-c /Xr- v cm betllcp? katholischMmonsMtölW Herausgegeben von der Kongregation: Missionäre Söhne des heiligsten Herzens Jesu. Preis ganzjährlich 2'50 S, Deutschland 2 Mark, Italien 8 Lire, Ungarn 2'50 Pengij, Tschechoslowakei 12 6S, Jugoslawien 25 Dinar, Schweiz 2'50 Franken, übriges Ausland 2 Goldmark. Äeft 5 Mai 1937 40. Jahrgang Meine Rückkehr in die Apostolische Präfektur Lydenburg, Transvaal. Von P. 3 o f e f SB e i 11 e r, F. S. C. Meine Rückreise in die Mission war schon im Juli des letzten Jahres, als td) noch im Missionshaus in Milland bei Bri-xen weilte, eine ausgemachte Sache und war 'für mich der Grund großer Freude. Denn was ich schon lange ersehnte, wurde mir endlich zuteil, ich konnte in unsere Apostolische Präfektur zurückreisen, um dort nach sechsjähriger Unterbrechung die Miffionsarbeit wieder aufzunehmen. Das gleiche Los traf einen viel jüngeren Mit-bruder, P. Walter Klemm, der eben erst seine theologischen Studien in Brixen beendigt und irrt dortigen Dom die heilige Priesterweihe empfangen hatte. Da wir in die Mission zusammen abreisen sollten, so fuhren wir von Brixen in unsere rheinische Heimat, er, der Neupriester, um dort seine Primiz zu feiern und um für die Reife übers große Wasser die nötigen Vorbereitungen zu treffen und der teuren Heimat Lebewohl zu sagen. Das war auch der Zweck und das Ziel meiner Heimreise, dem sich aber ein unerwartetes Hemmnis entgegenstellte. Gleich den bisher abgereisten Missionären unserer Genossenschaft gedachten nämlich auch wir, uns in Hamburg einzuschiffen, um auf einem der von dort monatlich abfahrenden Dampfer der Woermann-Linie tunlichst bald unser Reiseziel zu erreichen. Doch da hatten wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht; denn von der Reederei kam der überraschende Bescheid, alle nach Südafrika abfahrenden Dampfer feiert bis gurrt Ende des Jahres und darüber hinaus ausverkauft, und erst auf dem im März auslaufenden Dampfer könnten bei sofortiger Bestellung zwei Plätze in der Touristen- oder gewöhnlichen Klaffe für uns reserviert werden. So lange unsere Abreise hinauszuschieben, schien uns nicht angezeigt. Wollten wir noch vor Ablauf des Jahres unsere Reife antreten, so gab es für uns nur eine Reisemöglichkeit, nämlich die, daß wir uns in Genua einschifften, u. zw. an Bord des „Duilio", eines Dampfers der Reederei „Italia", der fahrplanmäßig am 3. Dezember in Genua in See stechen und am 23. desselben Monates, also noch vor Weihnachten, in Durban, unserem Schlußhafen, landen sollte. Demgemäß fanden wir uns — P. Klemm und ich — gegen Ende Novembex im Noviziatshaufe Iofefstal bei Ellwangen ein, da wir von dort unsere Reife in die Mission antreten sollten. Der Rektor des Hauses, P. Josef Würz, ließ es sich nicht nehmen, eine kleine Abschiedsseier zu veranstalten. Diese bestand zunächst in einer Missionsandacht zur Vorbereitung auf das nah bevorstehende Fest des hl. Franz Xaver, des großen Missionärs und besonderen Patrons unserer Genossenschaft, die in der Hauskapelle abgehalten wurde und in einem feierlichen Tedeum und sakramentalen Segen ihren Abschluß fand. Hieraus versammelte sich die Klosterfamilie im Speisesaal des Hauses. Nach einigen musikalischen Darbietungen trug der Gesangschor der Novizen ein Missionslied vor — der Name des Komponisten ist mir leider entfallen —, das der schlichten Feier gerade angepaßt war, weil darin einerseits die geistige Not und Hilssbedürftigkeit der heidnischen Neger, andererseits die Würde und Erhabenheit des Missionsberufes in ergreifender Weife zum Ausdruck kam. Anschließend hielt der gerade anwesende Generalassistent P. Johann Deisenbeck eine Ansprache, worin er einige besonders markante Stellen aus dem Text des Liedes herausgriff, um sie in rednerischer Form zu erläutern und die Bedeutung der Abschiedsfeier noch besser hervortreten zu lassen. Die beiden scheidenden Missionäre verfehlten ihrerseits nicht, für die einfache und doch würdige Feier dem Pater Rektor und allen dabei Mitwirkenden herzlich zu danken und in schlichten, doch von Herzen kommenden Worten ihre innige Freude über ihre Abreise in die Mission zu erkennen zu geben. P. Klemm reiste nun sogleich ab, wollte er doch seinem in der Nähe des Bodensees wohnenden Bruder noch vor seiner Einschiffung in Genua einen kurzen Besuch abstatten. Ich reiste erst am zweitfolgenden Tag, am 1. Dezember, von Josefs-tal ab und fuhr über Friedrichshasen und Zürich nach Mailand, wo ich am folgenden Morgen um 6 Uhr ankam. Hier unterbrach ich die Reise, um die heilige Messe zu lesen und während des Tages einige Hauptsehenswücdigkeiten der Stadt zu besuchen und zu besichtigen, soweit das in einer so kurzen Frist möglich war. Vor allem lenkte ich meine Schritte zu dem herrlichen, in srühgotischem Stile erbauten Dom, der mit seinem 110 Meter hohen Turm über das ganze Häusermeer Mailands majestätisch emporragt und schon aus weiter Ferne als das Wahrzeichen der Stadt erkennbar ist. In seinen massiven Teilen besteht er aus teils glänzend weißem, teils buntfarbigem Marmor und ist im Innern sowohl als auch im Äußern mit marmornen und bronzenen Statuen reich geschmückt. Wollte ich aus Einzelheiten eingehen, so müßte ich vor allem die prachtvolle Grabkapelle erwähnen, die den Leib des hl. Karl Borromäus birgt; ferner das hohe, mächtige Portal aus Bronze, das mit seinen plastischen Darstellungen aus dem Leben Jesu gleich den Blick des Besuchers fesselt und wie ein kostbarer Juwel der Fassade des Domes eingefügt ist. Was mir, offen gestanden, den Mailänder Dom weniger sympathisch erscheinen ließ, ist eine praktische Schwierigkeit, die darin besteht, daß wegen der zwischen den hohen Spitzbögen einherlaufenden Glasmalereien das Tageslicht nicht zur Geltung kommt, wie man es zur Lesung in einem Buch wünschen möchte. Es war schon gegen 10 Uhr vormittags, also draußen helles Tageslicht, und doch mußte ich, um mein Brevier rezitieren zu können, mich in einen mit Kerzen beleuchteten Raum begeben. Wenn ich diesen Mangel an Helligkeit als etwas Unzuträgliches hervorhebe, so soll natürlich der dadurch bedingte stimmungsvolle und zur Andacht anregende Eindruck des Domes wie jeder andern gotischen Kirche nicht herabgemindert oder geringschätzig beurteilt werden. Kein Kirchenstil ist vollkommen, auch nicht der gotische; er hat wie jedes Ding in dieser Welt seine Vorzüge und seine Nachteile, seine Licht- und seine Schattenseiten. Meiner Gewohnheit gemäß schlenderte ich dann, statt die elektrische Straßenbahn zu benützen, auf einigen Hauptstraßen der Stadt umher, wobei sich mir bald dieses, bald jenes elegante Gebäude oder irgend ein anderes Kunstwerk zur näheren Besichtigung darbot, bis ich endlich des Manderns müde war. Um 5.30 Uhr nachmittags bestieg ich den Schnellzug und fuhr weiter nach Genua, wo ich nach zweistündiger Fahrt ankam. Dort traf ich zu meiner MWons s chwoster n machen einen medizinischen Kars mit. Die Franziskanerin-nen-Missionärinnen von Lyon absolvieren vor ihrer Ausreise in die Missionen einen Jahreskurs über Medizin. (Fides-Foto.) ■HHH Freude meinen Reisegefährten P. Klemm, der einige Stunden vorher in Genua angelangt war und mich am Bahnhof erwartete. Was mich bei meiner Ankunft in dieser Hafenstadt angenehm überraschte, war die milde Witterung des europäischen Südens, die mir fast wie ein Übergang vom Winter in den Sommer vorkam. Es gewährte mir eine wahre Befriedigung, daß ich meine dicke Winterkleidung ablegen und durch eine leichtere ersetzen konnte, ohne eine Erkältung oder sonstige Unpäßlichkeit befürchten zu müssen. Für die nächste Nacht fanden wir — P. Klemm und ich — in einem dem Hafen nahegelegenen Hotel passende Unterkunft. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, daß uns der folgende Tag eine Überraschung nach der andern brachte. Nachdem wir nämlich die heilige Messe gelesen und gefrühstückt hatten, bestiegen wir die Straßenbahn, um den weltberühmten Campo-santo, d. h. den außerhalb der Stadt auf der kleinen Anhöhe Staglieno gelegenen Friedhof, zu besuchen. Auf dieser Fahrt genossen wir ab und zu eine herrliche Aussicht auf die terrassenförmig sanft ansteigende Stadt, auf ihre kunstvollen Bauten und schmucken Häuser, die mit den dazwischenliegenden, noch im satten Grün prangenden Gärten und öffentlichen Anlagen einen abwechslungsreichen und zu- gleich freundlichen Anblick boten. Der Leser denke sich, daß diese reizend gelegene Stadt und der halbkreisförmige, mit einem Mastenwald bedeckte Hafen sich in hellem Sonnenschein unsern Blicken darbot, und er wird leicht verstehen, daß ich nicht umhin konnte, meiner freudigen Überraschung mit einem Ausruf lebhafter Bewunderung immer wieder Ausdruck zu geben. Ich wüßte nicht, wo ich in Deutschland, selbst im Rheinland, soweit ich es aus eigener Anschauung kennengelernt, ein so befriedigendes, um nicht zu sagen entzückendes Landschaftsbild fände, das dem von Genua als gleichwertig an die Seite gestellt werden könnte. Dennoch sollte uns gleich darauf eine noch interessantere Besichtigung, freilich anderer Art, vorbehalten sein, als wir nämlich unter der Führung eines orts-und fachkundigen Condottiere in den Cam-posanto eingetreten waren und die verschiedenen Galerien der dortigen Grabdenkmäler besichtigten. Hierunter verstehe ich vor allem jene Familiengräber, wodurch, wie unser Condottiere uns belehrte, das Andenken an jene Genuesen lebendig erhalten werden soll, die sich durch hervorragende Leistungen in Kunst, Wissenschaft ober Technik oder durch Werke mildtätiger Nächstenliebe um die Stadt und ihre vielfach armen Bewohner verdient gemacht haben. Jene Meisterwerke der Bildhauerkunst verdienen in der Tat eine rühmende Erwähnung. Sie bestehen aus betn feinsten Marmor von Carrara; was sie besonders auszeichnet oder was ich wenigstens an manchen Statuen, bewunderte, sind ihre markanten Gesichtszüge, ihre edle Haltung oder eine faltenreiche, elegante Kleidung. Man erblickt auch manche symbolische, d. h. sinnbildliche Darstellungen, die sich aus den Tod und das Leben im Jenseits beziehen, die daher auch ein besonderes Interesse verdienen. Was ich noch bemerken möchte: Die Genuesen scheinen einen Drang zu haben, sich durch glänzende Grabdenkmäler zu verewigen, wie z. B. jene alte Bäuerin, die, wie unser Gewährsmann sagte, sich durch Bettel ein ansehnliches Kapital erwarb, das sie instand setzte, sich jenes marmorne Grabdenkmal setzen zu lassen, das sie als eine um Almosen bittende Bettlerin darstellt, das sie aber selbst nicht mehr schaute, da es erst einige Monate nach ihrem Tode vollendet wurde. Vollauf befriedigt verließen wir den weltberühmten, einzigartigen Friedhof, und nachdem wir uns durch• ein gutes, wenn auch frugales Mittagessen leiblich gestärkt hatten, lösten wir die Fahrkarten für unsere Seereise und bestiegen gegen 3 Uhr nachmittags den Dampfer „Duilio", auf dem wir eine buntgemischte Menge von Passagieren antrafen, die zum größten Teil gleich uns nach Südafrika fuhren. Nach langem Hinundherlaufen in den sehr belebten, lärmvollen Hasenanlagen gelang es uns, auch unsere Habseligkeiten an Bord zu befördern und sie teils im unteren Gepäcksraum. teils in der uns angewiesenen Kabine der Touristenklasse unterzubringen. Nun hatten wir auch Zeit und Muße, unter den Passagieren auf dem Verdeck nähere Umschau zu halten. Ich machte zunächst Bekanntschaft mit dem Schiffskaplan, einem jungen italienischen Geistlichen, der mir stets freundlich entgegen* In der Katechismusstunde. Anschaulichen Religionsunterricht brauchen die unkultivierten Völker noch mehr als die kultivierten. Wir sehen die Missionsbenediktinerin aus Tutzing, die sich abmüht, ihren schwarzen Zulu-Kindern aus Natal die hl. Dreifaltigkeit uud andere Geheimnisse des Glaubens etwas klar zu machen. (Fides-Foto.) Im Kinbevasyl. Sie 6t.« Ios.-Schwestern von Cluny beschäftigen sich mit einer Reihe von karitativen Einrichtungen in Belgisch« Kongo. Die kleinen schwärzen Krausköpfe erfreuen sich nicht on letzter Stelle der mütterlichen Fürsorge der guten Or-densfrwuen. (Fides-Foto.) kram und, wo immer ec konnte, behilflich roar; ferner mit einem Priester aus der Mariannhiller Mission, der, aus Vorarlberg gebürtig, 45 Jahre ununterbrochen unter den Eingeborenen Südafrikas tätig war und nach einem halbjährigen Urlaub und Aufenthalt in seiner Heimat auf fein Arbeitsfeld zurückkehrte. Außerdem kam an Bord — als fünfter Geistlicher — der Generalobere der sogenannten Merzeida^ rier, eines alten, heute nur noch in den romanischen Ländern existierenden kirchlichen Ordens, der aber schon in Gibraltar unser Schiff wieder verließ, um die in Spanien befindlichen Häuser feines Ordens zu visitieren. Ein eigentümliches Geschick wollte es, daß auffallend viele Juden an Bord waren, die teils aus Deutschland, teils aus Polen und Litauen kamen. Sie reisten sämtlich nach Südafrika. In Genua hatten sich 216 Fahrgäste eingeschifft, dazu kam die Schiffsmannschaft, die ausnahmslos aus Italienern bestand und nicht weniger als 408 Köpfe zählte, so daß die Zahl aller Schisfsinsassen die stattliche Höhe von 624 Personen erreichte. Trotz aller Verschiedenheit trat schon gleich bei der Abfahrt im gesellschaftlichen Verkehr ein Anstand und eine Freundlichkeit, ja eine Lebhaftigkeit und ungezwungene Heiterkeit zutage, die einen guten Eindruck machte und ein gemütliches Zusammenleben auch während der weiteren Fahrt erhoffen ließ. (Fortsetzung folgt.) Gedetsmeinnng im monat mal: Mi Die Gegenden, in welche die Monate noch nicht eindrangen.“ Der unsichtbare Dritte. Von Anna Kayfer. (Schluß.) Schon nach acht Tagen ging Bernd nach der gerissen hatte, wieder aus. Es war St. Meinolph. Sein Vater selbst erwirkte eine große Ruhe über ihn gekommen. Der ihm die Aufnahme in den Kurs der Spät- geheimnisvolle Dritte war ihm Freund gelinge. Es war, als knüpfe er nur Fäden, worden. die für eine Zeit abgebrochen gewesen Bernd nahm von jedem Stück der Hei-waren, wieder an, als fülle er nur die materbe Abschied, von den Stätten der Lücke, die er vor achtzehn Jahren sel- Kinderspiele, von den Immen in den Hüt- ten, von den Schwalben auf der Tenne, von den Füllen im Kamp, von dem weidenden Kuhvolk, vom rauschenden Wald, der um seine heimlichen Träume wußte, von den wallenden Fruchtmarken, vom quellenden Spcink, vom „Geharnischten Ritter" und zu allerletzt vom grauen Herrgottshause, dessen verschwiegener Bewohner um sein Aus und Hin wußte. Auf der Hausschwelle segnete ihn der Vater. Bernd erkannte, da wurde ein Opfer gebracht, das einen Strom von Herzblut kostete, und er war der „Isaak". * Lenze und Sommer gingen wechselnd zwischen Verheißung und Erfüllung über Strithosens Land und über den Berg St. Meinolph. Das waren für den reckenhaften Zögling Bernd Lenze und Sommer eigener Art, einsame Zeiten der Aussaat, des Durchbruchs durch hartes Erdreich, des Keimens und Spcießens und Wachsens, des Reifens in Sonne und Glut und Herr-gottswettern. Alle Sonntage schrieb er seinem Vater, aber einmal nur in sechs Jahren kam er zu kurzer Rast heim. Görg bat ihn darum, des Vaters wegen. Görg war aus dem langen blassen „Studentlein" ein kraftvoller Jungbauer geworden, als hätten sich Mark und Adern vollgesogen vom Blut seiner inbrünstig geliebten Acker. Elschen war zu einem blühenden Maidlein ausgewachsen, ihre verjüngte Mutter, des Vaters Sonnenschein. Aber der Vater kam Bernd vor wie von aller Welt gelöst. Es ergriff ihn, wie er mit jeder Faser der Natur noch in der heimischen Scholle hing, aber mit Herz und Seele lebte er bei ihm auf dem Berge St. Meinolph. Da zog sich eine tiefe Wunde mitten durch sein ganzes Leben, aber eine, an der Menschen blutend gesunden und über Nebel und Alltag hinauswachsen. Er selbst fühlte, bei aller Liebe zu der Scholle, die ihn geboren hatte, war er schon zu sehr Sämann und Samenkorn in seinem Erdreich. Darum brauchte es kein neues Loslösen. * Wieder drei Jahre unentwegten Stre-bens, und er stand an der Pforte des hei- ligen Zeltes, aus dem der Altar zwischen Erde und Himmel ragt und Menschen von Fleisch und Blut Opfernde und Opfer sind. Am Tage vor Mariä Himmelfahrt war es, da stieg Georg, der Bauer vom Strit' hose, als ergrauter Mann den Berg nach St. Meinolph hinauf und stand wieder an der Pforte, durch die er vor dreißig Jahren als Ringender zwischen zwei Welten hinausgeschritten war. Er hatte sich für den Tag seine einstige Zelle als Herberge erbeten. Görg und Else übernachteten im Taldorfe. Der enge Raum war noch ganz, wie er ihn verlassen hatte. Nur daß er seitdem Zeuge gewesen war manch hohen Geistesfluges und heißen Menschenkampfes. Er stand am niedern Fenster, unter sich den blauen See, über sich den gestirnten Himmel. Ihm war, als wäre er nur eine Zeitlang auf Wanderschaft gewesen und nun im Abendrot heimgekehrt. Sein Sohn in der Zelle nebenan beschwor die Wirklichkeit zurück. Aber war der nicht er? Er hatte das tiefe Heimweh seiner Seele in ihn geströmt und in ihm hatte er das verstörte Zelt seiner Jugend auf dem Berge Gottes weiterzubauen begonnen. Der Tag der Weihe stand unter blauem Himmel und reiser Erdfülle. Es war, als stände in dem greisen Festredner der Seher von Patmos auf der Kanzel: „Wer überwindet, dem will ich ein verborgenes Manna geben ... Ich will ihn zu einer Säule im Tempel meines Gottes machen... Ich will ihm Macht über die Heiden geben . . ." Und als Bernd Strithofen dann das geheimnisvolle Siegel auf feine Stirn empfing. das ihn herausnahm aus der Gemeinschaft der Vielen, da sprach sein Vater das „Nunc diiuittis . . .“ feines Lebens. „Nun entlässest du, o Herr, deinen Diener im Frieden." * Es war im Abenddämmern des folgenden Tages — Görg und Else waren wieder heimgefahren. Görg hatte es nicht länger als not gelitten. Daheim standen die Marken in todreisen Früchten. Und ihn be- klemmte auch die Luft in der seltsamen Welt, die außerhalb allem lag, was ihm Lebenswirklichkeit bedeutete. Ihm blieb es ewig ein Rätsel, wie sein schöner, froher Bruder um rätselhafte Armut eine herrliche Väterheimat hatte tauschen können. Anders die blonde, sinnige Elfe. Sie hatte geweint beim Abschied. Sie hätte dableiben mögen und mit dem großen Bruder hinausziehen in die Länder seiner und — ihrer Träume. Aber einstweilen galt es, ihm fein „Hochzeitsfest" daheim zu richten. Das ganze Dorf stand schon in Erwartung. Lieber hätten sie Bernd ja als Erbbauer bei Hof und Pflug behalten. Aber sie waren auch stolz, nun er mit Kreuz und Kelch wiederkehrte, wenn auch nur zu einem kurzen Festtage. Sein Vater blieb die zwei Tage bis zur Heimfahrt in St. Meinolph. Bernd stand in der Abenddämmerung neben ihm am Fenster der Zelle. „Was sinnst du so schwer, Vater?" Strithosen sah ihn an, als wollte er sein Tiefstes erforschen: „Bernd, denk, wir ständen auf der Schwelle zwischen dieser und jener Welt. Und dann sag' mir: Hast du es nie bereut, daß du dein irdisches Erbe verlassen hast?" Bernd legte wie zum Schwur die Hand aufs Herz: „Vater, ein kleines Stück Land habe ich verlassen und ein unbegrenztes wieder gefunden. Siehst du drüben, hundert Stunden weit, die Säume der Erde den Himmel berühren? So weit reicht mein Land. Ströme der Ewigkeit um-rauschen es. Es hat immer die Sonnen der Höhen und die Quellen der Tiefen, und selbst Stürme und Gewitter sind ihm Gnade." „Still, ich weiß es. Ich zog ja selber einmal aus, es zu erobern. Ich hatte schon die Pfähle zu meinem Zelt geschlagen, das in die Wolken reichen sollte. Aber mein Feldherr schickte mich ins Tal zurück, und ich baute meinen eigenen Acker und seine Ernten heimste ich in meine eigene Scheuer." „Auch in die Scheuer Gottes", unterbrach ihn Bernd. „Ich wäre sonst von ihrem Brot nicht so gesund und stark ge worden an Leib und Seele." Beim Nähunterricht. Es sind Schönstätter Marienschwsstern aus Deutschland, die dort drunten in Queenstown (Südafrika) den jungen schwarzen Mädchen Nähen, Kleidermachen und sonstige Handarbeit beibringen. (Fides-Foto.) „Ja, an Seele. Das erschreckte mich alten Selbstling erst, daß ich fast zerbrochen wäre. Aber als ich dann den Geheimnisvollen erkannte, der seine Sense in meine Ernte schlug, da erging es mir wie ehemals einem andern, der einen Wunderbaren auf den Fluten wandeln sah: ,Es ist der Herr!"'. „Ja, Vater, es war der Herr." Eine Weile war es still zwischen Vater und Sohn. Lichter von furchenden Kähnen blinkten auf dem See. Von weit her kamen Lieder feiernder Schnitter und der Klang von Herdenglocken, „Weißt du noch, Bernh, als du einmal als Knabe für den kranken Schäfer Jost die Schafe hüten solltest und sie in den reifen Klee triebest?" Bernd lächelte in heiligem Leichtsinn. „Ich dachte plötzlich an einen anderen Hirten, Vater, an andere Schafe, an grünere Triften, da konnte ich nicht anders." „Und als du auf der Hubertusjagd den flüchtigen Bock lausen ließest und nur ein wundes Reh heimbrachtest?" „Vater, da hatte ich in der Nacht den Schrei eines dürstenden Hirsches gehört, und das gehetzte Reh erbarmte mich. Viel wundes Wild wartet nun in fernen Jagdrevieren auf den Jäger Gottes." Strithofen durchschauerte es seltsam. „Bernd, auch dein Vater wußte einmal um dieses Wild, aber er hat nur feine eigenen Reviere gehegt." Bernd legte, ernst lächelnd, die Hand auf seinen Arm: „Vater, des Herrgotts Ruf ist immer nur Rat, nie Zwang. Auch das Haus deines Vaters und Geschlechtes war sein Haus. Er hat sicher nicht gewollt, daß du es zusammenstürzen lassest. Auch die Scholle deiner Ahnen war seine Front. An allen Landstraßen liegen an Leib und Seele Zerschlagene, und du warst ihnen immer Samariter." Strithofen wurde ganz still. Er erkannte in demütigem Stolz, e r hatte nur Erdreich und Wurzel sein sollen, sein Sohn erst Baum und Wipfel. Er wußte, viele würden in seinen Zweigen wohnen. Fernes Abendrot lag leuchtend aus seinem Gesicht, durch das sich tiefe Furchen zogen vom Pfluge Gottes und der Zeit. „Bernd", sagte er verhalten wieder, „du weißt, daß du der Ersatz bist für deinen Vater. Eines sag' mir noch: Hat nie ein anderer als der, der dich rief, neben dir auf diesem Berge gestanden und dir die Herrlichkeiten einer andern Welt gezeigt?" „O, Vater, ja. Aber immer stand ein geheimnisvoller Dritter zwischen mir und ihm und ließ die Seligkeit seiner Welt aufleuchten, und sie überstrahlte alles. Ec weiß, woraus er mich gebildet hat. In seiner Kraft geht meine Schwachheit unter." Die Glocke rief zur Komplet. Bernd drückte dem Vater die Hand. „Gute Nacht, Vater! Schlaf wohl!" Er ging in den Chor. Die Nacht sank sternenhell über den Berg von St. Meinolph. Aus ihrem Schoße stieg ein Morgen sonnig und strahlend, „wie ein Bräutigam aus seiner Kammer". > Pater Strithofen pochte um acht Uhr an der Tür seines Vaters. Er hatte um sieben Uhr im Chocamt sein wollen. Aber er gönnte ihm die Ruhe nach den Erschütterungen der letzten Tage. Es blieb still drinnen. Er pochte wieder. Kein Laut. In jäher Unruhe machte er die Tür auf — und sank mit einem erstickten Laut vor dem Bett des toten Vaters nieder. Mit stillem, weißem, unendlich friedvollem Gesicht lag er auf dem schmalen, harten Lager, die Hände aus der Decke gefaltet, als hätte er sich eigens so zum Ster ben zurechtgelegt, wie ein müder Schnitter nach einem heißen Erntetage. Bernd weinte nicht, er rief auch seine Brüder nicht. Der Friede in dieser Zelle, durch die die Ewigkeit gegangen war, war zu köstlich, um ihn zu verstören. Wohl eine Stunde kniete er da, in den Anblick des geliebten Gesichtes verloren, seine Hände um die beiden erstarrten auf der Decke gefaltet. Er fühlte, er war nicht allein mit dem Vater. Der geheimnisvolle Dritte war zwischen ihnen, nie hatte er so seinen Atem gefühlt. Er war bei ihm gewesen in seinem einsamen Heimgehen, er hatte seinen Anker gelichtet und ihn an seinen Strand gebracht. Es war still ringsum. Die Brüder waren im Speisesaal. In den Klosterlinden sang eine Ammer, im Hofe dengelte der Hausknecht feine Sense. Das Wallen des Sees war wie das Rauschen ferner Erntefelder. Aber sie heischten den stillen Schläfer oben in der Zelle nicht mehr zurück wie vor dreißig Jahren. Bernd stand auf und drückte dem Vater die Augen zu. Ein heimliches Freuen stieg neben dem Trauern der Natur in seiner Seele auf: Des Vaters letzter Gang war zum heiligen Berge seiner Jugend gewesen — und diesesmal hatte er dableiben dürfen. Er zeichnete ein Kreuz auf feine hohe Stirn: „Heute noch fei dein Aufenthalt im Frieden und deine Wohnung im ewigen Sion!" Amschau. Das Apostel-Petrus-Werk und die Frage der einheimischen Seminare. Rom. Unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz Msgr. Celso Costantini tagte am 9. Dezember 1936 der Zentralrat des Päpstlichen Werkes vom heiligen Apostel Petrus unter Beiziehung der Vertreter der einzelnen Nationen. Es handelte sich um Prüfung der Gesuche, die dem Zentralrat aus den verschiedenen Missionen zur Unterstützung von Seminarbauten zugegangen waren. Die eingelaufenen Gesuche — im ganzen 111 — verteilen sich folgendermaßen: 1. Für kleine Seminarien im ganzen 85, davon in Afrika 23, in Indien 15, in Indochina 8, in Amerika 4, in Europa 1, in Japan 2, in China 27, in Ozeanien 5. 2. Für große Seminarien im ganzen 26, davon in Afrika 8, in Indien 6, in Indochina 2, in Europa 1, in Japan 1, in China 7, in der Mandschurei 1. Zur Befriedigung dieser vielfach höchst dringenden Wünsche hätte es einer Summe von 22 Millionen Lire bedurft. Demgegenüber standen dem Zentralrat nur 300.000 Lire zur Verfügung. Nach eingehender Prüfung der einschlägigen Dokumente und Beschränkung auf die allerdringendsten Fälle bewilligte der Zentralrat folgende Summen: Für das Regionalseminar Kirin 200.000 Lire (gefordert war eine Summe von 470.000 Lire), für das Regionalseminar Peramiho 50.000 Lire, für das kleine Seminar der skandinavischen Länder 5000 Lire, für das kleine Seminar unter den Paria von Bezwada 45.000 Lire. Alle anderen Gesuche mußten abschlägig beschieden werden. Hat doch das Werk für den Unterhalt von Tausenden von Seminaristen alljährlich 9 Millionen aufzubringen. Beiträge zum Bau von Seminarien kommen also nur in beschränktem Maße in Betracht. Daß andererseits die Frage des einheimischen Klerus ohne Seminarien nicht gelöst werden kann, ergibt sich von selbst, und die dringenden Hilferufe der Missions- Ordinarien bestätigen es immer von neuem. (Fides.) Kongreß der „Katholischen afrikanischen Union" (G. A. U.). Kimberley (Südafrika). Der 13. Kongreß der Katholischen afrikanischen Union wurde in Kimberley vom 30. Dezember 1936 bis 6. Jänner 1937 veranstaltet. Eine außerordentlich große Zahl von Missionären und Eingeborenen-Delegierten aus allen Firmung in Südafrika. Eingeborene von Vanstadensrust werden von ihrem Bischof, Erg. Meysing, Apostol. Vikar von Kimberley, gefirmt. Das Vikariat umfaßt Teile der Kapproving, des Orange-Freistaates, Transvaals und erstreckt sich nordwärts noch ein gut Stück in das Bechuanvland hinein. Die Oblaten-miffionäre können bei der großen Ausdehnung des Gebietes manche Stationen, wie Vanstadens-vust, höchstens einmal im Monat aufsuchen. (Fides-Foto.) Teilen der Südafrikanischen Union, aus Betfchuanaland, Swaziland und Rhodesia hatte sich eingefunden. Vor 14 Jahren kam die Katholische Union für Südafrika vor allem durch die Bemühungen der beiden Maciannhiller Msgr. Hanisch und P. Bernhard Huß zustande. Sie war als Gegengewicht gegen die kommunistische Propaganda gedacht, die man bereits unter die einheimischen Völkerschaften Südafrikas getragen hatte. Die Union sollte 1. die Grundsätze der katholischen Kirche unter den Eingeborenen Südafrikas verbreiten und schützen; 2. die wirtschaftliche, soziale, geistig-intellektuelle, politische und hygienische Wohlfahrt der Eingeborenen Südafrikas fördern; 3. die Zusammenarbeit und Eintracht zwischen den Bantu und europäischen Völkern und dadurch Frieden und Fortschritt in Südafrika ermöglichen und heben. Die C. A. U. war immer bemüht, die Eingeborenen dahin zu bringen, unter Führung kompetenter Ratgeber die Besserung ihrer Lage in die eigene Hand zu nehmen. Man erfand die Schlagworte: „Bessere Herzen", „Bessere Heime", „Bessere Felder". Die Eingeborenen wurden in die .modernen Methoden des Ackerbaues und der Gesundheitspflege eingeführt. Auch zur Gründung von Sparkassen hat man vielerorts einen Anlauf genommen. Um die Landflucht, den Zustrom der Schwarzen in die großen Städte aufzuhalten, suchte man Farmen für sie zu erwerben und sie so''seßhaft zu machen. (Fides.) Katholische Aktion und Hebung der Eingeborenen in Transvaal. Witbank (Lydenburg, Südafrika). Unter dem Vorsitze des Apostolischen Präfekten Msgr Mohn tagten vom 11. bis 13. Jänner 1937 die Priester der Präfektur Lydenburg in der Hauptstadt, um den weiteren Ausbau der Katholischen Aktion unter den Eingeborenen-Christen zu beraten. Es wurde einmütig beschlossen, dort, wo die Vorbedingungen gegeben sind, die „Catholic African Union" einzuführen (C. A. 11). Des weiteren will man an die Gründung einer landwirtschaftlichen Schule gehen, um die Eingeborenen rationellen Ackerbau zu lehren. Schließlich sollen auf allen größeren Stationen Haushaltungskurse für Frauen und Mädchen eingeführt werden. Das geschieht im engsten Einvernehmen mit den Regierungsstellen. Denn auch die Regierung kommt immer mehr zur Einsicht, eine rein intellektuelle Bildung gereiche in der gegenwärtigen Zeit der schwarzen Rasse eher zum Schaden als zum Nutzen. Hand in Hand mit dem theoretischen Unterricht muß die praktische Erziehung fürs Leben gehen. Darum hob auch vor kurzem ein Regierungsschulinspektor rühmend die großen Leistungen der katholischen Missionsschwestern hervor. Er meinte, daß manche Missionsschulen viel leichter staatliche Anerkennung und Unterstützung finden, wenn Schwestern dort .Haushaltungskurse leiten. (gibes.) 25 Jahre Leprosenheim in Makogai. Makogai (Ozeanien). — Am 29. November 1911 gingen zwei Missionsschwestern aus ber Gesellschaft Mariens in Levuka, einem Hafen-platz der Insel Ovalau (Fidschi), an Bord, um die Leprosenstation Makogai ins Leben zu rufen. Es waren Schwester Maria Stanislaus und Schwester Maria Susanna, beide Französinnen. Levuka ist von Makogai kaum 30 Kilometer entfernt. Der Apostolische Vikar Msgr. Vidal stellte den wackeren Missionärinnen sein Boot, den „Bola Stag" Morgenstern), zur Verfügung und begleitete die beiden zum Zeichen seines Wohlwollens auf der überfahrt. Nach drei Stunden landete das Motorboot auf der Insel, die künftighin Insel der Leprosen heißen sollte. Zum erstenmal setzten Schwestern ihren Fuß auf die Erde, die Schauplatz ihrer glorreichen Tätigkeit werden sollte; eine unbewohnte, unbebaute Insel mit vielen Hügeln, von denen der höchste sich bis 300 Meter Höhe erhebt. Dabei ist die ganze Insel nur vier Kilometer lang und ungefähr zweieinhalb Kilometer breit. Früher hatte ein eingeborener Stamm dort gehaust, aber, von Seuchen schwer heimgesucht und fast aufgerieben, hatten sich die überlebenden nach der viel ausgedehnteren Insel Ovalau mit dem Hauptort Levuka gerettet. Später hatte ein Europäer die Insel billig erstanden und erfolglos Baumwolle zu pflanzen versucht. Schließlich plante die Regierung, ein Leprosenheim darauf zu errichten, um alle Aussätzigen der Kolonie dort unterzubringen, nachdem ein Teil dieser Kranken bereits auf der benachbarten Insel Mbenga eine Zufluchtsstätte gefunden hatte. So sah das verheißene Land aus, dem die beiden Mägde Christi zusteuerten. Msgr. Bidal sparte nicht -an etwas übertrie- denen Lobsprüchen auf die landschaftlichen Schönheiten der Insel, wo die Schwelstern in ihrer Freizeit Bergtouren kleineren Stils unternehmen könnten, bis zu einem Punkt, der sich aus dem Meer erhebe und je nach Ebbe- und Flutzeit Insel und Halbinsel bilde. Die braven Schwestern stellten weniger geographische Betrachtungen an, ihre Gedanken waren weniger dem wilden Naturschauspiel als der Zukunft zugekehrt, deren Rätsel ihnen zu schaffen machten. Wieviel Fragezeichen, die nur durch einen Akt des Vertrauens auf die göttliche Vorsehung zu lösen waren! Wie würden lsie in Makogai von dem Regierungsarzt. empfangen werden, der vor einigen Monaten für die notroembigiften Vorbereitungen eingetroffen war? . . . Doktor Hall war Irländer, aber Protestant — also nicht gerade ermutigend. Sie sollten ein großes Krankenhaus übernehmen und hatten dabei nie einen Krankenpflegekurs mitgemacht. Würde ihr gesunder Hausverstand, ihr Opfer- und Glaubensgeiist genügen? Die Regierung hatte materielle Hilfe zugesichert. Aber diese Mittel mußten auf die bestmögliche Weise nutzbar gemacht werden, es mußte die Arbeit verteilt und den Kranken, die in großer Zahl und in hilflosem Zustand kommen sollten, der Aufenthalt angenehm gemacht werden. Würden sie dieser Äufgabe gewachsen sein? Dazu kamen persönliche Erwägungen. Bei allem Heldenmut fordert die Natur ihre Rechte. Würden sie je wieder aus ibie= fern Makogai herauskommen, jemals wieder nach dem entzückenden Levuka zurückkehren, das sie eben verlassen hatten? Würden sie je ihre Mitschwelstern wiedersehen, die an den verschiedenen Missionsstationen wirkten? Durften sie weiterhin an den gemeinsamen Exerzitien teilnehmen, die für das Leben des Missionärs ebenso viele Oasen in der Wüste bedeuten? Würden sie durch täglichen Umgang mit den weitfortgeschrittenen Kranken schließlich selbst sich das Unheil zuziehen, das sie bei anderen zu lindern trachteten? Doch brachten offenbar all diese Betrachtungen, die sonst die Kühnsten beeindrucken, die zwei Gründerinnen von Makogai wenig aus dem Gleichgewicht. Sie hielten sich wohl an das Paulinische Wort: „Ich weiß, auf wen ich mein Vertrauen setze." Und ihr Vertrauen täuschte sie nicht. Doktor Hall entpuppte sich als liebenswürdiger Mann und zugleich als Organisator ersten Ranges. Unter seiner klugen, starken Leitung gewann das Leprosenheim bald die Gestalt eines Unternehmens, wo nichts dem Zufall überlassen wurde, wo vollkommene Ordnung und Disziplin herrschte. Die Gdiroeiftern. , zunächst noch Anfänger in der Pflege der Leprosen, rangen sich rasch zu der gewünschten Erfahrung durch. Sie hatten bald mehrere Fälle nicht bloß von Besserung.^ sondern von vollkommener Heilung zu verzeichnen — das beste Zeugnis für' ihr Können. Auch Urlaub, besonders erholungshalber, er- Im Leprosenheim von Makogai (Fidschi-Inseln). Im Laufe des November 1936 feierte das Aussätzigenheim Makogai, auf einer der Fidschi-Inseln gelegen, das erste Vierteljahrhundert seines Bestehens. Auf unserm Bild sehen wir eine der einheimischen Schwestern, die seit 26 Jahren dort Dienst tut und selbst von der furchtbaren Krankheit angesteckt wurde. Man beachte, wie die Hände der kleinen Inderin von der Lepra angefressen sind. (Fides-Foto.) hielten sie zur Genüge. Schon in den ersten Wochen waren ihnen zwei einheimische Schwestern geschickt worden, die sie in ihrer Arbeit unterstützen sollten. Dann kamen andere Schwestern in dem Maße, als sich neue Bedürfnisse einstellten. Sie brauchten sich also nicht zu sorgen. Die Vorsehung lenkte alles zum besten, übrigens verfolgten die Kolonialbehörden die Arbeiten der Schwestern mit regem Interesse und erklärten sich hochbefriedigt von den Leistungen, die sie in kurzer Zeit mit ihrem praktischen Sinn und ihrem Opfergeist vollbracht. Zu den 40 Aussätzigen der ersten Tage kamen bald viele andere aus verschiedenen Bezirken. Ende 1918 zählte man bereits 154 uni) Ende 1913 schon 177. Als man von öi>n günstigen Erfolgen hörte, ließ man die Kranken nicht bloß von den Fidschiinseln, sondern auch von Toga, Samoa, den Look-, Ratuma- und Gilbertinseln, also von allen englischen Besitzungen im Südlichen Ozean, kommen. ,So waren auf Makogai 1933 bereits 28V Insassen, ihre Zahl stieg 1933 auf 427 und 1936 auf 580 Kranke. Bis Ende 1833 waren insgesamt 1365 Kranire ausgenommen und 205 als geheilt entlassen worden. Macht dieses Ergebnis dem ärztlichen Dienst alle Ehre, so zeigt es auch, wie die Arbeit der Ordensfrauen vom menschlichen Gesichtspunkt aus sich als fruchtbar erwies. Wer wird aber ihren Einfluß in der übernatürlichen Sphäre ermessen, wo es sich um das Seelenheil der Hunderte von Toten handelt, die im Friedhof Makogai der Auferstehung entgegenschlummern? Wer kann die Schmerzen, die durch ihre Pflege gestillt, die Wirkung ihres guten Zuspruchs auf niedergeschlagene Gemüter schildern, denen sie zur Ergebung verholfen, denen in ihrem sittlichen Elend ein paar Sonnenstrahlen gebracht wurden? Das ist Gottes Geheimnis, und hier soll man nicht weiter forschen. Denn große Tugenden nehmen ebenso wie große Schätze an Wert zu, wenn sie verborgen bleiben. Seit 1911 ist die Zahl der europäischen Schwestern auf 15, die der einheimischen auf 11 gestiegen. Es ist ein Schauspiel, das kaum seinesgleichen hat, diese aufopfernde Liebe von sieben Uhr früh an Tag für Tag bei der Arbeit zu sehen unter diesen Kranken, die vielfach nur ein menschliches Wrack darstellen. Immer die gleiche Bereitwilligkeit, immer dasselbe gütige Lächeln auf den Lippen! Die zwei ersten europäischen Schwestern mußten nach langjähriger Arbeit durch jüngere Kräfte ersetzt werden. Won den zwei einheimischen Erstlingen wirkt eine noch an Ort und Stelle. Der Grund, warum man sie nicht auswechselt, liegt darin, daß sie selbst den Aussatz bekommen hat. Schwester Philomena ist trotz ihrer 50 und mehr Jahre, trotz der schrecklichen Krankheit, die sie befallen hat, noch rüstig und leistet wertvolle Dienste. Sie hat die Frauenabteilung mit ihren 180’ Insassen zu überwachen. Keine leichte Aufgabe. Denn wenn „sie auch nicht gut sehen und nicht wacker laufen können, ein Instrument funktioniert bei allen gut: die Zunge". Mit diesem vorzüglichen Personal, mit fernem verehrungswürdigen Seelsorger H. P. Gennet (Lyon) und seinem liebenswürdigen Arzt Dr. Augustin (Exter) und mit seinen 580 Leprosen beging Makogai im November 1086 das erste Vierteljahrhundert seines Bestehens. Auch der Regierung gebührt Dank für das Wohlwollen, das .sie vom ersten Tag an den Schwestern zeigte, und für die Bereitwilligkeit, mit der sie den Wünschen und Bedürfnissen der Schwestern stets entgegenkam. Durch diese Hilfe wurden eben die Schwestern instand gesetzt, aus Makogai eines der best-organisierten Leprosenheime zu machen und die wertvollen Erfolge zu erzielen. Nicht zu vergessen die Wohltäter, die feit 2ib Jahren den Schwestern und ihren Pfleglingen all die taufend Kleinigkeiten verschafften, um die sich eine Regierung nicht kümmern kann. Die göttliche Vorsehung wird weiter über Makogai wachen. Die heilige Kirche wird weiterhin auf dieser weltvevlassenen Insel des Stillen Ozeans ihrem göttlichen Vorbild getreu Wunder der Barmherzigkeit vollbringen und so Triumphe feiern, die die Welt nicht kennt. Nachwort: H. P. Lejeune, der Verfasser des Artikels, ist einer der besten Missionäre der Fidschiinseln. 1986 wurde er selbst in Makogai interniert, da es sich zeigte, daß er von der schrecklichen Krankheit befallen war. Sein Mut ist ungebrochen: er wirkt jetzt als Apostel der Feder, er opfert fein Gebet und fein Leiden für die Menschheit auf. (Fides.) Mota Saheb.* Von Erlebnis zu Erlebnis im Wunderland Indien. Von Johann Baptist Müller. 8. J. 5. Ministerliste. Es wird nun von Interesse sein, diese meine Dienerschaft, meine Minister, in ihrer Eigenart und Amtswaltung im einzelnen kennen zu lernen. Dabei wird es dünn auch klar werden, wie wenig beneidenswert der Posten eines Missionspfar-cers.ist, der auf solche Leute angewiesen ist. Als erster möge zur Sprache kommen * Der Abdruck erfolgt mit Zustimmung des Verlages Herder & Co. in Freiburg (Breisgau), Baden. Mein Boy. Nurali war sein ehrlicher Name und ein Dorf bei Bhopal war seine Heimat. Durch Vermittlung eines hohen Beamten, der seine Vorzüge kannte, kam er in den Dienst meines Vorgängers. Er war ein Mann von ungefähr vierzig Jahren, von mittlerer Größe, dunkelbrauner Hautfarbe, überaus hager, fast nur Haut und Knochen, und aus seinem scharfgeschnittenen Antlitz leuchteten zwei dunkle, ehrliche und gutmütige Augen. Auf -dem lÄ-mtflo. J-n einer Art Einbaun: führt der Kongone-ger unseren Missionär über einen Arnr des Kongo. Für die Redemptoristcn-mWonäre von Matadi wie -auch für die andern Gl-aubensboten in Vel-gisch-Kongo ist der Kongo, vor allem in der Regenzeit von Oktober bis Mai, mit seinen Nebenflüssen ein billiger Verkehrsweg, wenn sie sich des Bootes bedienen, für die Fußgänger aber ein ebenso hartnäckiges Problem. (Jides-Foto.) Der Religion nach war er ein strenggläubiger Sohn des Propheten. Als -der arbeitenden Klasse seines Volkes angehörig, war er für seinen Posten wie geschaffen und konnte seine Hand an alles legen, denn ihn banden keine Kastenvorschriften wie einen Hindu. Er trug einen mächtigen weißen Turban, über seinem kurzärmeligen Hemde die übliche Weste und als Beinkleid diente ihm ein weißer Dhotie nach Art der Hindus. Seine Wohnung war ein kleines Häuschen mit nur einem Raum mitten im Hof neben meiner Zisterne, von großen Niemund Tamarindenbäumen überschattet. Hier war er am liebsten. Hierhin verschwand er, sobald er mit einer Arbeit fertig war, um sich eine indische Zigarette (Birrie) anzustecken. Hier wurde viel ausgeruht, geträumt, geraucht und am meisten geschlafen. Sein Tagewerk trug nämlich indischen Verhältnissen Rechnung. Nu rali als Kammerdiener. Als Kammerdiener mußte Nurali morgens, während ich in der Kirche und nachher beim Frühstück war, meine beiden Zimmer ordnen und reinigen. Dazu hatte er eine gute Stunde Zeit, und er machte es auch im ganzen gut. Doch überfiel ihn manchmal ein lebhaf-tes Verlangen, auch einmal im Bette des Padre-Saheb zu liegen. Er konnte ihm dann nicht widerstehen. Sei es nun, daß er noch sehr schläfrig war ober aber sich selbst in den Schlaf hypnotisierte, kurz und gut, er legte sich willenlos in die Arme des Morpheus. Noch sehe ich mit großem Vergnügen, wie er einmal im süßesten Schlummer selig und unbekümmert dalag, in der einen herunterhängenden Hand noch das Handtuch haltend, während zwischen seinen ausgespreizten Beinen der treue Hofhund Kallu ebenso glücklich ruhte. Es war ein Bild zum Malen. Wer, wie imm.er, allzu kurz war das Glück. Die ganze magische Traumwelt Nuralis sank jäh zusammen, als ich ihm mit dem Handtuch den Schlaf aus den Augen wischte. Es ist wohl selten einer so six aus dem Bett gesprungen, wie Nurali hier auf den Beinen war. Nur der Hund wollte nicht recht herunter und machte ein verdrießliches Gesicht. Das Waschbecken reinigte Nurali blank und füllte es mit frischem Wasser, aber das Seifenschüsselchen zu reinigen fiel ihm nicht ein. Warum nicht? Wer weiß das? ■— In der Ecke der hinteren Veranda und der einen Seitenveranda stand ein hohes dreibeiniges Gestell, in welchem in kleinen Abständen übereinander drei große Tontöpfe zum Filtrieren und Kühlen des Trinkwassers eingesenkt waren. Ging nun das Trinkwasser im untersten Topfe zu Ende, dann mußte Nurali nach Herrich- tung der Zimmer einen großen Eimer kochenden Zisternenwassers aus der Küche holen und in den obersten Topf hineingießen. Auf dem Boden der zwei oberen Töpfe lagen behufs besserer Filtrierung Holzkohlen. Aus dem obersten Topfe tropfte dann das Wasser in den zweiten und aus diesem in den untersten, in welchem dann das Wasser ganz rein und kühl war. Auch hier zerbrach sich Nurali den Kops, warum wir Europäer solche Umstände machen, um gutes Trinkwasser zu erhalten. War denn das trübe Flußwasser aus dem Kranen, das doch die meisten Eingeborenen tranken, nicht viel besser und schmackhafter? Nach Besorgung des Trinkwassers schloß Nurali die Kirchtüren. Seine Hauptmorgenarbeit war somit getan, und ec konnte sich nun auch ein Frühstück leisten. Nurali als Hamal. Kehren und Abstauben ist Sache des Hamals. Auch dieses Amt versah Nurali. Nach seinem Frühstück mußte er die Schulräume öffnen und die Bänke abstauben. Nachmittags nach der Schule mußten die Räume gekehrt werden. Hatte die Schule begonnen, dann zog sich Nurali gerne in sein Häuschen zurück, um zu feiern. Um ihn aber während der Arbeitszeit beschäftigt zu halten und ihn nicht zu sehr dem dolce far niente anheimfallen zu lassen, fand ich immer ein und das andere in seinem Arbeitsbereiche zu tun, was er nicht gemerkt oder übersehen hatte. Und um ihn nicht immer rufen zu müssen, gab ich ihm ein Signal mit einer Pfeife, woraus er dann schließlich rief: „Saheb, Nurali kommt." Kleine Häufchen von Kehricht in den unteren Ecken der Zimmer, der Schulräume und der Kirche und die größten Spinngewebe in den oberen Ecken und an den Fenstern und Türen kümmerten ihn gar nicht. Auch konnte er nicht begreifen, warum man sie unbedingt entfernt haben wollte, denn sie waren doch keinem im Wege. — Der Unterschied zwischen Kehren und Abstauben war bei Nurali kein wesentlicher. Deshalb geschah es auch zuwei- len, daß er zuerst abstaubte und dann kehrte. Denn ob der Staub beim Abstauben aus den Boden fiel oder der vom Kehren sich auf die Möbel legte, war doch ziemlich einerlei. An Tagen, wenn er die Bücher auf den Büchergestellen und in den Bücherschränken einzeln abstauben mußte — denn das mußte auch zuweilen geschehen —, fuhrwerkte Nurali wieder nach seiner Weife. Alle Bücher nahm er von den Regalen herunter und legte sie in Häufchen auf den Boden um sich herum. Darauf nahm er eins nach dem andern, drückte es mit der einen Hand an fein argloses Herz, reinigte dann mit seinem Lappen alle Außenflächen desselben und legte es vor sich hin. Und so alle Bücher, bis sie in ein paar hohen Haufen vor ihm standen. Dabei machte er ein gar bedenkliches, beinahe mitleidiges Gesicht, schüttelte hie und da mal den Kops und schien mit sich selbst zu reden: „Was sind die Weißen doch eigentümliche Käuze, so viele Bücher zu schreiben, wo man doch, wie ich, mit viel weniger Wissen gut auskommt! Ob wohl all das Geschriebene des Einbindens und Abstaubens wert ist? Und welche Mühe und Arbeit der Sahebs, all das zu lesen und zu lernen! Wie kann man denn das alles in einen normalen Kopf Hineinkriegen? Dank dir, Allah, daß du mich vor all diesem Wust verschont hast! Ich hätte vielleicht schon längst meinen klaren Verstand verloren." Endlich ist er mit dem Abstauben fertig. Erlöst aufatmend steht er auf. Nun geht's ans Zurückstellen. Da läßt sich Nurali durch nichts bestechen. Bei ihm gilt hier kein Ansehen und kein Rang der Person: Hier waltet er nur nach dem Prinzip: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Alle Bücher sind ihm gleich. So wandern sie, wie sie ihm in die Hand kommen, auf die Bretter, ob sie zueinander gehören oder nicht. Auch daß viele Bände mit dem Kopftitel nach unten stehen, verletzt sein kindliches Auge nicht. Mit dem Ausdruck höchster Zufriedenheit und Unschuld steht er vor seiner gewaltigen Leistung. Nun wäre es aber sehr unklug, beim Anblick dieser schreienden Unordnung den armen Schelm anzufahren und ihm etwa zu sagen: „Was hast du da wieder angestellt? Was für ein Durcheinander! Du kannst aber auch rein gar nichts!" Das wäre ganz verfehlt. Ein Schuß ins Blaue. Der harmlose Diener würde diese Aufregung gar nicht verstehen. Er sieht absolut keine Unordnung. Im Bewußtsein, sein Bestes getan zu haben, um dem Saheb zu gefallen, würde eine solche scharfe und, nach seinem Urteil, völlig ungerechte, unverdiente Anrempelung ihn ganz außer Fassung und sein ohnehin heißes Blut in Wallung bringen, ihm Tränen schmerzlichster Entrüstung in die blitzenden Augen treiben und ihn zur erregten Äußerung verleiten: „Saheb, Ihnen kann man aber auch gar nichts recht machen. Ich habe es so gut gemacht, wie ich konnte. Da stehen die Bücher rein und sauber, schön und fest nebeneinander vor Ihnen. Keines fällt herunter. Was wollen Sie noch mehr?" Der Verstand der Indier unterer Volksschichten ist wie eine Riesenschildkcöte schwer und dick verkrustet. Zu diesem so mächtig umpanzerten bißchen Verstand kann nur der Sonnenstrahl warmer, lächelnder Milde und Güte vordringen. Dementsprechend sagte ich auch im Tone väterlichen Wohlwollens: „Nucali, hast du jemals gesehen oder gehört, daß man Kamele, Elefanten, Pferde, Esel, Ochsen, Kühe, Ziegen, Schafe, Assen, Hühner und Papageien durcheinander in einen Stall zusammentut? oder eine Ziege neben ein Pferd anspannt?" „Oh, Huzur, nein! das geht ja gar nicht", erwiderte Nurali lachend. „Die sperrt man alle gesondert ein: an einen Ort die Kamele, an einen andern nur die Elefanten, in einen Stall nur die Pferde und in einen andern nur die Schafe zusammen. Und wer würde eine Ziege neben einem Pferd an die Kutsche spannen? Den würde man ja auslachen!" „Ganz richtig, Nurali, so ist es auch hier mit den Büchern. Einige, die hohen und dünnen, stellen die Kamele dar; die großen, dicken die Elefanten, einige die Pferde, andere die Ochsen, einige die Schafe, andere die Ziegen; einige die Assen, andere die Papageien. Wie man nun die Tiere nach ihrer Art, Größe und Farbe unterscheiden kann und sie demnach auch zusammentut, so kann man auch diese Bücher durch ihre Größe, ihren Einband und ihre Farbe leicht unterscheiden und muß sie dann auch zusammenstellen, wie sie zueinander gehören, jedes zu seiner Art, zu seiner Kaste. — Nun schau dir einmal deine Zusammenstellung an: Da steht ja Der Befreier der Sklaven. Kardinal Lavigerie, der hier auf seinem Grabmal in der Kathedrale von Karthago zu sehen ist, starb vor 45 Jahren. Sein Leben war der Besserung des Loses der Schwarzen und der Bekehrung der Mohammedaner geweiht. Sein erster Hirtenbrief von Algier aus behandelte die Unterdrückung der Sklaverei. Noch als Greis bereiste er die Hauptstädte Europas, um die Schrecken der afrikanischen Sklaverei zu schildern und die Schaffung von Antisklavereibünden zu veranlassen. Für einen Fonds zum Loskauf afrikanischer Sklaven, den Papst Leo XTII. 1888 ins Loben rief, wird noch alljährlich am Dreikönigstag gesammelt. (Fides-Foto.) hier unten ein Kamel zwischen den Elefanten; hier stehen ein paar Ochsen bei den Schafen —- du kannst es ja an den Einbänden sehen —, und da sind einige Affen unter die Papageien geraten! Siehe, die gehören dahin, und das und dies müssen dorthin. So, jetzt sind alle geordnet!" Nurali schmunzelte vergnügt. Er hatte es erfaßt. „Weiter, Nurali — können die Tiere und wir Menschen auf dem Kopfe gehen und stehen?" „Nein, nein, Durchlaucht, das geht nicht; dafür haben wir die Füße." „Ausgezeichnet, Nurali — was nun bei uns der Kopf ist, das ist bei den Büchern der obere Teil, wo die goldene Schrift oben am Rücken derselben steht; das ist nämlich das Eigentümliche bei den Büchern: sie haben ihr Gesicht hinten, während wir es vorn haben!" Ein freudiges Licht der Erkenntnis glänzte auf Nuralis braunem Antlitz, und im Nu hatte er die auf dem Kopfe stehenden Bücher mit dem Titel richtig nach oben gestellt. „So, Nurali", sagte ich belobigend, „jetzt ist alles in Ordnung. Willst du dir das nun fürs nächste Mal merken?" „Ja, Sahebü" beteuerte er befriedigt. Obschon die Bänke in der Kirche schon am Samstag genügend abgestaubt wurden, machte sich Nurali am Sonntag vor dem Gottesdienste gerne wichtig und fuhr mit seinem Turban noch einmal über die Bänke hin, wenn schon Leute in der Kirche waren. Davon war er bald kuriert, indem ich ihm sagte: „Nucali, sei doch gescheit! Du machst dich ja selber schlecht! Müssen sich denn die Leute nicht selber sagen: ,Nürali ist ein Faulenzer. Er hat gestern seine Pflicht nicht getan“'? „Das ist aber auch wahr, Saheb", ent-gegnete er betroffen. Nurali als Mussaul. Wozu kein Hindu-Kastenmann sich jemals herbeigelassen hätte, dazu verstand sich Nurali ohne die geringste Schwierigkeit — zum Lampenputzen. Viel Arbeit war mit diesem Amte nicht verbunden. Meine Zimmerlampe mußte täglich und die Lampen in der Kirche einmal in der Woche geputzt werden. Zu bte-ser Arbeit aber nahm sich Nurali, reichlich seine Zeit. Mit aller Gemütlichkeit hockte er dann nach Indierart zusammengeklappt wie ein Taschenmesser auf der Veranda vor der Lampe und bediente sie. Ich habe mich oft gewundert, wie lange die Indier in dieser hockenden Stellung keim Arbeiten und Unterhalten verharren können. Es scheint sie aber gar nicht zu ermüden, im Gegenteil, ihnen sogar angenehm zu sein. Offenbar hat die Natur ihnen auch zu diesem Zwecke flache Waden und Oberschenkel gegeben, denn nur dadurch wird es möglich, die Oberschenkel so fest auf die Unterschenkel zu klappen, daß das Gesäß die Fersen berührt und die Knie in die Achselhöhle hinaufreichen. Uns Europäern will das nicht gelingen. Ich habe ein paarmal — natürlich bei verschlossenen Türen — diese Sitzstellung versucht, bin aber dabei immer auf den Rücken gefallen. Vielleicht haben andere mehr Glück. Ich bezweifle es aber sehr. Nurali setzte nun bei seinem Putzverfahren ganz besonders den Zylindern zu. Die meisten von ihnen hielten aber solche Reibereien nicht aus. Jeden Augenblick war wieder einer erledigt. — Bittere Erfahrungen brachten jedoch den allzu strammen Mussaul zu besserer Einsicht und zu mehr rücksichtsvoller Behandlung. Nun wollte einmal die vorzüglich geputzte Lampe doch nicht brennen. Die Ursache war bald entdeckt. Der Docht wär so kurz geworden, daß er das Petroleum nicht berühren konnte. Das hatte Nurali nicht gemerkt. — Ein anderes Mal brannte die Lampe wieder nicht. Der Docht war lang genug, und die Kugel war gut gefüllt. Aber das Petroleum kam mir merkwürdig hell vor. Ich rief Nurali herbei. Befragt, was für ein Öl er benützt habe, antwortete er verschämt lächelnd: „Das gewöhnliche Öl, Saheb, aber es war zu wenig, und da habe ich ganz reines Wasser dazugetan." (Fortsetzung folgt.)