Lasset uns Gates thnn a» Jedermann, allermeist an des Glaubens Genüssen! Predigt über chatater 6, 10 der Begründung des Zweigverrins der evangelischen Gnstav-Ädolf-Ztistiing für Küstenland und Kram ni Triest, Sen 21. Mai lM, Theodor Elze, Uns verlangen zum Drink überlassen Triest. 0^065 ^6 f-l" vxin Fremdling, und doch kein Fremder, ein Unbekannter, und doch bekannt, ja vielmehr innig mit Euch verbunden durch den¬ selben Glauben, dieselbe Liebe und dieselbe Hoffnung, wünsche ich Euch viel Gnade und Friede von Gott dem Vater und dem Herrn Iesn Christo. Amen. Als der fromme und heldemnüthigc Schwedenkönig Gustav Adolf zuerst sein Panier auf der deutschen Küste des baltischen Meeres aufpslanzte, da kniete er nieder und betete. So haben wir jetzt mit Gebet begonnen das Panier des evangelischen Vereins, der nach dem Namen dieses Königs genannt wird, hier an der Küste des adriatischcn Meeres aufzupflanzen. Was wollen wir da¬ mit? Blicket hin auf dieses Panier, nm welches wir uns jetzt schaaren; ans demselben stehen diejenigen Worte geschrieben, welche der Apostel Paulus in seinem Briefe an die zerstreuten Christen¬ gemeinden in Galatien schreibt: Gal. 6, IO: „Lasset uns Gutes thnn an Jedermann, allermeist an des Glaubens Genossen!" Das ist es, was wir wollen. — Der König Gustav Adolf war nach Deutschland gekommen, um seinen damals hart bedräng¬ ten evangelischen Glaubensgenossen im deutschen Reiche zu Hilfe zu kommen. Er war gekommen mit äußerer Macht, mit einem tapfer» Heere, mit einem starken Schwerte. Nicht als ob er gemeint Hütte, daß die Menschen mit irdischer Gewalt der Sache Gottes und des Evangeliums müßten zu Hilfe kommen, auch nicht, als ob er für sich selbst dabei etwas hätte gewinnen wollen, sondern er betrachtete 4 sich und seine weltliche Macht als das auserschene Werkzeug in der Hand des höhcrn Herrn, dem er betend sich und sein Schwert weihete. In ähnlicher Weise will der Gustav-Adolf-Verein den in kirchlichen Dingen nothleidcnden und bedrängten evangelischen Glaubensgenossen Hilfe bringen, jedoch nicht in Deutschland allein, sondern allcrwärts, auch nicht mit äußerer Macht und Gewalt; er will ebenfalls nichts für sich selber gewinnen, und betrachtet sich gleicher Weise als ein Werkzeug Gottes. Er sucht daher als ein Friedens¬ bote ein fast gleiches Ziel zu erreichen, welches jener Held aus Norden in Krieg und mit Gewalt erstrebte und verfolgte. Wenn wir nun diesen Verein hier unter uns an der Adria jetzt errichten und zu ihm uns verbinden wollen, so ist cs wohl naheliegend und natürlich, daß wir auch über das Wesen desselben Auskunft suchen nnd fragen: Was ist der Gustav-Adolf-Verein? Der auf seinem Paniere verzeichnete Wahlsprnch gibt hierauf die beste Antwort. Die Menschen haben jetzt mehr als je begriffen, daß Vereini¬ gung stark macht, wie die tägliche Erfahrung in irdischen und welt¬ lichen Dingen uns zeigt. Daher ist unsere Zeit reich an zahlreichen und verschiedenen Vereinen. Es gibt deren, und das sind hier nnd überall die meisten, zu geselligen, commerzicllcn und industriellen Zwecken. Mit diesen hat unser Verein nichts zu thun, denn er ist kein Verein materieller Interessen. Ueberhaupt liegt sein Zweck nicht in ihm, sondern außer ihm, seine Mitglieder wollen nichts für sich selber, sondern ihr Wirken erzielt Früchte für Andere. Mit Einem Wort, er ist ein Wohlthätigkeitsverein, dazu gegründet und einge¬ richtet, um der christlichen Wohlthätigkeit in einer bestimmten Rich¬ tung Zusammenhalt, Ordnung nnd Kraft, und dadurch ein nach¬ drucksvolleres Wirken und einen segensreichem Erfolg zu sichern. Stimmen hierin nun zwar auch andere humanitäre oder philanthro¬ pische Vereine mit ihm zusammen, so unterscheidet er sich doch von diesen seinem eigentlichen Wesen nach dadurch, daß er wesentlich ein religiöser und kirchlicher Verein ist, wie das schon in seinem eigent¬ lichen Namen: „Evangelischer Verein der Gustav - Adolf-Stif¬ tung" ausgcdrückt, und in seinem Wahlspruchc klar und deutlich ausgesprochen ist. 5 I. Diesem zufolge ist der G ust av - Ad o lf-V er ein, daß ich's kurz und rund heraussage, zunächst ein Verein des Glaubens. Wenn der Apostel in der angeführten Stelle ermahnt: „Lasset uns Gutes thun an Jedermann, allermeist an des Glaubens Ge¬ nossen!", so wendet er sich damit offenbar an Solche, die selbst gläubig sind, und das Evangelium mit fester Ueberzeugung als göttliche und beseligende Wahrheit angenommen haben, an Solche, die diesen Glauben thcilcu und mit dem Apostel selbst auf dem gleichen Grunde des Glaubens stehen, so daß er sich selber in ihre Zahl mit einschließen kann, an Solche, die durch lebendigen Glau¬ ben an den Herrn Jcsum Christum zu neuen Menschen wiederge- borcn und geheiligt sind, wie solche eben damals hin und her in Galatien zerstreut lebten. Auch unser Verein wendet sich gleicher Weise an die hier und da lebenden Gläubigen mit dem Aufruf, vereinigt Gutes zu thun denjenigen Genossen unserer evangelischen Kirche, welche in kirchlichen Dingen der Hilfe bedürfen. Damit be¬ weist er zunächst und vor allen Dingen, daß er ein Werk des Glau¬ bens sei, begründet und ruhend auf dem Glauben an Christum Jcsum und sein Evangelium. Dieser Glaube ist die beseligende Ueberzeugung, daß Jesus Christus der Heiland der Welt ist, der alleinige Mittler und Erlöser aller Sünder, daß Gottes Gnade in ihm den Menschen erschienen, daß in keinem Andern Heil, auch kein anderer Name den Menschen gegeben ist, darin sie können selig werden; er ist die feste Ueberzeugung, daß das Evangelium von Jcsn Christo die alleinige Grundlage und Richtschnur des christ¬ lichen Lebens sein muß, und daß es eine Kraft Gottes ist, selig zu machen alle, die daran glauben, die Ueberzeugung, daß eben dieser Glaube nur aus der Predigt des Wortes Gottes komme. Aus solcher Gesinnung ist unser Verein hcrvorgewachsen, und so ist seine Gründung eine Glaubensthat. Wie viele unser nun diese Gesin¬ nung theilen und also glauben, an die ergeht unseres Vereins Auf¬ ruf: Lasset uns Gutes thun an des Glaubens Genossen! Ent¬ sprungen aus dem Glauben sucht der evangelische Gustav - Adolf- Verein solche Mitglieder, deren inneres, religiöses Leben auf dem¬ selben Grunde ruhet. Und wer immer diese Grundlage unseres 6 Vereines aufgeben und verlassen würde, der würde damit zugleich auch aufhören in seinem Innern ein wahres und lebendiges Mit¬ glied desselben zu sein, denn derselbe ist ein Verein des Glaubens. Er ist dieses aber nicht allein in Rücksicht auf seine Grund¬ lage und seine Mitglieder, sondern auch in Beziehung auf den Kreis seiner Thätigkeit, denn er will, seinem Wahlsprnche gemäß, Gutes thun allermeist an des Glaubens Genossen. Dadurch unter¬ scheidet sich unser Verein von anderen religiösen Vereinen unserer evangelischen Kirche. Er beabsichtigt dem zufolge nicht Boten des Evangeliums zu den Völkern zu senden, welche das Evangelium noch nicht kennen, und noch in der Finsterniß des Aberglaubens dem geistigen Tode verfallen sind. Er ist auch fern davon, die Mitglieder anderer christlicher Kirchen etwa in ihren religiösen und kirchlichen Ucbcrzeugungen wankend machen und zur evangelischen Kirche herüber ziehen zu wollen; er will nicht Proselyten machen. Sein Arbeitsfeld liegt innerhalb unserer eigenen evangelischen Kirche. Diejenigen Glieder und Gemeinden derselben, welche durch schwere Schicksalsschläge, durch große Armuth an irdischen Gütern, durch ihre Lage in der Zerstreuung unter den Anhängern anderer christ¬ licher Gemeinschaften kirchlich darniederliegen und sich selbst nicht zu helfen, sich nicht zu erheben vermögen, diese sind es, welche der Gustav-Adolf-Verein ins Auge faßt und zum Gegenstand seiner Wirksamkeit macht. Da will er Mitwirken, daß diese Glieder unse¬ rer Kirche nicht etwa aus Mangel an kirchlichen Anstalten ganz abstcrben und verloren gehen, daß der noch glimmende Docht des evangelischen Glaubens und Lebens bei ihnen nicht ganz verlösche. So bezweckt der Gustav-Adolf-Verein nichts weniger als einen An¬ griff auf andere christliche Kirchen; höchstens könnte man in gewis¬ sem Sinne sagen, er beabsichtige eine Verteidigung der schwachen Glieder der evangelischen Kirche gegen äußere zerstörende Einflüsse. Diesen will er helfen in ihrer kirchlichen Noth, diesen als ein barm¬ herziger Samariter kirchlich Gutes thun, denn der Glaube, auf welchem er ruht, ist der Glaube, welcher durch die Liebe thätig ist, und iu diesem Sinne ruft er uns zu: Lasset uns Gutes thuu an des Glaubens Genossen! 7 II. So ist denn der Gustav-Adolf-Verein ganz natürlich ferner ein Verein der Liebe, indem er es sich eben zur Auf¬ gabe gestellt hat, in brüderlicher Liebe Gutes zu thun, Liebe zu übcu gegen Glaubensgenossen, welche, weil sie Kirche oder Schule, Prediger oder Lehrer, oder andere kirchliche Anstalten und Einrich¬ tungen entbehren, kirchlich Noth leiden. Und wie viel solcher kirch¬ lichen Noth ist vorhanden! Weit mehr als man gewöhnlich weiß oder denkt. Die evangelischen Gemeinden dieser Stadt haben hübsche Kirchen, eine ansehnliche Schulanstalt, einen schönen Friedhof zum letzten Ruheplatz ihrer verstorbenen Lieben. Ihre Mitglieder fühlen den ganzen Werth und die Wichtigkeit des kirchlichen Lebens für sich und die Ihrigen; der besorgte Vater und die treue Mutter wissen einen guten Unterricht ihrer Lieblinge zu schätzen, und scheuen kein Opfer, ihnen denselben in ausgedehntem Maße zu verschaffen; jedes durch schweren Verlust gebeugte, tief trauernde Herz empfindet mitten in seinem Schmerze den wohlthuendcn Eindruck einer stillen, weihevollen und wohlgepslegten Schlummerstätte seiner Heimgegan¬ genen Theuern. Aber wie viele unserer evangelischen Glaubens¬ genossen haben weder Kirche, noch Schule, noch Friedhof. Da ist bei ihnen keine, oder wenigstens keine würdige, Gott geheiligte Stätte, wo sie sich an den Tagen des Herrn zu gemeinsamer An¬ dacht und Erbauung versammeln, da ist keine, oder doch nur höchst selten eine Predigt des Evangeliums, durch welche das höhere Leben der Seele genährt, Trost, Ruhe und Frieden in die müden, kum¬ mervollen Herzen und Gewissen gebracht werden könnten. Da ist keine Schule, in welcher die sorgenden Eltern trotz aller Sorgen, Mühen und Entbehrungen ihren geliebten Kindern einen evangeli¬ schen Unterricht verschaffen können. Da ist kein entsprechender Platz, und das schlägt oft schmerzlichste Wunden, auf welchem trauernde Eltern, Gatten, - Geschwister, Kinder, Freunde ihren theuern Verstorbenen eine würdige Gruft bereiten können. Diejenigen, welche sich des ruhigen Besitzes aller dieser Anstalten erfreuen, haben oft kaum eine Vorstellung von dem Kummer, dem Leide, dem Druck, welche der Mangel derselben mit sich bringt, aber ich, den sein Amt seit Jahren zu unfern über eine große Ländcrstrcckc zerstreuten Glau- 8 bcnsgenosscn hinführt, bin oft Zeuge davon gewesen. Und wem ver¬ danken diese die Möglichkeit auch nur solcher zeitweisen Besuche eines Seelsorgers? Die kirchlichen Anstalten unserer Laibacher Ge¬ meinde selbst bestehen ja auch zum größten Theile nur durch die wcrkthätige Licbcshilfe des Gustav-Adolf-Vereins, so wie durch die liebevolle, ansehnliche Unterstützung der hiesigen Glaubensgenossen. Derartige kirchliche Hilfe nnn fernerhin mit vereinten Kräften nnd in geordneter Weise den bedürftigen Brüdern nach bestem Vermö¬ gen zu gewähren, dazu eben gründen wir heute diesen Verein, einen Zweigvercin der Gustav-Adolf-Stiftung. Denn nur Vereinigung und geordneter Haushalt haben es dieser ermöglicht, mit den Gaben der Liebe so viele und so große Werke bisher zu vollbringen. So hat der Gesammtvcrcin dieser Stiftung im vorigen Vcreinsjahre mit einer Summe von 160,000 Thalcrn 559 arme, hilfsbedürftige Gemeinden unterstützt, aber 661 Bitten um Hilfe wenden sich neuerdings zugleich wieder an die Liebe der Brüder, an den Verein, der zwar selber arm ist, aber doch Viele reich macht. Mit seiner Hilfe wurden im vorigen Vereinsjahre 14 Kirchen und 10 Schulen cingcweiht und eröffnet, abgesehen von vielen andern Gaben zur Abzahlung von Kirchenschulden, zur Erbauung von Kirchthürmen, Pfarrhäusern, Friedhöfen u. s. f. Und woher das Alles? Die Liebe der Glaubensgenossen ist allein die Quelle, aus welcher dieser Verein des Glaubens und der Liebe schöpft, und solche zu voll¬ bringen vermag. Aber wie jede Thal auf denjenigen, der sic thnt, zurückwirkt, so ist dies auch mit den Licbesthaten des Gustav - Adolf - Vereines der Fall. Liebe übend pflanzt dieser zugleich Liebe unter allen, welche, sei es gebend, sei es empfangend, an ihn sich an¬ schließen, und daher dürfen wir ihn auch noch in diesem andern Sinne einen Verein der Liebe nennen. In der That, indem er äußerlich und sichtbar steinerne Tempel für die Anbetung Gottes im Geist nnd in der Wahrheit bauet, schlingt er zugleich innerlich und unsichtbar ein großes und inniges Band um alle seine Glie¬ der, wie weit sie auch räumlich von einander getrennt sein mögen. Dieser unbeabsichtigte Segen der christlichen Liebcsthätigkcit unseres Vereins darf um so weniger gering geschätzt werden, als bei dem gegenwärtigen Zustande unserer evangelischen Kirche kein anderes — 9 — Mittel vorhanden ist, das Gefühl der Gemeinsamkeit und Zusam¬ mengehörigkeit aller ihrer einzelnen Glieder zu stärken und auszu¬ drücken. Im Wesen jeder einzelnen Kirchcngemeinde liegt es, daß sie den Zweck ihres Vorhandenseins zunächst ans sich selbst und die kirchliche Befriedigung ihrer Mitglieder beschränkt, daß sie zunächst für sich selber da ist. Die große Zerstreuung und Entfernung der einzelnen evangelischen Gemeinden von einander, wie sie in diesen Gegenden sich vorfindet, läßt es zu einem nähern kirchlichen Ver¬ kehre unter ihnen nicht kommen. Wäre dies aber auch anders, so ist doch in Folge der politischen Verhältnisse des deutschen Landes die große Gcsammthcit unserer theucrn evangelischen Kirche in viele kleinere Bruchtheile zersplittert, da die einzelnen evangelischen Lan¬ deskirchen streng von einander getrennt sind, geschweige, daß ein kirchliches Band alle Glieder der gesummten evangelischen Kirche in allen Ländern und unter allen Völkern zu einer einzigen großen Gemeinschaft mit einander verbände. Da tritt nun unser Verein ins Mittel und einigt das durch irdische Schranken Getrennte zu¬ nächst ans dem Felde praktischer Uebung der christlichen Licbesthä- tigkeit. Er lenkt den Blick des Einzelnen über die Grenzen seiner Gemeinde und Landeskirche hinaus auf die große Gesammtkirche, auf die vereinzelten Glieder derselben, auf die kirchliche Noth der Brüder in der Nähe und Ferne; er erweckt, belebt und erwärmt unser herzliches Mitgefühl mit denselben; er sammelt um sein Pa¬ nier gleichgesinnte Anhänger aus allen Gemeinden und Ländern, und vereinigt sie in einem schönen Liebcsbunde zu einer großen Gesammthcit. Von der Ost- und Nordsee bis zur Adria reichen sich seine Glieder die Hände, vom äußersten Osten bis zur West¬ grenze des deutschen Landes erstreckt sich sein Gebiet. In Schwe¬ den, Dänemark, Holland und Belgien hat er seine Zweige, im stammverwandten England beginnt er Wurzel zu fassen, schon ragt er über die Grenzen der Völker germanischer Zunge hinaus; in der Schweiz und in Ungarn stehen Vereine, die das gleiche Ziel ver¬ folgen und mit unserm Gustav-Adolf-Vereine Hand in Hand gehen; die Wallachci und Algerien sind in sein Netz hincingczogcn. Was ist's, das alle diese zusammenbringt und zusammenhält? Was anders, als die christliche Liebe! Ein Strom der Liebe von oben her ergießt sich durch alle diese Glieder und belebt alle, alle cinzel- 10 neu zusammen fassend zu einem großen Ganzen, welches nun durch keine menschlichen Scheidewände mehr getrennt ist, alle einzelnen erfüllend mit der wahren und thätigen, sich selbst verleugnenden und hilfsbereiten Liebe, durch welche sie alle Eins sind in dem Herrn Jesu Christo. Wie schlägt das Herz so weit und warm bei diesem Gedanken! Selbst hineingerissen und fortgetragen von diesem ge¬ waltigen Liebcsstrome ist es selig in der Ucbuug der Liebe, die da Gutes thut allermeist an des Glaubens Genossen. Da verschwin¬ den nun die Unterschiede von Rang und Stand, von Geschlecht und Alter. Der Wohlhabende gibt nach seinem Vermögen, auch aus den Hütten der Armuth kommen noch Liebesgaben, manche arme Witwe bringt ihr Scherflein; sie alle fühlen, daß Geben seliger denn Neh¬ men, sie alle sind ergriffen von dem Segen, der von der Liebes¬ gabe auf den Geber zurückströmt, sie alle sind umschlungen von dem geistigen Bande dieses großen Liebesvereins. Das ist die Macht der reinen, himmlischen Liebe, welche diesen durchdringt, der Liebe, die nicht allein ihre Habe den Armen gibt, sondern die auch alles verträgt, alles duldet, alles hofft. III. Der Gustav-Adolf-Verein, dieser Verein des Glaubens und der Liebe, hat in der That auch schon manches zu dulden und zu tragen gehabt, aber er hat dessen ungeachtet nie aufgehört auch zu hoffen, er hat stets das Gute gehofft, ja er ist recht eigentlich ein Verein der Hoffnung. Sein ganzes Leben und Wirken geschieht in und auf Hoffnung. Wie der Säcmann den Samen ausstreut in Hoffnung auf eine Ernte, und inzwischen dem Herrn über Sonnenschein, Regen und Sturm vertraut, so arbeitet der Gustav-Adolf-Verein an seinem Theil im Ackerfclde Gottes. Er weiß, daß steinerne Kirchen noch keine Gemeinde machen, aber er hofft, daß sie darein sich sammele und durch die Kraft des heiligen Geistes wachse und Frucht bringe; er weiß, daß Same und Ernte nicht zusammen fallen, daß verschieden sind, der da säet und der da erntet, aber er bauet und säet und überläßt hoffend die Ernte der Zukunft; er weiß, daß cs mit seiner Macht noch nicht gcthan ist, aber er stellt betend und vertrauend die ausgcstrcutc Saat dem n Herrn anheim, von welchem aller Segen kommt und welcher auch der Herr der Ernte ist. Machen wir es doch eigentlich alle in un¬ fern menschlichen Angelegenheiten ebenso. Wer in irdischen Geschäf¬ ten, des Handels, der Industrie, oder was immer es sei, etwas Neues unternimmt, der thut's in Hoffnnng. Er weiß sehr wohl, daß cs einiger Zeit bedarf, bis eine solche Unternehmung der davon gehegten Hoffnung entspricht, aber das hält und schreckt ihn nicht ab, sondern er arbeitet fort und treibt cs weiter in der Hoffnung eines endlichen, vielleicht erst spät eintretenden glücklichen Erfolges. Ist dies also schon der Fall bei weltlichen Dingen, in denen stets mehr oder weniger ungeduldige Selbstsucht mit im Spiele ist, wie sollte es bei dem Wirken unseres Vereins, der so gar nichts für sich selbst sucht, anders sein? Er macht's gerade so, so machen es diejenigen, welche auf seinem Gebiete arbeiten, getrieben von der hoffenden Liebe. Freilich möchte man dabei manchmal auch klein- müthig und zaghaft werden, allein die Liebe lehrt immer wieder weiter tragen und dulden und hoffen. So arbeiten wir (ich sage das aus eigener Erfahrung) doch immer weiter in Hoffnung, den Herrn der Ernte um seinen Segen anrnfend, ihm das Gedeihen unserer Saat anhcimstellend, ihm die Ernte überlassend. Zwar gibt cs dabei manche schmerzliche Erfahrung durchzumachen, aber hie und da wächst doch auch im Stillen und fast unbemerkt manch' lohnende Frucht. Doch gleichviel, ob wir das Reifen der Frucht mit eigenen Augen sehen oder nicht, wir hoffen darauf, und wehe uns, wenn wir das nicht thäten. Wie bei den einzelnen Arbeitern, so ist's beim ganzen Verein. Weit mehr noch als auf die Gegenwart, ist sein Wirken gerichtet aus eine bessere Zuknnst, also ein Wirken in Hoff¬ nung. Zwar sicht auch er hie und da schon manche Früchte reifen; manches volle Gotteshaus, manche gerettete Seele, manch' getröstetes Herz ist der Lohn seiner Wirksamkeit; aber im Großen und Gan¬ zen bleibt es nur Gegenstand seines Hoffens, daß durch sein Werk und seine Arbeit die geistige Kirche immer mehr gebauet werde. Und so ist er denn noch in einer andern, höhern Hinsicht ein Verein der Hoffnung. Ja noch höher hinauf, meine Freunde, geht unsere Hoffnung. Wir hoffen — nicht auf Lohn. Wenn wir dieses oder irgend ein anderes christliches Werk nur um des einst zu em¬ pfangenden himmlischen Lohnes willen betrieben, so würden wir 12 doch nur Eigennützige sein, die ihren Lohn vielleicht hicnicden dahin nehmen würden, aber vor dem heiligen Richter nicht bestehen könn¬ ten, und unser Werk würde durch uns selbst vernrtheilt sein. Nein, wir hoffen nichts für uns, wohl aber etwas für das Reich der Wahrheit und der Liebe, für das Reich Gottes auf Erden. Indem wir sichtbare Kirchen bauen helfen, damit unsere Brüder sich darin zu einem geistigen Tempel Gottes erbauen, hoffen wir dabei zugleich auf die einstige herrliche Vollendung des großen, unfern leiblichen Augen unsichtbaren Domes, da Jesus Christus der Eckstein ist, jener geistigen Kirche der Christenheit, in welcher das Evangelium der Wahrheit und des Lebens selbst Wahrheit und Leben wird, der unsichtbaren christlichen Kirche, in welcher Glaube und Liebe, zu ihrer himmlischen Vollendung entfaltet, alles verklären, in welcher das göttliche Leben Alles durchdringt, weihet und beseligt. Welch' weiter und erquickender Ausblick in selige Ferne, auf welche unser Verein das geistige Auge hinlenkt! Welche schon durch sich selbst beglückende Hoffnung, die sich uns eröffnet, indem wir durch Kirchenbautcn die Kirche zu bauen und an dem ewigen Tempel Gottes, seiner Behausung im Geist mitzuarbeitcn uns bestreben! So dürfen wir mit zwiefachem Rechte sagen, daß der Gustav-Adolf- Verein ein Verein der Hoffnung ist, denn er schauet, wie über die Grenzen des Raumes, so auch über die Schranken der Zeit hin¬ über in die ewige Zukunft, in die zukünftige Herrlichkeit. Das also, meine Freunde, ist der Verein, um dessen Panier wir uns jetzt schaaren wollen in Glaube, Liebe und Hoffnung. Alle Glaubensgenossen werden durch seinen apostolischen Wahlspruch dazu aufgerufcn. Und nicht die Männer allein, sondern auch die Frauen. Demgemäß haben sich auch bereits im Anschluß an den Gustav- Adolf-Verein eine Anzahl Frauenvereine gebildet, welche den Män- nervcreinett treu zur Seite stehen. Während diese die Kirchen und Schulen bauen, sorgen jene für die nothwendige und würdige Aus¬ stattung derselben mit den heiligen Geräthen zur Taufe und zum Abcndmahle des Herrn, mit Orgeln, Kanzelbeklcidung und was der¬ gleichen ist, sorgen für Pflcgestätten der Confirmandcn, welche ans weiter Zerstreuung zum Pfarrortc kommen müssen u. s. w. Außer den vielen und schönen Geschenken dieser Art und außer den Unter stützungen der Confirmandcn und anderer Anstalten trugen die 13 Fraucuvercine im letzten Vetcinjahre nicht weniger als 15,000 Tha¬ ler zu der gesegneten Wirksamkeit des Gesammtvereincs bei. Gewiß werden die edlen Frauen der hiesigen evangelischen Gemeinden ihrer¬ seits auch nicht dahinten bleiben, wo es gilt aufopfernde, helfende Liebe zu bethätigen, und als echte Dienerinnen des Herrn fernen Schwestern die Sorgen zu lindern, welche die kirchliche Noth ihnen bereitet. Mögen Männer und Frauen zusammen stehen in der Aus¬ übung dieses Licbeswerkes, in der Erfüllung der Ermahnung: „Las¬ set uns Gutes thun an Jedermann, allermeist an des Glaubens Genossen!" nach dem Sinne des Gustav-Adolf-VereineS. Und in diesem Sinne wollen wir denn nun diesen segenbringenden Verein des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung, unter dem Beistände und Schutze Gottes, in diesen Ländern begründen. Möge Gott dazu seinen Segen verleihen! Unser Vater u. s. w. Gottes heiliger Geist erfülle und regiere uns, seine Gnade stärke und erquicke uns, sein Friede behüte uns! Der Herr sei mit uns und unscrm Werke! Amen.