Mit welchen Empfindungen ich nun den Rückweg zurücklegte, und welche Stimmung unter meinen Führern herrschte, die den Leichnam in mein Zelt gewickelt, in seine Heimath zurück trugen, bedarf wohl meiner Erklärung nicht, und ich kann diese Erzählung einer Begeben-heit, die mir ewig unvergeßlich bleiben wird, nur mit der Bemerkung schließen, daß ich denjenigen, welcher an dem Schrecklichen, was ich überstand, zu zweifeln geneigt seyn sollte, an Wielands Blanchard verweisen, und ihn ersuchen müffe, im nächsten Sommer eine Gewitter-nacht auf der Zinne des Terglou zuzubringen." Laibach, im Herbstmonathe i srr. 7. Rapitel Schilderung einer Ersteigung des Terglou in Oberkrain im July J828 von Franz Edlen von Rosthorn (1828) Aus .wiener Zeitschrift für Runst, Literatur, Theater und Mode' J$30, Nr. 55—57 \ Eine im July isrs von wolfsberg in Kärnthen aus unternommene geognostische Reife, welche ich in Gesellschaft des königl. preußischen Hofrathes und rührnlichst bekannten Geognosten, teeren Keferstein aus Halle, durch die südlichen Kalkalpen machte, führte mich am j6. July nach Feistritz im wocheiner Thale (Bukova-Dollina, Buchenthal), um die dortigen Lagerungsverhältniffe der Gebirge aus-zumitteln, und erweckte in mir den Wunsch, den nahen, 9036 wiener Fuß über die Meeresfläche erhabenen Terglou29 zu ersteigen, von welchem sich feiner Stellung nach, als hervorragendes Glied der südlichen Kalkkette, eine weit umfassende, und vorzüglich die Alpen beherrschende Aussicht wohl erwarten ließ. Schon mehrere haben es versucht, über diesen Bergriesen Meister zu werden, doch nur wenigen ist es gelungen, ihr Ziel zu erreichen und den höchsten Gipfel desselben zu erklimmen. Diese waren im Jahre J7S2 der gelehrte Hacquet,22 1793 Kleiner, 1S09 Johann Deßmann, Laplan von Jeffenize, -Sir der Botaniker Sieber, 1820 Simon Pfeiffer, Looperator von Mitterdorf, und j 8zz Hauptmann v. Soft».28 Seit der letzten unglücklichen Ersteigung durch Softo29 hat es niemand mehr gewagt, auch nur einen neuen Versuch zu machen. Dieß stählte meinen Entschluß, und da es der Zufall wollte, daß ich in Feistritz mit dem Militärmappirungs-director in Illyrien, Major von Maurer, zusammentraf, der mein Vorhaben theilte und mit mir gemeinschaftliche Sache zu machen beschloß, so entwarfen wir noch am selben Abende unsere Pläne, bestellten Führer, Träger und Lebensmittel, und sahen der frohen Erfüllung unseres einzigen Wunsches entgegen, daß der Himmel uns nur zwey Nebel-, wind- und Höhenrauchfreye Tage gönnen möge, was wir um so eher hoffen dursten, als es schon einige Tage hindurch beständig gestürmt und gewettert hatte, am letzten dieser Tage das Barometer gestiegen war, und sich ein schwacher Nordwind erhoben hatte, der die Atmosphäre kühlte, von den schweren gesenkten Nebeln besreyte, und zuletzt die Gipfel der Alpen entschleyerte, die sich dann rein und frisch beschneyt dem Auge zeigten. Der Erfolg lehrte, daß wir uns nicht getäuscht hatten, denn die alte Erfahrung fand sich auch dießmal bestätigt, daß nach solchen Electricitäts- und Schnee-Entleerungen gewöhnlich einige schöne Tage folgen. Mit Jubel begrüßten wir den Morgen des 17. July, denn er verhieß uns die ersehnte Erfüllung unserer Erwartungen. Frühzeitig brachen wir von Feistritz auf, begleitet von den frommen wünschen unserer Gastwirthe, zu dieser gefahrvollen Reise auf den Riesen in der südlichen Kalkalpenkette. Mitterdorf war der gemeinschaftliche Sammelplatz der Gesellschaft, welche aus sechs Reisenden, zwey ganz vertrauten Führern und fünf andern muthigen Landleuten bestand. Mit Stöcken, Steigeisen und allen Requisiten versehen, welche eine solche Alpenwanderung erfordert, verfolgten wir anfänglich eine ziemlich gute Bergstraße, die bis zu den Eisengruben des Freyherrn von Zoys führt, und gelangten nach einer zweystündigen Wanderung auf eine Alpenwiese, die den Namen Vouskanza trägt, wo wir zum ersten Male r£alt machten, um uns durch einige Erfrischungen von den Beschwerden der drückenden Hitze zu laben. Von da zog sich der weg sanft aufwärts über Alpenwiesen, bis wir einen Wald am südlichen Abhange des Berges Doust erreichten, der uns einen ziemlich schlechten, an einigen Abgründen vorüberführenden, sonst aber gefahrlosen Fußsteig vorzeichnete, dessen Rand häufig mit überhängendem Grase bewachsen ist, das den Unerfahrnen leicht zu gefahrbringenden Fehltritten verleiten kann. Nun mußten wir eine trockene Felsenschlucht durchsetzen, um dann in der beginnenden Krummholzregion stark bergan zu lenken. Vom angestrengten Steigen ziemlich ermüdet, kamen uns einige Hütten, in welchen Schafvieh gehalten wird, als Ruhe-punct sehr willkommen, von welchen wir einer herrlichen Aussicht gegen den von der Savitza (wocheiner Save) durchströmten romantischen wocheiner See genossen. Neu gestärkt, setzten wir jedoch bald unfern weg fort, der uns über Felsen führte, die hie und da mit Krummholz und einzelnem verkrippelten Hochholze bewachsen waren, bis wir endlich gegen Abend die Koinska-Planina (Pferde-Alpe) erreichten, ein einförmiges Keffelthal, aus steilen, oft senkrechten kahlen Felsenmassen gebildet, die aus weißem Alpenkalke bestehen und häufig zackige und zerrissene Formen zeigen, Hier erheben sich gegen Osten der Liclimar und Doust, gegen Westen der Muschelvar, Brevo und die Baba-Mariza, gegen Süden der Läsar und Stou, und gegen Norden steigen der kleine und große Derglou senkrecht empor. Nur weniges Gehölz und meist nur Krummholz findet sich in diesem Dhale, dessen Grund mit feuchter, schwarzer Dammerde bedeckt ist, und io kleine, niedere Alpenhütten, Upole genannt, birgt, die uns als Nachtherberge begrüßten. Nachdem wir unsere geognostischen Beobacht tungen hier beendigt und uns an jenem wild romantischen Bilde gesättigt hatten, genoffen wir ein karges Abendmahl und suchten bald nach Sonnenuntergang, der hier ziemlich früh eintritt, zu drey und drey in diese Hütten vertheilt, die dem müden Wanderer so ersehnte Ruhe, Hier stärkten wir unsere Glieder durch Waschungen mit Branntwein zur morgigen Reise, hüllten uns in unsere Mäntel, vergruben uns tief in das aufgeschichtete r£eu und hofften uns wenigstens durch einige Stunden mit Schlaf zu erquicken, was uns aber leider, wie auf den meisten Alpen, so auch auf dieser, nicht gegönnt war, da der durch die Spalten der schlecht gezimmerten Hütten durchsausende kalte Nordwind uns nur wenig Ruhe erlaubte. Schon um Y23 Uhr Morgens machten wir uns wieder auf, nahmen etwas weniges von geistigen Getränken zu uns, die auf solchen Alpenreisen zuverlässig die zweckmäßigsten sind, und schlugen unfern weg nach der rechten Seite des Lhales westwärts ein, wo wir immer bergansteigend, ungefähr noch eine Stunde, Spuren eines Fußsteiges verfolgten. Auf diesem Pfade ist in der Dunkelheit der noch kaum begonnenen Dämmerung Vorsicht zu empfehlen, um sich vor Ausgleiten und Abfallen über wände zu verwahren. Bald wandten wir uns nördlich, der weg wurde immer steiler, und theils über Gerölle und Schutt, theils über Steinplatten kletternd, wo schon alles Krummholz verschwunden ist, und nur wenige Alpenpflanzen vom kargen vegetabilischen Leben zeigen, gelangten wir an einzelne alte Schneefelder, die uns den ferneren, immer steiler werdenden weg bezeichneten. Hier nimmt das Gerölle und lose Gestein mit jedem Schritte zu, und macht durch die lockern, unter dem Fußtritte hinwegrollenden, Steintrümmer das Steigen sehr beschwerlich und ermüdend, häufig wechselt dieß Gerölle mit Steinplatten und großen Schneefel-ern, welche letztere dem Wanderer auf diesem beschwerlichen Pfade höchst willkommen sind, da sie gleichsam als Ruhepunct dienen, und das Steigen erleichtern, indem die alte, fest gefrorne Decke dem Einsinken des Fußtrittes widerstrebt, und zugleich Kühlung darbietet. In dieser wildniß blieb ein Glied unserer Gesellschaft, dem das Steigen schon zu beschwerlich geworden war, zurück, verzichtend auf den Genuß, den Gipfel des Terglou erreicht zu haben. Einen unserer Leute ließen wir ihm als Gesellschafter in dieser wüsten Gegend, und setzten unsere Wanderung immer noch steil bergan, gegen Norden fort, bis wir endlich an die senkrechten, himmelanstrebenden wände des kleinen und großen Terglou gelangten. An dieser Stelle scheint es, alles weiterschreiten habe sein Ende erreicht; denn nur eine Felsenspalte, eine enge, mit Schnee und losem Gestein angefüllte Kluft ist es, die sich gegen Nordost zieht und durch welche man sich auf sehr steilem Pfade beynahe durchzwängen muß, um auf eine kleine Einsattelung des Gebirgrückens zu gelangen, die den ferneren weg zum Gipfel des Lerglou vorzeichnet, und der Ähnlichkeit der Form wegen, das Thor des Lerglou genannt wird. Sowohl gegen Osten als Westen ist diese Stelle durch senkrecht sich emporhebende wände geschloffen, und nur gegen Norden, wo sie sich öffnet, ist dem Auge freye Aussicht gestattet, und ungehindert schweift der Blick über das zu den Füßen ausgebreitete Kärnthen. Dieser beschwerliche weg, vom Ende des vorhin erwähnten Fußsteiges angefangen, wo man beginnt, sich nördlich zu wenden, bis zum Lhore, ist es, von welchem schon Hacquet erzählt, daß die losen, springenden Steine die Wanderung sehr gefährlich machen, und wirklich fielen Stücke von den vielen abspringenden Steinen dreyen unserer Gesellschaft dicht am Kopfe vorüber. Die Ursache dieser springenden Steine liegt hauptsächlich in der Steilheit der wände und dem immerwährenden Wechsel des Gerölles mit Steinplatten, die natürlich dem höher los werdenden Gerölle schiefe Rollflächen darbieten und das Springen desselben bewirken. Einen lieblichen Genuß gewährt auf diesem bedenklichen Wege das Zwerg-Vergißmeinnicht (Myosotis nana Vill.), welches mit seiner großen azurnen Blume auch dem Nichtbotaniker auffällt, von Hacquet in Österreich hier zuerst beobachtet und als Myosotis terglovensis beschrieben und abgebildet wurde. Diese schöne und seltene Pflanze kommt vorzüglich am Wege bis zum Lhore vor, und wurde bis jetzt nur noch am Hoch-Golling in Steyermark, und einigen Alpen Lyrols gefunden. Obwohl etwas ermüdet, gönnten wir uns hier doch nur wenige Augenblicke Ruhe, ließen alles Entbehrliche, als Stöcke, Laschen, Mäntel u. s.w. zurück, entledigten uns unserer Röcke, die wir den Führern um die Mitte des Leibes banden, und traten mit etwas Brot in der Lasche, nebst zwey mit Haken versehenen Seilen und einigen pechrauchkugeln, die zu Signalen bestimmt waren, die weitere Wanderung an. wir waren nun genöthigt, an der westlichen senkrechten wand aus Steinen und Felstrümmern eine Art Lreppe zu erbauen, um mit tgülfe derselben einige hoch gelegene Vorsprünge mit den fänden erfassen zu können, und kletterten auf allen Vieren, Einer hinter dem Andern, auf den Rücken dieser wand. Durch diese mühevolle und beschwerliche Expedition abgeschreckt, blieb hier ein zweytes Glied unserer Laravane zurück, welchem wir gleichfalls einen, unserer Leute zur Gesellschaft ließen. Doch bald kamen wir auf bessern Der Triglavgletscher Lichtbild von Ing. Wilhelm Dronowicz, Maria-Rain i E : «MM weg, indem wir uns gegen Süden wandten; es währte aber nicht lange, denn in kurzer Zeit gelangten wir wieder dicht an eine senkrechte wand, wo wir überhängender Felsen wegen, gegen die Tiefe hinausgebückt, hinüberschreiten mußten. Kaum war diese schwierige Stelle überstanden, als uns eine zweyte noch weit schwierigere entgegenschaute. Ein wilder Abgrund, eine schauerliche Steinkluft war es, die wir übersetzen sollten. Aber das sich immer mehr nähernde Ziel erlaubte kein ernstliches Untersuchen, und muthig setzten wir darüber weg, bevor uns das Abwiegen der Gefahr stutzen machte. Solcher, nur für den geübten Alpensteiger besiegbarer Stellen folgten noch mehrere, und nach fünfthalbstündigem mühevollem Klettern waren wir auf dem Gipfel des kleinen Terglou (mali Terglou). In der That muß man den weg bis hieher beschwerlich und gefahrvoll nennen; er erfordert Schwindellosigkeit, kaltes Blut und vielen Kraftaufwand. Das Beschwerlichste sedoch stand setzt erst zu erwarten, wir gelangten einige Schritte abwärts, und wandten uns der Länge nach gegen Südwest, als wir bald an eine 12 bis 15 Zoll breite, von beyden Seiten durch senkrechte Abgründe gebildete Schneide kamen, die wir übersetzen mußten, was eben so beschwerlich als gefährlich ist. Doch auch hierzu waren wir schnell entschlossen. Das ganz verwitterte, zerklüftete Gestein, welches diese Schneide bildet, erhöhte noch die Schwierigkeiten, die diese Stelle dem Wanderer darbietet, denn es stellt nicht nur eine sehr rauhe, unebene Oberfläche entgegen, sondern hat auch den Nachtheil, daß es durchaus keinen sichern Anhaltspunkt gewährt, indem es so locker und mürbe ist, daß es häufig, während man sich an demselben festzuhalten wähnt, unter der Hand bricht, wir zogen das Kriechen über diese Schneide dem sogenannten Reiten vor, theils wegen der größern Schnelligkeit und mindern Beschwerde, theils wegen des Vortheils, den diese Lage des Körpers gewährt, indem man hiedurch die Augen dem Boden näher bringt und dadurch weit weniger von einem Schwindelanfalle zu befürchten hat. Überhaupt soll man bey solchen gefährlichen Stellen das Hinabsehen in Abgründe möglichst zu vermeiden suchen. Unsere Führer warnten uns auch vor dem Hinabwerfen der int Wege liegenden Steine, wenn es nicht unumgänglich nöthig wäre; sie sagten: „die Steine ziehen den Menschen nach;" und wahr ist es, ein höchst widriges Gefühl erregt es, wenn die Steine in die ungeheure Tiefe abfallen oder vielmehr in dieselbe verschwinden, was ungeachtet der größten Vorsicht hier nicht vermieden werden kann. Vlut im ersten Augenblicke hört man ein Geräusch, bis endlich nach einer langen Pause ein dumpfes Rollen aus der fernen Tiefe ertönt und unwillkürlich das Gefühl, selbst des Kaltblütigsten, ergreift. Dieser weg, der zum Glücke nur 15 bis ro Klafter in der Länge hält, hat so viel Abschreckendes, daß zwey rüstige Hirtenbursche aus unserem Gefolge beym Anblicke dieses Überganges den Muth verloren, uns verließen, und den Rückweg nahmen. Der Bergrücken, in welchem sich diese Schneide verbreitert, währt nur kurze Zeit, denn bald nimmt er wieder an Breite ab und verliert sich in eine ähnliche, gleichfalls aus losem Gestein gebildete Schneide von i r bis 15 Zollen in der Breite, welche zur schlechtesten und gefährlichsten Stelle der ganzen Wanderung führt, und auf welcher der Führer dicht hinten nach kriechend, durch den immerwährenden leisen Zuruf: „L6 koräsho! Naprej!“ Mur Muth! Vorwärts!) den Muth seines Schutzbefohlenen zu stählen sucht. Die erwähnte Stelle ist eine sich plötzlich entgegenstellende, beynahe senkrechte wand, welche von dieser schmalen Schneide aus erklettert werden muß! Langsam und vorsichtig, und nur auf die Stelle blickend, die der Fuß berührt, richtet man sich auf dieser Schneide auf, und sucht, mit fänden und Füßen an die Felsvorsprünge dieses wand sich klammernd, allmählig sich emporzuheben und die obere Fläche derselben zu gewinnen. Auf dieser fast senkrechten wand, welche ein außer der Schneide, über den tiefen Nordabgrund hervorragendes Felsstück ist, hängt man beynahe frey, die fürchterlichste Tiefe unter sich habend! Diese Gefahr zu bekämpfen, erfordert wahrlich einen bedeutenden Grad von Unerschrockenheit! Aber nur wenige Tritte höher, und man hat den breiten Rücken derselben erreicht, der den muthigen Besteiger in wenigen Minuten auf den Gipfel des großen Terglou (velki Terglou), das Ziel seiner Bestrebungen stellt. Unstreitig ist die Strecke zwischen den Gipfeln des kleinen und großen Terglou die beschwerlichste und gefahrvollste der ganzen Wanderung. ♦ wer auf dem Wege bis zum Gipfel des kleinen Terglou nur einiges Bedenken trug, der gehe ja nicht weiter, er würde rückkehren nach vergeblicher Bemühung und ohne das Ziel seiner Bestrebungen erreicht zu haben. Der Gipfel des großen Terglou, der r bis 3 Klafter in der Breite und j2 bis 15 Klafter in der Länge hält, bildet einen schmalen, stark convexen Rücken, der sich von Nordost gegen Südwest zieht, und ringsum mit fürchterlichen Abgründen umgeben ist. Dieser Rücken bietet wieder zwey Erhabenheiten dar, von denen die nord-östliche die höchste ist, und auf welcher sich ein aus Steinen zusammen- -gelegtes «Quadrat befindet, worauf die Pyramide Bosi'o's stand. 3m Mittelpuncte dieses (Quadrates zeigt sich ein Stein, in welchem, nebst einem Kreuze, der Name Bosio eingemeißelt ist. Dieser Theil des Gipfels ist zum Theil schneelos und mit losen Kalktrümmern bedeckt, während der andere, etwas mindere, durch einen Sattel mit diesem verbundene, ganz mit gefrontem Schnee überdeckt ist, aus welchem Bosio's stahlene Wetterstange ragte. Sie war noch vollkommen glänzend, ohne Spur einer Oxydation, und nur nach Nord unter einem rechten Winkel gebogen, zerbrach aber, als unsere Führer sie gerade biegen wollten, weder in oryktognostischer noch in geognostischer Hinsicht bietet der Gipfel des Terglou eine Merkwürdigkeit dar, desto mehr aber kann der Geologe von dieser Stelle aus Betrachtungen anstellen, indem er den Bau der Alpen deutlich übersieht. Das Gestein, aus welchem der Terglou besteht, gehört dem Alpenkalke an, einer Formation, über deren Einreihung selbst die ausgezeichnetsten Geo-gnosten noch so sehr im Zweifel sind. Die vielen losen Felskrumen, welche den Gipfel ganz bedecken, scheinen ihren Ursprung mehr von der Zerklüftung zu haben, der dieß so leicht verwitterbare Gestein unterworfen ist, als durch die Einwirkung des Blitzes, der sie sonst häufig zugeschrieben werden; wenigstens fanden wir keine Spur von Zersplitterung, und diese Trümmer vollkommen mit einer blaugrauen Kruste überzogen. Schon vom Thore des Terglou angefangen hat alle Spur des animalischen und vegetabilischen Lebens beynahe ihr Ende erreicht und nur die tiefsten vegetabilischen Formen traten in der Gestalt einiger Lichenen noch in dieser Höhe auf. Grauer Alpenkalk, wechselnd mit Schnee, ist das Einzige, was das Auge in der wüste erschaut. Heiter war die Luft und vollkommen rein, wie sie nur selten auf solchen Höhen zu treffen ist; kein Nebel, kein wind beunruhigte das heitere Bild, und nur ein sanfter Süd wehte uns leise entgegen. Mit entblößtem Halse stand ich auf diesem erhabenen puncte, so mild war die Luft, und hätten die Füße nicht aus dem Schnee Kälte gezogen, so würde uns nichts sonst unfern hohen Standpunct fühlen gemacht haben, während sich unsere Leute mit dem Anbrennen der Signalrauchkugeln und dem Aufsuchen der Flasche beschäftigten, in welcher die Plamen der früheren Terglou-Ersteiger Deßmann, Sieber, Pfeiffer und Bosio auf Zetteln geschrieben aufbewahrt seyn sollen, genossen wir der unendlichen, Alles übertreffenden Aussicht. Sie zu beschreiben wäre vergebliche Mühe, wer wagte dieß von den unzähligen herrlichen Formen Tausender von Bergen! welch großartiger, auffallender Unterschied des Gebildes primitiver und seeundärer Gebirge! Welch differente Vegetations verhältniffe übersieht man hier, von der unendlichen Fläche des Meeres, bis zu dem erhabenen Kranze der mit ewigem Eise umgürteten Centralkette der Alpen! welch herrliche Farbenpracht, welche Beleuchtung! weiß, grau, schwarz, blau, gelb, grün und roth in allen Conen, dunkel und licht, matter Schimmer und Heller Glanz! welch' unendlicher Horizont eröffnet sich hier dem Auge, von den Bergen des osmanischen Reiches bis zu den Apenninen. Alles will das Auge umfassen, nirgends kann der Blick ruhen, mit Gedankenschnelle eilt er über Alles hinweg, möchte überall verweilen, und wird unwillkürlich wieder weiter gezogen. Selbst die höchste Phantasie sinkt hier tief unter die Wirklichkeit! Alle Beschwerden, selbst die bevorstehenden Gefahren des Rückweges, sind vergessen über das unendliche Bild, über den unbeschreiblichen Eindruck. Der Cerglou, der einzige Gletscher im Herzogthume Krain, und der Scheidepunet der carnischen und julischen Alpen, bildet die höchste Kuppe in der südlichen Kalkparallele der Lentralkette, welche südlich vom Monte Rosa, zwischen dem Lago di Conto und dem Ogliothale beginnt, durch Tyrol fortzieht, sich am Cerglou gabelt, und von hieraus Ausläufer östlich nach Croatien, der wallachey und Siebenbürgen, und südlich nach Illyrien, Bosnien, Servien und Maeedonien sendet. Seine Höhe beträgt nach den Messungen parquet's und Kassel's 9294 Pariser Fuß oder 10.194 wiener Fuß, und nach Schulz sogar 9744 Pariser Fuß; nach jenen Schuckbourgh's hingegen nur 937S wiener Fuß, nach Hauptmann von Bosio's Messung 9067 wiener Fuß, und nach den allerneuesten und genauesten Messungen gar nur 9036 wiener Fuß, welche Höhe ihm aber immer noch die bedeutendste Stelle im südlichen Kalkzuge, und namentlich in den julischen Alpen anweiset, und die, verbunden mit seiner freyen Lage, die weite, unendliche Umschau, vielleicht die schönste Fernsicht in der österreichischen Monarchie gewährt. Seine nächste Umgebung gestaltet sich als ein wild pittoreskes Bild. Überall leuchtet Kahlheit und Trockenheit hervor. Bis hinab erschaut das Auge nichts als pflanzenloses Felsgebilde aufgehäuft, voll von prallichen Zacken, Brüchen, senkrechten wänden und wüstem Getrümmer, Thäler über Kreuz und Euere, aber ohne alles Leben, kein Gräschen, kein Euell, nichts, gar nichts, als dürres Gestein und nackter Schnee, welche diese leblosen wüsten in ewigen Ernst kleiden. Man steht hier wie auf der Zinne eines Thurmes, überall von senkrechten wänden umgeben. Gegen Norden erblickt man einen Gletscher; gebrochen nach oben, gähnen seine ' Spalten über roo Klafter hohe, senkrecht abstürzende wände herauf, und gegen Südwest zeigen sich eben so fürchterliche wände, aus deren Fuße der Ursprung des Isonzo sprudelt. Nach Süden erschaut man gleichfalls wildes Gewände, und aus der Tiefe erheben sich die Gipfel der Baba-Mariza, des Cäsar und Liclimar. Gegen Osten entzieht sich beynahe dem Blicke die Schneide, über welche wir heraufgeklommen, zu beyden Seiten von furchtbaren Abgründen umgeben. Gegen Westen zieht sich der Kalkalpenzug ununterbrochen bis ins fernste Grau fort; ein ungeheures, riesenhaftes Gemäuer von r bis 4 geographischen Meilen in der Breite, erschreckend durch das wilde seiner zerriffenen Massen und die fürchterliche Rauhheit seiner gewaltigen, kahlen Felsen. Breite Rücken, gezackt, zerklüftet, wie zerfallene Trümmer von Burgen, warten und Thürmen, steil, senkrecht, überhängend, Einsturz drohend, voll von eckigen Formen und wilden Riffen, geben dem Ganzen ein schauerliches Ansehen, aus dem sich die Phantasie das Mannigfaltigste schaffen kann, nur nicht ein Bild von Ordnung. Ein geistesschwacher, gemüthkranker Mensch müßte bey längerer Betrachtung dieser gleichsam chaotisch hingegossenen Massen beynahe zur Verzweiflung gerathen. was dieses Gebilde aber hauptsächlich so wild dem Auge darstellt, ist, daß man es seiner ganzen Länge und Breite nach, von oben, tief unter den Füßen überschaut. Einzelne Kuppen dieses Zuges, als: der Matajor, Mannhard, Nabois, Peralba, Reiskofel, die pestwand u. f. w. erheben sich mächtig über ihre Nachbarn, und erreichen beynahe die Höhe des Terglou, werden aber doch von diesem Bergriesen gedemüthiget. Je weiter diese Kalkmaffen sich nach Tyrol hinziehen, desto scheinbar breiter wird das Gebirge, bis es endlich gegen Südwest die Gestalt eines Halbmondes annimmt, aus welchem man deutlich die Berge des Etschthales zwischen Vicenza und Verona gleichsam in die Ebene hervorgedrängt erblickt, und in blauer Ferne die Apenninen. Dieses Alpengebilde begrenzt gegen Norden das Gail- und Sauthal, und gegen Süden die venetianische Ebene, welch ein auffallender Contrast eröffnet sich hier dem Blicke zwischen den kahlen Kalkbergen und der reichen Vegetation des herrlichen Italien! welch' üppiges, herrliches Grün bedeckt dort die Fläche, wie mit Silberfäden durchzogen von Flüssen, unter welchen der Tagliamento der mächtigste ist, und von Hunderten von Ortschaften gleichsam wie mit Blumen übersäet. Sehr deutlich erkennt man Udine, Pordenone und Treviso, doch Venedig entzog sich unserem Blicke, wiewohl man es von hieraus sehen muß, da man vom Mar-custhurme auch den Terglou erblickt. Südöstlich zeigt sich das ziemlich gebirgige Görz mit vieler Abwechslung von Bergen und Thälern, aus welchen wir deutlich die Gegenden Vippach erkannten. Die Kalkalpen, welche sich vom Lerglou hier abwärts ziehen, nehmen ein weit niedreres Niveau ein. Flächenartig laufen sie aus einander und ungehindert sieht man über ihre Höhen in die Thäler, daher zum Lheile ihr wellenförmiges Ansehen. Nur südöstlich erhebt sich zur Alpenhöhe der Feiftritzer Schneeberg; ausgezeichnet sieht man den Nanas bey Adelsberg, und sehr deutlich erkennt man den Monte maggiore bey Lovrana in Istrien und das Lapellengebirge. Begrenzt ist dieß Bild vom Meere in der Gegend von Venedig, pirano, pola und Fiume, das sich mit allen Buchten und Landzungen zeigt, doch nicht wie ein Streifen, sondern eine unendliche Wasserfläche begrenzt dasselbe den Horizont. Gegen Südost und Ost übersieht man ein weites Gebilde von Bergzügen und Flächen aus der südlichen Steyermark und Krain. Über Laybach erblickt man das große Sauthal und die Gegend von Agram; zur Linken davon das Rekagebirge und den Papak; etwas südlicher Lroatien, die Gegenden von Larlsstadt, und aus den Berg-Zügen deutlich den Klek, die piana und pliffeuriza; weiter gegen den Horizont hinausgerückt die Berge des türkischen Lroatien, Dalmatien und Bosnien; doch alles wellig, ins ferne Grau sich verlierend, und nicht mehr den Alpencharakter tragend. Nördlich vom Derglou schließt sich ein Kalkzug von West nach Ost mehr an die Lentralkette und scheidet das Gail- und weiter abwärts auch das Sauthal vom Drauthale, und bildet hier zugleich die Grenze zwischen Krain und Kärnthen. Dieser Gebirgszug ist bey weitem niederer, und man sieht von hieraus alle feine Gipfel zu den Füßen; so die Dauke, den Un» hold, den Gailberg, die Villacher Alpe, den Mittagskogel, den Stou, die Ortatscha, pogunschiza, Seleniza, Kashiutta, den Obir, die Petze und endlich den Ursulaberg, von welchem sich nach Osten die Berge noch weit niederer fortziehen. Südlich von diesem Zuge stellt sich ein zweyter, höherer Kalkzug auf, der zwar auch am linken Ufer der Sau sich erhebt, nach geognostischen Gründen doch aber zur eigentlichen Tergloukette gerechnet werden muß. Die wichtigeren Kuppen darunter sind: die Kotschna, der Grüntuz, Starschütz, die Mastagora, Gstriza, Radocha und Brana, die fern im Osten, den dreyfachen Grenzpunct von Krain, Kärnthen und Steyermark bildend, sich noch zu SoS5 wiener Fuß Seehöhe erhebt. Über diesen Kalkzügen erblickt man, tief zu den Füßen gesunken, das Lentral-Schiefergebilde, die Lhor- und Saualpe, den Kreffenberg, die Sirbize, Krebenze, den Eisenhut, die Kaiserburg, die Fladnitzer und Modringer Alpe, die Görlitze, das Reitereck, der HO Rakaspitz u. a. m. durchaus 6000 bis 7000 Fuß hoch, von schönen gerundeten Formen, unter sanften Winkeln aufsteigend, grün bis zu den Höhen, und Alpen im doppelten Sinne. Zwischen diesem Central« schiefergebirge und den beyden vorerwähnten Kalkalpenzügen zeigt sich das Drauthal, welches zum Theile durch Diluvialgebilde von der Klagenfurther Ebene getrennt ist, und in deren Mitte, gleich einem 'Zügel, der Ulrichsberg, weiter aufwärts steht man das Glan- und Gurkthal mit dem Krappfelde, und über dem Schiefergebilde erheben stch zwischen der Mur und der Enns die höheren, aber noch zum Centrale gehörigen Felsen, als: der Hochgolling, die wildstell, die Sölkeralpe, das Eiskar, die Hohenwart, der Zinken u. s. w. Von der, nördlich der Centralkette laufenden Alpenkalkparallele, besonders jenem Theile, welcher stch am linken Ennsufer erhebt, ist wegen der vorwaltenden Höhe der Centralkette, von hieraus wenig oder nichts zu sehen, weiter gegen Nordosten wähnten wir zwar Kalke zu unterscheiden, sie waren aber so sehr mit Dunst, mehr Höhenrauch als Nebel, umflort, daß wir nur schwache, undeutliche Umrisse erkennen konnten, wahrscheinlich waren es die Kalkmaffen des Hohenschwabs in der Gegend von Mariazell. Das erhabenste Bild aber macht von Norden nach Westen, ungefähr go Grade des Gesichtskreises einnehmend, das eisumpanzerte Central-Granit-Gneißgebilde, vom Zebedul in Veltlin bis zum Hafnereck in Kärnthen. Unvergänglich, in ewiger Pracht starren diese Massen gezahnt, gezackt, übersäet mit Spitzen, Nadeln und Körnern, weit hinaus über die lebendige Natur in die reineren Lüfte, und senden ihre schlanken, schneeweißen Säulen und Nadeln ins unendliche Blau des Fimmels. Aus acht kolossalen Massengebilden unermeßlichen Eises, erheben sich einige dreyßig Granitgipfel der höchsten Ordnung empor. Deutlich erkennt man, von Nordost nach West sich wendend, das Hafnereck, den Ankogel, Frammerkogel, Herzog Ernst, Sonnenblick, Hohennarr, Granatkogel, Grauenkogel, Glöckner, Brennkogel, das wisbachhorn, den Dreyherrenspitz, Heiligengeistkogel, großen Venediger, Schendigernock, Schwarzenstein, Hornspitz, hohen Frauele-berg, Geyerspitz, Kreuzspitz, Thalnitsspitz, hohen Fürst, die wildspitz, den Similaun, Orteles und Zebedul. Imposant sahen wir sie noch, trotz unsers erhabenen Standpunetes! Ich kann nicht umhin, hier auf die große Verschiedenheit der Gestaltung der Granit-, Schiefer- und Kalkmaffen aufmerksam zu machen, welche beym Wechsel der Tagesbeleuchtung besonders auffällt und vielleicht bisher nur von wenigen Alpenbesteigern ist beobachtet worden. Oft noch vor des Tages Grauen, wenn noch schwarze Nacht die Thäler deckte, erschaute schon mein Auge das weiße, geisterbleiche, gigantische Gebilde, unfähig zu unter« scheiden das Gestein, noch den Schnee; allein verworren blieb das Ganze, und mehr geahnet als gesehen, bis die eintretende Dämmerung Gewißheit schaffte, und der in den Höhen beginnende Tag das matt gezeichnete Bild vollends entschleyerte. wie mit einem Zauberschlage berührt alle Spitzen ein flammendes Feuer, ein glänzendes Gold übergießt die blaffen Eismaffen, und bald erscheint die Alles zum Leben erweckende Sonne am Fimmel. Je höher sie steigt, desto blässer und glanzloser wird der dunkle Purpur, den ihre ersten Strahlen über die Berghohen der Alpen ausgießen, bis endlich durch alle t*üie Nebel dichter heran, und es war nur noch ein Blick hinaus auf die Steineralpen erlaubt; über uns glänzte zwar noch abwechselnd durch die vorüberziehenden Flöre die Sonne hervor; aber tief unter uns über die Feistritzer Gebirge, lag undurchdringliche, erebische Nacht; es war, als ob man auf der einen beleuchteten Hemisphäre stehend zugleich in die andere nächtliche hätte Hinüberblicken können. Aber die Nacht stieg auf und auf, und drohte in kurzer 9 Rugy, Triglav. 129 Frist auch uns mit ihrem Mantel zu verhüllen, während einer kleinen Ruhe, welcher in dieser Einöde gepflogen wurde, gaben uns der junge Kos und Shoklizh ein Probestückchen ihrer schauderhaften Verwegenheit zum Besten. Aus einer östlichen, gäh abstürzenden wand, einige Tritte abwärts, ragte ein gespaltenes Felsenstück hervor. Der Muth-wille lockt sie, sie steigen hinab, sie zwängen sich in die Spalte, und rütteln an dem nach aufwärts stehenden Felsblocke so lange, bis er krachend losbricht, und donnernd und zerstäubend, hart an ihren Füßen in den Abgrund stürzt. Ich weiß nicht, wie es möglich war, daß sie nicht nachftürzten. Ähnliche Proben führten sie uns in seltener Kühnheit mehrere an andern Stellen vor. Zwischen hier und dem sogenannten Thore des Triglov führt der weg über ein steiles Schneefeld, dann über Gerölle fort an die wände hinauf, an denen wir bereits im Regen anlangten, wir standen am Thore, das aber paffender als die Stiege des Triglov bezeichnet werden könnte, denn es ist ein enger, mit Gerölle erfüllter Riß in die Felswand, durch den sich ein steiler Pfad in nordöstlicher Richtung etwa zehn Klafter lang aufwärts zieht, wir fanden diese Felsenspalte ohne Schnee und breit genug, daß, ohne sich durchzwängen zu müssen, einer hinter dem andern emporsteigen konnte. Unter einer überhängenden wand auf diesem Pfade suchten wir einige Zeit Schutz vor dem Regen, und saßen so in seltener Stellung in der engen Zelle der Reihe nach da auf losem Gestein, das jeden Augenblick zum Abrutschen bereit war. Indessen dauerte der Regen länger als unsere Geduld, und naß, wie wir schon waren, enteilten wir um so mehr der Felsenspalte, als uns die Führer noch immer Hoffnung auf besseres Wetter gaben. Oberhalb dem Thore oder der Stiege gelangt man auf eine kleine Einsattlung des Gebirgsrückens. Gegen Ost und West senkrechte wände, zwischen durch den Abgrund; nur gegen Norden ist hier schon Kärnthen bey heiterem Wetter dem Auge tief zu den Füßen ausgebreitet. Man erklimmt ohne Anstrengung eine kleine westliche wand, Hier ward der Regen so heftig, daß wir uns, den Abgrund vorbey, unter ein nachbarliches Felsendach hinüberzogen, um abermals Schutz vor seinem wüthenden Einstürmen zu suchen. Auf dieser Stelle trat, in Gestalt des alten Kos, der Versucher zu uns, und sprach mehr lächelnd als ernsthaft: „wir könnten ja sagen, wir seyen oben gewesen und umkehren, denn das Wetter sey doch etwas grob." Da wir aber diesen Antrag auflachend ablehnten und er uns zur Fortsetzung der Reise entschlossen sah, so raffte er sich plötzlich, wie einer, der sich schnell für etwas ent- scheidet, zusammen, schritt voran hinaus in Regen und wind, alles folgte nach, und von diesem Augenblicke bis auf den Gipfel des großen Driglov wurde keine Secunde lang mehr angehalten. Diese unverdrossene Willfährigkeit unserer wackern Führer, die, so wie wir alle, immer beym heitersten Muthe blieben, ist es, der wir, wie oben erwähnt, die Erreichung unsers Zieles zu danken haben, denn wenn sie hätten erklären wollen, es sey in solchem Wetter nicht weiter zu steigen, oder auch nur, sie wollten in dem Ungestüm nicht vorwärts wandern, so hätten wir ihnen nicht viel dagegen einwenden und auf jeden Fall nur umkehren können, wenn sie es vor unfern Augen gethan hätten. Bis hieher ist keine Gefahr; jetzt erst beginnt die Sache bedenklicher zu werden. Man kommt an die östliche wand des kleinen Driglov, und nun ereignet sich eine Kleinigkeit von gewaltiger Wirkung. Der vorausschreitende Führer legt den Stock ab und geht schweigend weiter. Alles folgt seinem Beyspiele. Also dieser Freund des Alpensteigers, diese seine Stütze in Beschwerde und Gefahr, sein dritter Fuß, seine Probierstange, sein bereitwilliger Gehülfe muß hier aufgegeben werden, und wenn man sonst auf Alpenreisen den gewöhnlichen Stock verlängert, um ja nur recht viel Stock bey sich zu haben, so muß man dem Gefährten, an den man sich in langer Übung gewohnt hat, hier gänzlich entsagen. Die Hand fühlt sich verwaiset, man sieht sich unwillkürlich nach ihm um, man erscheint sich in den ersten Augenblicken wie ein, dem schützenden Gehkorbe entnommenes Kind, das nun seine ersten freyen Dritte versuchen soll. Aber bald ist der bey Seite gestellte Freund vergessen; wer hätte auch Zeit, seiner in einer Lage zu gedenken, in welcher er kein hülfreicher Begleiter wäre, sondern eine beschwerliche, hemmende Last. Von jetzt nemlich bis auf den Gipfel des kleinen Driglov, ein weg, den wir in einer Stunde zurücklegten, kommen nur wenige Stellen vor, auf denen man sich in aufrechtem Zustande befindet, und beynahe keine, zu deren Bewältigung man nicht eben so sehr der Verwendung beyder Hände, als der Füße bedürftig wäre. Alsbald nach abgelegten Stöcken beginnt man, einer hinter dem andern, über eine fast senkrechte wand wie in einer engen Rinne emporzuklettern, wo die losbrechenden, in feindlichem Sprunge abwärts setzenden Steine zur größten Behutsamkeit auffordern. Es regnete heftig, kalt blies der wind; und da ich besorgte, daß meine etwas verweichlichten Hände an dem nassen, kalten Gesteine erstarren und dienstunfähig werden könnten, so hatte ich Handschuhe angethan. Allein bald waren sie vom Regen so durchnäßt, daß ich sie um so mehr weg-wersen mußte, als die überzogene Hand nicht fein und verläßlich genug empfindet. Die Richtung verwandelt sich in eine nordwestliche, und nun hängt man an dem steilen, verwitterten Gemäuer, über welches man sich emporarbeiten muß, gerade über dem ungeheuren Abgrund, in den das lose, sorgfältig versuchte Gestein in gähem Sturze hinunterpoltert. Kaum ist diese Stelle bestanden, als auch schon eine zweyte, nicht freundlichere, bezwungen seyn will. 2lufrecht mit Händen und Füßen sich an die Felsen klammernd, muß sich in südwestlicher Richtung an einer wand der Länge nach hingezogen werden, hart am Fuße den Abgrund, über welchem er bereits mit seinem äußersten Rande schwebt. 3n ähnlicher Art, bald mehr, bald minder bedenklich, bald hängend über der gähnenden Tiefe voll Schnee und Eis, bald an ihrem Rachen dahinwandelnd, geht es fort und fort, bis die nur mit großer Anstrengung und kaltblütiger Ausdauer zu erreichende Spitze des kleinen Triglov gewonnen ist. Die Gefahr auf der eben dargestellten Abtheilung der Expedition ist entschieden, lange dauernd, und im Objecte, nicht in der Einbildung und den Nerven des Steigenden begründet, obgleich Besonnenheit sie, wenn auch nicht aufzuheben, doch um ein Namhaftes zu mindern vermag. Sie beruht auf Schweben über Abgründen auf losem Gestein, und auf der ungeheuren Steilheit der wände, die in Winkeln von 60 bis 70 Grad emporsteigen. Jeder punct, an den man sich halten, jede Spitze, auf welche man treten will, muß ruhig und besonnen mit Händen und Füßen versucht werden, ob sie wohl die Last und das Leben zu tragen vermag, das man ihr anvertrauen möchte. Häufig bricht der Stein im Versuche hinweg; doch man gewöhnt sich daran gleich so sehr, daß man ruhig nach einem andern langt, und den Treulosen gleichgültig in die Tiefe eilen hört. Herr von Rosthorn erwähnt auf dem Wege nach dem Gipfel des kleinen Triglov, einer senkrechten wand, die man überhängender Felsen wegen, gegen die Tiefe hinausgebeugt, überschreiten muß, und eine Steinkluft, welche man zu übersetzen hat. Beyde Stellen sind uns nicht so vorgekommen, und so scheint es, daß wir vom Fuße des kleinen Triglov bis auf seinen Gipfel theilweise eine andere Bahn verfolgten. Die Schilderung der Expedition des Hauptmanns von Bosio spricht vom Gipfel des kleinen Triglov herunter: „wer nicht schon diesen punct errungen hat, und den unbezwinglichen Beruf in sich fühlt, dem \ Dräuen zum Trotze die höchste Zinne zu ersteigen, dürfte wohl schwerlich bey dem Anblicke dessen, was ihn nach kaum errungenem Siege noch zu bekämpfen erwartet, zu dem Betreten des sogenannten Pfades sich entschließen, welcher als der einzig mögliche, an das noch ferne Ziel führen kann." t^err von Rosthorn sagt: „wer auf dem Wege bis zum Gipfel des kleinen Triglov nur einiges Bedenken trug, der gehe ja nicht weiter; er würde rückkehren nach vergeblicher Bemühung, und ohne das Ziel seiner Bestrebungen erreicht zu haben." Ich will einstimmig mit meiner Reisegesellschaft allen Nachfolgern ermuthigend Zurufen: wer den Gipfel des kleinen Triglov glücklich erreichte, der schreite beherzt vorwärts, und er wird sicher dahin gelangen, wo lang vor ihm feine wünsche angelangt waren. Der Grund dieses Zurufes ist der, weil auf dem Übergange vom kleinen bis auf den Gipfel des großen Triglov, ein weg, den wir beständig fortschreitend, in einer halben Stunde zurücklegten, durchaus keine wirklichen Gefahren neuer Art Vorkommen, denen man nicht schon bey der Ersteigung des kleinen Triglov ins Auge gesehen hätte. Es versteht sich von selbst, daß ich nur von solchen rede, welche den Blick in den Abgrund vertragen können, denn wer am Schwindel leidet, kommt nicht auf den kleinen Triglov. wahr ist es, daß sich von hier bis auf den Gipfel des großen Triglov nur eine schmale, hier und dort auf eine Länge von ro Klafter nur einige Zoll breite, von rechts und links durch senkrechte, furchtbare Abgründe gebildete Schneide zieht, die eine rauhe Oberfläche und verwittertes, abbröckelndes Gestein darbietet und den Blick zeitweise in die ungeheuren Tiefen, auf die uralten Schneefelder, den matt emporglänzenden Gletscher am nördlichen Abhange verlockt. Aber der Gang über diese Schneide scheint nicht gefährlich zu seyn. wer aufrecht zu gehen vermag, geht aufrecht; wir haben es an den meisten Stellen gethan; wer aufrecht zu gehen sich nicht getraut, der reite oder krieche hinüber, und er ist lebenssicherer, als Achilles, und an keiner Stelle seines Körpers kann der Tod ihm bey. Ist die wand schmal, die ihn hinüberträgt, so ist sie doch von Stein, und wenn auch hier und dort unter der Hand, oder hart am Fuße ein Stücklein wegbricht und in den Abgrund hinunterbraust, so hat sie doch der Altersschwere von Jahrtausenden gestanden, und wird jetzt unter dem Guentlein, das über sie hinübersetzt, auch nicht zusammenbrechen. Einige Schritte abwärts vom Gipfel des kleinen Triglov, und man hat diese verrufene Stelle vor sich, die höchstens in etwas gräßlich ist. Indessen wurde sie keiner abwägenden Prüfung unterzogen, den Schritt nicht innehaltend, vertrauten wir uns ihr an, und siehe da, unser Vertrauen war auf einen Felsen gebaut, wie gesagt, wurde diese Schneide von Allen größtentheils in aufrechtem Zustande zurückgelegt, und nur an einigen Stellen, wo sie wenige Zoll breit ist, langsam und vorsichtig gekrochen, da überhaupt damals heftiger wind das Seine dazu bey-trug, den Übergang zu erschweren. Unser heroischer junge Kos sprang, wenn eine solche Stelle besiegt war, jauchzend und hutschwenkend in die Lüfte, und schlug klirrend mit den Steigeisen zusammen. Enthusiasmus war unser sicherster Führer. Endlich gelangten wir an die mit Recht als die schlimmste bezeichnete Stelle. Die Schneide nemlich erhebt sich plötzlich als eine schmale, fast senkrechte, ungefähr zwey Klafter hohe wand, aber nicht geradlinig aufsteigend, sondern hinaushängend über den nördlichen Abgrund, aus dem das Eis des Gletschers bläulich emporschimmert. Von der schmalen Stelle, auf der man steht, muß diese wand, mit fänden und Füßen gleichzeitig sich festhaltend, erklommen werden, und man hängt auf ihr unmittelbar über der furchtbaren Tiefe. Aber diese Gefahr ist nicht neu, wenn auch von etwas ernsterer Miene, als einige Stellen auf dem kleinen Triglov. Vorsicht und Langsamkeit, genaue Prüfung eines jeden punctes, auf den man es abgesehen hat, empfiehlt auch hier Besonnenheit oder Instinct, die in solchen Lagen die besten Lehrmeister sind. Bald nachdem auch diese Prüfung bestanden war, hörten wir, fest auf den punct schauend, welchen der Fuß betritt, das Triumphgeschrey Steinböck's, welcher zuerst auf dem Gipfel stand, und im Sturmschritte wurde allseitig dem Ziele entgegengeflogen. Da standen wir denn nach fünfstündiger Arbeit auf der schmalen Ungeheuern Höhe, Schnee um uns, nachbarlich dem Fuße die furchtbarsten Abgründe, Schnee und Eis in der Tiefe, in leibschüttelnder Kälte, naß bis auf die Haut, Nebel über uns, die lautlose Stille des Todes, die Schrecken der Natur ringsum, und nicht einen freundlichen Blick aus ihren tausend und tausend verhüllten Engelsaugen! wie der Verhungernde vor dem verschloffenen Speiseschrank, zu welchem der Schlüssel fehlt, standen wir da, vor der unermeßlichen verschloffenen Aussicht. Dorthin das Meer, die Thürme Venedigs, dorthin Italiens erquickende Vegetation, dort, aufragend aus riesiger Umgebung, Orteles und Großglockner, dort Salzburgs Gletscherreihen, hier die nachbarlichen Großhäupter Kärnthens, hier Steyermarks herrliche Alpenzüge, dort das muhamedanische Lroatien, tief zu den Füßen das übrige carniolische Hochgebirge, über uns aber ein blauer lachender Fimmel und eine ewige Sonne daran, — und all das verhüllt und verdeckt von dem einförmigen Leichentuche des Rebels! — Dieß alles denke und beklage ich jetzt; damals dachten wir nicht daran! wir waren völlig aufgegangen in dem Gefühle des Errungenen, des Gesehenen. Man könnte die Expedition bey dem gänzlichen Mangel an Aussicht eine verunglückte nennen, aber man könnte sich irren. Ich kenne so gut als einer den Werth einer schönen Aussicht, und das Gefühl, aufgerollt zu sehen einen gewaltigen Theil unserer herrlichen Erde mit all ihren Bergen und Thälern, Strömen und Wäldern, Städten, wiesen, Abgründen, und Blumenfluren; allein eine schöne Aussicht hat man bald, aber nicht leicht wieder auf der Welt ist ein Triglov zu finden. Die Art seiner Besteigung, die eigenthümliche Bildung dieses höchsten punctes der südlichen Kalkalpen, diese furchtbaren Mauern, in denen er aufragt, diese dünne wand, in die er ausläuft, und von der man glauben sollte, sie halte nicht einen energischen Sturmangriff aus, diese Abgründe, über denen man hängt, und an denen man vorüberzieht, das Spiel und die Gestaltungen der auf- und niederwogenden Nebel, der Kampf, den es kostet, die Lust, ihn bestanden zu haben, — all dieses ist in sich so entzückend und belohnend und gewaltig aufregend, daß ich Keinem rathen will, dem die Zeit nicht gönnt, gutes Wetter abzuwarten, sich durch schlechtes von der Besteigung dieses wunderbaren Berges abhalten zu lassen, wenn er nichts anderes davon hat, so hat er doch ihn selbst kennen gelernt, und eine großartige Erfahrung und Naturanschauung in seinen Busen ausgenommen. Von Feistritz aus hätte man bey heiterem Wetter den ganzen Zug über die Schneide bis auf den Gipfel des großen Driglov sehen, und jeden einzelnen aus der Gesellschaft mit einem mittelmäßigen Fernrohre an der Gestalt erkennen können, und wenn am z. August 17S7 um 11 Uhr Vormittags, als Herr von Sauffure im Angesichte von Lhamouny auf dem Gipfel des Montblanc anlangte, alle Glocken des Dorfes geläutet wurden, so hätten wir dann unstreitig einen Gruß von dem bescheidenen Feistritzer Kirchthürmlein verdient. Der Regen verließ uns auf dem Gipfel, dafür schüttelte uns tüchtige Kälte, und Haupthaar, Bart und Kleider waren bald mit eisiger Rinde überzogen, wir blieben daher, da auch keine Hoffnung auf Ausheite-rung des Fimmels sich ergab, nur etwa zehn Minuten lang oben. Der alte Kos, der auch der Führer der Rosthorn-Maurer'schen Expedition war, wußte genau die Stelle, wo jene unter einem Glase ihre zu Papier gebrachten Namen vergraben hatten. Es war bald hervorgearbeitet, und wir begrüßten froh Ln Gedanken unsere muthigen, auf dem noch unversehrten Papiere ausgezeichneten Vorgänger. Beyläufig wird bemerkt, daß aus dem Papiere noch zwey Namen stehen, deren Besitzer den Gipfel des Berges nicht erreichten, indem der eine schon bey den großen Schneefeldern, der andere gleich oberhalb des Thores zurück-blieb, wir gesellten auch unsere, auf Pergament verzeichneten Namen, sammt denen unserer Führer und dem Datum, in das schützende Glas, welches an dem nordwestlichen Ende des Steinquadrats, auf welchem Bosio's Pyramide stand, sammt seinem Inhalte wieder eingegraben wurde. Von Bosio's Pyramide sind nur noch zwey gegen einander geneigte Stangen übrig, aus denen jeder einen frey stehenden Nagel, der nichts mehr zu halten hatte, als schätzbares Andenken dieser Wanderung, so wie als Erinnerung an die schrecklichen Leiden mit sich nahm, welche der Errichter des Zeichens auf dieser Höhe auszustehen hatte. Der Gipfel des Triglov, bestehend aus völlig verwittertem, eisen-schüssigem Alpenkalke, ist ein schmaler convexer Rücken von zwey bis drey Klaftern in der Breite und einigen Klaftern in der Länge. Er hat zwey Erhabenheiten, von denen von Rofthorn int Jahre i srs die nordöstliche, auf welcher Bosio's Pyramide stand, als die höhere erfand. Dieselbe war, wie damals, schneelos. Die südwestliche, auf welcher Bosio's Wetterstange stand, damals niedriger und schneebedeckt, stellte sich jedoch dieses Mal, vielleicht weil sie stärker mit Schnee beladen war, als die höhere dar. Der Unterschied betrug einige Fuß. Sie ist mit jener durch einen kleinen Sattel verbunden. Die Flasche, welche die Namen früherer Ersteiger enthielt, wurde schon im Jahre J8z8 vergeblich gesucht, und so fanden wir bey der immer tiefer eindringenden Kälte keinen Reiz die Nachforschung zu erneuern. Also noch einen Schluck Branntwein, und zum Aufbruch! Langsamer und behutsamer noch als das Hinaufsteigen, muß der Rückweg an Stellen, welche eine verwitterte wand darbietet, zurückgelegt werden. Bald gelangten wir an die bedenklichste Stelle, an jene Mauer über dem nördlichen Abgrund. Vorsichtig zogen wir uns, einer nach dem andern, mit dem Rücken an den Fels gedrängt, mit den fänden uns anklammernd, und eine verläßliche Stelle mit dem Fuße suchend, über diesen schlimmen Abhang hinunter. Denn da wir dem Fels den Rücken, nicht das Gesicht zukehrten, so hatten wir das Auge frey, und brauchten uns die Füße nicht durch den voraussteigenden Führer stellen zu lasten. Der vor mir sich hinablaffende Führer bemerkte mit Recht, daß es hier Triglav vom Rokavgrat Lichtbild von Dr. Mirko Kajzelj, Zagorje ob Savi die Langbeinigen besser haben, als die Kurzbeinigen, zu welchem Ge-schlechte ich gehöre. Denn die puncte, die Felsspitzen, auf welche man mit Sicherheit treten kann, sind oft so weit aus einander, daß man mit kurzen Beinen, sein *£eil bloß den Händen vertrauend, stellenweise ohne eine Stütze für den Fuß sich abwärts schieben muß, bis wieder ein betretbarer Vorsprung zu erreichen ist. Beherzter noch ging der Rückweg über die Schneide. Bald war der Gipfel des kleinen Triglov erreicht, über dessen steile wände sich wieder auf dem Rücken in der angedeuteten Art Hinabgelaffen wurde. Nun waren wir wieder bey unfern befreundeten Stöcken, und nach einer Stunde Weges schon beym Thore, durch welches wir, der vielen losgehenden Steine wegen, zu zwey und zweyen gingen, und ein anderes paar erst dann nachfolgte, wenn von dem früheren die Schlucht bereits völlig zurückgelegt war. Über ein langes Schneefeld wurde ergötzlich abgefahren, ein zweytes querüber durchschritten, und ohne Aufenthalt heiter und scherzend fortsteigend, gelangten wir schon nach dritthalb Stunden bey etwas auf-geheitertem Himmel, der aber die Spitze unsers Berges noch immer nicht zu sehen erlaubte, in Belo polje an, ohne der verhängnißvollen Stricke bedürftig gewesen zu seyn. während wir daselbst behaglich im Sonnenschein uns erfrischen und ausruhen, das Bestandene im Gespräche verarbeiten, mit Verwunderung unsere, an den Felsenspitzen blutig geschundenen Hände betrachten, deren Verletzung wir erst hier gewahr wurden, will ich dem Leser den oben versprochenen Grund mittheilen, aus dem es mir erklärbar wird, wenn wir die Ersteigung dieses Berges, so bedenklich sie immer ist, doch etwas minder arg als andere Vorgänger gefunden haben. Der Grund ist nicht so locker, als er aussieht, wenn er gleich nur auf Nebel beruht, und der Alpenkenner wird ihn zu würdigen wissen. Also der Nebel ist der Grund. Er war zwar weder so dicht, noch so nahe unter uns, daß wir nicht jeden Augenblick die Abgründe, über denen wir hingen, und an denen wir uns dahinzogen, bis in ihre schreckendsten Tiefen gesehen hätten; rechnet man dazu das abbröckelnde verwitterte Gestein, daß einem oft gerade an den bedenklichsten Stellen unter Hand oder Fuß hinwegbricht, und die Sicherheit des Trittes und Festhaltens sehr schwankend macht, so ist offenbar, daß wir von der Gefahr dasjenige, was daran wirklich ist, beständig in seinem ganzen Umfange vor Augen hatten. Allein — die Aussicht war verdeckt; und man muß von solchen Riesenhöhen hinausgeschaut haben in die unabsehbare Ferne, um zu ermessen, wie gewaltig ihre Wirkung ist, wie sie sich der Phantasie aufregend bemeistert, und wie man oft so eine Menge Welt unter sich kaum ohne die Einbildung anzusehen vermag, man müsse in dieses un-erschöpfliche Meer von Bildern nothwendig oder vorsätzlich Hinunterstürzen. Die wundervolle Schönheit lockt, man sehnt sich ihr entgegen, Auge, Gedanke und Gefühl ist beständig nach der Tiefe gerichtet, und es scheint oft nicht anders, als müsse der ganze Körper diesem mächtigen dreyfachen Bunde Nachfolgen. Das also, die Gefahr, die häufig aus der Einbildung hervorgeht, war für uns hinweggefallen; es war für uns nur das Schreckliche vorhanden, das den Blick von der Stelle, welche der Fuß berührt, nur selten hinweglockt, und die ungestörte Sammlung des Willens erlaubt, während die Gewalt der ausgebreiteten Schönheit zu mächtig ist, um nicht Auge und Gedanken zu zerstreuen. Nach anderthalb Stunden, um zwey Uhr Nachmittags, setzten wir uns wieder in Bewegung, statt rechts über die Koinska planina, woher wir gekommen waren, links über die südlichen Abhänge des Tolst, woher die Mitterdorfer Expedition kam. wer eben vom Triglov herabgestiegen ist, kann an diesen Abhängen gar nichts Bedenkliches finden. Aber beschwerlich und langweilig ist dieser weg, und neuerlicher, gewaltiger Regen, der uns schnell bis auf die Haut durchnäßte, und ein Hochgewitter dazu, das wir in einer Taschenausgabe einer Alpenhütte abwarteten, trug nichts dazu bey, ihn reizender zu machen. Endlich schwieg das Toben, wir setzten unfern weg über die mit geräumigen Hütten bedeckten Mitterdorfer Alpen fort, und waren, uns von diesen Alpen, statt links nach Mitterdorf, rechts nach Althammer wendend, nach einer Wanderung von sechs Stunden von Delo polje weg, um acht Uhr Abends wieder auf dem puncte zurück, von wo wir ausgegangen waren. 3n Althammer harrte unser ein erquickendes Vor-abendmahl, und nach einem herzlich-freundlich genommenen und er« wiederten Abschiede trennten wir uns von unfern wackern Führern und Leidens- und Freudensgenoffen, um nach Feistritz zurückzufahren. Bis lang in die Nacht währte dort die Unterhaltung fort; aber die Lust solcher Stunden ist für jeden ein unauflösbares Räthsel, der sie nicht schon um gleichen Preis zu erkaufen so glücklich war. Der nächste Tag, der 0., an dem der Gipfel des Triglov wieder rein vor uns stand, war dem seligsten Müßiggänge in der herrlichen Umgebung geweiht. Unser alter Kos machte uns Vormittag die Freude, uns zu besuchen. Aus unfern wiederholten Dank, daß er nicht müde geworden sey, bey so schlechtem Wetter uns hinaufzuführen, erwiederte er, er hätte es auf keine weise gethan, wenn er nicht bey uns allen so frischen Muth und so viele Lust an der Sache gesehen hätte, und er selbst sey bey solcher Witterung noch nicht auf dem Berge gewesen. Am 7. fuhren wir nach Laibach zurück; leider so gedrängt von der Zeit, daß wir die künstlerische Schönheit von Veldes nur flüchtig vorüberfliegend begrüßen konnten. \ weitere Ersteigungen des Triglav, neue Wege bis zur ersten Erstürmung der Nordwand \ ^ic Zeit schreitet, die Ersteigungen des Berges mehren sich, es ist nicht mehr notwendig und auch nicht mehr möglich, sie alle an-zuführen. wichtig und erwähnenswert die Ersteigungen durch den k. k. Hauptmann Holsmay im Jahre j 86) ,31 jette durch den berühmten Landschaftsmaler Markus pernhart, dem wir das schöne Triglavbild verdanken, welches dieses Werk ziert, und das Triglavpanorama, das mich mit seinen klaren Profilen durch viele Jahre meiner Jugendzeit begleitet hat. Nächtelang bin ich als Knabe darüber gesessen und habe glühenden Herzens auf die Julier, auf die Dolomiten und auf die Lauern der Ferne geschaut. 3n den Jahren )86), )86z und isor haben zwei Engländer, Josiah Gilbert und G. C. Churchill, mit ihren Frauen die Dolomitberge von Tirol, Kärnten, Krain und des Friaulischen bereist und dann 1864 darüber eines der liebenswürdigsten Reisewerke veröffentlicht, das ich kenne: „The Dolomite Mountains“. Von diesem Werke habe ich schon wiederholt gesprochen. Im englischen Buchhandel ist es noch leicht zu finden, die deutsche Übersetzung dagegen, die Gustav Adolf Zwanziger 1865 bei Ferdinand von Kleinmayr in Klagenfurt erscheinen ließ, ist schon lange vergriffen und kaum mehr bei Antiquaren aufzutreiben. So gerät dieses schöne Werk bei dem deutschen Leserpublikum immer mehr und mehr in Vergessenheit, es ist fast schon gänzlich verschollen. Die beiden Autoren find keine Bergsteiger, aber sie beobachten alles mit einer entzückenden Feinheit. In der Literatur der Julischen Alpen möchte ich dieses ihr Werk wohl nicht missen. Es ist eine wahre Fundgrube ganz erlesener Schilderungen aus diesen Bergen, welche die ernste Poesie der Julier in geradezu unvergleichlicher weise wiedergeben. Der Gipfelstürmer findet darin gewiß nur wenig Bemerkenswertes, doch wie viel des Denk- und Dankwürdigen der Bergwanderer, der Bergpoet. Ein lieber, leiser Humor durchzieht die ganze feingestimmte Erzählung. Erst trachten die beiden Engländer, sich dem Triglav, nach dessen vollem Anblick ihr Sinn steht, durch das obere Isonzotal zu nähern, was ihnen nicht gelingt. Dann gehen sie von der krainischen Seite auf seine „Suche". Ich glaube, meinen lieben Lesern eine wirkliche Freude zu bereiten, wenn ich in diesem Buche ihr Kapitel 10 werde folgen lassen, welches von dieser Suche erzählt, stark im Banne des märchenhaften Berges steht und auch einen kurzen Auszug aus dem Berichte Hauptmann Holsmays über seine Triglaversteigung enthält. Es folgen die Ersteigungen durch Eliot Howard zu Pfingsten 1869, diese dadurch bemerkenswert, daß der berühmte, weitgereiste englische Bergsteiger F. F. Tuckett und Bergführer Christian Lauener aus Lauterbrunnen daran teilgenommen haben,^ durch J. A. Stussiner" und durch Moriz Schenk/* beide 1869, und die begeisterten Schilderungen, welche darüber in den alpinen Zeitschriften und in Tages-blättern veröffentlicht werden, tragen das Interesse an diesem gewaltigen Berge in immer weitere Kreise. Noch gilt der Triglav als ein schwieriger Gipfel, und noch sind die Ausgangsstationen für feine Er-steigung dem großen Touristenstrome entlegen und nur schwer und mit großem Zeitaufwande erreichbar. Da bringt das Jahr i8?1 die Eröffnung jenes Flügels der Rudolfsbahn, welcher von Laibach nach Tarvis führt, und bahnt von Osten her den weg in das Oberkrainer Bergland an den nördlichen Fuß des Julischen Bergfürsten. Bald schließt sich, von Norden her, die Strecke Villach-Tarvis an. Und am S. September 1871 öffnet sich die von mehreren Laibacher Alpenfreunden zu stände gebrachte erste Schutzhütte an der Wurzel des Kleinen Triglav den Besteigern des Berges; sie ist allerdings noch etwas primitiv, aber um so einladender und willkommener, als gleichzeitig eine gründliche Verbesserung des Anstieges zum Kleinen und des Überganges über den gefürchteten Kamm zum Scheitel des Großen Triglav durch die Führerfamilie Šest vollendet wird?° Die Ersteigungen des Triglav mehren sich nun von Jahr zu Jahr. In der bilderreichen poetischen Verherrlichung durch Anastasius Grün, in Baumbachs hohem Liede vom Triglav, „Zlatorog", dringt der Name des ehrwürdigen Berges, so weit deutsche Sprache klingt; Sage, Poesie und Romantik verleihen ihm neue, mächtige Anziehungskraft. war es noch zu Freyers Zeiten schwer, einen verläßlichen Führer zu bekommen, so beginnt sich nun in den Triglavstationen des Savetales und der wochein ein geordnetes Führerwesen zu entwickeln. Der alte, felsenfeste Vater Šest (Josef Skantar) in Mitterdorf und die biedere Gestalt des Johann Klanönik (Šimenc) in Mojstrana stehen im Vordergründe. Die Aufmerksamkeit der Bergsteiger hat sich bereits neuen wegen zugewendet.^ i44 Frühlingsstimmung im Krmatal. Die Guellen erwachen Lichtbild von Lveto Švigelj, Ljubljana - * iSrt dJmlii M f* _ jim ««W WM, DZ jggSi^BSH , \\ j /. ^ - - ■ .^m - lf\ \ /• / w W W ' 1 iwV x* - U 1 : rf%fr ||- „ JB *a rm/^ , ijM ■M '«k ^Jwj •v-Mr ■-.-^2 SLI P Der alte Sest versucht die Ersteigung des höchsten Gipfels über den wilden südöstlichen Grat, um den kürzesten weg mit Umgehung des Kleinen Triglav aufzusinden, stößt aber auf unüberschreitbare Abgründe;" Petersen unternimmt von der Höhe ober Belo polje und offenbar von der Gegend des Dolec-Sattels her einen direkten, im unteren Teile sehr schwierigen Abstieg in den Zadnica-Graben," und I872 kommen Felix Liebeskind, der später berühmt gewordene Verleger der Dichtungen Rudolf Baumbachs, und Otto welter mit der Absicht nach Mojstrana, vom Triglav nach Südwesten in das Trenta-Tal abzusteigen. Tatsächlich gelingt ihnen dies, und sie gelangen von der Schutzhütte über den „Flitscher-Schnee" an der Westseite des Großen Triglav nach mancher Schwierigkeit und Gefahr glücklich in den Talgrund der Trenta." Schon damals hatte welter beinahe das Unglück abzustürzen. Am 25. Juli 1 sso hat er ein sehr armes Ende in einer Gletscherspalte des Neveserferners der Zillertalerberge gefunden. Dr. Emil Zsigmondy erzählt den sehr lehrhaften, überaus traurigen Fall in seinen „Gefahren der Alpen". Otto welters Aufsatz ist für dieses Buch überaus wichtig. Ich bringe ihn im Folgenden. Und nun mögen mir meine lieben Leser gestatten, den 17jährigen Julius Kugy vorzuführen, der 1875 seine erste Triglavfahrt unternahm und darüber in der „österreichischen Botanischen Zeitschrift" des Dr. Alexander Skofitz in Wien 1876, No. 5 und No. 6 berichtet hat. So unbedeutend und gymnasiastenhaft dieser Aufsatz ist, möchte ich ihn doch in diesem Buche, der Vollständigkeit wegen, bringen, doch bitte ich um nachsichtige Beurteilung dieser jungen, ersten Arbeit. Der Septimaner ist als rechter reiner Tor auf den Berg gegangen, gläubig und kritiklos, obwohl er seine Geh- und Kletterfertigkeit auf zahlreichen botanischen Exkursionen schon stark geübt hatte. Es war ihm nach der damaligen Art viel von den Schrecknissen des Triglav vorerzählt worden, besonders von denen der gefürchteten Gratschneide. Da sei der senkrechte Abgrund zur Linken rooo, der zur Rechten 3000 Fuß tief, der in die Vrata 6000. Und richtig hat der junge Kugy genau nach seinen erhaltenen Informationen in Ergriffenheit und Verwunderung links in gemessene rooo, rechts in gemessene 3000 Fuß senkrechter Tiefen hinabgeblickt. Doch stieg er rasch, gut und sicher, nahm die Schneide nobel und aufrecht, bedurfte natürlich nirgends der geringsten Hilfe noch Aufmunterung. Ein Seil hatte man gar nicht mit. Daß der Grat damals viel schmäler war, als er es heutzutage ist, steht außer allem Zweifel. An einer Stelle, kurz vor dem Aufschwung zum Großen Jo Augy, Triglav. I45 Gipfel, sah er wirklich aus wie eine zerbrechlich aufragende, dünne Scherbe. Aber wie ich den Jungen von damals kenne, hätte er in seiner unbeschreiblichen, himmelhohen Begeisterung den Großen Triglav genommen, auch wenn er „an Ketten am Fimmel gehangen wäre!" Mein Gott, wie würde ich froh sein, könnte ich ihn heute noch so bewältigen, wie ich ihn damals nahm! Doch das ist vorüber! Bald achtzig, meine Lieben! Und nun, meine liebe Seele, möchtest du nicht an dieser Stelle noch einen kurzen Augenblick verweilen, rückblickend und in Erinnerungen versunken; Soll hier nicht nochmals ein Dank aus der Tiefe meines Herzens zu euch emporsteigen, o ihr schönen, großen Berge; Zweiundsechzig Jahre sind verflossen, seit ihr jenen ahnungsvollen, begeisterten Jungen auf seinem ersten Hochgipfel so gütig und in so beglückenden und verheißungsvollen Zeichen empfangen habt. Zweiundsechzig aurikelduftende Bergfrühlinge, so viel jubelnde Bergsommer, so viel sarbentrunkene Bergherbste, so viel in berückender, schneeweißer Herrlichkeit aufstrahlende Bergwinter. Ihr habt sein ganzes Leben mit unmeßbarem Höhenglück erfüllt. Denn auch dann, als er nicht mehr zu euch emporsteigen durfte noch konnte, habt ihr ihn, treu und stark, mit sicheren Freundesarmen, nahe an euren Gipfeln hochgehalten und habt ihn mit Gnaden und mit Ehren überschüttet, was ihr damals dem Jungen versprochen, wie habt ihr es dem Alten in überreichem Maße gehalten! 3n immer gleicher, hingebungsvoller, in schwärmerischer Liebe, in immer gleicher Demut bleibe ich an euch gelehnt, als an meine mächtigen Freunde, und blicke ich hinauf zu euch, die ihr in ewiger Ruhe und Schönheit über dem blumengeschmückten Altar meiner Erinnerungen steht! Dank und Lob und Preis euch immerdar! Aber sowohl Petersen als Liebeskind und welter sind vom höchsten Gipfel zunächst noch über den Grat und den Kleinen Triglav zurückgestiegen und vollführten ihren Abstieg über die westflanken des Berges in das Trentatal erst nach einer Umgehung des obersten Gipfelstockes. Es war kein direkter Westabstieg. Da schiebt die Erbauung der Baumbachhütte im Tale der Trenta ISS) das Problem eines direkten küstenländischen Anstieges auf den Großen Triglav in den Vordergrund, und am S. August i SS) erreiche ich mit meinem unvergleichlichen Trentaner Andrej Komac den höchsten Scheitel des Berges aus dem Zadnicagraben über den großen Westhang auf direktem, im oberen Teile vollkommen neuem Wege." Der rechtsseitige, östliche Luknjasteig und der Steig „Skok" im unteren, die breite, muldenförmige Ein- i46 tiefung in der Westwand des Triglav unter dem Zelenica-Kopf im mittleren," der „Flitscher-Schnee", die „Flitscher-Scharte" und ein ganz schmales Felsband, welches den Zugang zu dieser vermittelt, im obersten Teile, für eine kurze Strecke der Südgrat des Gipfels bilden die Direktionslinie dieses Weges. Man hat denselben in der Folge den „Kugyweg" genannt. Später sind dort auch Erleichterungen angebracht worden, die allerdings nicht notwendig gewesen sind. Denn wer den Triglav aus der Trenta ersteigt, der sollte schon etwas Berggewandtheit mit sich bringen. 3n meinem Buche „Arbeit, Musik, Berge — Ein Leben" sage ich über diesen weg folgendes: „Das Jahr )8Si schenkte mir die Erstersteigung des Triglav über feine großartige westflanke aus dem Trentatal, den -Kugyweg'. Auch dieses Problem war nicht aus sportlichen Einflüssen entstanden. Die Erbauung der predilbahn schien damals nahegerückt, die Leiter der -Sektion Küstenland' legten wert darauf, daß ein Flitscher-, ein küstenländischer weg auf die Spitze gefunden werde. Sie hatten den Wunsch, ihre Hand an den großen Berg zu legen, der bis dahin ein -krainischer' gewesen war. Man blickte erwartungsvoll und zuversichtlich auf mich: Kugy voran! Unter -Neuem weg' verstand man damals den leichtest-möglichen Zugang über eine noch nicht durchstiegene Flanke zur Spitze, und es hieß: ,Ie leichter, um so wünschenswerter und richtiger!' Und dies ist mir ja auch überraschend gut gelungen. Der Gedanke an die eigene Glorie, gar an ein Übertrumpfen eines unbequemen -Konkurrenten', stand damals wirklich nicht in erster Linie. Führend war der Wunsch, den Berg von dieser oder von jener Seite, aus diesem oder aus jenem Zugangstal, für andere, für die große Welle der Alpenwanderer zugänglich zu machen, Heute sucht man die kühne, die -ideale' Linie: -Je schwieriger, um so schöner!' In diesem Sinne wäre das Gegenstück zu meinem -Kugyweg' wohl der berühmte — richtiger gesagt -berüchtigte' — -Nordostpfeiler' im großen Felsendreieck der Nordwände des Triglav oder dessen nicht minder schwierige -Nordwestkante', die beide erst 1929 von erstklassigen modernen Kletterern bewältigt worden sind, Hätte ich damals die -Linie' gesucht, so wäre ich vom -Flitscher-Schnee' geradeaus über die wand emporgeklettert, wie man es später gemacht hat, und nicht nach rechts auf die -Flitfcher Scharte' und auf den Südgrat ausgebogen. Trotzdem ist der -Kugyweg' der klassische weg von der Trenta aus geworden und geblieben. Ich bin der Meinung, daß die richtigen ,tt)ege‘ von den Bergen geöffnet und nicht von den Menschen erzwungen sein sollen. Daß also die klassische alpine Aufgabe darin besiehe, den schon vorgesehenen weg richtig zu finden. Die erzwungenen Wege, so dünkt es mir, sind doch eher Ausfluß der ,Ichgefühle'. Aber ich kann mir nicht helfen: diese ,Ichgefühle' haben in meinen Augen, der ewigen Größe der Berge gegenüber, etwas ,kurze Beine'. Auch das habe ich schon erzählt, daß es sich nicht um Überwindung großer technischer Schwierigkeiten gehandelt hat. Es galt nur, den Bann zu brechen, der über dieser Seite des Berges lag. Schafhirten und Wildschützen hatten den übergewaltigen, außerordentlich steilen Sockel schon nach allen möglichen Richtungen durchstiegen, über den Steig ,Skok' bis hinaus zum ,Flitscher-Schnee', durch die berückende Felsenwelt, ,pod Stena' — ,Unter den Mauern' — geheißen, bis hinüber zum Doleesattel. An den Gipfelaufbau hatte sich niemand gewagt. Er war in mystisches Dunkel gehüllt, Dhron der Wolken und der Götter. Den weg vom ,Flitscher-Schnee' zur ,Flitscher Scharte' hat uns eine flüchtende Gemse gewiesen. Man kann den in Ruhe weidenden, sich langsam verziehenden, seltener den gejagten und gehetzten Gemsen sehr vieles absehen. Ihnen danke ich beispielsweise auch die Auffindung des Nordzuganges zur Korspitze und die Entdeckung des Wunders der ,Götterbänder' in den Gamsmutter-Nordwänden, wie genau erinnere ich mich des Aufbruches zu jener Driglavtour von der Baumbachhütte. Es war vier Uhr morgens, allererstes Grauen, der Morgenstern stand in funkelnder Pracht, wie ein Glückesstern der Ver-heißung, knapp über dem Gipfel des Driglav, den wir sechs oder sieben Stunden später betraten. Denn wir waren damals rasch. Ich sandte, einer Verabredung gemäß, drei Helle Jauchzer ins Dal hinab und war davon hochbefriedigt, denn ich meinte, nun stehe die ganze Drenta da und blicke staunend herauf. Es hat mich aber niemand gehört. Mein Gott: bei rroo Metern Höhendifferenz!" Im August issr wiederholte ich mit dem bekannten unglücklichen Bärentöter Anton DoLbar die Ersteigung auf diesem Wege, kehrte zum „Flitscher-Schnee" zurück, zog von hier über ein schmales und in hohem Grade ausgesetztes Felsenband längs den Nordmauern des Driglav in der ungeheuren *£öt>c über dem Vratatale zum Driglavgletscher, überschritt diesen und führte im Anschlüsse daran eine Umkreisung des Driglavgipfels in seiner Schneegrenze durch. Durch jenes Band war die kürzeste Verbindung vom Drentatale mit den großen Hochkaren an der Nordseite des Driglav gegeben. In der Folge ist es an einer Stelle durch einen Wandausbruch außerordentlich gefährlich und kaum mehr passierbar geworden. Dann aber wurde der sogenannte „Ringweg" um den Triglav darüber hindurchgelegt, und heute spielt es als „Kugy-band" in den Triglaversteigungen über die Nordwand eine sehr große Rolle. Ich habe von ihm an verschiedenen Stellen schon zu wiederholten Malen gesprochen, so sage ich in den „Julischen Alpen im Bilde" darüber: „Die Verbindung vom ,Flitscher-Schnee< zum Triglavgletscher wird durch ein schmales Band vermittelt, das in ungeheurer Höhe und in gewaltiger Exposition horizontal durch die Nordwände des Triglav zieht. Es war in alten Zeiten ein abweisendes, brüchiges Gesimse über schaurigen Abgründen, sicherlich nicht geneigt noch geeignet, jedermann hindurchzulaffen, eine Schwindelprobe ohnegleichen, einer jener Zauberwege, wie sie die Julierbänder nach festen und weitschauenden Plänen durch die himmelhohen wände gezogen haben. Die späteren Zeiten haben es verbreitert, gesichert und den ,Ringweg< hier durchgelegt, der Liebenswürdigkeit neuerer Alpinisten verdankt es den Namen ,Kugy-fcanbV' „Ich habe lange nicht verstehen können, warum es wohl nach mir heiße. Denn ich bin nicht der erste gewesen, der es überschritt, ich war nur dessen erster touristischer Begeher. Es war von alters her der kühne weg der Trentaner Wildschützen zu den ergiebigen Gemsjagden der Krainerseite. Vom ,Flitscher-Schnee< zogen sie hinüber — ,rechts die wand, die blaue Luft zur Linken, unter ihnen die purpurfarbne Tiefe* — und kamen, mit ihrer Beute beladen, darüber zurück. Und jetzt weiß ich es, daher kommt der Name: ich bin der erste Mann gewesen, der ohne Gemsbock auf dem Rücken den luftigen Gang gemacht hat." „Alle großen direkten Nordwege aus der Vrata münden auf diesem Bande." Der Kugyweg ist in jenen Zeiten wohl nicht häufig, immerhin aber fast alljährlich begangen worden, im August 1889 auch von drei Damen Herzberg aus Wien mit Andrej Komac.^ Da er damals die gesamte relative Höhe des Berges — rroo m von der Trenta aus — in einem Anstieg nahm, stellte er an die Ausdauer des Touristen sehr bedeutende Anforderungen. Der damals als bald bevorstehend angenommene Ausbau der predilbahn hätte ihn zu einem vielbegangenen Wege von hoher Wichtigkeit emporheben können, doch haben sich die Dinge, wie man weiß, in ganz anderer weise entwickelt. Spätere Ausführungen l49 werden darauf zurückkommen. Mindergeübte zogen es auch damals vor, den Steig „Skok", der in großem Bogen durch die Westwände des Triglav zog, bis zum Doleö-Sattel nordöstlich unter dem Kanjauc zu verfolgen, von dem man dann über die weiten Hochkare sowohl zum Felseneinstieg des Kugyweges, als zur Triglav-Schutzhütte und zur Alpe Belo Polje, der schönen, grünen Oase in den weißen Bergen, gelangen kann." Eine schneidige Variante dazu hat Albert Bois de Lhesne aus Triest mit Andrej Komac eröffnet, indem er im Juli 1889 vom Talschluß der Zadnica über die schwierige Komarwand in gerader Linie zum Sattel emporstieg. Auch da sind später wegverbeffe-rungen durchgeführt worden, erst durch Albert Bois de Thesne selbst, dann später durch den Slovenischen Alpenverein. Das große Bollwerk der westlichen Triglav-Gipfelwand, das sich in einer wandflucht von ungefähr 400 Meter über dem „Flitscher-Schnee" erhebt, und an dem schon J872. welter prüfend emporgeblickt hatte, ist erst viel später auf verschiedenen Routen dreimal durchklettert worden. Zuerst i orz von L. Gottardi und U. Massig, dann 1025 von Roman Szalay als Alleingeher, 1927 von Frau Marko Pibernik-Debelak und Eduard DerLaj. Szalay gelangte unmittelbar auf die Spitze, die beiden anderen Partien stiegen auf den Nordgrat aus, unweit von ihr. Es sind eindrucksvolle, schöne Klettereien, die auch einige schwierige Stellen enthalten. Eine alpine Zukunft haben sie nicht. Denn sehr nahe bei ihnen hat der Triglav für seine Gäste aus der Trenta die Pforte der „Flitscher Scharte" geöffnet und darüber seinen Südgrat in schönen, leichten Stufen zu sich emporgebaut. Dort liegt der weg, der meinen Namen trägt. Jene erste Schutzhütte ist bald nach ihrer Errichtung in Verfall geraten, und es mußte in den folgenden Jahren wieder die sehr dürftige oberste Kermaalpe als Nachtquartier benützt werden. 1880 kam die Schutzhütte in den Besitz des „Österreichischen Touriften-Llub", welcher sie in dankenswerter weise wieder Herstellen ließ." Aber die neubegründete Sektion Krain des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins erkannte mit richtigem Blick, daß der kürzeste weg von der Bahnlinie auf den Triglav durch das Tal Kot gegeben sei, und die Erbauung der Deschmannhütte" im Hochkar pekel, „Die Hölle", die Herstellung des guten Weges durch das Kottal und die weitere, sehr sorgfältige Steiganlage bis auf den höchsten Gipfel haben für den Besuch dieses Berges einen neuen, starken Impuls geschaffen, Heute ist der Triglav seiner Schrecken und aller Schwierigkeiten und Gefahren entkleidet, er ist ein leichter, unbeschwerlicher Aussichtsberg geworden, und Hunderte — ich denke, man könnte wohl Lausende sagen — stehen nun alljährlich auf seinem einst so schwer erreichbaren Scheitel. Aber auch von der Richtung her, die einst dem alten 8est vorgeschwebt haben mag, ist die Ersteigung des Triglav gelungen. Am 15. Oktober 1S9; erreichte ich mit meinen beiden Trentanern Andrej und JoLe Komac von der Maria-Theresia-Schutzhütte, durch das allen Triglavfahrern wohlbekannte große Schneekar, dann über die Ostwand und den Südgrat des Großen Triglav emporsteigend und ohne also den Kleinen Triglav und den Kamm zu berühren, die höchste Spitze, und es ist kein Zweifel, daß dieser weg, der eine einzige, unschwierige Kletterstelle enthält, um vieles einfacher und leichter ist, als es vor Herstellung des Steiges der alte weg war." wenn man bedenkt, wie viele Partien im Verlaufe der 115jährigen Geschichte dieses Berges seit willonitzer und Hacquet in alten und in neuen Zeiten an der „Schneide" knapp vor dem ersehnten hohen Ziel gescheitert sind, und welche Summe von Arbeit nötig war, bis aus der berüchtigten Gratkante der alten Zeit der jetzige bequeme „Triglavweg" wurde, so muß die Auffindung dieses neuen Weges an einer Stelle, wo bisher jedermann nur unzugängliche Felsenwände vermutete, wohl bemerkenswert genug erscheinen. Die Ersteiger nahmen den Abstieg zur „Flitscher Scharte" und über das schmale Band des Kugyweges und den „Flitscher-Schnee" zur Nordkante des Zelenica-Kopfes, von hier in ganz direkter Richtung über die außerordentlich steile Nordwestflanke des Triglav zum Luknjapaß und führten somit die Überschreitung des Berges von Ost nach West auf neuen wegen glücklich durch. Vierunddreißig Jahre später, am 29. Juni 1927, hat das berühmte Bergsteigerpaar Frau Marko Pibernik-Debelak und Eduard DerLaj auch die direkte Südwand des Großen Triglav durchstiegen und damit den Beweis erbracht, daß dort zwar eine überaus interessante und im unteren Teile sehr schwierige Kletterei, aber kein richtiger „weg" liege. Die leichten Zugangswege zum Scheitel des Triglav bewegen sich auf seinem Ost- und auf seinem Südgrat. Auch die unbenannten Gipfel jener zackigen Felsmauer, welche südöstlich unter dem Gipfel des Großen Triglav abzweigt und von diesem durch die Flitscher Scharte getrennt ist, sind bei diesem Anlaß, 1S93, von uns zum ersten Male erstiegen worden. Die zerrissene und ungemein verwitterte Gipfelkrone des höheren, nächst der Flitscher Scharte stehenden wurde ganz leicht und in kürzester Zeit von dieser aus erreicht, aber der etwas niedrigere, nordwestlich vom Punkt 2585 der Spezialkarte in senkrechten roten wänden trotzig aufragende Felszahn war von außergewöhnlicher Schwierigkeit und konnte nur nach harter Arbeit genommen werden, Hier in dieser zackigen Felsenmauer habe ich zu Zeiten meiner Jugend, da ich sehr angelegentlich nach drei Spitzen des Triglav suchte, den „dritten Gipfel" vermutet, der sich also als dritter im Bunde zum Kleinen und zum Großen geselle. Später habe ich diese Suche als aussichtslos aufgegeben. Drei Gipfel sind im Sinne des Bergsteigers nicht vorhanden, zum mindesten nicht drei klar ersichtlich in die Augen springende, charakteristische, nach denen der Triglav so hätte benannt werden können. Denn auch der Kleine Triglav ist nicht eine Spitze, sondern nur eine Vorkuppe, eine sich einfügende Schulter. Doch darf ja nicht übersehen werden, daß „Triglav" nicht „Dreispitz", sondern, richtig übersetzt, „Dreikopf" bedeutet, daß somit drei Rundköpfe gemeint sein können, etwa auch eine in drei Höckern aufragende Gipfelkrone. Das Volk schaut anders, mit mehr Freiheit und mit viel mehr ursprünglicher Phantasie zu den Bergen auf. Tatsächlich habe ich Leute genug gefunden, die von der Oberkrainer Ebene aus eine Dreizahl in der Gipfelarchitektonik gesehen haben wollen, denen sich also das Gipfelprofil des Berges vielleicht in einer weise projizierte, daß sie drei Köpfe wahrzunehmen vermeinten. Allerdings sind es eher zwei kleinere Höcker, fast zwei sich einfügende Rundschultern, die sich in ziemlich gleicher Höhe und in ziemlichem Ebenmaß je links und rechts von der groß aufragenden höchsten Spitze an sie fügen. Diese müßten somit, von der Gberkrainer Ebene gesehen, die beiden anderen „Glave" sein. Das Bild verschiebt sich je nach dem Standpunkt, den man etwa stärker nach links oder nach rechts verlegt. Höcker, Kuppen, auch wirkliche Türme und Spitzen hat ja das Triglav-massiv so viele, als man nur mag. Von der Ferne gesehen, hat er auf mich jedenfalls immer ganz einheitlich gewirkt, als ein großer, weit emporgewölbter, alles andere hoch überragender Dom. Von sehr großer Bedeutung sind die Touren, die am 22. und 23. August 1902 Ing. Eduard Pichl und Land. med. Ernst Eitner am Triglav unternommen haben. Erst überstiegen sie den damals noch nicht begangenen Nordwestgrat, von der Luknja bis zum „Flitscher-Schnee", über den später der „Bambergweg" gelegt worden ist. Die Schafhalter und Wildschützen der Trenta hatten immer die Nordwestflanke daneben zum An- und Abstieg benützt, auch ich war vom Zelenicakopf in dieser sehr steilen und wahrlich nicht leichten Flanke abgestiegen. Tags darauf iS2 Höhenzauber in der Trenta (gegen den Razor) Lichtbild von Dr. Peter Michaelis, Müncheberg zogen sie von der Kredaricahütte an den Fuß des Nordgrates und folgten diesem zur Spitze. Damit sind diese beiden hervorragenden Pfadfinder ohne Zweifel die Vorläufer der Triglavnordwege geworden. Sie haben deren obersten Teil gewiesen, die Strecke vom „Kugyband" zum Scheitel des Triglav. wird dieser Anstieg heute oft gemacht; Leider nein! Bei den Nordwandfahrern ist es vielfach Mode geworden, die Spitze selbst wegzu-laffen und nach Überwindung der Nordwand die Chaussee des heute bequem hergerichteten „Kugybandes" zu benützen, um rasch zu den lockenden Fleischtöpfen der Triglavhütten zu gelangen, was soll man dazu sagen; Ich kann dafür nur harte Worte finden. Eine Bergfahrt hat nach meiner alten Schule auf dem Gipfel zu enden. Dazu muß jeder Nordwandfahrer die Freude, die Energie und den entsprechenden Reservefond an Leiftungskraft aufbringen. Sonst ist es nur eine Ersteigung des „Kugybandes", vergleichbar etwa einer Ersteigung der Labane Vallot und nicht des Montblanc, der Matterhornschulter und nicht des Matterhorngipfels. An Stelle einer Pilgerfahrt zur Spitze des sagenhaften Berges ist das Bravourstück in seiner Nordwand getreten! Am 7. August 1882 habe ich also zum ersten Male vom „Kugyband" über die Nordwände in den ungeheuren Abgrund des Vratatales hinabgeschaut. Ich vergnügte mich damit, von meinem brüchigen Gesimse schwere Felsstücke hinabzustoßen — das ist nach richtigen Bergregeln nicht gestattet, doch konnte man es damals ruhig tun, brachte damit niemandem Gefahr — und dann zu lauschen, wann ich den ersten Aufprall hören werde. Zehn — elf, auch zwölf Sekunden dauerte es, wenn ich mich recht erinnere, dann war der Schall da. Das mag eine gute Art fein, die Tiefe eines Abgrundes eindrucksvoll auf sich wirken zu lassen, über die Ersteiglichkeit einer wand muß man sich in ganz anderer weise klar werden. Man muß von unten emporschauen, die Schluchten, die Kamine, die Bänder, die Pfeiler prüfen, in geduldiger, sorgfältiger Beobachtung die mögliche Anstiegslinie hindurchzulegen trachten. In mir sind die Jugendeindrücke lebendig verblieben, ich dachte zu sehr an den Abgrund, zu wenig an die wand selbst. Ein anderer, ein auserwählter Mann hat den richtigen weg ein-gefchlagen: Dr. Felix König. Er kam, schaute, prüfte, sah und siegte. Mit seinem bewunderungswürdigen und epochemachenden Erfolge der ersten Eroberung der Bordwand des Triglav beginnt für unseren Berg eine neue, eine heroische Ära. Die Romantik des alten Triglav tritt zurück. „Triglav-Nordwand" wird die Losung. Sie nimmt die Herzen der aufhorchenden bergsteigenden Jugend mit einem Schlage gefangen und weckt überall kühnen Unternehmungsgeist und nicht einzudämmendes, begeistertes wagen. Sie stellt sich sofort mit ihren großen neuzeitlichen Kletterproblemen an den ihr gebührenden Platz in der weithin werbenden, heiß und todesmutig umworbenen Reihe berühmtester wandflanken berühmtester Berge: Triglav-Nordwand! Io. Rapitel Der See von Veldes und die Wocheiner-Gave Der »Edelstem von Rrain" — Feistritz und die wochein wir gehen auf den Terglou los — petrans Rrankheit und unsere Niederlage Ein Ausblick auf die Steiner-Alpen Die Ersteigung des Terglou durch Hauptmann Holsmay Die Wildnis des Terglou und die Julifchen Alpen — Slovenifche Rircheninusik Radmannsdorf und Sir Humphry — Rrainburg von Iosiah Gilbert und G. C. Churchill, aus dem Englischen übersetzt von Leo Rainradl in München (1861—186*) Aus »The Dolomite Mountains", JO. Rapitel. (Raummangels wegen kann dieser Aufsatz hier leider nur etwas gekürzt gebracht werden.) \ Tim Montag früh, herausgeputzt in einem feinen blauen Rock, verriet uns pufitfch feine Absicht, unseren Damen die Aufmerksamkeit zu erweisen, sie selbst nach Veldes zu fahren. Er bezog seinen Sitz auf dem nämlichen alten wagen hinter dem gleichen alten Pferde, das jetzt schon fast unser Eigentum zu sein schien. Churchill und ich wurden an einen mürrischen Burschen gewiesen, an ein mit Stroh ausgefülltes Wägelchen, jedoch mit einem tüchtigen Gaul, pufitsch fuhr ein flottes Tempo, und hurtig ging's das Tal hinab. Natürlich wiederum durch Lengenfeld und dann nach Aßling. Die Landschaft entbehrte hier des offenen Ausblicks auf die Alpen, wie solcher Kronau eigentümlich ist, und zeigte reichere und mehr romantische Formen. Dn Aßling verdeckten größere Däuser die grünen Hügel, stattlichere Bäume gruppierten sich darum, und Schmiedewerke sandten den Klang ihrer wuchtigen Hämmer aus tief verschatteten Mulden herauf, wir verließen das Tal hinter Aßling auf einem Nebenwege südlich, der sich steil durch Waldungen emporwindet, und nachdem die Höhe gewonnen war, kamen wir auf prächtige Rasenflächen, bestanden mit schönen Bäumen in der Art englischer Parkanlagen; hier und da ein Dörfchen und mehr als ein Herrenhaus, in dieser Gegend eine Seltenheit und sehr erfreulich für unsere der Felsen schon müden Augen. Und so, durch viele Abzweigungen und schmale wegschleifen, im Schatten von Eichen, Buchen, Kastanien- und Plußbäumen, zwischen denen ab und zu ein Blick auf Kirchen- oder Schloßtürmchen fiel, gelangten wir endlich in einer jähen Kehre um den Fuß eines Steilhügels herum, der von mittelalterlichen Zinnen bekrönt war, hinab zum entzückenden kleinen See von Veldes — dem Juwel von Krain. Daß hier ein vergnüglicher Ort sei, wurde sogleich deutlich durch zwei hübsche Gasthäuser und zwei oder drei Landsitze, die mit ihren Gärten, Bootshütten und Pavillons das nahe Seeufer umsäumten. Nach sechs Wochen des Umgangs mit Bauern und Wirtsleuten und infolge der äußerlichen Vernachlässigung, die unsere Reisestrapazen mit sich brachten, fühlten wir uns etwas eingeschüchtert gegenüber den Damen und Herren, welche neugierig ihre Augengläser auf uns richteten, während wir an ihrem al fresco Mittagstisch vorbeizogen; und als wir in hübsche Zimmer geführt wurden, schienen wir da kaum mehr heimisch als etwa Raffern in einem Salon. Nun gab es ein hastiges Auspacken nahezu vergessener Kleidungsstücke, die einigermaßen unsere Wohlanständigkeit wiederherstellen sollten. Von den beiden Gasthöfen wählten wir petrans „Stadt Triest", den ältesten und zunächst am See gelegenen und, wie ich glaube, auch besten. Er gewährt einen sehr netten Ausblick. Es gibt keinen Abfluß aus diesem kleinen Muster-See. Sein klares, grünes Wasser wird gespeist durch einen schmalen Seitenarm der Wocheiner-Save; vermutlich führt dieser nicht mehr zu, als die Verdunstung wieder abgibt. Tatsächlich scheint die Wocheiner-Save ursprünglich den See gebildet und ihren Lauf durch sein Becken genommen zu haben, bis zur Vereinigung mit der Wurzener-Save in einer jetzt halb ausgefüllten Schlucht; dagegen ist es nun so, daß sie sich plötzlich nach rechts wendet, um sich mit ihrer Schwester tiefer unten — bei Radmannsdorf — zu vereinigen. Jenseits des Sees, gerade gegenüber den Hotels, liegt das malerische Schloß des Bischofs von Brixen auf der Höhe eines bewaldeten Steilfelsens, und am anderen See-Ende ein anmutiges, baumreiches Inselchen, das ein weißtürmiges Kirchlein trägt, welches man über das umgebende Wasser auf einem Steg erreichen kann, und das ein verkleinertes Ebenbild von San Giulio am Lago d'Grta darstellt. Ein oder zwei Dörfchen in ihrer ursprünglichen, heimeligen Einfachheit liegen entlang den Ufern, und nach jeder Seite hin, ausgenommen das Savetal, schließen waldbedeckte Höhen das Bild ab. Die einzige Unterbrechung in deren Runde wird ausgefüllt durch die hohe, dunstige Masse des Stou, eines Vorberges des Loiblpasses. Über den Hügeln im Süden und Westen sind Berge verschiedener Umrisse sichtbar und als Krone über allen, westwärts die hohen Kahlwände des Terglou, aber, wie in Lengenfeld, noch nicht in beherrschender Wucht; diese zeigt sich nicht eher, bevor man weiter unten im Savetal ist oder mindestens Radmannsdorf erreicht hat. Noch ist der Berg so eigenwillig wie immer! Derbe ländliche Kähne, eckige Kasten mit breitem Boden und groß genug für eine ganze Familie, meist mit Sonnendächern versehen, werden von Frauen auf dem See gefahren; der übliche Ausflug geht nach dem hübschen Dorf und dem Landgasthaus am oberen See-Ende oder um die Kirchinsel. wir spazierten bis zu diesem Dorfe, ein weg von etwa zwei Meilen, und kehrten in einem jener Boote bei Sternenlicht zurück — hinter der schattenhaften Insel, unter den dunkeln Felswänden des Schlosses. Die Jahreszeit war für Gäste schon zu vor« \ geschritten spät. Zumeist kommen diese aus Laibach, und wir konnten nichts über englische Reisende hören. Eine englische Familie hatte zwar den Sommer da verbracht, doch vorher schon in der Nachbarschaft gewohnt und lebte nun, wie wir erfuhren, auf einem Schlosse in Steyer-mark. Der Name klang so „unenglisch", daß wir anfänglich die Geschichte kaum für glaubhaft hielten, doch hat sie sich nachträglich als richtig erwiesen. Veldes bildet sozusagen eine Gabelung zwischen den beiden Flüssen, der wocheiner- und der Wurzener-Save, welche sich unterhalb vereinigen, um die eigentliche Save zu bilden. Churchill und ich erwogen es, unsere Frauen einige Tage im Gasthof zurückzulaffen, während wir das wocheinertal durchforschen, seinen düsteren See — der denselben Namen führt — besuchen und womöglich den Fuß des unnahbaren Cerglou erreichen wollten. S. u. A. jedoch zogen vor, in einem erträglichen Gasthause zu Feistritz, fünf Meilen vom wocheiner-See, zu verbleiben. Zu diesem Ausfluge brachen wir am nächsten Tage nach unserer Ankunft auf und genossen eine Nachmittagsfahrt von 20 Meilen das wocheinertal entlang, das weit unsere Erwartungen übertraf. Schöne malerische Felsgebilde bewachen seinen Eingang, und obgleich es zum größten Teil nur eine eingeengte Schlucht darstellt, stimmen wir Murrays herabsetzendem Urteil darüber nicht bei. Die Wocheiner-Save durcheilt es, ein zwar seichter, aber breiter und prächtiger Fluß, dessen leuchtend grünes Wasser sehr beachtlich ist; auch gibt es da liebliche, freie Grasböden voll idyllischen Reizes. Eine Miß-lichkeit für den Reisenden bilden nur die Züge schwarzer Kohlenwagen, die an schönen weg- und Flußwendungen als Schmutzfleck in der Landschaft auftauchen, auch wohl die Straße absperren. Feiftritz selbst, 15 Meilen von Veldes, liegt hübsch in einem offenen Becken; die Berge, die es einschließen, zeigen schöne Linien und sind von Fichtenwaldungen gleich einem Mantel umhüllt, der ihnen düsteren Ernst verleiht. An einer Stelle nordwestlich von Feiftritz sinken sie hinreichend ab, um einige niedrige Vorberge des Cerglou, wenn nicht diesen selbst, zu enthüllen. Wolken vereitelten eine sichere Feststellung der Sachlage. Das Gasthaus ist an der anderen Dorfseite befindlich, am Ufer eines klaren Baches, und darüber hinaus dehnt sich das Cal mit freien Feldern, angrenzenden Forsten oder von Obstgärten umgebenen Dörfchen gegen einen hügeligen Winkel, der, als wir am Nachmittag uns näherten, mit nebeligem Lichte erfüllt schien. Noch ehe wir hinkamen, war die Beleuchtung erloschen, es folgte ein düsteres Glühen, und bald breitete sich vor uns eine Wasserfläche aus, die kurze well-chen an das einsame Ufer spülte, inmitten feierlicher Öde und Verlassenheit. Vom jenseitigen Ufer, das int tiefen Schatten lag, kreuzte ein Boot herüber; zwei oder drei Männer, die auf sein Kommen warteten, ließen ihre Beine über die niedrige Kirchhofmauer hängen. Die Kirche, das einzige Gebäude in Sicht, vermehrte durch ihre traurige Abgeschlossenheit noch das Gefühl der Vereinsamung. Dieser See, in jeder Einsicht ein Gegensatz des Veldeser, ist der Wocheiner-See und die Kirche jene von St. Johann. Als wir gegen die dunklen Höhen jenseits aufschauten, beglückwünschten wir uns dazu, daß wir sie nicht, wie erst beabsichtigt, überstiegen hatten, um diesen Ort vom Isonzo her zu erreichen, und wir glaubten nun gerne der Versicherung des Kuraten von Soea hinsichtlich ihrer wüsten und trostlosen Eigenart. Die Guelle der wocheiner-Save liegt zwischen ihnen, fünf Meilen fern vom See; dort entströmt sie den Felsen als Wasserfall, den die Gäste von Veldes eines Besuches wohl für wert halten. Unser Interesse lag mehr in einer anderen Richtung — nordwärts —, wo ein Wildtal geradeaus gegen den Derglou verläuft, dessen dunkle Mauern tatsächlich während einiger Minuten hinter dräuendem Gewölk sichbar wurden. Da wir unseren wagen am See verabschiedet hatten, gab es für uns jetzt einen Rückweg von fünf Meilen bis Feistritz. man den Wunsch, mit der Natur in vollen Einklang zu kommen — und dazu ist die rechte Zeit der Abend —, dann muß man die Mutter Erde mit seinen Füßen berühren, den federnden Rasen oder den launenhaften Pfad, hier ein bißchen verweilen, das Glitzern des Baches zu schauen, dort zu beobachten, wie die purpurnen Gipfel gegen das tiefe Abendrot ragen; man muß stillstehen, den murmelnden Lauten zu lauschen, vom fernen Glockenton der Ziegenherde bis zum nahen Gezirp der Grashüpfer, und von Zeit zu Zeit feine Wangen dem sanften Lufthauch darbieten, wir genossen dies alles und noch mehr, und dann — als die Nacht hereinbrach und der weg sich int Dunkel verlor —, ein fernes Lichtlein, das Feistritz sein mochte — aufblitzte und wieder erlosch —, da dachten wir an England, an unsere Heimat, darauf gleichwie im weitfernen Krain, das sommerliche Abenddämmern ruhte und die gleichen Sterne niederblickten. — Feistritz bietet die nächste Nächtigungsstation am Fuße des Terglou,' und sogar von hier aus liegt dieser noch ro Meilen fern in seiner Höhenzauber in der Trenta (gegen den Ialouc) Lichtbild von Dr. Peter Michaelis, Müncheberg Felsenwildnis. Am Mittwoch früh, nachdem wir einen wagen gemietet hatten, der uns etwa j o Meilen nach Mitterdorf bringen sollte, brachen Churchill und ich auf mit der Absicht, in den Bereich dieser Einöde zu dringen, soweit es die Zeit erlauben würde. Ein Fußpfad führt nach Mitterdorf über die Bergsenke Feistritz gerade gegenüber und kürzt die Entfernung sehr ab; nur um unsere Beine zu schonen, fuhren wir den Umweg. Am Ende des wocheiner-Sees vorbeigekommen, drehten wir von ihm ab durch das Dorf Althammer in das Mitterdorfertal, das fast parallel zu dem von Feistritz verläuft. Es brachte uns über den Eingang jener wilden Schlucht, die gegen den Cerglou durchbricht, und die wir nun zu erforschen wünschten. Jedoch unser Führer, ein großer, dunkelhaariger und interessant aus-sehender Bursche mit Namen petran (in dieser Gegend ein häufiger), dessen weiche, leise Stimme auch unverkennbar „windisch" klang, war damit keineswegs einverstanden. Er nahm an, daß es unsere Absicht wäre, den Cerglou zu erreichen, wo nicht gar zu ersteigen, und er wußte, daß wir hiefür auf aussichtsloser Route waren. Unser Ziel, das darin bestand, einen richtigen Blick auf den Berg zu gewinnen, wäre, wie sich herausstellte, besser angestrebt worden, hätten wir die Schlucht in Betracht gezogen, mittels eines Viehsteigs, der gegen die kahlen Höhen nach links abzweigt. petrans weg wendete sich bergwärts, gerade bevor man die Kirche von Mitterdorf erreicht. Als wir ankamen, läutete die Glocke, und beide, der Kutscher sowohl wie er, sprangen rasch vom wagen und sanken am Wege in die Knie; zwei oder drei Bauern im Kirchhof taten ebenso, und ein Priester, der etwas in seinen fänden trug, erschien, vom Mesner begleitet, in der Kirchentür. Es war die heilige Hostie, die wohl zu einem Sterbenden gebracht werden sollte. Ein Bauer wartete mit einem wagen auf den Geistlichen und sein Gut. Aber etwas Unpassendes, wenn nicht Groteskes, lag in dem Umstande, daß der geweihte Hüter des heiligen Mysteriums gar sehr von Zahnschmerz geplagt schien, denn sein Gesicht hing schmerzlich schief und war in einen Breiumschlag gewickelt. Es war ein Motiv für den sarkastischen und zugleich mitleidigen Humor Carlyles. Hier waren wir sechs Stunden vom Fuße des Cerglou. Der Pfad, steil durch Buschwerk und Gestrüpp leitend, zeigte drunten das Mitterdorfertal in wechselvoller Schönheit, denn alle Wildnis liegt oberhalb. wir waren nicht weit petran voraus, der bälder Rast gemacht hatte, als Führer sonst pflegen, wobei er gestand, unwohl zu sein. n Augy, Triglav. 161 Branntwein wies er mit Abscheu zurück, ein Schluck frischen Wassers war das Heilmittel, nach dem er verlangte, aber wie gewöhnlich, kein (Beriefet von Wasser war in dieser Bergesstille zu vernehmen; die einzige Aussicht hiefür bot ein Dörflein, etwa zwei Stunden im Anstieg. Dort war unser Staunen darüber groß, daß die ganze Vorsorge in Fäßchen bestand, die täglich, gefüllt von einer Duelle, etwa eine Stunde höher am Berge gelegen, herabgebracht wurden, petran tat einen langen Zug am Hahn eines Fasses und fchien erquickt, doch als wir die Duelle selbst erreichten, legte er sich hin und erkannte, daß er richtig krank sei und nicht weiter gehen könne. während dieser Zeit war die Überzeugung in uns gewachsen, daß — abgesehen von diesem Mißgeschick — wir den Terglou verfehlen würden, denn je weiter wir den steinigen Pfad emporstiegen, desto höher erhob sich unserem Ausblick gegenüber eine mächtige Mauer — der Draßberg —, den wir offensichtlich entweder besteigen oder umgehen mußten. An der Duelle, wo zwei oder drei elende Schuppen den Namen „Koneza" führen, fanden wir uns in einer tiefen Mulde, in welche die Felstrümmer dieses Berges abstürzten. Der weg (wenn er ein „weg" genannt werden konnte) lag in diesem Geröll und den darüber befindlichen Steilhängen und versprach so viel Plage und Zeitverlust, daß wir, unseres Führers beraubt, den Gedanken aufgaben, ihn in Angriff zu nehmen und — nach petrans Empfehlung — beschlossen, die Hänge und Schrofen zur Linken zu versuchen, wo, wie er dachte, jenseits der Terglou sichtbar werden müßte. Nach harter Kletterei durch Felsen und Alpenrosenbüsche gewannen wir einen sonderbaren Gratrücken, just breit genug für einen Geißpfad, aber nicht mehr. Er gewährte einen prächtigen Ausblick, nur nicht — auf den Terglou! Die Masse des Draßbergs deckte jede Spur von ihm. Der von uns erreichte Grat erstreckte sich in beträchtlicher Länge und bildete die eine Seite der tiefen Schlucht, die ich erwähnte. Sie war so tief und so eng, daß sie nur als blaue Spalte unter uns erschien. Jenseits davon lag eine grause Wildnis, ein wirrsal abweisender Felsstürze, Klippen, weißer Brüche und düsterer Abgründe, welche Wolken verdunkelten und zeitweilig wieder enthüllten. ön der Richtung, aus der wir gekommen waren, lagen tief zwischen den Bergen die ruhigen Wasser des Wocheiner-Sees. Die helle Seite der Sicht war gegen die Save nach Nord-Ost, ein unermeßlich weites, zartfarbiges Bild, ött seiner Mitte, etwa 50 Meilen fern, erhob sich ein. Objekt größten Interesses für uns, da wir Tage vorher schon darnach Ausschau gehalten hatten, etwas, das zur gewaltigen Berggruppe der Steiner-Alpen gehören mußte, denen die letzte Woche unserer Reise gewidmet sein sollte. Jetzt, zum ersten Male, stand sie verwirklicht da, eine hochragende Riesengestalt, bekränzt von lichten Wölkchen und schimmernd in den zarten Tinten kahler, ferner Felsen. Es war der Grintouz, der westlichste Eckpfeiler der Steiner-Alpen und der erhabenste, der Grenzstein von Kärnten, Krain und Steyermark und der Wächter des vielleicht abgeschlossensten Tales in Europa. wir waren durch diese Schau getröstet über den Verlust des Terglou, und nach einer vergnüglichen Stunde der Aussicht von unserer schmalen warte kletterten wir wieder zu unserem Führer hinab, den Rast, Kühle und Wasser völlig belebt hatten. Im Verlauf des Sommers hatte er die Besteigung des Terglou in Begleitung eines Engländers ausgeführt, dessen Familie in Veldes geblieben war, und mit einem jungen Freunde dieses Herrn. Er zeigte uns ein Taschenmesser, Sheffielder-Arbeit, gegeben zum Andenken an die Heldentat, das er hoch einschätzte. Die Partie schlief in einer Hütte „Belpole" genannt — whitefield —, ausdrucksvoll für die Steinöde, darin sie gelegen ist. Es ist dies 54Z0 Fuß über dem Meere und unmittelbar am Fuße des Berges. Vier Stunden, so verstanden wir, brauchten sie bis zum Gipfel, aber es erscheint als ein Anstieg von großer Schwierigkeit und einiger Gefahr. Die erste urkundliche Besteigung ist jene von Hauptmann Bosio )Srr, der, beauftragt mit trigonometrischen Messungen, in reichlichem Ausmaße beides erfuhr, die Schwierigkeiten und die Gefahren, einen Führer durch Blitzschlag verlor und gezwungen war, in äußerster Bedrängnis eine Nacht auf dem Gipfel zuzubringen. Ein anderer österreichischer Offizier, Hauptmann Holsmay, war glücklicher und hat vor kurzem in einem Bande der Mitteilungen des wiener Alpenklubs eine Schilderung seines Aufstiegs gegeben, der nicht aus der wochein, sondern von der Savetalseite her unternommen wurde, mit Lengenfeld als Ausgangspunkt. Für solche unserer Leser, die nicht „Alpine Professionals" sind und daher kaum den Bericht zu sehen bekommen werden, wollen wir einige Einzelheiten des Abenteuers bringen. Hauptmann Holsmay und seine Partie verließen Moistrana bei Lengenfeld um 4 Uhr N. M. und ungefähr gegen 9 Uhr, nachdem man sich etwa eine Stunde im Dunkeln zwischen Blockwerk verloren hatte, erreichte man die obere Kerma-Alpe, nahezu in gleicher Höhenlage wie die Belpole-Hütte auf der entgegengesetzten Seite. *£iev blieb man bis 5 Uhr 30 früh, wo dann zum n* 163 Anstieg geschritten wurde. Eine Stunde brachte zur Sattelhöhe, welche Draßberg und Lerglou verbindet, in einer Höhe von 6??o Fuß. Von hier leitet ein schwieriger Steig nach Belpole hinab. Eine halbe Stunde absteigend in nördlicher Richtung entlang der Innenseite des Sattels, kamen sie an den Fuß des eigentlichen „Terglou-Massiv". Hier befand sich Holsmay am Beginn des riesenhaftesten Geröllhanges, den er je gesehen, und der im Anstieg große Mühe in kurzen Zickzackgängen kostete. Auf der Höhe dieses Ganges erhob sich eine Steilwand <>o Fuß hoch, welche, den ganzen Bergkamm umsäumend, jeden weiteren Fortschritt zu sperren schien. Glücklicherweise wurde ein einziger, drei oder vier Fuß breiter Riß gefunden, und durch diesen erzwang die Partie mit großer Schwierigkeit ihren weg. Hauptmann Bosio, der bei seinem mißgeschickreichen Ansturm zuerst diesen Spalt erklomm, nennt ihn nicht ohne Grund „das Tor des Lerglou". Das „Terglou-Lor" war um 9 Uhr passiert, und man rastete einige Minuten an dieser Stelle besonderer Gefahr im Aufstiegsbeginn. Alles überflüssige, sogar der Bergstock, wurde zurückgelaffen, da jetzt die Hände genug zu tun hatten, den Beinen zu helfen. Der Dachsteinkalk, woraus das Lerglou-Massiv besteht, ist sehr verwittert und voll von Riffen, sodaß die Festigkeit jedes Vorsprunges sorgfältig geprüft werden muß, ehe man Hand oder Fuß daransetzt; und dazu kommt noch der weitere Übel-stand, daß die Verwitterung die Felskanten oft messerscharf gemacht hat. Hauptmann Holsmay war nicht weit geklettert, und schon waren seine Handschuhe zerfetzt und seine Finger arg zerschnitten. In einer Halbstunde erreichte er den Gipfel des Kleinen Terglou, ssro Fuß über dem Meere. Er stieg nun zum Sattel hinab, der den niedrigen mit dem Großen Derglou verbindet, indem er in nordwestlicher Rich-tung weiterstrebte. Der Grat ist erst breit, verschmälert sich aber allmählich, bis er größte Vorsicht erheischt, da beiderseits Abstürze niederfallen, und zuletzt auf einem Abstand von etwa zehn Fuß die Breite nicht mehr als acht Zoll beträgt. Diese Stelle nahm der Hauptmann klugerweise im Reitsitz. Jenseits, am Fuße des Endstocks angekommen, ging der Aufstieg in strammer Kletterei über schmale Klippen, abwechselnd mit jähen Felsstellen, wo Fuß- oder Handhalte ganz zu fehlen schienen. Es war dies der anstrengendste Lei! des Ganzen und erforderte häufige Rasten. Am Ende dieser Schlußwand leitete ein schräger Grat die Kletterer in etwa dreißig Schritten zum Hauptgipfel, 9370 Fuß über dem Meere, den sie um 10 Uhr V. M. erreichten, während des' Aufstiegs litt man sehr an Wassermangel. Schnee war das einzige Hilfsmittel, da der wein zufällig auch zurückgelaffen worden war. Die höchstgelegene Guelle ist nur eine Halbstunde über der Kerma-Alpe, und daher war man acht Stunden ohne genügende Möglichkeit, den Durst zu stillen. Der Gipfel, sehr verwittert und mit Trümmern bedeckt, verläuft von Süd-Süd-Oft gegen Nord-Nord-West in einer Ausdehnung von etwa 30 Kards, Ln einer Breite von fünf bis sechs. Zwei Holzpflöcke nebst anderen Resten lagen da, die Überbleibsel der von Hauptmann Bosio errichteten Pyramide. Der Horizont war nicht klar, sonst würde man sogar Venedig gesehen haben, doch ein Teil der Adria und die Windungen der Flußläufe in der Venetianischen Ebene waren sichtbar. Um 11 Uhr V. M. begann man den Abstieg auf allen Vieren. Um 12 Uhr passierte man das Terglou-Tor. Um i Uhr 30 war die Hütte der Kerma-Alm erreicht, und nach einer Rast von einer Stunde kam man nach Lengenfeld zurück um 6 Uhr 30 abends. Aus diesem Bericht wird es deutlich, daß der Terglou ein gar grimmiger Berg ist. Der Rückweg nach Mitterdorf kostete uns drei Stunden; zweifellos gehoben durch den Gegensatz, erschien uns das Tal mehr noch als am Morgen ganz außerordentlich schön. Der letzte Teil des Abstiegs war sehr steil; ich ging voraus, Churchill folgte in kurzer Entfernung, und petran, immer noch leidend, kam hinten nach. An einer scharfen Wegkrümmung, zwischen Zwergeichen, stand ich festgebannt. „Churchill", rief ich aus, „schau hierher!" „was gibt es»" schrie er, „Schlangen;" Es war gut, daß es kein Ghr außer dem meinen vernahm! Vor mir waren unsere beiden Frauen, die brav mit ihrer Näharbeit unter einem Baume saßen, wir waren in der Vorstellung befangen, sie wären zehn Meilen fern in Feistritz, wo wir sie am Morgen verlassen; sie aber hatten die Gelegenheit ergriffen, als der wagen am Nachmittag zurückfuhr, so weit zu kommen, um uns zu treffen, und waren eine Strecke bergan gestiegen, uns desto wirksamer zu überraschen. Die Vergrößerung unserer Gesellschaft, so erfreulich an sich, wurde jedoch zu einer gewissen Verlegenheit, petran war zu krank, um zu gehen, also richteten er und der Kutscher sich auf irgendwelche Art hinter dem Schweife des Pferdes ein; S. und A. bezogen den einzigen ordentlichen Sitz, Churchill und ich einen zweiten, auf Heu hinter diesem zurechtgemacht. Der aber löste sich, als wir begannen, die rauhe Straße entlang zu holpern, bald in nichts auf, und wir zwei unglücklichen Fußgänger mußten uns damit abfinden, gleich Kälbern, auf einem Karren auf dem Bretterboden liegend, die Beine beiderseits hinauszustrecken — aller- dings unter sehr mitleidigem Bedauern der Damen vorne, was jedoch weder das Rütteln milderte, noch die Zehen und Fersen vor dem Anstreifen an Bäumen, Felsen und Hauswänden bewahrte, wenn wir daran vorbeifuhren. Und dennoch darf nicht geleugnet werden, daß diese Heimfahrt im Dämmerlicht eine vergnügliche war — nochmals am stillen wocheiner-See und an den Ufern der jungen Save vorbei, sowie an der Stelle, die den widerspenstigen Terglou zu Gesicht bringt — und dann wieder zurück ins ländliche Gasthaus zu Feistritz, wo in einem gemütlichen Nebenzimmerchen die wohlmeinenden Wirte taten, was sie konnten, uns bei der Teebereitung zu unterstützen. Am nächsten Morgen kehrten wir durch das enge Tal zurück nach Veldes, das so lieblich wie immer sich zeigte, und speisten — jawohl! — speisten mit jener Muße und in der geregelten, wohlgesitteten weise, die man allein „speisen" nennen darf. Dann aber, statt einen schattigen Sitzplatz im Garten zu suchen und die „Gazetta di Venezia“, übermannte uns die gewohnte Rastlosigkeit wieder — und wir erstiegen den Schloßberg, beguckten die Gemächer des Bischofs und seiner Kapläne, lugten in die Privatkapelle und durchwanderten das kleine Gartenfleckchen, das eine niedrige Mauer vor dem Abgrund schützt, welch eine Rundschau für die geistlichen Herren — falls diese jemals hieher kamen — auf den See, über die Berge und hinab das mächtige Tal entlang mit der fernen Save, in flirrender Sommerhitze verschwimmend! Am Fuße des Felsens liegt ein Dörfchen; der Schullehrer ist hier sowohl Postmeister wie auch Organist der Kirche; und — während wir einige Minuten in seinem Zimmer warteten — durchblätterte und probte A. einige Seiten einer Slovenischen Messe. Sie war so begeistert von der klangvollen, wehmütig absonderlichen weise des Tonstückes, daß sie, da wir schwerlich Laibach besuchen konnten, wo der Komponist lebte, einen Handel mit dem Schulmeister um sein reichlich zerschlissenes Notenblatt abschloß. Und nun dienen die weichen Klänge zuweilen dazu, uns an die Reisetage in Krain zu erinnern. Am gleichen Nachmittage verließen wir Veldes, um nach Krainburg zu kommen, einem alten Städtchen, vier oder fünf Stunden wagenfahrt talwärts an der Save. In ungefähr einem Drittel der Entfernung ist Radmannsdorf sehr malerisch gelegen, doch nicht an der Post-, linic von heute; das Savetal ist hier von großer Breite, und die Hauptstraße für den Verkehr hält sich entlang seiner Nordseite. Sir Humphry Davy, dessen Spur wir noch verfolgten, spricht von seinem Eintreffen in Radmannsdors auf dem Rückwege von einem seiner frühesten Besuche in Wurzen: „wir verließen die Poststraße in Aßling. Die Ebene zwischen den zwei Bergketten steigt an jener Seite, wo sie sich an die Kärntnerberge lehnt, auf gegen das Savetal hin und ist reich an Weideland mit Gruppen und Decken von Nußbäumen, Eschen, Erlen, Kastanien, Linden und Buchen. Sie ähnelt einer vornehmen englischen Parkanlage, aber mit einer Beimischung von Korn-, Klee- und Maisfeldern. Zur Rechten gibt es da eine schöne Felskanzel, darauf ein malerisches Schloß, dann eine Reihe verstreuter Hügel und dahinter vier deutlich getrennte Bergketten, in der letzten der kahle, schneeige Terglou. Durch das Tal windet sich die Save, und die Vereinigung der beiden Gewässer, das eine hellblau, das andere meeresgrün, ist deutlich erkennbar. Die niedrigsten Hügel zeigen den gleichen Pflanzenwuchs wie die Ebene, die nächste Stufe bilden Eichen und Buchen, die dritte Fichten, die vierte Fichten und Gefelse, die fünfte ist ohne ein Zeichen von Vegetation mit Klippen oder Schneemaffen. An den Flanken und am Fuße der Hügel sind hübsche Dörfer mit weißen Kirchtürmen, zwischen Bäumen aufragend, zu schauen, Hier scheint der Mensch befähigt, sich des Lebens zu freuen; die belebte Natur zeigt sich heiter und die unbelebte schön und erhaben." Dieser ebenso genauen wie liebenswürdigen Schilderung fügt aber der eine Satz: „Der Mensch scheint hier befähigt, sich des Daseins zu freuen", einen Zug von Schwermut bei; der Philosoph muß einen Seufzer getan haben, als seine Feder diese Worte niederschrieb. Er, die leuchtende Zier der vornehmsten Londoner Kreise, der Mann von europäischem Ruf, mußte in das entlegene Krain kommen, ehe er einen Ort finden konnte, „wo der Mensch befähigt ist, sich am Leben zu freuen!" Von Radmannsdorf aus, wie ich bereits erwähnt habe, ist endlich der Terglou in jener Hoheitsstellung zu sehen, die ihm gebührt. Jetzt ragt er himmelwärts, das ganze Landschaftsbild beherrschend, Hier erscheint erstmalig sein Dreikopf, obgleich er wohl besser als ein Haupt mit zwei Schultern bezeichnet würde. Die vier von Davy erklärten Bergketten zeichnen sich deutlich ab, und die Üppigkeit der zwei tiefergelegenen steht zur völligen Öde des Derglou-Massivs in schönem Gegensatz. Doch muß das Savetal selbst nicht als ein sanft lächelnder, grüner Landstrich hingestellt werden; es ist vielmehr eine Ebene, in tiefe Furchen gegliedert, mit versenkten Niederungen, wo Dörfer und Felder am Fluß entlang versteckt liegen. Die Straße zicht auf und nieder über manch beschwerliche Steigung und durch dicken, echten Festlandstaub. wo immer wir eine der oberen Hochflächen der Save-Ebene überschritten, stets wurde deren verhältnismäßige Unfruchtbarkeit ausgeglichen durch den Blick auf die Berge zur Rechten und zur Linken, die hübsch bewaldet sind und in der Form einzelner Kegel sich zeigen, jeweils mit einem weißen Kirchlein oder einem Kloster auf dem Gipfel, eine Landschaft, durchaus unähnlich einer englischen, und leuchtend in solch duftigen Farbtönen, wie sie unser Klima niemals bietet. Höhenzauber in der Trenta (der Flitscher Grintouc über dem Trentatal vom Aufstieg zum Ozebnik) Lichtbild von Dr. Peter Michaelis, Müncheberg ' >:y.‘ :m -MAM | | J L Kapitel Der Terglou in Ream Von Eliot Howard Aus dem Englischen übersetzt von Leo Rainradl in München (1869) Aus .Alpine Iournal', vol.4,1SSS—1S70. (Raummangels wegen kann dieser Aufsatz hier leider nur etwas gekürzt gebracht werden.) :0a die Gipfel und Täler der West- und Zentralalpen nun gut erschlossen sind, erhebt sich die Frage: was ist in den Bergländern weiter östlich zu finden, außerhalb der Grenzen der Schwei; und Tirols- Der Wunsch nach Erledigung dieser Frage steigert sich in der Seele eines jeden, der Mr. Gilberts und Churchills prächtiges Buch gelesen hat, das eine so gründliche und liebenswürdige Schilderung eines großen Teiles dieser Gebiete gibt, und ich glaube, daß kaum jemand, der sich dort versuchen will, Grund haben würde, es zu bereuen. Gegen Ende des vergangenen Mai traf ich mit Mr. F. F. Tuckett und dessen Führer, Christian Lauener aus Lauterbrunnen, in Salzburg zusammen und verlebte etwa zehn höchst angenehme Tage im Durchforschen einiger Täler der West-Steyermark, ausgehend von Klagen-furt in Kärnten am 4. Juni. Von hier sandten wir unser großes Gepäck nach Cortina d'Ampezzo voraus und brachen auf, um über den Kotschna-Paß die Karawankenkette zu überschreiten. In etwa zwei Stunden durchfuhren wir das Tal nach windisch-Feistritz, nahmen dort den Dorfschuster als Führer und Träger auf und wanderten das Bärental hinan, eines der schönsten Täler im Karawankenzug, umsäumt vom Stou (7326 Fuß) und der Kotschna (6862 Fuß), den zwei Hauptgipfeln und einem Gratausläufer, der im Matschachergupf endet. Der erstgenannte Gipfel ist ein beliebter Aussichtsberg deutscher Touristen und zeigt sich recht leicht ersteigbar. Unser weg führte zwischen Stou und Kotschna hindurch, und von der Paßhöhe aus genossen wir einen hübschen Rückblick auf das Drau-tal und die hohen Türme Klagenfurts, sowie aus verschiedene pleben-täler und Höhenrücken, nach vorwärts aber — was unsere Aufmerksamkeit mächtig erregte — aus den Hauptkamm der Krainer-Alpen, bekrönt vom Terglou. Dieser Gipfel ist fast nach allen Seiten hin so verdeckt von hohen Vorbergen, daß es schwierig ist, einen Blick aus ihn zu gewinnen, ausgenommen wenige Punkte, von denen aus man den ganzen Kamm überschaut, von seinen tief verborgenen Gründen bis zu den ragenden Zinnen, wo selbst der Schnee kaum genug t^alt finden kann, um einen kleinen Gletscher zu bilden. Im Monat Juni, zwei Jahre vorher, hatten wir einige Zeit in der Gegend geweilt, ohne daß uns das Wetter auch nur den Anblick der Gipfel gestattet hätte. Um so größer war jetzt unsere Genugtuung durch die Wahrscheinlichkeit, daß es möglich werden könnte, endlich nähere Bekanntschaft mit diesem Berge zu machen, über deffen Schwierigkeit wir solch fabelhafte Berichte gehört hatten. Auch Christian Laueners Befriedigung war groß in der Erwartung, endlich eine seiner würdigere Arbeit zu bekommen als bisher auf den Fahrten in Steyermark. Vom Paß aus nahmen wir unseren weg nach abwärts durch dichte Waldungen, durchflossen von einem kräftigen, klaren wasserlauf, eine große Seltenheit in vielen Teilen von Krain und Friaul. Vorüber an einigen Eisenwerken, erreichten wir um r Uhr zo Jauerburg im Savetal, ein Dorf mit vielen Schmelzöfen des großen Werkbesitzers Baron von Zoys. Ganz ohne jede Absicht verirrten wir uns in den Schloßgarten dieses Herrn, da wir die Weisung eines Einheimischen nach einer Erfrischungsstation mißverstanden hatten; fanden aber zuletzt das gewünschte Bier in einem kleinen 'Zause, entlohnten den Träger, schulterten unsere Schnerfer und brachen nach Veldes auf. Ein guter Fahrweg wendet sich etwas oberhalb Jauerburg seitwärts, überquert die Save und steigt einen steilen Hügel hinan an der Südseite des Tales, durch Buchenwald in eine schöne, parkartige Schlucht, die im Verlaufe zum Radoina-Fluß niederleitet (von den Deutschen in „Rothwein" verzerrt) und jenseits über Weideland und durch Obstgärten nach dem hübschen Dorfe Veldes am See gleichen Samens. Die Schönheit des kleinen Sees und die großartige Aussicht auf die Berge ringsum macht ihn zu einem sehr bevorzugten Ausflugsziel und berechtigt ihn zu seinem Titel „der Edelstein von Krain". wir drückten uns um die modernen und aufdringlichen Hotels herum, trotz der pessimistischen Meinung Christians, wir würden so die letzten Däuser des Dorfes hinter uns lassen, und waren schon ein wenig im Zweifel über die Zuverlässigkeit unserer Orientierung, als wir, um eine Ecke biegend, in Sicht des Weilers von Seebach und von petrans heimischem Gasthaus kamen. Sehr erfreulich war die herzliche Begrüßung durch die nette Wirtin, und recht groß war die Versuchung, den Rest des goldenen Abends faul im Garten am See zu versitzen, die Scharen der Fische zu füttern und den Ausblick zu genießen; aber wir hatten ja noch Arbeit vor uns, und nach eiliger Einnahme von Frau petrans gutem Mittagstisch und der Feststellung, daß wir auch Ln der nächsten Station etwas zum Esten finden würden, bestiegen wir einen „Einspänner" und fuhren im Dämmerlichte los, das Savitzatal hinan nach Feistritz. Die Savitza-Schlucht gilt als sehr schön, doch können wir darüber aus eigener Wahrnehmung nicht viel sagen. 3n unserem Erinnern haftet sie lediglich als ein Begriff von Müdigkeit. Endlich erreichten wir Feistritz, fuhren durch das Dorf und hielten vor dem Gasthause, das ganz an dessen Ausgang liegt. *£iev fanden wir bessere Unterkunft als erwartet, denn es zählt nicht zu den Einkehrstellen von Besuchern des wocheinersees und des Wasserfalles am Ursprung der Save. Auch ist Feistritz ein Mittelpunkt der Eisenindustrie; es besitzt einige Hochöfen und andere Werke. Jenseits des Weges zum Gasthaus fließt ein breiter, klarer Fluß; entlang diesem läuft ein angenehm schattiger Laubgang, wo wir einen ruhigen Morgen mit Lesen von Briefen usw. verbrachten, wobei wir die vorübergehenden Landleute in ihren hübschen Trachten beobachten konnten. Die Männer, große, wohlgestaltete Burschen in hohen Schaftstiefeln und Jacken mit Silberknöpfen, die Hüte geschmückt mit einer Troddel oder vielleicht einer kleinen Feder (unseren steyrischen Schildhahnstoß fanden wir hier nicht in Mode). Die Frauen tragen weiße Ärmel und ein buntes Kopftuch, ein gleichartiges gekreuzt um die Schultern geschlungen. Die älteren haben einen Kopfputz, nicht unähnlich einem altmodischen Damenhut. Der Triglavstock erhebt sich in der nordwestlichen Ecke senes Gebietes, das von slovenischer Bevölkerung besiedelt ist. Hier, in den Bergen, sieht man den Slovenen von allerbester Art. Es ist etwas int Leben der Bergbewohner, das ihren Charakter emporhebt, seien es nun Deutsche, Slovenen oder Himalayaleute. Ist es nicht das Selbstvertrauen und doch auch die Notwendigkeit gegenseitiger Hilfe, wodurch solch ein Leben sich ausgestaltet, den Menschen mehr Selbstachtung gibt und auch Rücksichtnahme in freundlicherer Form als das viel eintönigere Dasein in der Ebene; Und gewiß läßt die Unsicherheit und die Gefahr, die stetige Fluchtbereitschaft, von der seder Bergmensch zu erzählen weiß, ihn oft an eine Macht denken, die über ihm waltet, in deren Hand er sich und sein Tun und Lassen zufrieden und vertrauend legen muß. Sei all das, wie es mag; diejenigen, welche die Bewohner dieser Gegenden genau kennen, rühmen stets ihre echte Gastlichkeit und Freundlichkeit. So weit unsere geringe Erfahrung reicht, haben wir in den Führern immer sehr nette Burschen gefunden, die den Mangel der gegenseitigen Verständigungsmittel mit wunderbarem Geschick durch Zeichensprache auszugleichen wußten, oftmals vollkommen richtig antworteten, sicherlich öfter noch mehr belustigend. Doch zurück zu unserem Gasthof in Feistritz! Im Verlaufe des Tages machte unser Führer, Schest, seine Aufwartung. Er ist ein alter Jäger des Baron Zoys, ein hagerer, kleiner Mann mit grauem haar, für ganz schwere Arbeit oder scharfes Klettern wohl kaum noch geeignet, aber noch immer ein tüchtiger Bergführer und durchaus mit seiner Scholle vertraut. Nach einem frühen Mittagsmahl, das er schüchtern an einem Nebentische einzunehmen vorzog, schulterten wir unser Gepäck mit Proviant und brachen um r Uhr nach Mitterdorf, Schests Heimat, auf, wo wir seinen Sohn als Träger nehmen wollten, halbstündige Wanderung über eine dazwischen liegende höhe brachte uns zu Schests Behausung; sein Sohn fand sich ein, und während er seine Vorbereitungen traf, traten wir ein, um der Hitze zu entgehen und uns etwas darin umzusehen. Das Haus war ein rechtes Muster einer Bergsteigerwohnung. Man geht durch einen Raum, der halb Scheune, halb Vorratskammer, von rohen Bretterwänden umschloffen ist, und betritt die kleine Wohnstube, mit einem weißen Ofen in der Ecke, einem Bett daneben, Sitzbänken an den wänden und zwei oder drei tief eingeschnittenen Fensterchen. Um halb 4 Uhr waren wir marschbereit und zogen los; der junge Schest, in Kniehosen und Stiefeln, übernahm den hauptteil unseres Gepäcks und Proviants, Christian das übrige, während der Alte verständnisvoll die weinbuddel wählte, eine India-Gummifiafche, die etwa 5 Viertel faßte, womit jedenfalls er selbst gut versorgt war, mochte aus uns werden, was immer. Tuckett und ich, wir trugen unsere bequemen steyrischen Rucksäcke mit Reservekleidung usw. wir begannen rechts hinter dem Dorfe anzusteigen. Der weg führt über einen langen Bergrücken hin, nach einer Alpe, in der Karte als „Luskouza" verzeichnet. Der Nachmittag war drückend heiß, und wir fchlenderten lässig dahin, rasteten bei einem Trupp von Bauern, die mit unseren Führern zu plaudern begannen, und überholten eine Schar von Landmädchen, die vom Dorfe nach ihrer Alm zurückwanderten und' die Wäsche für die Woche in Körben auf ihren Köpfen trugen. Sie waren nicht hübsch, sahen aber nett und anmutig aus mit den weißen Ärmeln und Schultern und der sauber gehaltenen Kleidung. Da war besonders eine, die für eine „alpine Dorothea" gelten konnte, groß, aufrecht und lebhaft, mit einem Gesicht, nicht schön, doch voll gutmütiger Entschiedenheit; sie stand offensichtlich mit allen auf bestem Fuße und war stets imstande, sich in dem heiteren Wortgefecht zu behaupten, das unseren Wanderweg belebte. An diesem Nachmittage erkannten wir auch, wie unendlich nützlich ein einziges Wort einer Sprache sein kann, wir hatten tags zuvor von unserem Führer gelernt, daß „dobra dan“ guten Lag bedeute, und dieses Wort „dobra“ in verschiedener Betonung war dazu bestimmt, fast allen Zwecken der Konversation zwischen Schest und uns zu dienen, wenn wir ihm einen Schluck wein gaben, strich er sich den Bauch und sagte „dobra“ (in befriedigtem Lone), wünschten wir zu wissen, was er über das Wetter denke, blickten wir zum Fimmel auf und sagten „dobra“5 (in fragendem Lone), und er erwiderte „dobra“! (in beruhigendem Lone), wenn eine befriedigende Einteilung des Gepäcks getroffen worden war, war es „dobra“ (in entschiedenem Lone) usw. durch alle Möglichkeiten. Andererseits war seine Kenntnis des Deutschen hauptsächlich auf das Wort „fest" beschränkt, und es ließe sich wohl schwerlich ein für einen Führer brauchbareres Wort finden. Um sicher zu gehen, pflegte er seine Angaben ziemlich zu unterstreichen, so etwa „drei Stunden fest" bedeutete drei Stunden lang usw. Zum Glücke verstand sein Sohn etwas mehr Deutsch, und unter Beihilfe von Gesten hatten wir niemals eine ernstliche Schwierigkeit. Das Wetter schien nicht die Absicht zu haben, „dobra“ zu werden, und nicht lange, da mußten wir alle unter viel Lachen und Neckerei eine Deckung aufsuchen, die wir zum Glück noch rechtzeitig fanden, um den Sturm zu beobachten, der über den Mali Drasky Vrch heraufzog, als ein recht düsterer Vorbote für den folgenden Lag. Nach kurzem jedoch zeigte sich die Sonne wieder, und nachdem jeder das ihm zukommende Gepäck ausgenommen hatte, stiegen wir weiter; Dorothea hatte sich angeboten, Schests weinlast zu erleichtern, doch er konnte sich davon nicht trennen. Im Verlaufe erreichten wir die Hütten, und einer unserer Begleiter nötigte uns hinein, zu einer Erfrischung mit überreichlichen, sehr willkommenen Schlucken von Milch, dazu Brot, Butter und Käse. Als der junge Schest auf unser 2lnsuchen hin ihn befragte, was wir ihm dafür geben sollten, lehnte er jede Bezahlung ab und erklärte einfach: er habe ja genug; eines jener Beispiele ungekünstelter Gastfreundschaft, die zu finden so wohl-tuend berührt. — Doch wir hatten schon so viel Zeit verloren, daß wir hier nicht länger verweilen durften. Von dieser Alpe leiten zwei Steige hinan zur Belpole-Hütte (whitefield), wo wir schlafen wollten. Der eine Pfad führt auf der linken Seite des Rückens, auf dem wir gingen, der andere auf der rechten. Schest wählte diesmal den letzteren als „mehr komod"; doch nach Lucketts Erfahrung zwei Jahre vorher (als der Anstieg durch schlechtes Wetter gänzlich vereitelt wurde) scheint er der wesentlich längere zu sein. Unsere Begleiter waren nun sämtlich bei ihren Alm-Hütten zurückgeblieben; es begann Abend zu werden, wir stiegen rüstig bergauf und kamen auf der Lalhöhe zu einem Weideplatz mit einigen Pferden (in der Karte „Konschitza" bezeichnet). Darüber hinaus folgte eine Steilstufe über Felsen und Grashänge, wo der junge Schest die Führung übernahm, trotz seiner wirklich schweren Belastung in solchem Eilschritte, daß wir kaum mitmachen konnten. Der Alte war weit zurückgeblieben, doch waren wir seinetwegen unbesorgt, obgleich vielleicht nicht ganz hinsichtlich unseres Weines. Fast als einzige Lebewesen sah man eine Anzahl kleiner, seltsamer, schwarzer Wassermolche" (die Christian „Regenwürme" nannte); sie schienen eine Mischung von schwarzer Wegschnecke und Eidechse und zeigten eine selbstmörderische Neigung, uns unter die Füße zu geraten, und ihr sonderbar plumpes Wesen erinnerte mich an das abscheuliche Tier, „Kokodrillo" genannt, über welches ich wundersame Berichte bei einem früheren Besuch des Gailtales vernommen hatte; es kam jedoch zuletzt heraus, daß der einzige Mann, der davon wußte, es gesehen hatte — auf einem Kupferstich. wir gewannen bald die Kammhöhe und hielten da, um einen Rundblick zu tun, den die ringsum treibenden Nebel noch erhabener erscheinen ließen; über dem Tale der wochein konnten wir entlang den Bergen schwere Wolkenmassen lagern sehen, keineswegs „dobra“. Nachdem wir genug Ausschau gehalten, unseren Atem beruhigt oder auch verschwendet hatten bei Versuchen, das Echo durch schallende Jodler zu wecken, ging's wieder weiter, jetzt fast eben hin, herum um die Schulter des Draßberges, jenes herausfordernden Vorbaues, der von dieser Seite her stets den Derglou verdeckt. Nach ungefähr halbstündigem, stetigem Marsche kamen wir zu einem Hüttchen an der Bergflanke, und die Schests versuchten eifrig', uns zu überreden, wir sollten hier nächtigen; da aber Cuckett schon \ tCciglAV von der Kepa (Viüacher tTTittagofogcl) Lichtbild von Dr. Nikola Kostrenöic, Zagreb -■ •. •>_ >E'? >■ MK HDW vorher auf Setpole gewesen war und wußte, daß es noch weiter oben lag, beschlossen wir, auf unserem plan zu beharren. Als die beiden uns so einig sahen, zogen sie wieder los; der junge Scheft, ohne Zeichen von Ermüdung, führte uns aber den Felspfad entlang in einem halsbrecherischen Tempo. Der Abend dunkelte schon, und der Nebel über uns verdichtete sich, als wir endlich abzusteigen begannen, über weiche Schneeflecken oder zwischen Felsgeröll hinstolpernd, etwa 500 Fuß hinab in die Mulde, wo die Belpole-Hütte liegt (54Z0 Fuß Seehöhe), eine denkbarst wilde Lage in völliger Einsamkeit und Öde, umsäumt von der Felsenwelt des Terglou. Die ^ütte ist für die Jäger erbaut und sehr klein, doch recht behaglich, den Rauch ausgenommen, der eine allmählich herabsinkende Decke bildet, die fast unerträglich wird, wenn man sich erhebt. Der Türe gegenüber ist ein Brettersims und davor, neben dem Feuerherd, beiderseits knapper Raum für Sitzplätze. Die Türe öffnet sich gerade gegen die Gipfelwand des Terglou hin, der wahrlich imposant erscheint im Abend- und Morgendämmern. Zur Rechten erhebt sich die Masse des Draßberg, zur Linken jene des Kaniauz, über die Alpe, die fast vollständig eingeschloffen ist. wir hatten uns vor dem Verlassen von Feistritz noch besonders erkundigt, ob wir Kochgelegenheit vorsinden würden, denn was kann betrüblicher sein beim Erreichen einer Hütte, als die Feststellung, daß man da weder Suppe noch Milch kochen könne; wie groß war daher unsere Verlegenheit, als wir merkten, der Haupttopf habe an der Seite ein arges Loch. Man kocht in dieser Gegend meistens in irdenem Geschirr, das mit Eisendraht umflochten ist und Hitze sehr gut aushält, aber der aller Töpferware eigenen Gebrechlichkeit unterworfen bleibt. Zum Glück fand sich noch ein kleiner Napf, der den Winter überdauert hatte, und mit diesem und auch dem gebrochenen brachten wir es fertig, eine ausgezeichnete Suppe mit Liebig-Extrakt und Lhollets-Gemüse zu brauen, und nachdem wir eine weile um das Herd-feuer gesessen, rauchend und plaudernd, so gut wir konnten, drückten wir uns in die fischen, den Kopf herdwärts gerichtet, und fügten uns drein, bis zum Morgengrau geräuchert zu werden. Der Morgen erschien ausgesprochen zweifelhaft, obgleich nicht völlig abschreckend; also wandten wir uns, nach etwas Teekochen in den unsicheren Töpfchen unserer Einrichtung, entschlossen den vor uns liegenden Felswegen zu. An den Ziegenhütten vorbei, die noch unbesetzt, so trübselig aussahen, wie es leere Hütten mit den Büscheln hochgeschossenen Lattichs und dem Schmutz rings umher stets tun, gelangten ir 2t u g y, Criglat). 177 wir bald an das Ende der Alm, und um 5 Uhr ro war der Kerma-Paß (6m Fuß) erreicht, die Einsattelung zwischen dem Cerglou und dem Draßberg, hinüberleitend ins Tal der Wurzener-Save durch das Kermatal, wo unsere Rückweglinie lag. Hier ließen wir zurück, was vom Gepäck entbehrlich schien, unklugerweise auch das Seil, das Schest im Gestrüpp versteckte, damit kein streifender „Raubschütz" es sich aneignen könne. Von hier aus, uns ziemlich nach links wendend, kletterten wir über Rasen und Geröll zu den Felsen am Fuße des kleinen Cerglou hinan. Da diese recht steil und brüchig sind, erfordern sie besondere Vorsicht. Um 6 Uhr 40 hatten wir die Schlucht in der Steilwand erreicht, die als „Cor des Cerglou" bekannt ist. 3n dieser frühen Jahreszeit gab es da noch einen Schneerest auf der einen Seite, so daß wir recht bequem zwischen Schnee und Fels ansteigen konnten und in wenigen Minuten auf den schmalen Grat gelangten, wo das eigentliche Klettern beginnt. Christian sing etwas verfrüht an, seine Verachtung über den Cerglou zu äußern, als einen „ziemlichen Humbug"; wir empfahlen ihm, sein Urteil zurückzuhalten, und als er dann später zur gleichen Stelle zurückgekehrt war, mochte er sicherlich mehr Hochachtung vor dem dreiköpfigen König der Krainer-Berge hegen; ja, er gestand tatsächlich, daß er an Schwierigkeit dem Monte Rosa ebenbürtig sei. Steile Kletterei mit fänden und Füßen brachte uns auf die Höhe des Klein-Cerglou um 7 Uhr 7. während wir unsere Hüte gegen den schneidenden wind sicherten und der alte Schest den feinigen mit einer alten Nachtmütze vertauschte, die er in einem Winkel der Belpole-t^ittte aufgeftöbert hatte, blickten wir umher in herrlicher Schau, doch war natürlich unser stärkstes Interesse auf den Hauptgipfel gerichtet, wo unser weg lag. Dieser sieht gewiß abweisend aus, und der Gesamteindruck erzeugt ein Gefühl, das Selbstachtung verbietet, >,Furcht" zu nennen. Doch sagt wieder Balls Führerbuch, daß es so schlimm nicht sei, wie es aussieht, und da niemand anregte, umzukehren, rückten wir weiter vor, nachdem wir auch unsere Pickel zurückgelaffen hatten, „die Waffen niedergelegt — doch nicht als Zeichen der Niederlage" — bemerkte Christian. Es erinnerte mich an abenteuerliche Spaziergänge auf der Höhe der Gartenmauer in der Knabenzeit, aber obgleich die Mauer hier ungefähr 1500 Fuß hoch und fast senkrecht auf beiden Seiten war, gab es doch manche Stellen, wo ein tüchtiger Führer, wie Christian oder jung Schest, noch Griffe und Tritte an schmalen Leisten zu finden weiß und einem dann hilfreiche Hand bieten kann, wenn der Fuß keinen sicheren Halt hat. Glücklicherweise baut sich der Gipfelstock in einer Folge von riesigen, ungleichen Stufen auf, so daß nach jeder schwierigen Stelle mit steilen Abbrüchen wieder einige leichtere folgen, bevor dann die nächste, fast senkrechte, beginnt. Der Fels bietet dem achtsamen Kletterer recht gute Anhaltspunkte für Hand und Fuß, und auch Verletzungen der Hände, worüber frühere Touristen zu klagen hatten, blieben uns erspart. Nach einer weile solcher Kletterei, wie eben beschrieben, gab es eine Stockung und Kriegsrat mit bedenklichem Kopfschütteln von Seite des alten Schest, das besonders einem schneebedeckten Absatz zur Rechten galt, wir durften aus allem schließen, daß wir auf der richtigen Route waren, die aber hier ungangbar schien durch den Neuschnee. Für einen unerfahrenen Steiger wie mich war es sicherlich bedrückend, Christians Bemerkung zu hören, „wenn ich gewußt hätte, daß es so bös kommt, hätt ich wohl das Seil mitgenommen"; und man begann zu denken, daß man doch ein rechter Narr sei, überhaupt hier zu sein, und was es denn für Zweck haben sollte, noch weiter zu gehen. Doch schließlich schien die Felspartie vor uns auch nicht schlimmer als das schon Bezwungene; auch wäre es doch beschämend, so weit gekommen, jetzt aufgeben zu wollen, also biß ich die Zähne zusammen und folgte Schest und Tuckett, die an solche Zweifel nicht dachten. Nach einiger Zeit des weiterkletterns durch frostigen Nebel, wie ihn jeder Bergsteiger kennt, ward uns die herzliche Freude, den Gipfel ganz nahe vor uns zu erblicken, und bald waren wir alle dort vereinigt (9371 Fuß) um 7 Uhr 35. Der Ausblick war fast auf den alten Schest beschränkt, der Steine in den Nebel hinausschleuderte und dabei durch Gebärden andeutete, er könne es Tuckett nachmachen, den er am Abend vorher in der Hütte zu unserer Unterhaltung hatte Münzen und Eier wegzaubern sehen. Nach einem Aufenthalt von drei Viertelstunden schritten wir um 8 Uhr ro vorsichtig zum Abstieg. Dieser erforderte, wie gewöhnlich, mehr Achtsamkeit als der Anstieg. Der alte Schest führte mit Tuckett, der keiner Nachhilfe bedurfte; Christian folgte, dann ich, und als letzter der junge Schest, der sehr anders wie viele Oftalpenführer diensteifrig und sorgsam war in seiner Unterstützung, sogar so, daß Christian sich veranlaßt sah, manchmal zu äußern, meine beginnende Kletterkunst würde durch derartiges Gängeln nur verdorben. Um 8 Uhr 45 waren wir unter dem Hauptgipfel, passierten die wandftellen und erreichten den kleinen Terglou wieder. Jetzt waren wir ganz aus dem Bereich des Rebels, der nur den Gipfel umhüllte, und wir verweilten einige Minuten, die Aussicht zu genießen. Ein weiteres Stück sorgsamer Kletterei brachte uns dann zum Terglou-Tor, wo die Schönheit der Fernsicht uns nochmals f£alt gebot. Der alte Schest, über den Erfolg unserer Unternehmung in sehr gehobener Stimmung, unterhielt uns mit Schilderungen von empfindsamen Touristen, die diese Stelle wohl erreicht hatten, aber dann nicht weitergehen wollten. Der Umstand, daß er fast alles nur mit Gebärden darstellte, gab der Geschichte noch besonderen Reiz. Um 9 Uhr 55 waren wir wiederum auf dem Kerma-Paß, wo wir nach einem Ambiß uns mit beiderseits herzlichen Gefühlen von den Schests verabschiedeten, die sehr zufrieden waren mit der Entlohnung von je 5 Gulden (jo Francs) für ihre zweitägige Dienstleistung. Sie kehrten auf der Route, auf der wir gekommen waren, zurück, während Tuckett, Christian und ich nach Aufteilung unseres Gepäcks aufbrachen und, ziemlich reichlich beladen, unseren weg, das Kermatal hinab, zum wurzenertal nahmen. Etwas Klettern und eine lange Abfahrt führte uns zu den oberen Kerma-Hütten, dem Schlafplatz für Partien von dieser Seite her und etwa in gleicher Höhenlage wie Beipole. Sehr ungeschickt verfehlten wir auf der Talhöhe die einzige (Quelle, die etwas weiter unterhalb austritt, und verfolgten den steilen Pfad zum Talgrund, wo das weiße Bachbett in der Entfernung reichlichen Ersatz zu versprechen schien. Der Fluß ist jedoch eine Sinnestäuschung und sogar in dieser frühen Jahreszeit nur weißer Dolomitschutt, und das schöne Kermatal ist in seiner ganzen Länge ein dürstendes und ganz trockenes Land, so trocken, freundlicher und ausdauernder Leser, wie diese Beschreibung, mit der du dich in so vorbildlicher Geduld abgeplagt hast. Nahe der unteren Kerma-Alm fanden wir endlich einen kleinen wafferlauf, der sich in einen Vieh trog ergoß, und begrüßten ihn wie eine Gase in der wüste. An einiger Entfernung von hier vereinigt sich das Kermatal noch, mit einem anderen, von Westen kommenden Terglou-Tal; es wendet sich sodann scharf nach Süd-Gst, und der Fluß führt in der Folge den Namen Radoina, läuft der Save parallel nahe bis Veldes, zur schließ-lichen Vereinigung. An dieser Stelle verläßt unser weg das Tal und führt über einen flachen, waldigen Sattel geradeaus ins Savetal, nach Moistrana. Nach Überschreitung des Flusses hier stiegen wir drüben hinan und kamen endlich um z Uhr 15, sehr erhitzt und durstig, nach Lengenfeld. Auf der Suche nach dem Gasthaus betrat ich einen kleinen Laden und sah mich da einem slovenischen Jungen gegenüber, der mein Deutsch mit so verblüfftem Anstarren erwiederte, daß ich, ins Englische übergehend, ihn bat, er möge doch jemanden holen, mit dem man reden könnte. Ich war sehr erfreut, als er mich plötzlich begriff und fortlief, seine Eltern zu rufen. Das Gasthaus, das wir fanden, bot nicht viel an Erfrischungen. Nebst zwei oder drei sehr betrunkenen Männern fanden wir wohl die Wirtin, die aber für uns nichts hatte außer gewöhnlichem Brot und etwas derber Wurst. Ein guter Gedanke brachte sie schließlich auf warme Milch, und bald konnten wir bei einer mächtigen Terrine dampfender Milch nebst Brot junger und Durst stillen. Ein leutseliger Mann, namens Gregor Legat, saß nebenan und stellte sich als eine Art Beamteter der Pfarre vor, dessen Geschäfte auch umfaßten, sich den Fremden nützlich zu zeigen, so bei Bedarf von Unterkunft oder anderer Beihilfe. Er waltet feines Amtes unter dem Titel eines „Gemeinde-Dieners" oder Mesners. Dieser Mann gab uns mancherlei Auskunft und erzählte, daß er auch einige Triglav-Besteigungen mitgemacht habe mit österreichischen Ingenieuren und dem Maler pernhart aus Klagenfurt, der voraussichtlich ein Rundgemälde der Gipfelaussicht schaffen werde. Er selbst bemühte sich, einen „Einspänner" aufzutreiben, der uns nach Ratschach bringen sollte, und bald rollten wir hinter einem trefflichen Gaul durch das schöne wurzenertal, uns Engländern wohlbekannt durch die Liebe, die Sir Humphry Davy dafür in seinen späten Jahren hegte, so daß wir nichts Besseres tun können, als unsere Leser auf ihn selbst zu verweisen und seine „Consolations of Travel“. Obgleich die Orte für uns nichts Neues waren, schien es doch ihre Schönheit durchwegs zu sein, da beim früheren Besuche alles verdüstert war durch strömenden Regen, der uns für zwei volle Tage in Wurzen festlegte und nur endete durch Übergang in tiefen Schnee, eine Möglichkeit, auf welche der Reisende sich hier bis Ende Juni gelegentlich gefaßt machen darf. J 2. Rapitel Aus den Julifchen Alpen von Otto weiter (1872) Zuerst abgedruckt in Dr.Ed. Amthors .Alpenfreund', Band S. (Raummangels wegen kann dieser schöne und lebendige Aufsatz hier leider nur etwas gekürzt gebracht werden.) Triglav vom Mlincesattel Lichtbild von Hofrat Heinrich Walland-Finkenstein, Wien 21 Is im Jahre 1S72 die Generalversammlung des Deutschen Alpen-Vereins in Villach tagte, nahm auch ich mir vor, die Gelegenheit zu benutzen, der kleinen rührigen Stadt an der Drau einen Besuch abzu-ftatten und dabei einen lang gehegten Wunsch in Erfüllung zu bringen, den Triglav zu besteigen. In das weite, fruchtbare Villacher Becken schauen die steinernen Häupter der Karawanken mit trotzigen Felsengipfeln herein, und hinter ihnen ragen noch schönere Berge empor, die stolzen Gestalten der Julischen Alpen, von jedem höhern Standpunkte, ganz besonders aber vom Dobratsch oder der Villacher Alpe, dem hoch und mit Recht berühmten Kärnthnerischen Rigi, sichtbar in ihrer ganzen wilden Majestät. Dorthin zog es mich, hatt' ich doch von jeher ein besonderes Interesse für den Berg mit dem wunderbaren, geheimnisvollen Namen Triglav gehabt, das die Lektüre nur vermehrt hatte. Bei der ersten Ersteigung durch Hauptmann Bosio am z. Juli 1 srr war in einem furchtbaren Gewitter auf der Spitze ein Mann vom Blitze erschlagen und die andere Gesellschaft schwer beschädigt worden, und nach der spätem Beschreibung von Holsmay mußte der Berg ganz fürchterliche Hindernisse, aber auch wunderbare Genüsse bieten. Also kühn die Gelegenheit benutzt und auf zur Triglav-Besteigung! Unter Alpenvereinlern war für solche Zwecke natürlich rasch ein Reisegenoffe gefunden, und zwar in der Person des Herrn Felix Liebeskind aus Leipzig," der noch vor kurzem die Jungfrau vom Roththale aus „gemacht" hatte. wir gönnten einander einige Stunden zur nothwendigen Ausrüstung und Kostümierung: von der ineinigen brauche ich nur zu sagen, daß sie nach fünfwöchigem Klettern schon mehr abgerissen aussah und vor den prüfenden Augen eines königl. preußischen Gensdarmen ohne Zweifel die Frage nach dem wanderbuch hervorgerufen hätte, aber die äußere Hülle meines Gefährten, die für die Folge Ursache merkwürdiger Ereignisse war, verdient genauere Beschreibung. Er hatte von der ursprünglich aus der Heimath mitgeführten Kleidung viel Fetzen an der Jungfrau hängen gelassen und, da „der Rest nicht weiter zu gebrauchen war", sich kurzer Hand aus dem schweizerischen Zeughaus die Montur eines Tessiner Milizsoldaten erstanden. Sein Kostüm, rothe Juchtenschuhe, weite, blaugrüne Pluderhosen, nur wenig unter das Knie reichend, graue Lodenjoppe, statt des ursprünglichen rochen Besatzes jetzt grün eingefaßt, und ein Kalabreser — verbunden mit seiner sonstigen Ausrüstung — ein faustbreiter Leibgurt, an dem ein seidenes Gletscherseil befestigt war, und ein Eispickel — machte an der untersetzten, breitschultrigen Gestalt ein Bild, das den alten Triglav selber zum Staunen bringen, einem harmlosen k. k. Polizeioffizianten aber mit der Signatur höchster Staatsgefährlichkeit und Räuberhaftigkeit behaftet erscheinen mußte. So sollte es denn auch später kommen. Einstweilen hatten wir aber gegenseitig nur Freude an unserm Aussehen und nahmen Abschied von den neuen und alten Freunden. Lengenfeld-Moistrana, im obern Savethal an der Bahn Laibach— Tarvis gelegen, war das nächste Ziel, dem dann am folgenden und nächstfolgenden Tage die Besteigung des Triglav sich anschließen sollte. Freiherr von Lzörnig, der genaue Kenner der Julischen Alpen, hatte uns erzählt, daß der Triglav vom Gsonzothal noch nicht erstiegen, ein direkter Anstieg aber ihm und verschiedenen Jägern nach Rekognos-cierung durch das Fernrohr möglich erschienen sei. Uns reizte der plan, in umgekehrter Richtung einen Abstieg von der Spitze nach dem Gsonzo-thal zu versuchen, um so mehr, da dies vortrefflich in den Reiseplan paßte, uns der lästigen Rückkehr nach dem Ausgangspunkte überhob und die Gelegenheit bot, gleichzeitig das Isonzothal und den Predilpaß kennen zu lernen. Also Triglav mit Abstieg nach Südwesten war die Losung. Die Eisenbahn Villach—Tarvis, die uns sonst im Anschluß an die Linie Tarvis—Laibach in kürzester Frist zu unserem ersten Nachtquartier Moistrana, im Norden des Triglav, gebracht hätte, war leider erst im Bau begriffen, so daß der kürzeste weg zur Erreichung des Savethals über den Krainberg nach Wurzen oder Kronau führte, wir nahmen einen wagen bis Riegersdorf und verließen am 24. August Nachmittags das gastliche Villach. Gm Dunkel erreichten wir die Station Lengenfeld und wanderten nach dem jenseits gelegenen Mojstrana. Nach einigem Herumfragen, dem beiderseitig mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Sprache mehr guter Wille als Verständnis ent-gegengetragen wurde, fanden wir das uns empfohlene wirthshaus des. Schmerz und wurden von Mutter Schmerz und dem lieblichen Töchterlein Gera (slovenisch für Gertrud) empfangen. Aber die Mutter konnte kein Deutsch, und Gera, obwohl früher nach Villach zum Studium der Weltsprache herausgethan, war zu schüchtern und verschämt, um vielen i8s Gebrauch davon zu machen. Die Mutter zeigte die Spuren früherer Schönheit, und Gera war in dem von den Schultern bis zu den Knieen reichenden, weißen Fürtuch und den langen Zöpfen eine lieblich fremdartige Erscheinung. Nur so viel verstanden wir, daß der alte Schmerz — übrigens nicht Familien-, sondern nur Spitzname, der den ersten ganz verdrängt hatte — mit Touristen aus Bad Veldes zum lokalberühmten periönikwafferfall ins Uratathal gepilgert, und für uns beim Vorhandensein der zahlreichen Jagdgesellschaft des Herrn Galls aus Laibach kein Unterkommen im Hause zu beschaffen sei. Man stellt sich unter solchen Umständen am besten dumm und bleibt bis auf weiteres. Das thaten wir auch und wurden für diese Verleugnung unseres eigenen Selbst dann auch dadurch belohnt, daß die heimkehrende Jagdgesellschaft in der liebenswürdigsten weise uns eines ihrer Zimmer ein- oder vielmehr ausräumte, nämlich von den darin untergebrachten Jagd- und Fischereigeräthschaften. wir setzten uns nach dem Abendessen in die Hausflur zu den andern, um wegen eines Führers und des projektierten Abstiegs vom Triglav nach dem Isonzothal Umfrage zu halten. Der matte Schein der Kerze beleuchtete ein hübsches Bild. Neben den beiden Herren Galls, den Pächtern der ausgedehnten Jagdreviere am Triglavstock, und ihren Begleitern, einem Professor aus Laibach und einem Wunderdoktor, der übrigens mit seinem breiten Gesicht und behäbigen Bäuchlein in nichts das menschengefährliche Handwerk verrieth und uns als solcher erst durch die Erzählung des von ihm angeblich wunderbar geheilten ältern Galls bekannt wurde, saßen die beiden angestellten Jäger Urbas und Gregor Rabitsch, dem Aussehen nach wahre Pracht- und Teufelskerle, nicht groß, eher schmal gebaut, aber muskulös und mit den klugen, blitzenden Augen und gebräunten Gesichtern verwegen in die Welt hinein schauend, dazu Papa Schmerz und Leute aus dem Dorfe, zwischen denen allen geschäftig, aber lautlos Gera herumhantierte. Nachdem der erste Sangesdurst gestillt war, konnten wir mit unseren Anfragen kommen. Daß die verschrieene Gefährlichkeit des Triglav eitel wind fei, wurde allgemein erklärt; die Jäger hatten ihn vielfach erstiegen, und auch der junge Galls war schon oben, und zwar, wie er geringschätzig bemerkte, ehe „der Triglav gerichtet", d. h. der weg hergerichtet und durch Pfähle, Stützen usw. gesichert gewesen. Jetzt sollen um so weniger Schwierigkeiten vorhanden sein, als die vom wocheiner Triglavverein in Angriff genommene Unterstandshütte am Fuße des kleinen Triglav schon als Nachtquartier zu benutzen und von dort der Gipfel in j V* Stunden leicht zu erreichen wäre, also lauter gute Nachrichten. Auch der Abstieg zum Isonzo war möglich, zwar nicht direkt von der Spitze, sondern, ihren Fuß links nach Belpole hin umgehend, über ein steiles Schneejoch. Die Jäger hatten den weg nie gemacht, aber sich von der Ausführbarkeit desselben überzeugt. Sie waren überhaupt die besten Kenner des Triglavstockes, auch der noch unerstiegenen Spitzen, wie des Suhiplaz, der hiermit den Liebhabern von Erstlingstouren empfohlen sei; und wir hätten sie gerne als Führer mitgenommen. Das konnte aber Herr Gallö nicht gestatten, weil er sie Zur Jagd und sonst zur Bewachung der Raubschützen nöthig hatte. Statt ihrer wurde uns ein gewisser poschgantz empfohlen, als einer, der schon mehrfach mit Touristen den Triglav bestiegen und auch nach den Anweisungen der Jäger den Abstieg nach dem Isonzo finden würde. Die Erscheinung des Empfohlenen, eines Vetters von Rabitsch, sprach wenig zu seinen Gunsten. Er schien der langen, ungeschlachten Glieder kaum r£evc zu sein, und ein Ausdruck schläfriger Melancholie lagerte aus dem breiten, gutmüthigen Gesichte und um den weiten Mund, dem durch das Fehlen der beiden Vorderzähne ein fortwährendes, äußerst einfältiges Lächeln aufgezwungen war. Er hatte sich die Zähne ausgeschlagen, um vom Militär frei zu kommen, ein probates Mittel zu der Zeit, als man noch die Patronen mit den Zähnen abbeißen mußte, das aber heut zu Tage bei Dreyse, Werndl und Mauser nicht mehr ziehen würde. — So wenig Vertrauen die Persönlichkeit von posch-gantz uns einflößte, was zum Theil auf Rechnung seiner geringen Kenntnis des Deutschen, zum andern aus der Gegenüberstellung mit den Jägerburschen kommen mochte, so sehr hatten wir später Ursache, mit seiner Kenntnis und Findigkeit im Gebirge, auch bei schwierigen Stellen, und seiner Willigkeit unter allen Verhältnissen zufrieden zu sein. Bald streckte ich mich behaglich in dem reinlichen Bette aus — nicht so mein Genosse. Er wollte das Vorhandensein von Exemplaren des pulex alpinus gewittert haben, verschmähte daher das Bett und entwickelte aus den unergründlichen Tiefen seines Rucksacks eine kunstgerechte Hängematte. Sie wurde zwischen zwei Fensterbänken fest angeschraubt, und der Plaid darüber gebreitet: dann setzte er sich rittlings daraus und schwang beide Beine und den Oberkörper mit einem Mal hinein. Die Maschen des Netzes schlossen sich, er zog den Plaid zusammen, und eben wollte er mir eine Vorlesung über die Vortrefflichkeit eines solchen Lagers halten, als die Schrauben nachließen und die ganze Maschinerie nebst Inhalt am Boden lag. Ich schälte den wie weiland Mars in den Netzen des Vulkan gefangenen aus dem Flechtwerk heraus, und das Gehänge wurde nun über zwei Stühlen mit den Enden in den Fußboden eingeschraubt, wieder dasselbe Manöver von oben, und diesmal hielt es: indeß ich aber gänzlich unbehelligt in meinem guten Bette bis zum Morgen schlief, klagte er beim Aufstehen, daß gerade ihn eins der gefürchteten Beißthiere von unten angesprungen haben müsse, was die Gebirgsluft nicht für Turnfertigkeiten bei solchen Thieren Hervorrufen kann! Die Jagdgesellschaft zog zum Waidwerk hinaus — Papa Schmerz sollte treiben und die Stelle des Fundes versehen, der in den Bergen nicht zu gebrauchen ist; dazu hatte er sich noch mit einem in mehrere Theile zerlegten, leicht zu verbergenden Wildschützengewehr bewaffnet und mochte so sich selber mehr Gefahr bereiten als den Gemsen. Um i Uhr verließen wir das freundliche Moiftrana; poschgantz schleppte neben unfern Tornistern noch reichliche Vorräthe, da wir vor Montag Abend nicht wieder in bewohnte Gegenden kommen konnten. In glühender Mittaghitze stiegen wir über den vorhin erwähnten niedrigen Sattel in das Thal der Kerma hinab. Dort, wo sich südlich das Seitenthal des Kot und gegen Osten, parallel der Save, das Roth-weinthal öffnen. Bei all' diesen sogenannten Thälern muß übrigens die gewöhnlich untrennbar damit verbundene Idee eines durchfließenden Baches hier ausgeschlossen werden. Alle Requisite eines solchen Baches sind bestens vorhanden, zunächst das tief eingeschnittene, den Entwäffe-rungskanal eines mächtigen Gebirgsstockes bildende Thal, ein stattliches, breites Bachbett, von Erlengebüsch umwachsen, mit grünen Inseln und Auen inmitten der Kiesbänke; nur die Hauptsache, nämlich das lebendige Wasser, fehlt. Unter dem losen Schotter hört man zuweilen ein Rauschen und Rollen, aber leer und wafferlos ist das sonnengedörrte Bett: in den verworfenen Gangspalten der zerklüfteten Kalkselsen hat sich das Wasser seine eigenen verborgenen Wege gesucht, rinnt unterirdisch zusammen, um dann, weit von den Ursprüngen entfernt, als mächtiger Bach plötzlich zu Tage zu treten; das ist die Ursache der weit verbreiteten Höhlenbildung, die namentlich in Unter« krain die großartigste Entwicklung (Adelsberger Grotte usw.) gefunden hat. Diese Belehrung über den Wassermangel der Julischen Alpen wurde uns erst durch die praktische Erfahrung zu Theil; auf dem Sattel über Mojstrana, bei einem stattlichen Bauernhof, war ein laufender Brunnen — wir gingen trotz glühender Hitze daran vorüber, denn das lange Thal lag ja vor uns: dort mußten (Quellen genug sein, und zur Noch konnte man aus dem Bach trinken. Aber Thal und Bett erwiesen sich trocken wie die wüste. Nun setzten wir unsere Hoffnung auf die Hütten der unteren Kerma-Alpe (z Stunden), jedoch vergeblich, die ziemlich zahlreiche Bevölkerung bezog ihren waffervorrath aus einigen großen Schneeflecken, dio den Sommer über in tiefen Bergschluchten sich halten. Die geringe, durch die Sonne bewirkte Abschmelzung wird in einer hölzernen Rinne sorgfältig gesammelt und in einen großen, mit Lehm ausgeschlagenen Tümpel geleitet, der dem Vieh zur Tränke dient, wir versuchten dort zu trinken, verschmähten aber trotz des Durstes das fade, lauwarme Getränke und fanden erst unter der obersten Kerma-hütte, über vier Stunden nach dem Aufbruche von Moistrana, wieder frisches Wasser. Die untere Kerma ist ein einförmiges Thal — die Sohle wird von wiesen und eingefriedeten weiden gebildet, zu beiden Seiten erheben sich gewaltige Berge: der steile Zug der Rjovina und der Kamm des Mali DraZki Vrh in immer niedrigeren Absätzen, beide eine lange Reihe wilder, unersteiglich aussehender Spitzen bildend, mit vielen trotzigen Kuppen und Gipfeln. VTur eine kurze Strecke hinauf zogen sich spärliche Grasflächen, dann ragten vegetationslos und kahl, weiß, gelb und röthlich gefärbt, die gewaltigen Felsen empor: ich ward an das zur Zugspitze in gleicher weise ins Kalkgebirge eingeschnittene Hintere Rainthal erinnert; dort brachten die blauen Gumpen und das Wasser der partnach wenigstens etwas Leben und Bewegung in die Landschaft, hier aber war alles starre Einsamkeit und wilde Öde. Ein niedriger, vom Triglav südöstlich zum Draški hinziehender Felsriegel schloß anscheinend das Thal: wir sahen nach dem Ersteigen des ersten Absatzes, daß es sich scharf rechts zu den Abstürzen der Rjovina umbog. Dort oben int äußersten Winkel lag die zweite Kerma-Alpe, die ärmliche wohnstatt eines Schafhirten; vor uns aber hören wir das willkommene Rauschen einer (Quelle und eilen ihr zu. Ein starker Schwall krystallhellen Wassers trat am Abhange des Berges zu Tage, lief etwa 40 Schritte oberirdisch und versank dann zwischen den Steinen. Dort machten wir nach 5 Stunden die erste Rast. Liebeskind war wie ein Wettrenner gelaufen, und ich merkte sehr bald zu meinem Schrecken, daß ich beim Steigen nicht gleichen Schritt mit ihm halten konnte. Ein unsäglich schmutziger, von Dreck und Rauch fast zum Mohren gefärbter Kerl stellte sich als der Hirte der oberen Hütte auch an der (Quelle ein und ward engagiert, uns Holz und Kochgeräthe zur ^ütte zu bringen. Er besaß weder Pfanne, noch eisernen Topf, aber zwei irdene 'Aasen, die er zur t^ütte schaffen sollte, da drinnen Ofen und sonstiges Kochmaterial seiner Angabe nach fehlte. Dann stiegen wir, ohne die obere Alpe zu berühren, das Joch hinan, über welches der weg nach Belpole und in's Thal der wocheiner Save führt: kurz unter demselben wurde wieder eine Guelle angetroffen, wahrscheinlich die nämliche, welche auch tiefer zu Tage tritt, und dort das letzte Mal für mehr als 24 Stunden aus fließendem Wasser getrunken. Auf der Höhe zeigten verwitternde Stämme von Legföhren, daß auch hier einst Holzwuchs gewesen, während jetzt nur das abgewaschene Gestein zum Fimmel starrte; die trockenen wurzeln dienten uns zum Feuerungsmaterial. In der Tiefe lag, unfern Blicken verborgen, die Belpole-Alpe, in früherer Zeit das gewöhnliche Nachtquartier der Triglavbesteiger, berühmt wegen ihres guten und reichlichen Wassers, wir aber wandten uns der rechten Thalwand zu. Jenseits derselben in einer Mulde am Fuße des dreispitzigen Gipfels lag die neue Hütte. Auf dem Abhang zwischen den Steinblöcken häuften sich die Spuren von Blitzschlägen. Große Stücke des eisenschüssigen Kalkes, vom Blitz zu Schlacken zerschmolzen, fanden sich in Menge. Der Triglav ist als Sammelpunkt gewaltiger Gewitter bekannt. Zwischen den Trümmern entdeckten wir das kleine Triglav-Vergißmeinnicht (Myosotis triglaviensis) mit den niedrigen, kriechenden Stielen und blaffen Blümchen. Bald war auch diese Höhe erreicht und nach sechsstündigem Marsch standen wir für heute am Ziel; ein wenig unterhalb, mit dem Rücken an die Felsen gelehnt, lag die kleine, mit Brettern gedeckte Steinhütte an einem sehr paffend gewählten, geschützten Platze. Das Dach war von den Stürmen schon halb abgedeckt und mußte erst wieder zusammengelegt und mit Steinen beschwert werden; die Thür schloß nicht ganz und mußte zudem beim Feuern als Rauchfang offen gelassen werden. Die Fugen des cyklopischen Mauerwerkes waren so gut als möglich mit Moos und Steinchen verstopft; im Hintergrund befand sich eine aus Steinen aufgeführte Pritsche mit Holzbelag, kurzes, frisches *geu darüber ausgestreut. Ein Klapptischchen, ein Schränkchen und eine Wandbank, alles ziemlich wackelig, bildeten das Mobiliar des Raumes, in dem wir, augenscheinlich die ersten Besucher, bei gehöriger Stärkung des inneren Menschen, schon recht gut eine Nacht zubringen konnten. Einstweilen packten wir die mitgenommenen Vorräthe aus der Heimath (Liebigs Erbswurst, Fleischextrakt, Wurst und Thee) und die aus Mojstrana mitgenommenen Provisionen aus und freuten uns schon auf die Produkte unserer Kochkunst. Ein großes Schneefeld mußte das Wasser liefern. Ohne Feuer und die Hafen des Schaflers war vor der Hand nichts anzufangen, und wir durchstreiften in dessen Erwartung die nächste Umgebung der Hütte. Die Sonne ging unter und warf ihre letzten Strahlen auf die hochragenden, mit blaßrothem Glanz angehauchten Felshäupter. Gerade vor uns führte eine mächtige Schutthalde zum Triglavgrat hinan, der mit prallen wänden, an denen nur hie und da ein Schneefeld haftete, emporstieg. Die höchste Spitze entzog sich unseren Blicken, aber schon der steile Aufsatz des kleinen Triglav ließ die Bildung derselben errathen. Und daneben, nicht minder trotzig, erhoben sich die wilden Gestalten des Suhi plaz und der Umrandung der Urata und des Kot--thales, besonders auffallend ein ungefüger, thurmartig aufragender Schrofen, durch den ein natürlicher Tunnel führte und den blauen Fimmel durchblicken ließ. Das war ein Bild der trostlosesten Öde und Einsamkeit, wie die wüste kein öderes aufweisen kann. Ringsum alles todter, starrer Stein; kein Pflänzchen kann hier ausdauern, und die Thierwelt hat sich zurückgezogen; es fehlen auch die Gletscher des Hochgebirgs und ihr Leben, nur das Leben des Gesteins erhält sich noch, und das ist ein langsames Absterben und Auseinanderfallen, ein stetiger Tod. Da verkündet der Dampf aus der Hütte, daß der Schafler angekommen, und das Feuer angezündet sei. Schleunigst schritten wir dahin zurück und fanden, daß poschgantz schon die Töpfe, mit Schnee gefüllt, zum Schmelzen an's Feuer gesetzt hatte. Die mitgebrachte Kerze erzeugte eine brillante Beleuchtung, und behaglich gruppierten wir uns um das wärmende Feuer, harrend der Dinge, die da den Töpfen entsteigen sollten. Der Durst ließ uns nicht erst das völlige Schmelzen des Schnees abwarten, ich schöpfte mit dem Becher aus dem einen, Liebeskind aus dem anderen das an der Oberfläche zergangene Wasser, aber mit einem Schrei des Abscheus ließen wir die Becher fallen. Das Wasser meines Topfes hatte einen abscheulichen Geschmack von altgewordenem, ranzigem und brenzlichem Fett, der einen civilisierten Magen bis auf die innerste Falte umwenden mußte. Bei näherer Untersuchung entdeckte man, daß über die ursprüngliche Thonglasur eine feste, lang--jährige Schmalzinkrustation sich gelagert hatte, die, wenn auch die Härte des Gesteins, immer noch die Mittheilsamkeit ihres Geschmackes besaß. Nun war noch der andere, größte und schönste Topf da; aber Wolkenbrandung am Fuße der Lriglav-Nordwände Lichtbild von Slavko Smolej, Jesenice der schmeckte womöglich noch viel abscheulicher. Von Buchweizenmehl, Heiden genannt, wird in Steiermark und Kärnthen eine Art zerkrümelten Pfannkuchens, „Sterz", gebacken, der mit den gehörigen Zu-thaten gekocht in der Suppe und allein recht gut schmeckt und in rohem Urzustände gleich der italienischen Polenta die Nahrung des niederen Volkes bildet. Milchgebende Thiere hielt der arme Schafler nicht, und so nährte er sich wesentlich von seidenster;, den ec in diesem Topf zu kochen und zu verzehren schon seit langen Jahren pflegte. Dieweil der Hafen aber so eng und hoch war, daß er ihn nicht ausschlecken konnte, so hatte, bei der Rarität des Wassers und der nicht bis zur Kerma gedrungenen Kunst des Spülens, eine jede Mahlzeit ihren Rest darin abgelagert, wie die Geologen aus den Niederschlägen der Flußthäler das Alter derselben und der Erde berechnen, so hätte ein Kundiger auch aus den Schichten des Heidensterzes das Alter des Topfes und seines Gebrauches abzählen können. Die beiden Gefäße spotteten jedes Versuches der Reinigung, sie schmeckten andern Morgens, nachdem wir die ganze Nacht Wasser darin hatten aufweichen lassen, noch gerade so wie am Abend vorher, und für unsere Geschmack- und Riechorgane war und blieb alles aus den Töpfen ungenießbar. Traurig starrten wir beide in das Grab unserer Hoffnungen und Träume, der Faden der Feldzugserinnerungen, an die Erbswurstsuppe, die Trösterin so manchen langen Marschtages und nassen Bivouaks, geknüpft, war zerrissen, und tief betrübt frugen wir uns, was nun zu beginnen. Künftigen Besuchern ist daher auf's dringendste anzurathen, ein eigenes Kochgeschirr mitzubringen, wenn nicht mittlerweile in der glitte ein solches gestiftet ist. Der mitgenommene weinvorrath mußte für den morgigen Tag geschont werden; eine unterwegs genommene Probe machte uns darauf ohnedies nicht lüstern. Nur weißer kroatischer wein wurde in Mojstrana verabreicht; schon frisch aus dem Keller kein Getränke, bei dem man froh werden konnte, vertrug er das Schütteln des Tragens sehr schlecht und wurde erst durch den Mangel jedes anderen Trunkes genießbar. Glücklicherweise hatte ich von meinen früheren Touren her noch eine Kaffeemaschine zur Spiritusheizung, aber nur für den Bedarf einer Person eingerichtet, im Ranzen; diese bot denn wenigstens die Möglichkeit, zu genießbarer Flüssigkeit, freilich in sehr beschränktem Maße, zu gelangen, da wir den mitgenommenen wein für den morgigen Tag schonen mußten. Der Spiritus war bald zu Ende, wir stellten aber i, 2tugy, Triglav. 193 das Blechgefäß settlings an's Feuer und thauten so den Schnee. Zum Kochen konnten wir das Wasser freilich nicht bringen, aber doch mit reichlicher Beigabe von Thee, der freilich im Topfe ganz geschmort wurde, und Zucker, auch halbwarm, ein menschenwürdiges, uns damals köstlich schmeckendes Getränk erzielen. Die Operation mußte nur sehr oft wiederholt werden, ehe wir alle drei wieder einigermaßen Grund-waffer bekamen, allein schließlich verschwand der Ärger und die schlechte Laune, die dem Schmalztopf und dem Sterztopfe entstiegen waren, vor der unwillkürlichen Komik der Situation, und wir haben selten so herzlich gelacht, poschgantz that natürlich mit, und sein Gesicht ward noch dümmer als gewöhnlich, da er von diesen unfern Reden immer nur einen sehr kleinen Theil verstand. Ganz vergnügt suchte ich dann zu später Stunde die Pritsche auf. Bis zu den Ohren mit poschgantz eingegraben, verspürten wir durch die Fermentation des frischen, kurzen Heus keine Spur von Kälte und verfielen sehr bald in einen festen Schlaf. Bei Liebeskind kam die Ruhe nicht so rasch. Erst gab er einige Vorstellungen auf der gespannten Hängematte, welche die tolle Laune noch steigerten, indem er bei den Befestigungsversuchen bald die Balken und die ganze lose gefügte <$ütte auseinander gerissen hätte; dazwischen entwand er sich wieder dem Flechtwerk und hockte sich an's Feuer, um Wasser zu schmelzen, mit der Behauptung, der starke Thee lasse ihn nicht schlafen. Endlich fand auch er die lange vergeblich gesuchte, gewünschte Ruhe in der Hängematte und widmete sich denn auch dafür dem tönendsten Schlaf mit so viel Eingebung und Erfolg, daß er anderen Morgens kaum zu erwecken war. Halb vier Uhr war ich auf den Beinen, schürte das Feuer und begann, wieder Thee in der früheren weife zu bereiten. Ich war ganz gehörig gestärkt, ehe die beiden andern sich einfanden, um auch ihren Theil zu empfangen. Der Reihe nach tranken wir aus dem einen Blechtöpfchen ganz brüderlich, der eine dem andern genau auf Mund und Finger passend, daß er nur seinen Theil und nicht mehr bekäme. Liebeskind schien aber noch etwas auf dem Kerzen zu haben, als wir die harten, trocknen Brotrinden kauten. „Ich bin ein Sachse", sagte er endlich, „und ein echter Sachse muß beim Frühstück titschen", i. e. eintunken. Die Nationaleigenthümlichkeit mußten wir als berechtigt anerkennen, und so „titschte" denn auch Liebeskind in den gemeinsamen Topf hinein. Endlich war das Frühstück beendet, und wir konnten aufbrechen. Der Morgen des 26. August 1872 war wunderschön, klar und wolkenlos. Alle Sachen blieben in der Hütte zurück, wir bewehrten uns nur mit Plaid und Bergstock, soweit die erbärmlichen Gerten aus Moistrana diesen Namen verdienen. Guer durch die Mulde und durch die breite, dem Massiv des Grates vorgelagerte Schuttriese ging in Zickzacklinien ein ganz erkenntlicher Pfad. Er verlor sich, als wir über einen Schneefleck an das harte Gestein kamen und nun, eine Felsbank entlang, uns rechts der niedrigsten Stelle des Grates nördlich vom kleinen Triglav zuwandten. Durch eine enge Felsenspalte, von den Umwohnern „na Terglouske moza“ — ohne Garantie für die Orthographie — „das Thor des Triglav" genannt, gelangt man auf den Kamm, der, im Bogen von Osten nach Westen ziehend, die drei Spitzen, welche dem Berge den Namen geben, trägt. Gerade vor uns steigt der kleine Triglav empor, als eine stumpfe, dem Grat aufgesetzte Pyramide, an deren ausspringender Seite wir hinaufklettern mußten. Treppenartig zackte sich die ziemlich breite Kante aus, Stufen und pflöcke waren eingelassen, und wir hatten ohne viel Mühe bald die Höhe erreicht. Oben zeigte sich der große Triglav, erst wie eine Mauer aufsteigend, dann in einer scharfen Schneide zur höchsten Spitze sich schwingend, ein ungeheurer Obelisk von 200 Meter Höhe. Er konnte in der That Schrecken einflößen und mußte auf den ersten Anblick unersteiglich scheinen. Nach links und rechts stürzte er in glatten Steilwänden über 400 Meter tief ab, links auf ein Schneefeld in der Nähe unsrer Hütte, rechts bedeutend tiefer, und die Seiten trichterförmig umgebogen, auf einen kleinen Hängegletscher, den einzigen seiner Art in den Julischen Alpen. Vielfach wird ihm diese Eigenschaft bestritten, weil eben niemand die steile Fläche betreten hat und betreten konnte, wir glaubten aber, in den eingewaschenen Furchen deutlich das Eis zu unterscheiden. Das war sofort klar, daß an den Seitenwänden nicht hinauf zu kommen war; man mußte den Stier bei den Hörnern packen und den Grat entlang anfteigen. Bei genauerem Zusehen entdeckte man denn auch in der steilen wand eine rothe Rinne, einen Felskamin, unterschied sogar darin die neuerdings eingelassenen Stufen, die an den schwierigsten Stellen eine Art Leiter bildeten. Nun mußte man aber zuerst am Fuße des großen Triglav sein, und dazu hatte man vom kleinen abzusteigen und die fabelhafte, viel gefürchtete Schneide zu passieren. Die erwies sich aber als ganz harmlos. Allerdings fielen die Felsen links und rechts glatt und eben ab, und ein Schwindliger würde den Blick in die Tiefe wohl nicht ertragen. Solch' einer mag dann ritt« n* 195 lings (bei dem schneidend scharfen Gestein kein besonderes Vergnügen) oder gar auf allen Vieren hinübergelangt sein. Immer aber bot sie dem Fuß genügende Breite und festen Halt. wir gingen mit größter Ruhe und Sicherheit hinüber, und wieder einmal machten wir in den Alpen die Erfahrung, daß die Herren Ersteiger und gewisse Führersorten zur Erhöhung der eigenen Heldenthaten die Schwierigkeiten übertreiben. Den s^als bricht keiner gern; wer Herr seiner Glieder und Sinne ist, kann alles vollbringen, was nur je Bergkletterer von Profession gemacht haben, und der Unterschied zeigt sich nur eben darin, daß der eine die Sache in kürzerer Zeit bewältigt, länger aushält und weniger fremde *£ülfe beansprucht, als der andere. Nun begann aber eine wirkliche Kletterarbeit den steilen Klotz des Triglav hinan, poschgantz klomm, ohne sich weiter um uns zu kümmern, mit nachlässiger Sicherheit, ein ganz anderer Mensch, wie er im Thal erschienen, auf eigene Faust in den Zacken herum. Als wir ihm später bemerklich machten, daß sein Amt als Führer nicht bloß das Zeigen des Wegs, sondern die Bewachung und Leitung jedes Schritts des ihm anvertrauten Reisenden erheische, meinte er: bei uns sei das ja nicht nöthig gewesen, bei andern würde er's schon thun. Leicht ging es in den Stufen der Rinne hinan: die pflöcke erwiesen sich als sehr nützlich, wenn auch nicht nothwendig, da die schartigen Felsen immer Haltpunkte für Hand und Fuß boten. Schlimmer, wenn auch minder anstrengend, wurde es, als wir aus dem Kamin auf den Grat kamen und nun bald rechts, bald links zur Seite, bald auch über die Schneide weg ansteigen mußten. Die Steigung war geringer, der Halt und Tritt aber bei den losen Blöcken, die bei jeder Bewegung in die Tiefe befördert wurden und befördert werden konnten, unsicherer. Endlich verbreitert sich der Grat, wir wandern auf einem breiten, leicht gewölbten Dach, mit ungeheuren Steinhaufen bedeckt, und in kurzer Zeit sind wir auf der höchsten Spitze, die eigentlich gar keine solche, sondern nur der höchste Punkt eines Plateaus ist. An einer Stange, in eine Steinwand gesteckt, machen wir Halt, und poschgantz erklärt, daß wir auf dem Triglav ständen. Es war 6 Uhr 20 Minuten, und wir hatten V4 Stunde von der glitte gebraucht. So leicht und mühelos wird kein Berg von solchem Rang errungen, Seine Lage im südöstlichen Winkel der Alpen als Gipfelpunkt einer großartigen isolierten Gruppe, und gen Osten die letzte bedeutende Erhebung bildend, läßt ihn das ganze, weite Gebiet, welches, vom Ada mello anfangend, über Grtler, «ötzthaler und die Tauernkette bis zum Dachstein von der Ringmauer der Lentralalpen umschloffen ist, in seiner ganzen Ausdehnung überschauen, und umwendend verfolgt der Blick von der grünen Steiermark an bis zum Etschthal das wogende Gebirge und die langen Linien des formenlosen Tieflandes von der ungarischen und kroatischen Ebene bis zum Spiegel der Adria und den niedrigen Flächen Oberitaliens, soweit eben die Sehkraft des Auges und das Rohr trägt. Also ein Aussichtspunkt, so großartig, daß ihm nur die ersten Namen, ein Großglockner, ein Monte Rosa an die Seite gestellt werden können. Nichts fehlt in dem wunderbaren Bilde! Die nächste Umgebung zeigt eine grausige <öde sonder Gleichen: an die kahlen, karstförmig aus der Ebene gehobenen Plateaus des Krn und Monte Lanin, gewaltige, kompakte Erhebungsmaffen, die auf ihrem Scheitel weite, wellige, fast ebene Flächen schimmernden Kalkgesteins tragen, nur wenig überhöht von den Spitzen des Ringwalls, schließt sich der Haupt- und Längenzug der Julischen Alpen, das steil emporgerichtete, nackte Gestein, in den wildesten Formen zerrissen und gespalten, in jeder Falte unermeßliche Geröllfelder, ein wahres Unglücksreservoir auf Jahrhunderte hinaus, ehe der letzte Stein zur Tiefe und zum Meere geführt sein wird. Aber die lachenden Thäler der Save und Savica, der Gail und Drau, des untern Isonzo durchbrechen diese schauerlichen wüsten; aus den tiefen Schluchten blicken die leuchtenden Däuser und blinkenden Kirchlein von Flitsch, Lengenfeld und Moistrana, Radmannsdorf, Veldes und der Hauptstadt Laibach empor, und alles beherrschend, aber nahe genug, um die ganze Kette verfolgen, jeden einzelnen Berg und seine Bildung herausfinden zu können, ragen die stolzen Häupter der Tauern auf im weißen, jungfräulichen Firnkleide, in langer Reihe, eine Schlachtordnung eisgepanzerter Riesen. So deut-lich erscheinen sie, daß sich die Anstiegslinie, beispielsweise des Großglockners, der Hochalmspitze, unsere Wege der früheren Wochen, genau verfolgen ließen. Immer wieder haftet an ihnen der Blick, kann das Auge sich nicht satt sehen an den reinen Linien und der vollendeten Schöne der Formen, wie sie niemals der Fels allein, sondern nur Schnee und Eis schaffen können. Daneben vermögen selbst die Dolomiten, sonst ein Glanzpunkt jeder Aussicht, nur durch die Seltsamkeit und Großartigkeit ihrer Gestaltungen zu reizen, aber nicht zu fesseln. Liebeskind versuchte die hervorragendsten Aussichtspunkte zu skizzieren, mußte aber wegen des kühlen Windes, der ihm die Finger erstarrte, bald den Versuch aufgeben. Später erfuhren wir denn auch, daß der unermüdliche Gebirgsmaler Marcus pernhart, derselbe, welcher das Panorama des Großglockner in Farben ausgeführt, das vom Triglav in Umrißzeichnung skizziert und herausgegeben habe. Sein Gebrauch auf der Spitze wird für spätere Besucher von großem werthe sein. wir verweilten eine Stunde aus dem Gipfel und stiegen dann zur Hütte zurück. Der Gang aus dem Grat und das Herabklettern in dem Kamin war viel schwieriger und bedenklicher als der Ausstieg gewesen. Der Fuß ist nicht so sicher, und der Blick in die Tiefe mitunter wirklich beängstigend: namentlich hierfür sollte man bei gewöhnlichen Touristen Seil und zwei Führer mitnehmen, weil ein Fehltritt unvermeidlich den sichern Tod zur Folge hat. Langsamer fast als herauf, kamen wir zum Thor des Triglav und konnten von dort unsere Schritte beschleunigen. Drunten wartete der Schafler seines Lohnes und seiner Töpfe: Beides wurde ihm zu Theil, und unsere Vorwürfe nahm er äußerst gelaffen hin, weil er ja doch sein Bestes und Einziges gegeben habe. Ein kleiner Schluck ward den durstenden Kehlen erlaubt, und vorwärts ging's auf neue Bahnen. Es galt, den Übergang nach dem Isonzo-thal zu gewinnen; auch poschgantz war von nun an in ganz unbekannter Gegend, wir durchschritten die Mulde und wanderten quer über ausgedehnte, lose Geröllhalden immer unter den Abstürzen des Triglav entlang. Tief sank der Fuß ein und beförderte mit jedem Tritt einen Strom des losen Steinzeuges zu Thal. Als ich bei einer scharfen Wendung den Stock fest einsetzte, brach er, und ich fiel mir die Hände blutig — es sollte nicht der letzte Schrund an dem Tage sein. poschgantz war mit seiner stereotypen Redensart, die er den Tag über unzählige Mal wiederholt hat: „3 wer gen schaugen" auf ein „Köpfet" gestiegen und hatte den richtigen, von den Jägern beschriebenen weg auskundschaftet. Einen scharfen Eckpfeiler entsandte der Grat: als er umgangen war, zeigte sich ein großes, wenig steil geneigtes Schneefeld, das in fast ganz nördlicher Richtung unter den Abstürzen des großen Triglav und der östlichen, von uns nicht betretenen Spitze aufwärts zog. Aus den Rinnen fingen wir das abschmelzende Wasser auf und dachten nicht, daß es für mehr als 8 Stunden das letzte sein sollte. Rasch war das Schneefeld gequert, und jubelnd sahen wir, daß der Paß nach dem Jsonzothal, von uns Triglavjoch, weil direkt unter der Spitze durchführend, getauft, gefunden sei. Vor uns dachte der Schneerücken sich fast eben auf ein Plattenfeld ab, links von kahlen Kalk- bergen, rechts von grünen Salden eingefaßt. Dn der Mitte ging eine Kluft oder Felsenspalte nieder. Deutlich erkannten wir nordöstlich vor uns die Lücke des Lukniapaffes, der viel benutzten Verbindung zwischen der Urata und dem Isonzothal. Die tief eingeschnittenen Thaler der Urata und Zadnica sind durch einen niedrigen Felswall getrennt, auf den der Triglavgrat und die Ausläufer des Steiner in steilen wänden absetzen. Es war Mittag geworden; nach der tüchtigen Anstrengung des Morgens schmeckte selber der Kroate, und wir meinten, um 2 Uhr unten, um 5 Uhr schon in Flitsch zu sein. Noch einmal wurde forschend der Triglav untersucht, ob von dieser Seite ein Anstieg möglich sei: die Felsen waren, trotz der jähen Abstürze, vielfach verwittert, und ein Anstieg wäre vielleicht zu erzwingen, aber der Versuch, von der Spitze zu dem Joch abzusteigen, ohne vorherige genaue Kenntnis des Gesteins, ein frevelhafter Leichtsinn gewesen. Dann ging's hinab über das Schneefeld den Platten zu. Aus der Ferne mochte man sie auch für Schnee halten, so glatt und weißblinkend sahen sie aus. Tiefe Spalten und Rinnen waren eingewaschen, in denen, für uns unsichtbar und unerreichbar, die Abflüsse der Firnfelder rauschten. Die Spalte, welche sich, wie wir später konstatierten, direkt unter dem Joch bis hinab zum Bette des Zadnicabaches in westnordwestlicher Richtung hinzieht, wurde hier unpassierbar gefunden, weil sie in jähem Fall von den Platten auf ein Geröllfeld abfiel, poschgantz stieg dann auch Ln richtigem Instinkt auf den grünen Hügel an ihrer rechten Seite los, dann, denselben herab, auf einen zweiten, tiefer gelegenen. Überall zeigte sich Schafmift, die Thiere hatten ordentlich Pfade eingetreten, wir mußten also aus dem richtigen Wege sein und dachten, über diese Grasberge abwärts zu kommen. Drunten hörte man Wasser rauschen, und sah drüben Menschen arbeiten. Nach einigem Forschen erklärte aber poschgantz, daß an den vorn in steilen wänden abbrechenden Hügeln nicht herabzukommen wäre, und wir wiederum links uns der Spalte zuwenden müßten, deren Geröllfeld wir vor uns sahen, wir entdeckten dann auch jenseits desselben an den schurfigen Gängen Spuren eines eingetretenen Pfades und kletterten daher geraden Wegs darauf zu. Das war keine leichte Sache; an schmalen Felsbänken vorbei, dann auf einen tieferen Absatz herabspringend, gelangten wir endlich auf das Geröll, poschgantz hatte sich dabei so verstiegen, daß er nicht mehr weiter konnte und eine gute Strecke wieder aufwärts klettern mußte, ehe er zu uns gelangte. (Buer durch das Geröllfeld sing's nun auf die linksseitigen Hänge los, wo wir den weg erkannt hatten. Man sah die Spalte hinauf zu dem früheren Standpunkte auf den Platten am Fuße des Schneefeldes und hinab bis tief in's Thal. Von hier aus hätte sich meiner Meinung nach, die wir später unten bestätigt fanden, wohl in der Spalte herab, klettern lassen, wir zogen aber natürlich den weg vor und kamen denn auch auf diese Art über Felswände und Geröll bald mit, bald ohne weg, um viele größere und kleinere Seitenschluchten und Spalten herum, auf ein kleines, mit Gras und Buschwerk bewachsenes Plateau, das sich, losgelöst von dem hoch darüber aufragenden Rücken des Gebirges, wie eine Landzunge, fteilrandig an beiden Seiten, weit in's Thal hinein streckte. Dort fanden sich die Überreste einer Hütte, hohes Mauerwerk, Reste einer hölzernen Bedachung, alles feit lange nicht benutzt, denn üppiges, kniehoch wucherndes Unkraut hatte sich im modrigen Boden des Innern angesiedelt. Ein Trog, zum Auffangen des Wassers bestimmt, stand dabei, aber der Zufluß war nicht mehr zu finden, und nur ein schlammiger Rest Regenwaffer in seiner Tiefe geblieben. Den verschmähten wir in der festen Hoffnung, bald gutes Wasser zu finden, um so mehr, als in unzähliger Menge dichte Büschel einer rothen, von poschgantz als eßbar bezeichneten Beerenpflanze, die Hirschbeere, auf dem sonnigen Abhange wuchsen. Etwa zwei Decimeter hoch waren die Stengel, auf deren Spitze, in der Mitte fächerförmig ausgebreiteter, dunkelgrüner Blätter drei bis vier glänzende Früchte standen, in der Form den Johannisbeeren ähnlich, mit dicken Kernen, dünnem Fleische und säuerlichem Geschmack. Dazu wurde der letzte Rest unseres weinvorrathes verzehrt, denn nun mußten wir in kurzer Zeit die etwa 450 Meter tiefer gelegene Thalsohle erreichen können. Nun frug es sich, ob links oder rechts, nordwestlich oder nordöstlich, abzusteigen war. Dichtes Buschwerk bedeckte die ganzen Landzungen und verhinderte den sicheren Ausblick, wir stiegen links in der scheinbar kürzesten Linie hinab, geriethen in dichtes Zwergföhrengebüsch und arbeiteten uns mühsam durch das Gewirr von kriechenden Asten und wurzeln hindurch, in allen Ecken zerschunden und zerstochen. Von drüben ertönten fortwährend Zurufe: „Hü, hü!", die, wie wir später bemerkten, uns zur Warnung dienen sollten, ohne daß wir auf sie achteten; in dem verwünschten Latschenlabyrinth gab es überhaupt kein Rückwärts, man mußte sich vorwärts arbeiten, ob einem gleich die krummen Äste die Rippen einzwängten und die Nadeln durch die Kleider hindurch die Haut zerstachen. Kriechend und springend, an den zähen Schneerosen im Krmatal Lichtbild von Cveto Švigelj, Ljubljana Zweigen sich wie an Seilen herunterlaffend, kamen wir endlich auf eine lichtere Stelle, ein zweites, kleineres Plateau. Gerade unter uns, fast mit einem Steinwurf zu erreichen, standen ein halb Dutzend Sennhütten, weideten Heerden mit bimmelnden Schellen, rauschte ein Seitenbach nieder. Mit Flügeln wären wir in wenigen Minuten dort gewesen, wie aber kamen wir mit unseren zwei Beinen hinab- wieder konnte man rechts oder links von unserem Köpfel, wie poschgantz es wiederum nannte, hinabklettern. Es lag etwa 150 Meter unter der verlassenen Hütte, und die ganze Strecke hatten wir uns im Dickicht heruntergearbeitet. wahre Tantalusqualen standen wir aus, auf dem ganzen Abhange lag brennend und dörrend die heiße Nachmittagssonne — unser wein war zu Ende, wir besaßen nur noch ein kleines Fläschchen Schnaps, und der Durst war mittlerweile peinigend geworden, die Kräfte dagegen im Sinken. Ich hatte vorher immer Liebeskinds leichtes Steigen bewundert und beneidet, jetzt aber rächten sich an ihm die beiden mattennächte ohne rechten Schlaf — er legte sich rücklings in's Gras und schlief ein. poschgantz meinte, links könnten wir nicht hinab; ich ersah den Anfang einer in der Richtung der Hütten niedergehenden Spalte im Gestein und glaubte, mit einiger Kletterei dort in's Thal zu kommen. Trotz der Warnungen von poschgantz ließ ich mich den Abhang hinunter, um mit eigenen Augen Sicherheit zu gewinnen, ein tolles Unternehmen ohne Stock, mit dem defekten Schuhwerk. Eben im Begriff, die Spalte am oberen Ende zu umgehen, um gegenüber von einem Felskopf den Blick in die Tiefe zu gewinnen, strauchle ich, falle, glücklicherweise auf den Bauch, und gleite nun so liegend auf den glatten Felsen hinunter. Ich besaß das vollste Bewußtsein meiner gefährlichen Lage, daß ich über die Felsen abstürzen würde, wenn ich mich nicht zum galten brächte. Alles, was ich zu Hause zurückgelaffen, zog mit Gedankenschnelle am Auge vorüber, indeß ich im fortwährenden Gleiten mit fänden und Füßen eine Stütze zu gewinnen suchte. Die Finger klammerten sich an jeden Zacken, die Nägel gruben sich in die Grasschöpfe ein, und endlich konnte ich fest fassen: ich hing an den fänden und hatte bald auch für die Füße Tritt gefunden. Langsam klomm ich wieder aufwärts und athmete erst dann frei auf, als ich, aus wirklicher Lebensgefahr errettet, auf dem Plateau stand. Die Nägel waren abgeschürft, die Hände blutig, und heute noch trage ich die Narben der Riffe. Niemand hatte meinen Fall gesehen. Liebeskind schlief oben auf dem Köpfel, und poschgantz war ander- wärts gegangen „schaugen". wäre ich abgefallen, sie hätten's nicht einmal bemerkt, viel weniger mir helfen können. Bei Liebeskind forderte ich einen Schluck Schnaps: der letzte Tropfen unserer Vorräthe, auf ein Stück schmutzigen Zuckers, den ich in der Tasche entdeckte, geträufelt, gab mir wieder Kraft und Muth zurück. Ich war innerlich beschämt über mein zweckloses Wagnis, das nur durch die vom Durst herbeigeführte Verzweiflung und Aufregung erklärlich war. Nun kam auch poschgantz mit dem trostlosen Bescheid zurück, daß wir wieder nach der Hütte zurück müßten. Deutlicher ertönten jetzt die Rufe von der gegenüber liegenden Seite: poschgantz suchte sich mit den Leuten slovenisch verständlich zu machen. In der Entfernung verhallten die Worte, nur eins: prawo, prawo, oft wiederholt, traf unser Ohr, das hieß „rechts", wie man's den polnischen Rekruten oft genug hatte vorschreien hören. Also zur Hütte zurück und rechts den Abstieg versuchen, meinte poschgantz. Der Gedanke, wieder steigen und noch dazu in den Latschen heraufsteigen zu müssen, war zu widerwärtig, wir machten daher noch einmal den Versuch, gerade hinab zu kommen. Immer dringender wurden die Mahnungen von poschgantz, zurück zu gehen, man konnte nicht jo Schritte des Abstiegs übersehen, und widerwillig entschloß auch ich mich zum Rückzug nach der Hütte. Später unten wollte es scheinen, als ob wir von dieser Stelle hätten herunter kommen können; die Latschen zogen sich bis in's Thal, indeß an jener ersten Stelle, wo ich gefallen war, weiter unten die wände über ?oo Meter tief senkrecht hinunter stürzten. Ein steiler Felskamin zog sich von unferm Standpunkte in gerader Richtung aufwärts, und in ihm klommen wir mühsam zurück, alle Minuten keuchend rastend; dies war eigentlich die schwierigste Leistung des ganzen Tages. Der Kamin ging allmählich in einen steilen Grathang über, auf dessen oberem Ende ich unfern weg, ehe wir in das Dickicht gekommen waren, zu erkennen glaubte. Liebeskind legte sich nieder, indeß poschgantz und ich weiter aufwärts stiegen, um zu sehen, wie's weiter ginge. Langsam wie die Schnecken krochen wir einem von unten sichtbaren Einschnitt zu. Das war unser alter weg, und etwa dreißig Schritte weiter lag das kleine Plateau mit der verfallenen Hütte. Nun war wenigstens für heute gewonnen Spiel. Bei mir waren, wie ich meinte, die Kräfte und jedenfalls die Lust zu weitern Versuchen am Ende, und ich hatte mich schon mit dem Gedanken vertraut gemacht, bei der Hütte die Nacht zuzubringen. Holz gab's genug, Eßvorräthe hatten wir im Tornister, und poschgantz wurde ausgeschickt, in einem leer gemachten Rucksack aus dem hoch oben am Triglav gelegenen Schneefeld eine tüchtige Portion Schnee zum Kochen zu holen. Der kleine wassertümpel im Trog, den wir früher verschmäht hatten, weil er eben so viel Schlamm als Flüssigkeit enthielt, ward jetzt als köstlichste Labe geschlürft — ich hätte ihn bis auf den letzten Tropfen geleert, wenn ich nicht auch des unten gelagerten Genossen gedacht und ihm brüderlich sein Theil drinnen gelassen hätte. Dann aber warf ich mich in's Gras zu den Beeren, von denen ich nach Herzenslust schmausen konnte, da die Masse so groß war, daß wir uns einige Tage davon hätten nähren können. Rascher als ich gedacht, erschien poschgantz wieder, er hatte, statt Schnee zu holen, von neuem in den Bergen herum spekuliert und auf die Zurufe der Leute von der andern Seite nalewo, nalewo, links! links! endlich den richtigen weg gefunden. Er führte von der Hütte scharf rechts auf die Spalte los, welche wir vom Triglavpaß abwärts verfolgt hatten. Nun ging poschgantz den Freund zu benachrichtigen, den die gute Nachricht ebenfalls rasch auf die Beine brachte. Bis auf den letzten Tropfen wurde der Trog ausgesogen, dann stärkte er sich an den Beeren, und nun ging's luftig abwärts, mit neuen Kräften. Es war ein Pfad, aber was für einer! Erst führte er zu der Spalte, die wir von dort bis zum Geröllfeld aufwärts anscheinend passierbar ziehen sahen, dann in derselben abwärts und schließlich, dort wo die Abhänge sanfter wurden, wieder links über Schutthalden und durch Laubwald um die Ausläufer der Landzunge herum, in denen wir so vergeblich herum geklettert waren, wir liefen ordentlich, als ob wir am frühen Morgen zum ersten Marsch, geruht und gerastet, auszögen. Endlich ward's lichter, gerade vor uns sahen wir die wohlbekannten Hütten, ein großes Schneefeld an den Berg gelagert, rechts in der Tiefe polterte ein ungestümer Bach über Felsblöcke tosend und schäumend herab. Ich glaubte den Dach, Liebeskind die Hütten eher zu erreichen, und ohne ein Wort zu wechseln, sprang ich den Wald hinab in großen Absätzen zum Bach, er mit poschgantz auf die Hütten los. Ohne Gefäß zum Schöpfen trank ich in der primitivsten weise, am Ufer liegend, in langen, langen Zügen die klare Fluth. Das war eine Labung nach dem achtstündigen Klettern in glühender Hitze! Drüben kam der weg vom Lukniapaß herunter, der führte ja direkt nach Soea hinab, und ihn mußten ja auch poschgantz und Liebeskind schließlich treffen. Vergeblich war mein Rufen nach ihnen — wie ich später erfuhr, hatten sie in den Hütten, freilich umsonst, nach Milch gefragt und sich dadurch länger verhalten. On diesem wunderbaren Thal hält man Schafe als die einzigen milchgebenden Thiere, und trotz der durch das Melken auffallend stark entwickelten Euter ist natürlich das Erträgnis ein sehr geringes. Ich wanderte daher unverdroffen durch Wald und wiesen weiter den weg entlang, in der Absicht, im nächsten wirthshaus ihrer zu warten, Noch einen letzten Blick sandte ich dem Triglav zu. Über die Felswände, die sich blaßgelb, glatt und steil wie riesige Mauern erhoben und allerdings jedes Niedersteigen unmöglich gemacht hätten, reckte sich, durch einen schmalen Saum dunklen Waldes getrennt, das gewaltige Haupt der Julischen Älpen heraus. Drunten im Thal lagen schon die langen Schatten des Abends, und in unheimlicher Beleuchtung drohten die starren Felsen dem glücklich ihrem Bann Entronnenen, aber rother Schimmer umsäumte, wie eine Strahlenkrone, die Spitze. Ein letztes Lebewohl, und hinter einem t^ügel verschwanden die stolzen Berge. An Gehöften eilte ich vorbei ohne den geringsten Aufenthalt, übersetzte den Isonzo, der aus der hintern Trenta mit blauen Fluthen gewaltig hervorbricht, und gönnte mir keine andere Ruhe, als die oft wiederholte des Trinkens aus dem Fluß. Auf meine Frage nach dem wirthshaus in Soöa gab es oft ein Schütteln des Kopfes oder ein „Nix Deutsch"; endlich fand ich einen Deutschredenden, der mich zum letzten Bauernhause, zur Frau „Bur-mester", i. e. Bürgermeister, wies und — gefällig genug — begleitete. In vollständiger Dunkelheit erreichte ich das unscheinbare Bauernhaus, das meine Idee von der Frau Bürgermeisterin sofort bedeutend herabstimmte. Ein Gensdarm in der kleidsamen Tracht trat mir entgegen, und auf meinen Ausruf: „Gott fei Dank, einer der wieder Deutsch versteht", fragte er nach der Legitimation, eine Frage, die man bei dem in Nacht und Nebel einherstürmenden plötzlichen Besucher in höchst defektem und unvollständigem Kostüm — meinen Rock nebst dem Tornister führte der zurückgebliebene poschgantz, und der verbleibende Rest der Bekleidung war in den Latschen und bei dem Stur; arg mitgenommen worden — ganz natürlich finden mußte. Ich beruhigte den Wächter der öffentlichen Sicherheit, daß ich weder ein Spitzbube, noch ein Vagabund, sondern ein von Führer und Genossen getrennter Vergnügungsreifender fei und die Legitimation fammt Rock etc. sich in dem von poschgantz getragenen Tornister befinde. Ihm mochte diese Art von Vergnügen wohl etwas zweifelhaft erscheinen, und schlau fragte er: „Also Ihr Vieh haben Sie droben gelassene" Das war eine naive Art von Suggestivfrage, wie sie den Inquirenten der alten Zeit den armen Delinquenten gegenüber als die höchste Kunst erschienen. Mein herzliches Lachen und die Versicherung, daß ich bis heran weder jemals Vieh getrieben habe, noch in der nächsten Zeit zu thun gedenke, beruhigte den Mann vollends, und er nahm sich meiner auf's beste an. Er belehrte mich, daß ich nicht schon in SoLa, sondern erst in dem zwei Stunden höher gelegenen Trenta sei. Ein Bett war bei Frau „Burmester" nicht zu bekommen, ich hätte mit ihm und seinem Kameraden aus dem *£eu schlafen müssen, dagegen würde ich in SoLa bei dem Gemeindeschreiber Fleiß, der auch deutsch spreche, wohl ein Bett finden. Nach einem Bett hatte ich nun eine unüberwindliche Sehnsucht, und trotz der vorgerückten Stunde — 9 Uhr — entschloß ich mich, bis Soea weiter zu gehen, das ich in scharfem Trab in einer Stunde zu erreichen hoffte. Ich bat den Gens-darmen, die nachkommenden Gefährten aufzusuchen und ihnen zu sagen, daß ich nach Soea vorausgegangen sei, um Ouartier zu machen und Essen zu bestellen. Er führte mich noch eine Strecke auf den richtigen weg. Kurz vor Trenta, wie diese an der Umbiegung des Isonzo gegen Osten gelegene Häusergruppe gleich dem Thale heißt, war nämlich der weg auf das linke Ufer übergegangen, und ich mußte bei der zweitfolgenden Brücke wieder auf das rechte hinüber. Darauf sollte ich bleiben, und konnte auf dem breiten Wege nicht fehl gehen. Ein kurzes „pfüt ihne Gott" des freundlichen Gensdarmen, der aus der Steiermark hierher verschlagen war, und fort wanderte ich in die einsame, dunkle Nacht. Am nächsten Bauernhaus fand ich noch Licht; bei meinem pochen kreischten und stoben die Weiber und Kinder auseinander, aber ich konnte mich doch mit meinem Wunsche nach Wasser und um den richtigen weg nach SoLa verständigen. Sie schöpften mir aus dem Isonzo und wiesen mir die Straße. Von da ab kein Licht, kein Mensch, kein Laut mehr als das unheimliche Rollen des Flusses, wie eine weiße Linie zeichnete sich der weg auf kurze Strecken in der sternlosen Nacht ab. Immer weiter lief ich, an Bauernhäusern, Ställen und Gehöften vorbei. An der Kirche, neben einer großen Linde, sollte das Haus von Fleiß liegen, aber immer war noch keine Kirche zu sehen. Nun rückten die Berge näher zusammen, der weg trat in eine Felsenenge, in welcher der Isonzo in wasserstürzen hinab toste. Im Thalkeffel drunten mußte SoLa liegen. Es tauchen immer mehr Häuser auf, aber keine menschliche Seele rührt sich — ein Christusbild wird sichtbar am Wege, aber immer keine Kirche. Endlich z bis 4 Häuser hart an der Straße, eins ein gewöhnliches Holzhaus mit einem Thürmchen und darauf ein Kreuz, das muß die Kirche sein, der mächtige Baum ist das Zeichen, dort der pfarrhof und hier das kleine Häuschen, die Wohnung des Gemeindevorstehers. An einem kleinen Seitenfensterchen ist noch Licht — ich rufe, aber keine Antwort erfolgt; die Insassin des Zimmers ruft alle Heiligen an und verbirgt sich unter der Decke. Ich gehe die Vortreppe hinauf und hämmere mit wuchtigen Schlägen auf die Bohlen los, immer „Herr Fleiß! Herr Fleiß!" rufend. Endlich fragt eine zaghafte Stimme nach meinem Begehr. Ich sei ein Reisender, bringe (Gott verzeih' mir die Lüge!) einen Gruß von Freiherrn von Czörnig, der, wie ich wußte, vor einigen Wochen in amtlichen Geschäften hier gewesen, und wünsche ein Nachtquartier. Darauf wurde mir geöffnet, und ich bin endlich unter Dach und Fach, freundlich und liebenswürdig empfangen, trotzdem ich die ganze Familie aus dem Bette getrommelt hatte. Hunger verspürte ich nicht, die Ermüdung war dafür zu groß, nur unsäglichen Durst. Fleiß hatte glücklicher weise wein, weißen wixbacher, küstenländisches Gewächs, der jedenfalls beffer mundete als der Kroate. Meine äußere Erscheinung forderte einige Erklärung, woher und wie ich in diesen Zustand gekommen; dann aber ward mir ein Bett zurecht gemacht — wie es sich später zeigte, das von Frau Fleiß in aller Eile geräumte und frisch bezogene. Ich warf mich auf den raschelnden, mit sogenannten Türkenfedern, den trockenen Kolbenhülsen des Mais, gefüllten Strohsack und dachte, einen langen und guten Schlaf zu thun. Und doch konnte ich's nur zu einem wirren Halbschlaf voller Träume und Beklemmungen, zu einer Betäubung der immer noch aufgeregten und empörten Sinne bringen. Immer traten die Ereigniffe des langen Tages in schauerlicher Verzerrung mir wieder vor die Gedanken. Die langdauernde Anspannung aller geistigen und körperlichen Kräfte hatte eine Überreizung der Nerven zur Folge gehabt, wie ich sie nur einmal, und zwar, trotz des Lagers im schönsten Himmelbett eines braven französischen Cure, in der Nacht zwischen zwei blutigen Treffen empfunden hatte, was half in solchem Zustande langes Verweilen im Bett; Um 7 Uhr war ich schon auf, trotzdem ich eigentlich liegen bleiben wollte, bis poschgantz mit meinen Kleidern käme. Bald erwachte wenigstens wieder der junger, und nach einem ordentlichen Frühstück — freilich nur Kaffe mit Schafmilch und Rühreier in Öl — setzte ich mich in aller Gemüthsruhe nieder, um einen Brief zu schreiben und mit Fleiß über Land und Leute bis zur Ankunft der Gefährten zu plaudern. Fleiß war ganz unterrichtet, ein Tischler aus Tolmein, der durch feine Frau in das ärmliche, elende Thal und dort als Schreib- und Sprachkundiger zur würde des Gemeindevorstehers gekommen war. Jedes Jahr verringerte sich durch die Abstürze der brüchigen ^«nge das kultivierbare Land und die Nahrungsquellen der Bewohner. Die österreichische Regierung hatte daran gedacht, die ganze Gemeinde in eine andere Gegend zu verpflanzen, dem jedoch der Heimathssinn der Bewohner widersprach. Auch die größte Merkwürdigkeit von Soca, durch die es vor einiger Zeit viel von sich reden gemacht, wurde mir erzählt; ein von Kroatien herüberstreifender Bär, deren sich mitunter zeigen, hatte einem Trentaner durch einen Schlag mit der Tatze die ganze untere Kinnlade weggeriffen. Durch eine wahre Wunderkur in Wien war der Mann genesen, konnte aber Speisen nur mit einem in den Schlund gesteckten Röhrchen zu sich nehmen. Trotz der Armuth des Thales, trotz der erbärmlichen Nahrung von Schafmilch und Polenta, waren die Bewohner wahre prachtgestalten mit Gesichtern wie von Milch und Blut. Mich hatte die Frau, welche ich gestern um den weg gefragt, für einen Räuber gehalten und war am Morgen gekommen, sich nach mir zu erkundigen, wie Fleiß lachend erzählte. Als ob ein Räuber den armen Teufeln etwas abnehmen könnte, wo nicht einmal der Steuerexekutor etwas findet. So plaudern wir, bis Fleiß sich entfernte, um auf der Alpe nach seinen Schafen zu sehen — ich schreibe ruhig an meinem Briefe weiter, und nach einer weile zum Fenster hinausblickend, sehe ich zuerst Fleiß, äußerst ernst dareinschauend, dann Liebeskind, rechts und links von einem Gensdarmen in voller waffenrüftung, einer davon der Steiermärker, eskortiert, herankommen; hinter ihnen trollt pofchgantz einher, mit dem dümmsten Gesicht von der Welt. Nicht wissend, was dieser Aufzug bedeuten soll, laufe ich, ungeachtet meines defekten Kostüms, auf die Straße und rufe Liebeskind an: „Nun, wie geht's, wie kommen Sie daher)" Erst jetzt bemerkte ich die wuth auf seinem sonst so vergnügten Gesicht. „Fragen Sie die Männer — die haben mich als einen Räuber arretiert und wollen mich als Gefangenen nach Flitsch führen", war die Antwort. Das war doch zu toll, um ernst zu bleiben! Mitten in den Auseinandersetzungen fühlte ich mich auf die Schulter geschlagen, und vor mir steht wie ein deus ex machina ein guter Freund und früherer Reisegenoffe, Assessor 23. aus Koblenz. Er hatte in Villach unfern Spuren nachgeforscht, war in der Hoffnung, uns zu treffen, nach Flitsch und von da nach Soöa gegangen. Im pfarrhause hatte er ein Nachtquartier gefunden und nicht geahnt, daß im Nachbarhause der gesuchte Freund, der freilich aus besonderen Rücksichten sein Lokal nicht verlaßen konnte, kampiere. Jetzt wollte 23., an dem Zusammentreffen verzweifelnd, über den Versiösattel nach Wurzen gehen und stieß, gestiefelt und gespornt, den Tornister auf dem Rücken, gerade im kritischsten Momente mit uns zusammen, wo wir seiner am meisten bedurften. Die Gensdarmen machten bei der kordialen 23egrüßung durch einen Herrn, der jedenfalls nicht wie ein Räuber und Vagabund aussah, äußerst bestürzte Gesichter, sie fanden darin und in unferm ganzen Benehmen eine bessere Legitimation als in den von Liebeskind umsonst verlangten Papieren. Am liebsten hätten sie sich still gedrückt, sie kamen aber doch so leichten Kaufes nicht davon und sollten ihren Irrthum bis zum Grunde auskosten. wir traten sämtlich bei Fleiß ein, um dies wunderbare Zusammentreffen und die Rettung aus der VTotl? mit einem Trunk zu feiern. Fleiß brachte den bis dahin geheim gehaltenen Schatz seiner Speisekammer, geselchte Forellen, und seinen wein, wir unsere Vorräthe herbei, und 23. unterrichtete Frau Fleiß in der kunstgerechten Bereitung von Rühreiern. Ich konnte meine Toilette adjustieren, und derweil erzählte Liebes-kind seine Abenteuer. In den Hütten und auf dem Wege hatte er vergeblich nach Milch gefragt, endlich auch einen langen Lümmel in weißen Kniestrümpfen. Der sei statt der Antwort voraufgelaufen, er, Liebeskind, in der Meinung, daß er ihn führen wolle, wo Milch zu bekommen, natürlich nach und poschgantz hinterdrein. Der wettlauf habe am 'Zause der Frau „Burmester" sein Ende erreicht; mit dem lauten Ruf: „Da sind die Räuber", sei der Kerl herein und, wie auf ihn wartend, das Gensdarmenpaar herausgeftürzt. Legitimation habe er natürlich keine gehabt, also auch keine vorweisen können, sich übrigens darauf berufen, daß nach einer Ministerialverfügung von Wien eine solche unnöthig und er Mitglied des Alpenvereins sei. Auf die barschen Fragen seien natürlich seine Antworten ebenso gefallen und Triglav von den Karawanken Lichtbild von Ing. Wilhelm Dronowic;, Maria-Rain die Folge gewesen, daß die Gensdarmen ihn als Arrestanten behandelt und nach Flitsch auf das Amt hätten führen wollen. Der Steiermärker sei von dem andern Gensdarmen, dem Postenführer, noch gehörig heruntergeputzt worden, daß er den einen Räuber, nämlich mich, habe entwischen lassen. Erst wollten sie sofort nach Soea aufbrechen, um mich aus dem Nest zu heben, dann änderte der Führer auf die Versicherung, ich sei so todtmüde und abgehetzt gewesen, daß ich gewiß nicht weiter als SoLa gekommen, seinen plan und befahl, um 5 Uhr andern Morgens aufzubrechen, um mich noch sicher im Bett zu überraschen. Dagegen aber protestierte Liebeskind mit der Erklärung, daß er so lange schlafen würde, als es ihm gefiel, und erst gehen würde, wenn es ihm beliebte. So endete denn am Abend die Unterredung und grollend in zwei feindliche Gruppen getheilt, kampierten hier Gensdarmen, da Liebeskind und poschgantz bei der Frau „Burmester". Die armen Gensdarmen wurden übrigens hart genug bestraft. Liebeskind fing an zu kochen, und zwar die für den Triglav bestimmte Erbswurst. Lieblich strömte der Duft durch das Zimmer, und während Liebeskind mit poschgantz wacker suppte, erzählte er ihm von dieser Kraftnahrung der deutschen Soldaten, daß den hungernden Beamten das Wasser im Munde zusammenlief. Sie waren schon zu neun Zehntel überzeugt, daß ein Mann, der solche Nahrung bei sich führte, kein Räuber sein könnte, und würden ihn sehr gerne als Baron anerkannt haben, wenn er sie hätte kosten lassen wollen. Das geschah aber nicht, und ganz verstohlen probierten sie hinterher bei poschgantz den in der Schüssel verbliebenen Rest, bestätigend, daß das „wohl schon fein" sei. Mehr noch wurden sie des andern Tages ihres Irrthums inne, aber nun bestand Liebeskind darauf, sich als ihren Arrestanten zu betrachten und nach Flitsch auf's Postenkommando geführt zu werden. In dieser Stimmung traf die Gesellschaft in SoLa ein. Die angeborene Gutmüthigkeit triumphierte bald bei Liebeskind über den Groll; nachdem er die Gensdarmen noch gehörig durch Drohung mit Beschwerden geängftigt hatte, entließ er sich endlich auf unser Bitten ihrer Haft und willigte ein, sich nicht ferner mehr als Arrestanten zu betrachten. Die Gensdarmen bestritten nämlich durchaus eine förmliche Arretierung und wollten ihn nur bis zur Feststellung seiner Persönlichkeit überwacht haben, was am Ende auf das nämliche hinauslief. Sie hätten auf höhern Befehl die Grenze des Küstenlandes gegen Krain abgestreift, um auf Landstreicher zu fahnden, dabei drei Tage bei schlechter Nahrung im t£eu kampiert, und wollten nun unverrichteter H 2tugv, Triglav. 209 Sache auf ihren Posten nach Flitsch zurückkehren, als wir ihnen von den Bauern als Räuber signalisiert wurden. Die Leute hatten von dem Zweck der Gensdarmenpatrouille keine Kenntnis, Touristen, zudem in solchem Kostüm, wie das unsrige, namentlich das von Liebeskind, war und erst recht jetzt nach der Kletterei geworden war, hatten sie nie zu Gesichte bekommen, und so kombinierten sie denn, daß wir die von den Gensdarmen gesuchten Persönlichkeiten und zum wenigsten Räuber sein müßten. So löste sich die ganze Verwicklung, namentlich durch B.'s Dazwischentreten, in große Heiterkeit auf. Das Zusammensein war leider von keiner langen Dauer, da unsere Wege direkt auseinander liefen, wir wollten nach Flitsch und Villach, B. war auf dem Wege nach Ungarn, also eine rasche und gänzliche Trennung nach dem unerwarteten Wiedersehen. IZ. Rapitel Eine Wanderung durch Oberkrain (Über das Gcarbinja-Joch in das Wochein-Tal, Besteigung der Ürna prst und des Triglav) von Julius Rugy (1875) Aus , «österreichische Botanische Zeitschrift' des Dr. Alexander Skofitz, Wien 187$, Nr. 5-$. Eeils bewogen von den begeisterten Schilderungen, welche mir die Besucher des berühmten Wochein-Lales von der an großartigen Natur-schönheiten so reichen Gegend gemacht, teils angezogen von der reichhaltigen, interessanten Flora, die jene Alpengebiete um Lolmein, an der Grenze Krains und des Küstenlandes, dem pflanzenfreunde bieten, hatte ich immer mehr den plan in mir reifen lassen, von Lolmein im Isonzo-Lale aus über das Scarbinja-Ioch jene viel besprochene, viel gelobte Gegend zu besuchen, und als endlich die Ferien herankamen und alles hinauseilte ins Grüne und Freie, da schnürten auch mein Bruder und ich unsere Bündel und dampften am j r. August wohlgemut mit der Bahn nach Görz, von wo aus wir am nächsten Lage unsere Partie in Angriff nehmen wollten. Nach vierstündiger Fahrt durch das schöne Isonzo-Lal, das bald, von steil abfallenden Bergen und Felsabhängen umgeben, zu einer schmalen Schlucht sich verengt, in deren Liefe die blauen Wasser des Isonzo zwischen engen Ufern dahinfließen, bald wieder zu einer breiteren Lalweitung sich öffnet, wo der Strom ruhiger und majestätischer fließt, weiß umrandet von Schotterfeldern, die von den Flitscher Bergen heruntergeschwemmt worden, hatten wir endlich die letzten, senkrecht abfallenden Felsen vor woltschach hinter uns, auf denen die seltene Medicago Pyronae ihren Standort genommen, und vor uns lag der dunkelgrüne waldkegel, auf dessen Gipfel Mauertrümmer von einstiger Größe zeugen, und zu dessen Füßen die weißen Däuser Lolmeins liegen, t^ier wachsen Hieracium illyricum und australe, am Isonzoufer unter anderem Campanula carnica und Inula ensifolia, auf Felsen bei Modrea: Medicago Pyronae und Athamantha Matthioli. Hinter Lolmein erheben sich die zahlreichen Bergspitzen und Ketten zu einer immer größeren Höhe empor, bis sie endlich die felsigen, von der Mittagssonne weiß angestrahlten Abhänge des Monte Kuck und Vohu erreichen. Ein Führer bis auf die Höhe des paffes war bald gefunden, der sich den im Larif festgestellten Lohn von z Gulden ausbedang; der Nachmittag, 5 Uhr, ward zum Aufbruche bestimmt. Zunächst einen Hügel hinan, geziert mit Campanula caespitosa, Calamintha thymifolia, Athamantha Matthioli, dann längs einer wilden, schmalen Schlucht, wo wir Gentiana asclepiadea, Aconitum Lycoctonum, Myrrhis odorata, Epipactis rubiginosa, Paederota Ageria, Astrantia maior, Cirsium Erisithales, Phyteuma Michelii, orbiculare, Betonica Alopecurus, Ranunculus aconitifolius fanden und in deren Tiefen die schäumende Tominsca braust und tost, führte uns der wohlerhaltene Pfad. Bald begann die Dämmerung ihre Schleier über die Gegend zu breiten, düstere Schatten senkten sich in die tiefe Schlucht zu unseren Füßen, dunkle Wolken begannen, sich über den Bergen zu zeigen, weit drüben sahen wir noch die Zinken und scharfen Grate, die sich in den mannigfaltigsten Formen um ihren mächtigen Beherrscher, den Vohu, gruppieren und die noch vor kurzem uns rot überstrahlt entgegen» geleuchet hatten, wie die Zinnen und Türme eines sagenverklungenen, riesenhaften Schlosses; nun ragten sie kahl und grau in die dunklen Lüfte. Es war schon finstere Nacht, als wir nach z^stündiger Wanderung die ersten Hütten des Alpendorfes Rauna erreicht hatten, wo wir, von einer freundlichen Sennerin gastlich ausgenommen, ein herrliches Nachtlager auf duftendem, weichem Heu fanden. Nachdem wir am nächsten Morgen einen anderen Führer ausgenommen, einen kräftigen Älpler, da der frühere von anderen Wanderungen her, die er in derselben Woche unternommen, zu müde war, verließen wir Rauna um 5 Uhr früh. Der Steg, umsäumt von Veronica fruticulosa, Linum viscosum, Orchis ustulata, Epipactis rubiginosa, Asperula longiflora, Calamintha thymifolia, Aconitum Napelius, tenuifolium, Jacquinianum, Veratrum Lobelianum, Silene quadrifida L., Gymnadenia conopsea, führt zunächst ziemlich eben über saftige Alpenwiesen, dann aber beginnt er, immer unkenntlicher werdend, steil und steiler emporzusteigen. Bald mußten wir durch dichtes Gebüsch dringen, bald versperrten uns Massen gefällter Bäume den weg. Endlich waren wir in das Gebiet der Felsen gekommen, in ein Gewirr von Felstrümmern und Blöcken, von Geröllhalden und senkrechten Abstürzen, wo ich nur hinblickte, sah id) überall die lieben Kinder der Alpenwelt, die mit ihren zierlichsten Formen und den schönsten Farben den Boden schmückten; da leuchteten auf grasiger Halde die goldgelben Köpfchen des Senecio abrotanifolius, dazwischen die schimmernden Sterne des Edelweiß, dort winkten aus der Felsspalte blaue Glöckchen der Campanula Zoysii, die weiße Blütendolde von Potentilla Clusiana oder Wedel von Cystopteris fragilis und Polystichum rigidum, üppige Sträucher von Rhododendron Chamaecistus und die blaue, großblumige Aquilegia viscosa umsäumten unfern Pfad, längs welchem noch ferner zu finden sind: Androsace villosa, Thlaspi alpinum, Heracleum austriacum, Viola biflora, Aquilegia atrata, Saxifraga Aizoon, crustata, aizoides, Achillea Clavenae, Saxifraga rotundifolia, cuneifolia, Campanula carnica, Erytrichium nanum, Rhododendron hirsutum, To-fieldia calyculata, Polygonum viviparum, Betonica Alopecurus, Belli-diastrum Michelii. Erhob ich aber das Auge, so konnte ich die großartigen Formationen der beiden Steinriesen, des Kuck und des Vohu bewundern, deren felsige Gehänge in kühnen Abstürzen auf das Steinmeer zu ihren Füßen abfallen, diese kolossalen Bergesmassen, welche die Natur als scheinbar unübersteigliche Mauer zwischen zwei Kronländern emporgetürmt hat. Nach Überwindung der letzten, ziemlich steil ansteigenden und anstrengenden Geröllhalden hatten wir nach dreistündigem Steigen die Höhe der Scarbinja erreicht. Zwar hatte uns ein Sturm, der in der Nacht getobt, auf eine reine Aussicht Hoffnung gemacht, doch sahen wir uns, was den Westen anlangt, darin getäuscht, denn obwohl wir deutlich den Lauf des breiten Tagliamento durch die italienische Ebene verfolgen konnten, hatten sich doch Wolken am äußersten Horizont gelagert, die uns den Anblick des Meeres und der nordwestlich gelegenen Bergspitzen verhüllten. Großartig gestaltete sich dagegen der Blick in das jenseitige Wochein-Tal. Anfangs hatten sich dichte Nebel über dasselbe gelagert, plötzlich aber begannen sich diese zu heben — und tief zu unseren Füßen lag der düstere, dunkle See, umgeben von steilen, imposanten Felskolossen, auf denen nur spärlich hie und da eine Tanne ihre Wurzel geschlagen und nun mit dunklem Grün die kahlen wände schmückt, die zerrissen und vielfach geborsten in den ruhigen Fluten zu ihren Füßen sich spiegeln. Und hinten erhebt sich stolz und kühn die ungeheure Pyramide des Königs der Krainerberge, der ernste Triglav. Die Flora der Krainerseite ist noch weit reichhaltiger als die jenseitige. Massenhaft überdeckt hier Potentilla nitida die Felsgetrümmer mit rosenrotem Polster, da blüht am Rande eines Schneefeldes Papaver alpinum und Aquilegia atrata, Achillea Clusiana und Clavenae, Aroni-cum scorpioides und die seltenen Ranunculus-Arten R. hybridus und R. Traunfellneri sahen aus dem Gerolle hervor, dazwischen nach allen Seiten wachsen: Heracleum austriacum, Pedicularis Hacquetii, tuberosa, verticillata, Jacquinii, Horminium pyrenaicum, Astrantia alpina, maior, carniolica, Ligusticum Seguieri, Aconitum Lycoctonum, Statice alpina, Anemone alpina, Pulsatilla (fructif.), Athamantha cretensis, Scabiosa lucida, Betonica Alopecurus. Nun ging es hinab; zunächst eine Stunde über grobklötzige Geröll- Massen und teilweise Uber alten Schnee, eine weitere Stunde über kleineres Gerolle, mit Pinus Mughus und Alpenweide bewachsen, hierauf die dritte Stunde einen steilen Buchenwald hinab, bis wir endlich das südwestliche Ufer des Sees erreichten. Eine weitere kleine Stunde längs deffen südlichen Ufers brachte uns zum Wirtshause am östlichen Ende des Sees, eine Viertelstunde von Althammer entfernt. *£ier verabschiedeten wir unseren Führer und hatten nach % Stunden Weges das große Dorf wocheiner Feistritz erreicht, wo wir, vom Wirten „zur Post" auf das zuvorkommendste empfangen, eine sehr gute und billige Unterkunft fanden. Am nächsten Tage besuchten wir den Savizzawafferfall. Auf einem der breiten, flachen Boote fuhren wir über das ruhige Gewässer des Sees dahin, der in den verschiedensten Färbungen, vom Hellen Grün bis zum dunklen Grau spielte. Ein wohlerhaltener Pfad führte uns vom westende des Sees längs der wild dahinschäumenden Savizza in den tiefen Talkessel, wo ich Asplenium fissum, Adenostyles alpina und albifrons, Aconitum Napellus, paniculatum, Campanula carnica, caespi-tosa beobachtete und an deffen Ende der Fall sich befindet. Ein großartiger Anblick! — 3n einer engen Felsenschlucht, umstarrt von senkrecht emporsteigenden wänden, dringen hoch oben aus finsterer Öffnung, aus dem geheimnisvollen Schoße des Bergkoloffes die klaren Fluten; sie stürzen und brausen in wilden Sprüngen weißschäumend das Gewände herunter und donnern in einen tiefen, azurblauen Kessel, den Trümmer und Klötze umlagern, und brechen sich dann weiter Bahn durch das Gewirr von Felsblöcken und entwurzelten Stämmen. Anstatt, wie wir geplant, an demselben Tage noch das Wochein-Tal zu verlassen, hatte ich meinen Bruder bestimmt, den nächsten Tag (16. August) zur Besteigung der Črn« prst, des Schwarzen-Berges, zu benützen, der seinen Namen von einer Schichte schwarzer Tonerde unmittelbar unter der höchsten Erhebung erhalten hat. Um 6 Uhr Früh brachen wir von Feistritz auf. Einen prachtvollen üppigen Buchenwald steil hinansteigend, hatten wir, auf wiesen, bewachsen mit Gentiana asclepiadea und lutea, hinaustretend, nach Stunden die erste Höhe erreicht. Da finden sich: Gentiana pannonica, Libanotis montana, Atha-mantha cretensis, Hedysarum obscurum, Bupleurum graminifolium, Phyteuma Sieberii und orbiculare, Chenopodium bonus Henricus. Nun ging es an Sennhütten vorbei, zunächst ziemlich eben, hierauf steiler und steiler werdend, eine kurze Strecke über Geröll, doch nirgends schwierig, geschweige denn gefährlich. Die Zadnica, das „Letzte Cal" (Crenta) Lichtbild von Dr. peter Michaelis, Müncheberg ►4. iffiia^lk. JkM$ WHEZ^MWW^NH Die Besteigung ist eine leichte und äußerst lohnende, sowohl was Flora als auch was Aussicht anbelangt. Die schönsten und seltensten Alpenpflanzen Krains haben sich hier vereinigt zu einem formenreichen, bunten Garten; da steht neben dem amethystfarbenen Eryngium alpinum die prachtvolle Scorzonera rosea, eine Spezialität der Karawanken, da sind weite Strecken überdeckt von den dichten Ähren des Aconitum Napellus, Jacquinianum, Lycoctonum, den roten Schirmtrauben von Adenostyles alpina, da entfaltet LigUsticum Seguieri seine breiten, weißen Dolden, Campanula Zoisii und carnica, Potentilla caulescens und nitida, Heracleum austriacum, silberweiße Teppiche von Geranium argenteum überdecken die höchste Kuppe, und jenseits glänzen aus dem kurzen Alpengrase zahlreiche, weiße Sternchen; es ist das Edelweiß, die Zierde unserer Alpen, das hier in den schönsten Exemplaren seinen Standort genommen hat. Zu dieser interessanten Flora gesellt sich dann die herrliche Aussicht auf die blaue Adria, auf die weite italienische Ebene, durchströmt von silberweißen Fäden, auf die Bergkoloffe des Flitseher- und Trenta-gebietes und auf den Altvater der Julischen Alpen, den Terglou. Auf dem Abstiege machten wir noch eine höchst lohnende Seitenpartie zum Ursprünge der Feistritz und nahmen dann dankend Abschied von dem freundlichen Wirte „zur Post", den wir auch allen Touristen und Besuchern der schönen wochein auf das wärmste anempfehlen möchten. Nach zweistündiger Fahrt durch das schmale, romantische wochein-Tal lag plötzlich der blaue Spiegel des Veldeser Sees, der „Perle Krains", vor uns. welch ein Kontrast zwischen ihm, der da so sonnig und heiter uns anlachte wie eine schmucke Braut, und jenem finsteren Gesellen in der wochein, dem düsteren Einsiedler der Alpenwelt. Da sieht man keine imposanten Felskoloffe in senkrechten Abstürzen den Fluten entsteigen, da liegt die Schönheit nicht in der Großartigkeit der Verhältnisse, im traurigen Düster der Umgebung wie dort, — da plätschern die leis«, Wellen des tiefblauen Gewässers an grünen, lieblichen Gestaden, da leuchten aus grünem Geäste der Bäume freundliche Landhäuser und Villen über den klaren Spiegel, da wacht hoch oben auf der Felsenhöhe ein malerisches Schloß über die schöne Landschaft zu seinen Füßen, da ziehen vom grünen Eilande die Töne eines Glöckleins herüber, leise getragen an den waldigen Bergen verhallend, die das schöne Tal umrahmen, und weit drüben ragt das Haupt des Terglou in die Lüfte und beschließt das prachtvolle Gemälde. Ich übergehe nun die nächsten Tage und Wochen, die ich int schönen Gberkrain in ländlicher Stille verlebte, und eile zur Beschreibung meiner letzten Alpenpartie, zur Besteigung des Triglav. Am 4. September, 7 Uhr Morgens, hatte mich die Rudolfsbahn zur Station Lengenfeld gebracht, von wo aus sich das Dorf Moischtrana, der Ausgangspunkt meiner Tergloubesteigung, in % Stunde leicht erreichen läßt, t^evc Schmerz, der Inhaber des besten Gasthauses daselbst, verschaffte mir sogleich bereitwillig einen Führer, Johann Glantschnig, einen, wie ich später zu bemerken Gelegenheit hatte, äußerst tüchtigen und geübten Mann, einen guten Geher und Kletterer, der nebst allen diesen Eigenschaften auch die besitzt, daß er der deutschen Sprache ziemlich mächtig ist. Nachdem ich mich mit ihm über den Lohn (5 Gulden) vereinbart, und Herr Schmerz mir versprochen, für Proviant, Bergstöcke und dergleichen die Sorge übernehmen zu wollen, machte ich mich auf, dem berühmten periönikwasserfall einen Besuch abzustatten. Der weg dahin führt hart am Bette der Bisterca, eines kristallhellen Gewässers, das aus der Vrata gesioffen kommt, durch ein ziemlich schmales, von grünen Bergen umschlossenes Tal, in dessen Hintergründe der gewaltige, dem Terglou vorgelagerte Zmir und der kahle Steiner ihre Häupter erheben. Nach einer Stunde hatte ich den Fall erreicht, nachdem ich den Donner desselben schon lange vorher gehört. An Pflanzen sind hier zu treffen: Arabis alpina, Linaria alpina, Calamintha alpina, Rhododendron hirsutum, Astrantia carniolica, Gentiana germanica, cruciata und asclepiadea, Cerastium ovatum, Buphthalmum saliciiolium, Dryas octopetala. Von der Höhe eines überhängenden Felsens, der aus einem Gewirr von gewaltigen Blöcken und rauhen Felstrümmern sich emporhebt, stürzt ein mächtiger Wasserstrahl in weitem Bogen frei herab; schäumend und brausend donnern in der Tiefe die Fluten gegen die emporstarrenden Klippen, alles in Gischt und Staub hüllend, und ergießen sich in ein tiefes azurblaues Becken, das die Gewalt des stürzenden Elementes in den felsigen Boden gehöhlt, während zu beiden Seiten des Hauptstromes kleinere Bäche den Felsen herunterhüpfen, um auf den verschiedensten wegen jenen Kessel zu erreichen. Imposanter als der Savizzafall durch den kühnen Bogen der frei stürzenden wassermaffe und die größere Höhe, hat der periönik den Nachteil, daß die Großartigkeit der gegenüberliegenden Felsmassen des Zmir und des Steiner seine eigenen Dimensionen kleiner und unbedeutender erscheinen läßt, während in der wochein die schmale Kluft und das vollständige Ab- gesperrtsein von der anderen Welt den Eindruck zu einem überwältigenden machen. Um 3 Uhr Nachmittags verließen ich und mein Führer Moischtrana mit Proviant und guten Bergstöcken, letzterer auch mit Steigeisen versehen. Anfangs geht es durch ein prachtvolles, üppiges Tal, das Roth-weintal, das umschlossen ist von Waldhügeln und schön bewachsenen Bergen, über weite wiesen und weiden; allmählig beginnen dann die Berge sich ihres grünen Schmuckes zu entkleiden; kahle, zerrissene wände drängen sich von beiden Seiten zusammen, bis uns endlich in der unteren Kerma die großartigsten Felsenformationen umgeben. Allenthalben wachsen da: Gentiana asclepiadea, cruciata, utriculosa, Rhododendron Chamaecistus, hirsutum, Gnaphalium Leontopodium, silvaticum, Arnica Montana, Aster alpinus, Vaccinium Vitisidaea, Campanula rotundifolia und caespitosa, Astrantia carniolica, Cyclamen europaeum, Sedum maximum, atratum, Vera trum Lobelianum, Dryas octopetala. Im wildbachbette Linaria alpina, Bupleurum graminifolium, Calaminthe alpina. Steiler beginnt der Pfad sich hinaufzuschwingen über Gerölle und wildbachbette; die Eichen und Buchen verschwinden, und verkrüppelte Tannen und Föhren, niederes Krummholz, hie und da eine dunkelgrüne Eibe treten an ihre Stelle. Dazwischen prangen Senecio abrotanifolius, Gentiana cruciata, Rhododendron hirsutum, Achillea Clavenae, Rhodiola rosea, Saxifraga aizoides und crustata, Crepis aurea, Potentilla aurea, caulescens. Nach 4V-ftündigem Marsche öffnete sich vor uns ein stiller, wildromantischer Alpenkeffel, die obere Kerma, in der wir in der Dämmerung eine Schafhütte erreichten, halb verdeckt von gewaltigen Felsblöcken, die uns zum Nachtquartier dienen sollte. Nachdem wir es uns darin bei loderndem Herdfeuer bequem gemacht und unser einfaches Nachtmahl (schlechtes Heidemehl in Wasser gekocht) mit bestem Appetit aufgezehrt hatten, trat ich aus dem engen, rauchigen Raume hinaus ins Freie. wunderbare Nacht! wunderbares Leuchten! Die Natur, die vor kurzem noch nur Licht und Leben gewesen, sie war zur heiligen Ruhe gelangt, und tiefe Nacht lag über dem schlummernden Alpentale. Da standen ringsum die gewaltigen Häupter, gezackte, zerrissene Grate; dort eine wunderlich ragende, geheimnisvoll starrende Riesengestalt, umflossen von den wunderbaren Silberfluten des Mondes; drüben ein graumarmorenes, ungeheures Becken mit sanft blitzendem Inhalte; hier die grotesken Formen eines schwarzen Felskoloffes, scharf ab- gegrenzt am nächtlichen Fimmel, dort drohende Schemen, angetan mit schimmerndem Schneemantel; und darüber wölbte sich die Riesenkuppel des Himmelsgewölbes mit ihrem Sternengefiimmer, und der Mond sandte sein fahles Licht in diese wunderbar erhabene, schweigende Alpennatur. Nur selten kreischt ein Nachtvogel mit wildem Rufe durch die Einsamkeit der Alpe und weckt das Echo an den rauhen wänden ringsum. Ein dürftiges Heulager in einem schmalen Bretterverschläge wartete meiner in der Hütte. Um z Uhr Früh weckte mich der Führer. Rasch wurde das Frühstück genommen, und wir traten hinaus in das noch schlafende Tal. Tiefes Dunkel lag noch über dasselbe gebreitet, denn der Mond war hinter finster geballten Wolken im Südwest verschwunden, und beim unsicheren Geflimmer der Sterne begannen wir, langsam und vorsichtig, die Höhe hinter der Sennhütte zu erklimmen, über grobklötzige Geröllhalden, an manchem gewaltigen Felsblock vorbei, kamen wir höher und höher, immer vorsichtig mit dem Bergstöcke tastend und oft auf fänden und Füßen kletternd. Als wir die erste ^ö^e erreicht hatten und ein wüstes Steinmeer vor uns lag, das wir nun zu überqueren begannen, war es nach und nach lichter geworden. Noch eine Stunde lang über Geröllmaffen und kurze Strecken über steile, mit dürrem Alpengrase bewachsene Abhänge — und plötzlich stand vor uns die imposante Riesengestalt des Terglou, in spitzer Pyramide emporstarrend, umgeben von kühngetürmten, schneebedeckten Zinken und Zacken, die ihn umstanden wie die Trümmer einer Welt. Um 5 Uhr hatten wir die Unterkunftshütte erreicht, welche die Sektion Krain des Deutschen und (österreichischen Alpenvereins am Fuße des kleinen Triglav gebaut. Sie sieht jämmerlich aus. Das Dach fehlt, die Bretter wurden von Touristen und Jägern als Feuerungsmateriale benützt, die Tür mit den Pfosten liegt herausgeriffen am Boden, ein kleines Gerüste innerhalb der drei Mauern ist mit feuchtem, halbfaulem Alpenheu bedeckt, wir ließen hier Lebensmittel und Botanisierbüchse zurück, und nach V* Stunde standen wir am Fuße des Kleinen Terglou. wir begannen nun, den „Kamin" und die steilen, hie und da mit Erytrichium nanum, Potentilla nitida, Thlaspi alpinum, Petrocallis pyrenaica, Cherleria sedoides und Dryas octopetala besetzten Felswände hinaufzuklimmen. An den schwierigsten Stellen sind handbreite Stufen in das Gestein gehauen oder kurze (Querbalken in Abständen von ungefähr zwei Fuß in die Vorsprünge eingeklemmt, so daß man daran wie auf einer Leiter emporsteigen kann. So geht es höher und höher, und immer steiler erheben sich die Felsen, immer tiefer gähnt der Abgrund zu Füßen. Um 6 Uhr jo Min. stand ich auf der Spitze des kleinen Triglav, der ebenso wie die höchste Spitze mit r' hohem, neuem Schnee bedeckt war. wir ließen hier unsere Bergstöcke zurück und betraten nun den ebenfalls teilweise mit Schnee bedeckten, gefürchteten Kamm, der bis unter die Spitze der höchsten Erhebung führt, und der jedem nicht vollkommen Schwindelfreien keine Möglichkeit hinübertzvkommen bietet. Eine ro bis ?o° lange, schmale Felsschneide, die, bald breiter werdend, bald sich verschmälernd, an der gefährlichsten Stelle in der Breite von V* bis j' dem Fuß kaum einen festen Halt gewährt, zur Rechten ein furchtbarer, bei dreitausend Fuß tiefer Abgrund, in dessen Tiefen der Gletscher, von langen und tiefen Spalten durchzogen, in grünlichen Farben schillert, zur Linken ein fast senkrechter, gegen zweitausend Fuß tiefer Absturz auf ein weißes Schneefeld, das in der ungeheuren Tiefe die grauen Felsen bespült. Der Kamm führt bis unter die höchste Spitze, die in fast senkrechten wänden nach allen Seiten hin jäh abstürzt. Ins Vrata-Tal in einem senkrechten Absturz von 0000'. Glücklich überwanden wir auch die letzten Schwierigkeiten an den senkrechten Felsen, indem wir an den eingeschlagenen Eisenhaken, an die man im Notfälle Stricke binden kann, und an den eingeklemmten (Querbalken langsam emporkletterten, vorsichtig, denn ein falscher Tritt, ein loser oder morscher Balken könnte uns zerschmettert in den gähnenden Abgrund stürzen. Um */47 Uhr stand ich auf der höchsten Erhebung, auf der Spitze des großen Triglav, 9056’. Tief unten liegt die Welt! Da stand ich auf dem Haupte des felsigen Riesen und blickte hinab auf das wunderbare Panorama zu meinen Füßen, auf die ragenden Alpenhäupter, die sich in das Blau des Himmelsgewölbes erheben, auf diese Zacken, Giebel, Koppen, Grate und Formen aller Art, die sich da emportürmten wie die gewaltigen wogen eines wild empörten Weltmeeres, das mitten im wildesten Stürmen plötzlich erstarrte; da lag es tief unten wie eine riesenhafte, tausendblätterige, phantastisch entfaltete Blume, und ich sah hinaus auf die Tiefen und Höhen der Blütenblätter, die einem gewaltige Berge scheinen, auf die glitzernden Tautröpfchen, die ihm blaue Seen dünken, auf den Blütenstaub, der zu der großartigen Masse der Schneefirnen und Gletscher emporwächst. Ringsum im Kreise gewaltige Felskolosse, hier grau und düster, dort leuchtend bestrahlt von der langsam sich erhebenden Sonnenkugel; Schnee starrt überall, hüben und drüben, bald blendend mit reinstem weiß, bald mit rosigem Glimmen. Da lag zu meinen Füßen der düstere wocheinersee, grau wie die Nebel, die langsam von ihm emporstiegen, dort zog sich die steinige Einöde des Lrentagebietes dahin, kahl, ohne Vegetation; dort ragten die Pyramiden des mächtigen Mangert, des spitzen Jalouz, des Rombon, des Lanin und des prestrelenik empor über die Grate der wilden Karawanken, des Bollwerkes des schönen Karn-tens, dort wieder erhoben sich die tiefschwarzen Berge Innerkrains aus dem wogenden Nebelmeere, — und weit drüben lagen goldig und purpurglühend die Firnen und Körner der gewaltigen Lauernkette, der eisbedeckte Glöckner, die riesige Hochalpenspitze, die schneebedeckten Kuppen des Ankogels und des Venedigers, der Ötztaler Ferner, die Marmolata, der Monte Lristallo und die Hunderte von ragenden Alpenhäuptern, auf die der Fimmel sich stützt: — alles rosig übergoffen von den Strahlen der glühenden Himmelskugel, ein prachtvolles Gemälde, wie man sichs schöner nicht denken kann. Nach Südwest breitete sich die unendliche italienische Ebene aus, durchfloffen vom breiten Lagliamento und dem mächtigen Po, im Norden begrenzt vom weiten Halbkreise der Alpen. Dichte Wolken am südlichen Horizonte entzogen mir leider den Anblick des Meeres und der kroatischen Ketten. Eine Stunde lang stand ich auf dem ziemlich breiten Gipfel, den frischer Schnee bedeckte, dann begannen wir den Abstieg um 8 Uhr. Glücklich kamen wir die gefährlichen Felsen hinunter, nach einer Stunde langten wir bei unseren zurückgelaffenen Sachen an, nach einer weiteren Stunde bei der Sennhütte in der oberen Kerma, von wo wir in drei guten Stunden um 2 Uhr Nachmittags Moischtrana erreichten, so daß wir zur ganzen Partie nur 24 Stunden gebraucht hatten. Der nächste Morgen fand mich auf der Wanderung in das schöne Kärnten, wo ich in Millstatt, an den Ufern des herrlichen Sees, das Ende meiner Ferien erwarten wollte. Einleitung zum H. Rapitel DLe Sagenwelt des Triglav vom Hochwürdigen Herrn Pfarrer Joseph Abram in Peuma-Gdrz Unter ben schönsten Sagen und Erzählungen der Slowenen steht an erster Stelle jene bes Zlatorog. Es atmen daraus sonnenschimmernbe Berge. Es spricht daraus eine überaus reiche Einbildungskraft aus entferntesten Zeiten. In der gesamten Weltliteratur findest du kaum Ähnliches. Die heutige Generation hat sie fast schon vergessen, wie sie bereits hundert und hundert andere vergessen hat. Vor Jahrzehnten war sie noch lebendig bei unserem Volke im Flitscherischen und im nördlichen Kram, welches unter dem Namen „Gorenjsko" bekannt ist. Im Jahre 1868 hat sie Karl Deschmann in Ljubljana in deutscher Sprache veröffentlicht. So hat er uns das kostbarste Kleinod gerettet, das die Krone im Reichtume unseres Volkes schmückt. Die Erzählung ist so reizend, daß der deutsche Dichter Rudolf Baumbach sie einer unsterblichen Bearbeitung würdig hielt. Er gab ihr eine epische Gestaltung, in der sie in die weite Welt hinauswanderte. Denn die Arbeit gefiel. Einer derartigen Erzählung die würdige Fassung zu geben, hat sich kein slovenischer Dichter gefunden. Es fand sich dafür ein Übersetzer, welcher das Werk Baumbachs in meisterhafter weife in unsere Sprache zu verarbeiten verstand. Es war ein Dichter, Anton Funtek. wenn man die Erzählung in Funteks Übersetzung lieft, vermeint man, ein Griginalwerk vor sich zu haben. So vollkommen ist das Werk. Baumbach hat es verstanden, sich in unsere Berge und in die reine und träumende Seele unseres Volkes einzuleben. Die Sprache ist nicht die unsere. Aber des anderen Worte singen unseren Geist. Der Dichter gehört somit uns an." Die Sage vom Zlatorog kann man folgendermaßen darstellen: Die Alpe Jezerca und die felsige Komna waren einmal ein Bergparadies. Dort oben wohnten die Weißen Frauen, liebenswürdige Wesen mit gnadevollem Kerzen, freute noch erinnert sich das Volk ihrer mit Dankbarkeit. Gar häufig erschienen sie im Dale, um in schwierigen Augenblicken den Armen zu helfen. Sie standen den Wöchnerinnen bei; die neugeborenen Knaben, die von ihnen gewickelt worden waren, blieben ihr ganzes Leben unter ihrem Schutz. Den Wirten erklärten sie die Geheimnisse der verschiedenen Kräuter. Auf den Höhen der Felsenberge sproß, dank ihren wünschen und Fügungen, üppiges Gras, das den Ziegen der armen Dalbewohner gute weide bot. Sie mieden den Dank der Einwohner, und wenn irgend einer den Mut faßte und sich ihrer Bergwelt näherte, verwarnten sie ihn. Mit abwehrenden Gebärden der Hände verboten sie ihm, näher zu kommen. Verlor irgend jemand den weg und kam in Folge dessen ihren Wohnstätten zu nahe, so wurde er mit Steinschlag, mit Wolkenbrüchen und mit schaurigen Gewittern verjagt. Da gaben sie nie nach. Auf dem Rücken des Berges, der senkrecht in das Jsonzotal abfällt, weideten ihre weißen Gemsen, die wild wurden, wenn jemand sich näherte. Da machten sie Steine los, die mit großem Getöse herabstürzten. Ihr Führer war Zlatorog. Es war ein starker, weißer Gems-bock mit goldenen Krickeln. Die Weißen Frauen hatten ihn unverwundbar gemacht. Er kam, wurde er auch aus der Nähe angeschoffen, nie um. Jeder Tropfen seines Schweißes, fiel er auch auf den harten Fels oder auf Schnee, gab einer Blume das Leben. Der roten Triglavrose. Diese war wunderwirkend für den Zlatorog. Alle Wunden waren int Augenblick verheilt. Die tödliche Kugel konnte auch in das Herz dringen. Es genügte ein einziges Blättchen, und das Tier war gerettet. Aber seine zauberhaften goldenen Krickel hatten auch eine andere Kraft. Der Besitz auch nur eines davon wäre gleichbedeutend mit dem Besitz des Schlüssels zum Hort im Berge Bogatin gewesen. Und int Bogatin lag der von allen Sterblichen erträumte Schatz und Reichtum. Die Hüterin dieses Hortes war eine Schlange mit vielen Köpfen. Man erzählte, daß ein Venetianer, dem nach dem Golde im Bogatin gelüstete, oft am Eingang zur Grotte verweilte. Eines Tages sah er, daß Zlatorog in das Innere trat. Er folgte ihm und blieb nicht weit von der Schlange stehen. Zlatorog berührte mit einem Krickel den gewaltigen Hüter und machte ihn damit willfährig wie ein Lämmlein. Auf diese weise konnte er ohne widerstand den goldenen Hauptschmuck in der kostbaren (Quelle benetzen. Diesem Venetianer gelang es in der Folge, einen Splitter des Goldes zu finden, der von den Krickeln des wunderbaren Tieres abgefallen war. Damit konnte er in den unterirdischen Raum eintreten. Er wurde reich, da er das Gold nach Italien brachte und in dieser weise Reichtum auf Reichtum häufte. Nicht so gnädig lächelte das Glück einem Jäger der Trenta. Der Mangel an Dankbarkeit und die Habgier der Menschen haben das Tal der Weißen Frauen verwandelt. Es wurde ein wüster Ort. Die Dinge sind also verlaufen: Das war zu einer Zeit, da es im Flitscherischen noch keinerlei Straßen gab. Ein rauher Bergsteig führte von Karfreit über Flitsch nach Tarvis. Über diesen Bergsteig zogen die Karawanen der vene-tianischen Händler, die ihre reichen waren nach Deutschland brachten. Da, wo die Koritnica in die Soea mündet, stand ein Häuschen. Es war ein Gasthaus. Die Wanderer verweilten hier gar gerne. Der Ruf der ausgezeichneten Küche verbreitete sich immer mehr und mehr, und es gab keinen Gast, der sich nicht erinnert hätte, erlesene Speisen der Wirtin genoffen zu haben und im Häuschen ganz ausgezeichnet zu Gast gewesen zu sein. Und dann war etwas wohl noch viel Anziehenderes in ihrem ^«ufe, eine Tochter von ihr. Ein Mädchen voll aller Tugen- » den und von seltener Schönheit. Viele Bewerber machten sich vergebliche Hoffnungen. Sie liebte einen jungen Mann aus der Trenta. Und sie durfte stolz sein auf ihn. Er war bekannt als der beste Jäger in jener Bergwelt. Er war der Sohn einer alten, blinden Witwe, die er zärtlich liebte. Man munkelte, daß dieser junge Mann von den Feen behütet sei. Er kannte in den Bergen alle Pfade. Er konnte die höchsten Spitzen erklimmen. Er brauchte sich vor dem Steinhagel nicht zu fürchten. Ein tüchtiger Jäger, der er war, konnte er das liebenswürdige Mädchen des Dauses mit mancher Gemse, mit manchem wilden Hahn, oder mit großen Sträußen herrlicher Alpenblumen erfreuen. Mit seiner Liebe vermochte er es, das schöne Kind für sich zu gewinnen. Aber die Höflichkeiten und die schönen Worte der vielen Vorüberziehenden verfehlten doch nicht, ihre Wirkung auszuüben. Auch sie wurde schon frühzeitig anmaßend. Das Jahr wandte sich dem Winter zu, als eines Tages venetianifche Händler mit reichen Ladungen von waren in das Gasthaus eintraten. Es war eines Sonntages. Einer davon, ein sehr junger, vermeinte, das Mädchen mit Gold und mit Versprechungen für sich zu gewinnen. Er schmückte ihre Finger mit Ringen, und um den legte er ihr ein wunderschönes Halsband. Den Gästen bot er starke weine und den Spielleuten befahl er, zu ihren Ehren Tänze aufzuspielen. Auch der Trentajäger versäumte es nicht, in das Gasthaus zu kommen. Die Klänge der Musik berauschten ihn, und mit liebevollem Blick bat er die schöne anverlobte Braut, mit ihm zu tanzen. 3n ihr hatte sich etwas verändert. Sie lehnte den Tan; ab. Auf die Seele des jungen Mannes legte sich ein schwerer Schatten, und ein starker Schmer; schnürte ihm das Herz zusammen, als er den Ring sah. wie konnte er einer derartigen Herausforderung widerstehend Mit raschen Worten warf er ihr die Untreue vor. Sie war verblendet genug, ihm zu antworten, ihre Gäste seien viel liebenswürdiger als er, es sei ihm noch nicht 2ZI gelungen, ihr die rote Triglavrose zu bringen, obwohl er alle Schätze der Berge kenne. „Das war also ihre Liebe", dachte der junge Mann. Das Herz wollte ihm brechen vor Schmerz, was er aus ihrem Munde vernahm, erschien ihm nicht wahr und nicht möglich. Sie höhnte ihn, und er antwortete ihr in gleichem Cone. Er sagte ihr, er kenne den Ort des Schlüssels zum Bogatin, und habe er ihn einmal, werde er ein König sein im Vergleiche mit dem venetianischen Händler, dem sie nur also weiter dienen möge. Auf das Tiefste gekränkt, verließ er das Gasthaus. Als er so dahinging, begegnete er plötzlich einem übel beleumundeten Menschen, den man den „Grünen Jäger" nannte. Dieser hatte den Ruf, schon manchem anderen jungen Menschen in bas Jenseits verholfen zu haben. Er wußte von großen Taten zu reden und große Dinge vom t^ort im Bogatin zu erzählen. Er wußte auch zu erzählen von den wunderbar schönen italienischen Mädchen. Und er versäumte nicht, ihm zu betonen, daß vor allem die Schatzsucher des Bogatin bei ihnen guten weg machen können und sie mit Leichtigkeit in ihren Gefühlen zu treffen vermögen. In der Nacht des gleichen Tages brachen sie auf, der Grüne Jäger und der junge Mann, den Felsbergen zu. Ihr Ziel war Zlatorog. Der Trentajäger kannte genau feinen bevorzugten Standplatz. Am Morgen des folgenden Tages erkannten sie ihn von ferne. Im Augen» blick war das Gewehr schußbereit. Fest die Hand! Klar der Blick! Sicher der Schuß! Zlatorog fiel, zu Tode getroffen. Er hatte noch die Kraft, auf ein Band hinabzugleiten, das über einem Überhang endete. „Mut, und folge mir!", schrie ihm der Grüne Jäger zu. „Der Schlüssel zum Bogatin ist unser!" Da blieb mit einem Male das Auge des Jünglings auf einer Scholle haften, die von herrlichen Blumen bedeckt war, mitten im Schnee und im Eise. Das Edelweiß, die silberne Blume, erinnerte ihn an die Mutter. In seiner zarten Jugend hatte er häufig diese Blume gepflückt, daraus er ein Heilmittel für ihre kranken Augen braute. Der Gedanke an sie und sein Schutzengel riefen ihm zu: „Nicht weiter! Begnüge dich mit der Triglavrose! Deine Braut wird dich um Verzeihung bitten, daß sie dich in das Lächerliche gezogen, daß sie an dir gezweifelt , hat. Sie wird bereuen!" Der Grüne Jäger schrie dagegen herüber: „wir haben noch Zeit, den Zlatorog zu beugen, bevor die Blume ihr Wunder vollführen kann. Die Zlatorogsage Nach einem Gemälde von V. polli, Milano Lichtbild von Photo Aug. Marega, Gorizia Mut! Der Reichtum, der deiner wartet, wird größer sein als jener des Händlers, der deine Braut in die Untreue zog!" Die Stimme des Bösen siegte, hinter den Spuren der schweißenden Gemse her, gezeichnet von Blumen, die aus dem Schweiße erblühten, begannen die beiden Jäger ihren Ausstieg. Sie schwebten zwischen Leben und Tod. Zlatorog hatte sich inzwischen erhoben. Er verspürte neue Kraft in sich. Ein Sprung gegen seine Verfolger. Seine Krickel leuchteten in der ersten Morgensonne Heller denn je. Der funkelnde Schein traf und blendete die Augen des Trentajägers. Sein Blick verlor sich in der unendlichen Leere, die unter ihm war. Er schwankte. Noch ein Ansprung des Zlatorog, und er hatte nicht mehr die Kraft, sich zu erhalten. Der Abgrund zog ihn in seine Tiefe. Der Grüne Jäger grinste ihm nach: „Glückliche Reise nach Italien!" während diese schweren Vorkommnisse dort oben sich abspielten, mitten in den Felsen, füllte sich das Herz des Mädchens mit bitterer Reue. In Furcht und Sorge erwartete es die Rückkehr des Trenta-jägers. Es kehrten inzwischen die Schwalben zurück, die Soea schwoll an von der Schneeschmelze auf den Höhen. Auch ihr Liebster kam zurück. Mein Gott, er kam herab mitten im schäumenden Wasser des Flusses. In seiner geschloffenen Faust hielt er einen Strauß von Blumen. Es waren Triglavrosen! Im späten Sommer kehrten die Wirten zur Alpe Jezerca zurück, wie groß war ihr Erstaunen, als sie dort oben ein dürres Felsenreich fanden. Die Weißen Frauen haben diese Bergwelt für immer verlassen, und mit ihnen auch ihre Werden weißer Gemsen. Vom Paradiese durste nicht die kleinste Spur verbleiben. Der bis zur Wut aufgebrachte Zlatorog hat alle würzigen weiden vernichtet. ^eute noch kannst du die Eindrücke seiner goldenen Krickel im Felsenboden sehen. Deschmann fügt hinzu, man könne in dieser Sage eine Erinnerung an ferne Zeiten erkennen, da die gütige Kraft des Tales die Einwohner gegen die verderblichen Einflüsse verteidigte, die von den hohen Bergen herabkamen. Die Eitelkeit der Menschen hat in dieser weise alle Pforten den Kräften der Natur weit geöffnet. Und er sagt ferner noch, daß die Erzählung vom Trentajäger der Wahrheit entnommen ist. In den Klammen nahe der Soöa stand noch vor Jahren ein hölzernes Kreuz, auf dem man folgende lakonische Inschrift lesen konnte: „Sim šal Gamse smertit, Al Bog je djal, Toja smert more bit. Jest Andre Komac, Prosite Boga za mojo Verno dušo Amen!“ w3cf) ging Gemsen zu jagen. Aber Gott sagte: Es könnte dein Tod sein. Ich Andre Komac — Betet zu Gott für meine gläubige Seele — Ameni" * Nun muß ich mich mit dem Bogatin beschäftigen, der int engsten Zusammenhang mit der eben besprochenen Zlatorogsage steht. Ich erinnere mich, daß ich in früheren Zeiten Aufsätze darüber gelesen habe. Heute habe ich sie nicht mehr vor Augen. Ich staune aber, daß die Schriftsteller und die Gelehrten sich damit so wenig beschäftigt haben. Ich habe mich mit dem Gegenstände schon vor dem großen Kriege befaßt, wie mit all demjenigen, das auf den Bogatin Bezug haben konnte. Manchmal war ich hinaufgestiegen, um mir die Dinge von der Nähe anzusehen. Aus der lebendigen Überlieferung des Volkes hatte ich das wenige geschöpft, das noch verblieben war. Der Krieg ist meiner Arbeit in den Arm gefallen. Als der Friede wiederkam, kehrte ich zu dem Gegenstände zurück. Aber nur weniges gelang es mir zu erfahren. Meine Zeit erlaubt es mir nicht mehr, auf Suche nach alten Leuten zu wandern, die sich vielleicht noch an etwas erinnern. Viele derjenigen, die für mich Neues wußten, sind gestorben. Die eilende Zeit wird nur zu schnell noch andere wichtige Sachen unserer Väter begraben. Die neue Welt von heute lebt sehr schnell. * Der Berg Bogatin stand an der früheren Grenze des alten Küstenlandes. Er gehört zu einer langen Bergkette, welche bei Škofja Loka (Bischoflack) beginnt. Es haben Teil daran der Rakitovec oberhalb Sorica, die MoLica, der Cent« perst und die wocheinerberge bis zum Bogatin. Die Kette setzt sich weiter fort mit der LanLevica von Soöa, der Velika Vrata, der Trentaner-Lopa (Lepa Špic«), dem Vr8ac, dem Kanjavec, dem Triglav. Nach dem Triglav ist dann noch der Zug Kredarica-Rjavina ecc., bis dieser bei Radovna oder bei Mojstrana und unten an der Save endet. Von der MoLica bis zum Triglav erstreckt sich die heutige Italo-Jugoslavische Grenze. Auf den Bogatin führen viele Wege. Der leichteste ist jener, welcher vom Wocheiner-See oder vom Falle der Savica ausgeht. Der Steig erhebt sich bis zur Alpe GovnjaL (4 Stunden) und führt weiter. Den Berg sieht man schon von der Fahrstraße, die von wocheiner-Feistritz zum See führt. Er hat zwei Spitzen, man nennt darum die höhere davon den Veliki (den Großen), die niedrigere den Mali (den Kleinen) Bogatin. Der längere weg führt also: vom Falle der Savica geht man über die Komarea-Wand und nahe am Črno Jezero, bent siebenten, dem „Schwarzsee" der Sieben Seen des Triglav, vorbei. Von hier über die Alpe „Na Kraju". Es sind auch zwei Varianten, und zwar über die Alpe Lepoöe und über Na Kraju, indem man von der Sieben-Seen-Hütte ausgeht (4 Stunden). Von der görzischen Seite kann man den weg wählen, welcher von Tolmein über polog und die Alpe DobrenjZca führt (6 Stunden). Auch von dieser Seite hat man einen schönen Anblick des Großen Bogatin, der auch Muhavseek genannt wird, und man sieht ihn gut von Santa Lucia am Isonzo und von der Straße, die von dieser Ortschaft nach Tolmein führt. In pölog kann man den weg ändern; man geht entweder geradeaus auf den Berg, oder bis zum Ursprung der Tolminka, von hier über prehodce, das die Wirten prehodnica nennen. Man braucht dazu sieben Stunden, wenn man mäßigen Schrittes ansteigt. Vom Kern kann man zum Kern-See absteigen, von dort gelangt man über Duplje, schon über dem Tale der SoLa, zum wocheinersteig (4 Stunden). Geht man von Flitsch (plezzo) aus, so steigt man durch das Lepenjatal auf, kommt nach der Alpe Duplje und geht dann weiter auf dem Steige, der vom Kern zum Bogatin führt. Von Soea (Sonzia) benötigt man 6 Stunden. Der Kleine Bogatin hat die Höhe von J977 m. Der Große oder der Muhavsöek dagegen die von roog m. Die beiden Spitzen sind durch einen Grat verbunden, mit einer kleinen Einsattelung in der Mitte. Von der einen Spitze zur anderen braucht man eine schwache halbe Stunde. Der Bogatin erhebt sich nicht stark über dem Hochplateau der Region der Sieben Seen. Den schönsten Anblick des Berges hat man von der Alpe XXa Kraju und von der zerfallenden Kriegsstraße, die auf den Nordsattel des Bogatin (167s m) führt, von dem man auf den Kern oder nach Lepena gehen kann. Bei unseren Wirten lautet dieser Name Lepenje, der Lepejne ausgesprochen wird. Man erkennt den Berg sofort. Der Teil des Gstgrates, der von der Spitze nicht weit entfernt liegt, ist abgegraben und macht, von weitem gesehen, den Eindruck einer Grotte. Unterhalb derselben ist ein Schutthang, der bis in das Tal hinabreicht: eine Arbeit von Iahr-hunderten, dieser Schutthang! Die Goldsucher, welche die Grotte herausarbeiteten, haben diesen Schutt aus dem Kerzen des Berges herausgefördert. Bevor wir uns mit dieser Grotte und mit den Goldsuchern des näheren beschäftigen, wird es angezeigt sein, noch anderes über die Zlatorogsage zu hören. Man könnte uns fragen, woher diese fabelhafte Sage stammt; Die Erzählung hat ihre heutige Form zu Zeiten der Einwanderung des Volkes angenommen, das dann in diesen Tälern verblieb. Deren Kern dagegen wurde von diesem Volke aus den fernen asiatisch-europäischen Regionen herangebracht. Dies beweist auch die Ähnlichkeit unserer Sage mit der Mythologie gewisser alter, sei es asiatischer, sei es europäischer Völker. Ich möchte daran erinnern, was einer unserer Historiker, Simon Rutar, in dieser Sache geschrieben hat:°° „Nach Baumbach öffnen die goldenen Krickel des Zlatorog die Schätze des Bogatin. Die Bewohner des wocheinertales dagegen behaupten, die Pforte zum Horte im Bogatin öffne sich der »Wunderblume^, der,RoLa mogota*. Die Blume blühe sehr hoch oben, unterhalb der Spitze des Triglav. Auch Baumbach kennt die Wunderblume des Triglav, die rote Triglavrose, er sagt aber, sie wachse dort, wo ein Schweißtropfen des verwundeten Zlatorog hingefallen sei. Diese Blume heile den Zlatorog int Augenblick, da er sie genieße. Es ist sehr schwierig, bis zum Hort im Bogatin vorzudringen. Man könne die Pforte mit Hilfe der ,RoLa mogota« öffnen, und — kaum geöffnet — stehe man vor einem entsetzlichen Abgrund, über welchen eine steile und schwindelige Brücke führt. Diese Brücke ist mit »Linavend« der Mythologie des Iran zu vergleichen. Jenseits der Brücke ist ein ungeheurer Zauberschrein, der den Hort bewahrt. Er ist umwunden von einer abschreckenden Schlange mit drei Köpfen, die eifersüchtig den Schatz bewacht. Derjenige, dem es gelingt, dem Ungetüm den mittleren Kopf abzuschlagen, gewinnt den ganzen Schatz. Aber dieser Glückliche darf sich nur so viel davon nehmen, als ihm unbedingt notwendig ist. wer mehr nehmen wollte, der würde im gewaltigen Abgrunde zu Grunde gehen. Das Gewicht des Goldes würde ihn mit schwerem Schwindel hinabreißen. 236 3m Bogatin sieht man tatsächlich eine Grotte, ähnlich einer Kirche mit gewölbter Decke. Man weiß, daß Landstreicher sich häufig auf die Goldsuche verlegten, aber niemand kann sagen, ob sie es auch gefunden haben. Man sagt jedoch, die Goldgrotte sei verschüttet worden. Vor langer Zeit hat ein Einsturz des Deckengewölbes den Guell des Reichtums vernichtet. Vielleicht hat man in Römerszeiten tatsächlich nach Golderz gegraben. So tat man in den Bergen Tirols und in jenen des Salzburgischen. feilte noch wird im Hohen Rauris danach gegraben. Die ,Kranjska Obrtna Družba6, eine Krainische Gewerbs-Gesell-schaft, hält das Privilegium der Nachsuche nach dem Golde im Bogatin und gestattet niemandem, in jener Zone Nachforschungen zu machen. Man sagt, daß die Flitscher sich um dieses Verbot nicht kümmern, und daß sie trotz desselben im Bogatin graben." Soweit Simon Rutar. Die alten Slovenen haben in der Gruppe des Triglav ein überaus günstiges Feld gefunden, um die Sagen ihrem Volksvermögen einzuverleiben, die Sagen, die sich auf diese Berge beziehen. Der Triglav hat sie in einer ganz wunderbaren weise erfaßt. Darum haben sie dem Berge den Namen ihres Gottes „Triglav" gegeben, des „Allsehenden", der schaut und sieht über die weite Welt. Auf jeden Fall war der Triglav in jenen Zeiten begrünt bis zu zoo oder 400 Meter unter seiner Felsenspitze, oder mindestens viel begrünter, als er heute ist. wenn nicht anders schon wegen der vielen Bäume, die dort wuchsen. In ihrer lebhaften Phantasie haben sie einen schönen Garten hinauf versetzt. Noch heutzutage heißt jene Stelle „Zelenica“ — nach dem slovenischen Ausdruck zelen für grün —, wenn auch dort oben nichts wächst, denn man findet nur Fels und Schutt. Die weißen Nebel erscheinen tagtäglich oben auf den Graten. Gft sind sie von schlanken und reizvollen Formen. Sie steigen auf gegen die Spitze und umfangen sie. Dann ergießen sie sich da- und dorthin über die Höhen. Die jungfräuliche Phantasie des Volkes übertrug diese Visionen auf Erscheinungen der Weißen Frauen, der „Rojenice" — Feen, die bei den Geburten halfen — und der „Sojenice" — Feen, die über die Menschen richteten. Vereinzelte Lager oder Streifen von Schnee wurden für sie zu Rudeln weißer Gemsen. Die goldenen Krickel waren nichts anderes als das Feuer der Blitze oder anderer elektrischer Erscheinungen. während ihrer Jagdzüge auf das wild erlebten sie seltsame Dinge. Diese konnten für sie nichts anderes sein als Einwirkungen von Fabel- wesen oder besser ihrer den Menschen Einstigen oder feindlichen Macht. Sie begegneten Lawinen von Schutt und von Schnee und fürchterlichen Stürmen, die alles vernichteten. Dies alles war Werk des Zlatorog, der fein hohes Reich gegen die schwachen Söhne der Täler verteidigt. Unsere alten Vorfahren hatten einen großen Schrecken vor den Bergen. Sie erstiegen sie nicht. Sie beugten sich vor den Geheimnissen der Götter und der Halbgötter, die auf den Höhen herrschten, und fürchteten sie. So ist es klar, daß diese Höhen für sie viele Jahrhunderte hindurch lebendiges Reich der Feen blieben — ein Reich, das in ihrer Einbildung also lebte. Interessant ist das Urteil des Dr. Kugy über diesen Aberglauben. Derjenige, der den direkten weg Kugys von der Trenta auf die Spitze des Triglav über die westflanke kennt, der weiß, daß dieser keine großen Schierigkeiten entgegenstellt. Dr. Kugy hatte sich entschlossen, diesen neuen weg zu eröffnen, nachdem 18S1 die Baumbachhütte im Trentatale erbaut worden war. Er schreibt: „Die Trentaner hielten es für unmöglich. Niemand hatte sich noch „an den letzten Gipfelaufbau von dieser Seite gewagt. Es lag wie ein „Bann über dem Berge. Furcht vor technischen Schwierigkeiten kann „es nicht gewesen sein. Solche sind auch in Wirklichkeit für die herr-„lichen Kletterer der Trenta dort nie vorhanden gewesen, war es ein „Rest aus uralter heidnischer Zeit überkommener abergläubischer Scheu, „der sie abhielt, am übermächtig ragenden, heiligen Götterthron des „Triglav zu rühren; Andreas zögerte. Aber als wir am Glückestage „des 8. August 188) angriffen, setzte er seine ganze Kraft ein, und das „Unternehmen gelang viel rascher und leichter, als wir es gedacht „hatten. Ich war selig und stolz. Der ,Kugyweg' hat meinen Namen „an die große Westfront des Triglav geschrieben!"^ Die seltenen Verwegenen bezahlten ihren übertriebenen Mut mit dem Leben. Auch heutzutage geschieht es so. Das Volk hingegen er-blickte in solchen Unglücksfällen gleichsam wie eine Rache der lebendigen Wesen der Berge: des Zlatorog, der Weißen Frauen, des Grünen Jägers und so weiter. Die wenigen Mutigen, die von derartigen Unternehmungen mit heilem Kopfe zurückkehrten, erzählten eindrucksvolle Dinge. Sie sprachen von Schrecknissen und von Ereignissen, welche ihre aufgeregte Phantasie geboren hatte. De« Zuhörern standen die Haare zu Berge, wenn sie solches hörten. Die Angst vor den Bergen und vor ihren Tücken, welche wir Bergsteiger einer neuen Ära nicht kennen, war für unsere Vorfahren eine ganz andere Sache. Sie war verursacht von den dämonischen Mächten, die es für sie überall gab: auf den Bergen, in den Tälern und in den Lüften. * Nun muß noch die Geschichte des Bogatin erzählt werden. Von den römischen Zeiten haben unsere Vorfahren viele Spuren gefunden. Die Römer suchten das Erz nicht nur in den wocheiner-tälern, sondern auch in den Hochkaren des Tolmeinischen. So werden sie auch den Bogatin in Angriff genommen haben. Als es zu den Zeiten der Völkerwanderungen unseren Vorfahren gelang, bis dorthin einzudringen, fanden sie nur hin und wieder verstreut Menschen vor, die vor ihnen das Land besetzt hielten. Von diesen erfuhren sie viele Dinge. So auch von der Suche nach dem Golde im Bogatin. Darum gaben sie dem Berge den VJamen Bogatin oder Bogateč: „der reiche Mann". Das ist die Meinung des Xutar.52 wie muß es aber im Kerzen des Berges sein; Die Sagen, die man von weither hierher gebracht hatte, wußten sehr bald fruchtbaren Boden zu finden im Gebiete der Sagenwelt. Man änderte nur die Namen. Die Landschaften verblieben. All dies findet in den Schriften des Deschmann und in denen des Rutar vollkommene Übereinstimmung. 3n der Folge werden wir sehen, daß auch die lebendige Stimme des Volkes die Dinge in dem gleichen Sinne malt. Es ist jedenfalls sehr sonderbar, wie das Volk den Zlatorog mit dem Bogatin in Verbindung zu bringen verstand, indem es in dieser weise aus zweien eine einzige Sage zusammenschmiedete. Ich will noch etwas über die Erzsuche im Bogatin sagen. In der Arbeit Simon Rutars „Iz Bohinja čez Komno v Sočo“ habe ich viele Dinge gefunden, die interessant sind, und die im Folgenden beschrieben sein sollen. Die Komna ist sozusagen ein Weideland an dem Wege, der aus der wochein nach Soča führt, und liegt nahe am Bogatin. Im weitesten Sinne der Benennung ist unter diesem Namen das ganze Tal oder das gesamte Hochplateau der Sieben Seen verstanden, bis zum Kanjavee über der Trenta. Die Komna erstreckt sich ausschließlich über krainischen Boden. Trotzdem ließen die Einwohner der Trenta und jene von Soča dort ihre Werden weiden. Andere gingen seltener dort hinauf. Die Wirten von Soča hatten dazu die Weideerlaubnis, sie war ihnen 2Z9 von der „Kranjska Obrtna Družba“, von der Krainischen Gewerbs-gesellschaft, zugestanden worden. Den ganzen Sommer über waren dort oben von zooo bis zu 4000 Stück Vieh. Es waren dazu dreißig Wirten notwendig, die an verschiedenen Stellen des ungeheuren Weidelandes aufgeteilt waren. Später nahm Baron Born aus Sankt Anna bei Držic (Neumarktl) die ganze Komna in Pacht, um dort Gemsen zu hegen. Sein Jagdhaus wurde unterhalb der Alpe Govnjae hingestellt, die sich über dem Wocheiner-See befindet. Von da an weideten die Werden nur mehr seltene Male auf der Komna, wenn sie gerade von der Seite des Flitscherischen her dahin vordrangen. Gegenwärtig befinden sich dort oben vier Kuhalmen, welche den Einwohnern der wochein gehören. Nach der Entdeckung der Erzlager in Idria (in den Jahren M97 und 1505) blühte im Dolmeinischen und im Lande Krain die Suche nach Erz. Die Berge waren voll solcher Sucher. Viele derselben übten dieses Gewerbe aus, weil sie die Arbeit haßten. Sie wollten mit wenig Mühe reich werden. Aber wenn auch der Bogatin schon im Mittelalter als Goldberg bekannt war, so hat sich doch in der Neuzeit die Forschungsarbeit vervielfacht. Man übertreibt nicht, wenn man behauptet, daß vor allem die Italiener und selbst jene von Venedig sich mit großer Liebe dieser Arbeit Hingaben, dies in unseren Bergen und in besonderer weise am Bogatin. Die Historie lehrt uns, daß sich die Venetianer sogar der Erzgruben von Idria bemächtigten. Gar bald waren sie Gegenstand seltsamer Erzählungen, und man sprach davon, daß viele sich mit dem Golde des Bogatin bereicherten. Dies gab Ursache zu Neid und ver-anlaßte die Eingeborenen, sich auch ihrerseits mit diesen Nachforschungen zu befassen. Erft widmeten sich dieser Nachsuche einzelne Einheimische, in der Folge bildeten sich ganze Gruppen, die größtenteils aus den Bewohnern von Karfreit — Laporetto und von Canale im Isonzotale bestanden. Aus mündlichen Überlieferungen, die ich sammeln konnte, kann man schließen, daß auch die einheimischen Goldsucher nicht anders als im Dienste der Fremden standen. Die Bevölkerung jener Ortschaften war überzeugt, daß jene Fremden bestimmte Anhaltspunkte und sogar Skizzen und Planzeichnungen in fänden hatten. Doch ging sie mit ihren Einbildungen noch weiter und dachte, jene Herren seien im Besitze eigener Magnete und noch anderer Hilfswerkzeuge, um eine erleichterte Nachsuche durchführen zu können. Föhn über dem Vratatal Lichtbild von Dr. Mirko Kajzelj, Zagorje ob Savi „Horch, wie der Föhn durchbraust die Nacht, Horch, wie im Wald die Tanne kracht! wehe, wehe dem Unglücksmann, Trifft ihn der Sturin in den Bergen an. Betet, ihr Frauen, betet!" Rudolf s«umb«d> «zlatorog» Und dieser gläubigen Überzeugung waren noch einige in neuester Zeit. Vielleicht befindet sich noch mancher davon unter den alten Grau. Häuptern, der es glaubt. Doch waren von derartigen Gläubigen auch viele unter den Italienern, und dies sogar in den Zeiten unserer eigenen Jugend. Man kann sich in anderer weise ihre Nachforschungen nicht erklären. Es sei nebenbei bemerkt, daß diese Suchunternehmer sich gegenüber den grabenden Erdarbeitern zu schützen verstanden. Sie sagten, daß sie von der Ferne, von Venedig aus, all das sehen, was die Arbeiter treiben, und daß sie Ln keinerlei weise betrogen werden können. * wie war und wie ist heutzutage die Grotte des Bogatin? Im Jahre 1899 schrieb Simon Rutar, sie erinnere an eine gewölbte Kirche. Das erste Mal sah ich sie im Jahre ioi r. Ich ging hinauf in Begleitung meines Freundes Nace Zaplotnik, Katecheten in Ljubljana, wir gingen vom Wocheiner-See aus. Die Wölbung war ungefähr ro Meter hoch. Der vordere Teil der Decke war vor vielen Jahren eingestürzt. Die Länge und die Breite waren ungefähr gleich, beiläufig b Meter. Man gelangt in die Grotte ent-weder von der zentralen Vorderseite aus, von wo das Material entfernt wurde, das allgemach aus der Grotte herausgefördert worden war, oder von einer Seite durch einen Spalt zwischen zwei wänden. Man kann beobachten, daß unterhalb des Spaltes während des Krieges noch ein anderer Zugang geöffnet worden war. Er muß dem Militär zu Kriegszwecken gedient haben. Im Hintergründe der Grotte, zur linken Seite, befand sich )9)2 ein Schacht, der nicht breiter war als einen Meter. Dieser Schacht war mit Holzbrettern ausgekleidet, so daß er einer senkrechten Stiege ähnelte. Das Holz war gänzlich vermorscht, und wir wagten es damals nicht, in den Schacht einzusteigen, wir nahmen dann wahr, daß er ausgefüllt war, denn wir konnten mit unseren Bergstöcken den Grund berühren. Seit der Vorderteil der Höhlung einstürzte, ist sie fast vollständig offen. Dies ist der Grund, daß in der Grotte viel Schnee sich ansammelt, der bis gegen Ende August verbleibt. Im August 1913 fand ich in der Grotte einen Kaufen Schnee von drei Meter Höhe. In der Annahme, daß es nicht gewagt sei, diesen Schnee zu betreten, zögerte ich nicht einen Augenblick, daran emporzusteigen. Erst später bemerkte ich den begangenen Fehler, als ich mich gegen das 241 J6 S11 g y, Triglav. Innere vorbeugte und wahrnahm, daß unter mir der Schnee schon weggeschmolzen war. Ich danke dem lieben Gott, daß nichts Schweres vorgefallen ist. Am Eingang zur Höhlung fand ich einige Baumstrünke von der Länge eines Meters. Nicht weit von dort, auf einer ebenen Stelle, war ein steinerner Herd mit etwas Hol; und mit ein wenig Kohle zurückgeblieben. Ein Beweis, daß noch in diesem Jahr die Goldsucher oben gewesen sein mußten. Ich weiß nicht, ob sie später wiedergekommen sind. Spuren haben sie in keinerlei weise zurückgelaffen. Ich füge noch hinzu, daß auf der Westseite des Bogatin, gerade unterhalb der Spitze, noch eine andere Grotte sich befindet. Sie ist fast rund. Der Eingang ist schmal. Er wird einen Meter im Durchmesser haben. Unmittelbar hinter dem Eingang verbreitert sich die Grotte und senkt sich einige Meter fast senkrecht hinab, verliert sich dann in einer oder in mehreren seitlichen Höhlungen. Daran erinnere ich mich. Ich weiß nicht, ob sie später erforscht worden ist. * Nun wollen wir andere Zeugen hören. Im Jahre )gjz antwortete Anton Kutin, der zu jener Zeit Lehrer an einer Vorbereitungsschule in Tolmein war, auf einen Brief von mir: „Im Jahre 188z wurde eine Art Gesellschaft gegründet, deren Zweck die Nachforschung nach den Schätzen int Bogatin war. An der Gesellschaft nahmen teil die Karfreiter, ein gewisser 6uk aus Lanale, einige Leute von 6adrg (Liadra) und einige aus der Gegend von Brginj (Bergogna). Die Grabungsarbeiten waren in der weise organisiert, daß nach je einer Woche die eine Ortschaft der anderen folgte. So ging es eine gute Zeit weiter. Sie gruben einen Stollen von 60 Meter aus. während dieser Versuche kamen Holzreste an das Tageslicht, die von den Venetianern dort zurückgelaffen worden waren. So gelangten sie an den Rand eines Schachtes, in welchen sich drei Arbeiter angeseilt hinabließen. Der Grund war schlammig von dem Kalkstein, der sich in dem dort lagernden Wasser gelöst hatte. Man sank tief ein. Es war ihnen unmöglich weiterzumachen, und so endete die Nachsuche. — Dies alles erfuhr ich vom Wachtmeister pavlieek, der damals in Pension war und seinerzeit in Tolmein gedient hatte. Die Bezirkshauptmannschaft hat diese Nachsuchen niemals verboten, wenn dieselben auch niemals behördlich gestattet worden waren. Ich erwähne noch, daß im Bogatin und in seiner nächsten VUfyt ein schwefelhaltiges Mineral gefunden wird, welches, in gewissen Vorkommnissen vorgelegt, das einfache Volk veranlassen kann anzunehmen, daß es sich um Gold handle. Man vergleiche dazu die Schrift des Erjavec: -Nicht alles, was glänzt, ist Gold!-" Dm Jahre 1913 bat ich Anton BreLan, mir dasjenige zu sagen, was er vom Bogatin wußte. Dieser Mann wohnte zu seiner Zeit in polog, das unter dem Großen Bogatin liegt, dem sogenannten Muhavscek. An seinem Hause zogen fast alle die Goldsucher vorbei. So hatte er die Möglichkeit, sie kennen zu lernen. Manchmal ging er mit ihnen. Als ich ihn 1926 nochmals befragte, konnte er mir trotz seiner $0 Jahre vollinhaltlich das wiederholen, was ich vor dreizehn Jahren von ihm erfahren hatte. Er sagte mir, vor 200 oder 300 Jahren seien die Italiener als die Ersten auf die Schatzsuche gekommen. Sie hoben einen breiten und tiefen Schacht aus; man rechnete von 7° Metern. wie wurde das Gold gefunden; In meiner Jugend vernahm ich Folgendes: „Ein Sakristan versteckt ein paar Augengläser unter dem Teppich des Altars, dort, wo der geistliche Herr, der die erste heilige Messe liest, den Kelch hinftellt. Mit diesen Augengläsern kann man durch die Erde blicken. So findet man das Gold. Es gab in alten Zeiten einen Mailänder, der sich derartige Brillen verschaffen konnte. Von da an begannen die Italiener, im Bogatin zu graben, und Gott weiß wo noch in der Welt. Ein Mann aus Ladra, vulgo -Soldat v Logu1, ging auf den Bogatin, verlaufene Schafe zu suchen. Es sind seither drei Generationen vorübergegangen. Er hatte erst )8 Jahre. An diesem Tage fand er die Grotte. Er sagte zu niemandem etwas. Am Tage darauf kam er mit einer Laterne auf den Berg zurück und stieg in den Schacht ein. Er fand darinnen eine gewisse Ware, die man um so Gulden das Pfund verkaufte. Es handelte sich um eine bläuliche Erdart, die mit Gold vermischt war. Innerhalb fünf Jahren ward er der reichste Bauer in der Pfarre von Libusnje. Es endete damit, daß die Laterne zerbrach, die er dann an Ort und Stelle zurückließ. Nachher kamen die Italiener und fanden die Laterne. Die dachten: -was haben wir ausgegeben, um die Grotte herzustellen — und nun kommen andere und tragen den Schatz fort!1 Mit Hilfe jener Laterne begannen auch sie jene Erdart herauszufördern, bis sie genug hatten; dann gaben sie den Stützbalken Feuer. Dies hatte den Einsturz zur Folge. Viele Leute nahmen in der Folge die Grabarbeit wieder auf, es befanden sich darunter solche aus der wochein und noch andere. Aber gar bald wurden alle ihrer wieder überdrüssig. Und wie wird es im Grunde der Grotte fein; Der Hauptschacht ist dreieckig und zwölf doppelte Armlängen tief. Er bildet den rückwärtigen Teil der Grotte. Vom Eingang bis zu diesem Schacht sind es dann acht doppelte Armlängen. 3m Grunde ist waffer. Ein Brückchen von der Länge eines halben Meters führt darüber. 3m waffer schwimmt eine Schlange. Sie sticht nicht. Andere vier doppelte Armlängen tiefer gelangt man zum Schlamm (Gold). 3n der Folge verliefen die Dinge also: Ein Jüngling von Lanale, Matija Karneli war unter den Waffen Sanitätssoldat im Militär-Hospital zu Venedig. Es sind schon verschiedene Jahrzehnte vergangen, seit er verstorben ist. Unter anderen pflegte er einen Kranken aus der Gegend von Lividale. Für seine großen Bemühungen erhielt er vom Sterbenden einen Brief. 3n diesem war vom Bogatin geschrieben. ,3ch könnte reich werden und mit dir alle 3nsaffen der Gemeinde*, so sagte er zu ihm. Als er nach sieben Jahren Militärdienst nach Lanale zurückkehrte, ging er häufig auf den Bogatin. Er nahm noch andere Leute mit sich. Er führte Proviant für eine Woche mit, aber bevor er das Ziel erreicht hatte, verblieb von diesem Proviant nur mehr die Hälfte, wenn das Effen zu mangeln begann, mußte man sich an die Almen der wochein wenden. Regnete oder schneite es stark, so mußten sie vor der festgesetzten Zeit in das Dal zurückkehren. 3m Bogatin schafften sie Steine und Schutt von dem einen Winkel in den anderen, und sie gruben einen Schacht in die Tiefe. Die Leute, die hinaufgingen, zehrten ihr ganzes Vermögen auf und wurden schließlich der Nachforschungen müde. Auch ein Triestiner hatte einen Brief über den Bogatin. Dieser war, wie es scheint, seiner Zeit Kanzleibeamter in Lanale. Dort besaß er auch Grundstücke und ein Haus. Er hatte als Verwalter einen Mann aus Resia, wie es scheint Stephan mit Namen. 3m Briefe jenes 3talieners stand geschrieben, daß im Grunde der Grotte waffer steht. Über dieses waffer führt eine Brücke aus Lärchenholz. 3m waffer schwimmt eine Schlange, die nicht schädlich ist, die aber alle fürchten. Das Brett ist einen Schritt lang. Jenseits liegt die kostbare Ware. Jener Triesterherr sandte zu den Grabungen seinen eigenen Verwalter. Dieser mußte den Aufstieg jeden Montag wiederholen, und dies sechs Jahre hindurch. Er ging nicht allein. Er nahm andere 2 oder 3 Männer aus Lanale mit sich, und auch 5 und selbst )2 und 15. 3n pölog pflegten sie zu rasten. Sie kauften Milch, ließen sich eine Polenta kochen und nahmen den weg über die Alpe Dobrenjšce. Aus der Spitze verblieben sie, so lange die EßVorräte ausreichten, wenn diese plötzlich ausgingen, mußten sie sich an die Sennhütten der wochein wenden, um weitere zu erhalten. Selten hatten sie gutes Wetter. Gegen Allerseelen jenes Jahres kamen zum polögar zwei Flitscher, um sich zwei picken und zwei Schaufeln auszuleihen. Der polögar wollte ihnen nichts herleihen, und so mußten die beiden nach 'Zause zurückkehren. Sie wollten über Lepöna gehen, aber in Folge des dichten Nebels verloren sie sich. Ihre Genossen haben sie zwei Tage lang gesucht, ehe sie sie fanden. Seltsam ist jedenfalls die Art und weife, wie der Herr aus Triest zur Kenntnis der Dinge kam, wie sie auf dem Bogatin sich abspielten. Er schläferte ein Kind auf fünf Minuten ein. Nach Ablauf von vier Minuten mußte es geweckt werden, sonst konnte es sterben, und seine Seele wäre verloren gewesen. Dieses Kind sah alles, was die Arbeiter trieben. Eines Tages sah das Kind, daß ein Arbeiter vom Erdreich verschüttet wurde, und daß er fast sein Leben verloren hätte. Nachdem es wach geworden, sagte es, die Arbeiter würden nicht weiter arbeiten wollen. Der 'Zerr teilte sofort dem eigenen Verwalter mit, daß kein Grund zu Angst vorhanden sei. Mit dieser Botschaft wurde ein Mann auf den Bogatin geschickt. Vor dem Aufstieg auf den Berg hielt sich dieser beim polögar auf, der ihm von dem Unfall zu erzählen wußte. In diesem Augenblick sah man die Arbeiter zu Tale absteigen. Sie trugen den Verwundeten auf ihren Schultern. Dieser war ein gewisser Jane; Pavšič aus Lom, der sich später in Görz als Ledergerber niederließ. Sie ließen ihn beim polögar, der ihn zehn Tage lang pflegte. Dies geschah im Jahre )$6z. Nach dieser Zeit machte man weitere Nachforschungen, doch wurde nichts gefunden. Vor 60 Jahren kamen zum polögar zwei Männer von Anhovo. Sie luden den Bauer ein, mit ihnen zu gehen. Sie nahmen drei Seile und einige Stöcke mit. Damals konnte man in die Grotte bloß von der zentralen Seite her eintreten. Im Inneren lagen noch keine Felsftücke. Das im Schacht des Hintergrundes verspreizte Holz war vermorscht. Der Schacht war von den Leuten aus der wochein schon lange Zeit vorher ausgehoben worden. Man ließ eine Laterne hinab, die man an dem einen Ende eines Seiles von i r doppelten Armlängen befestigt hatte, welche Enttäuschung! Im Grunde lag nichts anderes als ein Kaufen von Schutt. wer besitzt jetzt jenen Brief; Man sagte, es müsse ihn jener Stephan besitzen, der in Lanale wohnte. Vor 15 Jahren trieb sich dieser Mann mit einem Landsmann in der Gegend von Krainburg herum. Er hatte schlimme Stunden durchzumachen!" Ich hatte den lebhaften Wunsch, jenen Brief zu lesen. Im Jahre 1913 sagte ich zum pologar, ihn mir zu verschaffen, wenn nötig auch gegen Entgelt. Tatsächlich ging polügar nach Lanale. Stephan war schon verstorben. Er erfuhr, der Brief sei einem alten Gnkel des Verstorbenen verblieben, der in Gorenje polje, nahe an Lanale, wohnte. Der polügar ging ihn besuchen und ersuchte ihn, den Brief vorzuzeigen. Der wollte ihn ihm nicht geben. Er behauptete, daß sogar der Bezirksrichter von Lanale sein Recht anerkenne. „Ausschließlich Sie sind der Herr der Grotte, weil Sie in der Unternehmung schon hundert Gulden ausgegeben haben. Gehen Sie nach Lolmein und lassen Sie sich von der Bezirkshauptmannschaft die Erlaubnis zu den Nachforschungen geben." Dies habe ihm der Bezirksrichter gesagt. Und der Alte fügte hinzu: „Diese Rechte und den Brief trete ich an niemanden ab. Ich bin in Verbindung mit den Karfreitern. wir sind zu acht, wir allein werden auf den Bogatin graben gehen!" Dieser Mann starb wahrscheinlich während des Krieges. Ich frug den polügar, ob er mir etwas über den Zlatorog zu sagen wisse. „Als ich klein war, hörte ich von den alten Holzknechten erzählen, daß sich in der Nähe von Maria Zell ab und zu ein Gemsbock mit goldenen Krickeln blicken ließ. Es ist möglich, daß ich noch anderes gehört habe, aber — wer kann das alles in der Erinnerung behalten;" Es ereignete sich, daß in unserem Lale ein Fremder auftauchte. Dieser trug „Brillen, mit denen man durch die Erde blickte". Der erzählte: „In Ljubinj (Lubino), nahe bei Lolmein, beginnen Felsenberge, die sich bei Karfreit verlieren. In diesen findet man allenthalben drei Gattungen von Silber und von Gold." Dieser Fremde war ein Priester. Er kam aus dem Kärntnerischen und sammelte auf den Alpen Gräser und Steine und machte sich Auszeichnungen über das Land. Er sagte,, auf dem Merzli Vrh finde sich, rings um die Spitze, aber sehr tief unter der Erde, Gold in der Dicke eines Balkens und auch ebensoviel Silber. Auch diese Dinge konnte jener sehen, der „jene berühmten Brillen" trug. Mitten an dem Wege, der von Lolmein nach pölog führt, begannen sie — es sind schon zo Jahre her —, nach Silber zu graben. Aus einem Meterzentner des herausgegrabenen Materials konnte man Silber in einem werte von vier Kronen erhalten. Der Unternehmer bezahlte als Arbeitslohn für einen Lag zwei Gulden. Er beschäftigte vier Arbeiter. Die Arbeit wurde eine Woche lang fortgesetzt, dann aufgegeben. Offenbar konvenierte sie nicht. Im Lrentatale wurde, dank jenen „gewissen Brillen", Eisenerz gefunden. Zu jenen Zeiten gab es in Lrenta nur sieben Däuser. In einem jener Däuser, gerade unter dem Ursprung des Isonzo, hatte die Behörde eine Fabrik falscher Münzen entdeckt. Die drei Brüder, vulgo Sila, die das Haus bewohnten, wurden zweimal eingezogen, aber beide Male wieder freigelassen. Doch als sie ein drittes Mal eingesperrt wurden, kamen sie nicht mehr in die Lrenta zurück. Sie wurden nach Wien überführt. Im staatlichen Münzamt mußten sie für das bloße Essen arbeiten. Und noch etwas. Ein Bauer aus Zalaz, nahe bei Lolmein, sammelte leuchtendes Felsgestein, schwefelhaltiges Mineral, das er behufs Verkaufes nach Karfreit brachte. Die Leute verspotteten ihn. Um die Erzählung von den Goldsuchern zu beenden, bringe ich hier einen Brief, den mir ein *&trz aus Karfreit gesandt hat. „Sie sagen, daß Soldat aus Ladra es gewesen sei, der mit den Nachforschungen begann. Auf der Suche nach versprengten Schafen bemerkte er, wie von einem Felsen Gold herabträufelte. Das Gerede davon verbreitete sich, und eine Anzahl von Personen — Lone und Matija Sesevc, Franz vom Hause Koronin, Matija vom 'Zause Kanavc aus Karfreit, Klinc aus Idersko und andere — begann mit der Nachsuche. Regelmäßig wählten sie zu diesem Zwecke den Monat August. Sie blieben auf dem Berge, so lange ihre Eßvorräte reichten, wenn sie erfuhren, daß jemand auf den Bogatin gehe, um zu graben, so lauerten sie auf der Socabrücke auf seine Rückkehr, um ihm das Material wegzunehmen, das er mit sich trug. Dazu gaben sie ihm auch ,eine gute Lektion*. Die Leute verspotteten sie. Darum gingen Aufbruch und Rückkehr ohne besondere Zeremonien vor sich. Aber wenn irgend jemand im Wirtshaus einen von diesen zu fragen begann: ,Hast du etwas gebracht;*, dann ging der Leufel los. Alljährlich kamen sie mit glänzenden Splittern zurück, welche sie zu den Juwelieren von Udine brachten. Diese verhöhnten sie, indem sie sie ermutigten, fleißig mit den Grabungen fortzufahren. Sie sagten ihnen, Spuren von Gold seien schon dabei, doch müßten sie tiefer graben, wo sie größere Stücke finden werden. So kamen sie voll Begeisterung in ihre Felsen zurück. Sie verarmten, und dies hatte das Ende der Nachforschungen zur Folge. Viele von ihnen waren früher wohlhabende Bauern gewesen, aber sie scheuten sich nicht, gerade zu der Zeit auf den Bogatin zu gehen, da sie mit Arbeit überbürdet waren. Diejenigen, welche in der wärmeren Saison in das Ausland gingen, um sich dort ein paar Kreuzer zu verdienen, waren imstande, schon im halben Sommer in die Heimat zurückzukehren. In dieser weise gingen sie zu Grunde." * So schließt in Stille deine Geschichte, geliebter Bogatin. In unseren Kerzen bleibt Bitterkeit zurück. Die Eitelkeit der Menschen hat dich alles Fabelschmuckes entkleidet und hat dir sozusagen die Seele erdrosselt, wir aber wollen dich zum Abschied grüßen mit höchster Ehrfurcht und mit offenem Kerzen, wir wollen unserem Abschied jenen Geist aufprägen, in welchem unsere fernen Vorfahren gewohnt waren, dich zu grüßen. Aus versunkenen Zeiten sehen wir diese Vorfahren erstehen, wie die MorgeNsonne, die im Schoße der rosigen Aurora erzittert, erheben sie sich in all ihrer berauschenden Schönheit und Reinheit. Die Strahlen der Sonne fluten durch das Dämmerlicht des Morgens über die weißen, ragenden Gipfel. Das erste Licht gleitet so zärtlich über diese blendende Herrlichkeit wie der Blick einer Mutter, der das Haupt des eigenen Kindes streichelt. Und der feurige Kuß weckt sie. Der zärtliche Blick gleitet rasch hinab, hinab. Und auf allen hohen Gipfeln, auf allen grünen Gängen, in ungezählten farbigen Blumen, allüberall in der Natur, auf den Höhen wie im Tale, regt sich ein neues Leben. Aus diesem heimlichen Leben erhebt sich ein geheimnisvoller Gesang und dringt überall hin. Nur das Her; kann ihn empfinden und hören. Dieser Sang ähnelt dem zarten Lächeln eines Kindes. Es ist der Sang der weißen Höhen und der jungbeschwingt wehenden Lüfte, die in Tau gebadet scheinen. Es ist der Sang der duftenden Blumen und der Vögel, die leicht sind wie ein Windeshauch. Es ist der Sang der finsteren Wälder, der in vielfältige Farbenpracht ge- Zadnicastimmung (Trenta) Lichtbild von Dr. peter Michaelis, Müncheberg fm L' y»«F" J-ti»-, % ijdf.» M-» J tauchten Täler, der springenden und rauschenden Wasser und eines jeden Teiles dieser göttlichen Natur. Unser Vorfahre war an die Natur gekettet wie die Sonne. Mit aller Einfachheit seiner Seele liebte er sie tief und aus seinem ganzen Kerzen. Mit aller Kraft seiner Phantasie drang er auf die höchsten Spitzen und versenkte er sich in die tiefsten Abgründe. Auch dort, wo dieses Sichversenken nur einen Traum bedeutete. Er vermochte und verstand es, diese Natur mit Tausenden und Tausenden von Lebewesen zu erfüllen. Er konnte aus den tiefsten Geheimnissen dieser Natur melodische Stimmen mit ihren ewigen Gesängen schöpfen. So war die Natur nicht geizig zu ihm. Sie gab Liebe zurück für alle Zärtlichkeiten und öffnete gerne die Pforten zu ihren eifersüchtig bewachten Geheimnissen. So entstand ein süßer Gesang der Berge, der eine große Geschichte von Heimlichkeiten, von ungeheuren Schätzen erzählt, die begraben sind im Kerzen des verzauberten Bogatin. Und siehe! Unser ferner Vorfahre geht nicht hin, sie auszugraben. Er verwundet nicht mit der metallenen Schaufel die Geheimnisse des Berges. Seine bescheidene Träumerseele wird nicht habgierig nach Gold. Er findet kaum den Mut dahinzuschauen. Ec liebt mehr das Geheimnis selbst als den goldenen Hort. So sehen wir ihn, wie er in den grauen wänden die „RoLa Mogota", die Zauberblume, sucht, wir sehen ihn, wie er ein kleines Splitterchen Goldes von den Krickeln des Zlatorog sucht, um sich den weg zur Schatzkammer im Bogatin bahnen zu können. Aber auch da findet seine Seele Hindernisse. Es muß der Zlatorog sterben, um seine goldenen Krickel zu erlangen, mit denen der ganze Bogatin sein eigen wird. Aber was für Schwierigkeiten erstehen, den Zlatorog zu töten. Es sind unüberwindliche Schwierigkeiten, wer wird jener Glückliche sein, jener Verwegene; Und es scheint so, als ob unser alter Vorfahre nur in dieser weise zufrieden sein könnte. Er hätte wollen noch gerne weiterträumen — und weiter und weiter, von Jahrhundert zu Jahrhundert. Träumen von den Geheimnissen des Berges, von der Schönheit und der Kraft des Zlatorog, von den Weißen Frauen! O könnte doch Zlatorog noch leben, könnte doch der Bogatin noch unberührt bleiben, könnte die Seele leben und sich freuen des reinsten Traumes.... Aber die Alten entschliefen, und es kamen die Anderen, die Neuen, mit den Kerzen voll von wünschen nach Gold und nach Reichtum. Es kamen die Fremden. Es kamen die Eingeborenen und begannen, den Berg mit den Grabscheiten, mit den Augen und mit den Armen aufzuspalten und zu schänden. Und je mehr sie ihn entweihten, diesen Berg, um so größer wurde die Habsucht, die in ihren Kerzen empor-wuchs. Aus diesen ihren Kerzen wurde ein ganzer Traum verjagt: der Zlatorog und die rote Triglavrose, die Weißen Frauen und die Wächter des Portes im Bogatin. In ihren Kerzen herrschte immer mehr rohe und räuberische Habgier. Es verblieb dort auch die rohe Gier nach Genuß. Und der geschmähte und auf das Tiefste beleidigte Bogatin verschloß seine Schätze noch tiefer — niemand wird sie mehr finden! Die milden Weißen Frauen, Zlatorog und seine weiße Herde verbargen sich, von den Menschen beleidigt, wo mögen sie fein*.... Nur wer ein reines Herz hat und frei ist von Habgier, wer die träume-volle Seele unserer fernen Vorfahren liebt, hört, so sein weg ihn auf den Triglav und in das Hochland der Sieben-Seen führt, wie im Traume den offenbarenden und verheißungsvollen Sang der Geister dieser Berge. Benommen und berauscht lauscht er und sieht so viele verborgene Dinge. Ein widerklang aus fernen Zeiten rührt schüchtern und leise an den silbernen und goldenen Saiten seiner reinen Seele. Nur ein Wunsch ist in ihm: er möchte für immer dort oben verbleiben, um zu lauschen und zu schauen, sich zu freuen, zu freuen.....' 15. Rapitel Die große wand Von Dr. Paul von Raitenegger in Wien A och oben am „Deutschen Pfeiler" kleben drei Menschen an der senkrechten wand, eng an die Felsen gedrückt, ober sich die himmelstürmende Steilung, die „purpurfarbne Tiefe" zu Füßen. Sausend fährt der Kammer nieder auf den stählernen Stift, mit Hellem Klang weckt er das tausendfältige Echo der wände. Eine neue Zeit ist angebrochen, der eiserne Kammer schlägt ihre erste Stunde. Sie haben nicht auf dem Sims gestanden, das die höchsten Zinnen der wand umgürtet, König und Reinl, die Kühnen; den Blick in die Liefe, sie kannten ihn nicht, waren frei vom Gedanken an den 2lbgrund, dessen düsteres Grauen ein Vierteljahrhundert früher dem siegreichen König der Julier wie eine warnende Mahnung erschienen war. Es ist, als sei die Zeit damals — i ssr — für diese wand noch nicht reif gewesen. Nicht am Können hätte es gefehlt, aber den kaum geborenen Gedanken hatte die Liefe wieder verschlungen. So ungeheuer und gewaltig die Lriglavwand auch ist, — an Ausdehnung und wuchtiger Wirkung übertrifft sie wohl selbst ihre klassischen Nebenbuhlerinnen, die watzmann- und die Hochstadlwand — an der Gesamterscheinung des Lriglav gemessen ist sie doch nur ein Detail, wenn auch ein überaus großartiges Detail. Der Beschauer, der den Lriglav zum ersten Mal vom Lalschluß der Vrata erblickt, wird kaum verstehen können, daß man anders denken kann, als Berg und wand sind Eins. Aber der Lriglav ist ja kein Berg, er ist, wie Dr. Kugy sagt, ein Reich, ein großes, gewaltiges, ausgedehntes Reich, eine unabsehbare Folge von Lälern, Kämmen, weiten Hochflächen, Bergflanken, Karen und Felsgraten, denen der majestätisch gewölbte Gipfeldom wie eine zum Fimmel ragende Krone aufgesetzt ist. Nur wer den Lriglav auch von der Höhe der Karawanken, von den wocheiner Bergen, aus der Radmannsdorfer Ebene gesehen hat, wird Zlatorogs wunderreich richtig erfassen. In früheren Kapiteln haben wir gesehen, wie sich der Mensch den Eintritt in dieses Reich Schritt für Schritt erkämpft hat. Die Sage war des Menschen Fuß vorangeeilt und hatte Berg und Lal, Grate und Triften mit geisterhaften Wesen bevölkert, mit gütigen und mit unholden. Noch ganz in ihrem Banne folgte der Mensch dann zaghaft nach. Abenteuerliche Züge waren es, die unsere Altvordern da unter» nahmen, verklärt vom Zauber der blauen Blume Romantik, geheimnisvoll umwittert vom Reiz des Unbekannten, Niegesehenen, erst zu Entdeckenden. „3n deinen Klüften wohnt die graue Sage" — spät geprägte Dichterworte, vorempfunden von den Begnadeten, denen es vergönnt war, als Erste in das Reich der Rojenice einzudringen. Das war das Goldene, war das Silberne Zeitalter: Zuerst aus der wochein, dann aus dem Savetal, zum Schluß aus der Trenta bahnte sich der Eroberer Mensch seinen Pfad aus des Herrschers stolzes Haupt. VTun haben die Hammerschläge am „Deutschen Pfeiler" der Nordwand das Eiserne Zeitalter eingeläutet. Vorbei das schwelgende Genießen der Goldenen Zeit, da das schönheitsdürstende Auge nicht satt werden konnte, sich an der Pracht ringsherum zu ergehen; vorbei auch die Silberne Zeit, die den erwartungsvoll gespannten Entdecker aus allen Richtungen der Windrose aus den luftigen Scheitel führte. Die strenge, ernste Eiserne Zeit ist uns geblieben, geblieben ist uns die strenge, ernste, düstere wand, Nicht blumige Matten noch freundlicher Sonnenglanz erfreuen hier dein Auge, das spähenden Blickes Ausschau halten muß nach dem nächsten sicheren Halt, dem du dein Leben anvertrauen darfst; keine weichen Rasenpolster harren hier deiner, den ermüdeten Gliedern zur Ruhe, die schmale Leiste nur, über turmhohen Abgründen, lädt zu kärglicher Rast. Fühlst du dich ihr nicht wirklich gewachsen, dann meide, o meide diese grimmige, schreckliche wand! Denn sie kennt kein Mitleid, kein Erbarmen mit dem Schwachen. Bist du aber stark und berufen, dann pilgere zu ihr, sie wird dich mit Schätzen der Erinnerung segnen, diese herrliche, gütige wand! Berufen sei aber auch im Geiste. Ein Meister und Dichter der Berge hat gesagt: „Suche nicht das Klettergerüste des Berges, suche seine Seele!" Und nirgends ist dieses Wort wahrer, als hier am Triglav. Vom eitlen Wahn, du seist stärker als der Berg, hast du zwar schon längst gelassen, seit du mit dem Kopf einige Male tüchtig angerannt bist; aber vielleicht hast du noch nicht gelernt, dich den Bergen in Andacht zu nahen; Hier, am Triglav, wirst du es tun! Empfindest du nicht auf Schritt und Tritt wie einen Hauch der alten, traurigen Sage, der Baumbach in seinem Gedicht ewige Gestalt verliehen hat- Zürne nicht den weiten Karen der Komna, der Sieben Seen; die traurigen Wasser, die dort rinnen, sind die Tränen der braunen Spela. Ermatte nicht, wenn du die schier endlose Steilflanke aus der Trenta emporklimmst; denn bald, ja bald bist du ja auf der Stufe unter dem Gipfeldom, dort muß doch der Garten der Rojenice gewesen sein; und sei nicht verzagt in den düsteren Mauern der Nordwand; denn auch der Trentajäger ist dort siegreich zur Höhe gestiegen... wehre deinen Sinn nicht den traurig-heimeligen Bildern der alten Sage, die vor deinem empfänglichen Gemüt erstehen, sie werden es dir tausendfach lohnen, und die gütigen Feen werden dir deine Tage in ihrem Reich in verklärter Erinnerung erscheinen lasten, ganz gleich, ob du es auf leichten Pfaden durchzogen oder dir deinen weg durch die Himmel-stürmenden Plattenfluchten der Nordwand erkämpft hast. wir schreiben jetzt 1937. Ein ganzes Menschenalter ist seit den Tagen vergangen, da sich Dr. Felix König, Ing. Hans Reinl und Karl Domenigg den ersten Durchstieg durch die wand erzwungen haben, war das damals eine schöne Zeit in den Juliern! Überall noch un-erstiegene Flanken, unbetretene Grate, unerforschte Winkel. Noch in den frühen Neunzigern konnte Dr. Kugy darüber Klage führen, daß man ihm — es war nach dem Abtreten Hermann Findeneggs — eine Art Alleinherrschaft einräume und die ganze Arbeit der Erschließung in den Juliern auf ihm lasten laste. Nun, das hatte sich bald nach der Jahrhundertwende schon ein wenig geändert. Noch immer hätte zwar damals, wenn man Kugys wirken in den Juliern in eine, das sämtlicher anderer Pfadfinder in die andere Waagschale gelegt hätte, Kugys Anteil um ein Vielfaches schwerer gewogen. Aber Anfänge waren immerhin da: Hans wödl fand den landschaftlich prachtvollen und überaus anziehenden Nordwestanftieg auf den Jalovec, der unvergessene und unvergeßliche Heinrich pfannl und Theodor Keidel begingen den Grat vom Mangart zum Jalovec, Georg Leuchs und Adolf Schulze durchkletterten die Mangartnordwand, über die Wischbergnordwand gingen die Partien Leuchs und Kugy fast „im toten Rennen", Greenitz und Kaltenbrunner bezwangen den Ostgrat des Prisank, auf den Gerin und Schulze auch von Norden neue Kletterwege fanden, Feldner und waizer überschritten den Grat vom Kanin zum prestrel-jenik und der einsame, nur leider immer zu schweigsame Wanderer Dr. Henrik Tuma hatte damals schon längst begonnen, bei seinen Streifzügen, die ihn vornehmlich auf die Südabdachungen der Julier führten, einen neuen Pfad nach dem anderen zu entdecken und zu begehen; nicht zu vergessen das unermüdliche wirken Professor Gstic-ners, der sich nicht nur unvergängliche literarische Verdienste erworben hat, sondern auch bergsteigerisch voll seinen Mann stellte. Doch waren das alles Touren, die der großen Menge — es gibt auch eine alpine „große Menge", heute mehr denn je — nicht viel sagen konnten, Unternehmungen, die, ohne Epoche zu machen, im Laufe der normalen Weitererschließung der Gebirgsgruppe zu erwarten waren. Aber fetzt war etwas geschehen, was niemand erwartet, niemand auch nur für möglich gehalten hätte: Die Nordwand des Triglav war erstiegen! wie ein Lauffeuer eilte die Kunde von diesem kaum glaublichen Wunder durch das Land. Der Ruf und Ruhm vieler wände wird erst durch ihre erste Ersteigung begründet. Anders hier: Schon Jahrzehnte lang war diese wand weit und breit bekannt. Lag frei dem Blick erschlossen vor den Augen der Hunderte, die Jahr für Jahr in den gewaltigen Talschluß der Vrata kamen, zeigte sich aus allernächster Nähe den Vielen, die bedächtigen Schrittes über den beschwerlichen Pragweg dem Deschmannhaus oder der Kredarica zustrebten. Und mochte auch mancher insgeheim einen Ersteigungsversuch vielleicht erwogen haben, keiner fand den Mut, das flüchtige Spiel der Gedanken zur Tat werden zu lassen. Die Bewohner des Savetales lagen damals noch in einem alpinen Dornröschenschlaf. Sie, die am ehesten Gelegenheit gehabt hätten, das Neuland ihrer heimatlichen Berge zu erkunden, sie, Deutsche wie Slovenen, überließen die Ausschöpfung dieser überreichen Fundgrube zur Gänze anderen; unangefochten herrschte Dr. Kugy mit seinen Trentanern in der Hochregion der Julier, und nur ab und zu fielen Führerlose aus Graz, München oder Wien in sein Revier ein, um sich in keckem Handstreich ein schönes Beutestück aus der Julischen Schatzkammer zu holen. Die Laibacher aber waren nirgends zu finden, als auf markierten wegen, und noch etwa um 190s vernehmen wir von maßgebender alpiner Stelle aus Laibach die Warnung, man solle es nicht den auswärtigen Bergsteigern nachmachen, die nach Art der Selbstmörder in steilen wänden herumkriechen, statt sich hübsch sittsam an den gebahnten Pfad der Tugend zu halten. Erst knapp vor dem Kriege wuchs in Krain eine hoffnungsvolle junge Generation heran, deren Unternehmungsgeist Leben in den verschlafenen Karpfenteich brachte: Joses Klauer, Chlodwig Tschad«, Hermann Rudesch; sie alle leben nicht mehr, nicht der Berg hat sie gefällt... Vorbei... Aber zurück zu unserer wand! 3m ersten Ansturm hatten die kühnen Eindringlinge aus dem Norden einen vollen Erfolg errungen. Unbeschwert von dem herrschenden Glauben an die Unbezwingbarkeit dieser wand waren sie ihrer Aufgabe nahegetreten, und frohes wagen, hervorragendes Können und wohl auch ein kleines Lächeln von Frau Fortunas holdem Antlitz hat sie zum Siege geführt. Aber leicht hatte Kanjauc und Ozebnik über dem Zadnicatal Lichtbild von Dr. Peter Michaelis, Müncheberg ft H a n i i ihnen der Berg diesen Sieg nicht gemacht: Nicht nur die große, dräuende wand mit allen ihren Hindernissen stellte er ihnen entgegen, auch die Streitscharen des Wettergottes rief er zu grimmiger Abwehr zu Hilfe; Regen, Sturm und bitterste Kalte zehrten an den schwindenden Kräften der biwakerschöpften Seilschaft, und die letzten Stunden in der wand müssen schon mehr ein Ringen um Errettung als nur ein Kampf um den Sieg gewesen fein. Diese Tat Königs und Reinls, auf denen bei dieser Tour neben allen sonstigen Mühen auch noch die Sorge um einen damals nicht voll bei Kräften befindlichen Gefährten lastete, wird für alle Zeiten ein Musterbeispiel zielbewußter Willenskraft und bergsteigerischer Tüchtigkeit bleiben. Diese Tat, diese befreiende Tat, hat den Wahn von der Unersteiglichkeit dieser Felsen in das Reich der Fabel verwiesen, hat den Bann, der auf der wand lag, gebrochen und Nachfolgern die Wege gewiesen. Die gestellte Aufgabe war restlos, in klassischer Art gemeistert worden. Auch heute, wo man doch bezüglich Linienführung überaus anspruchsvoll ist, kann der „Deutsche TDeg" — so wird die Route Reinl-König jetzt fast ausschließlich genannt, Slovenen haben das Wort geprägt — in vollen Ehren bestehen. Fast am tiefsten Punkte der wand, ein wenig links der Mitte ihrer Basis, der Einstieg; ohne viel Umwege, nur mit einem kleinen Knick nach rechts im Triglavkar, dem von der Natur gegebenen Fingerzeig folgend, führt der weg am „Deutschen Pfeiler" senkrecht empor, folgt dann vom Pfeilerkopf einem Band ein kurzes Stück nach Westen und gewinnt wenige Meter unter ihrem höchsten Punkt den Ausstieg aus der wand auf das Kugyband. So war der Stier bei den Körnern gepackt worden, das Grundproblem, das diese wand darstellte, war in idealer Art gelöst und die Linie gezogen, um die sich dann mehr oder weniger mittelbar das ganze Wegnetz rankte, mit dem die Nacherschließung diese wand übersponnen hat. Viele neue Wege folgten auf den Königs; einige leichter, die meisten bedeutend schwieriger, geschlungenere Wege und unmittelbarere; sie zählen zum Teil zu den schönsten Kletterfahrten, die man im Kalk überhaupt finden kann, wir werden später noch auf alle zu sprechen kommen. Aber keiner von ihnen will oder kann den weg der Erstersteiger entbehrlich machen, der am Triglav immer die pkordwandroute kat’ exochen bleiben wird. Seine Vorzüge: Er durchmißt die ganze Höhe der wand, ungefähr in der Mitte ihrer Breitenausdehnung; die Schwierigkeiten verteilen sich — abgesehen von der Durchquerung des Triglavkares, die man als angenehme Ruhepause in der langen Kletterei dankbar begrüßt — ziem- 17 A u g y, CrigtuD. 257 lich gleichmäßig auf den ganzen weg und sind auch nach heutigen Begriffen recht beachtlich, ohne dabei aber je die Grenze dessen zu überschreiten, was vom tüchtigen Durchschnittskletterer noch ungeheuchelt als genußreiche Körperbetätigung empfunden wird. Einige kleine Verbesserungen, die man später in die Wegführung gelegt hat, können das Verdienst der Erstersteiger nicht schmälern. Auch gewisse, von Freundeshand vorgenommene Retouchen in der Instrumentierung seiner Sinfonien haben — man gestatte mir dieses Gleichnis — nicht vermocht, das Genie Anton Bruckners zu verdunkeln. Im unteren Teil des Weges haben Nachkriegskletterer ein Ceilstück, das die Erstbegeher durch den wilden Schluchtast nahmen, hinaus ins Freie, auf eine steinfallsicherc Gratrippe verlegt. Eine schwierige wandstufe am „Deutschen Pfeiler" wurde von Jahn-Zimmer in einer kleinen Schleife westlich leicht umgangen; und schließlich hat Jahn dort, wo sich die Ersterfteiger mit dem Mute und mit der Kraft der Verzweiflung im Ungewitter über schwierigsten Fels den Ausstieg zum Kugyband ertrotzen mußten, eine versteckte Bandfortsetzung und einen unschwierigen Kamin, den „Jahn-kamin", gefunden, der genau zum höchsten Punkt der wand ausmündet. Es ist nicht zu bestreiten, daß diese Wegänderungen praktisch sehr wertvolle Verbesserungen des Griginalweges darstellen, sie sind aber als Einzelheiten und gemessen an der pfadfinderarbeit der Erstbegeher doch nur von untergeordneter Bedeutung. Am Schluffe dieses Abschnittes lassen wir Ingenieur Hans Reinl selbst das Wort ergreifen und geben dort den Aufsatz wieder, den er über die denkwürdige Cour vom 9. und 10. Juli 1906 in den „Mitteilungen" des Deutschen und Österreichischen Alpenvereines veröffentlicht hat. Alpine und Cagespreffe sorgten für rasches Bekanntwerden des großen Ereignisses. Auch Franz Zimmer und Gustav Jahn hatten von dieser Neuigkeit Kunde erhalten, und ihr Wunsch, diese als so großartig geschilderte Felsfahrt zu wiederholen, sollte bald Wirklichkeit werden. Noch ehe die Erstersteigung einen Monat alt war, sehen wir die beiden wiener Freunde mit hochgespannten Erwartungen im AljaLhaus. Am 4. August steigen sie in die wand ein. Ganz unten, in der Einstiegsschlucht, treffen sie auf einen Steinmann. Sie sind auf der richtigen Fährte. Aber schon nach einigen Seillängen haben sie, ohne dessen zunächst gewahr zu werden, die Spur ihrer Vorgänger verloren. Dort, wo sich die Partie König in der Schlucht nach rechts wandte, halten sich Zimmer und Jahn in der diese Schlucht linker Hand be- grenzenden wand. Auf langen Bändern und über die sie scheidenden Stufen und Absätze geht es in Schleifen rasch empor, bald sehen wir die Beiden in der Höhe des Triglavkares, getrennt von diesem durch die obersten Ausläufer der Einstiegsschlucht und durch eine gratartige, turmbesetzte Rippe, die Ostbegrenzung des Kares. 3n der Richtung auf einen dem Gletscherrand vorgelagerten mächtigen Felsturm geht es flott weiter — gar zu flott! Leicht war die Kletterei zwar fast nirgends, aber wo waren die schier übermenschlichen Schwierigkeiten, von denen die Erstersteiger berichtet hatten; Ein Blick auf den westlich des Kares aufragenden steilen Pfeiler bestätigte Jahns Befürchtungen: Dort entdeckte er einen Steinmann, der nur von der ersten Partie stammen konnte. Sie waren vom richtigen Wege abgekommen. Der Plan, nach rechts zum Pfeiler zu queren, wurde angesichts des immer bedrohlicher werdenden Wetters nach kurzer Überlegung verworfen. So fetzten sie ihren Anstieg in der eingeschlagenen Richtung fort und stiegen 6V2 Stunden nach Betreten der wand westlich des Turmes, der ihnen als Richtpunkt gedient hatte, in einer Wanddepression zum Gletscher aus. Kaum hatten sie das schützende Dach des gastlichen Defchmann-haufes erreicht, als ein schweres Unwetter losbrach. Es rechtfertigte ihren weisen Entschluß, sich an diesem Tage nicht auch noch auf dem Wege der Erstersteiger in ungewisse Abenteuer einzulaffen. Die zweite Durchkletterung der wand, auf völlig neuem Wege, war Zimmer und Jahn geglückt. Aber ein Stachel blieb dennoch zurück: Ihr Ausstieg lag gut zweihundert Meter tiefer — wenn nicht mehr! — als der der ersten Partie. Und ihre Wegführung hielt sich durchwegs im östlichen, weniger steilen und bänderreicheren Wandflügel. Konnte man das mit gutem Gewissen eine Ersteigung der „eigentlichen" Triglavnordwand nennen; Nein. Und konnte man sich einen richtigen Begriff von den Schwierigkeiten machen, die die Erstersteiger zu überwinden gehabt hatten; wieder: Nein! Diese bittere Erkenntnis ließ die beiden Freunde keine Ruhe finden. Ein noch im gerbst unternommener wiederholungsversuch scheiterte schon beim Einstieg in Sturm und Neuschnee. Kaum hatte der junge Sommer des nächsten Jahres die wände aper gemacht, fetzen Jahn und Zimmer zu neuerlichem Sturm an. Und er gelingt. Auf schon bekannten Pfaden, sie folgen zunächst ihrem eigenen Wege vom Vorjahre, gewinnen sie rasch die Höhe des Triglavkares und queren es nach Westen gegen den Pfeiler, der steil zum Kugyband emporstrebt. Schon im Kar haben die beiden mit leichtestem Gepäck kletternden n* 259 Freunde gegenüber ihren Vorgängern einen Vorsprung von mehreren Stunden in der Tageszeit. Am Pfeiler — es ist der „Deutsche Pfeiler" — geht es in flüssigem Klettern empor. Da die Zeit nicht drängt, haben sie Muße, sich die wand genau zu besehen und den leichtesten Durchstieg zu finden. So wird manche schwierige Stelle, die der ersten Partie viel kostbare Zeit geraubt hat, rasch und leicht umgangen. Schon lange ehe die Sonne den Scheitelpunkt ihrer Bahn erreicht hat, sind sie über Königs Biwakplatz weit hinaus. Am Ende des Bandes ober dem Pfeilerkopf erspäht Jahns felsgeübtes Auge über einem mannshohen Absatz die natürliche Bandfortsetzung. Alle schwierigen Platten, wandstellen und Rifle, die der Partie König fast zum Verhängnis geworden wären, bleiben links liegen, und ein letzter Guergang führt zu einem unschwierigen Kamin, der am höchsten Punkt der wand auf das Kugyband ausmündet. Vom Einstieg bis her hatten sie weniger als fünf Stunden gebraucht, gegen dreiunddreißig Stunden, die die Erstbegeher einschließlich Biwak in der wand verbringen mußten. Mit der anschließenden Ersteigung des Gipfelaufbaues über den luftigen Nordgrat krönen Zimmer und Jahn diese denkwürdige Tour, ein ebenbürtiges Gegenstück zur ersten Durchkletterung der wand. Zuerst nur vereinzelt, dann immer zahlreicher, fanden sich Nachfolger, die in die Fußstapfen dieser kühnen Bahnbrecher traten. Träger gar klingender Namen sind es, die wir in den folgenden Jahren, durch die Vrata pilgernd, einem hohen Ziele zuftreben sehen. Aber noch ist die wand weit davon entfernt, der Tummelplatz zu sein, der sie in unseren Tagen geworden ist. Nur zögernd tastet der Mensch nach neuen Pfaden, nur die Besten wagen es, in dieses ungeheuere, düstere Gemäuer einzudringen, dessen sagenhafte Schrecken durch den Bericht der Erstersteiger alles eher denn gemildert worden ist, in diese wand, die, zwar überwunden, aber nie besiegt, kaum in die Geschichte des berg-steigenden Menschen eingetreten, der Eroberungslust Allzukühner mit steinerner Faust unbarmherzig Einhalt geboten hat: Laß stürzt am „Deutschen Pfeiler" und fällt zerschmettert dem Gefährten in das Seil; eine Rettungs- und Bergungskolonne findet Wagners leblosen Körper im Grunde der Einstiegsschlucht... Den einzigen noch in Vorkriegszeiten begangenen neuen weg verdanken wir dem slovenischen Altmeister Dr. Henrik Tuma, der, geführt vom „wilden JoLe", dem Vetter des Trentaadlers Andreas Komac, im August i9)o den Ostflügel der wand durchstieg und damit die Hauptlinie eines Weges legte, den das heutige Schrifttum „Slove- nischen weg" nennt. Der Einstieg befindet sich etwa zweihundert Meter östlich von dem Königs und leitet in die große, grabenartig erweiterte Schlucht, die den Ostteil der wand links des von Jahn-Zimmer in den unteren Partien zum Anstieg benützten mächtigen Pfeilers durchzieht. Duma folgte der Schlucht fast durchgehends und stieg beim „Slovenifchen Cum" — in der Nähe von Jahn-Zimmers erstem Aus-ftieg — zum Gletscher aus. wie aus dem klassischen weg der Erstersteiger durch kleine Verbesserungen in der Wegführung der „Deutsche weg" in seiner heutigen Gestalt erstand, so legten die Varianten, die man zu Cumas Route fand, den „Slovenifchen weg" fest, wenn auch hier, im Gstflügel, das Gelände dem Kletterer größere Bewegungsfreiheit und mehr Abwechslungsmöglichkeiten gestattet, als in den steileren zentralen und westlichen Wandpartien, darf Cumas Cour doch keineswegs gering eingeschätzt werden. Die wand mißt auch hier kaum viel weniger als tausend Meter, verlangt große Ausdauer und stellenweise bedeutende Kletterfertigkeit, wenngleich außer Frage steht, daß Königs weg in beiden Belangen an den Bergsteiger noch größere Anforderungen stellt. Die Bedeutung von Cumas weg — auch wir wollen ihn, die später hinzugekommenen Varianten mit einbeziehend, den „Slovenifchen weg" nennen — liegt erstens darin, daß er der leichteste Durchstieg in der großen wand ist, zweitens in der Catsache, daß er als die erste von Slovenen erdachte und durchgeführte große Neutour angesehen werden muß. An dieser Stelle sei Cumas ehrend gedacht, des vor zwei Jahren verstorbenen Vorkämpfers der slovenifchen Bergfteigerschaft. Ungenützt verquillt auch in den Juliern während vier langer, der Freude verlorener Jahre der Jungborn, den uns die Berge spenden. Und wieder fast die gleiche Zeit vergeht, ehe die von Sorge bedrückten Menschen den weg zurück finden zu den beglückenden Höhen. Die sagenumwobene Crenta, die hinter der Criglavwand liegt, ist inzwischen fremdes Land geworden. In Laibach war fetzt nach langen Jahren des Dunkels eine junge Generation herangewachsen, der sich die Pracht und Schönheit der Berge in vollem Glanze offenbarte. Begeisterung und Freude an der Cat müssen vorläufig ersetzen, was an Erfahrung und Überlieferung noch fehlen mag. Eine von des Gedankens Bläffe nicht angekränkelte Jugend steht vor der großen wand. Zu neuen, bedeutenden Caten fehlt zunächst noch die Reife. Aber sind denn die Wege, die eine frühere Generation gefunden — und wahr- lich, der Krieg wurde zur Grenze zwischen zwei Menschenaltern — für die Jungen nicht großartig, nicht unbekannt genug; Dr. Jug und Gefährten, unabhängig von ihnen einige Zeit später auch Szalay, entdeckten die schon erwähnte steinfallsichere Wegänderung im unteren Teil des „Deutschen Weges". Frau Debelakova, Frl. Jesih, Martelanc und Guerra begehen die „Fenstervariante", die im Triglavkar ihren Ausgangspunkt hat. Sie verläßt den „Deutschen weg" nach links, läßt den „Deutschen Pfeiler" rechts, westlich, liegen und führt durch eine mächtige, schluchtartige Wandverschneidung, in der ein höhlenartiges Fenster durchstiegen werden muß, auf ein be-quemes Band unter der „Schwarzen wand". Diese wand wollen wir „Kleine schwarze wand" nennen, sie ist sehr wohl zu unterscheiden von der „Schwarzen wand", mit der der „Deutsche Pfeiler" nach Westen zum „Schwarzen Graben" abbricht, und von der wir noch mehr hören werden. Von diesem Band kann man ohne Schwierigkeiten entweder nach Westen zum Scheitel des „Deutschen Pfeilers" queren und den weg der Erstersteiger fortsetzen, oder, sich gegen Osten wendend, fast waagrecht den Ausstieg zum Gletscher westlich des „Slo-venischen Turmes" gewinnen, den Jahn-Zimmer bei ihrer ersten wand-durchkletterung, in der Fallinie aufsteigend, erreicht haben. Verschiedene Ausstiegsvarianten und einige Wegänderungen am „Deutschen Pfeiler", an sich kaum von großer Bedeutung, seien der Vollständigkeit halber erwähnt. So lagen die Dinge 1924. Die östliche Wandhälfte hatte jetzt schon ihr ziemlich engmaschiges Wegnetz, das eine Fülle abwechslungsreicher Routenkombinationen ermöglichte. Aber noch war niemand über die Mittelrippe der wand, den „Deutschen Pfeiler", nach Westen vorgedrungen. Mögen Pläne dieser Art insgeheim schon früher geschmiedet worden sein, der Erste, der an ihre Verwirklichung ging, war der kühne Alleingänger Dr. Klement Jug. Der pralle Plattengürtel, in dem sich die Triglavwand zur Höhe des Nordwestgrates emporschwingt, war sein Ziel. Verlassen von seinen Gefährten, oder, wie schon oft, jede Begleitung verschmähend, unternimmt er das große Wagnis allein. Und stürzt. Das erste Opfer, das sein Volk bergsteigerischer Tat bringen mußte. Zu Lebzeiten verkannt, ja verlacht, ist er ein Jahrzehnt nach seinem Tode der alpine Nationalheros geworden. Fast unabsehbar die Zahl derer, die, beim Morgenrot froh in die wand eingestiegen, ehe noch die Sonne zur Rüste gegangen, Klement Jug in die Ewigkeit Nachfolgen mußten. Aber nicht der Berg ist der Schuldige, die armen Opfer sind ihrem Untergang selbst entgegengetaumelt. Vladimir Topolovec klettert schon hoch am „Deutschen Pfeiler". Er geht ohne Seil. Die Felsen sind vereist. Das Unvermeidliche geschieht: Vor den Augen seines entsetzten Kameraden stürzt er in einem einzigen Satz fünfhundert Meter bis auf den Grund des „Schwarzen Grabens". Ist das die Schuld des Berges; Zwei Jahre später, jgzo, treten nach langer Pause wieder deutsche Bergsteiger auf den plan, die beiden Münchner Georg Kuglstatter und Hans Unger. In der Fallinie des „Deutschen Pfeilers" steigen sie in die wand ein und erreichen nahezu ohne seitliche Abweichungen, immer senkrecht emporklimmend, das Triglavkar. Der neue weg, der „Bayerländer weg", ist fast durchwegs überaus schwierig. In Verbindung mit dem oberen Teil der Route König stellt er den unmittelbarsten Durchstieg durch die wand dar. Eine prachtvolle, gewaltige Dour, die sich mit Recht großer Beliebtheit erfreut und die ziemlich häufig wiederholt wird. 1927 fassen zwei slovenische Kletterer, JoLe Čop und Dr. St. Tominšek den plan, das Andenken Dr. Jugs durch die Begehung eines nach ihm zu benennenden Weges zu ehren. Dort, wo die wand westlich ihres zentralen Teiles in deutlichem Knick nach Nordwesten umbiegt, ist im innersten Winkel der so gebildeten Einbuchtung eine düstere, schneerfüllte Schlucht eingeriffen. Sie war der Ausgangspunkt des neuen Weges. Zuerst wurde die Schlucht selbst aufwärts verfolgt, bis die zurücktretenden Seitenwände ein Aussteigen gestatteten, Hier wurde die Schlucht nach Westen verlassen, und die beiden Bergsteiger gelangten über ein System steiler wandstellen und Bänder unter die abweisende Schlußwand, die in schwieriger Kletterei zum höchsten Punkte des Nordwestgrates durchstiegen wurde. Von hier kann man die Ersteigung des Gipfels über das Kugyband und den Nordgrat oder über den Flitscher Schnee und den obersten Teil des Kugyweges vollenden. Der „weg durch die Jugschlucht" ist weniger unmittelbar, als die anderen Nordwandanstiege. wenden wir uns jetzt dem zentralen Teil der wand zu. Er steht in den folgenden Jahren im Mittelpunkt des Interesses. Bisher hatte man ihn für völlig unersteiglich gehalten. Und doch wurden hier jgz8 und )9zg drei grandiose, einander ebenbürtige Neuanstiege gefunden; in zeitlicher Reihenfolge: Der „Gberkrainer weg" (J. Čop, Dr. M. Po-točni? und St. TominSek), der „Skalaweg" (Fräulein Paula Jesih und M. Gostiöa) und der „Alpenklubweg" (Nordwestkante; Dr. K. prüft? und R. Szalay). Dr. potoöniks Aufsatz über den „Oberkrainer weg", den wir später in diesen Blättern mit Erlaubnis des Verfassers in deutscher Übersetzung wiedergeben, zählt zu den besten Schilderungen der slovenischen alpinen Literatur, aus der wir ein überaus anschauliches Bild von dieser prächtigen Felstour gewinnen. Von allen wegen, die durch die wand gelegt worden sind, entrollt vielleicht dieser die großartigsten und gewaltigsten Felsszenerien; bald in freier wand, bald in den dämmerigen Felsgewölben des „Schwarzen Grabens" führend, dann wieder hoch auf luftiger Kante, erfreut er den Kletterer durch den Reiz steten Wechsels im Landschaftsbilde. Allerdings ist das ein Pfad, der nur den Besten Vorbehalten ist, denn die schwierigsten Stellen rangen, wie Potoönik uns in seiner Schilderung anschaulich vor Augen führt, selbst dem Meisterkletterer Čop den Einsatz seines äußersten Könnens ab. Mochte man dem neuen weg noch so viele Vorzüge nachrühmen, in den Augen der ganz Modernen haftete unleugbar ein Schandfleck auf ihm: Er war alles eher als eine „direttissima“. Wohl durchmaß er die ganze Höhe der wand in ihrem Mittelteil, aber er führte — in großen Zügen — von „links unten" nach „rechts oben", und heutzutage ist das einem weg, der auf seinen guten Ruf hält, eben nicht gestattet. Da er aber in seiner zweiten Hälfte immerhin einen annehmbar unmittelbaren Drang nach oben aufwies, ergab sich lediglich das problem, dieser vollwertigen oberen Hälfte eine ebenbürtige Ergänzung nach unten zu geben, ähnlich wie der „Bayerländer weg" eigentlich eine „Ausbügelung" des unteren „Deutschen Weges" darstellt. Drei erstklassige Seilschaften ließen sich keine Mühe und plage verdrießen, dieses Problem zu ersinnen und zu lösen: Szalay und Pagitz, Frau M. M. Debelakova und E. DerLaj und schließlich das spätere Siegerpaar in diesem Rennen Fräulein Paula Jesih und M. Gostiša treten in die Arena. Der riesige, dreieckförmige Pfeiler westlich des „Schwarzen Grabens", über dessen steile Nordostschneide das letzte Stück des „Ober-krainer Weges" führt, ist der Schauplatz der nun folgenden Ereignisse. Die Seilschaft Cop hatte die Kante dieses Pfeilers durch Guerung aus dem „Schwarzen Graben" von Osten her erreicht. Nun handelte es sich darum, dem Beginn dieser Kante, die weiter unten nicht mehr als solche ausgeprägt ist, sondern in senkrechten wänden und glatten platten- Triglav-Nordwand mit dem AljaLev-Dom Lichtbild von Dr. Nikola Kostrenöiä, Zagreb Wülsten ins Kar abbricht, in geradem Anstieg von unten beizukommen. Rund ausgebauchte plattenfchüffe, das fast völlige Fehlen förderlicher Einriffe, bilden das Hauptkennzeichen des hier mit der großen wandfläche fast verschmelzenden unteren Pfeilersockels. Ein mehr breites als durchwegs bequem gangbares, rampenartiges Band, das im Fuß des Pfeilersockels schwach nach rechts emporführt, ist der gegebene Einstieg. Man verfolgt es einige Zeit, verläßt es dann steil nach links empor und steht, nach Überwindung einiger kürzerer schwieriger Riffe und nach einem Guergang nach links am Fuß der eigentlichen Plattenzone, Hier, gleich am Beginn, ist die Schlüffelstelle der ganzen Cour. Die beiden ersten Partien, Frau Debelakova-DerLaj und Szalay-Pagitz, versuchen auf verschiedene weise, dieses Hindernisses *£evv zu werden — aber mit dem gleichen Erfolg. Szalay verbeißt sich in die plattige wand und stürzt fast die ganze Seillänge, pagitz, gut gesichert, hält den Ruck aus. Szalays in ähnlichen Situationen schon erprobtes traditionelles Glück ist auch diesmal zur Stelle: Leichte Hautabschürfungen und einige Beulen am Kopf sind ein gnädig milder Denkzettel. Frau Debelakova und DerLaj hatte das Verhängnis genau an der gleichen Stelle ereilt, nur ging die Sache für sie nicht so glimpflich aus wie für Szalay. wie es geschah, ist an anderer Stelle mit Frau Debelakovas eigenen Worten erzählt. Selbst die überzeugtesten Verfechter der Ansicht, Bergtouren, die eine gewisse Grenze überschreiten, sollten lieber eine Männern vorbehaltene Domäne bleiben, werden zugeben müssen: Hut ab vor dieser Frau als Bergsteigerin, als Kameradin, als Mensch. Vor einer Probe, wie der von ihr bestandenen, könnte selbst dem Stärksten bangen. Aber weder Frau Debelakova noch Szalay sind entmutigt. Ein neuerlicher Vorstoß wird über das Bollwerk, an dem die früheren Versuche gescheitert waren, vorgetragen, jedoch Schlechtwetter zwingt zu abermaligem Rückzug. Inzwischen ist das dritte paar zur Stelle, das um die Gunst des Pfeilers wirbt, Frl. Jesih und M. GostiZa. Die Vorrückungslinie ist durch die vorhergegangenen Versuche eindeutig festgelegt. Im ersten Angriff kommt man über den „dreifachen Überhang" hinaus, aber nicht viel weiter. Erst im nächsten Jahr, j 929, wird, wohl auch unter dem Eindruck „Hannibal ante portas“, zu deutsch: prusik und Szalay im Vratatal, zur Entscheidung losgeschlagen. Und jetzt gelingt der große Wurf. In fünftägigem Ringen kämpfen sich Paula Jesih und Milan Gostißa durch den Plattengürtel und über die pfeilerkante, in deren oberem Teil sie auf den „Oberkrainer weg" und somit auf bereits begangenes Gelände stoßen. Die Nacherzählung von Einzelheiten einer überaus schwierigen Kletterei ist eine undankbare Aufgabe, der ich mich gern entziehe, wer sich für Details interessiert, sei auf die in Wort und Bild gleich aufschlußreichen Ausführungen GostiSas im „Bergsteiger", ioro, Seiten 221 bis 224, verwiesen. Auch diese Cour nötigt uns gern gezollte Hochachtung vor der Klettertüchtigkeit, der Ausdauer und dem unbeugsamen willen der führenden Dame und ihres Begleiters ab. Aber, hatten die Beiden während der ganzen Cour das Heft zur Durchsetzung ihres Willens wirklich immer völlig in der Hand behalten* warum genügten die drei ersten Schönwettertage nicht zur Durchführung der Cour* wie wäre es um die Beiden bestellt gewesen, wenn man am vierten Cage, der schlechtes Wetter brachte, ihre Rufe nach Ergänzung der schadhaft gewordenen Ausrüstung nicht gehört hätte* wenn am fünften Cage nicht Cop und potoLnik die benötigten neuen Kletterschuhe und Sonstiges am Seil vom Bord des „Schiffes" Herabgelaffen, nicht überhaupt als beruhigende Rettungsanker für alle Fälle in Bereitschaft gestanden hätten* wenn nichts anderes, die vielleicht unentbehrliche moralische Unterstützung hätte gefehlt, die dem schon Ermatteten neue Kräfte einflößt. Am Nachmittage des dritten Klettertages war das Paar bis unter das „Schiff" gelangt. Daß die Überwindung des „Schiffes" nicht noch am gleichen Cag versucht wurde, begründet Gostiša damit, daß die Ersterfteiger für dieses Stück acht Stunden gebraucht hätten und somit keine Aussicht bestanden habe, noch vor Einbruch der Dunkelheit über dieses gewaltige Hindernis hinwegzukommen. Doch erinnern wir uns, bei Potoenik gelesen zu haben: „Für dieses Stück (sc. das »Schiffs... hatten wir gut zwei Stunden gebraucht..." wie reimt sich das zusammen* Catsache ist, daß Cop und potoönik bald darauf den Anstieg über den Pfeiler — er heißt jetzt „Skalaweg" — in zehn Stunden bewältigt haben. Ein Gegenstück zur verblüffend kurzen Zeit, in der einst Jahn-Zimmer die erste Wiederholung von Königs weg gelang. wie dem auch sei, der Pfeiler war erklettert und die Welt um zwei aus allen Fährlichkeiten glücklich errettete Sieger reicher geworden. Szalay war gerade noch zurecht gekommen, um seine vom Glück begünstigteren Nebenbuhler zu beglückwünschen. Aber ein kurzer Aufenthalt in der Vrata, ein flüchtiger Erkundungsvorstoß in die Nord-westmauern des Pfeilers, hatte genügt, um im Kopfe seines Gefährten . Dr. Prusik den plan zur Ausführung eines anderen, nicht minder gewaltigen Unternehmens greifbare Gestalt annehmen zu lassen, wieder tritt der Chronist bescheiden zurück und verweist auf die in der „Zeitschrift" des Deutschen und österreichischen Alpenvereins, isro, ver-öffentlichte meisterhafte Schilderung prusiks, mit der dieser Abschnitt schließt. Diese Cour beendet die Ära der großen Erschließung der wand. Sie ist der von Meisterhand gesetzte, großartige Schlußstein. Mögen auch weg und Werkzeug neu sein, aus den Worten prusiks spricht der alte Geist der ersten Wanderoberer zu uns. Jetzt bricht das Zeit-alter der Epigonen an. Daß emsige Nachlese in einem so ausgedehnten Gebiet noch auf viele Jahre immer wieder reiche Gelegenheit zu Kleinarbeit ergeben wird, liegt auf der Hand. Noch gibt es mögliche Varianten, die nicht entdeckt, „unmögliche" wandabbrüche, die nicht durchstiegen sind. Der Vorrat wird nicht so bald knapp werden. Ja, die Möglichkeit gesuchten Abweichens von naturgezeichneten Pfaden wird sich sogar noch in dem Maße mehren, als der Mensch die Mittel steigert, derer er sich zur Verwirklichung seiner Absichten bedienen will, wer kann heute wissen, ob nicht vielleicht in wenigen Jahren schon ein geradliniger Durchstieg zum Scheitelpunkt des Nordpfeilers, die unmittelbare Erkletterung der mauerglatten „Schwarzen wand" oder gar die Bezwingung der über-hängenden Plattentafeln gemeldet wird, die von der Hochfläche des Flitscher-Schnees ins Nordwestkar abbrechen; Doch lassen wir diese rein sportlichen Zukunftshypothesen, werfen wir einen letzten Blick auf die immerhin noch bergsteigerische Geschichte der jüngsten Vergangenheit. Zu beweisen, daß die wand, in der Dr. Jug gefallen ist, doch erklettert werden kann, war ein Wunsch, der dem bewährten paar Jesih-Gostiša vorschwebte. In gerader Linie führt jetzt ein unmittelbarer Anstieg zur Höhe des Nordwestgrates. Daß bei der Begehung dieses Weges, wie die Erstbegeher meinen, die angeblich durch einen Felsausbruch als solche feststellbare Absturzstelle Jugs erkannt worden sei, scheint uns eher eine nur mit Vorsicht aufzunehmende Vermutung zu sein. Die sechs Jahre, die damals schon seit dem Code Jugs verflossen waren, dürften jede verläßliche Spur, aus der man den genauen Grt, den Hergang des Unfalles entnehmen könnte, schon längst verwischt gehabt haben. Zwischen diesem „Jugweg" getauften Anstieg und dem Luknjapaß wurden in den letzten Jahren mehrere technisch sehr schwierige, doch sonst recht bedeutungslose Wege durch den westlichsten Wandflügel gefunden. Nimmt man unverhältnismäßig große Schwie- rigkeiten willig in Kauf, dürfte man diesen wandteil fast beliebig durchklettern können. hingegen wurde im mittleren Teil der wand eine sehr schöne und bemerkenswerte Wegänderung begangen: Die Verbindung des „Skalaweges" mit der Nordwestkante, ein Anstieg, der die ganze wand des Nordpfeilers in ansteigender Ouerung durchzieht. Noch eines Weges, eines ganz außergewöhnlichen Weges, muffen wir gedenken, ehe wir uns von der Nordwand wenden: Der „Pfade des Zlatorog", wirkt nicht schon der Name, den die Erftbegeher ihrem weg gegeben haben, wie eine Verheißung; Ein ganz sonderbarer weg ist das, kein „Anstieg" im landläufigen Sinn. Er hat keinen regelrechten „Einstieg" am Fuße der wand, er führt nicht auf ihre Höhe. Die „Pfade des Zlatorog" queren die ganze ungeheure wandflucht von Osten nach Westen, vom Pragweg bis nahe an den Luknjapaß. 3n etwa halber Wandhöhe zieht dieser schwindelnde Pfad durch die große Mauer, weicht unüberwindlichen Hindernissen hundert, zweihundert Meter nach oben oder nach unten aus, benützt da und dort alte, schon begangene Wege, dann wieder schlägt er kühne neue Brücken in bisher unbekanntem Gelände. Zum Abschied wollen auch wir auf diesem Pfade wandeln, eine letzte Heerschau halten über die vielen schönen Wege, deren werden wir in diesen Blättern verfolgt haben, wir kommen ja an allen vorbei, die „Pfade des Zlatorog" sind das verbindende Glied, das sie alle zu einem zusammenhängenden Wegnetz vereint. Eine ins Gigantische gesteigerte „Loswandpromenade". Der Gedanke zu dieser Tour entsprang den Köpfen des Kleeblattes Cop, potočni? und Tominšek. Zur Ausführung gesellte sich noch M. Frelih hinzu. Es gab einige Fragezeichen, die die Verwirklichung des planes recht unsicher erscheinen ließen. Zunächst war das erste Teilstück, vom Prag bis zum „Slovenischen weg" terra incognita; dann die furchtbare „Schwarze wand", die den „Deutschen Pfeiler" vom „Schwarzen Graben" trennt; schließlich die Verbindung von der Nordwestkante zur „Jugschlucht". Vorhergegangene Erkundungen hatten zwar ein günstiges Ergebnis gezeitigt, doch waren lange noch nicht alle Zweifel an der Ausführbarkeit des Unternehmens geschwunden. Der 24.Juli j9?) sollte die Entscheidung bringen. Bei der unteren (Quelle am Prag verlassen die vier Freunde den gebahnten weg. Das erste Stück, bis zum „Slovenischen weg", ergibt sich in auf- und ab-steigender Ouerung überraschend leicht. Die Verbindung zu Jahn-Zimmers Anstieg war nicht neu, ebenso bewegte sich der Weiterweg durch das Triglavkar und auf den „Deutschen Pfeiler" auf bekanntem Boden. Das schmale, von Čop entdeckte Band, das, bald zur Leiste sich verjüngend, die schaurige „Schwarze wand" durchzieht, erfüllt nach bangen Augenblicken des Zweifels doch die Hoffnungen, die man auf ein braves Julierband setzen darf: In schwierigem, äußerst ausgesetztem, fallendem Guergang leitet es zum Grunde des „Schwarzen Grabens" hinab. Damit war das erste, sehr problematische Verbindungsstück bewältigt. Nach Kreuzung des „Oberkrainer Weges" wird der untere Teil der Nordpfeilerkante und damit der „Skalaweg" erreicht und sofort, nach Westen absteigend, wieder verlassen. Immer schief weiter absteigend trifft man in einer Schlucht die Verbindung „Skalaweg"— Nordwestkante. Man folgt ihr ein Stück. Dort, wo sie, zum Schluß fast senkrecht ansteigend, den oberen Partien der Nordwestkante zustrebt, weicht man von ihr nach rechts ab und gewinnt so, weniger steil, ebenfalls die Kante, die man etwa hundert Meter oberhalb des Biwakplatzes der Partie Prusik-Szalay betritt. Breite Geröllbänder leiten von hier, leicht fallend, in das Nordwestkar. Hier stellte sich den Kletterern das letzte und schwierigste Problem des Tages entgegen: Der Übergang vom Nordwestkar in die „Jugschlucht". Alle Versuche, in die Schlucht hinabzugelangen, scheiterten zunächst an der glatten, hohen, östlichen Begrenzungswand. Ein verwickelter Umweg nach unten, dem Schluchtrand entlang, führte endlich unter großem Höhen-verlust zu einer schwachen Stelle der wand, die, wenn auch unter sehr großen Schwierigkeiten, die Guerung in die Schlucht ermöglichte. Jetzt stand das Gelingen der Tour schon außer Frage. Auf dem Wege durch die „Jugschlucht" war die eingebüßte Höhe bald wieder zurückgewonnen. Im oberen Teil des Weges verließen die Kletterer, in Verfolgung ihrer Absicht, tunlichst die ganze Breitenausdehnung der wand zu queren, den bis dahin verfolgten Schluchtweg, kreuzten noch Jesih-Gostisas „Jugweg" und gewannen schließlich, immer gegen Nordwesten schwach ansteigend, in langer Guerung den Kamm des Nordwestgrates ungefähr in der Höhe des Ausgangspunktes vom Pragweg. Die Tour stellt an den Kletterer sehr große Anforderungen. Die rein technischen Schwierigkeiten bleiben zwar hinter denen der großen Nordwege zurück, doch berichten die Erst-begeher, daß die richtige Wegführung, besonders im westlichen wandteil, viel Spürsinn voraussetzt, und nur Bergsteiger, die die wand auch sonst gut kennen, sollten sich erkühnen, auf Zlatorogs Pfaden zu lustwandeln. Damit sind wir am Ende angelangt, was später kam, was noch kommen könnte, wird das Bild, das wir uns von der Geschichte dieser wand gezeichnet haben, kaum stark verändern können. Daß es in der Triglavwand noch Stellen gibt, die keines Menschen Fuß bisher betreten hat, wurde schon gesagt, ebenso haben wir prophezeit, daß die Datenlust der Jungen Bürgschaft genug dafür ist, daß die Zahl dieser Stellen immer geringer, daß die Größe der noch undurchstiegenen Teil* stücke der wand immer kleiner werden wird. Mag sich das Geschehen so auch immer wieder erneuern, die Geschichte ist abgeschlossen. Grämen wir uns nicht darüber, daß andere uns zuvorgekommen sind, daß wir selbst vielleicht eine flüchtige Gelegenheit versäumt haben, unserem Namen in diesen Mauern ein Denkmal zu setzen, eine Gelegenheit, die uns keine Ewigkeit wieder geben kann. Trauern wir nicht, weil wir zu spät geboren sind. Auch die Gründung Roms und die Entdeckung Amerikas haben wir versäumt, und das Leben ist doch schön! Tun wir alle Eitelkeit von uns ab, der wahre Wallfahrer fragt auch nicht danach, ob er der Erste war, der den heiligen weg gewandelt. Folgen wir nach auf den Pfaden derer, die vor uns gegangen sind. Und, stehen wir dann, nach beglückenden Stunden schwelgerischer Bergseligkeit, wieder im Dämmerschatten des Tales, dann wenden wir einen Blick des Abschiedes zurück zur grauen Riesenmauer, auf die sie krönenden Grate, die die scheidende Sonne mit einem letzten, ersterbenden Leuchten umspielt: „Die unbegreiflich hohen Werke Sind herrlich wie am ersten Tag." 16. Rapitel Die Nordwand des Großen Triglav von Ingenieur Hans Rein! in Ischl (1906) Abgedruckt mit Bewilligung der Schriftleitung aus „ Mitteilungen des Deutschen und ÖsterreichischenAlpcnvereins', Jahrgang JS07 Der Götterthron des Triglav über dem „Letzten Tal" (Zadnica-Trenta) Lichtbild von Dr. Peter Michaelis, Münchebers iS i/ s iJB- V- fli ■ MB1> m VnflR^ H9n»n jJrejr** EtflHClK iffr^ iMm' ^ß'l Ä* fra M ckMZ ^ * w *;<». - ' ,-oHI Tvp&i«. a ^WW |^P4|| , l^Dtr standen plötzlich an der oberen Kante der Triglavwände und sahen hinab ins Vratatal — ein furchtbarer Abgrund! Die wände fallen anfangs absolut senkrecht ab. Oben springen die mächtigen Platten des Flitscher Karrenplateaus vor, an vielen Stellen baldachinförmig über den Abgrund sich vorwölbend. Zehn Sekunden braucht der fallende Stein, bevor er zum ersten Male an den wandstur; schlägt." Mir wurde etwas sonderbar zumute beim Lesen dieser Zeilen. Vor mir lag die „Zeitschrift" j 883 des Deutschen und «österreichischen Alpenvereins mit dem 2lufsatze Dr. Julius Kugys über die Julischen Alpen, daneben ein umfangreicher Brief meines Freundes Dr. Felix König. Eben kam ich damit zum Schluß: „Die wand ist eine der höchsten in den Alpen und sieht scheußlich aus. Antworte sofort, ob du mithältst. Dein Felix." Nach dieser freundlichen Einladung glaubte ich deutlich zu fühlen, wie sich mein Haar emporzusträuben begann. Neugierig folgte ich der Beschreibung der ersten Umkreisung des Triglavgipfels im Jahre i ssr. Da lenkten wieder einige Zeilen das Auge auf sich: „Den grandiosen Wandabsturz selbst können wir nicht sehen, ebensowenig den Fuß der Triglavwände, wir sehen nur das schmale, blendend weiße Gesimse und unvermittelt 4—5000 Fuß unter uns den schwarzen Boden des Vratatales. — — Ich kenne nichts Großartigeres in den Julischen Alpen, aber auch kaum eine härtere Schwindelprobe." was tut man heutzutage nicht alles einer jungfräulichen Felswand wegen; Nach wenigen Tagen entfloh ich dem bunten Fremdengewimmel am Ufer der Traun und stand am Morgen des 7. Juli 1906 in Villach Freund König gegenüber. Und noch eine lange, magere Gestalt durchbrach das Bahnhofsgewühl — Larletto, unser Freund und Berg-genoffe Karl Domenigg. Vereint ging die Reise nach Mojstrana, am Nachmittage dann schwerbepackt ins Tal der Vrata hinein. — Graue, wildgetürmte Felshäupter und dunkle Tannenwälder, darüber ein bleifarbiger Fimmel — alles flimmernd vor »Zitze. Kein Wunder, daß wir schon im Vorgenuffe des bevorstehenden Freilagers am Einstiege schwelgten! welche Wonne mußte es sein, frieren zu können, welche Lust, mit den Zähnen zu klappern! 18 Rugy, Triglav. -73 Doch merkwürdig! Binnen kurzem schon waren wir anderer Ansicht. Ein Unwetter trieb uns in die nahe AljaL-Hütte. Es goß in Strömen, da sprach keiner mehr von einem Freilager. Später zerflogen die Nebel und etwas Riesenhaftes sperrte, den Fimmel verfinsternd, das öde, schutterfüllte Kar: die Triglav-Nordwand! *&od) über dem Schutt hangt der Fels in furchtbaren Platten herein, dazwischen blinkt, seltsam zerfressen, die Riffe füllender Schnee, und weiter, wo das Auge längst klaren Fimmel wähnt, schließt sich Mauer an Mauer — ein wildes Lhaos ineinandergeschobener Pfeiler und Grate, hornglattes Getäfel neben rötlich verwittertem Gestein, vielfach zerborsten und von zahllosen Bändern durchfurcht, die den Blick mit magischer Gewalt zur Höhe ziehen. Da wälzen sich neue Regenschwaden heran und hüllen das zauberische Bild in graue Dämmerung. Am Morgen des 6. Juli tummelte sich in zahllosen trüben Tümpeln das Heer der Bergsalamander. Eine recht nette Vorbedeutung! Gegen Mittag erschien wieder unsere Gegnerin. An ihren grausigen Anblick gewöhnt, wurden wir bald frech genug, einen Aufstieg aus-zukundschaften. über den einzig möglichen Einstieg — die Mündung einer gegen den Triglavgletscher emporziehenden Schlucht^ — waren wir uns bald klar. Den Ausstieg dagegen vermuteten wir am westlichen Ende des breiten, zum ersten Male i ssr von Dr. Kugy begangenen Bandes knapp unter der Gipfelkuppe. Unter Sterngeflimmer rückte der 9. Juli heran. Punkt z Uhr wurde aufgebrochen. Zu schleppen hatten wir gerade genug: Proviant für zwei Tage, joo m Seil, etwa zo m Rebschnur, mehrere Mauerhaken und zwei Pickel, da wir vom Ausstiege weg jedenfalls den Flitfcher-Schnee oder den stark ausgeaperten Triglavgletfcher zu begehen hatten. Um 4 Uhr zo kamen wir, dem „Vratawege" folgend, auf die grüne Terrasse unter der Nordwand und überschritten nach längerem Suchen die gähnende Randkluft am schneebedeckten Ausgange der Einstiegsschlucht. Da ein senkrechter Abbruch den Eingang sperrt, querten wir auf breitem Bande nach rechts in die wand hinaus. Eine kleine Terrasse bot dann Gelegenheit zur Frühstücksraft. Die Ungeduld trieb uns gegen 6 Uhr zum Weiterweg. Leichtes Gefchröf führt knapp am Rande der Schlucht in die Höhe, bis ein bauchiger, glatter Wulst das Hineinqueren ermöglicht. Die Schlucht benimmt sich wie so viele ihresgleichen. Anfangs zieht sie breit und einladend hinauf, dann kommen einige neckisch verklemmte Blöcke, endlich teilt sie sich und läßt die unerwünschte Wahl zwischen zwei steilen Kaminreihen offen. Fast drei Stunden lang mühten wir uns in den meist plattigen Kaminen des rechtsseitigen Astes empor, wobei Lar-lettos langer Leib mehr als einmal dem Ersten als Leiter dienen mußte. Er rächte sich später beim Rucksackaufseilen durch die Anwendung einer etwas merkwürdigen Knüpfmethode. Unser Ast endigte schließlich hinter einem Zacken, da blieb nichts anderes übrig, als in die glücklicherweise wieder gut gangbare Schlucht nach links hinein-zuqueren. Infolge des andauernd schönen Wetters hatten wir keinen Grund, ihrem Verlaufe folgend einen Ausweg zum Gletscher zu suchen, es galt vielmehr, an der rechten Begrenzungswand einen Durchstieg zum Rande des trümmerbedeckten Kars in der wandmitte zu finden. Ich übernahm nun von König die Führung. Ein schmales Band und mehrere im unteren Teile meist überhängende Absätze führten zum Fuße der letzten, vom Kare abfallenden wand. Sekundenlang scheint es, als müßten wir hier Kehrt machen. Da löst sich ein Zacken vom dämmrigen Wandschatten, zu seiner Linken klebt, kaum sichtbar, ein morsches Sims. Der weit vorhängende Fels hindert am Betreten dieses Pfads — nur die Fingerspitzen finden notdürftigen Halt an seiner bröckligen Kante. Bald schwindet auch diese — vorsichtig taste ich mich in die lotrechte wand hinaus. Knapp unter den Füßen wölbt sie sich in mächtigem Überhänge nach einwärts. Nach 8 m etwa umfängt mich ein glatter Winkel, der drunten ins Leere mündet. Nur der Schnee der Schlucht blitzt herauf. Noch eine Stufe, und das unheimliche Stück liegt im Rücken. — Aufatmend lagern wir uns auf einem geräumigen Schuttfleck zur Hauptrast des Tages. Nach vorne wehren freundlich drei spitze Zacken den Blick in die Tiefe, zur Linken weitet sich im Sonnenglanze das schutt- und schneerfüllte Kar. Um i Uhr 20 wurde nahe seinem Rande gegen Westen gequert, wo ein riesiger Wandpfeiler den weiteren Aufstieg vermittelt. Eben hatten wir eine schauerliche Schneeklamm gequert und ganz unvermutet in der grauen wand des Pfeilers eine schöne Terrasse betreten — da durchbricht ein dumpfer Knall die feierliche Stille — unter pfeifen und Surren nimmt das Verderben seinen weg durch die Schlucht und setzt dann prasselnd als steinerne Kaskade über den Rand des Wandabsturzes. — König erhält wieder die Führung. Eine jähe, moosdurchsetzte wand macht das Eintreiben der ersten Mauerhaken nötig, bei dem stets unsicheren Stand eine recht langwierige Arbeit. — während so der Kammer emsig schaffte, suchte der Blick den fernen Boden der Vrata, nach oben aber traf er die himmelhohe wand — ein riesiger, wie von Geisterhand getürmter wall, von dem sich der blauschwarze Schatten des Gewölks in scharfen Linien abhob. Mit einem Schlage wurde es da klar, daß wir an dem Tage den Rand droben nicht mehr erreichen würden, wo aber lag der Vorsprung, wo winkte die Felskanzel, den wegmüden Gliedern Ruhe gewährend- Darauf blieb der starre Fels dem fragenden Auge die Antwort schuldig. Eng an die wand gepreßt, gewannen wir dann durch einen Spreizschritt ein schmales, überwölbtes Band und die Kante des Pfeilers, weiter im Westen führt eine schöne Kaminreihe rasch in die Höhe. Droben betreten wir dann zum zweiten Male den luftigen Grat. — In leuchtenden wogen flüssigen Goldes geht die Sonne zur Rüste und wirft ihren rötlichen Schimmer auf unseren in schwindelnder Höhe dahinziehenden Pfad. Nach allen Seiten taucht der Blick in unermeßliche Tiefen, darüber scharen sich in weitem Halbkreise die stolzen Zinnen der Julischen Alpen, der formenschöne Razor und die wildzerriffene Skerlatiza, leuchtend in sattem Purpur. Durch die gelbe Flut aber segeln, vom winde getrieben, düstere Nebel heran, die, an den starren Felsenleibern Ln machtlose Wimpel zerflatternd, immer wieder zusammenfiießen, bis das scheidende Licht in schwarzem Gewölk erstirbt. — Hei, wie sie da emporhuschen aus ihren Schlupfwinkeln, die bläulichen Schatten der Nacht! wir fürchten nicht den kurzen wett-lauf, die klaffende Höhlung dort droben bietet sicheren Schutz vor den heraneilenden Schrecken! — Doch wie wir näher kommen, wächst das schwarze Etwas ins Gespensterhafte — ein Schlag dröhnt durch das Dunkel, gleich nachher sausen unsichtbare Geschosse an uns vorüber. — Zlatorog, der Goldgehörnte, uns Störenfrieden solch rauhen Gruß entboten- hastig stürmen wir höher, da greift die Hand auf waffergeschwärzten Fels — nirgends eine Höhlung — ein Spuk war's, der uns genarrt! Fernes Donnergrollen klagt durch die wände, im wetterleuchten schimmert zur Rechten ein schmales Band. — willkommen, luftiges Nachtquartier! Ein solider Haken sichert vor dem Sturz in die Tiefe. Es ist s Uhr zo, schon nach wenigen Minuten öffnet der Fimmel seine Schleusen.--------- Ein eiskaltes Wässerlein, welches seinen weg von der wand hinter meinen Rockkragen nahm, weckte mich nach Mitternacht aus leichtem Halbschlummer. In das einförmige Getrommel des Regens mischte sich wohllautendes Schmatzen. Meine Freunde sogen abwechselnd an, einer Tube voll Lindenhonig und warfen sich dann auf den übrigen Proviant, der rascher zur Neige ging als die langsam dahinschleichen- den Stunden. Griesgrämig besah der anbrechende Morgen den leb-haften Korso auf unserem etwa 2 m breiten Bande. Bis s Uhr erwärmten wir uns so weit, daß wir an den Aufbruch denken konnten. Das schöne Band, auf dem wir den Flitscher-Schnee zu erreichen hofften, war ja nicht mehr ferne. Unter Königs erprobter Führung wurde der Fels knapp ober dem Lagerplatze in Angriff genommen. wozu mit Einzelheiten einer Kletterei ermüden, deren Schwierigkeit durch widrige Umstände eine Steigerung ins Ungewöhnliche erfuhr; Im plattigen Fels fanden die Genagelten nur spärlichen Halt, und wo sie gänzlich versagten, boten die durchweichten, schlüpfrigen Sohlen der Kletterschuhe einen höchst zweifelhaften Ersatz. Jeden Augenblick konnte die Kälte den Regen in tanzende Flocken verwandeln. Diese Erkenntnis trieb uns mit möglichster Eile vorwärts — ein Zurück gab es ja nicht mehr, Hie und da schuf ein Mauerhaken, mühsam in den glatten Fels gezwängt, spärliche Sicherung. Vom Tale der Vrata war längst nichts mehr zu sehen, der Absturz verlor sich neben den Füßen im grauen Nebel; von oben aber rieselte es unaufhörlich. Gegen Mittag betraten wir den Kopf des Pfeilers, eine deutlich vorspringende Kanzel inmitten glattgescheuerter Steilwände, wie feines Mehl liegt es allenthalben auf den Platten — ein Zeichen, daß die vom Gipfel kommenden Geschosse hier dem ersten Anprall standzuhalten haben, bevor sie in den Schuttfeldern der Vrata zu Atomen zerschellen. Den Zugang bildet zum Schluffe ein glatter Winkel, knapp neben der lotrecht aufstrebenden Kante des Pfeilers. — Die nach links auseinanderklaffenden wände bringen den Körper dabei in eine Lage, die an Abenteuerlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Durch ein Loch im Nebel-vorhange schimmert aus grausiger Tiefe das Kar — ein Traum an schöne, längst entschwundene Zeiten. Dann führt eine kurze Rinne nach rechts zum Beginne des breiten Bandes. Da! — das Heißersehnte verliert sich in der überhängenden wand — der Ausweg ist versperrt, wir sind abgeschnitten.' Lähmender Schreck bannt unsere Sinne; doch nicht gar lange. Geht's hier nicht, dann vielleicht gerade hinauf! — In den plattigen Kaminen einer Steilschlucht turnen wir ächzend empor, das waffer schießt in Strömen über den kalten Fels, zwei Steine fliegen uns brummend um die Ohren und schlagen mit lautem Krachen auf das Band, um dann geräuschlos im Nebel zu verschwinden. — wieder stehen wir vor einer senkrechten Mauer! Unser Kamin hat in einer seichten Höhle ein unerwünschtes Ende gefunden, darüber nichts als abweisender, glatter Fels, während Freund König zur Rechten nach einem Auswege fahndet, sichere ich ihn in der Höhle an einem Haken. Ein eisiger Strahl durchrieselt von der Decke mein enges Gelaß. Doch es ist ein gar trauliches Plätzchen gegen den schlüpfrigen Riß, aus welchem eben Tarlettos Dulderantlitz emportaucht. Deutlich sehe ich, wie ihm das Wasser beim hinein- und bei den Ärmeln wieder hinausrinnt. Da er- scheint König — im Abstiege. „Es geht nicht!" — „Dann müssen wir's links versuchen, — durch den Wasserfall!" Ein trostloser Anblick, gänzlich hoffnungslos! Doch was schert uns das Wasser, was die gähnende Tiefe, beide haben die Macht über unsere Nerven verloren. Und das unmöglich Scheinende gelingt, mag auch das sprühende Naß die Augen am Sehen verhindern, mit eisernem Griffe hält die Hand den Fels umklammert — Zoll um Zoll rückt der Körper höher und schwingt sich auf ein schmales Sims. Noch einmal wehrt sich der Berg: eine glattgeschliffene Rippe schiebt er unversehens quer über den weg — rosenroter Marmor! Oder ist es die Treppe, auf der uns der Herrscher zur *£öt>e ladet; wir trauen ihr nicht, der tückischen Fläche, ein Spalt dahinter scheint uns -er sichrere weg. Es ist r Uhr 15, da fährt der letzte Eisenstift in den spröden Fels — das Kugyband! — wir haben gewonnen! Eine Stunde später sitzen wir beim warmen Ofen im Deschmann-Hause und lassen's uns Wohlergehen. Manchmal verläßt eine der deckenumhüllten Gestalten den traulichen Ort und blickt hinaus in das Tosen des Nordsturms, der dem königlichen Riesen gar arg den weißen Bart zerzaust. Grimmig schüttelt der sein uraltes Dreihaupt. 17. Rapitel Der „Oberkramer weg" („Gorenjska Smer“) Von Dr. M. potoLnik in Ljubljana (1928) Übersetzung von Dr. Paul von Raltenegger in Wien Abgedruckt mit Bewilligung des Verfassers und der Schriftleitung aus »planinski vestnik', Jahrgang 1SZ0. Triglav vom Trentatal (Westen) Vlach einem Aquarell von t Jan Havliczek-Trentan, Wien Lichtbild von Dr. Ing. Bruno Tarabochia, Trieste ^shre überwältigende Größe, die prachtvollen Kletterwege, die sie durchziehen, haben den Ruf der Triglav-Nordwand in weite Lande getragen. Mehr als das, jeder Kletterer, der sie geschaut, ist ihr verfallen, und wohin er seine Schritte auch immer lenken mag, das Bild der wand schwebt ihm wie ein Symbol vor seinem geistigen Auge. Die wand hat heute schon ihre Geschichte, reich an wechselvollem Geschehen; von schönen, unvergeßlichen Tagen weiß sie zu künden, aber auch von unerbittlich tragischem Geschick, das uns Menschen, auch den Tüchtigsten, immer hart auf den Fersen folgt und wie ein Blitz aus heiterem Fimmel das leuchtende Auge brechen, die sehnige Hand erlahmen lassen kann. Ein reicher Kranz ist diese Geschichte, geflochten aus roten Nelken, den Blumen der Jugend, aus hoffnungsblauem Rosmarin, aber auch aus Astern, den Blumen des Totenmondes, und aus blutgetränkten Triglavrosen. Schade, daß sich da und dort auch die Nessel prahl-sucht und das Unkraut Dünkelhaftigkeit in diesen eigenartigen Kranz eingeschlichen und dem himmelhoch jauchzend zu Tode betrübten Reigen zugesellt haben. Es ist nicht alles nur leuchtendes Ideal. Auch Schatten gibt es, die den Berg umdüstern und ihn zu einem Iahrmarktplatz machen wollen, auf dem zungengewandte Greisler Schneid und mutige — besser gesagt wütige — Tat en gros und en detail verschleißen. Wie gebricht es auf diesen Märkten an Käufern, die den Lobrednern ihrer Ware gläubig lauschen. Sie erstehen das Angepriesene und werden, wenn überhaupt, nur zu spät gewahr, daß sie betrogen worden sind. Die vernünftigen Leute aber, die in diesen Dingen Bescheid wissen und der unwissenden Menge vom Kauf abraten, die sind diesen Krämerkreaturen im tiefsten Grunde der Seele verhaßt. Und wenn ein solcher Mensch in der lautersten Absicht ein mannhaftes Wort spricht, suchen sie ihn durch und durch lächerlich zu machen, und gibt er auch dann nicht klein bei, rüsten sie zur Hatz auf ihn mit Dreschflegeln und Mistgabeln und schleppen ihn — vor die Behörde „zum Schutz und zur Wahrung des Ansehens der Bergsteigerei" — — natürlich! wir aber denken so: wenn du wallfahren gehst, dann sei wirklich ein Pilger und nicht ein Trödler, der seinen Kram mit zudringlichem Geschrei feilhält! Und schreitest du zur österlichen Zeit im feierlichen Auferstehungszuge mit, tu es um Gottes und deiner Seele willen, nicht um dich der staunenden Menge in deinem neuen Gewände zu zeigen! Denn nur zu oft regnet es dann — und der schöne, neue Anzug ist verdorben ... Der Triglav ist wahrhaftig ein erhabenes Schaustück ragender Bergwelt. Mit dem Blute allzuvieler unserer liebsten Freunde, die wir schmerzlich beweinen, ist er schon geheiligt, und sündhaft ist es, ihn zum Jahrmarkt zu erniedrigen, zur Zirkusbude, in der man akrobatische Kunststücke vorführt. —--------- Im August 1924 verunglückte ein hoffnungsvoller, junger Mensch, Vladimir Topolovec, am „Deutschen weg" in der Triglavwand. Er stürzte in die unerforschten Schlünde des „Schwarzen Grabens" ab. Seine Freunde faßten den plan, bis zu seinem Leichnam vorzudringen, doch alle Versuche, die man machte, kamen zum Scheitern. Die Bergungsexpedition kehrte mit dem Bescheid zurück, es sei nicht möglich, in den „Schwarzen Graben" hineinzuqueren. Und dabei blieb es, niemand machte einen ernstlichen Versuch, sich bis dort hinein durchzuschlagen. Erst im Winter 1927/28 trug mir mein Freund JoLe nebst anderen Kletterprojekten auch den plan vor, wir sollten uns diese Sache einmal genau besehen, es sei vielleicht doch möglich, einen weg auszukundschaften, auf dem man in den „Schwarzen Graben" und damit zur letzten Ruhestätte unseres Freundes gelangen könnte. Unser anfänglicher plan ging nur dahin, den „Schwarzen Graben" zu durchsuchen, dann wollten wir auf dem gleichen Wege wieder zurück ins Vratatal absteigen, denn unser Zweck, dort gewesen zu sein, wohin Vladimir abgestürzt war, wäre damit ja erreicht gewesen. Erst später, im Laufe des Frühjahrs, beschloffen wir, bei dieser Gelegenheit auch einen Versuch zur Erkletterung des mächtigen, rechts des „Schwarzen Grabens" aufragenden Pfeilers zu machen oder dort wenigstens nach einer Durchstiegsmöglichkeit Nachschau zu halten. Daß wir uns eine schwierige und ernste Aufgabe gestellt hatten, war uns von allem Anbeginn klar, wir bereiteten uns denn auch mit aller Gewissenhaftigkeit darauf vor. Schon der Mai sah uns zweimal im Vratatal, von wo wir, mit scharfen Gläsern bewaffnet, die wand musterten. In dieser Jahreszeit liegt noch viel Schnee in der wand und läßt gut erkennen, wo der Fels gegliedert und von Bändern durchzogen ist. wir stellten fest, daß nicht sehr weit oberhalb des Einstieges des „Deutschen Weges" von diesem ein waagrechtes Band nach rechts in der Richtung gegen den „Schwarzen Graben" verläuft; auf diesem hofften wir, den Grabenrand genau dort zu erreichen, wo der Graben in eine senkrechte, zoo m hohe Felswand abbricht, wie es dann weiter geht, war vom Tal aus nicht mit Sicherheit zu ersehen, denn in seinem untersten, ganz engen Ceil verläuft der Graben in Windungen, die den Blick in die Ciefenlinie verwehren, weiter oben, wo er sich verbreitert, sieht er zwar glatt, doch recht bequem gangbar aus. Die größten Schwierigkeiten erwarteten wir uns unten, im engen Teil des Grabens, wo wir keinen Einblick in das Gelände hatten gewinnen können, wußten wir doch, daß solche Schluchten immer von hohen Steilstufen unterbrochen sind, die einem die schwersten Sorgen machen können. Sollte es uns also glücken, einen Durchstieg durch diesen unteren Schluchtteil zu erzwingen oder über ihm hinein-zuqueren, dann hatten wir, das war sicher, freie Bahn durch den ganzen „Schwarzen Graben". Nur ein Bedenken hatten wir dann noch: wie stand es im Graben mit dem Steinschlag; Zwei Bayern, die im Vorjahr — am 6. September j 926 — von unterhalb des „Schwarzen Grabens" auf den „Deutschen Pfeiler" geklettert waren, hatten angeblich berichtet, daß im Graben unaufhörlich Steine poltern, und daß es gar nicht geheuer sei, dort herumzusteigen. JoLe und ich beschlossen daher, die Sache erst Ende August anzugehen, wenn auch der letzte Schnee — die Ursache des Steinfalls — verschwunden sein würde. Von selbst kommen die Steine nicht ins Rollen. Entweder löst sie der wind oben los oder das rieselnde Wasser unterspült ihre Unterlage, so daß sie das Gleichgewicht verlieren und ins Rutschen kommen; oder aber — und das ist der häufigste Fall — der Steinschlag kommt von steilen, trümmerbesäten Firnflecken. Über Nacht frieren die Steine im Schnee fest, unter Tags löst sich dann mit dem Weichwerden des Schnees die starre Fessel, und der Stein nimmt seinen Lauf der Ciefe zu. Der mittlere Ceil der wand, rechts des „Schwarzen Grabens", zwischen diesem und der eiserfüllten Schlucht, durch die der „Jug-weg" durch die wand führt, gleicht der Schlußplatte einer riesigen Pyramide, aus der vier ungeheure Strebepfeiler, deutlich erkennbar, wie Dachfirste hervortreten. Der gewaltigste dieser Pfeiler ist der unmittelbar neben dem „Schwarzen Graben". Charakteristisch für diesen Ceil der Criglavmauer sind die kolossalen gelben wandabbrüche. Der erste Pfeiler, der neben dem „Schwarzen Graben", reicht durch die ganze Höhe der wand, die drei anderen verlieren sich schon in halber Wandhöhe oder noch weiter oben in glatte, ungegliederte Überhänge. / Kein Wunder also, daß es der erste Pfeiler ist, der die Aufmerksamkeit des Kletterers ganz auf sich zieht. Gute zoo m unter der Höhe der wand fällt in der steilen pfeilerkante ein vollkommen senkrechter, glatter Abbruch auf, dem Bug eines Riesenschiffes vergleichbar. Diese Stelle war es, die uns beim Studium unserer Route das meiste Kopfzerbrechen verursachte; so sehr wir uns auch bemühten, wir kamen zu keinem endgiltigen Schluß, wie diese Stelle überwunden werden könnte, wir waren darauf gefaßt, an diesem Abbruch zu scheitern — außer es sollte eine ganz besondere Überraschung unser harren. Im Laufe des Sommers habe ich dieses „Schiff" vom „Slovenischen weg" noch einige Male ganz genau betrachtet und studiert, immer mit dem gleichen Ergebnis: Ich zuckte die Achseln und kletterte weiter. Immerhin nährte ich noch einen Hoffnungsschimmer, denn ich hatte in der dem Graben zugekehrten pfeilerflanke am „Schiff" einen feinen, grünen, schief nach oben verlaufenden Strich entdeckt, der an der pfeilerkante ansetzt, nach links empor zieht und sich dann in einer kleinen Gufel verliert; aus dieser schießt bei Regen ein Gießbach herab, der am Schiffsrumpf einen wafferfallähnlichen, schmutzigschwarzen Streifen hinterläßt. Alle Anzeichen sprachen dafür, daß dort ein Band oder wenigstens ein feiner Riß verlief, der ein vernünftiges Wort mit sich reden lassen würde. Aber IoLe und ich waren uns darin einig, daß das wohl eine der bösesten Stellen sein würde, mit denen wir es je zu tun gehabt haben; insgeheim hoffte ein jeder von uns auf einen glücklichen Ausgang des Abenteuers und auf eine unerwartete Durchschlupfmöglichkeit, äußerlich aber schüttelten wir beide unser weises Haupt, wer sich das „Schiff" genau besieht, wird sich über unsere Zweifel schwerlich wundern. Im Sommer interessierten wir auch Stane für den plan; ohne lange zu überlegen war er Feuer und Flamme für das Projekt, wir kamen soeben von einer Tour auf die 8iroka peö. Tags darauf stiegen wir in den „Deutschen weg" ein, um von dort das gegen den „Schwarzen Graben" führende Band aus der Nähe auf seine Gangbarkeit zu prüfen. Ergebnis der Erkundung: Höchstwahrscheinlich wird es, mehr oder minder schwierig, auf diesem Wege möglich sein, in den Graben hineinzukommen, wie es dann weiter geht, das konnte sich nur an Grt und Stelle weisen. So gewann unser Schlachtplan Schritt um Schritt festere Gestalt, wir wollten die Sache anpacken, sobald das Wetter beständig aussah und JoLe abkommen konnte. Stane und ich waren also keineswegs Überrascht, als wir, nach einem Bummel auf die Mojstrovka per Rad vom VrsiL nach Belca heimgekehrt, hier JoLe vorfanden. Rasch packten wir unsere Sachen zusammen und zogen los ins Vratatal. Am 27. August 1928 stiegen wir um 9 Uhr in den „Deutschen weg" ein. Die Genagelten ließen wir beim Einstieg unter einem Felsblock zurück. Denn sie sind erstens bei schweren Touren im Rucksack höchst hinderlich, zweitens rechneten wir doch auch stark mit der Möglichkeit, abgeschlagen zu werden und sehr bald wieder hier beim Einstieg zu landen. Und wahrlich, wir haben sie auf der ganzen Tour recht leicht vermißt! wir verfolgten zunächst den „Deutschen weg" etwa 150 m hoch bis zu einem gratartigen Felsköpfl mit auffallendem Latschenbestand. Dieses Köpft liegt ein wenig rechts des „Deutschen Weges" und trägt einen Steinmann, in dem wir die Unterschriften aller Bergungsleute fanden, die auf die Suche nach dem verunglückten Topolovec ausgezogen und dort umgekehrt waren, weil die Guerung in den „Schwarzen Graben" angeblich nicht möglich war. wieso man damals zu dieser Ansicht gelangte, war mir nicht berichtet worden, doch ist es mir vollkommen verständlich. Blickt man nämlich vom Grat des Felsköpfls nach rechts, so sieht man, daß ein breites Rasenband in diese Richtung zieht, das dann aber plötzlich wie abgehackt abbricht. Auch wir hatten das erste Mal, als wir nur vom „Deutschen weg" aus rekognoszierten, jenseits des Bandes einen Abbruch vermutet und waren schon nahe daran gewesen, jeden Gedanken an den „Schwarzen Graben" aufzugeben. Doch meine Neugier hatte mich bis zum Ende des Bandes getrieben, ich wollte völlige Gewißheit haben. Dort erst sah ich, daß sich das Band hinter einer Ecke ziemlich stark senkt, sich aber dann sehr schön noch weiter fortsetzt. Ich beging dieses schöne, breite Band schon damals, querte auf ihm ungefähr bis zur Hälfte der Entfernung zum „Schwarzen Graben" und gelangte so zur Überzeugung, daß es möglich ist, in den Graben zu kommen. Von unserem Grätchen stiegen wir zunächst einige Meter ab und verfolgten dann das Band etwa 100 m nach rechts bis in einen recht geräumigen, feinbekiesten Kessel, der sich in die glatte wand einbuchtet. t?uc in der Richtung gegen den „Deutschen weg" ist die wand von einer großen Schlucht durchriffen. Das große Band fetzt sich auch noch weiter nach rechts fort, verästelt sich aber in mehrere schmälere Geröll-und Rasenbänder. Über diesen Bändern dünne, wie an die wand geklebte Felsschuppen, eine sehr charakteristische Erscheinung, sie künden dir, daß du am rechten Wege bist. Das oberste dieser Bänder führte uns zu einem stattlichen Turnt, der aus der wand hervortritt und sich derart an sie anlehnt, daß die Berührungslinie einen kurzen Kamin bildet. Durch diesen erkletterten wir den Turm, hinter dem sich die Bänder noch weiter zu einem zweiten, höheren und noch mächtigeren Turm fortsetzen, und erstiegen auch diesen Turm durch einen breiten, nicht sonderlich steilen Einriß. Ein ebenes, im rechten Winkel aus der wand vorspringendes Plätzchen, zum Ausruhen und zum Sichern wie geschaffen, bildet den Scheitel des Turmes. Auf der anderen Seite eine glatte, senkrechte wand, die, völlig ungegliedert, in einem einzigen Absatz bis zum Schuttkar ober der Feistritz abbricht. Bänder, die wir hier zu finden gehofft hatten, gibt es nicht, es wies sich uns also kein anderer weg als gerade empor. Glatt und lotrecht ist die wand über dem Turm, doch wird sie schon ziemlich weit oben in der Mitte von zwei Bändern durchzogen. Zum ersten Band leitet vom Turnt ein enger Riß empor, er vermittelte uns den Weiterweg. JoLe kletterte durch ihn schwierig etwa 8 m hoch zum ersten Band und fand dort nach langem Suchen eine Ritze, in die er einen Sicherungshaken eintreiben konnte. Aber der Haken, den JoLe in Gott weiß welcher wand erbeutet hatte (er stammte von deutschen Kletterern), brach in der Mitte glatt entzwei, so daß JoLe noch einen Haken heimischer Herkunft schlagen mußte, an dem er sich dann sicherte. Als ich zu JoLe nachgekommen war, entdeckte ich durch Zufall hinter einem Felsvorsprung einen verrosteten Sicherungshaken, in den wir jetzt das Seil mit dem Karabiner einhängten, weil unser Haken nicht recht festsitzen wollte. Dieser Haken stammte höchstwahrscheinlich von den beiden schon erwähnten bayrischen Kletterern (Georg Kuglstatter und *£aw Unger), die den unmittelbaren Anstieg vom Karboden unterhalb des „Schwarzen Grabens" zum „Deutschen Pfeiler" gefunden haben (Bayerländerweg), Hier hatten sie sich vermutlich zu weit nach rechts gehalten; als sie erkannten, daß man von hier nicht auf den „Deutschen Pfeiler" kommen kann, gingen sie ein Stück zurück, ließen den Haken in der wand stecken und suchten den Durchstieg weiter links. Jedenfalls haben wir irgendwo auf dem Band den Bayerländerweg gekreuzt, sind ihm vielleicht auch einige Schritte gefolgt, aber gewiß nicht weit, denn der Bayerländerweg führt hier senkrecht empor,' während unser weg quert. Der bayrische Haken kam uns sehr gelegen, denn eine gefährliche Guerung lag jetzt vor uns: Unter einer tückischen Auflage feinen (Briefes ein ganz schmales abschüssiges Band, wie leicht gleitet der Kletterschuh im haltlosen Sand; sorgfältig muß der Fuß das lose Zeug wegscharren, ehe ec festen Grund unter sich fühlt. Auf diesem Bande, das sich immer kümmerlicher und oft unterbrochen an die Felsen schmiegt, schlichen wir vorsichtig um eine Ecke in eine ziemlich geräumige Wandeinbuchtung. Von hier muß man noch etwa r m weiterqueren, dann erst geht es wieder empor. Das Band setzt sich zwar noch weiter nach rechts fort, ist aber sehr schmal und überwölbt, außerdem hängt es in äußerster Ausgesetztheit über ungeheuren Abgründen. Eine gewisse Vermutung spricht dafür, daß auch dieses Band um die Ecke und in den „Schwarzen Graben" oder unmittelbar unter diesen führen dürfte, aber das weiterklettern dort wäre eine sehr gewagte Sache gewesen, denn auf diesem ganz schmalen Band hätte man nur kriechen können. Deshalb entschieden wir uns für den anderen, vielleicht nicht viel besseren, Ausweg: Gerade empor über die senkrechte wand! Hier — schon jenseits der Einbuchtung — wird die lotrechte wand von einer griffarmen Verschneidung durchzogen, in deren Winkel ein zwei Finger breiter Spalt eingekerbt ist. Ehe man in die Verschneidung selbst kommt, heißt es, vom Band aus einen glatten Überhang erklettern. Um sich sichern zu können, schlug JoLe, ehe er sich über den Überhang in die Verschneidung schob, einen weiteren Haken. Diese Verschneidung ist ein arger Schinder, sehr griffarm und auch recht brüchig; ich bekam beim Sichern andauernd Steinbrocken auf den Kopf, während der tiefer unten auf dem Bande wartende Stane gedeckt war. Aus der Verschneidung stieg IoLe auf ein zweites Band aus, das jedoch beiderseits in der Entfernung von einigen Metern abbricht, so daß wir wieder gerade empor weiter mußten, über einen bauchigen und auch wieder sehr brüchigen Überhang, Hoch ist dieser Überhang zwar nicht. Man kann, wenn man sich gut streckt, vom Bande aus über ihn hinausgreifen, aber damit ist nichts gewonnen, denn er geht nach oben in eine geneigte, schotterbedeckte Platte über. Da hilft kein noch so wildes Scharren im Sand. Kein Griff, an dem man sich Hochziehen kann! So und so geht es nicht, es ist eben nichts da, was man fassen, woran man klettern könnte, hübsch lang hing IoLe in diesem Überhang, ehe es ihm gelang, für seinen Fuß soviel Halt zu finden, daß er sicher genug stand, um oberhalb des Überhanges einen Haken zu schlagen, dessen Ring uns dann den von der Natur verweigerten Griff ersetzte. So überwanden wir denn bäuchlings diesen Überhang und landeten in einem kleinen, geröllerfüllten Kessel. Hier legt sich das Gelände merklich zurück; fast auf ebenem Boden kam ich mir vor, als wir nach rechts einbogen und über ausgewaschene Platten dem tiefen Grunde des „Schwarzen Grabens" zustrebten. Der „Schwarze Graben" ist ein mächtig breiter Einriß von gewaltiger Längenausdehnung, im Laufe der Jahrtausende von niederprasselnden Lawinen ausgehobelt und von herabtosenden Sturzwaffern glattgefegt. Die linke Begrenzungswand (im Sinne des Anstieges) bilden hohe, schwarze, wasserüberronnene Abbrüche, die rechte wand ist weniger steil und weiter oben, oberhalb der ersten Schluchtabsätze, überdies von zahlreichen Bändern durchzogen. Im Schluchtgrund weiße, abgeschliffene Platten, fast ganz mit Schotter und grobem Blockwerk zugedeckt. An manchen Stellen ist die Schlucht nur so wenig geneigt, daß man kaum eine Steigung merkt, doch über jeder dieser Verflachungen dräut ein hoher, senkrechter Schluchtabsatz. wir erreichten den „Schwarzen Graben" ganz unten, bei seinem Beginn. Er bildet hier eine ziemlich große, schottererfüllte Mulde, deren Schwelle unvermittelt 300 m senkrecht ins Kar abbricht. So steil sind die wände ringsherum, daß es uns fast den Atem verschlug, voll Spannung harrten wir der unbekannten Dinge, die da kommen würden. Oberhalb der Mulde ist die Sohle des Grabens ganz eng und tief eingeschnitten; zwei hohe, unerkletterbare Absätze sperren sie. Feines waffergeriesel kommt hier herab und sammelt sich unten in zwei kleinen Tümpeln. Links, gegen den „Deutschen Pfeiler" zu, ist die wand ganz glatt und bauchig-überhängend — aussichtslos. Die einzige Möglichkeit zur Umgehung des unteren Absatzes schien uns ein finsterer, unfreundlich aussehender Kamin in der wand rechts zu sein. Gemächlich versorgten wir uns mit frischem Wasser und wandten uns dann auf blankgescheuertem Bande nach rechts dem Kamin zu. wir wollten für den Fall, daß sich die Berichte, die von häufigem Steinschlag int Graben zu erzählen wußten, bewahrheiten sollten, sicher und gedeckt sein. Aber unsere Bedenken erwiesen sich als unbegründet. Auf unserem ganzen Wege durch den „Schwarzen Graben" fiel nicht das kleinste Steinchen, ausgenommen Steine, die wir selbst abgetreten hatten. So waren wir, Gott sei Dank, einer großen Sorge enthoben, Nun es gerade Mittag und der Ort günstig war, ließen wir uns auf dem Band zu einem bescheidenen Mittagsimbiß nieder und gönnten uns. eine kurze Rast, um den später zu erwartenden Schwierigkeiten neugestärkt gegenübertreten zu können. Am Band errichteten wir einen Triglav aus dem KriLki podi Lichtbild von Ing. Wilhelm Dronowicz, Maria-Rain Steinmann, bargen in ihm einen Zettel mit unseren Unterschriften, banden uns an unser 50 m langes Seil und kletterten los. Der Kamin ist über ro m hoch und von der Mitte weiter mauerglatt. Dazu hängt er in seiner zweiten Hälfte auf eine lange Strecke stark über und fällt erst beim Ausstieg in seinen ursprünglichen Neigungswinkel zurück. Aber zum Glück ist er sehr tief eingeschnitten und seine wände verlaufen fast parallel und in so bequemem Abstand, daß man regelrecht stemmen kann. Io Le hatte bald erkannt, daß der Rucksack hier ein gefährlicher Begleiter ist und stieg daher ohne Gepäck in den Kamin ein. Bis zum Überhang kam er, geschickt übergreifend und übertretend, recht flott; dann aber war es mit Griffen Essig, und er mußte mit dem Rücken gegen die linke, glatte wand stemmen, mit den Fußsohlen gegen die rauhere rechte. Langsam und mühselig zwängte er sich empor. Er konnte die Reibung nur mit Rücken und Sohlen ausnützen. Die Handflächen tasteten dabei mehr gewohnheitsgemäß als wirklich helfend hinter dem Rücken nach Stützpunkten. Diese Art der Fortbewegung ermüdet außerordentlich und läßt einen auch bei kurzen Kletterstellen stark außer Atem kommen. Noch unterhalb des Kaminendes wandte sich 3ože um eine überhängende Kante nach links aus dem Kamin in die freie wand hinaus, denn der Kamin selbst verliert sich weiter oben bald in einem Plattenschuß, der keine schwache Stelle erkennen läßt, hinter der Kante befand sich, wie auf Bestellung, ein kleines Felsköpfl, gerade groß genug, daß man den Fuß voll auf-setzen konnte. Das Seil hatte genau bis hin gereicht. t$ier wartete JoLe, an die wand geschmiegt, und sicherte uns. Als ich zu ihm nachgeklettert war, querte er ohne besondere Schwierigkeiten nach links über plattige Felsen und ging, um eine Ecke herum, wieder die ganze Seillänge aus. JoLe war ohne Schlosserei losgeklettert. Jetzt ließ er sich von Stane auf dem Umwege über mich einige Haken am Seil nachreichen. Er meinte, er würde vermutlich einen Abseilhaken brauchen, denn höchstwahrscheinlich gehe es hier nicht weiter und wir müßten zurück! Stane hatte schon ein ganzes Büschel Haken ans Seil gebunden, ich war gerade dabei, sie zu mir heraufzuhissen, als uns 0ože noch ein wenig zuwarten hieß. Ganz links hatte er einen gangbaren Weiterweg erspäht. Er seilte sich los, befestigte das Seil an einem verläßlichen Vorsprung und ging noch ein Stück weiter, um sich die Lage zu besehen. Bald vernahmen wir die frohe Kunde, er habe sich in der Einschätzung der Schwierigkeiten geirrt, weiter oben sei alles in bester (Drtmung. Dann seilte er sich wieder an. Stane hatte unterdessen an Stelle der Haken seinen und meinen Rucksack ans Seil gebunden, auch die Haken und sonst noch einige schwerere Gegenstände aus JoLes Rucksack in den pack hineingestopft. Dann verlängerte er das Seil mit unserem 25 m langen Reserveseil, um beide Rucksäcke, falls sie sich im Kamin verklemmen sollten, von unten dirigieren zu können, während ich sie, auf dem Vorsprung gut postiert und von 3ože am gespannten Seil gesichert, mühsam zu mir heraufzog. Schließlich seilte sich Stane an das Seilende an und kam mit 3ožes jetzt leichtem Rucksack durch den überaus anstrengenden Kamin zu mir auf das Felsköpfl nach. Jeder nahm seinen Schnerfer wieder auf, und wir querten einzeln zu JoLe hinüber, wir bewegten uns jetzt ganz nahe am Grunde des Grabens; nach Erkletterung einer geneigten Platte landeten wir glücklich auf der ersten Stufe. Auch die zweite, höhere Stufe ist nicht frontal ersteigbar, doch führen von ihrem Fuß einige Bänder rechts ansteigend empor. Dem obersten dieser Bänder, auf dem einige dürftige Latschen wachsen, vertrauten wir uns an und verfolgten es so lange, bis sich hinter einer Wandecke das Gelände zurücklegt und den weg nach links freigibt. Dort sind in der wand übereinander zwei kurze Kamine eingeschnitten, die sich als sehr harmlos erwiesen, nicht einmal, daß sie ziemlich brüchig waren, haben wir ihnen sonderlich verargt. Mit dieser Schleife am Band nach rechts hinauf und dann nach links zurück ansteigend, durch die beiden Kamine empor, schlägt man diesem zweiten hohen Absatz ein elegantes Schnippchen, denn der Ausstieg aus dem zweiten Kamin brachte uns schon oberhalb der Stufe in eine von breiten Bändern reichlich durchzogene Flanke. Von hier hätten wir uns leicht nach rechts gegen die pfeilerkante halten und ihr folgen können; doch wandten wir uns lieber links der Sohle des „Schwarzen Grabens" zu, denn dort hofften wir eine Spur von Topolovec zu entdecken; und das war doch unser erstes und hauptsächliches Vorhaben, dem wir nicht untreu werden wollten. Ober der zweiten Stufe ist die Grabensohle nur wenig geneigt und verbreitert sich immer mehr, denn auch die linke Begrenzungswand tritt hier, wie von einer gewaltigen, unsichtbar wirkenden Kraft zur Seite gedrückt, ein wenig zurück. wir waren schon einige Zeit im Graben angestiegen, als sich JoLe, der voranging, plötzlich bückte und aus dem Schutt einen braunen, karrierten, ganz zerrissenen und ausgelaugten Fetzen hervorscharrte. Die erste Spur auf der Suche nach dem Loten! Ein kalter Schauer lief uns über den Rücken, das Wort erstarb uns auf den Lippen, wir waren in das Reich des Todes eingetreten, standen vor dem großen, schweigenden Grab, das die Berge dem, der sie über alles geliebt, erkoren und bereitet hatten... Menschenschicksal, wie unerbittlich hart und grausam bist du! wir nahmen den Stoffrest mit. Uns zum Andenken an den Bergkameraden, den wir persönlich nie gekannt haben, zum Andenken auch für seine Angehörigen. Ein wenig höher oben machten wir neuerlich einen sehr seltsamen Fund: Im Geröll lag da ein Stück verrosteten, fünf Millimeter starken Eisendrahtes, ein paar Meter lang, wir zerbrachen uns den Kopf darüber, wie dieser Draht her in diese Einöde gekommen sein mochte; wir konnten es uns nur so erklären, daß ein Arbeiter beim Bau des Weges über das Kugyband diesen Draht fallen gelassen hat. Allerdings war dieser Draht viel dünner als die zum Bau von Steiganlagen verwendeten Drahtseile und im Gegensatz zu diesen ganz glatt, nicht gedreht. Lawinen und Wildwaffer haben den Draht dann wohl bis her herabgetragen, genau wie das Stückchen Stoff; wie anders sollte er hergekommen sein; Mit größter Aufmerksamkeit sahen wir uns dann, als wir im Graben weiter stiegen, nach allen Richtungen um, durchstöberten jeden Schluf hinter den herumliegenden Felsblöcken, auf daß uns auch die geringste Spur nicht entgehe. So kamen wir zu einer kleinen Stufe, deren glatte Platten wie an die wand gelehnte Tafeln aussahen. Das war ein genußvolles Klettern an eisenfesten Griffen. Steine und Lawinen fegen hier alles morsche Zeug weg, das nicht niet- und nagelfest ist, und lagern es weiter unten im weniger steilen Gelände ab. Auf diese Stufe folgt, in den Grabenlauf eingebettet, ein kleiner, flacher Kessel, aus dem sich dann eine zweite plattige wandftufe, viel höher als die vorige, erhebt. Im Kessel erspähte JoLes scharfes Auge unter einem großen Block ein Stück eines ledernen Gürtels, den er mit viel Mühe vollends aus seiner Schotterumklammerung befreite. Der Gürtel war, obzwar sichtlich aus gutem, starkem Material, von den scharfen Steinen und vom Wasser ganz zermürbt und zerfressen. Man sah deutlich, daß er gerissen war; weiß Gott, wo das kleinere, fehlende Stück geblieben ist! Im Frühling, wenn die Lawinen zu Tal donnern, wenn vom Regen angeschwollene Gießbäche herabtosen, muß es in diesem Graben ganz fürchterlich sein. Überkam uns doch selbst an diesem schönen, heiteren Sommertag das Gruseln, als wir diese düstere Stätte betraten, in die sich nie ein Sonnenstrahl verirren kann! Oberhalb der Stelle, an der wir den Riemen gefunden hatten, versperrte uns ein gewaltiger, lotrechter Aufschwung unvermittelt den Weiterweg und zwang uns, auf einem breiten, terraffenartigen Band nach rechts an die pfeilerkante auszuweichen. Dort trafen wir auf einem Band auf Gemslosung. wie diese Tiere in die wand gekommen sein mochten, war uns rätselhaft. Erst später sahen wir in der anderen Flanke des Pfeilers, daß dort breite Schotterbänder weiter nach rechts führen, über diese Bänder kommen die Gemsen vom „Jug-Weg" her auf großen Umwegen aus der Trenta oder vielleicht von noch weiter unten aus den Tiefen des Vratatales — wer kann das wissen; Von der Terrasse stiegen wir weiter an und kamen, ohne auf Schwierigkeiten zu stoßen, an die Pfeilerrippe, die hier — in etwa halber Wandhöhe — nur ganz schwach geneigt ist und auf einer ziemlich langen Strecke einen fast ganz waagrechten Grat bildet. Eigentlich prägt sich der Pfeiler erst oberhalb dieses Gratstückes richtig aus und schwingt sich nahezu senkrecht aus fürchterlichen Abgründen zur »^ö^e. Seine unteren Partien wirken wie ein mächtiges, breites Postament, das die kolossale Wucht des oberen Pfeileraufbaues zu stützen und zu tragen hat. Am Grat entledigten wir uns unserer Rucksäcke und verewigten die Erinnerung an unsere Tour durch Erbauung eines großen Steinmannes, wir hatten nämlich beschlossen, hier am Kamm, wo es genug ebenen Platz gab, die Nacht zu verbringen und erst am folgenden Tag — umzukehren. Denn die wand, die sich da vor uns aufbäumte, sah auf den ersten Anblick wahrlich wenig einladend aus. Der ganze Pfeiler ist ungemein steil und ausgesetzt. In der Mitte ist seine wand von einem mächtigen Kamin durchriffen, der oben jedoch in eine große, von Überhängen abgeschlossene Wandhöhlung ausläuft, aus der es anscheinend keinen Ausweg gibt. Einen letzten Hoffnungsrest hegten wir aber doch noch, denn in der linken Begrenzungswand dieses Kamins ist ein zweiter, kleinerer Kamin eingeschnitten, welcher der pfeilerkante zustrebt, wir hatten keine Gelegenheit, uns das aus der Nähe zu betrachten, mag sein, daß dieser Kamin gut gangbar ist und in die gegliederteren Wandpartien emporführt, die wir später auf anderem Wege erreicht haben; wie dem auch sei, zuguterletzt muß jeder, der diesen Pfeiler erklettern will, unter dem berüchtigten „Schiff" landen; dorthin führen alle Wege — wie nach Rom! Auch die Rippe links des Kamins unterzogen wir einer Prüfung; sie sieht nicht unbedingt ab- weisend aus. Vermutlich müßte es auch an ihr empor irgendwie gehen. Und ohne Schwierigkeiten kommt man eben in der oberen Hälfte der Triglavwand nirgends durch. Unser vorläufiges Ziel war jedoch der oberste Kessel des „Schwarzen Grabens", denn dort, das wußten wir, konnten wir am ehesten erwarten, weitere Spuren der Tragödie von 1924 zu finden. Außerdem hegten wir insgeheim immer noch die Erwartung, irgendwo in der linken Begrenzungswand des „Schwarzen Grabens" ein Band ausfindig zu machen, auf dem wir uns, wenn es nicht anders ging, zum „Deutschen Pfeiler" durchschlagen konnten, oder einen Durchstieg aus dem innersten Kessel durch die linke pfeilerflanke auszuspüren. Das alles konnten wir aber von hier nicht sehen, denn unser Grat verläuft in gebrochener Linie, so daß die pfeilerkante jeden Einblick in die Flanke verwehrt. So banden wir uns wieder an das kürzere Seil, nahmen nur unsere Feldflaschen mit, um Wasser zu fassen, und stiegen über einen kurzen Absatz vollends auf die Grathöhe hinauf, die wir dann gleich wieder nach links verließen. Auch hier stießen wir auf Gemsspuren und, siehe da, dort, auf einem Bändchen, erblickten wir ganz deutlich ein regelrecht ausgetretenes Gemssteiglein. wie herzlich freute uns das! Denn wenn Gemsen hier hereinkommen, werden auch wir ganz gewiß wieder hinausfinden. Dieses Steiglein brachte uns rasch in den Schlußkeffel des „Schwarzen Grabens". Kaum konnten wir es erwarten, noch mehr zu erfahren, nicht nur unbezähmbare Neugier war es, die uns mit unwiderstehlicher Macht weiter trieb. Aber je mehr wir uns dem Graben näherten, desto stärker legte es sich auf unser Gemüt, desto schwerer wurden uns die Beine, mit Unruhe und Bangen harrten wir der Dinge, die da kommen würden, wie, wenn... Barmherziger Himmel! Gleich unten an der Schwelle des Kessels stießen wir in einer - sandigen Rinne auf Stoffreste, und je höher wir kamen, desto häufiger wurden die Anzeichen und Spuren, daß wir hier am Ort waren, an dem sich das traurige Schicksal eines jungen Lebens erfüllt hatte. Ergriffen räumten wir behutsam den deckenden Sand zur Seite, das Wasser trat uns in die Augen. Hier war der eigentliche Schauplatz des Unglücks. Dort, in der ausgewaschenen Plattenrinne eingekeilt, wieder Überbleibsel von Kleidungsstücken, der ganze Boden war wie besät damit: Ein Stück von einer Hose, ein Fetzen Rucksackftoff, Reste eines Hemdes, ein Strumpf... Ein erschütternder Anblick, den ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen werde... Vom Verunglückten selbst keine Spur; wir hätten die Ruhe und den Frieden dieser uns heiligen Überreste gewiß nicht gestört, nur hätten wir sie, wie es frommer Christenpflicht geziemt, fürsorglich Ln die Erde zur Ruhe gebettet. Auch von den Schuhen war nichts zu sehen, nichts vom Inhalt des Rucksackes und auch sonst keinerlei Ausrüstungsstücke; überall nur zerrissene, halbverschüttete Stoffreste, vom Wasser ganz ausgewaschen und zerfressen, wir blickten empor. Von dort oben war der arme Junge vor vier Jahren abgestürzt! Es schauderte uns. Unmittelbar über unseren Häuptern eine 500 m hohe, senkrechte, vielfach überhängende wand, glatt und blank wie die Fläche eines Spiegels. Kein Vorsprung, an dem das Auge haften könnte, selbst der suchende Blick gleitet haltlos von diesem Gemäuer ab. Das also war die Stelle, wo der mutig-tatenfrohe Junge seinen Todessturz getan... In einem einzigen Satz hat ihn die Triglavwand fünfhundert Meter hinabgeschleudert auf diese weiße, blankgeschliffene Platte; hier harrt er jetzt des Tages, da er zur Stunde des Gerichtes wieder zur Höhe empor steigen wird... wer sich diese „Schwarze wand" aus der Nähe betrachtet, wird sich gewiß nicht wundern, daß wir auch nicht das kleinste Knöchelchen gefunden haben, denn alle Knochen müssen bei diesem furchtbaren Aufschlag in tausend Stücke zersplittert und, ein Spielball des Wassers und der Muhren, in alle winde zerstreut worden sein. Der Triglav selbst hat sich seines Opfers erbarmt, hat seine irdische Hülle fürsorglich geborgen und in einer unermeßlich großen Grabstätte zur Ruhe gebettet. Die Seele aber erhebt sich in befreitem Fluge über den Triglav hinaus in die paradiesischen Gefilde empor zu den lichten Höhen, die der Tote immer so sehr geliebt. Es war ganz gut so, daß wir nicht mehr gefunden haben. Schon der Anblick dieser traurigen Reste, die das Werk der Zerstörung noch übrig gelassen hatte, dieser gebleichten Fetzen, die dräuende „Schwarze wand" über uns, der Gedanke an alles, was sich hier abgespielt hatte, das allein schon griff uns wie mit harter, eisigkalter Hand ans Herz. In unserem Fühlen und Empfinden war es wie zu Allerseelen, nur stärker noch als an diesem Tage lastete die Todesstimmung jetzt auf unserem Gemüt. Gesenkten Hauptes und ganz erfüllt von dem Gedanken an das traurige Geschehen standen wir da auf diesem erhabensten Friedhof unserer Bergheimat... Noch nie hatten wir dem' Tode so tief ins Auge geblickt. „Kinder, jeder ein Vaterunser!" Und leise stammelten wir ein kurzes, heißes Gebet für den toten Kameraden... Ruhe sanft, du prächtiger Junge, in deinem gewaltigen Grabmal, aus dem der Hauch des Todes wehtr------ wie gut erinnere ich mich noch jener Zeit im Jahre 1924, als Dr. Jug und Topolovec knapp nacheinander zu Tode stürzten, nie werde ich das vergessen. Gar viele Leute äußerten damals diese oder jene Ansicht. Der eine vergoß Tränen des Mitleids, der andere zuckte nur mit den Achseln, und manche gab es, die da meinten: „Geschieht ihnen schon recht; wozu kriechen auch diese Leute in den wänden herum und tragen so ihre Haut zu Markte: Das, was sie gesucht haben, das haben sie gefunden!" Mit solchen Leuten kann man schwer reden, wirklich sehr, sehr schwer, warum sind sie nicht offen und ehrlich genug, den Dingen auf den Grund zu gehen und ihnen geraden Blickes gegenüberzutreten; „wozu;", diese kalte, böswillige Frage führen Leute im Munde, die sich keineswegs entsetzen oder auch nur ein Wort der Verurteilung hören lassen, wenn sie heute und täglich in der Zeitung lesen: „Der und der hat sich in den besten Jahren mit eigener Hand das Leben genommen." „In Schmutz und Trunksucht ist er untergegangen, hat \£ wir gehen allein hinunter und brauchen niemanden!" Er stand auf und taumelte an die wand, blieb aber stehen. „Selbstverständlich gehen wir allein!" Ich seilte ihn an und schlug einen Mauerhaken ein. wir mußten die luftige Traverse zum Gang hinter dem Pfeiler queren. Edo versuchte drei-, viermal vergebens. Er hatte keine Kraft, und ich konnte ihm hier nicht helfen. Immer wieder setzte er sich kraftlos auf das Band. Es waren bange Augenblicke! Er versuchte es aufs neue. Ich ließ das Seil nur langsam nach und er-wartete jeden Augenblick seinen Sturz. Aber diesmal glückte es, er erreichte den Gang und war in Sicherheit. Ich nahm beide Rucksäcke und seilte mich los, damit ich im Falle eines Sturzes meinen Freund nicht mitreißen würde. Es ging aber vorzüglich. Im Gang half ich dem Freund, sich niederzulegen. Den Kopf bettete ich ihm auf einen der Rucksäcke und reichte ihm den letzten Schluck Kaffee. Er schlief gleich ein, benommen vom Sturz und geschwächt vom Blutverlust. Ich kletterte auf den Pfeiler und rief um Hilfe. Irgendwo hoch oben hörte ich eine Stimme, die aber gleich verklang. Ich rief noch einmal, und die Gefährten meldeten sich von der Zaplanja (zwischen Bambergweg und Kugyband). „Herunter! Hilfe! Edo ist gestürzt!" Die Antwort verstand ich nicht, doch aus dem Klang der Stimmen entnahm ich, daß sie mich verstanden hatten. Edo schlief. Unter dem Gang schlug ich zwei Mauerhaken ein und band eine große Abseilschlinge. Nun begab ich mich wieder zum Freund. „Edo, wach auf, wir müssen weiter!" „Ich bin durstig, gib mir Wasser!" „Ich habe es nicht, Edo, gedulde dich!" „warum willst du mir kein Wasser geben, gib es mir doch!" „Ich habe es nicht!" „Wasser!" Ich wartete und wartete. Es verging eine Stunde, vielleicht auch mehr. Endlich glückte es mir, den Freund zu wecken. Mit großer Mühe kroch er zur Abseilschlinge, von der ich ihn abseilen konnte. Er legte sich das Seil um den Oberschenkel, um den Druck auf den Brustkorb zu vermindern. Gut gesichert ließ ich das Seil langsam nach. Es ging sehr Zl8 gut, da DerLaj als ausgezeichneter Kletterer unterbewußt kletterte und mithalf. Bei einem guten Standplatz angelangt, blieb er sitzen und schlief gleich ein. Ich folgte mit den Rucksäcken. Die Zeit verflog, und wir kamen nur langsam tiefer. Riß um Riß ließen wir hinter uns. Kaum zo Meter trennten uns noch vom Einstiegband. Auf einem ziemlich bequemen Platze schlief Edo wieder ein. Ich aber rief. Auf dem Schneefeld unter der wand meldete sich der Hüttenwart Torkar. Ich erzählte ihm, was geschehen war, und er fragte mich, ob ich ihm helfen könne, hinauf zu kommen. Ich verneinte, da ich den Freund nicht allein lassen durfte. Torkar sagte mir, daß ein wiener Turist zu »oilfe käme. Ich sah auf dem Schneefeld neben Torkar einen Menschen stehen und rief ihn an. Es begann ein unendlich langes Zwiegespräch ... Lauter Fragen nach wie, woher, warum — und wo er heraufklettern solle... — und ich ungeduldig in Angst und Sorge um den Freund. Endlich verschwand der Turist in den Felsen. Ich sagte ihm, wo er klettern solle. Das lebhafte Gespräch weckte meinen Gefährten. Sobald er hörte, es käme Hilfe, wollte er allein absteigen. Ich hätte gerne auf den Turisten gewartet, doch des Freundes Wille war ausschlaggebend. Langsam seilte ich Edo ab und feuerte unterdessen den Turisten an, schneller zu gehen. DerLaj war kaum ein paar Meter vom Einstiegband entfernt, als auch der Turist eintraf. Er half meinem Freund, sich unter einen Überhang zu legen, da ich fürchtete, ihn durch Steinschlag beim Abseilen der Rucksäcke zu verletzen. Der wiener löste das Seil vom Freunde, und so konnte ich für die letzte Strecke das ganze Seil gebrauchen. Bald war auch ich unten. „Wasser!" Unter einem Schneeflecken fand ich eine kleine Wasserlache. Mit der Hand fing ich einige Tropfen, die der Freund gierig austrank. An mich gelehnt, rückwärts vom Helfer gestützt, schritten wir langsam das Band entlang. Drei, vier Meter, dann mußte DerLaj rasten. Es waren für ihn unerträgliche Gualen. Der Turist drängte wegen der einbrechenden Dämmerung und Kälte zur Eile. Doch es ging nicht schneller. Beim dritten Schneeflecken mußten wir wieder rasten. Ich hörte Rufe und trat an den Rand des Bandes. Es war mein Vetter Kramer, der mir mitteilte, daß jeden Augenblick die Rettungsmannschaft aus Mojstrana einlangen müsse. Der Freund lag bewußtlos auf dem Bande. Ich bat den Turisten, er möge den Kopf des Verwundeten in seinen Schoß nehmen, und deckte DerLaj mit einem Wollsweater zu. 3*9 „Na, die werden erst in der Nacht herauf kommen. Es wird mordskalt werden." „Ich werde Ihnen meine Jacke geben." Es tat mir gleich leid, so unfreundlich geantwortet zu haben, und ich setzte gleich hinzu: ich sei seine Schuldnerin und zu jedem Gegendienst bereit. Er erzählte mir, daß er meine Hilferufe schon um zehn Uhr vormittags gehört habe (es war i S.30 Uhr abends geworden), doch hätte er nicht gewußt, woher ich rufe und warum. Turisten, die über den Pragweg zum Triglav stiegen, hätten ihn aufmerksam gemacht, daß jemand in der wand um Hilfe rief. Er wäre in den AljaLev Dom gegangen, und der Hüttenwart Torkar hätte ihm gezeigt, wo wir seien. Die Rettungsmannschaft wurde darauf benachrichtigt. Schweigend stand ich am Rand des Bandes und hörte mit einem Ohr den Erzählungen von zahllosen Rettungsaktionen zu, die der Turist geleitet und begleitet hatte, von Pflichten, und so weiter. Um sieben Uhr abends kam mein Vetter an. Er war fassungslos und erzählte, daß Gostiša und er meine Rufe erst auf der Zaplanja gehört hätten. Sie waren auf die Kredarica um Hilfe geeilt, doch dort hätten sie erfahren, daß schon eine Hilfsexpedition abgegangen sei. Etwas beruhigt wären sie dann den Pragweg hinuntergegangen. Vier Stunden nach der Meldung kamen vier Führer aus Mojstrana: Lach, Košir, Zima und Hlebanja, an. Sie hatten leider keinen Tropfen Wasser oder Alkohol und auch keine Laternen mit. Auf meine Bitte brachten sie die Tragbahre, die sie unter der wand lassen wollten, herauf. DerLaj wurde auf die Bahre gelegt. Aber was nun; Die Leinwand würde auf dem geneigten Band, da sie an den Traghölzern nicht befestigt war, abgleiten. Die Hölzer wurden entfernt und die Leinwand mit Seilen befestigt. Ich verband den Freund gründlich, dann banden ihn die Führer auf die Bahre fest. Es dämmerte, und der Turist war um seine Schuhe besorgt, die er unter der wand gelassen hatte. Er ging und kam nicht wieder. Unter der wand sagte er zu Gostiša, der auf das Einstiegband hinauf wollte, es habe keinen Sinn, da er oben nur einen Toten finden würde. Die Dunkelheit machte die Führer so besorgt, daß sie am liebsten den Morgen erwartet hätten. Doch ich hatte Kerzen mit, und so begann der Kreuzweg das Band entlang. Von der Dämmerung bis 23.30 Uhr nachts querten wir das kaum 200 Meter lange Band. Eine mühselige Arbeit für die Führer, unmenschliche Leiden für meinen Freund. Mein Geranium argenteum, L. (halbe natürliche Größe) Lichtbild von Dr. Peter Michaelis, Müncheberg '•'V.' -M'. .M hw ÄäIOnim /&5m g r ü -z Vetter leuchtete mit der Kerze, ich aber trug die langen Traghölzer der Bahre, weit voraus, aus dem Lichtbereich der Kerze, schritt ich, um die Gualen des Freundes nicht zu sehen. Kaum 30 Meter fehlten uns noch bis zum Schneefeld, über das wir den Pragweg erreichen konnten. Doch die letzte Kerze erlosch, und wir mußten den Tag erwarten. Die Führer legten DerLaj unter einen Überhang. Ich nahm seinen Kopf in den Schoß, und so harrten wir des Morgens. Der Freund schlief ermüdet. Eine Zeitlang sprachen wir halblaut, doch auch die Führer schliefen bald ein. Kramer und ich starrten in die dunkle, trostlose Nacht. Im Tale blitzte ein Licht auf und erlosch wieder. Vielleicht sind es Kletterer aus Ljubljana, dachte ich mir. Doch wurde der Gedanke gleich wieder verworfen. Langsam erstand der Tag. Mein Kopf sank an die Felsen. Meine Kräfte waren zu Ende. Die Führer erhoben sich, ich hörte Stimmen, unbekannte Stimmen aus weiter Ferne. Ich hätte schlafen mögen — schlafen. Die Füße waren steif vom unbeweglichen Sitzen. Alles war ja so sonderbar! Und dann hörte ich bekannte Stimmen: Jesihova, Cop, Martelanc, pardubsky. willkommen, Gefährten: Gerne hätte ich ihnen ein frohes Wort gesagt. Doch ich konnte es nicht. Man gab mir etwas Tee, und meine Gedanken wurden wieder klar. Die Bahre wurde mit Latschen belegt und darauf wurde DecLaj gebettet. Auf dem Schneefelde gruben Rabiö und ErLen aus Mojstrana einen breiten Pfad. Bei Tageslicht ging alles schnell vonstatten. wir bogen vom Schneefeld auf den Steig zum Luknjapaß und dann über Schutt- und Schneefelder zu Tal. Auf der Kreuzung Prag—Luknja erwartete uns Dr. Šlajmer55 mit seiner Gemahlin. Da DerLaj schlief, wurde er nicht geweckt. Am 0. Juli um 9 Uhr früh, vierundzwanzig Stunden nach dem Sturze, kamen wir int AljaLev Dom an. H Rugy, Triglav. 321 J 9. Rapitei Die Triglavkante von Dr. Rarl prusik in perchtoidsdorf bei Wien (1929) Abgedruckt mit Bewilligung des Verfassers und der Schriftleitung .Zeitschrift des Deutschen und «österreichischen Alpenvereins", Iahrgang J930. Eine Einladung 3m Sommer zors erhielt ich von Herrn Roman Szalay, den ich zwar nicht persönlich kannte, jedoch nach den Berichten über Neufahrten als hervorragenden Bergsteiger schätzte, eine Einladung, mit ihm einen Versuch am sogenannten Triglavpfeiler zu unternehmen, Herr Szalay war schon seit Jahren um dessen Ersteigung bemüht, war aber immer wieder abgeschlagen worden und einmal sogar ziemlich tief gestürzt, glücklicherweise ohne ernstlich verletzt zu werden. Gleichzeitig bemühte sich auch eine überaus erfolgreiche jugoslavische Bergsteigerin, Frau Marko Pibernik-Debelakova, um den Pfeilerweg — gleichfalls vergeblich —, und einer ihrer Begleiter war an derselben Stelle und ebenso glücklich gestürzt, wie Herr Szalay. Diese Versuche waren nicht unbekannt geblieben. Bald galt es in slovenischen Bergfteigerkreisen als eine völkische Ehrensache, den neuen weg am Berge Zlatorogs, dem heiligen Berge der Slovenen, zu erringen. Zwei weitere ausgezeichnete slovenische Bergsteigergruppen traten auf den plan, die eine geführt von Fräulein Paula Jesih, die andere von Herrn 6op; außerdem noch zwei Münchner Seilschaften. In dieser Zeit der Bedrängnis hatte *£etc Szalay keinen geeigneten Begleiter und wandte sich unter Vermittlung weiland Heinrich pfannls schließlich an mich. An Hand zahlreicher Lichtbilder und Anstiegszeichnungen machte er mich mit der Triglavnordwand — ich kannte die Julier noch nicht — und mit den Ergebnissen seiner Versuche vertraut. Aus den Bildern konnte ich entnehmen, daß man an der Triglav-nordwand einen weniger steilen östlichen und einen ungemein steilen und wenig gegliederten westlichen Teil unterscheiden kann, daß durch den östlichen Teil schon eine ganze Anzahl von wegen führte, während der Westen bis über das Nordwestkar hinaus noch völlig unberührt war. t^err Szalay hatte seinen weg mitten durch den steilen Teil der wand gedacht, aus der in der oberen Hälfte ein riesiger Pfeiler vor-fpringt, den links eine finstere Schlucht, der „Schwarze Graben", begrenzt. t^err Szalay wollte in der Fallrechten des Pfeilers gerade hinauf durch den senkrechten, mehrere hundert Meter hohen Teil der wand zum Pfeiler und an ihm weiter. Der Pfeiler schien ersteigbar. Die Versuche waren aber schon in der wand darunter gescheitert. Herr Szalay erhielt auch von mir eine Absage. Einerseits hatte ich in diesem Sommer schon eine Reihe herrlicher Neufahrten hinter mir und mehr Geld ausgegeben, als ich vorgesehen hatte, andrerseits reizte es mich wenig, daß ich nicht mehr einsetzen sollte, als bloße Kletterfertigkeit. Der erste versuch So kam der Winter. Die verschiedenen Sturmläufe hatten im westlichen Teil der wand bereits ein bedeutendes Ergebnis gebracht, Herrn Cop und Gefährten war es gelungen, vom östlichen, stärker gegliederten Teil der wand aus in den „Schwarzen Graben" zu queren und über den Pfeiler auszusteigen. wenn auch die von Herrn Szalay angestrebte Bezwingung der wand unter dem Pfeiler noch nicht gelungen war, so verlor doch der Pfeiler für mich weiter an Reiz. Es blieb ja eigentlich nur mehr ein verhältnismäßig kurzes Stück vom Entwürfe t$errn Szalays ungeklärt, da auch Herr Szalay bei seinen Versuchen bereits beträchtliche Höhe erreicht hatte. Dafür aber stellte ich bei der Betrachtung von Triglavbildern mit Staunen fest, daß die Grenze der Triglav-wand gegen das Nordwestkar durch eine ungeheure Kante gegeben ist, die, weit vortretend, in einem Zuge vom oberen Rand der wände zum Schutt verläuft und die auffallendste Linie in die Nordabstürze zeichnet; daß diese Kante — die Landkarte zeigt über iroo m Felshöhe an — eine der höchsten Felskanten in den Alpen sein mußte und anscheinend noch keine Bewerber hatte. Ich behielt diese Entdeckung für mich und beschloß, bei günstiger Gelegenheit die Julier zu besuchen. Sie kam früher als erwartet. Durch eine Verkettung sonst belangloser, jedoch unüberwindlicher Hemmungen hatte ich im Sommer darauf eine Reise in die Schweizer Berge auf halbem Wege und damit große Sommerpläne aufgeben müssen. Ich fragte nun bei Herrn Szalay an und fand ihn bereit. Nachdem wir in den Wienerwald-Kletterschulen noch ein wenig miteinander geübt hatten, reisten wir nach Süden. Da mein Gefährte selbstverständlich der Meinung war, daß mich der Pfeiler locke, bestand die erste Schwierigkeit meines Weges darin, meinen Gefährten, der mit edlem Eifer an seiner doch schon zum größten Teil verlorenen Sache hing, zu gewinnen. Vorsichtige Bemerkungen, die ich zu diesem Zwecke machte, zeigten ihn völlig unzugänglich, trotzdem auch er auf seinen Bildern Anstiegslinien an der Kante entworfen hatte. Doch der Gang der Ereignisse kam mir unerwartet zu On der Glut des i o. August schlenderten wir im Vratatal aufwärts. Ich war überrascht über die unbefangene Fröhlichkeit, mit der die Bäche der Julier das Gemüt erfüllen, während es über den wassern vieler anderer Teile der Alpen wie Schwermut zu liegen scheint, empfand ich hier eine ähnliche Freude wie beim Anblick von Birken im Frühlingslaub oder von helläugigen, blonden Mädchen, die übermütig im Grünen spielen. Dieser Eindruck wird durch das blendende weiß der Steine hervorgerufen, die den Grund der Bachbette bilden, und durch das Helle Braun, das sich an der Grenze zwischen Turnus und Geschiebe zeigt; aber auch durch den besonderen Glanz des Wassers, der wohl auf die starke Lichtbrechung im Bett, vielleicht aber auch auf gelöste Stoffe zurückzuführen ist. wer sorgenlos an diesen Bächen wandert, dem wird in diesen Lichtwirkungen schließlich auch das Bachrauschen lichte Heiterkeit, unbändig fröhliche Musik. Eigenartig sind auch die Berge. Trotz der Höhe und Steilheit ihrer Felsflanken, trotz ihrer Achtung gebietenden Kanten und Grate erscheint ihre Haltung müder, älter als die anderer Felsgebirge: der Gesäuseberge oder der Dolomiten. Die Randlinien der Julier sind weicher, abgeschliffener ihre Formen. Die Triglavnordwand enttäuschte mich eigentlich beim ersten Anblick. Da sie einen unverhältnismäßig niedern Sockel hat und im Hintergründe eines nur wenig ansteigenden Tales aufragt, dessen Länge man unterschätzt, wirkt sie anfänglich weit weniger gewaltig als die nur halb so hohe Nordwand der Planspitze von Gstatterboden. weiß man jedoch, daß das Matterhorn, wenn es in der Höhe des Furggjoches durch einen waagrechten Schnitt von seinem Unterbau getrennt und vor diese wand gestellt werden könnte, noch von ihr überragt würde, dann gibt man nicht allzuviel auf diesen ersten Eindruck und wartet ab. wenn man dann die wand erstiegen hat und wieder talausgeht, sieht man sie ganz anders. Vor der ungewöhnlich drückenden Mittagsglut zogen wir uns in die kühle Flut der Vrata zurück, wurden aber bald durch ein Gewitter zum AljaLhaus gescheucht. Dort erfuhren wir, daß sich Fräulein Jesih int Triglavgebiet befinde und am Vortag das Schutzhaus verlassen habe. Der Rest des Tages verging damit, daß mir mein Gefährte die vrordwandwege und seinen Entwurf erläuterte. Ich schaute dabei sehr viel nach der bewußten Kante, und es gelang mir auch, Herrn Szalay zu einem Versuch an ihr zu überreden — für den Fall, daß wir am Pfeiler erfolglos bleiben sollten. Nachdem wir noch alles gründlich für die Bergfahrt vorbereitet hatten: Mund Vorrat für mehrere Tage, Gummizelt, Haken usw., gingen wir bei stark bewölktem Fimmel schlafen. Nicht lange nach Mitternacht weckte mich mein Gefährte mit der Mitteilung, daß der Fimmel völlig klar sei. Hatte ich in der vorhergegangenen Nacht im Eisenbahnwagen kaum eine Stunde geschlafen und nun höchstens drei, so war doch die lähmende Schwere, die mir in den Gliedern lag, und ein überwältigendes Schlafbedürfnis nicht auf Schlafmangel allein zurückführbar: ich wußte aus Erfahrung, daß dies Vorzeichen eines großen Wettersturzes sind, wenn ich nicht zum ersten Male mit Herrn Szalay in den Bergen gewesen wäre, hätte ich mich ruhig auf die andere Seite gedreht. So stand ich auf und tröstete mich mit der Schönheit der bevorstehenden Morgenwanderung. Die Luft vor der Hütte war zu meiner Überraschung kalt und der Fimmel wirklich vollkommen klar. Indes die Lichter der Sterne flackerten. Mäßig ansteigend geht es an der Vrata auf schönem Steige gerade auf die wand zu. Bald sind wir bei der sugoslavischen Grenzwache, wo unsere Ausweise beim Scheine einer schlechten Lampe geprüft werden. Nach freundlichen Grußworten von beiden Seiten wandern wir weiter. Und die wand wächst, wächst ins Ungeheure. Der schöne weg wendet sich schließlich nach links über die Vrata dem versicherten, zur Kredaricahütte führenden Felsensteig zu. wir blieben am linken Ufer und stiegen weglos gegen den Beginn der großen Rampe empor, die durch den untersten Teil der Riesenwand nach rechts zur Kante emporzieht. Auf einmal umflutete uns lauwarme, bewegte Luft, wir waren aus dem im Talgrund ruhenden See kalter Luft heraus. Auch mein Gefährte zweifelte nun an der Beständigkeit des Wetters. Da wir das Gummizelt mithatten, stiegen wir weiter und beschlossen, bei schlechtem Wetter so viel als möglich zu erkunden. In der Morgendämmerung erreichten wir den Fuß der wand. Schon auf dem Schutt leuchteten uns neue, rote Markierungsblätter Campanula Zoysii, Wulf, (zwei Drittel natürlicher Größe) Lichtbild von Dr. Peter Michaelis, Müncheberg ŠŠL: - . 7 Kr ' v f%- %jir. _ K ÄsMil Pl <1 'tj -j, H EL, ... ' |F entgegen, die mit unverkennbarer Absicht hingelegt waren und zum Einstieg auf die Rampe wiesen, von deren Beginn die Versuche, den Nordwandpfeiler unmittelbar zu ersteigen, bisher ausgegangen waren. Mein Gefährte hatte Laibacher Bekannten von unserem Vorhaben geschrieben, und man hatte sich augenscheinlich bemüht, uns zuvorzukommen und uns, um uns unnötige Mühe zu ersparen, dies durch die Markierungsstreifen angezeigt. Nun hatte ich Herrn Szalay für die Kante. Ich fürchtete zwar ein wenig, unsere Vorgänger könnten sich der Kante zugewendet haben. Doch das mußte sich an Hand der roten Papiere bald zeigen. Da wir am Fuß der wand Gegenstände zurücklaffen wollten, spannte mein Begleiter, um einen regensicheren Platz zu schaffen, sein Zelt mittels Mauerhaken dachartig in einen überhangenden Riesenkamin. Da ich weiß, wie Kamine bei heftigen Regengüssen aussehen, und da wir noch dazu über 1200 m Wandhöhe über uns hatten, war ich gegen die Wahl dieses Platzes. Allein mein Gefährte, der die wand seit Jahren kennt, war anderer Meinung. Schließlich wurde ich neugierig auf die Entwicklung der Dinge, beschloß aber, auf der Hut zu sein. wir hatten beide schon die Kletterschuhe angezogen, als plötzlich — es mochte etwa 4 Uhr sein — ein gewaltiges Donnergrollen die Luft erschütterte. Unglaublich rasch schoben sich riesige Wolken über die wände vor, und einzelne Tropfen fielen. Mit größter Beschleunigung zog ich meine Nagelschuhe an und begann, unsere herumliegenden Sachen in die Rucksäcke zu stopfen. Unterdessen hatte wolkenbruchartiger Regen eingesetzt, und mein Gefährte, durch meine Hast mißtrauisch geworden, wollte nun ebenfalls die Schuhe wechseln. Eben als er mit dem ersten Fuß aus dem Kletterschuh war, brauste durch den Kamin ein Wasserfall nieder, der mit einem Schlage die waagrecht befestigte Gummihaut mit Wasser füllte. Ein bauchiger Kessel, der jeden Augenblick zu zerplatzen drohte, hing über uns, während an allen Seiten waffermassen niederrauschten, und unsere Füße in einer fröhlich sprudelnden Flut standen. Ich half noch meinem Gefährten durch Druck von unten den Kessel entleeren, dann raffte ich unsere Sachen auf und lief weg, während Szalay, der mit hocherhobenen Armen säulenartig das Zelt stützen mußte, ein Fußbad bekam. Zum Glück fand ich in nächster Nähe an einer basteiartig aus der wand vorspringenden Ecke einen völlig sicheren Platz unter einem Überhang, wo wir uns schließlich mit dem glücklich geborgenen Zelt gemütlich einrichten konnten. Überaus prächtig war der Anblick der über die Riesenwand nieder-ftürzenden, zahlreichen Wasserfälle, deren Brausen zeitweilig so stark war, daß man sich selbst auf kurze Entfernung nur mit großem Stimmaufwand verständigen konnte. Dazu verdüsterten tief hereinhängende Wolken das noch schwache Morgenlicht zu fahler Dämmerung, in der die Blitze greller flammten und die Donner beklemmender dröhnten. Dieses Schauspiel allein war des frühen Aufstehens wert. Am Zelt trockneten unsere Kleider rasch. Doch erst gegen 7 Uhr konnten wir mit dem Klettern beginnen. Mehr als eine Erkundung war daher an diesem Lag nicht möglich. Mein Gefährte, der von seinen vielen Versuchen fast jeden Griff am Beginn der Rampe kennt, war bald weit voraus, während ich etwas zu weit links und an brüchige Überhänge gekommen war, unter denen ich nach rechts queren mußte. Dabei nahm ich ab und zu einen Griff an den nicht sehr weit vorspringenden Überhängen und kletterte wegen der ungewöhnlichen Brüchigkeit mit größter Vorsicht. Auf einmal fühlte ich eine gewaltige Last auf mich niederbrechen. Ein sicher-lich über einen Zentner schweres Stück des Überhanges hatte sich gelöst, und nur durch blitzschnelle Bewegungen gelang es mir, dem Fall des Blockes auszuweichen. Unter Mitnahme von etwas Gesichtshaut glitt er an meinem Körper hinunter und löste sich bald in eine Gerölllawine auf. Das war eine Warnung, hier besonders auf der t$ut zu sein. Das Gestein ist im allgemeinen nicht sehr fest. Ausgesprochene Griffe finden sich daher nur selten, und man ist beim Klettern hauptsächlich auf das Stützen angewiesen. Ein marmorweißes, durchscheinendes Felsstückchen, das sehr fest erschien, konnte ich zwischen den Fingern in feinkörnigen Sand zerdrücken. Die Rampe, die von der Hütte wie ein mäßig breites Band aus-sieht, hat die Mächtigkeit eines beachtenswerten Bergrückens und ist stellenweise durch eine ziemlich tiefe Schlucht von der wand dahinter getrennt. Die roten Marken führten nicht auf der Rampe weiter, sondern in eine mächtige Verschneidung, die mein Gefährte bei seinen Versuchen benützt hatte. Ich war beruhigt. Szalay dagegen konnte mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die Slovenen zum Pfeiler durchgekommen seien, denn zur Hütte waren sie nicht zurückgekehrt. Von einem höheren Punkt der Rampe erklärte er mir seinen kühnen weg. Lotrecht geht es zunächst mindestens 200 m hinan. Ungefähr 150 m über uns war mein Gefährte gestürzt. Trotzdem kam er wieder, Jahr für Jahr — nun zum Siege anderer. Auf der Rampe kommt man meist gut weiter. Stellenweise geben jedoch rinnenartige Unterbrechungen zu schaffen, über die man sich auf unangenehmen, schmalen Bändern forthelfen muß. Nach drei Viertelstunden standen wir bei der größten Unterbrechung, die schon vom Tal aus deutlich zu erkennen ist, und die ich für das erste ernste Hindernis hielt. Die von uns absinkende wand der Schlucht sah begehbar aus. Auf der anderen Seite endete die Rampe mit einer ziemlich hohen und teilweise überhangenden Kante, die von der Bergwand durch einen ziemlich geräumigen Hof getrennt war. In deffen Grunde zog ein vorgeneigter Riß zur Höhe der Rampe. Szalay war für die Ersteigung des Riffes, ich für die Kante. Zunächst mußte aber erst festgestellt werden, ob die Schlucht überhaupt überschreitbar war. So tief wir in sie sehen konnten, zeigte sich keine Möglichkeit. Schon der Einstieg in die Schlucht ist unangenehm, und ich versah ihn für den Rückzug und für weitere Versuche mit einer Griffschlinge. In etwa zo m Tiefe sah ich, daß die Guerung möglich sei. wir gaben uns damit zufrieden und beschlossen, am nächsten Morgen einen großen Angriff zu wagen. Beim Rückzug fand mein Gefährte bei seiner Verschneidung einen toten Vogel: das Sinnbild für den Tod eines hochfliegenden Gedankens. Im Zelt ließen wir ein weiteres Gewitter über uns ergehen, dann wanderten wir auf dem unter den wänden gegen den Luknapaß führenden Steiglein weiter und legten, durch eine kleine Ausheiterung begünstigt, auf zahlreichen Schaurasten die Linie fest, nach der wir ansteigen wollten: noch vor dem Ende der Rampe nach links durch eine Schlucht — ein sie unterbrechender Überhang sollte ganz außen links erklettert werden — und darüber nach rechts in eine zweite Schlucht. Aus dieser wollte mein Gefährte nach rechts, ich nach links heraus auf die Grathöhe. Der oberste, steile Teil der Kante war in der unteren Hälfte durch eine Schlucht gespalten, die obere Hälfte sah unmöglich aus. Da erinnerte ich mich, daß ich auf einem winterbild in der linken Flanke dieses Teiles einen Schneehauch gesehen hatte. Vielleicht war dort ein Ausweg. In die Westseite der Kante hatten wir leider keinen Einblick. Die Ersteigung des Triglavpfeilers durch Paula Iesih 3m AljaLhaus erfuhren wir durch von oben Kommende, daß die Slovenen noch nicht auf der Kredaricahütte eingetroffen feien. Sie waren nun den dritten Tag weg. Eine tragische Wendung schien eingetreten. Noch am selben Nachmittag begab sich Herr Čop, der wegen der Aufnahme eines Lriglavsilmes eingetroffen war, auf die Kredarica und versprach, am nächsten Tag von oben in die wand einzusteigen. Am nächsten Morgen trommelte Regen auf dem Dach unseres Schlafraumes, wieder kam von oben die Nachricht, daß noch niemand aus der wand ausgestiegen sei. Der Lag verging uns mit erfolglosen Versuchen, das AljaLhaus auf einem Mauersims vollständig zu umklettern. Unter dem Einflüsse der ungewohnten Kost, vielleicht auch infolge der Durchnäffung, begann sich mein Magen an den Krieg, einen Winter, den Kleinen Pal und elende Unterstände zu erinnern, was er bei solchen Gelegenheiten gerne tut. Da das Wetter stetig schlechter wurde, schien es am besten, nach Hause zu fahren und abzuwarten. Der nächste Lag brachte eine überraschende Nachricht, Herr Čop hatte sich der Seilschaft des Fräulein Jesih auf Rufweite nähern können und auf seine Fragen die verblüffende Antwort erhalten: „wir sind gut bei Kräften und lehnen jede Hilfeleistung ab!" — Am Abend des vierten Tages und bei dem Wetter! wir richteten uns nun unter dem weit vorspringenden Hausdach — da es fast ununterbrochen regnete — einen Beobachtungsstand ein. Ein t^err — der bekannte slovenische Altmeister Dr. Luma aus Laibach — stellte sein überaus starkes Glas zur Verfügung. Durch planmäßiges Absuchen des Geländes entdeckte ich schießlich die Bergsteiger. Sie hatten etwa zwei Drittel der Wandhöhe unter sich und näherten sich einer Felsnase am Pfeiler. 3n schönen, frischen Bewegungen gewannen sie rasch *£öt>e. Der Überhang gab ihnen allerdings länger zu schaffen. Damit hatten sie aber auch die letzte Schwierigkeit des Pfeilerweges überwunden. Allmählich waren so ziemlich alle auf der *£ütte Anwesenden herausgekommen — meist slovenische Bergsteiger —, und das Glas ging von Hand zu Hand. Ich glaube, wir alle hatten das Gefühl, Zeugen einer seltenen und unerhörten Leistung zu sein. Besonders — und mit Recht — begeistert waren die Slovene«. Sie konnten auf ihre Landsleute stolz fein. Als die Bergsteiger in den Wolken verschwunden waren, gingen wir unsere Rucksäcke packen. Ich hatte erfahren, daß in den Juliern im August ziemlich regelmäßig eine längere Schlechtwetterzeit eintritt, deren Ende Schneefälle vorauszugehen pflegen. Mein Magen wollte auch nicht bester werden. Am nächsten Morgen war ich im sonnigen Niederösterreich. Der zweite Versuch Durch vorsichtige Erkundigungen hatte ich auf dem AljaLhaus erfahren, daß auch von den Slovene« sehr eifrig die Ersteigung der Kante erwogen worden war, daß man aber eine verhältnismäßig niedere Steilstufe, die wir gar nicht beachtet hatten und die man auch von unten nur schwer erkennen kann, für unersteiglich hielt. Der mäßig steile Grat, in den die Kante oben übergeht, reicht nämlich nicht ganz bis zum Rand der wand hinauf, sondern endet etwa eine Seillänge unterhalb. Man hatte sich dieses Wandstück von oben an-gesehen. Es sollte durchwegs überhangend sein. Ich glaube jedoch in solchen Fällen nur an das eigene, nach Versuchen von unten gebildete Urteil und wollte dieses so bald wie möglich abgeben. Ganz abgesehen davon, daß hier eines der gewaltigsten und schönsten Felsprobleme der Alpen zu lösen war: mich drängte auch die Tatsache, daß Münchner und wiener Bergsteiger am Pfeiler ins Hintertreffen geraten waren. Bei aller Höflichkeit und Liebenswürdigkeit, mit der die Slovenen meinen Gefährten behandelt hatten, war doch nach dem Siege Paula Jesths ein Zug in ihren Mienen gewesen, über den ich mich, unbeachtet und ungestört, hatte ärgern können. während ich zu Hause meinen Magen zu versöhnen trachtete, stieg Szalay, der in den Juliern geblieben war, auf den Triglav und seilte sich bei Nebel ein Stück über die fragliche wand ab. Er kam ohne Schwierigkeit bis zu einem überhangenden Abbruch, unter dem er in etwa 4 m Tiefe den Gratansatz zu erkennen glaubte. Er hielt auch den Überhang nicht für übermäßig schwierig. * Bei klarer, kalter Luft und wolkenlosem, ruhigem Sternenhimmel machten wir uns am 5. September wieder vom AljaLhaus auf den weg. wir rechneten für die Ersteigung zwei Lage, für einen allfälligen Rückzug von ganz oben ebensoviel. Um auch gegen einen Wettersturz möglichst gefeit zu sein, nahmen wir für eine ganze Woche Mundvorrat mit. Dazu kamen noch Haken, Kälteschutzmittel usw., so daß wir selbst durch Zurücklassung der Nagelschuhe das Gewicht des Rucksackes nicht unter 15 kg Herabdrücken konnten. Der Zweite hatte wirklich nichts zu lachen. Die große Schlucht, bis zu der wir beim ersten Versuch auf der Rampe gekommen waren, ließ sich ganz gut queren. Aus Höflichkeit versuchte ich zuerst den Kamin. Obwohl er mir ersteigbar schien, entschloß ich mich wegen des vielen lockeren Gesteins darin dann doch für die Kante. Durch eine versteckte Verschneidung war überraschend leicht eine kleine Kanzel an der Kante zu erreichen. Ein Überhang, der sich als Baldachin über diese Kanzel neigte, ließ sich rechts umgehen: an einer steilen, kleingriffigen Platte hing der Körper in harter Arbeit völlig frei über einer großen Liefe. Damit war die Aufnahmsprüfung bestanden. Gerade als ich mich zum Sichern bereit machte, lief neben mir ein wunderschöner, überaus bunter Vogel an der wand empor, hoch hinauf. Auf der Rampe ging es nicht so gut weiter, wie wir gehofft hatten. Steilstufen stellten sich ziemlich unfreundlich entgegen, und schließlich zwang ein Abbruch zu weitem Ausweichen nach rechts. Von dieser Rampe lockt nichts nach oben. Senkrechte, unübersehbare Riesenwände stehen an ihr wache und erdrücken mit ihrer Wucht alle Freude im Gemüt. Ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit und Beklommenheit wird hier wohl jeden erfassen, und nur der vorgefaßte Entschluß allein trägt weiter. Fast wären wir im Eifer an der Schlucht vorbeigeklettert, durch die wir unfern Weiterweg erhofften. Sie sah schauderhaft aus. wände und Überhänge türmten sich darin übereinander. Eine Plattenflucht, die so blank gescheuert ist, daß man sie vom Lal aus für ein Schneefeld halten kann, zog hinauf zu dem die ganze Schlucht sperrenden Überhang, den wir vom Lal aus als eines der größten Hindernisse festgestellt hatten. Schon das Hineinkommen in die Schlucht war nicht leicht — ein glatter Kamin wollte uns noch vorher kennenlernen —, dann kamen die glatten Platten. Zum Glück hangt die zweite Schluchtwand dachartig über, und man kann sich in der Ecke durch Verstemmen über ganz tritt- und grifflose Stellen forthelfen — bei der Glätte und Steilheit des Gesteins eine überaus heikle Angelegenheit. Da wir stets mit Haken sicherten, fürchtete ich einen Sturz an dem glatten Hang nicht übermäßig. Ich hätte mich dann auf den Hammerstiel gestützt und Abfahrtstellung eingenommen. Schließlich kamen wir an den Überhang. Soweit man ihn überblicken konnte, war er nicht ersteigbar, wir mußten alfo trachten, nach links hinaus an die Stelle zu kommen, die uns schon im Tal als einzige Möglichkeit erschienen war. Der Anfang des Guerganges war außerordentlich schwierig. Es ge-hörte große Hartnäckigkeit dazu, um Zlatorog zu bewegen, diese Stelle als öffentlichen weg zu erklären. Man mußte sich ein Stück am Überhang forthangeln und sah nichts vor sich, als ein paar unsichere Tritte über dem haltlosen Plattenschuß und die Tiefe. Ganz draußen hinter einer Ecke wurde tatsächlich der Überhang so schmal, daß man über ihn hinwegsehen konnte. Auch ein halbwegs guter Stand war dort. Mein Gefährte bewältigte den Guergang mit dem Rucksack — eine unglaubliche Leistung. An dem Überhang zeigte sich in zwei Meter Höhe ein griffartiges Gebilde, das sich aber ohne besondere Mühe wegwischen ließ. Der nächste Halt war zwei Meter höher. Doch schon beim ersten Anblick des Überhanges war mir ein wenige Millimeter breiter Riß aufgefallen, der ihn durchzog. In diesen schlug ich — in Erinnerung an einen Bericht Roland Rossis — so hoch wie möglich einen Mauerhaken. Durch den darangehängten Schnappring wurde das Seil gezogen. Dann arbeitete ich mich, Griff am Schnappring nehmend, empor, während mich mein Gefährte durch kräftiges Einholen des Seiles dabei unterstützte. Schließlich war das Seil bis an den Knoten durchgezogen, und ich hatte den Haken in Hüfthöhe. Vom Seil gehalten, schlug ich einen zweiten Haken über dem ersten. Ich kam nun darauf, daß es bedeutend weniger anstrengend ist, wenn man sich nicht am Schnappring, sondern an dem zum Gefährten laufenden Teil des Seiles anhält. Man zieht sich dann selbst mittels des Seiles empor. In der durch den zweiten Haken gewonnenen Höhe konnte ich bereits Tritte und Griffe erreichen. Doch als ich — etwa j m rechts über dem zweiten Haken — einen weiten Spreizschritt auf einen unsicher» Tritt ausgeführt hatte, verklemmte sich das schwer laufende Seil — es ging bei Herrn Szalay durch zwei weitere Schnappringe — vollständig. Den weiten Tritt hatte ich nur mit Hilfe der Seilspannung erreicht: ein Rückzug war also unmöglich. Trotz größter Anstrengung gelang es mir nicht, den Schwerpunkt über den neuen Tritt zu bringen. Vom letzten war ich nach dem weiten Schritt abgeglitten. VJutr durch stetes plach-stemmen der an der glatten wand gleitenden Handballen konnte ich mich gegen den Zug des schräg abwärts gespannten Seiles behaupten. Der Sturz war nur noch wenige Augenblicke hinauszuschieben. Ich warf noch einen Blick auf den Seilknoten und erklärte Szalay meine Lage. Dann konnte ich mich nicht mehr halten. Gleich am Beginn des Sturzes wendete ich den Rücken zur wand. Daher sah ich, als ich über den Überhang glitt, frei aus der Luft über die wände hinab. Dann umfaßte mich mit rasch zunehmendem Druck wie ein starker Arm das sich spannende Seil, trug mich nach links und stellte mich i m neben meinen Gefährten auf das Bändchen. Da ich im letzten Teil des Sturzes unwillkürlich das Seil mit beiden fänden ergriffen hatte, endete die Bewegung so sicher, wie eine gut gedrillte Turnübung. wenn auch die Sturzhöhe höchstens r m betrug, wenn auch das Seil neu, sehr stark und an vier Haken gesichert war, so machte dieses Erlebnis wegen der ungeheuren Ausgesetztheit der Stelle und wegen der Höhe und Haltlosigkeit der wände doch einen tiefen Eindruck auf uns. Mein Gefährte hatte mir kaum den Rat gegeben, daß ich mich wenigstens eine Viertelstunde erholen solle, als es stark donnerte. Gleichzeitig zeigten sich auch schon große, dunkle Tupfen auf dem Gestein. An ein Niedersetzen auf dem Bändchen war nicht zu denken. Auch hätte der flache Wulst des Überhanges nicht vor Wasser geschützt. Mit dem Zelt war bei dem unsicheren Stand ebenfalls nicht viel anzufangen. Zwei Seillängen über uns winkten Riesenüberhänge! Unverzüglich ging ich die Stelle wieder an. Diesmal ließen wir das Seil nur durch zwei Schnappringe laufen. Der oberste war ja sturzerprobt. Im Nu hatte ich den Überhang erstiegen. Die Felsen darüber ähneln denen an der schwierigsten Stelle auf dem pfannlweg in der Hochtornordwand, sind aber weniger steil, wir liefen so rasch als möglich aufwärts, denn am Gestein begannen schon Guellen aufzuspringen. Jeden Augenblick konnte aus der zweiten Schlucht, die überhängend über uns abbrach, ein Wasserfall oder eine Steinlawine Hervorbrechen und uns von der Plattenwand in die Tiefe fegen. wir hatten Glück. Vollkommen durchnäßt zwar, doch sonst ungefährdet, kamen wir zu den Überhängen und fanden einen ebenen und . trockenen Platz, der uns nach den vorausgegangenen Erlebnissen traulich wie ein Gemach vorkam. wir hängten das Zelt wie einen Vorhang auf und schauten hinaus in das Wetter, das inzwischen seine Leontopodium alpimim, Cass, (halbe natürliche Größe) Ein Riesenepemplar im Alpengarten „Juliana", aus einem Wurzelstock 20 größte Sterne an 2 dm langen Stiele» Lichtbild von Dr. Peter Michaelis, Müncheberg WL J höchste Steigerung erreicht hatte. Die Donner krachten mitunter derart betäubend, daß man sich unwillkürlich den Rockkragen aufstellen wollte. Da wir uns noch sehr tief unter dem Gipfel und abseits von großen wafferrinnen befanden, war ich der Meinung, daß wir an dieser Stelle vor elektrischen Entladungen sicher seien. Ich hatte die letzten Worte dieser Überzeugung noch nicht ausgesprochen, als ein ungeheurer Blitz knapp vor uns — es schien fast greifbar nahe — an der wand bis ins .Tal niederfuhr, und es gleichzeitig wie ein gewaltig verstärkter Peitschenknall in unfern Ohren gellte. Zlatorog ließ uns nicht vorlaut werden. Daraufhin zogen wir uns beleidigt hinter unfern Gummivorhang zurück. Dreieinhalb Stunden — von Y2ja bis 3 Uhr nachmittags — hielt uns das Wetter fest. Es hörte dann zwar zu regnen auf, doch der Fimmel blieb bedeckt. Die Felsen trieften noch, als wir auf einem Bändchen unter den Überhängen in die zweite Schlucht querten. Ihr Grund ist eine abgeschliffene Treppe mit mehrere Meter hohen Stufen, Hier begann die Bedrückung etwas von unserem Gemüt zu weichen, über uns waren keine unübersehbaren Steilwände mehr. Der große Steilgürtel, der den Fuß der Triglavwand bildet, lag unter uns. wildzerklüftetes Gefelse krönte die wände, die einen Felskeffel am oberen Ende der Schlucht umgaben. Nach rechts führte unter Überhängen ein breites Band hinaus, das einladend aussah wie eine in den Fels gesprengte Straße. Darauf hätten wir nach Herrn Szalays Vorschlag weiter müssen. Doch drohten weiter oben unüberwindlich scheinende Riesentürme, und wir gingen nach links. Ich war eigentlich betroffen. Nach Schichtung und Neigung des Gesteins hatte ich gefühlsmäßig hier schöne, breite Bänder erwartet — es ist vom Tal aus unmöglich, diese Schluchtwand zu überblicken —, in Wirklichkeit aber begann ziemlich hoch über dem Schluchtgrund ein dürftiges Bändchen, zu dem man nur mühsam hinaufkam. Es ist der Anfang einer Reihe von Bändern und Simsen, durch die in geradezu lehrhafter weise alle Schwierigkeiten dargestellt werden, die diese Gebilde bieten können. Sehr langsam, doch stetig kamen wir weiter. Über uns waren ununterbrochen Überhänge, die jeden Blick in die wand darüber verwehrten, unter uns lotrechter, auswegloser Fels. Da die Bänder im Bogen um einen riesigen Pfeiler führten, konnten wir auch vor uns nicht mehr als einige Meter überblicken, wir gingen ins Ungewisse. Jeden Augenblick konnte unser Vordringen zu Ende sein. Mit- unter schien es, als ob ein Riß den Anstieg zum Grat ermöglichen wolle. Doch wir erreichten nur höhere Bänder, immer wieder unter riesigen Überhängen. Wurden wir hier in die Irre gelockt- Schließlich führte ein Riß lange Zeit gerade hinauf. Er endete auf einem mehrere Meter breiten Band, von dem man über die Überhänge schauen konnte, wir standen nur noch -o m unter dem Gratrücken im mittleren Teil der Kanter — hinter einer Ecke hoffte ich einen leichten Riß. Dort wartete indes eine große Enttäuschung. Das breite Band brach vollständig ab, und statt des Riffes sahen wir eine Verschneidung, die durch einen grifflosen Überhang verteidigt wurde. Auch die Anbringung von Haken schien in dem hier sehr festen Gestein zweifelhaft. Um in die Verschneidung zu kommen, hätte man vom Band aus zuerst an einem Überhang queren müssen. Als ich zugreifen wollte, bemerkte ich, daß ich die Arme nur mit Mühe heben konnte, und in den Händen hatte ich nicht das mindeste Kraftgefühl. Es war V27 Uhr abends, wir waren seit 3 Uhr früh unterwegs. Von diesen 15V2 Stunden waren wir nicht weniger als 8 Stunden geklettert: Ich wurde verzagt. Doch mein Gefährte hatte das rechte Wort bereit. „Übernachten wir!" sagte er. Als wir ein kleines Steinmäuerchen errichtet hatten, war es Nacht, wir hatten auch den Schotter gut ausgeklaubt, so daß wir auf ganz feinem Grieß lagen, über den wir noch alles Verfügbare gebreitet hatten. Mir war in diesem Augenblick der Weiterweg vollständig gleichgültig. Ich hatte in den letzten zwei Nächten wieder nur sehr wenig geschlafen, war todmüde und sah daher nichts als die beglückende Tatsache, mich bald niederlegen zu dürfen. Der Umstand, daß ich morgen beim Einstieg erwachen würde, wirkte ebenfalls tief beruhigend. Über uns war der Himmel wieder klar geworden. Auf fernen Bergen lagen Wolkenhauben, die zeitweilig von Blitzen erglühten. Scharf schnitt der Überhang in den Sternenhimmel. Als das letzte Tageslicht verrann, kam ein kleiner Vogel auf unser Mäuerchen und sang, wer dachte an uns- Im Zelt war es so warm, und ich lag so gut, daß ich bald einschlief. Da das Band nach innen geneigt war, rollte ich im Schlaf gegen die. wand, an der mein Gefährte lag. Dieser suchte der ihm unangenehmen Pressung durch Kreiselbewegungen um seine Längsachse und durch eine Art Kamintechnik zwischen mir und der Felswand zu entgehen. Dadurch wurde ich immer wieder geweckt und hatte schließlich unangenehme Ge-danken über den Weiterweg. Zlatorog hatte wirklich nicht mit sich spaßen laßen, was mochte er wohl alles für den nächsten Lag vorbereitet haben; Schneesturm wäre nach meiner Meinung das wirksamste gewesen! Dann war ein tage-langer Rückzug mit allen seinen Reizen: Lawinen, steifgefrorene Seile, gefühllose Finger usw. unvermeidlich. In dieser Riesenwand waren wir in diesem Falle menschlicher Hilfe kaum näher als auf dem Nordpol. — Erst um 6 Uhr, in Hellem Sonnenschein, erwachten wir: gut ausgeschlafen, frisch und heiter. Mein Gefährte fühlte sich so behaglich, daß er nicht aufstehen wollte, vorsichtigerweise die Augen nicht öffnete und den Tagesanbruch leugnete. Um 6 Uhr 15 Min. begannen wir mit der Arbeit. Nach geraumer Zeit standen wir höchst unsicher unter dem Überhang. Er war wieder nur mit Seilzug zu bewältigen. Die Ersteigung der nur io m hohen Stufe erforderte insgesamt zwei Stunden. Doch nun waren wir in leichtem Gelände und gewannen, gleichzeitig ansteigend, rasch Höhe. Bald enthüllte sich der oberste Teil der Kante unserem Blick, weiß wie Marmor, lichtstrebig und schlank wie ein spätgotischer Domturm, ragte von breitem Sockel ein wunderbau noch mehrere hundert Meter über uns, durch Sonnenglanz und tiefe Schatten scharf in das Blau der Luft gezeichnet. Um g Uhr standen wir am Fuß des Steilaufschwunges. Breite Bänder führen von hier in das düstere Nordwestkar. Mein Gefährte hatte mich, da ich mit Rücksicht auf meinen Magen bei der großen Anstrengung nur wenig feste Nahrung zu mir nahm, den in der Feldflasche mitgenommenen Malzabsud fast ganz allein trinken laßen. Da er nun sehr unter Durst litt, querten wir in das vor uns noch von keines Menschen Fuß betretene Nordwestkar, aus dem wir Tropf-waffer hörten. Es kam von einem Überhang am Rande der Hochfläche und fiel mehrere hundert Meter frei durch die Luft nieder bis in den Schutt. Die ersten zo m des Steilaufschwunges kosteten wieder Stunden. Ein Hinundher auf schmälsten Simsen, dazwischen Steilstufen und Überhänge, häufig verklemmte sich auch das Seil und war nur mit größter Anstrengung nachzuziehen. Endlich erreichten wir die den Steilaufschwung spaltende Schlucht, in der wir überraschend gut weiterkamen. Sie führte unter ungeheure Überhänge. Alles hing nun von der Möglichkeit ab, in die linke Flanke zu queren. Ein breites Band führte hinauf an die Ecke. Dahinter senkrechte wand und ungeheure, haltlose Tiefen. Ein handbreiter Sims zieht in diese Riesenwand. Meter um Meter schob ich mich darauf weiter. Ich wußte, setzt fiel die große Entscheidung, weit hing der glatte Fels über mir vor. Sollte ich auf dem winterbild nur angewehten Schnee gesehen haben; Der Sims ging weiter, viele Meter. Gerade als er endete, wurde der Blick nach oben frei. Unirdisch schön und ganz nahe leuchtete die sonnenbeschienene Kantenkrone über dem Dunkel der wand. Und die wand hinauf war gangbar. Oben lagen Riesenblöcke übereinander, unter denen man durch einen engen Schlupf kriechen mußte. Dann war die des zur Schlußwand ziehenden, mäßig steilen Grates erreicht, wir standen auf schmaler Schneide, mehr als jooo m über dem Einstieg, und umbrandet von der Lichtflut des Mittags, in die wir nach dem vielftündigen Ringen im Düster des Nordwandschattens scheu, befangen: wie in ein unerwartetes Fest traten. Doch selbst auf dem Grat ließ Zlatorog noch nicht locker. Drei Türme stellten sich in den weg, die nur mit einem Aufgebot von viel Fertigkeit und List zu überwinden waren, wandschleifen, Riffe und Simse reihten sich zu einer sonderbar geschlungenen Anstiegslinie um und über die Gratzacken. Besonders hartnäckig war ein Turm, deffen Riesenüberhang von der Hütte als zierliches Felsnäschen erscheint. Ich wollte zuerst mit Seilzug gerade hinauf über die VTafen« spitze, wir kamen aber dann in der linken Flanke durch. Den Haken haben wir zur Erinnerung stecken lassen. Doch die Türme waren nur Vorspiel. Oben wartete die gefürchtete Schlußwand, wir ahnten nicht, daß auch noch ein ganz besonderes Zwischenspiel für uns vorbereitet war. Immer neue Fernen grüßten uns beim Anstieg auf dem Grat, und mein Gefährte nannte mir viele Gipfel. Als wir den letzten Turm überwunden hatten, und uns von der Schlußwand nur ein leichtbegeh-bares Gratstück trennte, das stellenweise nach Westen in sanften, blumigen Rasenhängen abfiel, konnten wir auch bereits den italienischen Teil der Triglavhochfläche überblicken. Ich bemerkte auf ihr in etwa 8oo Schritt Entfernung eine menschliche Gestalt, und mein Gefährte rief sie trotz meines Abratens an. Auf die von drüben gestellte Frage: „Jtaliani, Jtaliani;" bekannten wir uns als Österreicher. Darauf kam drohend die Aufforderung: „Zurück, zurück, ich schießend)" — und die Gestalt schien mit etwas Gewehrähnlichem zu hantieren, wir befanden uns zwar auf jugoslavischem Hoheitsgebiet, suchten aber trotzdem so rasch als möglich Deckung, indem wir den Grat hinanliefen, bis uns 34o die Schlußwand der Sicht von der Hochfläche entzog. 3n der Schlußwand fanden wir auch eine Höhle, so daß wir uns auch vor herabgeworfenen Steinen sicher fühlen konnten. Nun war auch noch Militär zur Verteidigung der Kante herangezogen worden, wir hielten das für unsportlich. In dieser Höhle blieben wir bis gegen z Uhr. Das Wetter hatte sich wieder verschlechtert, wir hatten daher keine Zeit zu verlieren. Der Grat endet einige Meter links über der Höhle und bildet vor der Schlußwand eine ungemein luftige Kanzel. Eine 4 m hohe, brüchige und überhangende wandstufe darüber erforderte mehr als eine Viertelstunde an Zeit. Ich erreichte dann einen sehr schlechten Stand in einem Riß und glaubte, an der Stelle zu sein, bis zu der mein Gefährte von oben gekommen war. Allein über mir baute sich 1V2 m weit ein Überhang vor, der schon von unten nicht leicht ersteigbar aussah. Im Vertrauen aus einen gut sitzenden Haken schob ich mich zwischen den glatten Kaminwänden hinaus. Meine Schuhsohlen waren mit Lehm vom Höhlengrund verschmiert und trotz vieler Bemühungen nicht trocken zu bekommen. Sie hafteten daher nur höchst unsicher. Ich hoffte mit Rücksicht auf den Bericht meines Gefährten den Überhang ganz nieder und mit guten Griffen versehen. Zu meinem Schrecken sah ich aber, als ich den Kopf unter dem Überhang hervorsteckte, eine grifflose, 1V2 m hohe Platte über mir, über die die Rißwände nur wenig vorragten. Auch diese waren griff- und trittlos und wichen außerdem talwärts auseinander. Sturm und Regen, der plötzlich einsetzte, ließ mir keine Zeit zu langem Besinnen oder zu Vorwürfen für meinen Gefährten, der schlecht beobachtet haben mußte. Ich schlug noch einen Haken in die Platte. Er drang nur einige Zentimeter tief in den Fels. Dann nahm ich das Seil aus der guten Sicherung unter dem Überhang heraus, weil ich Verklemmung fürchtete. Die Rißunterbrechung ist die schwierigste und ausgesetzteste Stelle des ganzen Anstieges. Sie befindet sich gerade über der steilsten Stelle der ganzen Triglavwand, die hier fast ohne Gliederung 1250 m bis zum Schutt abfällt. Regen peitschte mir das Gesicht, während ich mich unter höchstem Krafteinsatz an den schmalen, sehr weit auseinanderliegenden Kaminwänden emporarbeitete. Über der Platte fanden sich keine Griffe. Eine schräge Schutthalde erfüllte den Riß. Es gab hier kein Zurück, und auch auf die Sturzsicherung konnte ich mich nicht verlaffen. Ich stemmte weiter, bis ich in den Schutt Hinüberspreizen konnte. Über mir war nun nur noch leichtes Gelände. Bis hierher mochte mein Gefährte von oben gekommen fein. Er hatte die Tiefe weit unterschätzt. Gegen 5 Uhr betraten wir die Hochfläche. Der Regen hatte zwar aufgehört, doch trieb ein eisiger wind dichte wolkenmaffen über den Fimmel. Langsam wanderten wir durch den grauen Abend zur Kredarica. Der nächste Morgen sah uns int Sonnenschein aus dem Triglav-gipfel. Am Nachmittag gingen wir mit Fräulein Jesih, die gekommen war, um die Kante zu versuchen, vom AljaLhaus zur Bahn. Frohsinn war überall mit uns. Und doch auch etwas Schwermut. Denn nicht nur ein schöner Sieg lag hinter uns: auch ein Erleben sondergleichen war vorbeigezogen, vergangen wie ein kühner Traum. 2o. Rapitel Triglav (2863 m)56 (Rugy, 1925) Abgedruckt aus .Aus dem Leben eines Bergsteigers', Bergverlag Rudolf Rother in München, 1S25 Triglav vom Wege auf den peščeni? (Martuljek-Gruppe) Lichtbild von Slavko Smolej, Jesenice . ^sch liebte die Berge und kam immer wieder zu ihnen zurück. Ich tat es nicht sprunghaft, sondern wenn ich einmal einen Berg erstiegen hatte, so ließ ich mich in seinem Bannkreise festhalten, trieb mich in seiner nächsten Umgebung herum, als hätte ich dort etwas verloren oder vergessen. Im Alpen verein hieß es bald, Dr. Kugy studiere die Julischen Alpen systematisch. Aber ich glaube, das schien nur so, ich war mir einer solchen Absicht nicht bewußt. Es war in Wirklichkeit nur der sehnliche Wunsch, den Berg, der mich eben beschäftigte, von allen Seiten zu sehen und kennen zu lernen, jeden seiner Züge bis zum vollen Verständnis zu beobachten und zu verfolgen, in der Wiederholung der Ersteigung und in der Feier des Wiedersehens das alte Glück, das er mir geboten, wiederzufinden und neues aufzubauen. So wuchs er dann vor meinen Augen zu einer scharf umriffenen, machtvollen Persönlichkeit heran, die mich um so mehr fesselte, je tiefer und klarer es mir gelungen war, ihr Wesen zu ergründen und ihre Bedeutung zu erfassen. Es scheint mir, daß die Volksseele ebenso empfindet und ähnliche Wege geht, daß sie die Namen ihrer Berge erst prägt, nachdem sie in jahrhundertelanger Beobachtung ihre Persönlichkeit und ihren Charakter genau und richtig erfaßt hat. Darum soll man die bodenständigen und volkstümlichen Namen mit Ehrfurcht und Liebe behandeln, nach ihnen suchen, wo sie in Vergessenheit geraten sind, und eifersüchtig darüber wachen, daß sie nicht willkürlich verändert oder in gekünstelter weise ersetzt werden. Denn in ihrem eigentümlichen Klange und in ihrer Urwüchsigkeit sind sie ein Teil der Bergpersönlichkeit geworden, und oft geben sie besser und zutreffender als jede Beschrei-bung und in der poesievollsten weise den Eindruck und die Stimmung wieder, womit die Berge aus dem Dunkel der Zeiten in den Beobachtungskreis und in das Bewußtsein des Volkes eingetreten sind. So ist es gekommen, daß ich vielleicht vierzig Mal auf dem Triglav gewesen sein werde, genau kann ich es nicht mehr sagen. Der Triglav ist der Idealberg meiner Jugendzeit gewesen, wie die Trenta deren ideales Hochgebirgstal. Er ist der höchste der Julier. Aus Zlatorogs Zauberland ragte er in meine Träume herein und beherrschte sie viele Jahre hindurch. Keinem anderen Berge habe ich so viele Altäre er- richtet wie ihm. wie pochte mein Herz und flog es in brennender Sehn-sucht ihm entgegen, erklang mir sein altersgeweihter, sagenumwobener, Gottheitsnähe verkündender Name. Und sind nicht die weißen Rojenice milde segnend, leise, leise an mir vorübergezogen, da ich in längst versunkenen heiligen Triglavnächten an meinem Lagerfeuer friedevoll schlummerte; Und hat mein Fuß die schmalen Bänder nicht betreten, „rechts die wand, die blaue Luft zur Linken, unter mir die purpurfarbne Tiefe", auf denen der Trentajäger dem Goldgehörnten freventlich gefolgt ist, bis die Triglavrosen blutrot aus den Felsen erblühten; Und hat mir nicht in seinen Mauern und Felsenmeeren Mittag und Untergang zu in tiefster Heimlichkeit und süßer Poesie eine andere Blume geblüht, nicht die Todesblume jener düsteren Sage, sondern die lichte, liebe Wunderblume meines Herzens Scabiosa Trenta, die meinem Bergleben so vieler Jahre Ansporn und Inhalt bedeutete; wahrlich, unter den Blättern, welche die Geschichte meiner Bergjugend enthalten, ist wohl nicht eines, worauf Altvater Triglav nicht seine geheimen Zeichen geschrieben hätte. Ich kam zuerst durch die Kernt« zu ihm und nahm den gleichen Rückweg. Dann stieg ich zur wochein nach Mitterdorf und Althammer ab. Später wählte ich den weg zur wochein über die Hriberce und durch das Tal der Sieben Seen. Oder ich kam von Trenta über den VrSac — und den Hriberce —, oder über den Doleö-Sattel. Zuletzt nahm ich den Anmarsch durch das Kot- und das Vratatal. So lernte ich, daß der Triglav nicht eine Spitze, sondern ein gewaltiges Reich ist. Es gab eine Zeit, wo ich immer wieder zu ihm zurückkehren mußte. Ich harrte auf seiner Spitze des Aufgehens der Sonne, sah sie von dort glorreich untergehen, verbrachte halbe Tage auf seinem Gipfel, und hätte ich damals gewußt, was ein Schlafsack" ist, so hätte ich oben mehr als eine selige Nacht verträumt. Bald genügte es mir nicht mehr, auf seiner Spitze zu stehen, ich suchte die Hochwarten auf, von denen ich mir einen besonderen Ausblick auf den Triglav versprach. Ich wollte ihn in seiner ganzen Herrlichkeit von allen Seiten sehen. Zuerst war es der Ozebnik (ro84 m) in der Trenta. Vielleicht er-scheint der Triglav von hier gesehen am größten. Von den Tiefen der Zadnjica bis hinauf zum königlichen Scheitel mißt die Westwand fast 2000 m.58 Es ist ein Bild von erschreckender Größe. Vergebens sucht das Auge in der wunderbar abschüssigen Flucht dieses Ganges nach Ruhepunkten, es gleitet haltlos bis ins abgrundtiefe Tal. Man ist geneigt, die Berge nach ihrem architektonischen Bilde als Pyramiden, als Türme, als Burgen, Mauern, Körner oder Zinnen zu kennzeichnen. Das ist hier nicht möglich. Für den Triglav von dieser Seite finde ich kein paffendes derartiges Gleichnis. Er wirkt nicht mit Schönheit oder Seit« samkeit der Formen, noch weniger mit Reichtum der Gliederung oder mit Glanz der Farben, was den Hintergrund des Zadnjicatales erfüllt, ist ein „Berg" von so ungeheurer Wucht, daß kaum jemand bei seinem ersten Anblick sich darauf besinnt, ihn vielleicht schwerfällig oder ein-tönig zu finden. Das Riesenhafte seiner Masse packt in einer weise, daß jede Kritik schweigt. Seine von schwarzem Krummholz geschatteten Fundamentalmauern sind wahre Wunder von ungefüger Kraft. Darüber reiht sich in Breite und Höhe wand an wand, es ist eine Welt von wänden, tiefernst und furchtbar. Details erscheinen erst später, wenn man längere Zeit hingesehen und sich gefaßt hat. So die begrünten Stellen und die große, muldenförmige Rinne der Mitte, die oberste Ringterraffe mit dem Flitscher-Schnee und darüber der schwere, domartige Aufbau der höchsten Iulierspitze. Nach Erbauung der Baumbachhütte int Trentatal lag das Problem eines direkten Weges aus der Trenta in der Luft, und ich wußte, daß man dessen Lösung von mir erwartete. Der weg mußte über diesen Westhang geführt werden. Die Trentaner hielten es für unmöglich. Niemand hatte sich noch an den letzten Gipfelaufbau von dieser Seite gewagt. Es lag wie ein Bann über dem Berge. Furcht vor technischen Schwierigkeiten kann es nicht gewesen sein. Solche sind auch in Wirklichkeit für die herrlichen Kletterer der Trenta dort nie vorhanden gewesen, war es ein Rest aus uralter heidnischer Zeit überkommener abergläubischer Scheu, der sie abhielt, am übermächtig ragenden, heiligen Götterthron des Triglav zu rühren- Andreas zögerte. Aber als wir am Glückestage des s. August ISS) angriffen, setzte er seine ganze Kraft ein, und das Unternehmen gelang viel rascher und leichter, als wir es gedacht hatten?" Ich war selig und stolz. Der „Kugyweg" hat meinen Namen an die große Westfront des Triglav geschrieben! Eines Frühsommers stieg ich auf den Steiner (2501 m) und blickte auf die furchtbaren Nordabstürze des Triglav. Ich war damals noch zu jung und zu wenig erfahren, um solche Mauern mit prüfendem Auge zu überschauen. Ich beugte mich vor ihnen in Demut. Die großen Nordprobleme der Julischen sind erst später in mir gereift."" Im Ab-stieg vom Steiner glitt ich im harten Firn der großen Ostschlucht ab und bin vielleicht dreihundert Meter tief gekollert und gestürzt. Ich wirbelte in rasenden Sätzen, mich oft überschlagend, durch die Luft, aber das Glück wollte es, daß ich jedesmal auf Schnee auffiel. „Halt, halt!" hörte ich KlanLnik von oben rufen, den ich in so unvermuteter weise verlassen hatte. „Halt, halt!" schrie mit verzweifelter Kraft ein Studiengenoffe von mir, den ich im Aufstieg, der Steilheit des Schnees wegen, in halber Höhe der Schlucht im Schutze eines Felsens hatte zurücklaffen müssen. „Siehst du, jetzt fällst du, halte dich auf", stand in meinem Bewußtsein, sonst nichts. Erst ganz unten, nahe den Felsen am Fuße der Rinne, gelang es mir, mich zu erhalten. Ich wollte meinen Begleitern mit einem Jauchzer verkünden, daß ich unversehrt geblieben sei. Doch die Stimme versagte, und es dauerte eine weile, ehe ich wieder zu Atem gekommen war. Mit einer kleinen Reihe geschlagener Stufen wäre damals dieser kleine Unfall vermieden worden. Die Trichter, die mein Körper in den Schnee geschlagen hatte, waren so tief, daß ich am nächsten Tage vom Gipfel des Triglav deutlich ihre in unheimlicher Steile zu Tal schießende Reihe sah. Dann erblickte ich wieder den Triglav von Nordost her, vom Gipfel der Erjovina, 2457 m (Rjavina), als hohen Felsendom über den wüsten Höllenkaren des pekel und dem „Grünen Schnee" des Triglav-gletschers. Seine Südwände hatte ich schon wiederholt vom DraLki Vrh, vom Tosc, vom Miöelj Vrh betrachtet, als ich aber eines Tages, durch die Kerma kommend, den Vernar Vrh (rrro m) erstieg, da sah ich in ihnen über dem großen Südkar etwas, was von den Hunderten, die schon hingeblickt haben mochten, noch niemand bemerkt hatte. Selbst der berühmte alte wocheiner Triglavführer šešt nicht, obwohl der immer gesagt hatte, er wolle etwas derartiges suchen und er müsse es finden. Ich ging sofort näher hin und erstieg noch am gleichen Nachmittag von der Maria-Theresia-Schutzhütte aus die beiden Felsköpfe, die im südöstlichen Grat des Triglav stehen." Beide waren noch jungfräulich, und der westlichere von den beiden, der in senkrechten, roten Mauern aufragt, setzte einen äußerst heftigen widerstand entgegen, den aber Andreas nach kurzem Kampfe brach. Von da schauten wir wieder und legten eine neue Anstiegslinie durch die Südwände. Tatsächlich erstiegen wir am nächsten Tage aus dem Südkar die Flitscherscharte und vollendeten die Ersteigung des Triglav über den Südgrat, ohne also den Kleinen Triglav und den in alten Zeiten so berüchtigten „Grat" zu berühren. Es war dies ein geradezu überraschendes Resultat, denn für alle die Hunderte von Triglavfahrern, die im Verlaufe der 1 rojährigen Ersteigungsgeschichte seit willonitzer am Tiefblick des Gstgrates gescheitert und am Kleinen Triglav enttäuscht und betrübt umgekehrt waren, wäre hier der richtige weg gelegen, der sie sicher zum ersehnten Ziel geführt hätte." An jenem Tage stieg ich auf dem Kugywege zur Zelenica," von dieser dann direkt zur Luknjascharte ab, wo gegenwärtig der „Bambergweg" heraufführt." Der weiten Umkreisung des Triglav von Gipfel zu Gipfel ließ ich seine enge Umkreisung in der Schneegrenze folgen, wobei ich ein schmales, damals nur den Trentaner Wildschützen bekanntes Band benützte, das in grauenvoller Exposition über den Nordwänden den Übergang vom Flitscher-Schnee zum Triglavgletscher vermittelte." Spätere Zeiten haben hier den „Ringweg" durchgelegt, und die Liebenswürdig-keit neuerer Alpinisten hat jenes Band „Kugyband" getauft, obwohl ich nur dessen erster touristischer Begeher gewesen bin. Vor mir ist manche krainische Gemse auf dem Rücken ihres verwegenen Schützen diesen schwindligen weg ins Küstenländische gewandert. Das ist in möglichst kurzen Worten meine Arbeit am Triglav gewesen. Ein lieber Bergjünger, Anton Krammer, der in den ) 890er-Iähren viel in meinem Hause verkehrte, und den ich oft in die Berge mitnahm, legte mir nahe, daß noch etwas fehle: eine Winterersteigung des Triglav, die bisher noch niemandem geglückt war. Ich wußte nur von einigen Versuchen, von denen der aussichtsvollste" bis zum Kleinen Triglav emporgeführt hatte und dort aufgegeben worden war. Krammer bat mich dringend, der Sache ihm zuliebe näher zu treten, und so gab ich Andreas den Auftrag, mich nach Mojstrana zu berufen, sobald der Schnee dem Unternehmen günstig sein werde. Sein Telegramm traf am Weihnachtsabend ein, wir reisten sofort, mit dem Glanze des Weihnachtsbaumes im Kerzen, wir fuhren die ganze Nacht, in Mojstrana warteten Andreas und JoLe Komac, und um 4 Uhr morgens des ersten Weihnachtsfeiertages brachen wir ohne Aufenthalt von der Bahn weg auf. Der Schnee lag sehr hoch, war aber vom Fuße bis zum Gipfel des Triglav beinhart gefroren, wie ich es nie mehr in den hohen Bergen getroffen habe. Im Hintergründe der Kerma legten wir die Steigeisen an, gewannen knirschenden Schrittes sehr rasch an Höhe und standen schon um 11 Uhr bei der Maria-Theresia-Schutzhütte. Sie war vom Schnee vollkommen überdeckt, nur an einigen Stellen war ihr Zinkdach sichtbar. So mußte der ursprüngliche plan fallen, hier zu übernachten und die Ersteigung erst am nächsten Tage durchzuführen, denn bei solchem Schnee war an ein Ausschaufeln des Hütteneinganges nicht zu denken. Die Notwendigkeit trat heran, Ersteigung und Abstieg in einem Zuge durchzuführen. Mein sofort neu erstellter plan mußte angesichts der kurzen Tageszeit lauten: Spätestens um z Uhr nachmittags auf der Spitze, spätestens um 5 Uhr abends zurück bei der Mütter Da fiel auch die Kraft meines jungen Freundes zusammen, die verlorene Nacht und der rasche Anstieg hatten ihn stark hergenommen, sein Her; versagte. Ich gab ihm eine Stunde Zeit bis i r Uhr, dann mußte ich mich schweren Herzens entschließen, ihn mit dem Träger zu-rückzulaffen. Aller Proviant und alle unsere warmen Sachen blieben bei ihm. Es war ein Tag von wundervoller Klarheit, der über und über vereiste Berg ragte wie ein funkelnder Kristall. Auf dem Grat lag der Schnee so hoch und steil angeweht, daß alle Versicherungen verschwunden waren. Er trug keine wächten, er bot das seltene und verblüffende Schaustück einer aus eishartem Schnee getriebenen wahrhaftigen Mefferschneide. Über diese zogen wir langsam und vorsichtig zum Großen Triglav hin, indem der vorangehende Andreas kleine Kerben für die Füße ausschlug. Das Gleichgewicht sicherten wir mit verankerten Pickeln. Es war ein Gang, der an die berüchtigtesten Eisgrate der Westalpen gemahnte. Gegen z Uhr nachmittags standen wir auf dem Gipfel. Die winterliche Pracht der Aussicht jenes Tages ist nicht zu schildern, ich muß mich noch heute fragen, ob ich damals wachte und erlebte, oder ob ich geträumt habe. Die Sonne neigte sich eben langsam gegen den Untergang. Vom weit hinaus sichtbaren Meere bis zu den Dolomiten flammte der ganze Süden und der ganze Westen in glühend roten und goldenen Farben. Je tiefer sie sank, um so gewaltiger er-brausten immer neue, immer strahlendere Farbenregister. Die Fimmel sangen dem scheidenden Tagesgestirn einen Hymnus von nie geahnter Herrlichkeit. Im Osten und Norden standen alle Berge in leuchtend gelben Tönen, in die Täler sanken tiefblaue Schatten. Nie werde ich Gleiches Wiedersehen. Denn als die Farben verblaßt waren, und wir pünktlich um 5 Uhr den Abstieg von der Schutzhütte begannen, da löste den märchenhaften Tag eine märchenhaft schöne Mondnacht ab. Knirschend griffen wieder die Steigeisen ein, die steilen, im Mondlicht schimmernden Schneehänge schossen spiegelglatt in die Tiefen. In der Oberen Kerma fanden wir am Gsthang, der Alpe gegenüber, eine kleine offene Hütte, in der wir eine Stunde der Nacht rasteten. Dann kamen wir zur Waldgrenze und näherten uns langsam dem Tal der Unteren Kerma. Der Mond stand hoch und leuchtete unserem weg. Er entzündete in den vereisten Bergflanken zu beiden Seiten tausend Lichter, die bald wie Irrlichter umherhüpften, bald in feierlichen Reihen sich zu bewegen schienen. Müde, schläfrig, vom Gesehenen und Erlebten erregt wie wir waren, standen wir manchmal still und lauschten, auf unsere Pickel gelehnt, mit verhaltenem Atem. Es war uns, als zögen Berggeister mit brennenden Fackeln in gespenstischen Karawanen durch die wände und als hätten wir eben ihre Stimmen gehört. Bald nach Mitternacht kamen wir in Mojstrana an. Da fiel Andreas zu meiner großen Bestürzung ganz plötzlich und unvermittelt in eine schwere Ohnmacht, aus der er nur langsam erwachte. Unsere Züge, welche die beiden Trentaner nach Kronau, uns nach Triest zu bringen hatten, kreuzten sich bald darauf in der Station Mojstrana-Lengenfeld, und so trennte ich mich nach diesem großartigen Tage nicht ohne schwere Besorgnis von dem unvergleichlichen Mann. Ich bin im Winter noch mehrere Male zum Triglav gekommen, hatte aber mit der Spitze kein Glück mehr, wiederholt lag der Schnee in so ungünstigem Zustande, daß wir nur mit schwerer Mühe bis zum Maria-Theresia-Schutzhaus kamen oder die Unternehmung schon früher aufgaben. Einmal kamen wir fast bis zur Kredaricahütte, aber ein wütender Südweststurm trieb uns wieder zurück. Allerdings boten uns jedesmal die großen Winterlandschaften und die Detailausblicke von den erreichten Höhen, auch Wolkenzug und Wintersturm reiche Entschädigung. Es ist nicht notwendig, daß man jedesmal in den Bergen eine Spitze erreiche, man soll auch unterliegen und sich mit dem Erreichbaren bescheiden lernen. Man wird immer noch der Freuden genug mit nach Hause nehmen. Das letzte Mal kam ich wieder mit Andreas zum Triglav. Es war Frühling. Andreas stieg schon langsamer, der Rucksack, der ihn nie recht gefreut hatte, bedrückte ihn sehr. Sein Herz war müde geworden! Die Täler lagen schon frühlingsgrün, die Berge noch leuchtend in Schnee, wir freuten uns der Stellen, wo der warme Atem der Erde die Schneedecke gelöst hatte und der braune Boden zu Tage trat. Da rasteten wir beschaulich in den kleinen Gärtchen, die weißer Crocus, Soldanellen und Schneerosen über Nacht hingezaubert hatten. Lange blieben wir auf der Spitze. Eine feine Frühlingsstimmung lag über der weiten Schau, wir ruhten in der warmen Sonne und sprachen von der alten Zeit. Als wir uns beim Abschied die Hände drückten, wußten wir nicht, daß dies unsere letzte gemeinsame Bergfahrt gewesen war! Triglav von der Sovatna-Senke Lichtbild von Cveto Švigelj, Ljubljana MM 21. Rapitel II Tricorno della Val Trenta Der Triglav des Trentatales Von Dr. Carlo Chersi Präsident der Societä Alpina delle Giulie, Sektion Trieste des Club Alpino Italiano. Aus dem Italienischen von Rugy. 2$ Rug v, Triglav. 3m Westen der Zelenice — der wände unter grünem Haupte in den Felsenmeeren des Triglav —, zu Füßen einer Bastion, hängt ein schmaler Erker, von Bergstürzen gebildet, die in fernen Zeiten von den Zelenice herabgekommen sind, Heute sind die Felsbrocken von kleinerem Gerolle bedeckt, und auf diesem Gerolle hat sich das zähe Krummholz festgeklammert, das in jedem Winter mit den Schneestürmen einen Kampf um Leben und Tod führt. 3m Schutze des Krummholzes, auf der dünnen Erdschichte, welche seine rote Rinde und seine langen Nadeln gebildet haben, ist Gebüsch blutroter Alpenrosen erstanden. Und im Schutze dieser Alpenrosen blüht im Frühling des Triglav, somit also in den ersten Tagen des Iuni, eine ganze farbige Tonleiter kleiner und bescheidener Bergblumen auf. Vielleicht fünfzig Meter tiefer steht ein alter Baum, zerschlagen die Krone, kahl die Äste in der Richtung der Nordwinde. Er ist der Letzte auf dieser Seite. Und auch tiefer unten hat er nur seltene Gefährten. Mancher davon ist entwurzelt und von den Stürmen gebleicht. Diese Örtlichkeit hat einen Namen. Die Talbewohner der Zadniza nennen sie: — al Sija —, ein Name, der in diesen Bergen sonst Iöchern und Übergängen zugeschrieben wird. Und in diesem Falle und an dieser Stelle erinnert der Name wahrscheinlich an den uralten Übergang der Bewohner des vom düsteren Donner der Wasser erfüllten Trentatales über den langen Sattelgang des Dolec, über die leuchtenden Almenwiesen von Velo polje, durch das menschenleere und von Lawinen verheerte Tal von Voje in die grünen Talweitungen der wochein. 3n der steilen westflanke des Triglav war dies in der Tat der einzige einigermaßen zahme Übergang, den die Menschen entdeckt hatten und benützten, denn im riesigen Felsenbollwerk, das die Basis des Berges umgürtet und den obersten Boden des Talschluffes der Zadniza mit Felsbrocken und Steinen bestreut, ist der schutterfüllte Ausgangskanal der Schlucht des Kugy die einzige natürliche Bresche. Der uralte Steig zog jäh und steil in dieser Schlucht empor. Hoch oben, am Ausgang der Schlucht, stand einstens eine Falter-Hütte. Schon vor dem Kriege war sie aus Altersschwäche zusammengebrochen. Heute findet man davon nicht mehr eine Spur, nicht einmal von den Balken, auf denen sie errichtet war. Aber im Volksmunde der Einwohner der Trenta ist die Erinnerung daran lebendig geblieben. Jene Örtlichkeit heißt: — alia Bäita —. Unmittelbar über dem Sija sperrt ein zweites Bollwerk den Weiterweg: die wand der Zelenice. Zu Füßen dieses Bollwerkes bietet der begrünte Steilhang den Schlüssel zum Zugang gegen den Dolecsattel. Uralte Spuren leiteten zur Rechten quer über den Hang, zwischen den Bastionen der und den Wällen der Tiefe. Sie umkreisten die Flanken des Berges auf steilen und ausgesetzten Bändern und erreichten endlich ein ebenes Kar zwischen hohen Klippen. Über diese konnte man in der guten Jahreszeit bis zum Rande des langen Tälchens emporklettern, welches den Dolecsattel darstellt, von dort durch die Kare, über die Berg, wiesen, die Wälder hinab zum weiten Wasserspiegel des sagenhaften Sees der wochein gelangen. Jener kühne Steig hat seinen Namen von den Felsabftürzen ge-nommen, die er zum Teil erkletterte, zum Teil querte. Die Talbewohner nannten ihn — Skok —, Sprung. Bezeichnend ist es, daß die Tal. einwohner der Trenta den gleichen Namen auch dem jäh abschießenden Bett der Wildbäche geben. Denn die ersten Wege in den Bergen der Trenta sind sehr häufig die Rinnsale der Wildbäche gewesen. Auf dem Erker des Sija habe ich zum ersten Male einige Jahre vor dem Weltkriege Rast gehalten, im Abstieg von einer langen Wan. derung in der Triglavgruppe. Es war an meiner Seite ein einziger, ein treuer Freund von mir, vorher und nachher mein Bergkamerad. Nach einem fast heiteren Tag in den Bergen zwischen dem Drazki und dem Tosc ein stürmischer auf dem Triglav: ein roter Sonnenaufgang über der Talung von Velo polje hatte den drohenden Wetterumschlag vorangemeldet; Nebel und ein böser Hagelschlag auf der Kredarica; Regen und Schnee auf dem Triglav; ein rascher Abstieg über den Kugyweg, im Schatten der Nebel; dann beim „Flitscher-Schnee" ein plötzliches Aufklaren der Höhen und das majestätische Erscheinen des Jalouz im Glanze der großen Schneefelder des Frühlings. Schließlich eine reiche Flut von Sonnenschein, auf den Felsen, über den kahlen weiten der Hochplateaup, über den kurzen, kargen weidehängen. Als. sähe ich sie heute, gedenke ich gewisser tiefer Brunnen klarsten Wassers auf dem Hochplateau, eines Wassers, das die tiefblaue Farbe des Fimmels hatte. Von der Höhe des „Flitscher-Schnees" führte uns eine lange, ununterbrochene Abfahrt sehr rasch die ganze Senke hinab, in welcher der Kugyweg emporführt. Die ganze Senke war ein einziges, steiles Schneefeld. Als wir am grünen Erker des Sija vorbeikamen, war es eben Mittag geworden. Die Sonne siegte. Die fliehenden Wolken hatten nunmehr einen großen Teil des Himmels freigelaffen. Und der grüne Vorsprung des Sija, der im warmen Lichte stand, wirkte wie eine Einladung zu langer Rast. Es waren sieben Stunden, daß wir uns in Bewegung befanden; und, wie gewöhnlich, ohne jeden Aufenthalt. Aber diesmal war die Strecke von der Kredarica bis zum Triglav und vom Triglav bis zum „Flitfcher-Schnee" in beschleunigter Gangart durcheilt worden und im Toben des Sturmes. wir hatten unsere Rucksäcke auf den Boden geworfen und versanken, an die biegsamen Zweige der Legföhren gelehnt, ein jeder von uns für eigene Rechnung, das Auge auf die Berge jenseits des Tales gerichtet, in ein Meer von Träumen und von Phantastereien. Es war einer jener Nachmittage, an denen nach einem Sturme die Luft in den Bergen von einer wunderbaren Durchsichtigkeit ist. Hoher Schnee bedeckte noch alle Grate und die Spitzen. Der Jalovec war weiß in allen seinen Terrassen; ein einziges Schneefeld die Talung unter der Mauer des Pelc und dem Bollwerk des Offenicco; schimmernd im Schnee die Talung, die zum Sattel des nahen Osebnig emporsteigt. Schon war unter der steigenden Sonnenwärme ein leichtes Erzittern der Luft über dieser Scharte des Osebnig bemerkbar: die Oberfläche des Schneefeldes verdunstete. Jenseits des Sattels erschienen, ganz blank und rein, die Giebel des Zuges Lipach—Vogel. Kein Laut, kein Lärmen, nicht nahe, nicht ferne: nur ab und zu ein leises Rauschen des Windhauches, der über den Boden streichelte und die Stiele der Pflanzen zum Schwingen brachte. Zu tiefst im Grunde erschien die Val Zadniza — das letzte Tal —, eingeschloffen zwischen den abschüssigen Klippen der Gruppen des Razor und des Osebnig, in sattem Grün und ihrer ganzen Länge nach durchzogen vom Geflimmer des Silberbandes ihres Wildbaches über weißem Kiesgrunde. Und im Atem des Windhauches wehte der zarte, reine Duft, der dem Triglav eigen ist, jener Wohlgeruch, der aus dem Krummholz strömt, aus der Scholle des Alpenrasens, aus dem langsam sich verflüchtigenden Schnee. Aber in meinem Freunde und in mir bewegten sich, wie dies so häufig in den Bergen vorkommt, die Gedanken parallel zu einander. Die gleichen Empfindungen und Eindrücke schon seit dem Vorabend, die gemeinsam überstandenen, gleichen Mühen während des stürmischen Vormittages hatten unseren Gedankengängen eine gleiche Entwicklung aufgedrückt. Mein Freund brach zuerst das Schweigen. „Noch einige Jahre — und der Triglav des Trentatales wird ganz Wege und Hütten sein, wie der Triglav von den anderen Seiten. Und die Einsamkeit deines Triglav des Trentatales wird zu Ende sein." In den letzten Worten des Freundes lag eine leichte Ironie. Doch mein Geist war im gleichen Augenblicke zu derselben Schlußfolgerung gekommen. Ich antwortete, nicht ohne einen Schatten von Bitterkeit: „Das ist unser Geschick. Im Grunde führt all das, was wir Bergsteiger tun, unaufhaltsam zur Verallgemeinerung der Berge, während wir sie — selbstsüchtiger weise — für uns allein zurückbehalten möchten. Im Bergsteiger wird der peinlichste innere Konflikt durch seine eigene Tätigkeit hervorgerufen." Uns beiden ging der Anblick von wenigen Stunden vorher durch den Sinn: der Triglav vom Kredaricasattel, künstlich hergerichtet, in Eisen geschlagen, mit Stricken bespannt: ein Titan in Ketten! „Noch einige Jahre", wiederholte mein Freund mit einer bei ihm ungewohnten Beharrlichkeit —, „und hier werden Steige und Wege vorbeiführen und Schutzhäuser erstehen, wie drüben!" war das eine Vorahnung; Es sind manchmal in uns unbewußte vorahnende Kräfte. Sicher ist, daß mein Freund zwanzig Jahre später gerade in jener Flanke über dem Tal der Trenta als gewiffenhafter und seinem Club Alpino Italians liebevoll zugetaner Mann seiner letzten Arbeit oblag: der Herstellung einer Hilfshütte am neuen Maultierwege des Triglav, nahe beim Rifugio Napoleone Lozzi. Und seine allerletzten Worte, bevor er allzufrüh hinüberging in die Reiche des Jenseits, haben seiner gegolten, die unter seiner wachsamen Fürsorge in jenen Tagen an der Schwelle des Dolecsattels entstanden war. Zum grünen Erker des Sija bin ich nach vielen Jahren wieder, zurückgekommen, mit anderen Gefährten. Der große Krieg war vorübergezogen, der Obere Isonzo trug noch die tiefen Spuren. Straßen, Saumwege, Steige hatten den Grund des Tales verändert, unruhige Linien hereingetragen. Aber der grüne Erker war unberührt geblieben. Manch anderer Nadelbaum war, tiefer unten, vom Nordwind kahl« geschlagen worden; doch hatte sich neues Laub frischen Grüns da und dort dem Hang eingefügt. Ein scharfer Ruch blühender Rhododendren erfüllte die Lüfte. Gegen Norden, auf dem grünen Kamm der plemenice, der vom Paffo del Forame emporsteigt, sah man diesmal etwas Neues: eine weiße Halbsäule... Höher oben bemerkte man eine andere. Grenzsteine: Meilensteine der Geschichte, auch hier in diesen Bergen! Vier Haupt-Grenzsteine kennzeichnen heute auf dem Triglav die Grenzlinie: ein Grenzstein „neun" auf dem paffo del Forame, dem Luknjapaß, ein Grenzstein „zehn" auf der Spitze des Großen Triglav, ein Grenzstein „elf" auf dem Dolecfattel, ein Grenzstein „zwölf" auf dem Kopfe zum Tale der Sieben Seen. Der italienische Anteil am Triglav, den diese vier Grenzsteine umfaffen, beträgt genau den vierten Teil des Berges: ungefähr neunzig Grade des Triglav gehören dem Reiche Italiens an, der Rest dem Reiche Jugoflaviens. Doch ist im kurzen Abteil des Triglav, der zum italienischen Reiche gehört, die Rauheit des Terrains weit größer als jene in seinem übrigen Teil. In diesem Winkel der Julischen Alpen herrscht die hervorstechendste Charakteristik, die zuerst in die Augen springende Eigenart der Julier noch mehr vor als anderswo: der ungeheure Höhenunterschied zwischen Gipfeln und Tal. Die eintausendneunhundert Meter von der Spitze des Triglav zum Boden des Talschluffes der Zadniza projizieren sich auf der topographischen Karte auf eine Strecke von zweitausendsiebenhundert Meter. Die Steilheit der westflanke des Berges drückt der Erscheinung des Triglav im Schluffe des Zadnizatales den Charakter einer Majestät und einer Gewalt auf, die ihres gleichen nicht haben. Über der Mauer, welche den Berg in senkrechten Abgründen umgürtet, eine Reihenfolge steiler Schutthalden; über dem Schutt weitere Bollwerke; darüber, gesprenkelt von Schneefeldern, das Triglavplateau; über dem Plateau die gewaltige Wucht des Gipfelausbaues. Eine harmonische Folge, ein harmonischer Riesenaufbau in edelsten Linien! Doch furchtbarer noch ist die Mauer des nahe benachbarten Kan-jauc, die zum ohnehin schon für sich überaus strengen Bilde des Triglav noch einen Eindruck von ganz außerordentlicher Wildheit beiträgt. Und in dieser ganzen ungeheuren Folge von Felsenmauern nur zwei einzige wafferläufe: der eine in der Schlucht, die vom paffo del Forame herabbricht, der andere, der den Wildbach speist, zu Füßen des Mauergürtels, dessen Steinschläge den Talschluß der Val Zadniza bedrohen. Die Arbeiten und Bauten, die zur Festlegung der neuen Grenzen nötig waren, haben lange Zeit hindurch den Frieden der Berge auf dem Triglav des Trentatales getrübt. Die Notwendigkeit, auf leichteren wegen auf das Hochplateau und auf die Spitze zu gelangen, hat den Italienern in diesem Abteil die Herstellung neuer Wege und den Bau eines neuen, großen alpinen Schutzhauses auferlegt. wenige andere Bergzonen haben derartig tiefgreifende Veränderungen und Eingriffe durchgemacht wie dieser italienische Abteil des Triglav. Der Triglav der Trenta ist heute nicht mehr das, was er vor dem Kriege war. Die vielfarbigen und die einfarbigen außerhalb Italiens gedruckten Karten fahren fort — ich weiß wirklich nicht warum —, im italienischen Abteil des Triglav die Vorkriegsfteige einzuzeichnen: ein Steiglein, das zur Luknja führt, einen Felsensteig KomLr, der sich unterhalb des Dolecsattels gabelt: ein Ast geht nach rechts und erreicht den Dolec-sattel, der andere Zweigt nach links ab und bringt zum Flitschersattel; einen schwierigeren Steig Kugy ferner, der sich vom Steiglein zur Luknja ablöst, die Eintiefung des Muldentales Kugy emporsteigt und auf den plemenice am Rande der Bordwände ausmündet, wo er sich mit einem schwierigen Klettersteig Ottomar Bamberg vereinigt, der vom paffo del Forame, dem Luknjapaß, heraufkommt; ein Stück des Steiges Skok schließlich, das querüber den „Kugyweg" mit dem KomLrsteig verbindet. wohlan — dies alles gehört der Vergangenheit an; dies alles ist heute nicht mehr. Das Steiglein zur Luknja ist der weg zum paffo del Forame geworden, der mit sicherer Technik der Felsenflanke des Berges abgerungen ist; der alte Steig Skok und der unterste Teil des „Kugy-weges", der sich über jenen gestellt hatte, sind vollständig verschwunden, zerstört und aufgesogen vom neuen Maultierweg des Triglav, der, vom Wege zum paffo del Forame ausgehend, in die Schlucht unterhalb des Muldentales Kugy eintritt, dann den Berg bis unter den Dolecsattel umkreist, von da gegen worden zurückbiegt und den Flitschersattel erreicht; der Komkrsteig, heute nach Napoleone Lozzi genannt, hält seine ursprüngliche Führung lediglich in seinem unteren ’ Teile ein, während sein oberer Teil gleichfalls vom neuen Maultierweg des Triglav aufgesogen worden ist. Ein einziger Steig ist heute winterlicher Blick auf die wocheiner Berge vom Kanjauc Lichtbild von Dr. Walter Eger, Graz .1 UJ-ilHH.UH MM vA :vS' .:-xyj m» j5^' in rückständigem Respekt vor der Vergangenheit verblieben. Es ist der Gratsteig Gttomar Bamberg, der heute „Via de! Lostone" genannt wird. Er hat einen guten Teil seiner künstlichen Hilfsmittel eingebüßt, so daß die Kante unterhalb der plemenice an verschiedenen Stellen zum natürlichen Zustand zurückgekehrt ist. Die Herstellung dieser neuen Wege hat den Berg stark erschüttert. Der Westhang des Triglav ist heute eine offene Wunde, Harte Einschnitte, grellweiße Einrisse zeigen in den in Jahrtausenden von Wetterunbilden ergrauten wänden die neuen Traffen auf. Es ist in unzugänglichen, tückischen Felsen eine geradezu gigantische Arbeit geleistet worden; die Italiener, die int weg- und Straßenbau von jener vorbildlichen natürlichen Eignung sind, welche schon den alten Römern eigen war, haben auf dem Triglav Zugangswege geschaffen, welche die Kühnheit und die Zähigkeit des heutigen Italien verkünden. Und an der Wegteilung unterhalb des Dolecsattels, wo vom neuen Maultierweg ein Zweig sich ablöft, der durch das Tälchen des Sattels läuft, steht heute, in den Fels gefügt, eines der größten Schutzhäuser der Sektion Trieste des Llub Alpino Italians, die Napoleone-Lozzi-Hütte. Rauh die Berge, rauh die Mühen. Die Herstellung der Napoleone-Eozzi-Hütte ist ein über alle Maßen kühnes und schwieriges Unternehmen gewesen. Es genügt, wenn man an die langen Balken denkt, die aus dem Tale heraufgeschleppt und mit der Kraft der Arme über das Schneefeld des Kares unterhalb des Sattels emporgetragen werden mußten; an den Transport von Zehntausenden von Kilogrammen an Baumaterial; an die Notwendigkeit, eine entsprechende ebene Fläche zu schaffen, um den Grund für das Schutzhaus zu legen, indem man mit Minen die Felsen sprengte und so eine sehr geräumige Nische herstellte. feilte scheint das Schutzhaus, in die Einhöhlung der Felsen eingebaut und doch von diesen abstehend, wie ein selbstverständliches und natürliches Zubehör des Berges. Die wetterstürme, die sich dort oben als viel ungestümer herausstellten denn in jedem anderen Teile der Julischen Alpen, haben dem Dach und den wänden schon Altersfarbe eingepreßt. Obwohl es eines der größten Schutzhäuser ist, die der Llub Alpino Italians in den Juliern errichtet hat, steht seine Größe in keinem Mißverhältnis zur wilden Natur des Ortes: die Art seiner Einfügung wirkt ästhetisch. Das Schutzhaus Lozzi hat seine Funktion iozo begonnen; die Hilfshütte 1934; das große südwestliche Hochplateau des Triglav, das seiner Zeit als vollständig ungastlich bekannt war, besitzt heute für die Bergsteiger, die zu den verzauberten Hochregionen des Reiches des Zlatorog emporkommen, einen Stützpunkt von entscheidender Bedeutung. * Nach Beendigung der fieberhaften Arbeit, nach Fertigstellung der großen neuen Zugangswege auf diesen Berg bin ich zum Sija unter den Felsen der Zelenice zurückgekommen. Der Kammer schweigt nun schon lange, die Täler erdröhnen nicht mehr von den Schlägen der aufflammenden Minen. Das große Werk ist vollbracht. Die Gemsen, die sich, erschreckt von dem ungewohnten Lärmen, aus den Gebieten des Triglav zurückgezogen hatten, sind wieder erschienen: 3n großen Rudeln sind sie zurückgekommen, um zwischen den Eisblöcken, die auf den blauen wassern des letzten Triglavsees schwimmen, ihren Durst zu löschen. In Scharen sind sie zurückgekehrt zu den wundervollen steilen weidehängen unter dem Kanjauc, auf welchen die Natur das reiche Geschenk grünen Rasens bis zu den Rändern der Mauern ver-schwenderisch ausgebreitet hat, die abgrundtief zur Zadniza Hinabstürzen. Und ich habe neuerdings auf meiner alten Stelle geweilt, die mir Geschichten aus fernen Zeiten erzählt, da aus der Val Zadniza über den Sija zum Dolecsattel nur die Spur eines Steiges bestand. Ich habe dort oben, ohne es gehofft zu haben, noch einmal die abgeklärte Ruhe des Triglav gefunden. Das Gebüsch der Rhododendren im Schutze des Krummholzes, die Bergblumen, von den Alpenrosenbüschen geschützt. Dort oben geht niemand mehr vorüber. Die neuen Wege haben alles an sich gezogen, haben alle Bewegung zu sich gerufen. Unterhalb des Sija hat sich noch mancher gefallene, gebleichte Stamm zu denen gesellt, die schon vorher zu den Toten zählten, und die nun zu Staub zerfallen. Aber neue Bäume sieht man erstehen und mit der Kraft der Jugend gegen die Stürme ankämpfen. Alles andere ist gleich geblieben, unverändert: die weißen Terrassen des Jalovec, die großen Schneelager unter dem Pelc und dem Offenicco, das silberne Band im Grunde der Zadniza. Und int Atem des Bergwindes weht noch der alte, zarte und feine Duft, der dem Triglav eigen ist. 22. Rapitel Meine Eindrücke vom Triglav Ein Brief von Dr. Tom G. Longstaff in London an Rugy Aus dem Englifchen überfetzt von Leo Rainradl in München 0)ie fragen mich, welchen Eindruck die Julier auf mich machen. Ich finde die Antwort schwierig. Es ist tatsächlich so, daß sie für mich — nach vierzigjähriger Verehrung der Bergwelt — ein Ziel höchsten Verlangens geblieben sind. Sie nochmals zu besuchen, ersehne ich mehr als das Wiedersehen mit irgendeinem anderen Gebiet der Alpen, mehr, als ich wünsche, den eisigen Kaukasus, den Himalaja oder die Berge von Kanada und Alaska wiederzusehen oder das unbeschreibliche, zartgelbe Licht der tiefstehenden Sonne aus den phantastischen Gipfeln der Arktis. Ich glaube, dieses Gefühl erklärt sich aus ihrer erstaunlich geheimnisvollen Eigenart, welcher Wanderer, der zum ersten Male die Sprache emporsteigt und vor sich die Steilwände erblickt, die sich scheinbar ohne Unterbrechung vom wischberg bis zum Montasio hinziehen, würde das Vorhandensein eines so verborgenen Durchgangs ahnen wie die Bresche der Bärenlahnscharte; wer könnte vermuten, daß der Montasio so gänzlich verschieden sich zeigt von Süden, vom Fuße des Kanin aus, in der Atmosphäre einer anderen Welt, verglichen mit der Wirkung seiner übersteigerten, völlig unnahbaren Erscheinung von Nordwesten her, vor irgendeiner Stelle oberhalb Dogna; Und wie ist wiederum des Prisank aufgeschlossene und friedvolle Form, gesehen von der oberen Trenta, in Einklang zu bringen mit der grimmigen Wildheit seiner Nordwände; Ein Anblick, der sich nach dem Übergang von Sleme so ohne Vorbereitung bietet; Dann beachte man einen anderen überraschenden Gegensatz: man denke an die Ouelle des Isonzo — diese wiederum in der Trenta —, und gerade jenseits, an der Schulter des Ialouc, entspringt die Save in der Planica-Bergschlucht; doch keine dieser Gegenden läßt auf die mögliche Nähe der anderen schließen, so grundverschieden in ihrem Lharakter sind sie. Gibt es irgendetwas in den Alpen — einschließlich des ganzen Zuges der Julier —, das vergleichbar wäre dem heimlichen Zauber des Martuljek-Grabens; Ich schlief durch zwei Nächte dort unter einem Felsen bei Za Akam und fühlte mich, einem Anachoreten gleich, so wohlgeborgen und weltenfern. Und beim Triglav, der über allem herrscht, wundert es mich nicht, daß er umkränzt ist von Sagen und Legenden wie kein anderer Gipfel der Alpen, gleichsam ein Bruder des Olymp. Und so mag er auch aller Eisenstifte, Seile und Farbklexe spotten; derartige Schrammen haben ihn sa auch noch nicht verunziert, damals, als Sie Ihre Erstlingsfahrten unternahmen. Er scheint es eben gar nicht zu beachten, und auch ich habe mich im Juni auf keinen Fall darum gekümmert. Ich denke, man sollte sich ihm nahen aus dem Vratatal, von der AljaLhütte aus, und auf der Lomin8ek-Route, die gewaltige Nordwand stets vor Augen und den Blick gegen die Luknja gerichtet. Natürlich gilt der Anstieg in technischer Einsicht jetzt nichts mehr, aber Sie kannten ihn, als der scharfe Grat noch eine richtige Zuverlässigkeitsprobe war. Dennoch behaupte ich, daß die Ersteigung immer noch ein großes Erlebnis ist. Ich habe ioor Korsika, wundersam schimmernd, im Mittelmeer vom Gipfel der Lima di Mercantour in den Seealpen gesehen, und bis zum Vorjahre war dies die denkwürdigste Schau von einem Alpengipfel aus. Aber der Rundblick, den ich vom Triglav über das Land der Slovenen gewann, über den Karst, Venetien und die Adria, war ebenso schön und zauberhafter noch in seiner Wirkung. Kein Sterblicher vermag solch einen Abend richtig zu würdigen, wie ich ihn dort oben genossen! Und noch eine Überraschung dieser Landschaft: wenn man von der Lriglavhütte niedersteigt in die Velska Dolina, betritt man eine typisch tibetanische wüste. Mächtig gewölbte *£ättge und ausgehöhlte Mulden leiten hin zu den kahlen Riffen einer Mondlandschaft; kein Baum, kaum eine Pflanze — nirgends Leben! Dann hinan über die Hriberce und hinab zu den Sieben Seen, um sich da in den Rocky Mountains von Kanada zu wähnen! Eine , nach dem früheren Ortsheiligen St. Maurus also benannt. 3n der noch heutzutage üblichen Bezeichnung na mostu (auf der Brücke) hat sich dieser Name erhalten. D. 16 3sniz, alter deutscher Name für 3sonzo. 17 Batscha, Tolmeiner Dorf, an dem Einfluß des Gebirgsbaches Batscha (Baca) in die 3dri;a. D. 18 Catarini war ein bedeutender Holzlieferant in Görz. D. 19 Kneža, Tolmeiner Dorf im Baca-Thale. D. 90 Sigismund von Hohenwart, später Bischof in Linz, ein hochgebildeter, frei- gebiger Kirchenfürst, der sich als eifriger Sammler und als naturhistorischer Schriftsteller große Verdienste um die Erforschung Kärntens erworben hat. D. 91 Die folgende Wegbeschreibung stimmt mit dem noch heute von Mitterdorf über Bjelo polje eingeschlagenen Wege. T. 99 Einen Leopold Zois gab es nicht, hier ist Carl Freiherr von Zois gemeint, der sich besonders die botanische Erforschung der Iulischen Alpen angelegen sein ließ; nach ihm sind zwei krainische Pflanzen, Viola Zoysii und Campanula Zoysli vom Botaniker Wulfen benannt worden. D. 93 Der VUimt Mittlerer Triglau ist heute nicht mehr gebräuchlich. Stanigs Worte paffen genau auf den Kleinen Triglau; die Schlucht ist der Kamin beim „Thor des Triglau". Unter dem „kleinsten" Triglou ist dann wohl jener Ausläufer zu verstehen, an deffen Fuß sich die Wege von Feistritz (Mitterdorf) und von Mojstrana vereinigen. T> 94 Siehe diese Zeitschrift 1881, S. 367 ff. und $94. — Es braucht an diesem Ort kaum bemerkt zu werden, daß auch die Triglau-Besteigung heute Vieles von ihren Schrecken eingebüßt hat, theils durch einzelne eingehauene Tritte, sowie durch Stifte oder Hölzer, dann aber auch wohl durch Gewöhnung der Touristen an schwindlige Passagen. Vereisung der Felsen und heftiger wind können allerdings auch hier ganz erhebliche Hindernisse bereiten. T. 95 Hier ist das Manuskript leider lückenhaft. Stanig hat übersehen, seine Beobachtungen und die daraus resultierende Berechnung einzutragen. D. 96 Eigentlich Triglow, nach den drey Gipfeln, und bey den Krainer» Biell verh, weiße Zinne. 97 Ob der Wundarzt Loren; willomitzer, der als der erste Ersteiger des Terglou 0778) angegeben wird, wirklich den höchsten Gipfel erreichte, ist sehr zu bezweifeln. 98 Hat nicht auch Professor wodnik mit dem Grafen Franz von Hohenwart und )$)9 Hr. Carl Freyherr von Zoys den Terglou erstiegen; Anm. der Redaktion. 99 Erzählt von F. Ritter von Jacomini-Holzapfel-Waafen in Hormayr's Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst. Jahrgang >8», Nro. 20, 26, 27, 28. (Hauptmann v. Bosio's Reise auf die Spitze des Berges Terglou in Krain, im July des Jahres 1822.) 30 Zu diesem Behufe sind die allgemein bekannten und weit verbreiteten Böck-steiner Nägel mit ihren würfeligen, aus der Sohle hervorstehenden Köpfen un-streitig die besten. 31 „Eine Besteigung des Cerglou", M.Ö.A.V. j86j, 43. 32 Alpine Journal, Vol. 4, pp. 34?—354- 33 Cour. II, 1S70, 1. 31 Ib. S.A.V. 1S70, 66. 35 Z.A.V. i§7r, II, 97; Cour. IV, )S7r, 294 und 529. 36 Über eine kleine Variante des gewöhnlichen Criglavweges, wobei das letzte steile Gratstück des Großen Criglav nördlich umgangen wurde, siehe Stuffiner, Cour. 1S70; Schenk, 3b. Ö.A.V. 1S70 und Kugy, Z.A.V. iss;, wie oben. 37 Stuffiner, wie oben. 35 Z.A.V. 1S74, 86, und Kugy, Z.A.V. J883, wie oben. 39 Dr. Ed. Amthors „Alpenfreund", Bd. 9. 40 Kugy, Z.A.V. iss;, wie oben. 41 Dieser Ceil war von Gemsjägern und von Schafhaltern der Crenta schon begangen. Auch Liebeskind und welter sind ungefähr an dieser Stelle abgestiegen. 42 „Aus den Julischen Alpen", Jenny Herzberg, Ö.A.Z., XII, jsgo, 6). 43 Wilhelm Grallert, „Eine Woche in den Julischen Alpen", Hamburg )886. 44 Später „Maria-Cheresia-Schutzhaus", heute „Aleksandrova Koča“, See-hohe 2404 m. 45 Eröffnet am Juli 1SS7, Seehöhe 2200 m. Reizte in Staniöhütte um« getauft. 46 M.A.V. 1893, 290. 47 Der Alpensalamander (Salamandra atra). 48 Das ist der spätere, bekannte Verleger Dr. Rudolf Baumbachs. 46 Planinski vestnik 1926, S. 85 im Artikel Dr. G. L. Oblak: „Dr. Julij Kugy, Kralj Julijskih Alp“. 50 „Planinski Vestnik“, 1899: „Iz Bohinja čez Komno v Sočo“, S. 187—j88. 51 Dr. Julius Kugy: „Aus dem Leben eines Bergsteigers", S. 50 der ersten Auflage, Bergverlag Rudolf Rother, München, 192?. Das Buch einer großen Erfahrung. Die 33? Seiten sind reich illustriert. 62 Simon Rutar: „Zgodovina Tolminskega“, S. 272. 63 Sie wurde zum ersten Male am 4. August 1906 von den Herren Gustav Jahn und Franz Zimmer, Wien, durchklettert. 64 Diesen kleinen Bändern war es zu verdanken, daß Deržaj nicht tätlich verunglückte. 08 Der berühmte Laibacher Chirurg. 56 Die denkwürdige Ersteigungsgeschichte des Criglav von 1777 bis 1894 habe ich in E.G., 22. bis 24. (Schluß-) Heft von Seite ??o an sehr ausführlich nieder-gelegt, wenige Gipfel haben eine so alte Geschichte. 87 Alle diese Behelfe des modernen Bergsteigers habe ich allmählich erst viel später kennengelernt. Kletterschuhe blieben mir lange unbekannt, wir zogen auf steilen Platten Schuhe und Strümpfe aus und gingen barfüßig. Gliedereisen kannte ich nicht, ich trug die schweren, langzinkigen, aus einem Stück gearbeiteten Stollen der Holzknechte, die ich manchmal nach Art der Trentaner auch in den Felsen verwendete. Decken gab es in unseren Biwaks nicht, und der Sweater war ein mir lange unbekannter Luxus, wir deckten uns mit der ausgezogenen Ioppe zu und wärmten uns am Feuer, wenn Krummholz da war. Aber auch Biwaks ohne Feuer fehlten nicht, wo es uns am Morgen vor Zähneklappern kaum gelingen konnte, einander die einfachsten Dinge mitzuteilen. Kochapparat, Teekessel, Eßbesteck, Literflaschen und die vielen schönen Blech, und Aluminiumbüchsen mannigfaltigen Inhaltes des heutigen Rucksackes haben sich erst viel später eingestellt, wir waren gar leicht bepackt. Pickel, Seil, Steigeisen, im mageren Rucksack Brot, Speck und Käse, oft auch nur ein tüchtiger Klumpen gelber Polenta in ein reines Sacktuch gehüllt. Getränk: Schneewasser. Und merkwürdig, es ist trotzdem so viel leichter gegangen als heute, wo ich mir alle Herrlichkeiten des modernen Bergzeitalters in schweren Rucksäcken nachschleppen lasse! 68 Von der Baumbachhütte sind es über rroo m. 58 Literatur: „Die Julischen Alpen." Östlicher Teil. Berge der Trenta. Z.A.V. iss;, 370 und E.G. „Die Erschließung der Gstalpen." Die Julischen Alpen. III, 1894, 5S7. 60 In späteren Zeiten ist es mir allerdings manchmal durch den Sinn gefahren, ich solle hier einen ernsten Versuch machen. Er wäre mir wahrscheinlich geglückt. Aber stets drängten sich die Jugendeindrücke dazwischen, da ich auf dem Ringband gestanden, Steine hinabgeworfen und staunend die langen Sekunden gezählt hatte, ehe der erste Aufprall hörbar wurde (Z.A.V. )883, wie oben). Ich dachte zu sehr an den Abgrund und zu wenig an die wand selbst. So ist diese großartige Unter, nehmung für mich verloren gegangen. 61 Der eine derselben trägt die Kote 2568. Literatur: „Neue Touren in den Iulischen Alpen", M.A.V., )893, 290. 62 Literatur: M.A.V. 1893, 290. 63 Ich nenne Zelenica (die Begrünte) nicht den Punkt 2557 südlich des Flitscher. Schnees (Karte 1 :50.000), sondern den Punkt 2380 über der Luknja, wie es die Trentaner tun. 61 Literatur: M.A.V. )893, 290. “ Der Name Triglav (die slovenischen Almer sagen auch Terglau mit starker Betonung der Endsilbe) stammt von der gleichnamigen altslavischen, dreiköpfigen Gottheit. Man würde am Triglav vergeblich nach drei Spitzen suchen, auch der Kleine Triglav ist nur eine Schulter und keine Spitze. Der Name „Terglou" der älteren Karten rührt von einer mißverständlichen Auffassung des sehr dunkel aus. gesprochenen Terglau her. Uber das „Kugyband" siehe Literatur: Z.A.V. i883, 370. 66 Otto Fischer, Wien-Hamburg. s Merke von Dr. Julius Rugy Aus dem Leben eines Bergsteigers Das erste, in kurzer Zeit berühmt gewordene „Kugybuch". Die Sprach- und Gedanken-beherrschung eines großen Dichters und Schauenden ist es, die einen das ganze Buch hindurch begeistert. Kugy ist es gegeben, all das, was aus der Gebirgsnatur zu uns spricht, in Worte zu fassen, all das auszudrücken, was als Höhensehnsucht in wirklichem und übertragenem Sinne in uns lebt. Es ist, als nähme Kugy den Leser gütig bei der Hand und führe ihn hinauf in ein Reich, wo es nur Sonne, Glan; und Herrlichkeit gibt. Volksausgabe. Reich illustriert. 3n Leinenband RM. 6—. Bergverlag Rudolf Rothe r, München Arbeit, Musik, Berge — ein Leben Das bürgerliche Herren- und Unternehmertum der Erfolgszeiten bis zum Kriege, Gedankenkreis und Wesen eines altösterreichischen Patrizierhauses tritt uns hier anschaulich und prachtvoll erzählt entgegen. Kugy ist nicht nur Bergsteiger, sondern auch ein gewaltiger Musiker, nicht nur der „berühmteste Raucher", sondern auch ein Bach-Interpret auf der Orgel. Mit tiefer Musikalität ist dieses Buch geschrieben und durchbraust von einer Kantate zu Ehre und Preis des tätigen Lebens. 4. Auflage. Mit vielen Bildern. In Leinenband RM. 6.—. Bergverlag Rudolf Rother, München Die Iulischen Alpen im Bilde Von einer auserlesenen Schar künstlerischer Mitarbeiter unterstützt, führt Doktor Julius Kugy dieses wundervolle Berggebiet, dem sein ganzes Leben gewidmet war, dem großen Kreise aller Berg- und Naturfreunde vor^ Da Bild und Wort überall enge zusammenstehen und auf den Beschauer und Leser gleichzeitig wirken, wird in der Darstellung eine ganz außerordentliche Frische und Lebendigkeit erreicht. Man blickt, im tiefsten Kerzen ergriffen, in eine an Wundern reiche, ganz eigenartig schöne und fesselnde Hochgebirgsnatur und hat nicht nur ein monumentales Julierbuch, sondern gleichzeitig ein überaus stimmungsvolles Bergbuch vor sich. Großoktav, rzo Seiten, jo) Tafeln in Kupfertiefdruck, in Leinen gebunden RM. 7.—- Leykam-Verlag, Graz Anton Oitzinger — Ein Bergführerleben Der berühmte Erfchließer der Julifchen Alpen erzählt von der Lebensfahrt eines der erfolgreichsten Bergführer in diesem Gebiet. Viele schwere ehrliche Arbeit, viele eindrucksvolle Wechselfälle, Gefahren, Abenteuer, Berg-, Wasser-, Feuers-, Räubers-, Kriegsnot, auch andere Schrecknisse spielen herein, wie dies alles verlief, zieht in diesem Buche am Leser vorüber. Es ist gleichzeitig ein hohes Lied der Treue, denn Treue bis zum Grabe war der Grundzug von Oitzingers Charakter; ein Lebensbild von wunderbarer Schlichtheit und Kraft, umweht von dem reinen Hauch der Berge, den Kugys reife, unvergleichliche Darstellungskunst so köstlich festzuhalten weiß. Oktav, )68 Seiten, ;r Tafeln mit Kupfertiefdruck. In Ganzleinenband mit zweifarbigem Schutzumschlag RM. 4.—. Leykam-verlag, Graz