X» AK» Wttwach, den 22. Hktoöer 1873. JahiAavit Die ^Murdurger öeitung" erscheint jeden Sonntag, MMwoch und Freitag. Preise — für Marburg: aanzjShrig S fl..halbjährig » fl., vierteljährig 1 für Si IN» Hauß monatlich :0 tr. — mit Poslversendung: ganzjährig 8 fl., halbjährig 4 fi.. viertel,ährtg S fl. Insertionßgebühr S kr. pr. Stil« Ü«stel!«»g Hiildtrnisst der Voikstr^irhittlg. III. Durch.die vollständige Entfernung deS Geist« lich«n und aller KultuShandlttngen auS der Schul? lvürde eine stanze Reihe der schlversien Hindernisl, einer gesunden GeisteSentivicklung beseilistt und zwor> beziehen sich dieselben tjeilS aus die Werth« jchätzunfl, welche das Wissen und seine Berlrkter in der Schule überhaupt genießen, theilS auf den Eeeleuzustand und EmpfänglichkeitSgrad der Schüler, töeils auf die Wahl der zu behande'nden Gegenstände, theilS auf die Art, wie selbe gelehrt werden, theilS endlich auf einen höchst wichtigen Zeitgewinn. Wie durch die untergeordnete und geradezu abhängige Stellung deS LehrerS vom KleruS die geistige Gabe, die der Lehrer reicht, sich dem Kinde von vornherein und ganz von selbst als von unendlich minderem Wcrthe darstellt, gegenüber der vom Geistlichen gebotenen, we»ß Jeder. Dazu kommt, daß der Geistliche noch ausdrücklich und nachdrücklichst lehrt, daß, wa» lmmlr der Lehrer je lehren kann, M'l dem Werlhe seiner eigenen Lehre überhaupt ia feinen andern Vergleich treten könne, alö in den dtS Irdischen und ^rgänglichen mit dem deS Himmlischen nlnd Ewigen. ' So kann natürlich, wenn nicht geradezu Berachtnng, doch nur eine Unterschätzung deS Aiffev» lm jugendlichen Geiste Mlhr oder weniger -klar bewußt erzeugt wecken, uud dies ist g'lviß ktm Sporn zum Lernen ; daS liegt auf der Hand. Es -iß . abe» auch interessant zu« bemerken, lvte dieselbe Gcriirgschä^ung. des WissenS, die vom Klerus aus verbreitet wird, auch zu den besonderen Merkmalen des Feudalismus gehört. Grundsatz ist hier: „Wir sind etwaS, ohne eS zu werd e n". Das flüssige Werden bildet den schroffen Gegensatz zum ruhigen Sein ; die stetig verlaufende Entwicklung verläugnet di se Ruhe grundsätzlich, während die plötzlich aufstammende Revolution an und für sich kein so gefährlicher Gegner 'st. Deshalb ist die Betrachtung des stetigen Flusses der Ideen dem echten Feudalen ebenso verhaßt, wie die freudige Werthschätzuni^, welche der sich gesund entwickelnde unbefangene Verstand jedem einzelnen Jdeenglied der ganzen Entwick-lungSkette, jeder neuen und richtigeren Vorstellung zu the'l werden läßt. Da erscheint jede Idee als eine Woge, welche den hinorischen Bau, für den man so gerne die Ewigkeit in Anspruch nehmen möchte, von Neuem in die Strömilng des l.bendigen Werdens hmeinzureißen droht, und jedeS Aufleuchten der Freude im Menschengeist über ein neuerfaßteö höheres Glied in der Kette der Vorstellungen Wie ein Blitz, der die so liebgewonnene Fovm treffen und umschmelzen könnte. Damit ist nun nicht gesagt, daß man in wirklich dirigirenden Kreisen des höchsten KleruS und des höchsten Adels nichts lerne; im Gegen-lheil, diese Wirklich dirig reilden Kreise ergänzen sich sachgemäß meist nur aus der Zahl Derjenigen, welche die Summe 0eS gesammten Zeit-wissenS, so weit dies für die politische Praxis von Wichtigkeit ist, in ihrer Person zu vereinigen wußten, ohire darüber Pcdanlen zu werden. Aber das Wissen wird eben als Vorrecht Weniger betrachtet, und davon ein mäßiger Gebrauch gemacht; nach unten hlnmuß',» aber als ____. . . . Mittel politischer Klugheit für den feudal-klerikalen Bund gelten, daS Wissen seinem Werthe nach als sehr untergeordnet hinzustellen. Es kann auch keia Zweisel sei», daß der kindliche Geist durch die Art, ivie bisher der Re-ligiouSunterricht in der Schule betrieben worden ist (und anders machen woüen eS ja die Betres-senden Nicht) groben Schade» gelitten hat, und daß seine Lernfähigkeit stark getrübt worden ist. Denke man nur daran, wie der Geist deS gutgearteten KindeS durch die Lehre von der Erbsünde, vom Zorn GotteS, vom Fegfeuer und dew ewigen Höllenstrafen in Schrecken gesetzt Wird. Zn der zarten Seele lverden da mit Abficht die surchtbai^en Bilder erregt, und Viesen auch noch da» Attribut der Eivigkeit gegeben, ein Begriff, der an und sür sich schon schon geeignet ist, de« kindlichen Geist zu verwirren. In wie vielen jungen Seelen isl schon durch diesen unvermeidlichen Unterricht der Keim zur geistigen Stumpfheit over zu Berzveiflung und Aahasian gelegt ivorden. Die Natur hat gütig dafür gesorgt, daß Noth und Elend der Familie, d,e von so Bielen geiragen werden müssen, vom gesunden Kinde kaum empsunden werden, und dcl kommt dann der Diener Gölte?, der Vermittler der göttlichen Liebe, und süllt den zarten Sinn der Unfchnldigen tvie absichtlich mit Schreck und Trübniß uod lchivächt dadurch nicht nur die gesunde Rezeptions-sähigkeit deS GeisteS. sondern gibt ,hm noch eine von der Wirklichkeit ganz abgekehrte Richtung. Dadurch wird er nun. zwar für daS Ausnehrnen und Lernen weniger brauchbar; aber ganz paffend wird dann ein so geschwächter und getrübter ^ * _____ Hinter der jilosterpfortt. Zu dcN grauenvollen Enthüllungen auS dem Klofterleben, die in den letzten Jahren die Gkmülher Mit Recht so sehr in Aufregung ver» sltzt und. iväre dieS überhaupt noch nölhig ge-ivesen, von Neuem unwiderleglich dargethan habe», wie z'vingend es geboten ist, die endliche Beiseitiguag eines Instituts zu fordern, welches Nicht vur mit dem bürgerlichen Gesetze, Mit Staat und Gesellschaft in direktem Widerspruche steht und, jeder öffentlichen Konlrole entzogen, physisch unv geislig den unheilvollsten Einfluß ausübt — zu diesen sehr wider den Willen der betheiligten Anstalten und Persönlichkeiten dem Publikum gewordenen Enthüllungen kommen noch die eigenen Bekenntnisse einer Nonne selbst. Sie lassen unS einen Blick hinter die Koulissen der Klausur lhun, wie dieS dem Laien nur selten einmal vergönnt ist, indem sie nns in ein französisches Frauenkloster führen und ohne jedweden Anspruch auf literarische Kunst und schrisl-stcUerische .Mache", aber mit einer auS jeder Zeile sprechenden Wahrheit oas innere Getriebe eitiks solchen Konvents bloS legen und wi^dl- rum bezeugen, wie der KleruS. oder sagen wir liebe? die Jesuiten, vor keinem Mittel zurückbe-den, ihre Macht über die Gkister der Menschen zu erweilern und die irdischen Besitzkhümtt dcr-jelbeu ihrem „unersättlichen Magen" einzuverleiben. Im Augenblick^, Ivo die Jünger Loyola'S durch ihr gefügiges Werkzeug, den altersschwachen Papst-, die Stirn haben, der gesammten modernen Bildung den Vernichtungskrieg zu er-klären, gewinnen die Atifzeichnungen unserer Noiine, objchon harmloserer Art als jene obengedachten nnfreiivilligen. Enthüllungen, als warnendes Beispiel und Weckruf noch erhöhtes Interesse. Schivester X. — hren wahren KloAerna-namen verschweigt die Verfasserin in ihrem Buche — war die Tochter eincS peasionirten französi-schen OlsizierS in St. Marceau, einer ansehnlichen Marktstad^ der Provinz Orleans. 'Schon zeitig, noch nicht neunzehn Jahr alt, verlobte sie sich mit einem jungen' eljässischen Lieutenant, iiitlcher durch seine unge'vöhnliche Tüchtigkeit aus eine glänzende Karriere Aussicht hatte. Der Bräutigam tvar Protestant, aber sowohl die Eltern deS BlädchenS, alS der Beichtvater und Freund der Famitie, ein würdiger Priester, auS der toleranten alten Schul?, sahen darin kein Hinderniß sür die Verbindung der beiden jungen Leute. In einigen Monaten, sobald die Mutter für die noth vendigste Ausstattung gesorgt hatte, sollte die Hochzeit deS PaareS st'iitlfinden. Da wurde der Lieutenant plö^lich nach Algier versetzt und zu gleicher Zeit starb der alte gute Pfarrer. - - ' Dirse beiden Umstände sollten verhänguißvoll iverdtn. Der neue Pfarrer ivar sehr anders geartet als der heimgegans^ene; ein junger Mann, gehörte er nicht zu der freisinnigen, aufgeklärten Richtung seines Vorgängers, sondern zeigte sich als Jesuitenzögling „zur größe''en Ehre GviteS-dem finsteren ZelotiSmuS ergeben. Natürlich wurde Abbv DeSherbierS — so hieß der glau-benSeifrige Priester — der Beichtvater deS jungen Mädchens, und eS währte nicht lange, ^ da hatte er dessen Seele völlig >n seiner Gewalt. 'Er wußte in der Armen jedes Gefühl von kindlicher Liebe zu etsticktn, machte ihr Herz ihrem Veklobten ab vendig und redete ihr ein, ihre Eltern hätten das wahre Interesse der Tochter ihren eigenen Kapricen aufgeopfert. Bald geiiug hatte er eS dahin gebracht, daß se'N Beichtkind, Mit sich und der Wklt zerfallen, an nichtS mehr Thcil nahm oder Freude empfand und in tiefen T'üiiinn veisiel. ' Einmal in solche Berfassang gebracht, hat ein sryvÄrmerischtS Gemi^th Nicht wehr weit, biS zu dem Wunsche, in ein Kloster zu gehen. tift, um sich auf ditser Erde am Ende noch mit eiver Art Wollust maltrütirtn zu laffen. Bedenkt man hiezu noch, daß die dogmati schen Mysterien und Wundergeschichten, die auch dem Kinde vorgetragen werden, ganz geeignet sind, um das Einmaleins zu verwirren und die GeseKmüßigkeit der physikalischen und physiolo gijcheu Vorgänge um ihreu Kredit zu bringen so ergibt sich daraus entweder wieder eine krankhafte Unterschätzung der Wirklichkelt, oder eS resultirt zum Mindesten auS dem vergeblichen Bestreben, Dogmatik und Wunder mit der Wirk lichkeit in Einklang zu denken, nne Verwirrung deS Denkens überhaupt, — und sollte diese die Lernfähigkeit etwa stärken? Haben wir doch eine beträchtliche Zahl sogenannter Philosophen, großer Geister u. dgl., die ohne allen Zweifel nach einigen Zahrzenten von gesundem europäischen Menschenverstand mit demselben Mitleid angeschaut werden, wie wir dieS jetzt etwa einem chinesischen Bonzen zu widmen pflegen, mag ec unter den Seinigen für noch so weife gelten. Der Geist ditfer Armen ist eben ihr ganzes Leben hindurch nicht mehr losgelassen worden von dem Wider spruch zwischen der mit den eigenen Sinnen wahrgenommenen Wirklichkeit und der in der Schule überkommenen theologischen Ueberlieferung. Und das waren noch (wenigstens nebenher) philo-phisch geschulte Köpse. Wenn aber daS am grünen Holz geschieht, was erst am dürren? 3n den niederen VoltS» kreisen aber bringt die DiSkreditirung deS Einmaleins und die Unterbrechung deS naturgesetz-lichen Verlaufs der Dinge durch Wunder schlechte HauShälter hervor, dle nie zu ökonomischer Selb« ständlgkeit gelangen können uvd deshalb daS rechte gutter abgeben für den Hochmuth der durch Mdelkommifse:e. geschützten Feudalen, und anöe« rerfeilS Lotterieschwestern und gult-r für die Ritter und Barone von der höchsten grunktifizi-rung liefern. Ist eS nicht sehr lehrreich, wie auf dem letzteren Felde die Spitzeder und Konsorten selbst die kühnsten Fruktifizirer jener Nation, auf deren Boden unsere Wunder gewachsen sind, an Erfolg noch weil übertreffen? Wer baS Einmaleins im Kopfe hat, weiß, daß 100 fl. unmöglich dreißig Prozent ginS bringen können ohne Wunder ; find diese aber mögliq), dann ist'S sreilich waS anderes. So zieht man schon durch die Art deS ersten Unterrichts seine Schutzbefohlenen zur bequemen Beute für Gauner heran und macht ihren Geist von vornherein unfähig, in gesunder Weise Wahrnehmungen zu machen, zu schätzen und zu benutzen. Das völlige Aufhören deS klerikalen Einflusses auf unseren Schulunterricht wird aber, abgesehen von der Beseitigung allgcmciner Uebel-stände und Hemmnisse, namentlich auch auf die Wahl der UnterrichtSgegenstände und auf die Herstellung deS rechten GleichgervichteS in der denselben gelvidmeten Stundenzahl vom allerarühten Nutzen sein. Von dem stärkeren Hervortreten deS physikalischen, naturgeschichtlichen Unterrichts u. dgl. wollen wir hier gar nicht reden; aber faßt man z. B. nur den Geschichtsunterricht inS Auge l Was wird denn in der Volksschule von Geschichte eigentlich gelehrt? Nicht» als die sogenannte biblische Geschichte, auf die mehrer Jahre verwendet werdhn. Was heißt aber das V DaS heißt, streng genommen: unsere okzidentalischr Volksjugend erfährt von der Urgeschichte der Menschen, Von der Geschichte der Griechen und Rörner, und von der späteren Geschichte Europas gar nichts oder soviel wie nichts und wird dufür Jahre lang mit der poelisch theiliveise recht geschmacklos und phantastisch ausgestatteten Gesälichte eines nordarobischen BeduinenoölkchenS gefüttert, daS später in Palästina seßhaft geworden ist, und unter tvelchem ChriftuS geboren wurde, — der ReligionSftifter, dessen Lehre und Praxis daS genaue Äegentheil dtssen waren, waS unter jenrm Völkchen für wahr und lebenSklug gehalten wurde. Und ziemlich um deßwillen muß nun nlis.re Jugend sich durch die ins alte Testamment aufgenommenen babylonischen SchöpfungSsagkn un?» die später herübergenommenen persischen Vorstel» lungen von den himmlischen Dingen Verstand und Phantasie verderben lassen! Alle Achlung vor der persönlichen Größe deS Mos'S, der ein Paar Tausend auSgetvanderte odcr vertriebene Stammesgenossen organlsirte und ihnen Gesetze b; aber mit welchrm Recht nimmt er in der Phantasie der Hirtenknaben auf unseren Bergen mehr Raum ein, olS etwa Budh.i, von dem er nicht weniger deutliche Vorstellungen dabei könnte, dessen Namen er aber gar nicht gehört hat, obgleich seine Anhänger heute noch zahlreicher sind, als Christen und Juden zusammen? Warum müssen die Räuber- und KriegSthaten d.S KönigS David famml seinen verschiedenen Tugenden und Lastern unseren Rekruten mehr u-,d mehr bejchäf-igen, als die Thaten und Cigenschaslen Karl'S >eS Großen, der daS Land politisch organ sirt jat, in dem er selber lebte? Solche Fragen beantivorlen sich zivar sehr leicht ouS der Kenntniß deS ZusammenhaiigS unsercr BtlbungSgeschichte, aber wenn eS sich hcute um Neuorganisikunjj unseres VolksunterrichteS handelt — un^ um eine solche wird ja eben j-lrute etdecklen tie Fälschung crst, nachdem c>ic Ganuerin ston längst daS Weite gesucht. (Zur Na che tferung.) Vom Giund-bksitzer Jakab Stern in Niißdorf, welcher kürzlich gestoiben, sind der Schule zu Schleinitz vierzig Gulden zur Anschaffung nöthiger Lehciiehelfe vermacht tvoidcn. (Roß und Wagen.) Dem Grund- Der kurze Schritt war bald gethl)n. DaS Mädchen hatte noch keinen Begriff, wie eigentlich ein Kloster beschaffen war, und der würdige Diener GotteS sorgte dafür, daß die nachmalige Schwester F. ein solches Frauenstift besuchen konnte, ohne daß die Eltern darum ioußten. Im Kloster wurde sie schon eivartet; die Nonnen spielten ihre Rollen mit vollendeter Meisterschaft. Nichts als Glückseligkeit begegnete ihrem Auge: ihr Ohr vernahm nichts als englische Segensworte; jedwedeS Antlitz strahlte von Holdseligkeit und Besricdigung. In Folge dieses Besuchs und der immer kühner strömenden Beredsamkeit deS Ad. sS wurde die Phantasie der Unglücklichen vollends verwirrt, nnd sie entschloß sich, alle Glieder zu «rbrechen, welche sie noch an die Welt ketteten. Trotzdem sürchtete sie die Hestigkeit ihreS VaierS und ihrer Mutter kiihlen, doch festen Widerstand. öunächit hielten Beide ihren Vorsatz nicht für ernstlich gemein:, als sie aber darauf bestand und davon sprach, ihrem Bräutigam den BerlobungSring zurücksenden zu wollen, verbot ihr Bater dem Pfarrer ohne weiteres daS HauS. Dieser hatte indeß andere Mittel und Wege, die Verbindung mit dem jungen Mäd-chen zu unterhalten. Durch eine Dame jeiuer Bekauntschaft, eine Art Abenteurerin, die erst mit ihm zugleich in St. Mareeau aufgetaucht war, und deren Vergangenheit hier Niemand kannte, ivard eine lebhafte Korrespondenz ztviichen dem Abbv und seinem Belchtkinde ins Weit gerichtet. Der Pfarrer überzeugte die junge Dam»', Suß sie „unter einem entsetzlichen Drncke lebe", daS Opfer der Tyrannei sei, rieth ihr jedoch, vor der Hand allen Streit mit ihren Eltern zu vermeiden und ruhig zu ivaiten, biS der Tag ihrer Mündigkeit herankäme. Am 11. September 184''' erschien dieser Tag. Halb wahnsinnig vor Aufregung und durch die ihr vom Pfarrer gesandten piifidei, Rathschläge, konnte Fräulein Sonbeyean — öa» war der weltliche Name des jungen Mädchens — kaum erwarten, biS sich eine Gelegenzeit darbot, daS 3och abzuwerfen. Weil eS unmöglich schien, die Erlaubniß ihrer Eltern zu dem beabsichtigten Schritte zu erlangen, drängte sie der Abbv, daS väterliche Haus heimlich zu verlassen, und suchte ihr die schwere That durch die Vorstellung zu erleichtern, daß sie ja nachträglich die Verzeihung der Zhu-gen erbitten könne. Er habe erfahren, schrieb er weiter, daß am ziveiten November ihr Vater eine Geschäftsreise antreten iverde und die Anordnung getroffen, daß eine seiner Vertrauten, Madame R.. bei Einbruch der Nacht, eine halbe Stunde von der Stadt mit einem Wagen aus sie warten solle. „Wie mir dieser fürchterliche Tag Verstrich, tun ich zu erjählen außer Stande", berichtet Schwester in ihrem Buche. „Von den wi-dersprechnldft-n Gedunken und Gefühlen bewegt, schrak ich vor einein Schritte zurück, wclhen ich vielleicht n.^chher bitter zu ber,ueii? haben würde, N'ld ivünscht« beinahe, daß ein von meinem eigenen Willen unabhängiges Ereigniß eintreten möchte, um mich an der Aussührnng meines Vorhabens zu hindern. Auf alleS Aiidere kann ich mich nur noch duilkei und verivorren besinnen. Ich weiß bloS noch, daß ich ein paar Zeilen an meine Mutter zufammenkritzelie, daß ich durch die Gartenthür mich entfernte und den steilen Fuhpfad hinat»llef, welcher nach der Loire führt. Hier sand ich die Person schon meiner harrend, welche eS unternahm, die Mitschnldige meines unkindlichen Schrittes zu werden. Ohne daß Eines von unS beiden e>n Wort sprach, folgte ich ihr nach dem Wage«. Sobald wir indeß darin saßen, umarmte mich M,^dame R. unter vielen Betheurungen ihrer Liebe und Bewunderung; ich war eine neue he.lige Elisabeth und was weiß ich jetzt noch für eine sonstige Heiligf. Goti würoe mich segnen, daß ich ihn jeder irdischen Neigung vorgezogen und vor AI-lem mich geweigert habe, einen Protestanten zu heiraten tt. Sie floß über von hochklingenden Phrasen; ich hatte weder Lust noch Kraft, etwas beflßer Adam Kriveh zu Rogln;ett auch, nur annäher.id zu beaut> woten. Die Angriffe gegen meint Person übergehe ich um der guten Sache willen, für welye ich freudig einstelle, so loeit es Mkine sttw.^chen Kräfte erlauben. Die Sache aiier ist hier daS Zchulfest und die achtjährige Schulpflicht. Die Schulfeste sind allen Dunkelmännern ein Dorn im Auge, welcher um so mehr sticht tmd schmerzt, je vollkommener jene getlna^en. Wir SchlclNipei^ haben bei dem heurigen Schulfeste le.der noch nicht unsere Wünscht ganz erfüll.n könnkn; aber dieS macht uns nicht irre und ist eiae Mahnung, eS das nächste Mal noch besser auSzuventen und durchzuführen. Weil aber ist eS schon gekommen, daß die hochlvürdigeu Herren, Vit so oft vor der vtrsammelten christlichen Ge-Mkinvt aus dem Evangelium lesen, waS ZesuS gesagt hat: ..Lallet die Kleinen zu mir konlmen, denn ihrer ist das Himmelreich" — so wrnig thun. um den Kindern eine ivohlverdiente Fleude zu bereiten, die gewiß auch zum Himmelreich einer Menscheuseele gehört und daß diese Herren oasüc gegen die Jugendfreunde Z^ter schreien, 'velche sich b:mühen, daß dieser schöne Spruch des Heilandes am Schlüsse deS Schuljahres ni^ht ein leeres, lodtes Wort bleibe. Was den achtjährigen Schulbesuch anbelangt, so gebe ich dem Korrespondentei» des .,Volksblatt" zu. daß derselbe bei dem jetzigen Zustande der meisten Schulgebäude unausführbar ist ; deswegen aber dringen wir darauf, daß neue Schi^lhäuser g baut und di« besteheudea, tvo es nSthig und technisch möglich ist, erweiterl werdeu. Wahr ist ferner auch, »vas dieser Korrespondent sagt, daß «vir keinen Urbersluß an Lehrern tzaben. Zwischen unS Fretsinnitjtrl und den Klerikalen ist jedoch der Unterjchieo, daß sie diesen Mang'l zum Vortvande nehmen, gege» die neue Schule sclbst loszuziehen, wä!)rend mir trachten, dem Uebelstande abzuhelfen. So viel für diesmal, me>n lieber Blindgläubiger. Sei kein Blindschleicher mehr und nenne offen und ehrlich deinen Namen, wei»« Du ivlrdei lM „VolkSdiatt" gegen Mich und me»ne Sache schreibst; ich vetspreche, daß ich Dir danr» auf diesem Wege noch öflcr vegegnen :vill. Schleinitz, 18. Oktober l873. Johann Retschnik, Ortsschulanfseher. Eingesandt Zur Wahlbewegung.' An Herkn Franz Perko, ehemaligen gräflich Bran- dis'schen Gutsverwalter in Marburg. Wir danken Ihnen für daS „Eingesendet" vom 16. d. MlS.; doch sind wir noch im Unklaren, ob Herr Vrandstetter oder der Ächloßpater sich durch die GründungSspesen per 2000 ß. zu bereichern gesucht hat. Im ersteren Falle rathen wir Ihnen, im Wege deS ZivilprozesleS die Herausgabe der D f-serenz zu sordern, weil dieß der tlnzige Weg ist welchen der honetle Mann in Geschäften rein privatrechtlicher Natur zu betreten pflegt. Wären Sie nicht der Herr Schwager deS Gegenkandidaten, so könnte man glautien, Ihre maplosen Angriffe seien ein Ausfluß schwervrr-letzenden RechtSgefühls; so aber müssen wir dieselben leider mit dem Schl^gworte: „WuthauS-brüche eines edlen Schwagers" auf ein anderes Blatt registriren. . UebrigenS scheint Herr Brandstetter auö der fragltchen Gründung sehr ivenig profitirt zu haben, da Sie ilzn selbst einen UnterkunstSbedürf-tigen nennen. Möchten Sie »ich! die Güte haben, den Herrn Brandstetter indessen in einem Ihrer Häuser oder Schlösjer unterzubringen, welche Sie sich seit einigen Iahren durch weise Sparsamkeit erworben haben? Mahrenberg am l9. Oktober 1873. Mehrere Wähler. Zur Angelegenheit Äraadstetter-Reilter. Geehrter Herr Redakteur! Trotz der Abweisung, welche daS LandcS-ivahlkomite Herrn Keuter über sein Ansuchen nm Proklamirl)ng und Begünstigung seiner Kandidatur für den StaStewahlbezirk Marburg augldeihen ließ, unteUävt eS derselbe doch nicht, sciue Versuche, durch schwindelhafte Gmppirung von Zahlen seine Wähler zu täuschen, fortzusetzen. ÄS macht dieß eine ungeschminkte Richtigstellung und Zurechtweisung nöthig. Die „Marburger ZeitMlg" hat in dieser Frage mit anertennens-verther Objektivität von beiden Partelen Mtttheilungen gebracht. DieS beistimmt Mich, mmenz.zhl bedeuten. Hat Herr Reuter aber vielleicht in diesem Sommer oder Herbst bei irgend einer anderen Gelegenheit öffentlich so viele Stimmen erhalten, daß er dadurch bercchtigt werden konnte, alle Marburger Stimmen sein Eigen zu nennen? Nein! Lei der Versammlung vom 5. Juli d. I. wußte Herr Reuter die beantragte Probewahl zu hintertreiben. Es mochte ihm damals wohl um seine Gottähnlichkeit bange geworden sein. Bei der Probewahl vom 5. Oktober erhielt Herr Reuter 3, Herr Brandstettec 114 Stimmen. Ist dieß Vielleicht jene große M^ij^rität, welche Hcrra Rkuter zu so fabelhafter Ueberhebung veranlaßt? Weitere öffentliche Abstimmungcn^haben aber in Marburg in dieser Fiage nicht stattgefunden. Was berechtigt nun Herrn Reuter, sich alle Marburger Slimmen zuzueignen? Hat er vielleicht für seine Zwecke eine ganz heimliche Art von Abstimmung erfunden oder in Szene gefeßt? Die Abstimmung in der Versammlung vom b. Oktober d. I. bietet noch andere sehr beach-leuöwerlhe Momente. Wie in der „Tagespost" zu lesen, waren damals 199 Wählcr^versammelt. Es v'ögen deren in Wirklichkeit wohl noch einige mehr dagewesen sein. Von Uesen stimmlen 41 sirr Herrn Reuter's Antrag auf Uebergang zur Tagesordnung. 118 aber^.betheiligten^stch^an 0cr Provewahl. Es haben sich dtiher Mindestens 40 jeder Abstimmung enthalten. Herr Reuler dürste nichl bestreiten, daß diese legieren soivohl als auch jene 41, welche Mll ihm geilimmt, Marburger Wähler waren. Erwägt man nun, daß zu Ansang der Wat)lbewkgung die Stimniung in Marburg Hcrrn Reuter enl-schieben günstiger war, als sie cö heute ist, düß i« Folge der Dehler, weiche Herr Reuter stundlich begangen, Viele seiner ehemaligen Freunde in ihrer Anhänglichkeit an ihn merklichst erkciliet sind, jo Wirt man d(N Schluß als dekrchligt anektennen, dt.ß das obige Zuhlenverhüllniß gar wohl geeignet sei, diese St»mmungSvcräl>dnung zu illustriren. Die Zahlen 40 und 41 zeigen das Verhältnis an, in welchem die Kälte unter den Anhängern Reuters Plup gegriffen. H.rr Reuter hat jelbst dieser gewichtige» Tyalsache sofort Rechnung getragen; denn während er in der Veifammlung vom 5. Ottaber noch immer behauptete, 400 Marbur^er Simmen sein nennen zu können, hat er sich in seitiem Briefe vom 6. Oktober nur noch 200 solcher Stimmen vtndizirt. Er hat also über Nacht 200 StiMmen verloren gegeblN und gestrictzen. Wie sieht es denn im Angesichte dieser un-Iäugt)aren Thatiachen Mit der noch jungst behaupteten Einmuthigkeit der Marburger Wahler aus? Wen lviU Herr Reuter durch dergleichen Behauptungen noch täuschen, sich ooer die Wähler'^ Ist es für einen austandigen Mann erlaubt, sich so zu diamiren, oder vurch seine Freunde blamiren zu lalftn? Nun zu den übrigen Mitwahlorten. Ich will die Erfolge, welche Herr Reutcr in Lutteir-berg und Frieoau errungen, als voll gelten lassen. Sie siuv ohiiedem die einzig ungetrübten. Von Polstrau erwartet Herr Reulcr für jich sehr wenig. Was St. ^eonharvt aubtlangt, so eignet sich Herr Reuter erst in der le^ien Notiz der „Neuen Freien Presse" alle dortigen Siimmen zu. I» stinem Britfe vom 6. Ottober hat er diep noch nicht geihan.