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Das böhmische Volt, das einst glänzte durch die Waffenthaten seiner Männer, durch den Heldensinu seiner Frauen, das böhmische Volk, das einst in der zeitlichen Ertenntniß der Wahrheit voranschritt allen Völkern Europas, — beging ein Fest, wie seines Gleichen das königliche Prag noch nie gesehen und wie es seines Gleichen wohl lange nicht wieder sehen wird; bewältigend in seiner Gesammtheit, schön und edel in seinen einzelnen Theilen, war es würdig einer Nation, die ihres eigenen Werthes wohl be­wußt, in diesem Bewußtsein nach dem Besten und Edelsten — der Freiheit ringt. Der herrlichste Frühlingsmolgen fand die Bewohner Prags bereits in vollster Bewegung. Die Dekoration der Stadt hatte sich über Nacht so vervollständigt, daß nur we­nige Häuser eine interessante Ausnahme in dem allgemeinen Festschmucke machten, es waren das Gebäude jener zweideuti­gen Koryphäen, die sich auf diese Weise bemerkbar machen wollen. Durch die Thore strömten neuerdings ganze Schaa­ren aus der Umgegend in die Stadt, während die einzelnen Vanderien und Vereine, die Genossenschaften und Korporatio­nen unter klingendem Spiel hinaus auf den allgemeinen Ver­sammlungsort, den Invalidenplatz, zogen. I n der Stadt aber suchte Alles sobald als möglich ein günstiges Plätzchen zu ge­winnen, um möglichst gut den Festzug ansehen zu können. Bald waren in den Straßen, die der Festzug zu passiren hatte, alle Fenster dicht bedeckt, so daß man nicht selten die ganze Fensteröffnung mit Köpfen gefüllt fah. Jedes Plätzchen auf der Straße, von dem nur halbwegs eine günstige Aussicht denkbar war, fand feine Okkupation; vor den Häufern und auf den Straßenübergängen waren kleine Tribünen improvi­sirt, an die einzelnen Häuser Leitern gelehnt, selbst die Dächer fanden ihre Besatzung. Die Haltung des Publikums muß als eine wahrhaft mu­sterhafte bezeichnet werden, dafür spricht der Umstand, daß bei einer zusammengedrängten Menschenmenge von über 250.000 Menschen auch nicht der kleinste Unfall vorkam, es entstand nirgends ein wirres Gedränge, dem so häufig Unglücksfälle zuzuschreiben sind, ruhig und würdig blieb die Haltung des Publikums, das jeder freundlichen Mahnung sofort Folge lei­stete, es athmete eben Alles nur in der Freude des so über­aus glänzenden und erhebenden Festes. Den großartigsten Theil der großen Nationalfeier bildete offenbar der Festzug, der sowohl was das Arrangement, als auch die Pracht einzelner Abtheilungen betrifft, nichts zu wün­fchen übrig ließ. Aus der Betheiligung der zahllosen Vereine, Korporationen und Genossenschaften aus allen Gegenden Böh­mens und Mährens, aus den zahlreichen Deputationen aus allen Ländern, wo die slavische Zunge erklingt, läßt sich die Bedeutung dieses Nationalfestes ermessen, dessen Festesklänge freudigen Widerhall in allen slavischen Gauen finden. Den Gefammteindruck des FestzugeS zu schildern ist eine schwer zu lösende Aufgabe. Man denke sich an 60.000 Menschen in festlichem Gewände und festlich gehobener Stimmung in end­loser Kette einherschreiten, aus der starrenden Masse Hunderte von Fahnen wehen, rauschende Musikklänge ertönen, nach allen Seiten hin im tausendstimmigen Chor grüßend, ein Gruß der von Tausend und abermals Tausend donnernd erwidert wird, und wird annähernd einen Begriff von demselben erhalten. Der Zug dauerte an zwei Stunden, trotzdem der Vormarsch sehr rasch erfolgte; in der Nähe des Pavillons brachte jede Abtheilung dem dort weilenden Dr. Palack^ stürmische LlavÄ­rufe dar, ein Beweis, daß es wirklich ein Wunsch der Nation war, ihn als ihren Vertreter fungiren zu sehen. Etwa 5 Minuten nach 9 Uhr verkündeten Pöllerschüsse vom Atzkaberge das Abrücken des Festzuges von der Invali» denhauswiese. Dasselbe erfolgt unter klingendem Spiele der im Festzuge einrangirten 40 Musiltorps, welche größtentheils Na­tionallieder spielten. Das Abrücken mit den an 200 zählenden entfalteten Fahnen von den Aufstellungspunkten bot bei der Beleuchtung der am Horizont hellstrahlenden Morgensonne ei­nen imposanten Anblick. Dem Zuge voraus fuhr in einer offenen Equipage das Mitglied des Festausschusses Herr Dr. Kuöera, ihm zur Seite ritt ein Turner und ein zweites Mitglied des Festausschusses. Den Zug eröffnete die Musikkapelle des hiesigen bürgerlichen Scharfschützenkorps in Paradeuniform, und hinter derselben das Hanalenbanderium. Die stattlichen Pferde desselben hatten die Mähnen zumeist mit rothen Bändern durchflochten. Die Hälfte der Reiter war ohne Spenser, wie der Hanatische Bauer im Sommer auszureiten pflegt, die anderen waren mit grüner goldverbrämter Jacke bekleidet, von den runden Hüten flatter­ten unzählige rothe Bandschleifen herab, künstliche Blumen vervollständigten den Aufputz. Die Bauernbanderien aus Böhmen, welche dem Hanalenbanderium folgten, zeichneten sich ebensowohl durch Geschmack in dem Kostüme der Reiter, als auch durch die von ihnen gerittenen stattlichen Pferde einhei­mischer Zucht aus. Insbesondere zog das Chrudimer Bande­rium die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich, da dessen Pferde mitunter wahre Prachtexemplare waren. Die Reiter dieses Banderiums hatten weiß-rothe Schärpen um die Brust, ähnliche Schleifen um die Hüte geschlungen. Jeder schwang zudem noch ein Fähnchen in den Landesfarben. Auch das Böhm.-Broder Banderium in grüner Kleidung, das Karolinentha« ler und Koliner, letzteres in blauen Tuchröcken boten einen wahr­haft überraschenden Anblick. Das Banderium von Koui-im führte der Großgrundbesitzer Herr Graf Rummerskirch, jenes von UnhoZt Freiherr von Ondlejovst/. Die Musit des hie« Laibach am 23. Mai 1868. sigen bürgerlichen Infanteriekorps eröffnete die zweite Abthei. lung des Zuges, ihr folgten zunächst die Turnvereine, voran eine Abtheilung berittener Turner in der kleidsamen Turnertracht, rothweiße Schärpen um die Brust geschlungen. Nunmehr folgte die unabsehbare Reihe der Prager Genossenschaften und er­öffnete den Zug die Fleischhauerzunft. Dieselbe führte ein Wappenherold an, das Zunftwappen, den böhmifchen Löwen im rothen Felde, hoch schwingend und umgeben von Knappen und Pagen in kostbaren Trachten; ihnen folgte eine Abthei­lung der Gehilfen in weißen Jacken und Schürzen. Auf der Schulter trug jeder derselben ein Fleischerbeil, auf welchem die Jahreszahl 1868 ersichtlich gemacht war. Dieser Abthei­lung folgten wieder Herolde und der in reichem weiß-rothen altböhmifchen Kostüm gekleidete Fahnenträger, welcher die alte von der Verlheidigung Prags durch die Fleischer gegen die Schweden herrührende Fahne trug. Zwei reichtostümirte Pagen führten das prachtvoll gezäumte Roß am Zügel. Sämmtliche Kostüme waren aus Sammt und Seide gefertigt. Der Fleisch­hauerzunft folgten die Bräuer in grünen Kappen mit Gold­borten, grünen Spensern und weißen Schürzen. Jeder dersel­ben trug eine Eishacke. I n der Mitte dieser Genossenschaft ritt König Gambrinus mit Sceptcr und Krone in getreulich nachgeahmtem, traditionell gewordenem Kostüm; ein rother mit Hermelin verbrämter Sammtmantel wallte um dessen Schul« lern, Wappenherolde, das Genossenschaftswappen tragend, um­gaben denselben. Reichtostümirte Pagen trugen die Embleme des Gewerbes, und zwar: Hopfenranken und Gerstenbüschel. Auf einer mit rothem goldborlirtcn Sammtpolster gezierten Tragbahre wurde die große Zinnkanne, ein Werl aus dem 16. Jahrhunderte getragen, deren Deckel mit einem Gersten-Halmkranze umwunden war. Hierauf kam die Genossenschaft der Binder, Kürschner, Zuckerbäcker, Bäcker und Chocolade­erzeuger, der Tuchmacher, Tuchscheerer, Strumpfwirker und Seiler, fämmllich mit ihren Fahnen und gemeinsamen Abzei­chen. Letztere trugen ein großes 4 Zoll im Durchschnitte star­kes Seil, welches als Spende für den Nationaltheaterbau be­stimmt ist. Die Kürschner trugen blaue, mit Hermelin ver­brämte Kappen. Dann kamen die Goldarbeiter, Messer- und Waffenschmiede und Büchsenmacher, die Zimmer-, Wappen­und Porzellanmaler, die Mechaniker und Optiker, die Glafer, Gelb-, Metall- und Zinngießer, sowie die Schneider. Jeder dieser Genossenschaften wurde die mit riesigen Blumenbouquets geschmückte Genossenschaftsfahne von zumeist im altböhmifchen Kostüm gekleideten Fahnenträger vorangetragen. Desgleichen hatten die meisten Genossenschaften eine eigene Musikkapelle. Nunmehr kam die Musikkapelle des hiesigen bürgerlichen Grenadierkorps gleichfalls in voller Parade. Sodann die hie­sige gesammte Studentenschaft. Den an 3000 Personen zäh­lenden Zug eröffneten mehrere Studenten zu Pferd, worauf die Fahnenwache mit blankem Säbel folgte. Nach dieser reihten sich die Studirenden in den Kostüms aus dem dreißigjährigen Kriege und jenem der Slavia sowie die serbischen Studenten mit dem Fes als Kopfbedeckung, dann die übrigen Studiren­den an. Die letzteren hatten eine grauverbrämte Mütze aus violettem Sammt als Kopfbedeckung. Auf einem am Vorder« theil derselben angebrachten Schilde war das Abzeichen der betreffenden Fakultät ersichtlich. Der Zug der Studenten bot einen imposanten Anblick, man sah, welch' bedeutenden intelli» genten Nachwuchs die gegenwärtige Generation hat. Den Stu ­direnden schloß sich zunächst die Müllergenossenschaft an, welche auf einem mit vier prächtigen Schimmeln bespannten Wagen ein großes Modell einer in Gang befindlichen Kunstmühle mit­führte. Die Mühle war während der ganzen Fahrt im Gang und wurde von festlich gekleideten Müllerburschen bedient. Sämmtliche Müller und Müllergesellen waren in ihrer Ar­beitskleidung und trugen weiße Mützen ohne Schilde. Größten­theils in der Arbeitskleidung erschienen auch viele der anderen Zünfte, worunter die Lohgärber auch einen Festwagen mit sich führten, auf welchem sich die Arbeitserzeugnisse befanden, weiß­gekleidete Mädchen mit blau-roth-weißen Schärpen befanden sich gleichfalls in diesem Wagen, die eigens angefertigte Zunft­fahne war aus unbearbeitetem Leder gefertigt. Den größten Raum im Festzuge nahmen die Gesangsvereine aus Böhmen und Mähren ein, es waren 74 Vereine vertreten. Die Mehr« zahl der Fahnen sind aus weiß und rothen Seidenstoffen ge­fertigt und mit kostbaren Gold- und Silberstickereien bedeckt. Die meisten Vereine, namentlich die mährischen, wurden mit stürmischen „81äva Noravtz" begrüßt, ein Gruß, der eben so herzlich erwidert wurde. Als die Vereine, am Iosefsplatz an­kamen und vor dem Pavillon desilirten, stimmten sie den alten Chor „81äv» vä,m" an. Dann wurde der Zug unterbrochen und in denselben traten die im Pavillon befindlichen Gäste, dann die Landtagsdeputirten, die Deputationen det Bezirks­und Gemeindevertretungen, der landwirthschaftlichen Vereine und der Vorschußkassen ein. Abermals wurde Dr . Palack^ und Dr. Rieger mit endlosen sl^varufen empfangen. Bei den Fcstobelisken nächst der Ursulinertirche hatten sich den Gesangvereinen die Damen des gemischten Chores der „I7mtzleo1:ä Lezeäa " und des Damengesangvereines „Ludmilla" angeschlossen. Die „l^oAiÄÜoK ä Legeäa" führte einen von vier kräftigen Pferden gezogenen Festwagen mit, auf welchem mittelst einer Handpresse den Weg hindurch ein Fest­gedicht gedruckt und massenweise an das Publikum veitheilt wurde. Ueber 30.000 Exemplare gelangten auf diese Weise zur Vertheilung. Sodann folgte die „HmölsoKä, Legeäa", welcher ein Herold mit dem Vereinssymbole, dann die Pagen mit den Emblemen der darstellenden und bildenden Kunst, dann der Musit voranschritt, sowie alle anderen Kunstvereine und In ­stitute, die Deputationen, sowie die Mitglieder des böhmischen Nationaltheaters, in bem sehr geschmackvollen Festkostüme, die Gemeindeverttewng von Karolinenthal, Smichov und der Berg» ^ . 23. stadt VyZehrab, endlich jene der königl. Hauptstadt Prag. Dieser schlössen sich die Kranzfräuleins aus der Hana an. Eine lange Reihe nahmen die als Kranzfräuleins bestimm tcn hiesigen Damen, Deputationen der wissenschaftlichen Ver eine, dann der hiesigen sowie mehrer anderen bewaffneten Vürgertorps vom Lande ein. Die vorletzte Abtheilung bildeten die Vertreter der Vürgerressourcen, der Lese», Gewerbe und anderer Vereine, dann die Theaterdilettanten. Die letzte Ab theilung bildeten 30 Genossenschaften mit Fahnen und Musik tapellen, der Arbeiterverein Oal , sowie Arbeiter vom Lande unter dem Vorantritt der Kladnoer Berglnappenmusillapelle mit ihren Fahnen, und den endlosen Zug, den wir natürlich nur höchst oberflächlich und skizzenhaft schildern konnten, schloßen die übrigen Banderien. Unter diesen befanden sich viele in reichem Nationaltostüm. Besonderen Beifall fand da« Bande rium von Königstadtl, die Reiter trugen schwarzsammtene eng» anliegende Kamisols mit zahlreichen Silberlnöpfen, die leichte Samara nach Art der ungarischen Atilla umgeworfen. Wahr Haft prachtvoll war das Banderium aus Vysoöan, welches den Zug abschloß. Die Reiter trugen gelbe enganliegende Leber» Höfen, blausammtne Leibrücke mit Silberknöpfen und schwarze runde Mützen und hohe Stiefel, endlich Stülphandschuhe. Das Banderium war vom Gutsbesitzer Miltner geführt. Nachdem alles arrangirt war, fchritt man zur Unterschrift der Gründungsurkunde, worauf sämmtliche anwesende Gesangs vereine unter Direktion des Herrn Bendl die von Herrn Ka pellmeister ^ebor komponirte Festhymne anstimmten, die Ur« künde in eine Kupferblechbüchfe geborgen und in der Höhlung des Grundsteines deponirt ward. Letztere enthält neben der bezeichneten Urkunde unter andern, Silber-, Kupfer und Pa­piergeldsorten bis zu einem überaus zerfetzten Zehnkreuzer münzschein herab, dann ein Stück von jener Sandsteinbank, die Johannes Hus im Kerker zu Konstanz zur letzten Ruhe« stalle diente und ein Stück Mörtel au« der Zelle, die Iohan« nes Hus zu Konstanz am letzten Tage seines ruhmvollen Le bens bewohnte. — Alles dieß befindet sich in einer innen zin« nenen auswendig kupfernen Truhe, mit einem eben solchen hermetisch zugelötheten Deckel. Die Einsenlung erfolgte mit» telst weißrother Bänder. Nachdem dieß geschehen, hielt Herr Dr . Sladkovsl F die ergreifende, begeisterte Festrede, die in ihren markanteren Stellen sehr häufig durch stürmische 8Iä,VÄ- und Zustimmungsrufe unterbrochen wurde. Nach der Festrede erfolgte die Vollführung der Hammer» schlage in der Ordnung, wie sie das Festcomit6 vorher fest» gesetzt hatte. Zuerst ergriff den Hammer „im Namen des Volkes von Böhmen und Mähren" Vater Palacl^ . — Nach Beendigung dieser Ceremonie erhob sich die Meng« von den Sitzen, entblößte das Haupt und stimmte insgesammt in ergreifendem Unisono Böhmens Nationalhymne an. — Hierauf begann der Abzug. — Nachmittags vereinigten sich die Prager und die so zahlreichen Gäste zu einem Volksfeste auf dem Belvedere. Den Abschluß der Festlichkeiten des ersten Tages bildete die Festvoistellung im Neustädter Theater; daß das große Haus in allen seinen Räumen überfüllt war, ist nicht nöthig anzuführen. Den Abschluß des ganzen Grundsteinlegungsfcstes bildete das im Sophieninselsaale am folgenden Tage abgehaltene Van» kett, bei dem sich über 400 Gäste eingefunden hatten. — Daß die gesammte Slavenwelt regen Antheil an der Feier nahm, beweist am besten der Umstand, daß dem Festcomitö an 200 Vegrüßungstelegramme zugekommen waren. Welch' ein Dorn im Auge den Slavophagen die Feierlichkeiten, über deren Großartigkeit nur Eine Stimme geht, waren, dieß beweisen die gemeinen Ausfälle in den Berichten, welche die bekannten Schmutzblätter über das „czechische" Nationalfest bringen. Solche Erbärmlichkeiten können den Glanz des Tages nicht verdunkeln, dessen Erinnerung in der Geschichte des böhmischen Voltes ewig fortleben wird. Rede des Abgeordneten Dr. Toman in der Generaldebatte über den Handels» und Zollver» tra g mit den Staaten des deutschen Zollvereines in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 14. Mai l. I . „Bei dem Umstände, daß eS geboten ist, bei den einzel« nen Gegenständen die Zeit zu sparen, glaube ich auch nicht in die Einzelnheiten dieses Gegenstandes eingehen zu sollen, und bei dem weiteren Umstände, daß es eine Unmöglichkeit ist, bei einer so großen Belastung mit verschiedenen Arbeiten selbst den wichtigsten Gegenständen eine umfassende Aufmerksamkeit und ein eingehendes Studium zu schenken, und sich das dazu nölhige Material zu verschaffen, werde ich mich rücksichtlich des vorliegenden Handelsvertrages kurz, aber von meinem Standpunkte aus gewiß so fassen, daß nicht ein Zweifel dar» über sein wird, was ich von diesem vorgelegten Handels»«» trage halte. Um den Gegenstand so kurz als möglich zu behandeln, nehme ich mir den Bericht des Ausschusses zum Leitfaden meines Vortrages, und stelle die Prüfung an, ob dieser em» pfehlende Bericht ein solcher ist, der auf einer Basis beruht, welche vor der Logit und der Wahrheit der Thatsachen un» anfechtbar dasteht. Der Nusschußbericht sucht sowohl im Be» ginne, als auch am Schlüsse nachzuweisen, daß es für die österreichische Regierung, und so auch für unS, eine Nothwen» digteit, ein Muß ist, diesen Handelsvertrag abzuschließen, und deducirt diese Behauptung aus folgenden Motiven. Der Ausschuß sagt zunächst, wir hatten den früheren Vertrag vom 11. April 1865 mit dem deutfchen Zollverein; darauf kam nach dem unglücklichen Ereignisse von Königgrätz der Friedensvertrag von Prag vom 23. August 1866 und in diesem ist ausdrücklich nach Artikel 13 festgestellt worden, daß die beiden vertragsschließenden Staaten im Sinne einer grö­ ßeren Erleichterung des Verkehres in Verhandlungen treten werden. Der Ausschußbericht sagt weiter, wir haben inzwischen im Jahre 1865 und 1866 mit Frankreich, mit England, mit Italien Verträge geschlossen, und denselben außerordentliche Begünstigungen zugestanden; im Aprilveitrage aber ist aus­ drücklich gesagt, daß wir dem Zollvereine alle jene Begünsti­ gungen zuerkennen müssen, welche wir anderen Contrahenten durch Handelsverträge zugestehen. Daraus folgert nun der Ausschuß, daß wir mit Preußen, respective mit dem norddeutschen Zollverein einen Vertrag zu schließen in der Notwendigkeit uns befinden, und macht den weiteren Schluß, daß wir diesem alle jene Begünstigungen in diesem Vertrage zuerkennen müssen, welche wir in den Han­ delsverträgen an Frankreich, England und Italien zugestanden haben. Ich ersuche nun, ob das richtig ist. Es ist nicht richtig. §.1 3 des Friedensvertrages von Prag Hai offen gestellt, daß der Aprilvertrag sechs Monate fortdauert, und nach sechs Monaten, wenn er gekündigt wird, außer Wirksamkeit treten kann, und in dem Falle hätten wir uns befunden ohne Fort­ setzung oder bei Kündigung des Vertrages mit dem deutschen Zollverein, namentlich mit Preußen. Es gilt also die Bestim­ mung, daß wir in freie Vereinbarung treten können, dann hätten wir die Positionen gehabt, welche nicht Artikel 2 des Aprilvertrages uns auferlegt hatte, daß wir eben dem deutschen Zollverein alle Begünstigungen ohne Gegenleistung zu­ erkennen müssen, welche wir in früheren Verträgen England, Frankreich und Italien zuerkannt haben. Die Ableitung des Ausschusses ist daher zweifach falsch. Erstens, daß wir uns in der Nothwendigkeit befinden, mit dem deutschen Zollvereine einen Vertrag abzuschließen, und daß wir in diesem Vertrage mit dem deutschen Zollverein ohne einen Anspruch auf Gegenleistungen dem deutschen Zollvereine gemäß Artikel II . des Aprilvertrages alle jene Begünstigungen zugestehen müssen, welche wir England, Frankreich und Italien zugestanden haben. Es wird mich sehr-freuen, wenn mich der Herr Bericht­erstatter eines Irrthums in dieser Deduction überweisen, und mir nachweisen wird, daß ich in dieser Richtung falsch ur­lheile, daß wir uns mit dem heutigen Vertrage nicht mehr auf den Aprilvertrag zu berufen haben, weil wir inzwischen einen Friedensvertrag haben, und dieser Vertrag vom April nur temporär zu bestehen hatte, indem wir denselben nach sechst Monaten aufheben, und einen weitere» Vertrag mit dem deutschen Zollvereine schließen konnten, und durchaus nicht ge­bunden waren, die anderen Staaten zugestandenen Begünsti­gungen auch hier zuzugestehen. Dieß sind also- die falschen Standpunkte, welche der Aus­schuß angenommen- hat, wenn er uns nun empfiehlt, den Ver­trag anzunehmen, weil wir uns, wie er sagt, gewissermaßen in einer Zwangslage, in einer Nothlage befinden, in einer Lage, in welcher wir nicht anders können, ja in einer Lage, in wel­cher wir so müssen, wie es Preußen, wie es der deutsche Zollverein will, da wir nach Artikel II . des Aprilvertrages uns verpfändet haben, und weil wir uns schon Frankreich, England und Italien preisgegeben haben. Der Ausschuß sagt in dieser Beziehung ganz offen: „Der ^Finanzausschuß glaubt daher vor Allem nn das erinnern zu müssen, was den Abschluß eines neuen Vertrages nothwendig macht", und führt es dann weiter in folgender Weise aus: „Ohne die Last des präjudicirenden Vertra­ges mit Großbritannien und der nachfolgenden Verträge hätte, wenn nämlich mit der Inaugurirung des fteien Handessystems — wie es nunmehr von Oesterreich üdoptirt ist — den Zollvereinsstaaten gegenüber begonnen worden wäre, aus eine ansgiebige Reciprocität ge­rechnet weiden tönnett", also jetzt nicht mehr, nachdem wir mit 'Großbritannien eineil Vertrag geschlossen haben, weil der Artikel II . des Aprilvertrages entgegensteht. Wie ich aber bereits nachgewiesen habe, konnte man sich gar nicht auf den Vertrag vom Jahre 1865 berufen, da wir die'Möglichkeit hatten, eine ganz freie Vereinbarung mit dem deutschen Zollverein auf Grundlage der gegenseitigen Conces­sionen zu treffen, wenn dadurch unserer Erportation eine grö­ßere Erleichterung gewährt werden wollte. . ^Welche Vortheile gewährt uns aber dieser vorliegende Vertrag, den wir jetzt vor uns haben? Was sind es für Gründe, die uns nöthigen, denselben, wie er vorliegt, zu ac­öeptiren? Mw a weil jene Begünstigungen darin enthalten sind, welche wir den Engländern und Franzosen zugestehen sollen? ' ' Meine Herren, glauben Sie nicht, wenn ich jetzt diese Verträge mit England und Frankreich bespreche, daß ich auch schon sür die Sistirungsära eintretet Ich verurtheile die Si­stirungsära in diesem Punkte, wie sie nur ein Mensch verur­theile« kann; vielleicht ist dieß der größte Schaden, den die Sistirungsära gebracht hat. Freilich wird mancher sagen, m dieser Beziehung gebe ich ihr die Indemnität, aber Zoll- und Handelsverträge von solch eminenter Tragweite ^ schließen, ohne die Volksvertre­tung zu fragen, ohne eine große, umfassende Enquete einzu­leiten, das ist zu viel, und die ganze österreichische Production zweien solchen Staaten, die industriell so vorgeschritten sind, wie England und Frankreich, preiszugeben, ist die größte Sünde der Sistirungsära, wenn sie solche verschuldete, ich be­kenne es offen, wiewohl ich in gewisser Richtung ihre Ten­denzen verfochten habe. Was der englisch-französische Handelsvertrag ist, will ich mit den Worten des Berichtes» respective des Herrn Bericht­erstatters felbst dem hohen Hause nochmals bekannt geben. Er sagt: „Daß aber englische und französische Concur­renz gerade in den wichtigsten Zweigen für die b/eimifche Industrie eine erdrückende werden kann ^ namentlich sobald der momentane künstliche Schutz des Silberagio schwindet — ist eine nicht ohne Grun d ge° t>egte Befürchtung ; und die Schlußfolgerung, daß die heimische Industrie sich mit Erfolg werde aufraffen können, weil, ja auch die zollvereinsländijche Industrie der ausländi­schen Concurrenz zu begegnen wußte, wäre nur dann zutref­fend, wenn den heimischen Industriellen durchgehend« die glei­chen- Produktionsverhältnisse geboten wären, unter denen die zollvereinsländische Industrie arbeitet." Da diese Verhältnisse, da diese Bedingungen und Be­günstigungen für die Industrie in Oesterreich nicht bestehen, so muß mit Nothwendigkeit geschlossen weiden, die österreichi­sche Industrie werde nicht Stand halten können der englischen und französischen Industrie, sondern daß vielmehr die abge­schlossenen Handelsverträge dieselben vernichten werden. Der Ausschuß hat Recht, wenn er sagt, daß wir uns nicht in denselben Verhältnissen befinden, wie Frankreich und England, und auch Deutschland. Was zahlt die österreichische Eisenindustrie für enorme Steuern im Vergleich mit der preußischen? Wir zahlen eine solche Steuer, daß, wenn ein noch so hoher Zoll auf die preußischen Eisenfabrikate gelegt werden würde, wir doch in gewissen Eisenprodultionszweigen gar nicht aufkommen könnten. Wenn wir bessere Communicationsverhält­ nisse hätten, wenn wir den Roheisenstein mit der Mineraltohle in Verbindung bringen tonnten, wenn wir hinreichendes Ca-^ pital hätten, wenn die Regierung bisher gethan hätte, was andere Staaten gethan haben, um die Association u. s. w. zu fördern, dann könnte davon die Rede sein, in wiefern wir von unserem Standpunkte einen kleinen Zoll auf fremde Fabrikate legen könnten. Nun, hören wir weiter, wie uns der Ausschuß nach den einzelnen Punkten diesen Antrag in merito anempfiehlt. Er geht zuerst die Sache im Allgemeinen durch und kommt dann zu folgendem Resultate: Er sagt: „Die Eon­ cessionen, welche die Zollvereinsstaaten in dem neuen Ver­ tragstarife anbieten, sind mit einigen Ausnahmen unter­ geordneter Natur", und er hat Recht, die Concessionen sind untergeordneter Natur, dagegen sind die Erleichterungen für die Zollvereinsstaaten gewiß sehr ergiebig; sie sind fast allgemeine Regel, denn sie müssen es gewissermaßen sein, nach der vom Ausschusse aufgestellten, früher von mir erwähnten und bekämpften Deduction. Weiter mußte der Ausschuß sich selbst bekennen, daß nicht einmal der österreichische Wein im Stande war, sich einen so gelingen Zoll zu erringen, daß derselbe mit dem französischen concurriren könnte, und in dieser Richtung dürfte Wohl vor­ züglich anzustreben gewesen sein, daß der österreichische Export gehoben werde. Wenn früher der geehrte Herr Redner Dr. Kaiser sich auf den Retz'fchen Standpunkt gestellt hat und für den Ver­ trag darum stimmen wird, weil er überhaupt dafür stimmen, dieß aber dadurch gewissermaßen rechtfertigen will, indem er glaubt, daß die Steuer auf die Weinproduktion herabgesetzt werden kann, damit der Zoll durch die Verminderung der Steuer, bei den österreichischen Steuerträgern für die Wein­ produzenten eingebracht werde, so tonnte ich mich anf diesen Standpunkt nicht stellen. Es mag Jemand anderer solche Verhältnisse zum maß­ gebenden Standpunkte bei der Betrachtung eines Zollvertrages machen und zu dem Schlüsse gelangen, wir sollen darum dafür stimmen, zugleich aber die Steuer auf den Wein erniedrigen, damit wir in den Zollvereinsstaaten mit Frankreich in Con­ currenz treten können. Also nicht einmal dem Wein konnte man einen solchen Zoll verschaffen, daß er ausgeführt werden könnte. Unsere Brüder jenseits der Leitha allein werden den Nutzen von dem ganzen Handelsvertrage in der Beziehung haben. Ferner empfiehlt uns der Ausschuß die Stabilitä t des nun zu vereinbarenden Zollsatzes. Ja, meine Herren, was ist denn diese Stabilität? Der Vertrag vom Jahre 1865 brach unter dem Kano­ nendonner bei Königgrätz im Jahre 1866 zusammen. Und wenn wir — worauf ich später kommen werde — wenn wir die Wege bahnen, wie sie für Königgrätz gebahnt wurden und für die heutigen Handelsverträge Gründe aufstel­ len, sowie diese Stabilität der Zollsätze, welche bis zum Jahre 187? vorgesehen sind, so wird dieselbe wenn nicht ganz gewiß, so doch möglicher- und wahrscheinlicherweise eine ähnliche Erle­ digung finden, wie die Zollsätze vom Jahre 1865! Femer, meint der Ausschuß, ein wichtiger Grund sei der, die Kluft der politischen Trennung soviel als möglich durch eine enge Verknüpfung volkswirth­ fchaftlicher Interessen auszufüllen. Ja, meine Her­ ren, die Kluft der politischen Trennung! Wie das gewissermaßen so großartig klingt, besonders, wenn es sich um materielle Interessen handelt. Was ist denn das, die Kluft der politischen Interessen? Die Kluft der Politik! Meine Herren, nach dem Schlage, den wir bei Königgrätz erlitten haben, kann die politische Kluft, die uns von dem deutschen Zollgebiete, von Preußen trennt, nicht kleiner sein, als sie heute ist. Was immerhin die Um­ stände sein mögen, warum lurz darauf in der kaiserlichen Thronrede gesagt wurde, daß darüber Vergessenheit herrschen soll, das will ich nicht näher untersuchen; aber gewiß ist das, daß die politische Kluft keine so große ist, und wenn es sich darum handeln sollte, die politische Kluft damit auszufüllen, daß wir unsere Waaren, unser Vermögen hineinwerfen, damit die deutschen Brüder offene Wege zu uns haben, so muß ich offen gestehen: alle österreichischen Völker können daran nicht lheilnehmen, wollen nicht zu Grunde gehen, denn Oesterreich ist zum Theile an den Zollverträgen, die es mit Deutschland geschlossen hat, zu Grunde gegangen, weil es dabei immer deutsche Politik trieb, weil es den deutschen Brüdern Begün­ stigungen ertheilte, die dazu gefühlt haben, daß Preußen die Oberhand gewonnen hat. (Bravo! rechts.) Diese Ausfüllung der Kluft ist für uns nicht verlockend. Wenn Sie Ihre Sachen hineinwerfen wollen, unser Patriotin mus stemmt sich dagegen; wir wissen, daß wir hier nichts zu gewinnen, sondern nur zu verlieren haben und diese Politik rechne ich darin zu jenen politischen Grundsätzen, welche man sonst mit Utopien u. dgl. bezeichnet. Ein weiterer Punkt des Berichtes sagt: „Weil der Ver­trag sich als ein Ganzes in einer Richtung darstellt, die zwi­schen Staaten, w e lch e ökonomisch eng verbunden wer­den sollen, eingeschlagen zu werden pflegt." Nun meine Herren, ich lese hier etwas heraus, was ich als Oesterreicher nicht herauslesen möchte, und wenn ich es herauslese, so gebe ich als Oesterreicher keineswegs zu, daß wir ökonomisch eng verbunden weiden sollen. Wir sollen in ein Zollgebiet mit den deutschen Zollstaaten vereinigt werden, und so kommen wir nächstens in die Verlegenheit oder mindestens Gelegenheit, daß wir eine Adresse an einen fremden König, in einem neuen Parlamente in Berlin berathen, wie wir uns rücksichtlich der anderen politischen Beziehungen und der Einheitsverhältnisse verhalten sollen. Das, meine Herren, kann nur auf dem Grabe der Austria, auf den Ruinen Oesterreichs geschehen; ich zähle aber die Austritt noch zu den Lebenden und als wahrer öster­reichischer Patriot mußte ich gegen solche Bestrebungen ent­schieden Protest einlegen. (Bravo! rechts.) I n einem weiteren Punkte mußte sich der Ausschuß wohl selbst gestehen, daß der Vertrag für uns schädlich ist. Er sagt: „Daß einzelne Bestimmungen der Tarife manchen gerech­ten Wunsch unerfüllt lassen, ist bedauerlich, daß namentlich die heimische Eisen-, Waschinen- und Webewaa­renindustrie alle ihre Energie wird anspannen müssen, um sich im Kampfgegendieausländische Concurrenz zu Versuchen, ist wahr, das schwächt den Werth des ganzen Vertrages ab, hebt ihn aber nicht vollständig auf." ! Ich möchte in Bezug darauf, daß unsere Eisen- und Webeindustrie zu Grunde gerichtet werden soll, doch früher die Gegenbestrebungen sehen, bevor uns die Geschichte thatsächlich von dem Ruin dieser beiden Industriezweige erzählt. Der Ausschuß selbst muß bekennen, daß das wichtige I n dustriezweige sind, und daß ihnen so wenig Vortheile im Ver trage eingeräumt sind, daß sie zu Grunde gehen müssen, und daß sie eine Concurrenz mit der preußischen Industrie nur versuchen können, daß sie also gar keine Aussicht auf Erfolg haben, und dennoch soll dieß den Werth des Vertrages nicht vollständig aufheben. Was aber zu dieser Vollständigkeit mangelt, und aus welchem Grunde der Vertrag uns werthvoll sein soll, das scheint der Ausschuß nur in den früheren Gründen der Zusammen gehörigkeit, des Ausfüllens der politischen Kluft zu finden. Das ist aber ein Grund, der mich angesichts der großen Gefahr, daß unsere Eisen- und Webeindustrie zu Grunde ae. richtet würde, einzig und allein nicht bestimmen könnte für den Handelsvertrag zu stimmen. Der Ausschuß sagt weiter: »Durchfuhrsabgaben bleiben nach wie vor ausgeschlossen." Meine Herren! Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Also nicht blos auf Unseren Märkten im Inlande soll der Absatz unserer Produktion durch die des deutschen Zollvereines ver­nichtet werden, sondern auch dort, wohin sie vor den Hollver trägen nicht gelangen konnte > oder nur nach Maßgabe de« 1865er Vertrages, nämlich in der Moldau-Walachei u. s.w. wohin sie die Durchfuhr durch unsere Länder hat. Also nicht blos unsere Märkte im Innern, sondern auch im Auslande wollen Sie vernichten? Das ist die Tendenz der preußischen Industrie und Po» litit, nach den Donauländern zu greifen, und wenn auch der Herr Berichterstatter und wer immer dazu lächelt, fo ist es mir ganz gleichgiltig, das sind so wahrhafte Sachen, daß man wirklich nicht in der Metropole irgend eine wichtige Stelle in der Handelswelt einzunehmen braucht, um darüber zu erlen nen, daß das ein gefährlicher Punkt ist, daß wir nicht blos unsere inneren Märkte verlieren, sondern dort, wo wir früher unsere Märkte hatten, und wohin Preußen und die anderen Deutschen mit ihren Waaren nicht kommen konnten, verlieren; — ich meine die Märkte der Staaten, welche in der In ­dustrie zurückgeblieben, mit welchen wir schon längst hätten Verträge anbahnen sollen, wie Preußen sie mit uns schließt^ nicht aber mit jenen Staaten, welche uns aufgesucht haben, und welche uns um unseren Nutzen und zu Schaden bringen wollen. Ferner findet der Ausschuß den Vortheil: Es ist die gegenseitige Gestattung des Antritts und Betriebes von Han-del und Gewerbe in den beiderseitigen Gebieten im Vertrage ausgesprochen. Es ist möglich, daß mancher Oesterreicher es versuchen wird, irgendwo in Deutschland in Concurrenz zu treten, aber ob dies gar so häufig der Fall sein wird und ob der Oesterreicher so viel Kapital und Geschick mitbringen wird als der, der vom Ausland zu uns kommt, das möchte ich bezweifeln. Das würde mich zwar noch nicht zurück schrecken, aber als Vortheil kann ich es nicht ansehen. Die Frage des Muster- und Markenschutzgesetzes ist ferner im Vertrage nicht erledigt, wie der Ausschuß es selbst weiter sagt. Es ist sehr bekannt, daß mancher preußische Industriezweig sich sehr gerne der Marken und der Muster der österreichischen Produkte bedient hat, namentlich in dev, Richtung, welche hier am meisten gefährdet ist, in der Eisen Produktion. Aber es kommt noch ein großer Vortheil, den der Ausschuß anführt, das ist der, daß im Auslande die Staatsbürger Oesterreichs und des deutschen Zollvereinsge. bietes sich der beiderseitigen Consule bedienen können, daß die Consule gebunden sind, die Staatsbürger aus beiden Ge­bieten in Schutz zu nehmen. Nun frage ich aber, wer Die­jenigen sein werden, die die Consule bezahlen, vielleicht wer« den wir sächsische, baierische und andere deutsche Consule in Australien, in weit entfernten Welttheilen haben. Ich glaube, dieses Verhältniß kommt nicht uns, sondern zumeist dem an der« Theile zu Gute. Es kann also diese Bestimmung nicht als eine Benevo» lenz des Vertrages für uns angesehen weiden. Das Appreturverfahren ferner behandelt der Ausschuß sehr oberflächlich. Das Appreturverfahren, — die Herren Abgeordneten aus Böhmen können darüber sprechen, — ist besonders wichtig für die dem Zollgebiete angränzenden Län­der, und ich hoffe, daß wenn die Herren aus Böhmen auf richtig und wahr sein werden, — wenn, auch einige einen Vortheil daraus schöpfen, sie werden sagen müssen, daß das Appreturverfahren die österreichische Industrie sehr schädigen und so vielen Mißbräuchen Gelegenheit bieten tonne, wie kaum eine andere Bestimmung des Vertrages. Das also ist auch kein Nutzen! Das sind die Vortheile, die der Ausschuß aus dem Vertrage aufgestellt hat. Ich finde darin, offen ge standen, keinen Vortheil, nichtsdestoweniger gipfelt der Be­richt in dem Schlußsatze, der ss lautet (liest): „I n Würdi gung der Richtung, welche die österreichische Zollpolitik ein nehme» mußte, nachdem die Grundzüge des Vertrages mit Großbritannien acceptirt waren, in der Anhoffnuug, daß die Negierung, so weit eö an ihr liegt, für die Eröffnung neuer, lohnender Absatzgebiete sorgen, nnd daß sie die heimische Produktion von jeder Schranke befreien werde", spricht sich der Ausschuß für den vorliegenden Handelsvertrag aus. Nun das ist klar, es handelt sich um die Einführung des Freihandels. Meine Herren! Ich bekenne mich auch zum Principe des freien, doch bedingt freien Verkehrs. Sie wer­den mich für einen Schutzzöllner nach dem, was ich hier ge­sagt habe, vielleicht sogar für einen Hochschutzzöllner halten; ich befinde mich aber auf dem österreichischen Standpunkte, mit Hinblick auf das, was England und Frankreich früherer Jahre und früherer Jahrhunderte, denen analog wir uns be­züglich der Industrie und des Marktes heute noch befinden, gethan haben. Und ich möchte, daß wir nach jenem Principe und jenen Grundsätzen dahin kommen, wohin die Engländer und Franzosen gekommen sind. Heute aber zu sagen, daß man wünscht, das die hei mische Produktion von jeder Schranke befreit werde, heute dieses als Grundsatz und letztes Princip hinzustellen, das heißt die Produktion preisgeben; wenn der Ausschuß bemerkt hätte, daß die Negierung Verträge schließen solle, tnit anderen Staaten, wo für die Einfuhr unserer Produtte Schränken eri» stiren, in diesem Falle hatte ich mich sehr gerne den Anschau­ungen des Ausschusses angeschlossen. Wir haben schon unglückliche Verträge geschlossen. Ich gebe zu, daß sich manches nicht vermeiden ließ, aber der französische, englische Vertrag, welche uns so wenig bieten, die für uns aber fo viel preisgeben, sind alle aus einem Faven, der schon in dem Vertrage von 1665 gewoben wor den ist. I m Jahre 1865 hat man uns von der Regierung«» bank aus gesagt: wenn ihr den Vertrag nicht annehmt, so könnt ihr mit Frankreich und England keinen Vertrag schließen, in der Beziehung, daß ihr jene Begünstigungen bekommt, welche Frankreich und England für Preußen gewährt hatten; wenn ihr aber mit Preußen den Vertrag schließt, dann dürft ihr gewiß sein, daß jene Begünstigungen für Oesterreich er. worden werden. Damals also hat man mit Preußen den Vertrag ge­schlossen, um von England und Frankreich durch die Güte Preußens und des deutscheu Zollvereines Concessionen zu er­werben: heute sagt man uns, nachdem ihr mit England und Frankreich inzwischen im Jahre 1865 und 1866 Handelsver­träge geschlossen habt, so müßt ihr consequenterweise nach dem 2. Artikel des 1865er Aprilvertrages, der ja, wie ge­sagt, gar nicht mehr existiren solle, wieder mit dem deutschen Zollgebiete einen Vertrag schließen, in welchem ihr ohn e Anspruch auf Gegenleistung dem deutschen Zollgebiete jene Begünstigungen geben müßt, die ihr Frankreich und Eng­land gegeben habt. Das ist der «iroulus vitio»u8, nnser Verderben, unsere industrielle Vernichtung. Es sollte mich sehr freuen, wenn meine warm gespro­chenen Worte nicht in Erfüllung gehen sollten, wenn diese Verträge zum Heile und Nutzen der österreichischen Staaten gereichen, und nicht nur zur Hebung der österreichischen In » dustrie, sondern zur Befestigung des österreichischen Staates und zum Glänze der österreichischen Politik beitragen. Allein, ich besorge, es wird das nicht so leicht und vielleicht gar nicht eintreten. Ich besorge vielmehr, daß wir schädliche Verträge ge­schlossen haben und schließen, wie andere Staaten, so zum Beispiel Portugal im Jahre 1703 mit England. Was war dieser Vertrag? Portugal hat sich durch denselben zu einer bloßen Niederlage, zu einem Ablagerungs­platz der englischen Industrie gemacht, und sich auch politisch unter die Oberhoheit der Engländer gestellt. Ich besorge, daß wir einen Vertrag schließen, gleich jenem, welchen Frankreich im Jahre 1786 mit England ge­schlossen hat. Die Folge hievon war die Verarmung und der Ruin der Industrie in Frankreich, welche in keinem ge­ringen Zusammenhange stand mit der Revolution, welche wenige Jahre später in Frankreich ihre Triumphe feierte. , Ich besorge, daß wir einen Vertrag schließen, wie ihn Nordamerika über Versuchungen Englands im Jahre 1815 abgeschlossen hat, wo sich England auch an Amerika wagte, und was war die Folge dieses Vertrages? Fallimente, das Uebersteigen der Ausfuhr durch die Einfuhr um 200 Millionen Dollars im Jahre und Sinken des Grundwerthes um die Hälfte. Aber Amerika ist nicht so unberechnet gewesen; Nordamerika hat sich wieder erhoben, Nordamerika hat das englische Joch von sich abgebeutelt, und ist trotz seiner großen Verhältnisse, trotz seiner freiheitlichen Principien, trotz seiner Größe doch Schutzzöllner geworden. Ich scheue mich daher nicht auszusprechen, daß ich unter den gegenwärtigen österreichischen Verhältnissen, trotz der libe­ralen Principien mich nicht schäme, bedingt Schutzzöllner zu sein, weil ich die österreichische Produktion schützen will. Und wenn Sie, meine Herren, Alle die Ueberzeugung haben, daß dieser Handelsvertrag geschlossen werden muß, und daß er nützen wird, ich habe sie nicht, und wenn Sie Alle dafür stimme», so stimme ich allein dagegen." (Bravo rechts.) Korrespondenzen. Adtlsberg, 21. Mai. V. — „V rosten! je äanes vegßh«! " — so lauteten die Worte, mit welchen die Adels' berger Sänger die von nah und fern gekommenen Gäste und Mitglieder der jüngsten öitalnica bei ihrer feierlichen Eröff­nung am 17. d. M . begrüßten. Und wirklich schon am frühen Morgen hatte unser Markt ein festliches Aussehen. Denn am Hause, wo sich die sitalnica befindet, wehte eine unge­heure Tricolore den Gästen ein „vodr o äoM! " entgegen und vier große, schön gezierte Fichten erinnerten die Vorüber­gehenden, daß heute in diesem Hause eine ganz besondere Feier begangen werde. Nebstdem belebten den Markt auch schon Gäste aus Laibach, unter welchen zu unserer größten Befriedigung mehrere Mitglieder des neu erstandenen 80K0I die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Als nun am Nachmit­tage viele Leute und Wägen dem Bahnhofe zueilten, dort die von Laibach angekommene zweite Partie Gäste, darunter den Hrn. Bürgermeister Dr. Costa mit einem herzlichen „Na öäravjs!" begrüßten und hierauf in der heitersten Stimmung gegen den Markt zogen; als fortwährend von allen Seiten Festgenossen herbeiströmten und im Markte ein ungewöhnliches Leben sich entwickelte: da waren selbst die Paar sauern Amtsmienen, die in dieses fröhliche quartett) zur allgemeinen Zufriedenheit der Zuhörer ertönen. Unter den übrigen Nummern des Programms verdient be­sonders hervorgehoben zu werden „^ratau« ; diese an sich herrliche Composition gewann noch durch deren dramatische Inszenirung. Es sang nemlich ein Mädchen von beiläufig IN Jahren die erste Strophe des Liedes, die weitern trug Fräulein Antonia Ross a mit sympathischer und volltönender Stimme vor und erwarb sich den Beifall aller Zuhörer; daß das Fräulein als altes Mütterchen costumirt war und einen 8ar»tari auch wirtlich nähte, steigerte so sehr den Effekt der Szene, daß das Auditorium den nochmaligen Vortrag des Liedes erklatschte. Sehr viel Antlag fand auch das Ipavec'sche Duett mit Brummchor: „Oouioviin." Würdig reihte sich an diese Piecen das ebenfalls für die heutige Feier von Herrn Praprotnik verfaßte und vom Hrn. Belar in Musik gesetzte Octctt „Vogels v I'onton^i", wie auch die Ouvertüre zu 4 Händen „1s, Zodsinieune" und endlich der von mehr als 20 Adelsberger Sängern vorgetragene Schluß­chor „Nar^-H" , der mit stürmischem Applaus begleitet wurde. —> Die Litalnica war in allen ihren Räumen überfüllt; ins­besondere erfreute unser Auge ein großer Kranz von schönen Damen; unter den Zuhörern bemerkten wir auch die Vor­stände des politischen Amtes und des Gerichtes, dann Hrn. Mi ­roslav Vilhar und Hrn. Dr. Lavriö, der uns in einer sehr gediegenen Rede die Verwerflichkeit des jetzigen Systems des Iugeudunterrichtes auseinander legte; sehr dankbar sind wir auch dem Fräulein Makovec, daß es uns durch den meisterhaften Vortrag eines Bruchstückes aus der „vevie a orleansl:»" wirklich entzückte. — Daß nach der Beseda dem Tanze gehuldigt wurde u. z. so lebhaft, daß den beflügelten Paaren jede Tanzpiece zu kurz war, und daß noch am hellen Tage getanzt wurde, bedarf wohl keiner Erwähnung. So reiht sich diese Feier, gehoben noch durch mehrere angelangte Telegramme, allen übrigen derartigen Festen würdig an, und wir schließen die Schilderung derselben mit dem lebhaften Wunsche, daß sowohl im Interesse der nationalen Sache als zur Hebung der Geselligkeit in Avelsberg, für welch letztere bis jetzt fast gar nichts gethan wurde, unsere öitalnica die zwar die jüngste aber doch schon recht kräftig ist, sich immer schöner entfalte und sortblllhe; üoreat «resLat an^ßatnr! C M 17. Mai. 0. — Die Wahl des neuen Bürger­meisters hat bei uns bereits stattgefunden; gewählt wurde der hiesige Advokat Dr. Higersperger, dessen Bestätigung außer allem Zweifel gelegen ist, zumal er als eifriger Ver­ehrer und Verfechter des gegenwärtigen Systems und seiner Institutionen, wie z. B . der in Aussicht stehenden Civilche bekannt ist. Nun wie lange seine Herrlichkeit als Bürgermeister währen wird, ist allerdings nicht so leicht vorherzusagcn, denn Dr. Higersperger ist ziemlich gefügiger Natur, und dürften die Väter der Stadt bald feiner Meister werden — daher sein Verbleiben in diesem Amte und dieser Würde wahrschein­lich etwas länger dauern dürfte, als bei seinem Vorgänger. Sollte jedoch als fatales Omen der Umstand einige Berück­sichtigung verdienen, daß im Verlauf von nicht ganz Einem Jahre, zuerst der Vice-Vürgermeister Anton Lasnit , dann der Bürgermeister Dr . Mört l selbst, auf ihre Stellen zu resigniren sich veranlaßt sahen, so dürfte der dritte Fall einer Resignation ahnungsvoll zu besorgen sein. Die Veranlassung dazu wirb nicht so schwer zu finden sein, denn die Elemente in unserm Gemeindeausschusse sind so ziemlich buntfarbig, ob­wohl zur Zeit seines Entstehens nur ein Gedanke vorherr­schend war. Durch die bisherigen Vorgänge wurde der Pseudo­nymen „deutschen Einheit" auf den Ruinen von Celleyum kein großes Kompliment gemacht, und die gepriesene „deutsche Ein­heit" läuft auf unferer ohnehin so kleinen unbedeutenden Sprachinsel Gefahr, wie Spreu in alle Winde zu fliegen, wenn sich auch Urelemente aus Sachsen und Preußen, deren wir hier nahe an ein Dutzend zählen, alle Mühe geben, dieß zu verhindern. Schmerzlich berührt es, durch die vorgenom­mene Bürgermeisterwahl abermals den Beweis geliefert zu sehen, daß man in dem bunt zusammengewürfelten Gemeinde­ausschusse abermals leinen geeigneten Hiesigen, Einheimischen finden tonnte, dem man das Heft über die eigenen Gemeinde­angelegenheiten hätte anvertrauen tonnen. Und dennoch befindet sich Ein Mann unter diesen Vätern, der schon einmal das in ihn gesetzte Vertrauen gerechtfertiget, der den besten Willen an den Tag gelegt und viel Geduld, Ruhe und Ausdauer bewiesen hat; allein unsere deutsch-liberale Partei hängt an gewissen Vorurtheilen, die mit dem heutigen Zeitgeiste im ar­gen Widerspruche stehen. Dieser Mann allein wäre im Stande gewesen, seine ganze Thaltraft dem Wohle der Stadtgemeinde zu widmen, und wer unsere Verhältnisse kennt, der weiß auch, daß man wahrlich viel Zeit und Kraft bedarf, um unsere An­gelegenheiten endlich zu ordnen. Unser neuer Herr Bürger­meister möge sich insbesondere vor Augen halten, daß die finanziellen und materiellen Fragen noch mit einer besondern Sorgfalt zu behandeln sein werden. Um gerecht zu sein, kann man nicht leugnen, sondern muß der Wahrheit gemäß aner­kennen, daß gerade seinem Vorgänger im Amte das volle Ver­dienst gebührt, in dieser Richtung seine Thätigkeit mit eiser­nem Ernste entwickelt zu haben. Während ich diese Zeilen schreibe, erfahren wir eben das Resultat der Ergänznngswahlen für den Gemeinderath in Ih ­rer Stadt. Der Correspondent für unsere liberale „Tagespost" in Graz hat über das Wahlergebnis^ aus dem III . Wahl­körper gänzlich geschwiegen; dagegen wurde der im II . Wahl­körper errungene Sieg der sich liberal nennenden Partei der „Tagespost" telegraphirt; und der Sieg im I. Wahlkörper wurde nach Graz mit der Bemerkung mitgetheilt, daß sich nun die gewesene Minorität von 13, in eine „liberale" Majorität von 18 umgewandelt habe, welche dem gegenwärtigen Mini ­sterium, so lange es volksthümlich bleibt, jede Unterstützung angedeihen lassen, der reaktionären Minorität aber in Zukunft kräftige Opposition leisten werde. Wi r sind also die Reaktio­nären, weil wir die wahre politische Freiheit anstreben, und zur That gelangen lassen wollen — und zwar ohne Unter­drückung Anderer, ohne gewisse Privilegien für uns zu bean­spruchen; die Antinationalen aber — ich kann ja doch nicht sagen, die Deutschen, denn solche sind sie nicht, wenn sie sich's auch tausendmal einreden und einbilden wollen, sondern Brü ­der unseres Adoptivsohnes Judas Thaddäus Blagotin3el kann man sie nennen, — diese schelten sich die „Liberalen", weil sie zum Fleische und Blute des jetzigen voltsthümlichen Ministe­riums geschworen haben. Wie volksthümlich sich unser liberales Ministerium entpuppt, dieß möge Ihre jetzige Majorität von 18, aus der geistreichen Conversation des Dr. Gistra mit der Deputation des fünften Wiener Arbeitertages gefälligst entnehmen; die liberalen Prinzipien werden sich mit der Zeit charmant entwickeln. — Mi t Freuden begrüßt man die Nachricht, daß auch bei uns endlich die schon so oft i« Aussicht genommene Trennung der Justiz von der Administration ins Wert gefetzt werden soll; es heißt, daß mit 1 . Jul i die Bezirkshauptmannschaften bereits ins Leben treten werden, die Bezirksgerichte aber sollen später aktivirt werden. Die organischen Gesetze und Einrich tungen für die Bezirksgerichte befriedigen unsere Iustizwelt am Lande, namentlich sind diese Herren darüber hoch erfreut, daß sie in Zukunft die Freiheit erlangen sollen, ohne Urlaub sich beliebig von einem Orte zum andern verfügen zu können, wie dieß in Ihrem Kronlande Krain bereits eingeführt zu sein scheint, denn sonst wäre die hier zu Tage getretene Erschei nung unerklärlich, wie ein in unserer Stadt sehr bekannter Herr, der gegenwärtig in Unterkrain zur Dienstleistung zugc» theilt ist, regelmäßig jede Woche in unfern Mauern erscheinen kann, um sich hier die Langeweile nach seiner bekannten M a nier zu vertreiben. Oder soll dieser Herr ein besonderes Pr i vilcgium auch in dieser Hinsicht von seinem hochgestellten Ver wandten erhalten haben? Möglich ist es, zumal er auch das Vorrecht erhalten haben soll, die Protokolle mit Parteien, wenn letztere auch tein Wort deutsch verstehen, doch m deutscher Sprache aufzunehmen. — Tagesneuigkeiten. Laibach, 23. Mlli. — (Der Ausflug des 80K0I,) Die launenhafte Witterung der letzteren Zeit hatte die Möglichkeit sehr nahe gelegt, baß der projeltirte Ausflug des jungen 80K0I zu Wasser werden könnte. Gar mancher Kopf sah daher Donnerstag Früh neugierig zum Fenster hinaus, um das Firmament zu rekog nosciren und dieses — versprach nichts schlimmes. Wohlge muth eilten daher die „Sokolisten" auf den Sammelplatz, wo sich nach Ankunft des gemischten Zuges die Adelsberger Civil Musikkapelle einfand, die zu diesem Zwecke hiehcr berufen wor »den war. Um halb sieben Uhr setzte sich de« Zug in Bewe-" gung, gefolgt von einer zahlreichen Menschenmenge, die dem ersten Ausflüge des Vereines das Geleite geben wollte und 'überdieß theilweise von, den Klängen der Musik herbeigelockt wurde, die manchen „Freund des Voltes" in unangenehmes Erstaunen versetzten. Der gütige Himmel hatte während der Nacht reichlich dafür gesorgt, daß die Theilnehmer des Aus« fluges vom Straßenstaube nicht belästiget wurden. -^ Leichte Nebel schwammen in der Luft und dämpften die Gluth der Sonnenstrahlen, es vereinigte sich fomit alles, um den Weg recht angenehm zu machen. Bei Vodnik's Gebnrtshause trat die Kapelle den Rückweg nach Laibach an, um Mittags die Gesellschaft in Waitsch zu empfangen. Unter Hürncrschall und bei den Klängen Heiterer Gesangsweisen zog die muntere Schaar, etwa 60 Mann stark, in der würzigen Morgenluft weiter. I n Obersiska schon krachten Pöllerschüsse zum Gruße, allerorten, in jedem Dorfe fand der Zug einen freundlichen Empfang. Dieß im Vereine mit dem lieblichen Frühlingsmorgen und der herrlichen Gegend, durch welche der Weg führte, erHöhle noch die fröhliche Stimmung. Nach zweistündiger Wanderung etwa winkte uns das nächste Ziel entgegen, das auf einem ifolirten Kegel des schönen Thales romantisch thronende Kirchlein von HruZevo. Von Ferne schon sah man eine Menge Landleute um die Kirche versammelt, andere schlössen sich an uns, wäh rend wir bergan stiegen, liebe Gäste aus Laibach trafen wir schon oben. Wieder dröhnten Pöllerschüsse And freundliche Ve° willtommnungen erschallten. Nach dem Gottesdienste wurde die reizende Aussicht bewundert, einige Lieder wurden gesungen und dann ging's rasch und munter ab und vorwärts gegen 8ujca, wo auch dem schon ungeduldig knurrenden Magen sein Recht werden — es war nahezu 11 Uhr, also wohl Zeit für's Frühstück. Alle Anforderungen wurden dabei bestens be­friediget, der Körper war wieder gestärkt und die Stimmung machte sich alsbald in Toasten Luft. Nach etwa einstündiger Rast wurde wieder aufgebrochen, Gesang, Scherze und kleine Uebungen würzten den Marsch. Die ländliche Bevölkerung sah mit sichtlichem Vergnügen auf die munteren jugendlichen Ge stalten in ihrer malerischen Tracht, die sich nun einmal der Beliebtheit des Volkes erfreut, obschon angebliche „Freunde" dieses Volkes dieselbe Phantastisch finden wollen. - Püller schlisse signalisirten das Herannahen des Zuges in Waitsch, alsbald erschien die Musikkapelle und mit klingendem Spiel rückte der Zug in der letzten festlich dekorirten Station ein, wo ihn schon viele Laibacher erwarteten. Ma n setzte sich gleich zum Mittagmale, dessen vortreffliche Zubereitung wir hier an» erkennen und dabei die aufmerksame Bedienung hervorheben müssen. Die ungezwungenste Heiterkeit herrschte, Toast folgte auf Toast, inzwischen spielte die Musik unter verdientem leb " haften, Beifall und die Pöller trachten auf den nahen Hügeln. Einige Regentropfen fielen zwar, doch lachte gleich wieder der Himmel in ungetrübter Bläue. Der. Zuzug der Gäste aus' Laibach und der Umgebung wurde immer stärker und bald' war der geräumige Platz derart überfüllt, daß man sich mit Mühe hin und her bewegte und sich förmlich durchwinden mußte. Ein Bild des Lebens, das sich jetzt entwickelte, wieder,' zugebeu ist nicht leicht möglich. Bei jedem zweiten Tische fast! hatte sich eine Anzahl von Sängern zusammengefunden und eine Gesellschaft sang mit der andern um die Wette; dieÄu»­gend huldigte nebenbei noch Terpsichoren, zu welchem Dienste der Flor reizender Frauen und Mädchen einlud, die herbeige» kommen waren, um den Ausflug zu verschönern und zu ver» süßen; ein Theil der Gäste conveisirte, andere promenirten oder botanifirten — alle aber beherrschte die heiterste, freudigste Stimmung. Um 8 Uhr wurde zum Heimweg geblasen? und alsbald setzte sich der Zug unter Vortritt des Musittorps und einer Abtheilung von Waitsch« Burschen, die auf langend Stöcken riesige Blumensträuße und darin brennende Kerzen trugen, in Bewegung, umwogt von einer unabsehbaren Menge. < Der Marsch glich einem Triumphzuge, eine Ovation nachher andern wurde den Heimkehrenden gebracht. Auf dem Haupt-c platze vor der Wohnung des Vorstand-Stellvertreters trennten sich die Mitglieder des 80K0I mit einem begeisterten ^>A»,, Läravje!" , in dem Bewußtsein, einen schönen, nicht von dem geringsten Mißton gestörten Tag verlebt zu haben, der in de« Annalen des Vereines mit goldenen Lettern prangen wird. — ie Ouvertüre zu Gounod's neuester Oper: „Lumsu und ^ulis" präcise vorgetragen. Der Ouvertüre folgte eine von Frau Anna Pessiack mit gewohnter Meisterschaft gesungene ita lienische Arie und war es insbesonders der reine Vortrag der schwierigen Colloraturpassagen, der das Publikum zu stürmi­schem Beifall hinriß. Herr Grbec, bei seinem Auftreten mit lebhaften Zurufen begrüßt, sang als erstes Lied die eigene Composition „ 2 Lo^oiu" und darauf das reizende Meherbeer'sche „Lied des venetianischen Gondoliers." Herr Grbec bewahrte sich wieder als tüchtiger vortrefflich ge­schulter Sänger, seine sympathische klangvolle Tenorstimme im Vereine mit dem feinen verständnißvollen Vortrage er­weckte im Publikum rauschenden Beifall. Das altböhmische Volkslied „Zvvali ösllnovs", gesungen vom Männerchor der öitalnica fand wie immer ob seines tief ernsten feierli­chen Charakters großen Beifall. Beethovens L-äui- Irio, vorgetragen von den Herrn Kapellmeister Schantel (Cello), Sora (Violine) und Förster (Pianoforte) bot uns einen musikalischen Genuß, wie er uns selten zu Thell wird; die Herren verstanden es das schöne Opus würdig und anspre­chend dem Publikum zu produziren, wofür sie lebhafter Bei­fall belohnte. Die Arie aus Halevhs Oper: „Ouiäo und 9iuovr2," gesungen vom Concertgeber erntete die vollste und verdiente Anerkennung, Herr Grbec führte die anstrengende Arie W zum Schlüsse vorzüglich durch. Der Chor „Nolitsv" von Grbec vorgetragen vom Männerchore der (Üitalnica, ist ein im flavischen Geiste gehaltenes Tonstück, welches vom schönen Compofitionstalent unseres wackern Landsmannes das beste Zeugniß gibt. Bezüglich der Durchführung von Seite des Mannerchores der Üitalnica hätten wir zu bemerken, daß es nicht geschadet hätte, wenn dieser Chor noch eine Probe vor der Aufführung erlebt hätte; denn im Mittelsatze und am Schlüsse merkte man eine kleine Schwankung; mit Rück­sicht auf die Kürze der Zeit, die auf das Einstudiren ver­wendet worden war, muß man indeß die Durchführung im Ganzen eine befriedigende nennen; der Componist wurde am Schlüsse mit Hervorruf ausgezeichnet. Den Schluß des mu­sikalischen Theiles des Concertes bildete das Terzett aus Donizettis Oper: „I^uore^i» Lorßi»," vorgetragen von Frau Anna Pessiack, dem Concertgeber und Herrn Albert Valenta ; daß Präzision, Rundung und Wärme des Vor­trages nichts zu wünschen übrig ließen, ist selbstverständlich, da sich hier eine Trias verbunden hatte, wie sie sich besser nicht denken läßt; stürmischer Beifall lohnte dafür auch die meisterhafte Leistung. — Das Lustspiel, mit dem der drama­tische Verein des Concertgebers Programm vervollständigte, ist eine Kleinigkeit, die durch die gelungene Darstellung den besten Erfolg erzielte und nächst den beiden Damen Frl. Schw entner und Frl. Krem^ar, denen die ländliche Tracht ganz allerliebst stand, Herrn Drachsler Gelegenheit bot, sein Talent und seine Routine zu entfalten; wir mußten hiebet abermals bedauern, daß Herr Drachsler fo selten die Bühne betritt. Herr Noll i füllte seinen Platz bestens aus und wußte seine Rolle vollständig zur Geltung zu bringen. — (Die Sparkasse) hielt am 19. d. M. ihre Ge­neralversammlung. Hiebei wurde von der Direktion der An­trag gestellt den Zinsfuß der Einlagen von 4'^ auf 4°/„ herabzusetzen. Dieser Antrag, welcher von den Herren Stedry, Dr. Supan und Landeshauptmann v. Wurz­bach vertheidigt, von den Herren Dr. Uranitsch, Dr. Heinrich Costa und Landesgerichtsrath Heinrich er aber bekämpft wurde, ward schließlich auch zum Beschlüsse erhoben. Hierdurch erleiden diejenigen, für welche die Sparkassa ur­sprünglich gegründet wurde, und die ihre Sparpfennige in der Sparkasse einlegen und sammeln, einen empfindlichen Schlag. Dagegen wurde dem Laibacher deutschen Theater wieder eine Unterstützung von 300 fi. votirt. Einer Kirche wurden 100 fl. gewidmet. Die Mittheilung, daß die Direk­tion zur Vertilgung der Maikäfer 300 fl. bestimmt habe, erregte allgemeine Heiterkeit — denn gerade Heuer gibt es keine Maikäfer. — Uebrigens behalten wir uns eine Be» sprechung der Zustände unserer Sparkasse für eines der näch­sten Blätter vor, wozu uns die bevorstehende 25°/„ Coupons­steuer den besten Anlaß bieten wird, da selbe das Jahres­einkommen der Sparkassa um circa 25.000 fl. verringern dürfte. — (Am Sonntag) wurden die von der Turnerfahrt „des Laibacher Turnvereines" nach Mannsburg rückkehrenden Teil ­nehmer derselben von den Vauernburschen an der Save mit Steinen beworfen, u. f. w. Wir bedauern und beklagen solche Ereignisse auf das tiefste. Zugleich erlauben wir uns aber auch die unmaßgebliche Ansicht auszusprechen, daß durch umfangreichere behördliche Maßregeln dieser so bedauerliche Vorfall unschwer ganz verhindert worden wäre. Denn hat man es und zwar mit Recht für nothwendig erkannt, anläßlich dieser Turnerfahrt jenseits der Save zahlreiche Gendar­merie-Patrouillen zu postiren, fo ist eigentlich nicht zu begrei­fen, warum es dießseits der Save unterlassen wurde. Ein Paar Gendarmerie- und wenn diese nicht zur Hand waren — Militär-Patrouillen hätten hingereicht, jedweden Angriff hint­anzuhalten. — So wie wir aber das Ereigniß an sich auf das Entschiedenste verdammen, ebenso müssen wir die eckle Art und Weise mißbilligen, mit welcher dasselbe von den be­kannten schamlosen Correspondenten und den Laibacher Klatsch­mäulern zu Parteizwecken ausgebeutet wird. Anstatt die zu Tage liegenden wahren Ursachen desselben anzuerkennen und zu würdigen, werden ungescheut Personen und Vereine damit in Verbindung gebracht, ohne daß auch nur der entferntste Grund zu solchen empörenden Combinationen vorhanden wäre. Man scheut sich nicht die albernsten Histörchen zu kolportiren, entblödet sich nicht, die ehrenrührigsten Gerüchte zu verbrei­ten, schweigt aber ganz und gar über eine Reihe von Tat ­sachen, welche uns aus verläßlichen Quellen mitgetheilt wor­den sind und Leuten, die sich den Anschein geben, schon Alles zu wissen, doch am wenigsten unbekannt fein sollten. Die eingeleitete Kriminal-Untersuchung wird auch hier — wie beim s. g. Sotolprozesse — die Wahrheit zu Tage fördern und die Entstellungen gewisser Parteiorgane zu Schanden ma­chen. Freilich mundet der Ausgang des „Sokolprozesses" un­fern Gegnern nicht! Daher spricht auch die „Triester Zeitung" von einem Gnadenalte bezüglich des f. g. Sokolprozesses, obwohl sie gewiß so gut, wie wir, weiß, daß Gnadenalte ein ausschließliches Hohheitsrecht des Kaisers sind, im Sokolpro­zesse bisher aber nur die Gerichte nach dem Gesetze Recht gesprochen haben! Länder- und Völkerkunde. Rußland. (Siehe Nr. tl , 15 u. 16.) ^ Wir haben zuletzt über das Verhältniß der einzelnen Stande in Rußland gesprochen und außer den allgemeinen statistischen Daten eingehendere Mittheilungen über den russi­schen Adel gebracht. Wir gehen nun auf den Bürg erst and. dieses so wichtige staatliche Mittelglied über, auf welchem in Mittel« und Westeuropa die Staatsmacht sowie der national­ ökonomische und sociale Fortschritt hauptsächlich basirt. Der Bürgerstand ist in allen Theilen Rußlands nicht blos ziffermäßig schwach, sondern auch auf dem so enorm aus­ gedehnten Gebiete sporadisch zerstreut und dazu größtentheils noch so heterogen, daß er bei weitem nicht zu jener Bedeu­ tung gelangt ist, welcher er sich im westlichen Europa seit dem XII . und XIII . Jahrhundert erfreut und die noch gegen­wärtig stets im Wachsen begriffen ist. Die Hauptursache dieser Erscheinung liegt darin, daß die russischen Städte nicht wie im Occident die industriellen Centralpuntte ganzer Gegenden, sondern nur die administrativen, militärischen und höchstens Handelsmittelpunkte größerer oder kleinerer Bezirke bilden. Fast zwei Drittel der jetzigen Städte haben ihre Entstehung Peter dem Großen oder Katharina II. , welche ihrer 250 selbst grün­dete, zu verdanken. Ihren- industriellen Charakter benimmt ih­nen besonders der Umstand? daß der russische Bauer nicht blos geringe Ansprüche in Bezug auf den Komfort macht, sondern daß auch bei der bisher erhaltenen altslavifchen Gemeinde­ordnung die Landwirthe ihren Bedarf für Haus und Hof und bezüglich der Garderobe in Gemeinschaft sich selbst herstellen und sogar den Ueberrest in den Handel bringen, somit von der Stadt gar nicht abhängen. Die Industrie ist daher nicht das Bindemittel zwischen den Einwohnern russischer Städte und den Bewohnern anlie­ gender Gegenden, wie es bei uns z. V. der Fall ist; außer­ dem füllen Handels- und sonstige Interessen die Städte mit den heterogensten unsteten Elementen, welche mit der einhei­ mischen Bevölkerung in fast keine Berührung kommen. Das Stadt- oder Bürgerstatut (ßoroäovHL zw­ loLsnw), welches Katharina II . im Jahre 1785 einfühlte und Alexander I. 1824 und später Nikolaus (1832 und 1845) vervollkommnete und verbesserte, unterscheidet in der Stadt­ > gemeinde nur sechs Bevölkernngsklassen, welche auch in den Conscriptionsbüchern angeführt sind, und zwar 1. die wirtli­chen Stadtbewohner (uaLtojasöHL okvvateli), welche so ziemlich mit unseren ansäßigen Bürgern verglichen werden ton­nen; 2. die Mitglieder der Kaufmannsgilde (ßiläskij«); 3. die Zunftleute (oLonovxjs) und Handwerker, d. h. Arbei­ter, welche nicht in dieser oder jener Zunft eingereiht sind; 4. die auswärtigen und fremden Kauf- und Handelsleute (inoAoroäiixje ßosti); 5. die Ehrenbürger (poösstnvje ^«,2­cijllu«) und endlich 6. die eigentlichen Bürger (rntzLöan«) oder besser Krämer, Gastwirthe u. A., und die raxlnoöinoi, d. h. Beamte niederer Kategorie, Künstler, Schriftsteller, Lehrer u. s. f. Außer den Genannten begegnen wir in russischen Städten zahlreichen Beamten verschiedener Diatenllasfen, Ade­ligen mit zahlreicher Dienerschaft und der jeweiligen Garnison. Die Zahl der ansäßigen Bürger ist nicht sichergestellt, dürfte aber im eigentlichen Kaiserreiche gewiß 560.000 und mit den Familien 2,800.000 Köpfe stark sein. Die Kauf­leute aller drei Gilden dürften in den europäischen Guber­nien 465,996 Individuen zählen. Es sind eigentlich Kaufleute höheren Ranges, da die Licenz zur Betreibung dieser Ge­schäfte nur denen ertheilt wird, welche sich mit einem gewissen Handelskapital ausweifen können^ Kaufleute dritter Gilde müssen ein Kapital von wenigstens 2400, die der zweiten 6000 und jene der ersten 15.000 P. Rub. besitzen. Die Kaufleute I. Gilde, deren Zahl nicht die Ziffer von 1200 übersteigt, dürfen den Handel mit in- und ausländischer Waare en Zros und en ä^tail im ganzen Reiche betreiben und sind die ossiciellen Vanquiers und Lieferanten. Die Kauf« leute 2. Klasse haben zwar das Recht unbeschränkten Groß­ handel mit inländischen Maaren zu betreiben, dürfen aber von ausländischen Artikeln nicht mehr als um 90.000 P. Rubel in den Handel setzen. Außerdem steht ihnen nicht das Recht zu, Wechselstuben und Assekuranzen zu gründen. Ihre Zahl wird sich im ganzen Reiche nicht über 3000 belaufen. Die Kllufleute 3. Klasse (70-75.000 Köpfe) sind eigentlich unsere Detailisten, doch dürfen sie ausländische Waare nur von den Kaufleuten 1. und 2. Ranges beziehen; dafür sind sie aber berechtigt, Gasthäuser und Schiffe zu halten und ihre Artikel auf Märkten feilzubieten. Die Kausieute aller drei Klassen, so wie ihre Familien sind von der Kopfsteuer und dem Militär­ dienst befreit und haben ihre Vertreter in der Stadtrepräsen­ tanz und ihre Beisitzer bei dem Stadtgerichte. Sie zahlen eine 1 '/g—4 "/o Steuer aus dem angemeldeten Betriebskapital. — Die Kaufmannsgilden sind allen Ständen zugänglich. Dieser Bürgertlasse zunächst stehen die fremden Kaufleute (308«) (etwa 500 Familien), denen freier Austritt aus den Ländern Rußlands bei allen Rechten der kaufmännischen Klassen zuge­ standen ist. Die Zunftmitglieder, Handwerker und Ge­werbetreibenden bilden das industrielle Element der Städte Rußlands. Die Zünfte haben dieselben Rechte und dieselbe Organisation wie früher in Westeuropa. Die Klasse der Handwerker machen die Gesellen, Fabriksarbeiter, welche keine Gewerbesteuer zahlen, aus. Die Zunftältesten sitzen in der Munizipal-Vertretung. I n der ganzen Imperie zählte man im Jahre 1863 nur 278.388 Zünftler und Handwerker, welche Zahl von der Schwäche des kleinen Gewerbes deutlich Zeugniß gibt. Die eigentlichen Bürger sind in Rußland Leute, welche Handel in kleinerer Ausdehnung als Kleinkrämer betreiben, Wirthe, Restaurateurs, Kaffeehaus- und Brantwein-schänken-Besitzer lc. Sic sind von der Zahlung der Kopfsteuer und dem Militärdienste nicht bestell und haben im Ganzen die­selben Verpflichtungen wie die Bauern. Sie kompletiren sich meist durch Bauern, abgedankte Soldaten, Ausländer u. A., und sind von der Theilnahme an der Stadtvertretung ausge­schlossen. Ihre Zahl dürfte mit Hinzurechnung der Bürger in den baltischen und westlichen Gubernien, welche übrigens schon nach westeuropäischer Weise organifirt sind, fammt Familien 403.530 Köpfe betragen. Die gemischte Klasse von Bürgern (raanoLinLi), welche unter die eigentlichen Bürger gezählt wird, umfaßt die verschiedensten Stadtelemente, und zwar die niederen Civil-Beamten, Hauslehrer, Künstler, Schauspieler, Arbeiter aus den k. Fabriken und Montanwerken u. A. Ihre Zahl wird auf Eine Million angegeben. Die raLnoöinoi sind von der Zahlung der allgemeinen Steuer, nicht aber sämmtlich auch vom Militärdienste befreit und dürfen unter gewissen Bedin­gungen auch andere Gewerbszweige, und das steuerfrei, er­greifen. Eine Vertretung in dem Gemeindeausschuß kommt ih­nen aber nicht zu. Das Ehrenbürgerthum, welches mit Utas vom 10. April 1832 organisirt wurde, erscheint als ein Mittcl­oder Bindeglied aller Klassen, was ein faktischer Vortheil für die russischen Städte ist. Ehrenbürger aä personam werden alle absolvirlen Universitätshörer, Künstler, welche aus einer Akademie hervorgingen, fremde nach Rußland gekommene Ge lehrte, Künstler, Kaufleute, Kapitalisten und Fabrikanten. Ein­ heimische und fremde Fabrikanten, wenn sie Handels oder Industrieräthe geworden sind, oder mit einem russischen Orden dekorirt wurden, oder Kaufmannsfamilien 1. und 2. Klasse an­ gehören, welche durch 10 oder 15 Jahre unbescholten jenen Gilden angehörten, werden gleich den Doktoren, welche auf russischen Universitäten diesen akademischen Grad erlangten und anderen ehrenwerthen Personen erbliche Ehrenbürger. Ehrenbürger durch Geburt werden auch Söhne solcher Adeligen, denen der Adel für ihre Person verliehen- wurde. Auch die Israeliten können durch Verdienste, die sie sich ent weder um den Staat, die Wissenschaft ober Kunst erworben das Ehrenbürgerrecht erhalten. Darüber, wem das Ehrenbür­ gerdiplom verliehe» werden soll, entscheidet der Senat. Die Zahl der Ehrenbürger wird auf 35.303 Personen geschätzt. Was die Rechte der Bürger im Allgemeinen anbelangt so finden wir, daß jeder Bürger über sein Vermögen unbe­ schränkt verfügen kann, Güter und Liegenschaften taufen, lä» den, Werkstätten und Niederlagen überall ohne besondere Be willigung errichten kann. Die Gemeinde hat das Recht, mit Bewilligung der Po­ litischen Behörde sich jedes dritte Jahr zu den Wahlen und Berathungen über Gemeindeangelegenheiten zu versammeln. Das Stimmrecht genießen nur jene Bürger, welche 25 Jahre alt sind und Steuer zahlen. I n Folge der l, Mase vom I . 1861 und 62 ist übrigens der Bürgerstand in der gesumm­ten Imperie, was seine Organisirung anbelangt, in einem lieber» gangsstadium, und die Residenzstädte Petersburg und Moskau und dann Odessa besitzen schon seit 1865 ein neues St a tut , welches, nach den sich ergebenden Bedürfnissen über Vor­schlag der einzelnen Stadtgemeinden modificirt, auch in den übrigen Städten zur Durchführung kommen wird. Was die wirthschaftliche Seite anbelangt, sind die Städte im Allgemeinen reich und die Einwohner erfreuen sich eines wirklichen Wohlstandes. Auch das Gemeindevermögen ist mehr­theils ein bedeutendes; so betrugen im Jahre 1863 die Ein­nahmen von Petersburg über 3,662.000 Silberrubeln, Mo«, kau 1,069.000, Odessa 1,182.000 u. s. f. Die polnischen Städte haben einen mehr Westeuro päischen Anstrich, da sie auch schon mehr die Sitze der Indu­strie und de« Handels sind. Die polnischen Städte sind ziemlich zahlreich (452, 1 auf 5 Quadr, M.). Außer der Geistlichkeit und dem niederen Adel bilden die Handels- und Gewerbsleute, die noch in Zünfte eingereiht sind, dann Fabri kanten und Arbeiter das weitaus größte Kontingent der Stadt­bevölkerung in Polen. Leider müssen wir hier eines für die national-ökonomischen Verhältnisse im ehemaligen Polen höchst verderblichen Uebelstandes Erwähnung thun. Wir meinen die Juden, welche überall fast die Hälfte der Stadtbevölkerung ausmachen und allen Handel en ßro8 und «n clet»,il und alle lukrativeren Geschäfte, als Wirthshauser, Fabriten, Geld­geschäfte u. f. w. in ihren Händen haben. Dieses Ansammeln großer Kapitalien in einer durch Konfession und Sitte verschie­denen Bevölkerungsklasse muß nothwendigerweise eine Verar­mung der polnischen Städte und eine totale Abhängigkeit der übrigen Bürgerklassen von diesem fremden, jeder Assimilation stets Widerstand leistenden Elemente nach sich ziehen. Deshalb sind auch die polnischen Städte und die kleineren Orte in den westrussischen Gubernien, wo früher die Polen herrschten, ver armt, unrein, überhaupt herabgekommen und zwar sowohl in toto als Gemeinde als in n«,rt« — jeder Einzelne, woran hauptsächlich der Adel, welcher die Ansiedlung und Ausbreitung der Juden, die das Volk über die Maßen aussaugten, immer und überall begünstigte, Schuld trägt. Verstorbene. Den 13. Mai. Agnes McMiL, Bettlerin, alt S8 Iah«, im Zivilspital, in Folge erlitte»»» Verletzung u»d wurde gerichtlich be­ schaut. — Frau Anna Praunseiß, Schullehrerswitwe, »lt ?N Jahre, in der Kapuziner-Vorstadt Nr. 6, a» der Entlräftung. — Iosefa K°3ir, Magd, alt 36 Jahre, im Zivilspital, an der Lungenlühmung. Den 54. Mai. Dem Franz Iaksche, Dienstmau«, seine Tochter Maria, »lt 6'/, Iah«, in der Stadt Nr. 2N, an Nrustskrofeln. — Frau Antonia Welsch, Handelsmannawitwe, alt 46 Jahre, in der Gradischa-Vorstadt Nr. 58, am Lungeublutslurze. Den t». Mai. Franz Gorse, Urlauber, alt HN Iah«, im Zivilspital, an der allgemeinen Wassersucht. — Dem Georg Schusteruiö, Hausbesitzer, sein Kind Maria, »lt 7 Tage, in der Tirnau-Nocstadt Nr. 59, an der Mundsperre. — Marian» D«li»«et, Magd, alt 27 Jahr«, im Zivilspital, »n der Lungenlühmung. Den t6. Mai. Agnes Supailöiö, Institntsarme, alt 70 Iah«, an Altersschwäche. De» 17. Mai. Frau Maria Gestrm, Kanzleidiener« vorher Vürgerswitw« Reitzi, »lt 78 Jahre, im Hühnerdorfe Nr. t5, »n der Brustwaffersucht. Den 1». M»i. Agne« Moönik, Inwohnersweib, alt 62 Jahre, im Zivilspital, an der Magenentarümg. — Franz Kreml«!, Knecht, alt 29 Jahre, und Theresia KauLiö, Inwohnersweib, alt 58 Jahre, beide im Zivilspital, »n der Gehirnlähmung. — Maria Storch, In­wohnersweib, alt 82 Jahre, im Zivilspital, an Erschöpfung der Kläftc. Den 2U. Mai. Dem Mathias Kellemina, Verzehrungsstener Aufseher, sein Sohn Mathias, »lt 9 Iah« und 3 Monate, ist hinter dem Malien-Vade Nr. 2l, im Laibachfiusse ertrunken gesunde« und von da nach St. Christof überbracht worden. Herrn 5 . « . «'«z»v, Praktischer Zahnarzt, Wien, Ttadt, Bognergasse Nr. 2. t?-2. Euer Wohlgeboren! Seit 8 Jahren an Ih r Anlltherin-Mundwasser gewöhnt, welches sowohl für das Zahnfleisch als auch für die Zahne selbst von außerordentlich wohlthiiti­ger Wirkung ist, auch Zahnschmerzen verschiedener Art lindert und hebt und überhaupt den Ruf eines ausgezeichneten Mundwassers vollkommen verdient, kann ich mich für keines der neuerlich gerühmten derar­tigen Mittel entscheiden und ersuche mir daher «m den beiliegenden Betrag eine entsprechende Quantität Ihre« Anatherin-Mundwassers übersenden zu wollen. Agram, am 20. Juli 1867. oberes« Väle von NlHUÜlsteiu, ßsd. ^ellaöiö ä« Nueim. Zu haben in Laib ach bei Anton Klisp«, Joses K»llm ner, Job. Kraschowitz, Petliiii 4 Pill«, Ed. Mahr und Kraschowitz' Witwe; - Krainburg be, F. Knsper; -Vleiburg bei Herbst, Apotheker; - Narasdin bei Hlllt«, Apotheker; —Rudolfs«, erth bei D. Rizzoli, Apotheker; — Gurkfeld bei Fritdr. Vömches, Apotheker; - Stein »», Jahn, Apotheker; -N isch oflackbei Karl Fobionl. Apothe­ker; - Gör, bei Franz LllMl und PonttNl, Apotheker. Gedruckt bei Josef Blasnik in Laibach.