Hamstag Vktt 9. August 1834. Der Mahncnüampf im Tivoli. *) (Von M. G. Saphir.) ^'s ist ein großes Wort das „Kikeriki'." Es bedeutet so viel als: »Es werde Tag!" Der erste Hahn muß eine erhabene Empfindung gehabt haben als er zum ersten Male fein »Kikeriki!« mit verschlossenen Augen in die Welt hineinrief und dann die Augen aufschlug und der erste Tagesanbruch ihm in die Augen siel. Der Hahn das ist ein seltner Mensch, der hat eine Vorempsindung davon, wenn die Finsterniß entflieht und, wenn das Licht erscheint. Unter den Menschen kräht jetzt kein Hahn mehr darum, ob es licht, ob es finster wird, und gerade die, welche am lautesten schrein, krähen eigentlich damit .eS nicht Tag werde. Die Juden loben an jedem Morgen ihren Scho-pfcr, daß,er dem Hahne Verstand gegeben hat. Ich glaube aber der Hahn ist ein Narr, was hat er zu krähen und die Augen zuzudrücken, bevor es Tag wird, hat er nicht Zeit ein Auge zuzudrücken, wenn es schon Tag ist? Ich kenne einen Hahn"personlich, der ein wahrer Philosoph isti es ist der Hahn, der in Frankfurt «uf'üer Sachscnhäuser Brücke steht j der hat verschiedene Tage kommen und scheiden gesehen, und er hat t^S Maul nicht aufgemacht und nicht gekräht; wenn «Ue nndern Schnapphähne daselbst eben so klug und s« ruhig geblieben waren und nicht zur Unzeit gekräht Kitten, und sich nicht um ungelegte Eier bekümmert hätten, es wäre mancher Tag des Unglücks nicht angebrochen. ^le nun aber die Historiker umgekehrte Pro-^ A«s »er Mg. W. Theater«Zeitung. pheten sind, so sollten die Menschen umgekehrte H6H? ne seyn, sie sollten krähen, wenn es Nacht wird,- denn wenn es T>ig wird, das sieht Jedermann, das liegt am Tage, aber daß es Nacht wird, das sieht oft kein Mensch, er lebt oft in der finstersten Nacht so in den Tag hinein. Weil aber es Tag wird, wenn der Hahn kräht, so glauben in sonders die litcrarischen Hähne, — auch ein Feder- Vieh — sie brauchten nur zu krähen und den Kamm schwellen zu lassen, und ' wenn sie das gethan haben, halten sie sich für pri-Vilegirte Tagmacher! Jedes literarische Hähnchen, welches zum ersten Male seine Federn aufsträubt, wohlgefällig die Aeuglein zudrückt und sein Probe-»Kikeriki« aus seinem Winkel in den Lesetag hinein-kräht, glaubt aus seinem Krähwinkel ein 6at lux in die Welt hineingedonncrt zu hoben. Diese fal' schen Licht-Kraher und Tag-Propheten vergessen jedoch, daß es nicht Tag wird, weil der Hahn kräht, sondern daß der Hahn kräht weil es Tag wird. Die wirklichen Hähne sind klug genug damit zufrieden zu seyn wie es allmählig Tag wird, wie es ,rst dämmert und in leisen Färbungen nach und nach heller wird, bis es voller Tag ist, die literarischen Tags-Hä'hne aber wollen, daß sogleich und auf ein Mal voller, greller Tag werde, wenn sie auch wissen, daß das unser Auge blenden, unsere Sehkraft lahmen würde, denn es ist ihnen ja nicht um unsern Tag und um unsere Augen, sondern blos um ihr Krähen zu thun. Die wirklichen Hähne lassen den Tag durch die sanfte Morgenröche herbeiführen und wenn Aurora da ist, schweigen sie befriedigt still, die falschen Tags.Hähne aber wollen ihn durch Donnerschläge und Erdbeben herbeigeführt sehen. Darum krähen sie auch während des Tagsan-bruches, während des werdenden Taacs nock fort. und . 426 — wenn «s heller Mittag ist, rücken sse ben goldnen Sonnenzeiger auf dem Zifferblatt der Zeit zurück um 62 capo ihr „es werde Tag!« in die Welt hinein-krähen zu können. Die wirklichen Hähne sind gesellige friedliche Kräher; ein Hahn will nicht ausschließlich allein krähen; kein Hahn sagt, er krähe besser als sein Mithahn; kein Hahn will allein den Tag herangekräht haben, sie krähen in friedlicher Eintracht, jeder kräht, was er fürs Haus braucht und keiner kümmert sich um das Krähen seines Nächsten; die literarischen Hähne aber will jeder allein, jeder will der beste Kräher seyn; jeder will einzig und allein daS papierne Jericho um-gekräht haben, und das kaum flügge gewordene Piephähnchen mit seinem Kinderkikeriki flattert frech dem altergrauen Hahn in die Augen und beutelt ihm den Kamm! Das sind die litcrarischcn Kampfhähne. Die heutigen Hahnenkämpfe im Tivoli waren ein plastisch: drastisches Ebenbild derselben. Zuerst saß jeder Hahn abgesondert im Koche, dumpfbrütend wie über ein Neoactionsgeheimniß! Zam-pa, Merkur, Ajax, Achill und andere große Namen. Ich habe mich um die Dressur dieser Kampfhähne erkundigt und habe erfahren, daß sie nichts zu essen bekamen als bissige Iournalartikel, das rechte Auge eines Rezensenten, das linke eines Pasquillanten und etwas Schaum von einem getadelten Schauspieler; das findet sich. Alle Tage wird ihnen zwei Mal Hoffnung auf eine und dieselbe Stelle gemacht und eine Henne muß alle Tag? mit beiden liebäugeln. Das ist die hohe Schule des Hahnenkampfes! Im Tivoli waren lauter Kämpfer, die schon ausgelernt hatten. Zuerst erschien Zampa und Merkur. Zwei statt« liche Hähne, sie sahen sich erst historisch grimmig an wie die Redactoren zweier Journale, dann warfen sie glühende Blicke auf das Publicum, als ob es lauter Abonnenten wären, dann fuhren sie aufeinander los und stießen sich an den sogenannt?« Kopf. Darauf spreizten sie die Flügel weit mächtig auf. gleichsam als ob sich alle Abonnenten der Menschheit unttr ihren Flügel begeben sollten. Dann sprangen sie neckisch gegen einander auf, gleichsam um zu zeigen, wcr mit seinen Abonnenten größere Sprung macht. Darauf pickten sie sich mit den Schnäbeln um zu beweisen, wer die pikantsten Artikel hat. Endlich ging einer ab und der andere blieb auf dem Platz: der welcher abging, sah gerade aus wie ein Ne'oacttur der keinen Abgang hat. Zum zweiten Ganq erschien Ajar und Hcktor! Beide hatten gestutzte Schwänz? und sahen aus wie Epigramme ohne Pointe. Sie kamen mir vor w!e die Satynker, die nicht beißen, sofern blos puhsifn, bic nicht stechen, sondern blos kratzen. Ae rührten g^ waltigen Staub auf, sprangen sich in die Augen, wühlten in der Arena herum und die Zuschauer lach' ten, wie gewöhnlich bei allen Hahnenkämpfen äl)nli-cher Gattung. Darauf erschien Achill und Menelaus! Z"" Heldenspieler die ein Rollensach spielen! Wie stürj* ten die gegen einander los! Zuerst warfen sie ß^ funkelnde Blicke zu wie dem Souffleur, wenn er nicht laut genug ist, dann fuhren sie auf sich zu, als ob jeder den andern für eine Coulisse hielte und ihn lti? sen wollte. Dann schlugen sie mit Flügel und Füs* sen in den Lüften herum, als ob sie einen Monolog declamirten, dann stießen sie sich gegenseitig den Ko^ in den Nacken wie Orestes und Ppladestes in einer tragischen Umarmung ! Zuletzt fiel einer gliederknackend hin, als ob er geselbstmordet worden wäre und dec andere stolzirte gespreitzt herum als hätt« ihn dit Gallcrie lden herausgerufen. Ich weiß nicht, wieviel" solche Hähne noch d<« Strauß bestanden oder auf dem Platze blieben; ich blieb nicht länger auf dem Platz, sondern zog einen anders Strauß, Strauß den Walzer - FulminanS/ ^i Dommayer vor, bei dessen Gabrielen- und Elisa'^ lhen-Walzer auch Menschen, die ohne Füße gcboren su^ große Tänzer werden müssen. Ich ließ mir von d«^ sem Anakrcon der Violine so lange vorspielen bis nus meiner Seele lauter beflügelte Tanzfüße herauswill melten und ich mußte davon eilen, sonst hätte ick d!< Säulen des Dommayerschen Saales un fass^ und mit ihnen wie toll herumwalzen muffen, uno d^ halte sich doch l.ichl geschickt, ich und eine Säule! ------------, ^>>,--------—, Htephan Oirarv. Der im Nov. 1831 als 80jährige! Greie v^ storbene Einwohner Philadelphias, Stephan Oi»^ ein gebornev Franzose, der sein ganzes großes, auf M»» als 15 Millionen Dollars sich belaufendes hinl«llasst>" Vermögen in seinem Testament größtentheils, nän"^ blos mit Ausnahme einiger Legate zu Gunsten °' Stadt Newyork, und einer Summe von 10,000 D° lars an mehrere in Philadelphia lebende Nissen "' Nichten der Stadt Philadelphia vermacht hali ^ Millionen sind unter Anderen zur Stiftung eütt' fcull-chen Schule ausgesetzt, und zwar unter der "^. drücklichen Bedingung, daß kein Geistlicher, vo« ^ cher Stete er auch sei, dabei angestellt werde. ^, Verstorbene war überhaupteinSonderling ci^iiel der ganz unbemittelt von Bordeaux nach A.'Nltck»' koaunc^ dlnch Industrie und Glück sich >ene6 ""ü" — 127 — re Vermögen erworben hatte, und bis an das Ende seiner Tage von einer ««ermüdeten Betriebsamkeit gewesen, aber sclbst in dem Besitze großer Neichlhinner von seiner früheren einfnchen Lebensweise nicht abgewichen war. Bis zum Jahr 1811 beschränkte sich Girard, nachdem ihm mehrere Spekulationen gelungen waren, auf Waarenhandel, als aber der Eongreß im gedachten Iah« die Erneuerung des Freibriefs der alten Bank der Vereinigen Staaten in Philadelphia verweigerte, errichtete Girard in dem Local desselben Instituts ein Banklerhaus mit einem Kapital von 1,20U,O0U Dollars, welches sich späterhin auf 5 Millionen Dollars hob. Seine Wechsel galten bald auf ^llen Handelsplätzen als eines der ersten und besten Papiere. Ne« bcn dem Handel und dem Vankiergeschäfte betrieb er auch mit gleich glücklichem Erfolg die Landwirthschaft. Bank, Grundstücke, Häuser, Schisse, Früchte, Gemüse, Blumen, alles verwandelte sich in GIrards Händen in Gold, und diente ihm zu steigender Vcrmögensan-häufung. Dabei war er ein ungemein rechtlich gesinnter Mann, der das allgemeine Wohl nie aus den Augen verlor. Die Stadt Philadelphia ist durch die pa-triolische Freigebigkeit dieses Mannes in eine so außerordentliche Lage versetzt worden, wie wohl keine Stadt der Welt. Es laßt sich kaum berechnen, zu welcher Stufe der Wohlfahrt Philadelphia durch gute Verwal-»ung und Verwendung eines so bedeutenden Kapitals, i»as ihr als Vermächtniß zugefallen, sich erheben wird. Die jährlichen Einkünfte dieses Kapitals sind mehr als hinr«ichend, um alle städtischen Ausgaben zu decken i iieß hat zur unmittelbaren Folg«, daß gar keine Ab-H«ben von den hiesigen Einwohnern mehr erhoben werben sollen, so daß Jeder Alles» was er erwirbt, ferner-hw zur Verbesserung seines Zustandes wird anwenden ' kvnnen. Es kann nicht fehlen, daß bei der Größe der Nüchternheit, Mäßigkeit und Sparsamkeit, die ohnehin bei der Mehrzahl der hiesigen Bürger herrscht und durch die in Philadelphia ansäßigen zahlreichen Quäker befördert wird, hier bald Alle unter solchen Umständen wohlhabend werden müssen. Der Mangel an öffentli, chen Lasten und Abgaben wird zugleich den hiesigen Fabriken und Manufacturen, so wie überhaupt dem Gewerbfleiße, zum großen Vortheil gereichen. Die Stadt wird — das läßt sich mit Wahrscheinlichkeit vcr, aussehen — an Bevölkerung und Größe noch viel schnelle fortschreiten als bisher — schon jetzt zählt man sie über Zu.ooo Häuser und an 180,000 Einwohner — und bald eine der reichsten und schönsten Städte des Erdkreises werden. Wc-nn man nach 20 Jahren hie-hcr kommt, wird man über die Wirkungen erstaunen, welche dcr patriotische Sinn eines einzigen Bürgers, dessen Name in dankbarem Andenken stets fortleben wird, in Philadelphia hervorgebracht hat. Giniges über ven sogenannten Riesenweii« zcn oVer ven Mtntjen van St. Delena. Hr. Glottreau von Villeneuve St. George bebaute im Herbste 13Z2, 2l»0 Quadralfuß Landes zum Versuche mit Weitzen von St. Helena, dcr auch unter dem Namen des Niesenweitzcns bekannt ist, und erntete davon im Sommer 1833, 14 Liter Samen. Dcr Morgen Landes würde also hiernach, mit Niesenweihen: bebaut, beinahe 48 Hektoliter oder 42 Sester Wcitzen gegeben haben, während man bei dem Baue von gewöhnlichem Weitzen von eincr gleichen Fläche Landes nur 5 — 6 Sester oder um die Hälfte weniger geerntet haben würde. Hr. Glottreau säete die Kor, ner des Niesenweitzens 6 Zoll weit von einander; die wenigen Stöcke, die im Winter ausblieben, pflanzte er im Frühjahre nach. Diese letzteren gediehen zwar auch gut, gaben aber meistens nur eine oder höchstens drei Aehren, während die im Herbste gebauten Stöcke meistens 6 bis 7 und sogar bis an 17 Aehren erhicl« ten. Die Aehren waren sehr schön und sehr schwer, und enthielten meistens 75 bis 80 Körner, die größten sogar 120. Ein Stock mit 17 Achren gab allein 1350 Körner; im Durchschnitte gab bei diesem Versuche ein: Korn deren 500! Es wäre daher gewiß sehr zu wün, schen, daß man den Riesenweitzcn bald allgemeiner b2w> te, und daß man sich überhaupt bemühte, nicht nnm«r dieselben Getreidesorlen auf demselben Boden zu bau« en, sondern mildem Samen so viel als möglich zu wechseln. Wenn die reichen und üppigen Gelrcidesor-ten, zu denen z. V. der Niescnweihcn gehört, bei uns auck nach und nach ausarten sollten, so würde manc ja doch wenigstens einige Jahre lang bei dem Baue derselben größere Ernten machen und den Boden gewiß weniger verderben, als man ihn dadurch verdirbt, daß man beinahe Jahrhunderte lang immer gleiches Saatkorn auf denselben Boden bringt. — Man hat die Frage aufgeworfen,, ob der Niesenweitzen eben so viel Kleber enthalte < als unser europäischer Weihen; diese Frage wurde von dem berühmten Bäcker Roland zu P>ir!s dahin entschieden, daß er sowohl in dieser als in jeder andern Hinsicht dem besten französischen Weitzen gleichkommt. AonVerdare Hitte bei ven Mgrlxkcli. Die Sitten der Völker sind oft fthr sonderb.-.r, und doch hat diese Sonderbarkeit einen Grund, der oft nicht mehr zu ermitteln ist. Verläßt cine Braut bei den Morlakcn das Haus ihrer, Aeltern, so stellen sie diese dem Bräutigam in dem nachtheiligsten Lichte dar. „Du thust Unrecht,« sagen sie, «einen so häßlichen Ge. - l23 — Anstand zu nehmen, aber wenn du dich nun einmal mit demselben belasten willst, so höre, daß sie nichts taugt, daß sie eigensinnig, grillenhaft und hartnäckig l'ft lc." Die Antwo-rt, welche der Bräutigam gibt, ist in der That nicht erbaulich. »Wohlan!« versetzte er, „wenn du so beschaffen bist,.wie dich deine Aeltern schildern, so will ich dich schon zur Vernunft bringen; ich will dich daher im Voraus die Stärke, meines Armes empfinden lassen." Bei diesen Worten nimmt er eine Stellung an, als schlüge er sie, und begnügt sich nicht'" tmmer mit dieserdrohenden Geberde. .Diese rohe Sitte gilt bei einigen slavischen Völkern, wie bei den Russen lc., als ein Beweis von Liebe; ihre Weiber seben es lieber, geprMtt. als vernachläßigt zu werden. Sie sind nicht vergeßlich darüber, von ihren Männern oder Liebhabern Prügel zu erhalten; die Schläge suld also bei ihnen Liebeszeich'en. Kistoristhe Miscelle. Etwa 70 Jahre vor Christi Geburt erfreute sich unser deutsches. Vaterland nach den Zeugnissen der Nomer , besonders des großen Historikers Cajus Cornelius Tacitus, welcher uns von dem Lande und den Sitten der Germanen authentische Nachrichten liefert, keines einzigen Obstbaumes; nur der Kirschbaum, den dsr siegreiche Feldherr Lucullus aus Pontus in Asien «ach Europa brachte, war des nützlichen Strebens seines Volkes betrifft, da5 ers^ Land auf der Crde nennen kann. A n e c o o t e. Ein Tabackefabrikant in Danzig, der durch ^ fentliche Blätter dcm Pudlicum oft seine Waare >u'^ pries, hatte unter andern auch eine Sorte Tada" empfohlen nn'l der Ucberschrift: »Der lobt sich selbst»" Von diesem Taback kaufte Jemand ein Päckchen, keb^ te aber bald darauf ergrimmt in den Laden zurü"< warf das Packet auf dcn Tisch und sprach, zornig auf die Aufschrift zeigend: »Vs ist doch unverantwortlich solchem übelriechenden Zeuge ein so oroßcs Lob bc'j^ legen!«— »»Herr!«« enlgegnete kaltblütig der Fabl^ kant, „»verstehen Sie nicht Deutsch? Wie kon"^ Sie von diesem Taback einen guten Geruch verlangt ' Cr lobt sich selbst! — das alte Sprichwort sagt ab^ wie alle Welt weis: Eigen Lob---------,«« Hevacteur: F^r. kav. Keinrich. Verleger: M«aj Al. Edler v. Rleinnia«.'^