MUZIKOLOSKI ZBORNIK » MUSICOLOGICAL ANNUAL XL UDK 78:271.3"l6/18" Ladislav Kaèic Kabinet für Slawistik der Slowakischen Akademie der Wissenschaften, Bratislava Kabinet za slavistiko Slovaške akademije znanosti, Bratislava Mitteleuropäische Kontexte der Franziskaner-Musikkultur im 17.-19. Jahrhundert Srednjeevropski okviri franèiškanske glasbene kulture v obdobju 17.-19. stoletja Zusammenfassung Povzetek Der Beitrag befaßt sich mit der Musik und Musikkultur in einigen Franziskanerprovinzen Mitteleuropas {Provincia S. Bernardini, Provincia S. Mariae in Hungaria, Provincia SS. Salvatoris, Provincia S. Wenceslai, Provincia S. Leopoldi, Provincia S. Ladislai, Provincia S.Joannis a Capistrano, Custodia S. Stephani, Provincia S. Antonii). Zuerst wird ein historischer Hintergrund dieser Provinzen im 17.-19. Jahrhundert skizziert. Im folgenden wird die Problematik der musikalischen Identität der Franziskaner in drei Problembereiche näher beschrieben: 1. Migration der Musiker (die war besonders im 17. Jahrhundert wichtig, als noch z. B. Kustodie des hl. Ladislaus zur Marianischen Provinz gehörte). 2. Das gemeinsame Repertoire war im 17. Jahrhundert von großer Wichtigkeit, es war spezifisch »mitteleuropäisch« (d. h. unterschiedlich z. B. von Italien u. ä.), im 18. Jahrhundert hat sich das Repertoire mehr und mehr zur Selbständigkeit entwickelt. Gemeinsam war für die Franziskanerprovinzen Mitteleuropas auch die Aufführungspraxis der Figuralmusik (kleine, »bescheidene« Besetzung, z. B. 1-stimmiger Chor mit Orgelbegleitung und 2 Trompeten). 3. Franziskanermusik und »lingua vernacula« - ist auch ein bedeutender Beitrag zum Thema Identität, denn Franziskaner in Mitteleuropa haben vom 17. Jarhundert die sog. Volkssprachen gefördert. Es hat sich nicht nur in einer intensiven Entwicklung des Kirchenliedes geäußert, son- Prispevek govori o glasbi in glasbeni kulturi v nekaterih franèiškanskih provincah Srednje Evrope {Provincia S. Bernardini, Provincia S. Mariae in Hun-garia, Provincia SS. Salvatoris, Provincia S. Wenceslai, Provincia S. Leopoldi, Provincia S. Ladislai, Provincia S.Joannis a Capistrano, Custodia S. Stephani, Provincia S. Antonii). Najprej bo skicirano zgodovinsko ozadje omenjenih provinc v obdobju od 17. do 19. stoletja. V nadaljevanju bo v treh toèkah podrobneje opisana problematika glasbene identitete franèiškanov: 1. Migracija glasbenikov je bila posebno pomembna v 17. stoletju, ko je npr. kustodija svetega Ladislava še pripadala marijanski provinci. 2. Skupni repertoar je bil v 17. stoletju velikega pomena. Bil je znaèilno »srednjeevropski« (to pomeni razlièen npr. od italijanskega ipd.). V 18. stoletju je postajal vedno bolj samostojen. Franèiškanskim provincam Srednje Evrope je bila skupna tudi izvajalska praksa figuralne glasbe (majhna, »skromna« zasedba, npr. enoglasni zbor s spremljavo orgel in dveh trobent). 3. Franèiškanska glasba in »lingua vernacula« - je prav tako pomemben prispevek k vprašanju identitete, saj so franèiškani v Srednji Evropi od 17. stoletja naprej pospeševali t.i. ljudske jezike. To se ni kazalo samo v intenzivnem razvoju cerkvene pesmi, temveè tudi v daljših kompozicijah (npr. arijah) na slovaška, nemška, madžarska idr. besedila. 113 MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICOLOGICAL ANNUAL XL dem auch in längeren Kompositionen (z. B. Arien) mit slowakischen, deutschen, ungarischen u. a. Texten. Für die richtige Wahrnehmung der Franziskaner-Musikkultur in Mitteleuropa ist es notwendig zuerst die Entwicklungsgeschichte, Peripetien und die historischen Zusammenhänge der mitteleuropäischen Franziskanerprovinzen zu erörtern. Obwohl Franziskaner im mitteleuropäischen Raum schon im 13- Jahrhundert zu Lebzeiten von hl. Franz von Assisi präsent waren1, konzentrieren wir uns auf ihre spätere Geschichte im Zeitraum vom 17. bis 19. Jahrhundert, als die Franziskaner nach dem stufenweisen Verdrängen der Türken aus dem mitteleuropäischen Raum einen mächtigen Aufschwung bis zu den Josephinischen Reformen erlebt haben. Im Zusammenhang mit einem der größten Meilensteine in der franziskanischen Geschichte, der Teilung des Franziskanerordens 1517 auf zwei selbständige Orden -Minoriten (Konventualen) und Franziskaner (Observanten) - hat das Generalkapitel in Burgos (1523) u. a. beschlossen, zwei selbständige Franziskanerprovinzen der Observanten im Königreich Ungarn zu gründen: Provincia S. Mariae in Hungaria und Provincia SS. Salvatoris. Diese zwei Provinzen wurden später, im 17. Jahrhundert, die Gründer anderer mitteleuropäischer Provinzen: im Rahmen der Marianischen Provinz entstand 1655 Custodia Slavoniae, die dank dem Fleiße von P. Paulus Janèiè de Tauris OFM, einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der Franziskaner in Mitteleuropa,2 l66l zur selbständigen Provincia S. Ladislai ernannt wurde. Aus der Salvatorianischen Provinz hat sich 1640 wiederum in Transylvanien Custodia S. Stephani getrennt,3 die aber erst 1729 zur Provinz erhoben wurde. (Ihre Interessen in dieser Kustodie, bzw. Provinz haben auch die Franziskaner aus Bosnien gewahrt.) Im 18. Jahrhundert entstanden im südslawischen Raum aus den ursprünglichen, streng observanten Provincia Bosnae Argentinae noch zwei neue Provinzen - 1757 Provincia S. Joannis a Capistrano und schon 1735 in Dalmatien Provincia SS. Redemptoris. Alle mitteleuropäischen Franziskanerprovinzen haben vor allem im 18. Jahrhundert eine intensive Entwicklung erlebt, wovon z. B. die Zahl der Klöster und Mitglieder Zeugnis ablegt:4 1 Die ersten Franziskaner hat schon das Generalkapitel 1217 nach Mitteleuropa gesandt. Nachrichten über die organisatorische Struktur sind jedoch erst etwa zehn Jahre später vorhanden - Custodia Strigoniensis, 1228. 2 P. Seraphinus Farkas OFM: Scriptores Ord. Min. S. P. Francisci Provinciae Hungariae Reformatae nunc S, Mariae. Posonii 1879, S. 22. 3 P. Odoricus Baläzsovits OFM: Brevis historia conventuum Ordinis S. Franicsci Seraphici Reformatae Provinciae S. Mariae Hungariae. Posonii 1869, S. 19. Auch Fekete könyv. Az Erdelyi ferences kusztödia törtenete, Käjoni Jänos kezirata, 1684, hrsg. von Kornel Szoväk. Szeged 1991. 4 P. Heribert Holzapfel OFM: Handbuch der Geschichte des Franziskanerordens. Freiburg im Breisgau 1909, S. 415-417. 114 MUZIKOLOŠKI ZBORNIK » MUSICOLOGICAL ANNUAL XL Tabelle Nr. 1 Provincia ca. 1680 1700 1762 5. Mariae in Hungaria 18/361 24/350 28/856 Sanctissimi Salvatoris 18/325 23/352 32/931 Sancti Ladislai Regis 9/145 17/166 17/[?] S. Bernardini (Wiener Prov.) 22/484 24/580 27/871 S. Leopoldi (Tiroler Provinz) 13/253? 17/333 18/489 S. Antonii (Bayerische P.) 20/520 27/582 37/1016! S. Wenceslai (Bohemische P.) 22/493 29/681 22/413 Carniolae 16/293 18/444 S. Stephani (Transylvania) bis 1729 Custodia 3/42 4/53 13/301 Bosnae Argentinae 18/426 23/420 23/[?] Bosnae Croatiae (bis 1688) 5/180 S. Ioannis Capistrani - - ? ! SS. Redemptoris in Dalmatia Alle diese Provinzen kann man natürlich aus dem Aspekt der Nationalität nicht als homogehe Einheiten betrachten. Es war eher umgekehrt, z. B. in der Marianischen Provinz wurden 1727-1735 in den Nationalitätenstreit der Deutschen und Ungarn als dritte große Gruppe auch Slowaken und Kroaten (zusammen) als eine »Natio slavica« einbezogen.5 Während der Josephinischen Reformen wurde die Zahl der Klöster und der Franziskaner stark reduziert, z. B. Marianische Provinz hatte an der Wende des 18. Jahrhunderts nur 20 Klöster und 368 Franziskaner;6 noch schlimmer war es in Österreich. Von der Wiener Provinz des hl. Bernardin sind in den ersten Jahrzehnten des 19- Jahrhunderts nur 4 Klöster geblieben (Wien, St. Polten, Maria Enzersdorf, Maria Lanzendorf), die 1825 der Kapistranischen Provinz zugeteilt wurden.7 Das »nachaufklärerische«, säkularisierte 19. Jahrhundert bedeutete eindeutig den Verfall des Franziskanertums in Mitteleuropa und damit auch den Verfall der Musik dieses Ordens. Wenn wir also die musikalische Identität Mitteleuropas am Beispiel der Franziskaner näher beobachten wollen, ist es notwendig die Situation, wie sie in diesen kurzen allgemeingeschichtlichen Darstellung skizziert ist, im Auge zu behalten. 1. Migration der Franziskaner-Musiker. Weil in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts mitteleuropäische Franziskaner-Mutterprovinzen noch größer als später waren 5 Vgl. näher Ladislav Kaèic: P. Marcus Repkoviè OFM a närodnostny spor františkanov mariänskejprovincie v rokoch 1727-1735. In: Slavica Slovaca, Bratislava 1997, Jg. 32, Nr. 2, S. 59-71. Einen ähnlichen Streit gab es schon im 17. Jahrhundert in der Salvatorianischen Provinz zwischen den ungarischen und slowakischen Mitbrüdern. Vgl. dazu P. Laetus Danišoviè OFM: Dejiny minoritov I. — Osvietenskä historiografia Rädu františkanskeho v našich krajinäch. Bratislava 1934, S. 93-99. 6 P. Arnold Magyar OFM: 340 Jahre Franziskaner in Güssing (1638-1978). Güssing 1980, S. 24. 7 Ebenda, S. 27. 115 MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICQLOGICAL ANNUAL XL und ihre Klöster sich auf einem relativ großem Territorium befanden (2. B. Marianische Provinz - die heutige Slowakei, Ungarn, Burgenland, Slowenien), umfasste die Migration der Musiker - Organisten, Regenschori - damals ein viel breiteres Territorium als später. So z. B. haben dieselben Musiker (Organisten, Directores chori) der Marianischen Provinz sowohl in Bratislava/Preßburg oder Trnava/Tyrnau, als auch in Zagreb, Varaždin, Križevici, Krapina und Ormož gewirkt: P. Casimirus Vogler (er war auch Komponist) in Varaždin (1647), Križevici (1648-49) und Zagreb (1650-55), P. Emericus Isaac in Križevici (1646), Ormož (1647), Varaždin (1649, 1652-55) und Krapina (1650), P. Athanasius NAßER in Varaždin (1646, 1650-51), Križevici (1647), Ormož (1649 und Zagreb (1652). Die Migration der Franziskanermusiker zwischen den Provinzen war aber eher eine Ausnahme. So z. B. ist einer der bedeutendsten Franziskaner Komponisten des 17. Jahrhunderts in Mitteleuropa, der aus Mähren stammende P. Franciscus Vogler (um 1623-1688) im Jahre 1668 aus der Marianischen Provinz in die Salvatorianische übergetreten.8 Ein anderes Beispiel stellte im 18. Jarhundert P. Dismas Grapmayr (1721-1808), ebenfalls ein guter Komponist, dar. Er war ursprünglich Mitglied der Österreichischen Provinz des hl. Bernardin und trat 1761 (als »in mente turbatus«) aufgrund einer Intervention des Ordensgeneralministers zur Marianischen Provinz über.9 Diese Tatsachen, d. h. die Migration der Musiker zwischen den Provinzen, hatten konkrete Folgen in der Musik, vor allem im Repertoire. 2. Das gemeinsame Repertoire. Obwohl die Franziskanerprovinzen in Mitteleuropa relativ geschloßene organisatorische Einheiten bildeten, ähnlich auch im augeführten Musikrepertoire,10 war im 17. Jahrhundert dieses Repertoire noch zum Großteil gemeinsam, wie es am Beispiel der Messe folgende Tabelle (S. 118) zeigt: * Diese Messe ist zum Teil gregorianisch, sie ist nicht eindeutig einzuordnen (s. Pal Richter: Organo-Missale - Musical Relationships of a Franciscan Manuscript in the 17 th Century, in: Musik der Geistlichen Orden in Mitteleuropa zwischen Tridentinum und Josephinismus. hrsg. von Ladislav Kade, Bratislava 1997, S. 140). Auf den ersten Blick kann man hier einige deutlichen Merkmale erkennen. Es fällt ins Auge vor allem die große Zahl gemeinsamer Messen in zwei benachbarten Provinzen auf, z. B. in der Wiener Provinz des hl. Bernardin und der Marianischen Provinz, ebenso in bezug auf die Böhmische Provinz des hl. Wenceslaus (inklusive Messen der »nicht«-franziskanischen Komponisten!)11 usw. Aber einige Messen, wie z. B. jene von P. Eusebius Schreiner (ME 1/186) und andere als »Viennensis« (bzw. 5 Näheres über ihm s. P. Vševlad Gajoš OFM: Dva hudobne zborniky zo 17. storoèia. In: Musicologica slovaca 1/2, Bratislava 1969, S. 301, sowie Ladislav Kaèic: Missa franciscana der Marianischen Provinz im 17. und 18. Jahrhundert. In: Studia Musicologica Academiae Scientiarum Hungaricae 33, Budapest 1991, S. 29. 9 Seine fast »romanhafte« (kurz zusammengefaßte) Lebensgeschichte siehe ebenda, S. 27-28. L0 Ausführilicher zu dieser Problematik s. Ladislav Kaèic: Repertorie und Aufführungspraxis der Kirchenmusik in den Franziskanerprovinzen Mitteleuropas im 17.-18. Jahrhundert. In: Musicologica Istropolitana I, Universitas Comenia-na Facultas Philosophica Bratislava, hrsg. von Marta Hulkovä und =ubomir Chalupka, Bratislava 2002, S. 53-102. 1 Im untersten Teil der Tabelle - P. Bernardus Artophaeus OFMConv, Alexander Hrdy, P. Adalbertus Pelikan SP. Diese Messen wurden Bestandteil der Repertoires der Wiener Provinz des hl. Bernardin. 116 MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICQLOGICAL ANNUAL XL »Viennense«) bezeichnete Werke, waren für alle mitteleuropäischen Provinzen gemeinsam. Diese oft vorkommende Werke, zu denen ME 1/183, 1/185, 1/187, 1/189, 1/190, aber z. B. auch Requiem von P. Quirinus Himmer, ME 1/101 und eine Messe von P. Eduard Panholzer aus Tirol (ME 1/123) gehören, beweisen, daß die Wiener Franziskanerprovinz in Mitteleuropa eine zentrale Rolle spielte. Aus dieser Provinz sind auch die ersten im spezifisch Franziskanischen Stil komponierte Figuralmessen für einstimmigen Mönchschor mit Orgelbegleitung und nur mit zwei Trompeten aus der Zeit um die Wende des 17. Jahrhunderts in die Nachbarprovinzen gelangt (ME 1/140, ME 1/128 u. a.). Dieses kurz beschriebene gemeinsame Repertoire war also spezifisch für die Franziskaner in Mitteleuropa und unterscheidet sich grundsätzlich von anderen Regionen Europas (z. B. Italien). Spezifisch »mitteleuropäisch« war auch die Aufführungspraxis der Franziskanischen Figuralmusik: im Grunde geht es um den 1-stimmigen (im 18. Jahrhundert höchstens 2-stimmigen C+B) Chor mit Orgelbegleitung, dazu zuerst 2 Trompeten (oder Hörner), und letztendlich auch Streichinstrumente (das sog. Kirchentrio). Diese Praxis ist in allen mitteleuropäischen Provinzen quellenmäßig belegt, obwohl Stimmhefte für Instrumente nur aus der Wiener Provinz des hl Bernardin, sowie aus der Marianischen und Bayerischen Provinzen überliefert sind.12 Auch die spätere Praxis der einfachen 2-, (höchstens 3-) stimmigen Vokalbesetzung mit Orgelbegleitung war für alle Franziskanerprovinzen Mitteleuropas gemeinsam.13 Im 18. Jahrhundert hat sich das Musikrepertoire in den mitteleuropäischen Franziskanerprovinzen nach und nach verselbständigt. Nach heutigen Erkentnissen pflegte jede Provinz mehr und mehr nur ihre »eigene« Musik, d. h. das Schaffen der eigenen Provinzkomponisten gewann das Übergewicht. Im 18. Jahrhundert gibt es ein stark reduziertes gemeinsames Repertoire fast ausschließlich nur in je zwei Provinzen, nur sehr wenige Werke haben allgemeine Verbreitung gefunden. Zu ihnen gehören vor allem fast hundertprozentig anonym überlieferte Messen des weltlichen Organisten des Wiener Franziskanerklosters Ferdinand Steiner (t 1750):14 eine seiner C-dur-Mes-sen wurde Bestandteil des Repertoires in der Provinz des hl. Bernardin, in der Marianischen, Böhmischen, Tiroler Provinzen, sowie in der Kapistraner Provinz, u. zw. im vom P. Josephus Maria Cordans OFM zusammengestellten und vom Provinzial, sowie Generaldeffinitor P. Josephus Jankoviè OFM 1750 streng angeordnetem Meßrepertoire15 (als Missa S. Diäaci). Zu diesem Repertoire gehörte auch eine ebenfalls nur anonym überlieferte C-dur-Messe des in Tirol wirkenden weltlichen Komponisten Giovanni Abondio Grotti, die nicht nur zum Stammrepertoire in Tiroler Provinz des hl. Leopold, sondern auch zum Repertoire der Wiener Provinz (ME 1/167), sowie der Marianischen und Kapistranischen (Missa S. Clarae) Provinzen gehörte. Die Verfasser der weiteren zweier Messen des gemeinsamen mitteleuropäischen Franziska- Mehr darüber s. Ladislav Kaèic: Repertorie und Aufführungspraxis, a. a. O., S. 85-98. Ebenda, vgl. auch Vjera Kataliniè: Katalog muzikalija u franjevaèkom samostanu u Omišu, Zagreb 1991. Näheres über ihm s. Ladislav Kaèic: Missa franciscana, a. a. O., S. 27. Vgl. Ladislav Kaèic: Repertoire und Aufführungspraxis, a. a. O., S. 68, sowie Vjera Kataliniè: Vonfesuiten zu Franziskanern - Kroatische geistliche Musikkultur im 18'. fahrhundert. In: Musik der geistlichen Orden in Mitteleuropa zwischen Tridentinum und Josephinismus, hrsg. von Ladislav Kaèic, Bratislava 1997, S. 101. 117 X ick-, der stiert < albd chen e exi P X rti" L L nd in < essen si muß, d < Trenni chenlie <1 S werden ideutige oder Kii GIC dbare COLO en auffin bemerkt keine »eii anti firmi h-H G Ö «a u CO p rovi obei hi choral mische s Oh G (U P- CA) G @ mehre chnet, ler Mis grego w T3 •w V-i (U co Anmer •^ T3 5 0 1-1 ssen und uch 0 o4 g ZIK lie Nr. igural almes betriff P abe ieF igur )ies Provincia S.Leopoldi Provincia Bohemiae S.Wenceslai (1698) Provincia S.Bernardini (1697) (1677) M. Enzersdorf Graz Prov.S.Mariae in Hungaria (1671) [ca 1655] (ca 1730) Custodia Sancti Stepha St. Antonu S.Antonu Paduani ME 1/183 G S.Antonii (Ch/1) -(!) Trombetalis ME 1/185 G Tubicinalis (Ch/2) - Viennensis Austriaca Viennensis Incerti Authoris ME 1/187 G Romanum (Ch/3) Missa XXIII. Roman - F.Vogleri (Ch/4) Missa II. Tirnaviensis Emautina (P.Ph.Pohl) - Brunensis (Ch/5) Missa 8.Brunensis . Pruszkensis (Ch/6) - P. Eusebii [Schreiner] Viennensis S.Bonaveturae ME 1/186 G Viennensis antiqua Missa IV. Viennensis - Pulchra (P.C.Vogleri) Missa Tertia Mediolan Ordinis Antiqua (!) (gregorianisch)* - Angelica Missa V.Angelica - Polonica (Lachica) Missa ö.Olomucensis - super Gaude Dei Genitrix Missa 7.super Gaude D - super Tota pulchra Missa 9.Kismartoniens - super Infmitae bonitatis Missa X. super Infmita Bethlehemitica [P.M.Hartmann OFM1 - - Missa XII. super Coelo - de B:V:M: Missa XIILCracouien: Papalis Adventualis /Papalis Incerti Authoris - Papalis (Rep17) Missa XXIX. Papalis Prima sub Triplo ME 1/190 G Graecensis - 1 Bavarica ME 1/189 G super Tonum Viennensem _ Pauli de Tauris ME I/l 88 G - 1 Natalitia Solemnis ME I/l 14 G - - Requiem Viennense MEI/101 G P.Q.Himmer Requiem (Rep^j) - G S.Didaci (Repi) - V.P.Eduardi [Panholzer] ME 1/123 G Petri de Alcantara (Rep5) - 1 Viennensis ME 1/140 G S.Bernardini (R-eP2) - ME 1/125 G S.Bonaventurae (ReP3) - ME 1/131 G S.Marcelli (Rep2o) - 1 S.Didaci (G.Didl) ME 1/128 G S.Leonis Papae (Rep $2) - P. Bernardus Artophaeus OFMConv ME 1/137 G - - Bernardi P.B.Artophaeus ME 1/126 . . P.B. Artophaeus ME 1/141 - - A.Hrdy ME 1/138 G - - P.Adalbertus SP ME 1/129 G - _ P.VJüttner OFM ME 1/129 G - - S.Bernardini vulgo Valedicentium G - S. Capistrani ME 1/117 G (S.Dominici)** . B.V. Mariae ME 1/119 G (S.Bernardini)** - ME 1/122 G (S.Paschalis)** - i- G S.P.N.Francisci - MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICOLOGICAL ANNUAL XL nerepertoires des 18. Jahrhunderts - ME 1/134 und ME 1/172 - ist es nicht gelungen zu identifizieren (sie bleiben vorläufig nur als »Austriaca«, d. h. halbanonym bekannt). Viele solche Kompositionen, die man als »halbanonym« bezeichnen darf, gehörten zum Stammrepertoire von mehr als zwei mitteleuropäischen Franziskanerprovinzen, sie trugen oft auch im 18. Jahrhundert noch »topographische« Bezeichnungen: Missa Viennenesis, Totapulchra Olomoucense, Lytaniae Bavaricae, Missa Bohemica, Sacrum Slavonicum, Lytaniae Carniolicae, Missa Croatica usw. Solche Titel beweisen, daß das Repertoire auch im 18. Jarhundert noch migrierte, wenn man auch den konkreten Autor nicht genau wußte (er war für die Franziskaner keinesfalls bedeutend, bzw. interessant)16. Zwischen anonymen Werken, die im 18. Jahrhundert in mehreren Franziskanischen Provinzen Mitteleuropas gespielt wurden, kann man nicht nur Ordenskomponisten, wie z. B. P. Engelbertus Katzer (1719-1779) oder P. Adrianus Damian (1708-1750) aus der Wiener Provinz, oder P. Pantaleon Roskovsky (1734-1789) und P. Gaudentius Dettelbach (1739-1818) aus der Marianischen Provinz u. v. a. identifizieren, sondern manchmal auch allgemein bekannte und augeführte Komponisten, wie den Herzogenburger Augustinerchorherren Johann Georg Donberger oder den weltlichen Priester aus Bozen Candidus Faitelli.17 3. Franziskanermusik und dingua vernacula«. Franziskaner gehörten immer zu den größten Förderern der Volkssprachen, es genügt an dieser Stelle nur den Gründer des Ordens und seine »Laudes creaturarum« (»Canticum de sol«), oder den großen Dante Alighieri, einen Franziskaner-Tertiaren, zu nennen. Es ist bekannt, daß Franziskaner vom Anfang an große Bedeutung den Volkssprachen in Seelsorge beigemessen haben. In mitteleuropäischen Provinzen hatten z. B. einzelne Klöster im 17.-19. Jahrhundert spezielle Prediger (slowakische, deutsche, ungarische, kroatische usw.) für alle Sprachen der Bevölkerung in der Umgebung des gegebenen Klosters. Mehrere namhafte slowakische Musiker und Komponisten aus dem Franziskanerorden waren zugleich bedeutende Prediger, z. B. P. Paulinus Bajan, P. Nobertus Foit, P. Marcus Repkoviè, P. Georgius Zrunek u. a. Etwas Ähnliches wie für die Redekunst gilt auch für die Franziskanermusik. Seit dem 17. Jahrhundert hat vor allem das Kirchenlied bei den Franziskanern Mitteleuropas eine große Entwicklung erfahren.18 Es sind an dieser Stelle z. B. viele franziskanische slowakische Gesangbücher aus der Marianischen und Salvatorianischen Provinzen zu nennen: schon seit den 1660er Jahren des 17. Jh. hat P. Edmund BeHoviè die sog. Handschriftliche Gestalt des Cantus Catholict9 bei seiner Missionstätigkeit in der damals zum Großteil protestantischen Städten und Ortschaften der heutigen Südwest-Slowakei verwendet. Später im 18. Zum Problem der Anonymität des »Opus franciscanum« s. Ladislav Kaèic: Opus franciscanum v zapise a zvukovej podobe. In: Slovenska hudba, 18. Jg., 1992, Nr. 1, S. 136-145. Ladislav Kaèic: Repertoire und Aufführungspraxis, a. a. O., S. 71 u. 85. Über das deutsche und ungarische Kirchenlied s. näher Pal Richter: Die Verwerdung der Kirchenlieder in der Franziskaner Quellen (17.-18. fahrhundert). In: Gegenreformation und Barock in Mitteleuropa / in der Slowakei, hrsg. von Ladislav Kaèic, Bratislava 2000, S. 207-226. Näheres über diese wichtige Quelle s. Peter Rušèin: Duchovne piesne notovanych slovenskych katolickych spevnikov 17. storoèia (PhD.), Bratislava 1999, sowie Peter Rušèin: Najstarši rukopisny slovensky katolicky spevnik. In: Slavica Slovaca, Bratislava 1999, Jg. 34, Nr. 2, S. 106-123. 119 MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICOLOGICAL ANNUAL XL Jahrhundert hat allein P. Paulinus Bajan (1721-1792) fünf Gesangbücher mit vornem-lich slowakischen und teilweise auch leteinischen Texten geschrieben: Jubilus Cordis /7/(1749), Beckovsky slovensky spevnih (1738), Promptuarium Hebdomadae Sanc-tae (1758), Promptuarium chorale (1780) und Skalicky slovensky spevnik (1783).20 Ähnlich lässt sich es bei anderen seinen Mitbrüdern konstatieren.21 Diese Gesangbücher beinhalten nicht nur Kirchenlieder, sondern oft auch Arien in slowakischer Sprache, oder auch lateinische und lateinisch-slowakische Kompositionen (mit sog. ma-karonischem Text). Zu den originellsten Schöpfungen vielleicht nicht nur der Franziskanermusik in Mitteleuropa gehören zwei lateinisch-slowakische, früher irrtümlich P. Edmund Pascha OFM zugeschriebene Weihnachtsmessen von P. Georgius Zrunek (1736-1789) aus seiner Harmonia pastoralis (1766), die auch in lateinisch-ungarischen Versionen (aus dem Jahr 1767) existierten.22 In diesem Zusammenhang ist auch die Anordnung des Deffinitoriums der Salvatorianischen Provinz aus dem Jahre 1791 interessant: »ut cantus lingua vernacula in tota Alma Provincia uniformiter cante-tur«.25 Nicht nur in den Wiener und Tiroler Provinzen sind viele deutsche Kirchenlieder,24 als auch Arien usw. in deutscher Sprache vorzufinden, sondern in der national stark gemischten Marianischen Provinz sind solche Werke in slowakischer, deutscher und ungarischer Sprache übeliefert (neben Kirchenliedern noch Strophen- und Da-Capo-Arien). Von der Sprache her sind ebenfalls Gesangbücher des 19. Jahrhunderts aus dieser Provinz bezeichnend: Kirchenlieder (1847) und vor allem Nabožne ka-tolicke pesnicky (1848) des Fr. Coecilianus Plihal beinhalten sowohl slowakische (50%), als auch deutsche (20%) und ungarische (30%) Kirchenlieder.25 Fr. C. Plihal wirkte nämlich in der »dreisprachigen« Stadt Preßburg. Er ist aber nur ein typischer stellvertretender Beispiel für viele seine Vorgänger und Zeitgenossen im Franziskanerorden in allen Provinzen Mitteleuropas. Vgl näher P. Vševlad Gajdoš OFM: Hudobne zborniky Pavlina Bajana. In: Musicologica slovaca III, Bratislava 1971, S. 181-225, sowie Ladislav Kaèic: P. Paulin Bajan - frantiskänsky hudobnih a kazate>. In: P. Paulin Bajan OFM (1721-1792) a slovenska hudba, literatura, jazyl 18. storoèia, hrsg. von Ladislav Kaèic, Bratislava 1992, S. 51-64. 21 Von P. Marcus Repkoviè sind 2 umfangreiche lateinisch-slowakische Gesangbücher überliefert, von P. Macarius Hargaš ebenfalls 2, von P. Georgius Zrunek (zusammen mit P. Edmund Pascha) 1 usw. 22 P. Georgius Zrunek OFM: Missa Ipro Pestis Natalitiis (ex Harmonia pastoralis), hrsg. von Ladislav Kaèic, Bratislava 1993. 23 Ernest Zavarsky: Prispevok k dejinäm hudby v Kremnici v rokoch 1651-1800. In: Hudobny archiv 3, Martin, S. 340. 2 Vgl. Pal Richter: Die Verwendung der Kirchenlieder, a. a. O., passim. 25 Ladislav Kaèic: hudba frantiskänov na Slovensku v 19. storoèi. In: Duchovnä hudba v 19. storoèi (Bibliotheca Musicae Neosoliensis, Bd. 2), hrsg. von Jana Lengovä, Banskä Bystrica 1995, S. 57-63. 120