MUZIKOLOŠKI ZBORNIK — MUSICOLOGICAL ANNUAL XI, LJUBLJANA 1975 UDK 784.15"15":781.6 APPARIRAN PER ME LE STELL' IN CIELO VON O. DI LASSO UND J. SKJAVETIÆ (SCHIAVETTO) STILKRITISCHER VERGLEICH Koralj ka Kos (Zagreb) Die Texte der beiden erhaltenen Madrigale des kroatischen Komponisten Julije Skjavetiæ (Giulio Schiavetto)1 wurden auch von zwei großen Meistern der Renaissance vertont: Era il bel viso suo von C. da Rore2 und Appariran per me le steli' in cielo von O. di Lasso. Da das Madrigal des 16 Jhs. wesentlich vom Verhältnis Text - Musik gekennzeichnet ist, bietet uns ein Vergleich jener Werke, die auf dieselbe literarische Vorlage zurückgreifen, die Möglichkeit, besondere Merkmale der persönlichen Ausdrucksweise einzelner Meister zu erfassen. Ein solcher Vergleich kann auch zeigen, wie breit und mannigfaltig die Ausdrucksmöglichkeiten waren, die innerhalb des allgemeinen Vokabulars der Renaissance-Polyphonie den Komponisten zur Verfügung standen, und wie auch in verhältnismäßig knappen Zeitabschnitten die deskriptiv-malerischen und subjektiven Tendenzen der Madrigalkunst durch Wortausdeutung und Hervorhebung der Einzelheiten immer intensiver verwendet wurden. Lassos Appariran per me le stell' in cielo gehört zu seinen frühen Madrigalen, die während seines Aufenthaltes in Rom, vermutlich zwischen i Plamenac D., O hrvatskoj muzici u vrijeme renesanse (Die kroatische Musik in der Renaissance), Hrvatska revija IX, 1936, 145—150; id., Music of the 16th and 17th Centuries in Dalmatia, Papers read at the International Congress of Musicology, New York 1944, 21—51; id., Music in the Adriatic Coastal Areas of the Southern Slavs, in Reese G., Music in the Renaissance, New York 1954, 757 —762; Julije Skjavetiæ (Giulio Schiavetto), èetiri moteta u 5 i 6 glasova (Julije Skjavetiæ (Giulio Schiavetto), Vier Motetten zu 5 und 6 Stimmen), hrsg. von D. Plamenac, Jugoslavenska akademija znanosti i umjetnosti (Jugoslawische Akademie der Wissenschaften und Künste), Zagreb 1974. — Hrvatski skladatelji XVI stoljeæa (Die kroatischen Komponisten des XVI Jhs), hrsg. von L. Županoviæ, Udruženje kompozitora Hrvatske (Verband der Komponisten Kroatiens), Zagreb 1970; Iz renesanse u barok (Aus der Renaissance ins Barock), hrsg. von L. županoviæ, Društvo hrvatskih skladatelja (Verband der kroatischen Komponisten), Zagreb 1971. — Skjavetiæs Sammlung Madrigali a quatro et a cinque voci Nuouamente composti, Venezia 1563, ist leider nicht vollständig erhalten (es fehlen die Stimmen des Quüitus und Bassus). 2 In: Di Cipriano et Annibale madrigali a quatro voci insieme altri eccelenti autori novamente con ogni diligentia stampati et dati in luce. Libro quinto. Venezia, A. Gardano, 1651. RISM 165115. 2 Muzikološki zbornik 17 Herbst 1552 und Frühjahr 1554, entstanden sind. Eine genaue Datierung einzelner Madrigale aus dieser Zeit ist, wie der Lasso-Forscher W. Boetti-cher vermutet, unmöglich. Da sie aber erst in der Antwerpener und Münchener Zeit veröffentlicht wurden, sind Bearbeitungen nicht ausgeschlossen.3 Unser Madrigal wurde zum ersten Mal bei V. Dorico, Rom 1560, gedruckt4, in einer Ausgabe, die den erweiterten Nachdruck der ersten publizierten Sammlung Lassos vierstimmiger Madrigale, Chansons und Motetten darstellt (T. Susato, 1555).5 Die gleiche Ausgabe wie bei Dorico erschien im Jahre 1560 auch in Venedig bei Gardano. Skjavetiæ hatte also mehrere Möglichkeiten mit den Madrigalen Lassos, darunter auch mit Appariran per me le stell' in cielo, in Berührung zu kommen. Sein eigenes fünfstimmiges Madrigal auf denselben Text ist uns aus dem Sammeldruck I dolci et harmoniosi concetti, libro II, Venedig 1562,6 bekannt. Wir dürfen annehmen, daß es zwischen 1560 und 1562 komponiert wurde, also nach der Veröffentlichung von Lassos gleichnamigen Werk. Es besteht nämlich — außer derselben Textvorlage, die ja auch zufällig sein könnte — noch ein anderes Bindeglied, das die Madrigale von Lasso und Skjavetiæ in ein tieferes gegenseitiges Verhältnis stellt. Während die Wahl eines gleichen dichterischen Werkes auf analogen Vorstellungen und Forderungen der Komponisten hinsichtlich der poetischen Vorlage beruht, nämlich möglichst kontrastreiche, musikalische, malerische und metaphernreiche Gebilde zu entfalten, deutet ein anderes besonderes Merkmal in Skjavetiæs Madrigal darauf hin, daß er Lassos Werk gekannt und geschätzt hat. Von diesem Punkt werden auch unsere vergleichenden Betrachtungen beider Madrigale ausgehen. Schon ein flüchtiger Blick auf die Exordien beider Madrigale zeigt, daß der Anîangs-soggetto bei Lasso und Skjavetiæ derselbe ist.7 Es handelt sich offensichtlich um ein Huldigungszitat, das der kroatische Meister dem großen Lasso gewidment hat. Solche Zitate sind in der Musik des 16. Jhs. durchaus üblich und können auf Schul-Zusammenhänge hindeuten oder den wachsenden Ruhm eines Komponisten widerspiegeln.8 Daß es sich 3 Alle quellenkritische Angaben nach: Boetticher W., Orlando di Lasso und seine Zeit, Kassel 1958, 80. 4 II primo libro delti madrigali d'Orlando di Lassus et altri eccelenii musici a quatro voci, Roma, V. Dorico, 1560. RISM 156018. — Die folgenden Analysen und Notenbeispiele fußen auf der Neuausgabe des Madrigals, in: Orlando di Lasso, Sämtliche Werke, Bd. VIII, Madrigale, vierter Teil, hrsg. von A. Sandberger, Breitkopf & Härtel, Leipzig 1894—1927. 5 D'Orlando di Lassus il primo libro dove si contengono madrigali vilanesce canzoni francesi e motetti a quattro uoci nuoamente impressi, Antwerpen, T. Susato, 1555. 6 I dolci et harmoniosi concetti fatti da diversi eccellentissimi musici sopra varii soggeti, a cinque voci, libro secondo. Novamente insieme raccolti & posti in luce, Venezia, G. Scotto, 1562. RISM 15626. 7 Wolfgang Boetticher hat zuerst darauf hingewiesen. S. op. cit., 98, Anm. 62. Die folgenden Analysen und Notenbeispiele fußen auf der Neuausgabe des Ma-driagls in: Iz renesanse u barok, hrsg. von L. županoviæ, Zagreb 1971. 8 Meier B., Melodiezitate in der Musik des 16. Jahrhunderts, Tijdschrift van de Vereniging voor nederlandse Muziekgeschiedenis, XX -— 1, 2, Amsterdam 1964/65, 1—19. 18 im Falle von Skjavetie tatsächlich um ein Huldigungszitat handelt, und nicht um eine Kopie oder Imitation des Lasso-Werkes, beweist der weitere, ganz verschiedene Verlauf beider Madrigale. Mehr hoch: Skjaveties Verto- O. di Lasso, GA, VIII, 27 (Hrsg. A. Sandberger) Ap - pari- ran per me /e s/e/- l'in eie - - lo :::¦ J. Skjavetiæ, T. 1—5 (Hrsg, L. Županoviæ) CANTO : ..Appariran per me /é s/e//'in ciefo e non sara pio nung des gewählten Textes zeigt einen ausgesprochen persönlichen Standpunkt, eine vom Grund auf verschiedene Deutung der poetischen Vorlage. Es stehen also zwei grundlegend verschiedene, selbständige 19 Sätze zur Betrachtung vor, ein jeder als Sinnbild einer anderen Seite der mehrschichtigen Welt der Renaissance-Polyphonie. Der Text der beiden Werke ist ein typischer petrarkistischer reimloser endecasillabo, ein sechszeiliges Madrigal im engeren Sinne. Es ist möglich, daß der Verfasser dieses allegorischen Naturbildes auch Lasso selbst ist.9 Die Metaphern dieser knappen und geistvollen Liebes- und Sehnsuchtsäus-serung, die klanglichen Werte der dunklen und hellen Vokale, die scharfen Kontraste der poetischen Bilder — alles das bot den beiden Meistern eine ideale Vorlage zur schöpferischen Entfaltung ihrer Madrigalsprache. Appariran per me le stell' in cielo (Text und Übersicht der wichtigsten Kadenzen)10 Skjavetiæ Lasso 7. modo 11. modo regul. Kad. irregul. Kad. regul. Kad . irregul. Kad. Appariran per me le stell' in cielo I (c) e non sara piu per le valli nebbia, I (e) verdi e fioriti torneran i campi, VI (e) V (g) quando giunto saro dal mio bel sole, V (d) II (a) VI (a)/VI (a) che scaceiara gli vent' e la gran pioggia IV (e) V (g) qual sovente m'han fatt' in mar fortuna. I (g) I (e) Die noch im Mittelalter verwurzelte Funktion der einzelnen Modi, den Grundaffekt eines Textes auszudrücken, wird im Renaissance-Madrigal manchmal dadurch abgeschwächt, daß bestimmte Texte oft mehrere Affekte enthalten, und darum auch die Wahl verschiedener Modi ermöglichen.11 Im Allgemeinen zeigt aber die Untersuchung text - gleicher Werke, daß sich die Komponisten meißtens doch für gleiche oder im Charakter ähnliche Modi entscheiden. Das ist auch bei Appariran per me le stell' in cielo der Fall. Ambitus, Finalis, Schlüsselung12 und Kadenzplan der beiden, in unsere 9 Boetticher W., op. cit., 89. w Wir gründen die folgenden Betrachtungen über die Rolle der Kadenz in den Madrigalen Appariran per me le stell' in cielo von O. di Lasso und J. Skjavetiæ auf Zarlinos Auffassung der Kadenz. Vgl. S. Hermelinck, über Zarlinos Kadenzbegriff, Scritti in onore di Luigi Ronga, Milano 1973, 253—273. Zur Fragen der Kadenzen und Tonarten in der klassischen Vokalpolyphonie vgl. auch: Schmalz-riedt S., Heinrich Schütz und andere zeitgenössische Musiker in der Lehre Giovanni Gabrielis, Stuttgart 1972 (= Tübinger Beiträge zur Musikwissenschaft, Bd. 1), und besonders das grundlegende Werk von B. Meier, Die Tonarten der klassischen Vokalpolyphonie, Utrecht 1974. n Meier B., op. cit., 385. 12 Ein Vergleich der Stimmumfänge und Schlüsselungen beider Madrigale zeigt, wie Skjavetiæs fünfstimmiges Madrigal aus Lassos vierstimmigen Satz entstand. Die Stimmumfänge und Schlüsselungen beider Madrigale lassen eine fast völlige Übereinstimmung deutlich werden, wenn man die vier unteren Stimmen bei Skjavetiæ und Lassos Stimmen gegenüberstellt. Das kommt ganz deutlich hervor, wenn man den Quintus (der in der Ausgabe von L. 2upanoviæ zwischen dem Altus und Tenor liegt) in seine natürliche Lage — zwischen den Cantus und Altus — zu setzen versucht. Eine solche Disposition der Stimmen ergibt dann auch ein mit dem Exordium von Lassos Madrigal fast übereinstimmendes Satz-büd, wobei der Cantus bei Skjavetiæ die hinzugefügte Stimme zu sein scheint. 20 Betrachtung einbezogenen Madrigale zeigen, daß sich Lasso für den 11. (Jonischen) und Skjavetiæ für den 7. (Mixolydischen) Modus entschieden haben. Beide Komponisten haben also heitere, helle, dur-nahe Modi gewählt, um so den Grundaffekt des Textes darzustellen: Hoffnung auf das nahende Liebesglück. Obwohl das Kopfthema in Skjavetiæs Madrigal ein notengetreues Melodiezitat aus Lassos Appariran... entfaltet, wobei auch die Disposition der eintrenden Stimmen ein analoges Satzbild ergibt,13 hat der kroatische Komponist den Modus des Lasso-Werkes nicht übernommen. Wie Bernhard Meier betont, ist die Übernahme einer bestimmten Melodiewendung nicht unbedingt mit der Beibehaltung des Modus verbunden. Der Grundcharakter des neuen Modus wird indessen durch den spezifischen Charakter der zitierten Wendung mehr oder weniger abgeschwächt.14 Und das ist auch der Fall in Skjavetiæs Werk, das bis zur letzten Kadenz auf der Finalis g nicht ausdrücklich die Eigenschaften der Mixolydischen Tonart ausdrückt: der zwischen Jonisch und Mixolydisch schwebende Anfang des Madrigals, der lange ohne Kadenz verläuft, das überwiegen der sogenannten irregulären Kadenzen auf den Nebenstufen (die ja den Grundcharakter eines Es ist auch charakteristisch, daß der Quintus (nach der Ausgabe von L. 2upa-noviæ) nicht mit demselben Schlüssel notiert ist, wie der Altus, den er zu verdoppeln scheint, was der üblichen Praxis der Zeit widerspricht, übrigens scheint diese ungewöhnliche Schlüsselung auf eine von der Norm abweichede Disposition der Stimmen hinzudeuten. Skjavetiæ (nach der zitierten Ausgabe) Skjavetiæ (Vorschlag einer anderen Disposition Lasso Finalis: g Finalis: g Finalis: C «a««,™« Schlüsstimme sdung Umfang Schlüsstimme seiung (Hoch) Umfang Schlüsstimme seiung (Tief) Umfang C Gž g'-g" C G2 g'-g" A C2 a-e" Q r (=A<) °i c'-e" C C, c'-f" Q Ct c'-e" A C2 a-c" A c2 g-C" T Oš g-g* (dazu einmal f) T C3 g-g' (dazu einmal f) T C, g-a' B Fâ e-d' (dazu einmal G) B FS e-d' (dazu einmal G) B c4 c-g' 13 Nach der vorgeschlagenen Disposition der Stimmen (s. Anm. 12) ergibt sich ein identisches Satzbild im Exordium der beiden Madrigale: Lasso Skjavetiæ 14 Meier B., Melodiezitate ..., 5. 21 Modus abschwächen), und die piagale Wendung am Ende, wo die Finalis gi noch bevor sie als endgültiger Ruhepunkt erreicht wird, durch ostinato-ähnliche Figuren umspielt wird, alles das weist darauf hin, daß Skjavetiæ erst allmählich die Eigenart des Mixolydischen Modus (eigentlich seit der Kadenz auf der V Stufe bei den Worten dal mio hei spie) zum Ausdruck zu bringen vermag. So erscheinen beide Madrigale, durch den Anfang eng verbunden, wie zwei aus einer gemeinsamen Wurzel treibende und sich allmählich voneinander trennende Gewächse. Lassos Madrigal verläuft ohne extreme Notenwerte und -— besonders in seiner ersten Hälfte -^- oft in betont einfachem syllabischem N o t e - g e -g en - N o t e - Sa t z . Die »Homophonie« ist besonders eindrucksvoll mit der fallenden Bewegung im zweiten Abschnitt e non sara piu per le valli neb- O. di Lasso, GA, Vili, 27 y ..-••:• ¦ C A T B .. .. e non sa- ran piu per k val- li neb- bi- af dia verbunden. Palestrinianiseh verklärte, durchsichtige Polyphonie kennzeichnet die ganze erste Hälfte des Madrigals, das erst im zweiten Teil (bei dem Text che scacciara) durch zunehmende Bewegung und überwiegen kleinerer Notenwerte, durch engere Imitation und mehrfache Textwiederholung zur effektvollen Steigerung und Endpointe geführt wird. Lasso entfaltet die zwei ersten soggetti seines Madrigals auf der charakteristischen rhytmischen Formel: J J J J J . In beiden Fällen wird das Thema zuerst in den Mittelstimmen exponiert, um dann im Bassus und Sopran zu erklingen. Die textartikulierende Rolle der Kadenzen wird in den ersten Abschnitten des Madrigals durch den Antritt neuer Themen abgeschwächt. Ohne Generalpause und ohne Textwiederholung verläuft der einheitliche, ruhige Satz bis zum Text dal mio bel sole. Dieser wird in eindrucksvoller melodischer Steigerung dreimal wiederholt (beirn dritten Mal erreicht der Sopran mit /"den Höhepunkt seines Umf anges); um mit einer diminuierten Kadenz auf a (mit Dur-Terz eis im Sopran) den ersten großen Bogen des Werkes abzuschließen. Der zweite Teil von Lassos Madrigal beginnt mit dem Text che scacciara. In enger Imitation wird ein bewegter, in kleinen Notenwerten konzipierter soggeto entfaltet, der in seiner syllabisehen hüpfenden Art ma- 22. e non ^^ ^m ^EŽE f=^ I ran piu ran piu i ran piu | per le ^ a/- li neb- ^Ë per yl- li ^ mž neb - eia. 3 ^ Ili pe-r le WEM J f al- li -/s vivo bel so- fe, dal h bel Si \le,dal mio bel ^m ^ 1^1 ffi ^ Wp S èj^ SS Vo dol mio bel so - le, dal i bel i \fe,dalmioi>el ^m m fftt fgL ^ L=L= ^m Vodalmbbei dol mio beli k> dal m/o bei te ^ ? s e B 3 ^ ^ ^ jj1 ir p ðk/ /tw bel so - le, dal mio bel so - fej dai mio bel so - lerisch die Vorstellung des Regens und der Winde umschreibt. Ähnliche optisch - deskriptive Stellen (im breitesten Sinne) waren im ersten Teile des Madrigals durch die Begriffe cielo (1. Vers) und valli (2. Vers) hervor- O. di Lasso, GA, VIII, 28 ^ Che scaccia- &^ ^^ ö^ ^m L= Che scaccia ran I, venlie la gran p log- gia, e r gran piog- gia S----H^ ^m y r r e -r-rr *rr r m Che sca-ccia - ra/7 // /ffn- //e, la gran p iog- giaf e la gran piog- \gict he scaccia- ran fi, che scaccia- ran fi ven li e la gran piog- gia gerufen. Bei cielo hat Lasso die aufsteigende melodische Bewegung der Stimmen noch besonders mit einem symbolischen Oktavsprung aufwärts im Tenor gesteigert (sg. conducimento di rettitudine). Gleich anschließend. wurde dann der ganze Satz als Sinnbild des ins Tal fallenden Nebels in ruhigen homorhythmischen Schritten in die Tiefe geführt. Nach der bewegten Vorstellung der vertriebenen Winde und des Regens bringt der letzte Abschnitt von Lassos Werk eine dreifache Wiederholung des ganzen abschließenden Verses quäl sovente m'ha fatV in mar fortuna. Dieser große, einheitliche Abschnitt bringt wieder ruhigere Bewegung; die allmählich errungene Steigerung des Ausdrucks wird aber durch Verzahnung der melodischen Bögen und Dichte des Satzes bis zum Ausklang in der Schlußkadenz durchgeführt. Indem wir nun den Aufbau von Skjavetiés Apparir an... mit Lassos Werk verleichen, fällt als erstes eine reicher.entfaltete Kontrapunktik auf. 23 Der Satz ist bewegter, einheitlicher im Gesamtverlauf. Mehrfache cadenze fuggite oder durch neues thematisches Material abgeschwächte Kadenzen verknüpfen brückenartig einzelne Abschnitte. Eine einzige starke Kadenz erlaubt die Gliederung des Werkes in annähernd zwei gleich lange Teile: nach der breiten, ausschweifenden Melismatik in torneran i campi be- J. Skjavetiæ, T. 12—17 na ran-noi cam ~ Çuandogion-io sa-ro ginnt bei dem Text quando giunto saro mit einem rhythmisch prägnanten, simultan in vier Stimmen einsetzenden soggetto der zweite Teil der Komposition. (Bei Lasso erleben wir also die ausdrücklichste Zaesur nach zwei Dritteln, bei Skjavetiæ nach einer Hälfte des Textes.) J. Skjavetiæ, T. 29—31 ••.....¦) e-....."•). * r frirfrfl r ¦ ftp f^ r *r fi- reali venie la qran pioa- gia Che scaccia- rag// ven- fi L 24 Ein gewisser Eindruck der Kleingliedrigkeit ergibt sich bei Skjavetiæ aus dem mannigfaltigen Leben der Einzelheit, reicherer Melismatik und seiner Freude an optischer Anschaulichkeit. Wie auch bei Lasso werden die Vorstellungen des Himmels und der Täler durch steigende und fallende Bewegung der Melodie dargestellt, während der »große Regen« und »die Winde« eine verwandte motivische und satztechnische Deutung bekommen haben. Doch auch manche andere Einzelheit des Textes hebt Skjavetiæ durch Wortausdeutung hervor. Breit und warm entfaltet sich die melodische Linie bei campi und dal mio bel sole. Dekorative Melismatik umspielt das Wort fioriti, die Bedeutung von torneran wird durch eine Drehbewegung nachgezeichnet, und eine breit ausholende Geste deutet auf die Stärke der gran pioggia (s. Beispiele 6, 7 und 8). Es ist natürlich unmöglich, allen solchen Details nachzuspüren, da die Grenze zwischen bewußter Wortausdeutung und immanent musikalischen Gesetzen der polyphonen Setzweise sehr labil ist. Textwiederholung als formschaffendes Prinzip, das mit zunehmender Reife des Madrigals immer intensiver verwendet wird, ist bei Skjavetiæ viel stärker als bei Lasso vertreten. Neben den Worten Dal mio bel sole wiederholt Lasso nur den letzten Vers der dichterischen Vorlage, womit er sein Werk sehr sparsam und allmählich zur Schlußsteigerung führt. Dadurch folgt er der allgemein verbreiterten Praxis, daß die Wiederholung gegen das Ende des Madrigals zunimmt. Bei Skjavetiæ finden wir indessen mehrfache und mannigfaltige Wiederholungen kleinerer und größerer Textabschnitte in fast allen Teilen des Madrigals. Auf verschiedene Weise zwischen den einzelnen Stimmen verteilt, beleben sie die Textur, und durch Verzahnung verschiedener soggetti rufen sie den Eindruck lebhafter Bewegung und rhythmisch - melodischer Mehrschichtigkeit hervor. So verläuft J. Skjavetiæ, T. 10—12 Verd9 e fio 25 sein Madrigal in einer ziemlich einheitlichen Stimmung, ohne eigentliche Steigerung und auffallende Gliederung in kontrastierende Abschnitte (abgesehen vom erwähntem Einschnitt in der Mitte der Textvorlage, zwischen torner an i campi und quando giunto saro, der auch das Ganze des Madrigals in zwei ungefähr gleich lange Hälften verteilt). Innerhalb des Satzgefüges wird aber eine kontrastreiche Textur erzeugt. Feinste Schattierungen kontrapunktischer Technik — Dichte und Durchsichtigkeit des Satzes; wechselnde Funktionen einzelner Stimmen, Verknüpfung von syllabischen und melismatišchen Partien, cadenze fuggite und kombinierte Kadenzen, die aus rhythmischen Verschiebungen zwischen zwei oder drei »verzahnten« Stimmpaaren resultieren, — alles das sind Mittel, mit denen Skjavetic die emotionellen, malerischen und klanglichen Bereiche des Textes musikalisch ausdrückt. (Vgl. Notenbeispiel auf S. 25.) Daß ein Text auch in verschiedenen Vertonungen durch seine Deklamationseigenschaften zu übereinstimmenden rhythmischen, manchmal auch melodischen Gebilden führen kann, beweisen einige Einzelheiten aus den beiden Vertonungen von Appariran per me le stell' in cielo: :J- J J J quando giunto (Lasso, T. 24 u. weiter; Skjavetiæ, T. 16) e jj j j verdi e fioriti (Lasso, T. 19, Sopran; Skjavetic, T. 10, Tenor). Acht bis höchstens zehn Jahre trennen die Entstehung der beiden gleichnamigen Madrigale von Lasso und Skjavetic. Beide wurden in den frühen Jahren der klassischen Reife dieser Gattung komponiert (1550-^ 1580). Und doch zeigen beide Werke wesentliche Unterschiede. Diese sind aber nicht eine Folge gegensätzlicher stilistischer Tendenzen, sondern das Resultat grundlegend verschiedener persönlicher Auffassung und Ausdrucksweise. Bei Lasso erwächst die Gesamtheit des Madrigals aus dem Gründcharakter der Textvorlage: ihre stille Heiterkeit spiegelt sich im breiten Atem, ruhiger rhythmischer Pulsierung und heller Klanglichkeit der Musik wider. Skjavetic dagegen ist ein Miniaturist: mit Freude hebt er Einzelheiten der Dichtung aus dem Kontext heraus und kleidet die Verse, in ein reiches, fast überladenes kontrapunktisches Gewebe. Lassos Werk ruft den Eindruck hervor, als ob der junge Meister aus der Fülle der ihm zur Verfügung stehenden oder nur erahnten Möglichkeiten nur einiges in bewußter Auswahl heraushole. Skjavetic aber scheint sein ganzes Können, seine ganze Ausdruckskraft ins Spiel zu werfen. Vielleicht dürfte ein solcher Gedanke auch den Ansatz zum Werturteil über die beiden Kompositionen geben. POVZETEK Glede na .to/, da je struktura renesanènega madrigala v veliki meri doloèena z odnosom med tekstom in glasbo, omogoèa primerjava dveh ali veè del na isti tekst dragoceno možnost odkrivanja osebnega izraza posameznih skladateljev. 26. V prièujoèem prispevku sta analizirana in primerjana dva madrigala, ki sta bila komponirana na isti tekst na zaèetku klasiène dobe v razvijanju te kompozicijske vrste. Lassova skladba je nastala med leti 1552 in 1554 (prviè objavljena 1560), Skjavetieeva pa je bila objavljena leta 1562. Predloga Appariran per me le steli' in cielo, na katero sta bila komponirana oba madrigala, je tipièno petrarkistièna alegorièna slika v enajstercu, bogata na metaforah in izrazitih muzikabilnih kvalitetah. Lasso in Skjavetiè sta pristopila k temu tekstu na bistveno razlièen naèin. Na temelju istih znaèilnosti renesanène polifonije je vsak od njiju ustvaril izrazito oseben glasbeni korelat pesnitve. èeravno je Skjavetiè na zaèetku svojega madrigala prinesel melodièni citat v èast velikemu mojstru, je nadaljnji potek njegove skladbe popolnoma razlièen od Lassove. O tem ne govorijo samo modus in kadence, ampak tudi tekstura in formalna zasnova njegovega madrigala. Medtem ko se Lassova glasba giblje brez ekstremnih notnih vrednosti, s pogosto rabo silabiènosti in sloga nota proti noti, z zmerno rabo ponavljanja in redkih primerov deskriptivniosti, pa je Skjavetiè v svojem madrigalu razvil bogat kontrapunktièni slog, ki ga oznaèujejo komplicirana ponavljanja manjših ali veèjih delov teksta, mojstrska raba kadenc, kontrastiranje med bujno melizmatiko in silabiènostjo kot nasprotjema med posameznimi vrstami gibanja. Lassova skladba rase v širokem loku k zakljuèku in deluje kot vedra, lahkotna slika, nastala iz splošne atmosfere teksta, Skjavetiè pa jé s fino igro detajlov oživel slikovite, emocionalne in zvoène plasti poetiène: predolge. 2%