Dichtungen vvn Verlag von Ig. o. Rleinmayr Zc Fed. Bamberg. 1887. Ich darf mit lautem Stolze sagen' Ich bin aus Oberösterreich, Das in des Frühlings Blütcntagen Fast einem Paradiese gleich; Und dennoch, trotz der grünen Anen Und der Gebirge blauer Wand, Zieht es mich hin nach deinen Gauen, Geliebtes, deutsches Vaterland! Dich liebt' ich in dem ersten Klange, Dem voller Andacht ich gelauscht, Wie in dem göttlichen Gesänge, Der sturmgewaltig mir gerauscht. Was seit der goldncn Kindheit Wiege Mir träumend vor der Seele stand, Du hast's erreicht mit jenem Siege, Geliebtes, deutsches Vaterland! Gleichwie ein Kind den Strauß der Blüten Als Feflgeschenk der Mutter weiht, So möcht' auch ich den Kranz dir bieten Aus Liedern sturmerregter Zeit. Es bangt mir, ihn zu überreichen, Doch ist zu stark der Liebe Band; Nimm aus den Händen ihn, den bleichen, Geliebtes, deutsches Vaterland! IV Widmung. Mir ist, ich sei auf Tempels Stufen, So herrlich stehst du über mir; Und mit dem Säuger muss ich rufen: «Was gälten diese Lieder dir?» Doch solltest du den Kranz zertreten, Den ich voll Ehrfurcht für dich wand, Ich will noch sterbend für dich beten: Geliebtes, deutsches Vaterland: Inhalt Jugcirdftiinuren. Seite Der wandernde Sänger. 1 Kriegers Abschied. 2 Die Waldkapclle. S Am Grabe der Mutter. Alt Wilhelm Müller. Seite Im Lärchenwäldchen. s Ins Kloster. 8 Im Grünen . . 7 Die Eiche. 7 Kus den Jugenddramen. Aus «Marina» 8 j Aus dein Drama «Der Wiedertäufer» 12 Aus Wald Sonntagsmorgen . 17 Frühling . 17 Wandern . 18 Das Bächlein. 20 Alpenrose. 21 Vergissmeinnicht. 22 Kornblume .22 Tanne. 23 Lawine . 23 Der grüne Wald. 24 Der Spaziergang. 25 Auf dem Golovec . 26 und Feld. In der Fremde. 27 Im Friedhöfe. 28 Auf dem Berge. 29 Damals.30 Frühlingslieder 1885, 1—7 . 31 Frühlingslied 1886 . 33 Frühlingsstimmung .. 33 Das grüne Gras. 34 Oberrosenbach. 35 Ferien. 36 Triest. 38 Kram. 41 I« heimatlicher Muudart. 's Hügerl. 46 's Waldhäusl. 47 Meiner Beim Anblick eines Kindes.53 Mein Glaube. 54 Der kranken Mutter . 55 Mein Lieblingsplätzchen. 57 ! Der Rccrut. 47 Mutter. Die ersten Blumen.58 Nähe . 59 Zum Sterbetage . 59 Einst nnd jetzt . 60 VI Inhalt. An Dvra. Seite Maienzeit. 63 An Dora . 64 Liebesglück . 65 Erlösung . 66 Ausblick. 67 Lorbeer und Immortellen.68 Seite Lorbeer und Myrte. 68 Als ich unsere Wohnung zum ersten- male sah.69 An einem trüben Herbsttage.70 Abschied von meinem Junggesellen- zimmer. 70 In antiker Form. Elegie. 72 Phaeton. 76 Dionysius. 77 An die Musen . 78 Au Julius Stifter. 78 Phintias. 80 Dämon au Phintias. 80 Phintias an Dämon . 81 Geheimnis. 82 Erwartung . 82 Italien. 83 Nichts als Träume. 83 Daheim. 84 Gefunden. 85 Die Zunge. 86 An einer Mädchenschule. 86 Begegnung. 87 Am Meeresstrande . 89 Epistel. 91 Auf Heinrich Leuthold. 93 Abschied von Frekstadt . 94 Wunsch . 95 Melk. 96 Kremsmünster. 97 Auf Amand Baumgarten. 98 Blick in die Zukunft. 99 Herrn Prof. Kn... . und Consorten 100 Epigramme und Spruche. An Eos.102 Das Bad.102 Liebesglut.102 Goethe .102 Schiller.102 Bei Scheffels Tod.103 Antwort.103 Bei Eröffnung der St. Gotthard Bahn 103 Die deutsche Kaiserfamilie .103 Zum Ringtheaterbrande .103 An Herder .104 Weltlauf.104 Den Kritikern.104 An.104 An die Sterne.104 Dem Volksredner.104 An R. v. Sch.105 Zum Sprachenkampf.105 Den Antisemiten.105 Der Tod .105 Gott in der Natur.106 Dem Deutschen in Ungarn.106 An Christus . . . '.106 Den Aufklärern.106 Im Waggon . 106 An Deutschland.107 Dem oberösterreichischen Bauernvereine 107 Ritornelle auf oberösterr. Dichter... 108 Guter Rath.109 Intermezzo. In der Lattermannsallee.HO Inhalt. VII Sonette. Heimateriunerungen. 1. Im Lärchenwäldchen .120 2. Auf dem Kreuzberge .121 3. Hofwiese..121 4. Im Garten.122 5. Vor dem Gartenhause.122 6. An der Krems.123 Seite An den erwählten Erzbischof von Wien Cölestin Ganglbauer.124 An I. Gm.124 An Ant. S.125 Laibach. Auf dem Schlossberge .... 126 Stimmung.126 Früh tingsMnm ungrn. 1-1L .128 Walfrida. Walfrid» .1« Zeit und Gelegenheit. An da« Glück.iSi Daheim.«>S Boll und Dichter . ..ISS An Obcrösterreich.1S7 All Austria.ISS Zeitgedicht.161 Glosse.16S Gebet.165 Der deutsche Schulverein.166 Dem deutschen Volk in Oesterreich . . 169 An die Sonne.171 An Ludwig II. von Bayern . 173 Turnerlied.175 Was musstest du die Heimat lassen . 176 Zur Lösung der socialen Frage.... 178 So noch ein Glaube in dir ruht ... 179 Die drei Freunde.181 Ankunft in Freistadt.182 Rettung in die Einsamkeit.184 Veldes.188 Erinnerung an Julie.189 Am Allcrseelentage.190 Geständnis .192 Erinnerung.193 Gefunden . ..194 Zwei Lieder aus «Mönch Hucbald» . 196 Nach fremde« Motive«. Dietmar von Aist.iss Kürend crg.so« Walther von der Bogelweide, 1-1» . sog Nach Preschircn l Mein Heimatdorf.211 Orpheus.211 Ain heiligen Grade.21S Ich suche sie .21S Wohin .213 Abschied voll der Jugend.213., Die verlassene Mutter ........ SIS Stach Jenko i Liebesglück .SIS Bor der Thüre.SIS Abschied.SIS Hüt' dich Gott.S17 Unvergessen.S17 Begegnung.si? Nach Horaz: An die Lyra.S18 Au Chloe.sig Der Myrtenkranz.sig An Thaliarchus.sig An die Habsüchtigen.sso An Dcllius.SSS An Licinius .SS3 An Lydia.2S4 vili Inhalt. Der kleine Däumling. Seite Der kleine Däumling.225 Schneewittchen. Schneewittchen .259 Erzählende Gedichte. Seite Ahnung.285 Frau Hitt.285 Gunnars Schlangenthurm .286 Die Hütte am Strand.287 Der Lindenbaum.289 Seite Iphigenie Am Meeresstrande.292 In Zwischenwässern..293 Ceres.294 Guot water, w!n better.303 Der Wanderer .307 Anmerkungen . sn Jugrildstimmni. o Der wandernde Sänger? Die Geige auf dem Rücken, Am Knotenstock die Hand, So schwärm' ich voll Entzücken Durchs deutsche Vaterland. Der Vogel auf dem Zweige Singt munteren Gesang; Ich spiele auf der Geige Dazu den Hellen Klang. O Lust, dahin zu wallen Durch Feld und Buchenhain Und niemand zu gefallen, Als Gott und sich allein. Ob Wind und Wetter blasen, Kein König ist mir gleich; Mein Bette ist der Rasen, Der grüne Wald mein Reich. Und wo ein Bächlein blinket, Da trink' ich kühlen Wein; lind wo ein Apfel winket, Lädt er zu Gast mich ein. 2 Jugendstimmen. So geht's dahin mein' Straßen, Ans nichts bin ich gestellt Und möchte nimmer lassen Das Köstlichste der Welt: Die Geige auf dem Rücken, Am Knotenstock die Hand, Zu schwärmen voll Entzücken Durchs deutsche Vaterland! KrirgrrK Abschied. Lebe wohl, mein Liebchen traut, Kriegstrompeten schallen Schon zum Kampfe überlaut, Uud die Fahnen wallen. Einmal noch die Hände! So! Jetzo mag's zum Streite Gehen und die Trommel froh Wirbeln in die Weite. Liebchen, nicht gewcinet doch! Lächle doch ein bischen! Und ein Blnmensträußchcn noch Gib nur und ein Küsschen. Armes Liebchen weinet bass, Thät am Fenster lehnen, Rosenstock und Veilchen nass Küssen mit den Thränen. Illgendstimmcn. Schwalbe singt Nom grauen Dach Wehmnthsvolle Lieder, Und das Täubchen girret nach: Kommet nimmer wieder. Und die Monde, sie vergehn Unter Schmerz und Jammer; Nimmer weinet Mägdlein schön In der stillen Kammer: Denn es sank der Jüngling wild Unter Kugelregen - lind die Jungfrau schlummert mild Unter Bltttcnsegen. Dio Wald Kapelle. In Waldes tiefem Dunkel, Bon Epheu rings umweht lind Blnmcndnft umsäuselt, Ein altes Kirchlein steht. So einsam steht's, verödet, Im frischen Blättergrün, Nur Vöglein singen Lieder Der Andacht still darin. Oft flüstert's von den Glocken Von längst verrai'kschter Zeit, Da fromme Waller kamen Zu Kirchleins Einsamkeit; 4 Jugendstimmen. Und linde Lüfte tragen Es weiter durch den Hain, Dann träumt sich wieder alles In tiefen Schlummer ein. Und wie das Kirchlein schlummernd Zerfällt im grünen Wald, Schläft auch der Glaube draußen, Der Glanbe gut und alt. K Nur Grabe der Mutter. Frristadk 1862. Wie denke ich voll Andacht an die Wiege, In der du mich, o Mutter, einst geschaukelt, In Liebe scheuchend jede Sommerfliege, Die um mein zartes Angesicht gegaukelt! Dein Auge war's, das wie der Himmel blaute, Als es zuerst mich gehen sah und fallen; Dein Auge, das die höchste Lust bethaute, Als ich begann, das erste Wort zu lallen. Und nun — Iveh mir — steh' ich an Hügels Saume, Ob dessen Gras sich Sommerfalter wiegen, Und lasse in dem schwcrmnthsvollsten Traume Die Kinderzeit an mir vorüberfliegen. Und wieder schwebt das Wort auf meinem Munde, Das deinen Namen spricht mit tiefem Sehnen; Doch nimmer lauschest du auf jene Kunde, Und auf den Hügel fallen meine Thränen. IugkndstlMlnen. 5 Nn Wilhelm Müller. Ei, wozu sich lang betrüben? Wenn man solch ein Büchlein fand, Nehme man nur jene lieben Frühlingsknospen in die Hand. Wahrlich, solche Liederklänge Schmeicheln sich ins Herz hinein; Und es wird uns fast zu enge In dem trauten Kämmerlein. Schnell gepackt mein bischen Habe, Denn es lässt mir keine Ruh'; Aber legt zum Wanderstabe Wilhelm Müller auch dazu! Solch ein klingendes Geleite In der Gottes freien Welt Macht, dass uns die liebe Weite Noch einmal so gnt gefällt. lind ich wünsche keinen andern Znm Gefährten als nur dich, Denn du willst nur wandern, wandern, Und nur wandern will auch ich. Sk Im Lärchonwäldchrn. Zierlich malt den Raseichügel Lauschig grüner Lärchenhain, Und die hohen Wipfel glänzen In dem Abendsonnenschein. 6 Jugendstimmen. Blumenaugen schauen freundlich Aus der Wiese zartem Grün, Munter rauscht die junge Quelle Zwischen Silberweiden hin. Und zwei Helle Kreuze schimmern Von der Thnrme grauem Dach; Ernste Glockentöne rufen Einem thenren Todten nach. Alles kommt und geht auf Erden, Du auch, stiller Lärchenwald, Meiner sonnig heitern Kindheit Vielumworbner Aufenthalt: Wie gar bald wirst du die letzten Grüße mir entgegenwehn Und mich scheidend aus der Heimat In die Fremde ziehen sehn! Jus Kloster. Das Posthorn thät schon blasen, Lieb Mütterchen, ade! Muss in den Klostermauern Mein Leben jung vertrauern, D'rob ist mir gar so weh. Jugeildstimmen. 7 Es blüht auf grünem Rasen Und glüht, wohin ich seh'; Auf allen Zweigen springt es, Ans allen Lüften klingt es: Lieb Mütterchen, ade! ch Jur Grünen. O lasst mich rnh'n im Grünen hier, In Träumen mich ergehn; Da träumt sich's gut, wann über mir Die Frühlingslüfte Wehn. Sie ivehn ja auch in der Heimat fern, Der trauten Heimat mein, Und tragen Wohl gar oft und gern Mir Grüße aus und ein. 4* Die Eiche. Bist du die alte Eiche wieder, In deren Schatten ich als Kind Mich stellend saß der heitern Lieder Vom Hirtenknaben, süß und lind? Du bist's! Noch grünet deine Krone Wie einst, durchweht vom warmen Süd; Doch nimmer lausche ich mit Wonne Vom Berge jenem Hirteulied. Aus den Jugrnddramkii. ch Aus «Warina ." Aus I., 1. Porl»uiestschrr Gr>a»dkrr: Auch alter Zeiten und ins Reich der Sage, In grauer Bvrzeit Dämmerung gerückter Gedenkt mein König, da noch stark und mächtig Nach außen hin, im Inneren geeinigt, Ein Scepter nur die beiden Reiche lenkte. O schöne Zeit, da wir so friedlich wohnten Wie Brüder in den üppig grünen Fluren, Nichts Arges kennend, keine blutige Fackel Des Krieges, nicht den Brand der stillen Dörfer, Die Bruderhand in Schutt und Afche legte. Du wiegst das Haupt, und sinnend blickst du d'reiu. O, jetzt, nur jetzt lass deines Herzens Rinde Aufthauen vor dein Morgenstrahl der Sonne! Die Tage nahen, wo das Scepter zittert Dir in der bleichen, altersschwachen Hand, Und matt bist du und müde deines Amtes. Und schwer auch drückt die Krone meinen König; Schon schüttelt er das weißgelockte Haupt, Das vielerfahrne, schwergeprüfte, sehnend, Sich auszurnhen in der Väter Gruft. Aus den Jugenddramen. 9 Dvch eine Tochter lebt ihm, schön Ivie Blumen, Die glänzen in dein Maienkuss der Sonne; Dir wächst ein Sohn, gleichwie die junge Tanne Empvrgcrichtet, schlank, voll Mark nnd Stärke. O lass, mein Fürst, sich unsre Blume schmiegen An diesen Stamm, dass er sie schirmen möge, Die zarte Blüte vor dem Sturm des Lebens! Gib deinem Sohu zur würdigen Gemahlin Die Tochter meines Herrn, nnd jubelnd werden Beherrschen die naturvereinten Lande Fernando und von Portugal Maria! Aus I., 2. König Mplzons (übergibt Dvn Fernando das Scepter): Ich lege es iu deine jungen Hände, Verwalte wohl das uralt heil'ge Erbe! Der Kirche sei ein felsenfester Schild, Ein Hort dem Adel, der dich schützt und schirmet, Dem Volke sei ein Vater, ernst nnd mild! Viel schenke deine königliche Rechte, Ein gastlich Herd, für jeden Fremdling offen, Sei deine Burg! Dies macht dich wert nach außen, Im Inland schafft es treuergeb'ne Freunde. Drück' nicht das Volk mit allzu harten Steuern! Es ruht kein Glück auf thränenfenchter Gabe. Den Kläger hör', doch leih' auch dem Geklagten Ein gnädig Ohr! Dein Urtheil sei besonnen, Im weisen Rath der Edlen ausgebrütet, Doch unabwendbar, wann du es beschlossen. Hab' Gott vor Augen und das Volk im Herzen, Des Volkes Liebe und des Himmels Segen, Die besten Stützen sind's, die mächtigsten des Thrones! 10 Aus den Iugenddramen. Aus H., 1. (Buntes Zigeunerlager im Walde. Gelage, Würfelspiel, Gesang. Abseits Marina unter einer Eiche, stumm und theilnamslos.) Erster Zigeuner: He! Mutter Merla, ist kein Wein mehr im Lager? Unsere Kehlen sind trocken wie Spritzschläuche, die drei Jahr in der Sonne gestanden und kein Wasser gesoffen. Merla: Presst euch Wein aus Tollkirsch und Nieswurz, wird euern Durst löschen, besser Ivie Rebensaft. Hast gewonnen, Carlos, alte Spielratte? Erster Zigenner: So viel, als ihr Zähne im Maul — Merls: Glatzschädel! Immer besser, als kein Haar auf dem Kopfe! Wo ist Marina? Zweiter Zigeuner: Dort unterm Baume hockt sie und brütet wie eine Henne über den Eiern. Merla: Ans! falsche Natter, auf! Marina: O, seid nicht böse, Mutter, wenn mir nicht Der andern Lärm, Gesang und Tanz behagen - Ich bin so gerne einsam und verlassen, Von Kindheit an ist mir der Hang geblieben. Ihr wisst es doch, wenn andre Mädchen spielten Auf grüner Flur und bunte Kränze wanden; Wenn sie sich haschten mit verbnnd'nen Augen, Mit Buben sprangen über Bach und Graben: Ich suchte mir den Eichenbaum im Walde, Wo frommer Sinn ein kleines Kirchlein baute — Aus den Iuqenddramen. 11 Der Mutter ist's, der himmlischen, geiveiht Da lauscht' ich dann dem Vogelsang, dem Murmeln Des Baches, der durch Blumeuraukeu floss, Und träumte von so wundersamen Dingen: Von einer Burg, von goldner Becher Klang: Mir ward so wohl und doch so weh und bang, Und immer zog's zur Einsamkeit mich hin, Ich floh der Mädchen Spiel, der Knaben frohen Sinin Aus Iti., 1. König Alp ho ns (tritt cm das Fenster): D» bist noch glücklich! Welch ein Land Dehnt blühend sich bis an den Strand Des blauen Meers, wo buntbewegt Der Hafen von den Nationen Aus aller Welten Regionen Die Wanderlust in uns erregt. Und in die Fernen geht die Fahrt; An Bildern wunderseltner Art Der rege Geist vorüberstreift, Der weiter, immer weiter schweift. Und so umsegelt ist die Welt, Die unseru Blick gefangen hält, Sehnt sich der Mann, mit edlem Wissen Bereichert, nach geraumer Frist — Die liebe Heimat zu begrüßen, Fühlt, dass es dort am schönsten ist. Der Laudmauu eilt vergnügt zum Pfluge, Wie das Gewerbe wohl gedeiht!" Es schlürft das Volk in vollem Zuge Den Frieden ein nach blut'gem Streit. Und diesen Frieden, der die Weihe, 12 Aus den Jugeuddrameu. Des Sonntags rings im Land ergießt, Das an den Thron mit fester Treue, Wie Blatt an Blut' gekettet ist, Willst du, mein Sohn, in Uebermuth Von nencm mit dem Schwert zerspalten? So soll des wackren Bürgers Blut Den grünen Rasen wieder färben? Du stürzest selbst dich ins Verderben; -- Beschütze du ihn, göttlich Walten! 4 Aus dem Drama «Der Wiedertäufer ." Aus I., 1. (Münster. Zimmer bei Meister Conrad.) Mutter (legt Wäsche in den Kasten): Nun, was schreibt er? Marie (liest den Brief): «Ich habe Leyden verlassen. Angenehme Erinnerungen knüpfen sich für mich an diese Stadt. Und dennoch ist mir der Abschied leicht geworden, erwartet mich doch in wenigen Tagen das reichste Glück: an deiner Seite zu seiu. Lebe wohl! Grüße an die Eltern. Auf Wiedersehn! Dein Franz.» (Eilt auf die Mutter zu uud küsst sie:) Mutter! Er kommt! Mutter: Du gutes Kind! Wie deine Augen leuchten! Nun, Gott weiß, Ich tanzte selbst den Reigen, dass er kommt. Des Vaters Haare sind schon bleich geworden, Aus den Jugenddramen. 13 Und seine Kraft zergeht, eh' man es ahnt; Und ich — du siehst es, über Stock und Stein, Wie einstens, dürst' ich freilich nimmer springen, Da kannst dir denken, Kind, wie cs mich treibt, Dir bald den Kranz ins braune Haar zu flechten. Marie: Wie er wohl ausseh'n mag! Ich seh' ihn noch - Drei Jahre sind's, wie er zum letztenmal Dort auf der Schwelle stand. Frühmorgen war's, Ein frischer Hauch zog wehend durch die Welt, Und an der Halde vor dem Thore schlugen Die ersten Veilchen ihre Augen auf. Du zwangst ihm ein Stück Kuchen in die Tasche, Der Vater aber reichte ihm die Hände: Mach's kurz, sprach er, wer reist, der darf nicht zögern. Der arme Franz! Die Hellen Thränen standen In seinen Augen, doch zerbrach er sie, Du weißt ja doch, was stets der Vater spricht, Entehrend seien Thränen für den Mann. Mutter: Nun, Gott sei Dank! Wie das doch freut, wenn alles So wohl geglättet in dem Kasten liegt! Marie: Du bist auch zu genau! Mutter: Was fällt dir ein? Man sieht sich nur zu gerne durch die -Finger Und meint, man sehe nicht. Doch horch, es muss — Soeben läutet es! Marie: 14 Aus den Jugenddramen. Mutter: Gib mir das Tuch! O, selig, wer deu Feierklang der Glocken In dieses Lebens ernster Zeit vernimmt; Sie sind ein Rnf vom Herrn. (Geht zur Thür.) Marie (eilt zur Thür uud küsst die Mutter.) Mutter: Dn närrisch Ding! (Ab.) Aus I., 4. Der Meister (zu- Frauz): Die Wiedertäufer sind's. Was jung und blöd, Drängt gaffend sich heran; denn Leute sind's, Gar wunderlich von flitterhaftcm Auszug. Vorau ein Jüngling, seltsam anzuschanen; Ein blauer Mantel — wo er ihn gestohlen, Das weiß der Himmel — Hieng um seine Schultern, Und mit gesenktem, schwärmerischem Blick Durchschritt er, eine Krone auf dem Haupt, Nicht golden zwar, doch funkelnd so wie Gold, Zunr Aerger guter Christen unsre Stadt. Uud alt und jung in krausem Durcheinander Umströmten ihn. Den Männern aber sah Ei» kühner Trotz nud wilder Muth vom Auge, Das bald geheftet auf das blanke Schwert, Bald aufwärts schaute zu dem Blau des Himmels. Dem Magistrat begauu der Kopf zu wackeln, Der Bischof zitterte für seine Kette, Alls den Jugcuddrmuen. 15 Und was den Glauben liebt, griff nach den Waffen. Der Brunnen ward zur Kanzel, und wo sonst Die Dirne schäkernd mit dem Burschen stand, Wenn sich der Mond in einer Wolke barg, Da schwankte jetzt nur Predigt und Gesang Herüber und hinüber, sowie wann Sich Vögel überpfcifen. «Wo bisher Nur irdisch Wasser floss,» also begann Der finstre Alte mit dem Silberbart, «Soll jetzt der reine Quell des Lebens strömen, Den uns der Antichrist getrübt!» Es war Der Papst gemeint. Und ans den Lippen fuhr» Ihm wie ein Feuerstrom; wer so ihn sah, Ein zweiter Moses schien er da zu sein, Wie er oom heil'gen Berge niederstieg, Die Gottestafeln in erzürnter Hand, Die fluchend er am goldnen Kalb zerbrach. Das war ein Zunder für den Strom der Menge! Das Haupt entblößend, standen sie und staunten; Die Alten schütteln es, und sich bekreuzend, Gehn die Matronen stumm und still von dannen. Die Schuldner kichern; lachend schwingt der Strolch Den derben Stock — sein Handwerk ist geadelt; Ja, dass ich sag', du kannst nicht dreimal niesen Und «Gelt's Gott!» sagen, ließen ihrer viele Sich wiedertaufen und verleugneten Die Taufe, die zu Christen sie geheiligt. Aus IV., 1. Marie: Ist tiefe Nacht. Wohl, dem die Nacht den Schlummer Auf seine Angen wie ein Engel drückt, Und dreimal Wohl, ist es der Geist des Todes. 16 Aus den Jugenddramen. (Spricht zu den Blumen am Fenster:) Bist du's, o Nelke? Siehst mich mahnend an; Ist dir das Leben ein so theures Gut? (Begießt sic.) Nimm hin! Nnn schlaf und träume fort und fort! Hörst du? Sie schläft, und nun bin ich allein. Ein hartes Wort: allein. - Da nagt Der Wurm des Grams so still und ungestört Und bohrt sich tief und immer tiefer ein Bis an die Wurzel, d'ran das Leben hängt; Da kehrt er um und fängt von vorne an. Aus Wald und Feld. 4 Smmtnlwnwrgeri. Klingt herein, ihr Mvrgenglocken, Auch in mir es singt und klingt; Draußen Wirbeln weiße Flocken, In mein Herz die Sonne dringt Und lockt Töne, lang verborgen, Leicht und lieblich mir heraus: Sonntagsmorgen, Sonntagsmorgen, Klinge ewig so ins Haus! K Frühling. Der Winter ist zerronnen, O singt cs weit und breit: Es kam mit ihren Wonnen Die goldne Frühlingszeit. Empor zum Himmel schwingen Die Lerchen sich vom Thal, Und alle Vöglein singen, Voran die Nachtigall. Aus Wald und Feld. l8 Die Veilchen an der Halde, Die Röslein an dem Strauch, Maiglöckchen in dem Walde, Sie streuen süßen Hanch. Wie geben die Wegwarten So holden Augenschein Und blaut am Quell im Garten So schön Vergissnichtmein! Das Krant Jelängerjelieber Schon um die Laube blüht Und athmet heißes Fieber Ins sehnende Gemüth. Und wie ein tausend Wunder Springt auf der Ehrenpreis, Es öffnet der Hollunder Die Blüten blau und weiß. Und Käfer surren und Bienen Ums blühende Lindendach, Und unter den Erlen, den grünen, Geschwätzig rauscht der Bach. Doch lass es rauschen und sprießen, Ein Blümchen wächst auf der Heid', Mit dem will ich kosen und küssen, Es ist ja Frühlingszeit! Wandern. So hänge dir die Fiedel um Und sag' dem Heimatthale, Das vor dir liegt so still und stumm, Ein herzlich letztes Vale. Aus Wald und Feld. 19 Es geht nun in die Welt hinaus, Die, eine schöne Frane, Dich locket aus dem engeu Haus In Wald und Wies' un- Aue. Auf allen Zweigen singt's und klingt's Von lustigen Musikanten; Von allen Aesten driugt's und spriugt's Ans tausend Knospenbandeu. Die Lerche wirft sich in die Luft Und löst sich auf in Schmettern; Wohin man sieht, nur Klang und Duft Auf allen Blumen und Blättern. Halloh! Halloh! Frau Welt, Frau Welt! Ich will mit dir nun wandern, Wohin es dir nnd mir gefällt, Und frage nichts nach andern. Wegweiser ist der Felsenbach, Der immer keck und munter Von Stein zu Steine springt und jach Zur Tiefe schäumt hinunter. Und Uw znm trauten Stelldichein Sich Sommerlmchen lauben, Wirst du mit einem Mägdelein Mir Küsse wohl erlauben? Und wo im Häuschen nebenan Ein Tannenreisig winket, Da hält ein flotter Bursche au Und trinket, trinket, trinket. 20 Aus Wald und Feld. Ein lustig Lied und leichtes Bice Und Maid mit rothen Wangen, Den blauen Himmel über dir, Was willst du mehr verlangen? Du gleichst dein Vogel, welcher springt Von einem Zweig zum andern: Man küsst und kost und zecht und singt, Halloh, nur Wander»! wandern! Das Bächlein. Ich bin ein Kind der hohen Berge Und rausche in das Thal hinab; Noch hat kein übermüth'ger Ferge Bezwungen mich durch seinen Stab. Doch immer weiter geht's hinunter Und immer müder wird der Lauf; Ein breites Wicsenthal voll bunter Und zarter Blumen nimmt mich auf. Mit Augeu blau und weiß und golden Sie drängen sich au mich heran, Doch hat nur eines von den holden Der Blümlein es mir angethan. Statt über Felsen nun zu setzen, Wie einst im frohen Uebermnth, Möchi' ich ihm seine Augen netzen Mit meiner silberklaren Flut. Aus Wald mid Md. 21 Und Wenn ihm dann die Hellen Perlen Jni Auge stehn, wird mir so bang, Und unter Blumen, unter Erlen Ich möchte träumen sommerlang. Doch von der Liebe ersten Freuden Drängt es mich fort; ihr ahnt es nicht: Ach, Scheiden thut so weh, ach Scheiden, Gehab dich Wohl, Vergissmeinnicht! 4 Alpenrose. Ich stehe kühn und unverzagt In Sturm und Ungewittern; Doch so man mich zu brechen wagt, Da muss ich bang erzittern. Die Menschen thnn mir gar so weh, Drum bleib' ich in der Wolken Näh' - Und kann nur dort gedeihen. O böser Knabe, lass mich stehn! Was willst du mich verderben? Jetzt als lieb Röslein anzusehn, Muss ich gebrochen sterben. O Mägdlein, Mägdlein, Hute dich, Er wird dich brechen, so wie mich, Und deine Wang' verglühet. K 22 Ans Wald und Feld. Vergissmeinnicht. Ich blühe an dem Wiesenrain, Tief unten an der Quelle, Und tauche meine Aeugelein Wohl in die klare Welle. Die aber kommt, und kaum gesehn, Muss sie schon wieder von mir gehn Und kehret nimmer wieder. Ein Mägdlein kommt des Weges traut Mit Aeuglein, gleich den meinen; Und hab' ich gut und recht geschaut, So thät es bitter weiuen. Und immer leis' es vor sich spricht: O du mein Lieb, vergiss mein nicht, Wie ich nicht dein vergesse. Sk Kornblume. Ich bin so gar ein armes Ding Im Kreis der goldnen Aehren; Fast einem jeden zu gering, Will niemand mein begehren. Erst seit des guten Kaisers Blick Auf mir geruht, ist mein Geschick Ein freundliches geworden. Nun blühe ich in höchster Lust, Wie unter Zaubers Banne, Und schmücke jedermann die Brust, Dem Jüngling wie dem Manne. Aus Wald und ^eld. 23 Wer deutsch im Herzen ist, der bricht Nicht Rosen und Vergissmeinnicht: Ich bin die deutsche Blume. ch Tanne. Ich klimme die steilsten Höhen hinauf, Wo Wolke und Fels sich berühren; lind kommen auch Wasser in zürnendem Lauf, Mich fort in die Tiefe zu führen, Wo Veilchen duften und Amsel schlägt, Ich stehe so furchtlos, kein Sturm mich bewegt, Granitenem Felsen vergleichbar. Und wo nur ein Krümchen der Erde geheim Sich unter dem Moose verstecket, Ich sende hinunter den kräftigen Keim, Bis ans Licht ihn die Sonne erwecket; Und pflanze so siegreich, ein stürmender Held, Das sprossende Leben bis hinauf in die Welt Der ödesten Felsen und Firne. Lawinr. Verwegener Spötter, ich fürchte dich nicht, Was sind mir Felsen und Tannen! Ich brause hinunter, und alles bricht" Und folgt wie reisige Mannen Hinab in das singende, klingende Thal, Wo vor der Sonne erwärmendem Strahl Der Frühling knospet und keimet. 24 Aus Wald und Feld. Die Dächer zersplittern, die Steinwand zerschellt Wohl unter der wnchtigen Schwere; Und so weit das Auge, das menschliche, fällt, Erblickt es nur trostlose Leere. Drum wehe, wer zu entrinnen sucht, Ich schmettre ihn nieder mit donnernder Wucht, Ein Geist, der alles zerstöret. Drr grüne Wald. Was mir am innigsten gefällt, Das ist der grüne Wald. Die reichste Tafel ist bestellt Mit Beeren mannigfalt. Vorn Felsen quillt der beste Wein, Der wie Demanten blinkt; Es bleibt der Kopf so frisch und rein, Wenn man von diesem trinkt. Und auf den Zweigen musiciert Ein Völklein ohne Lohn; Du darfst nur winken, und es schwirrt In alle Welt davon. Nun wird's um dich so mäuschenstill, .Die Tanne wiegt dich ein; Es ist das Moos so weich und kühl, Und du bist gauz allein. So weit's das grüne Zelt erlaubt, Besieht dich blaue Lust; Waldblumen blühen um dein Haupt Und athincn süßen Duft. Aus Wald und Feld. 25 Und so du kaum entschlummert bist, Wirft schon der Tannenbaum, Was du am liebsten hörst und sichst, Herab als goldnen Traum. Du wandelst Wohl im Paradies? So selig lacht dein Mund — Da kommt der Grünspecht, und gewiss, Er weckt dich auf zur Stund'. Und was dir gab der Erde Schoß An Beeren und an Wein, Und für den Schlaf im kühlen Moos: Was wird zu zahlen sein? Juchhe! Nicht einen Kreuzer Geld! So rufe, dass es schallt: Was mir am innigsten gefällt, Das ist der grüne Wald! Der Spaziergang. Seid mir gegrüßt, ihr malerischen Gruppen Von Wald und Wiese, Kirchen und Kapellen, Die mit den Thürmeu, den so freundlich Hellen, Herniederschauen von belaubten Kuppen! Hoch über mir die ersten Lerchen schmettern, Das Licht der Sonne freudig zu begrüßen, Die blauen Veilchen an der Halde sprießen, Und au den Halmen bunte Käfer klettern. 26 Aus Wald und Feld. Doch lasst mich tiefer in die Waldung schreiten Und unter diesen immer grünen Säulen Vieljähr'ger Tannen in Betrachtung weilen; Der Wildbach mag des Wandrers Schritte leiteiu Ich liebe diesen munteren Gesellen, Den immer plaudernden, an meiner Seite, An dessen Saum - das lieblichste Geleite — Sich Blumen tauchen in die Silberwellen. Und wie in Domes feierliche» Hallen Umfängt mich jetzt ein andachtvvlles Schweigen; Zuweilen nur, dass von verborgnen Zweigen Der Kuckuck lässt de» Frühlingsruf erschalle». U»d alsbald wiegt der Felstmquelle Lispeln Mich in de» goldigsten der Frühlingsträume, Wie spielend legen sich die leichte» Reime Auf meme Lippe bei der Blätter Mispeln. Doch wehe mir! Ein übermüthig Lachen Tönt durch deu Wald. Die bösen Menschen komme» Und von der Seele ist der Traum genommen; O welch ein nüchtern schmerzliches Erwachen! sc Auf drm Golovec/ Keine Seele weit und breit, Nur die Bienen summen In geschäst'ger Einsamkeit lieber Waldesblnmcn. Ans Wald und Feld. 27 Ab und zu der Kuckuck ruft Aus verborgnem Staude, Unter mir in Silberduft Träumerische Lande. Und von meiner Seele flieht All das heiße Streben; Hehrer Friede in mich zieht In des Waldes Weben. Von der Menschenwelt entrückt — Alle Wunden heilen, lind ich glaube, still entzückt, Wie in Gott zu weilen. 2 In der Fremde. «Sage mir, was ist dir wieder, Dass du so die Augen senkst? Tauche die Gedanken nieder, Die du nach der Heimat lenkst! Auch die fremden Wälder grünen Voller Glanz und voller Duft, Und von Sonuengold beschienen Steigt die Lerche in die Luft.» -O dass sie auf ihren Flügeln Fort mich trüge ruhig, fest, Bis ob heimatlichen Hügeln Sie herab die Schwingen lässt. 28 Aus Wald und Feld. Ob die Wälder noch so funkeln In der Maiensonne Licht: Meine Augen sind im Dunkeln, Denn die Heimat ist es nicht. Im Friedhöfe. Sei mir gegrüßt, du enge Pforte, Ich trete siuueud durch dich ein, Um an dem stillsten aller Orte Für mich ein Träumender zu seiu. O welch ein feierliches Schweigen! Nur Vöglein fliegen ab und zu, Und hohe Liudeuäste neigen Sich rauschend über Grabesruh'. O sieh das Kreuz, das müd' vor Alter Sich über den Hollunder beugt, Zu dem ein sommerblauer Falter Die uuentschloss'nen Flügel neigt. Und in den Zweigen wird's lebendig, Horch, wie der Fink in Liebe schlägt, Indes das Weibchen so behendig Ein Würmchen nach dem Neste trägt! Fast ist es mir, ich könnte nimmer Aus diesem Friedhofgarten gehn, Wo in der Abendsonne Schimmer Nur Blatt und Blume auf mich sehn. Alls Wald und Feld. 29 Es hült so heimelnd mich gefangen, Und süßer Friede mich umfließt: Wie sollte auch dem Herzen bangen, Wo ans dem Tod nur Leben sprießt! Auf dem Berge. Erklommen ist nach vielem Schweiß Des Berges Haupt; schou bricht Aus einer Wolke silberweiß Des Mondes ruhig Licht. Den. dunklen Aether nah und fern Erfüllt es bläulich schön: O welche Zanbernacht des Herrn, Welch heilig Gotteswehn! In majestätisch stummer Pracht Steigt Berg an Berg empor; Das alles tritt in dunkler Nacht So geisterhaft hervor. Es leuchten in des Himmels Dom Die Kronen weiß wie Schnee, Erhaben stießt des Eises Strom Zum dunkeläugigen See. Und flimmernd in des Mondes Strahl, Wie wogt im süßen Traum Das sonst so freundlich grüne Thal In Silbcrnebelschaum! 30 Aus Wald und Feld. Und um die Höhe braust ein Sturm, Dass Fels und Tanne bebt - O Mensch, was bist du sür ein Wurm Vor Gott, der dich umschwebt! O sei vor ihm ein furchtsam Kind! Er wandelt durch die Welt: In Wolke rauscht er und in Wind Und spricht aus Wald und Feld. Ja selbst im kleinsten Blütensteru Magst du sein Auge sehn — O welche Zaubernacht des Herrn, Welch heilig Gotteswehu! ch Damals. Wir saßen in Waldes Grunde, Es war so still, so bang; Kein Vöglein in der Runde, Das ans den Zweigen sang. Kaum dass die Blätter rauschten, Und flüsternd rann der Bach — Wir glücklich Unbelanschten! Keins zu dem andern sprach. Wir saßen selig schweigend, Weiß nicht, wie mir gescheh»: Den Himmel, überneigend, Mir war im Traum zu sehn. Ans Wald nnd Feld. 31 Frttlzlingsliedrr 1. O singender, klingender Frühlingstag, Schon bringest dn wieder Der Lerche Trillern, der Amsel Schlag Und all die unzähligen Lieder. O lass auch mir, o du goldene Zeit, In grünenden Bnchenhallen Gesänge von Liebe nnd Lust nnd Leid Im Herzen wieder erschallen. 2. Ist dein holdes Hochzeitsfest, Vögelcin, erschienen, Dass du heimlich schon dein Nest Bauest in dem Grünen? Schaue mild und fromm gesinnt In dein frohes Regen, Lächelt mir doch selbst ein Kind Wonniglich entgegen. 3. Schmetterst, Vöglein, aus der Brust Frühlingsliebe, Frühlingslust, Und ich wag' bei solchem Klang Einen Frühlingsfcstgesaug? 4. Strecke immer deine Neste Nach dem Himmel kahl und bang! Balde ruft zu seinem Feste Dich der Frühlingsostcrklang. Aus Wald und Feld. Ja, indes ein seltsam Beben Dir dnrch Stamm nnd Krone geht, Heimlich schon zu neuem Leben Knosp' an Knospe aufersteht. 5. O dringe aus der grauen Wolke, Du frühlingsheller Sonnenstrahl, Und bringe meinem armen Volke Errettung aus der bangen Qual. Senk' ihm den Lenz der Freiheit nieder, Der ihn: so herrlich einst geblüht, Und gib ihm eines, eines wieder: Das deutsche Wort, das deutsche Lied! 6. Blaue Veilchen, grüne Wiesen, Sonnengold nnd Waldgesang, Und dir ist bei allen diesen In den: Herzen noch so bang? Jst's der Jugend Lenz, der wieder Vor dein düstres Auge zieht; Sind es längst verklungne Lieder, Die durchzittern dein Gemüth? 7. Lasst, o lasst mich einsam träumen, Frühling ist ein holdes Kind, Das in grünumschlungnen Räumen Mich so wundersam umspinnt. Ob die Menschen auch, die tollen, Spottend nur vorübergehn, Ist mir, in den wundervollen Frühlingsjugendtraum zu sehn. Aus Wald und Feld. 33 Frnhlingslivd 1686. Der Frühling kam mit einemmal Nach langer, banger Winterqual In unser Land gezogen. Ein sanfter Hauch vom Himmel weht, Und über Wald uud Wiese steht Der blaue Himmelsbogcu. Willkommen, Blumen an der Hald'! Ihr dränget euch mit Allgewalt. Hervor aus dürren Blättern; Der Falter gaukelt goldbeschwiugt, Bou Ast zu Ast der Bogel springt Und lässt sein Lied erschmetteru. Und überall, wohin man schaut, Nur frohe Menschen, die sich laut Durch Feld uud Wald bewegen; Die Mücken schwärmen in der Luft: O Frühlingsklang, o Frühliugsduft Auf allen Wegen und Stegen! Frühlings ftimmnng. Ein Surren uud Summeu über mir In blühenden Liudenbäumen; Ich möchte sitzen für und für Und vor mich sinnen und träumen. Nur Wiesengrüu uud Sonuengold Und Berge im Duft verblauend; Im nahen Busch ein Vöglein hold, Am heimlichen Neste bauend. g 34 Aus Wald und Feld. Lass fahren die Welt und ihren Streit, Sie schlägt unzählige Wunden; In dir nur, goldene Frühlingszeit, In dir nur kann ich gesunden. Das grüne Gras. O grünes Gras, wie schön bist du Auf Alp und Wiesenmatten! Das Bett so weich, so süß die Ruh In kühlem Banmesschatten. Hoch liber blaut das Himmelsdach Und Aehren rings, wie golden; Zur Seite rauscht der Silberbach, Unikost von Blumendolden. Ich denke dein mit stillem Weh; Du warst es, wo wir Jungen So frisch und fröhlich wie ein Reh Vor Zeiten einst gesprungen. Wie bist du mir, o grünes Gras, So recht ins Herz geschrieben! Du deckst — mein Äug' wird thränennass - Die Grüber meiner Lieben Und spendest stillen Aufenthalt Wohl unter deinem Rasen, So sie auch mir wer weiß, wie bald Das letzte Stücklein blasen. AuS Wald und Feld. 35 Obrrr-osenbach/' Im Wald, im grünen, grünen Wald, Da ist mir hold und gut; Ich denke nicht der Menschen dranß' Und ihrer blinden Wut. Das Blau des Himmels bricht so hold Durch Tanncngrün herein; Ich schreite einsam und vergnügt Und bin doch nicht allein. Ein wundersames Rauschen geht Bezaubernd durch den Wald, Von Kuckuckrnf und Amselschlag Es nah und fern erschallt. Eichhörnchen springt von Ast zu Ast So zierlich und so kühn; Dort raschelt unter dürrem Land Lazerte goldig grün. Ein milder Abendsonnenglanz Um Berge goldig rein; Wie wiegst du meine Seele ganz In Schlummerfrieden ein! Die Glocke tönt ans tiefem Thal Verstohlen an mein Ohr, Und wie auf Schwingen himmlisch leis' Trägt es den Geist empor. 3* Aus Wald und Feld. 36 Ferien. Du schläfst? Empor aus weichem Kissen, Freund! Die Sonne treibt den Schlummer aus den Augen Und gießt, wie edel Rothwcin kräftigend, Goldregen um dein blondgelocktes Haupt. Sieh, wie die Bäume glitzern! Jedes Blatt Ein Diamant. Den Stock herbei, Die Locken aus der Stirne rasch gestrichen, Das Ange frisch geworfen in die Welt, Ein leichtes Ranzel ans den jungen Rücken, So lass uns wandern, wie es dir gefällt! O Wanderlust! Von tausend Dichterzungen Wardst du schon oft im schönsten Reim gepriesen, Und tausend Herzen haben dich gefühlt; Du bist ja, wie die Liebe, niemals alternd, Vom Rosenhanch der Jugend stets umweht. Hier rechts hinein, wo Erlen ihre Arme Zur dunklen Pforte ineinander schlingen! Es wandelt sich so schön im Grün des Waldes, Und mit dem Buchfink, der dort hüpft und pfeift, Ich stimme selbst fast ferienübermüthig Ein Gaudeamus um die Wette an. Sei mir gegrüßt, du ältehrwürd'ge Eiche! Den Wandrer rufst du ans dein Brand der Sonne Und öffnest ihm, so wie ein deutscher König Aus der Romantik längst verklungnen Tagen, Die schattig kühlen Hallen deiner Burg. Das Moos wie Sammt! O Freund, hier lass mich ruhen Und in Gedanken an die schöne Zeit Des fröhlichen Studententhums ergehn. Aus Wald und Feld. Studententhnm! Du dreimal Glücklicher! Dir glüht's noch auf der Stirne und den Wangen, Ich bin schon alt geworden gegen dich. Ja, ja, schon alt; so sehr du lächeln magst. Die blonden Locken, die, ein reicher Kranz, Mir schwellend einst nm Hals und Schulter fielen, Noch sind sie zwar zu Silber nicht geworden, Doch so wie Jungen, toll lind ausgelassen, Sind sie hinaus, wer weiß, wohin, gesprungen Und aus der Fremde nimmer heimgekehrt. Und dieses Auge, jetzt kathederlaunisch, Wie hat es einst so überhell gefunkelt Und schelmisch heiter in die Welt gelacht, Als wäre jeder Tropfen, den der Himmel Zur Erde sendet, eitel Diamant. Siehst du, das war die Zeit der ersten Liebe, Die Zeit, da, so wie du, Student ich war. O Dämmerstunden, ihr zu früh verlornen, Wie tretet ihr aufs neue vor die Seele Und wiegt mich ein in süßeste Erinn'rnng! Ihr braunes Ange! Welch ein Meer von Liebe Trank ich ans ihm! Wie konnte ich so ganz Im Spiegel ihrer Seele mich versenken, Dass unsre Blicke ineinander schwammen Und ich mich fragte: Bin ich's? bin ich's nicht? Dann lächelte sie wohl, wann ich erzählte," Wie ich, indes der Lehrer an der Tafel Die Eselsbrücke weihevoll dveierte, Aus Veilchen ihr ein Minnestränßchen wand, Die ich anbetend in mein Herz verschloss. Auch manchen Jugendstreich vernahm ihr Ohr, 88 Aus Wald und Feld. Dann fuhr sie schalkhaft über meinen Mund Und siegelte die ausgelass'nen Lippen; Und ich ward still und fromm. O, dass sie wiederkehrte Die erste, stille Liebesdämmerung! Wir lieben auch in später» Tagen, Freund! Doch dieser Liebe haften Brillen an Aus dunklem Glas. So rein, so hell, So paradiesisch hell vor deinen Augen Liegt nur der junge Mai der ersten Liebe. In diesen Tempel tritt man einmal nur Schüchtern und scheu, man glaubt noch an den Gott Und seine süß beseligende Nähe, Und nimmer reicht der Erde Staub an ihn. Und diese Liebe halte fest im Herzen! O wirf sie nicht von dir, wie man den Strauß Von Blumen wegwirft, den die Hand gepflückt. Lass sie in dir wie eine Gotteslampc Fortleuchten, immer fort! Der Himmel sendet Ein Zeichen selbst. Durchs dunkle Eichengrün Gewaltsam dringen sie herein, die lichten Sterne, Wie deiner Liebsten Augen herrlich lodernd. Sie sind ein Gruß von Freya. Lebe wohl! Triest." «Nur zu! Nur zu!» Ich bitte dich, so eile Nicht gar so rasch! Ich habe Schlaf im Auge Und Blei im Fuß. - «Nur zu!» -— Nun ja, ich komme! Aus Wald und Feld. 39 Der Morgen graut. Noch ringt der Mond mit Wolken Und wirft sein Licht wie höhnend auf den Weg, Der uns vorbei an kahlen Felsen führt. Wie ist die Heimat so unendlich weit, Und in der Fremde ist man doppelt fremd. Was horchest du? — O zaubervolle Töue, Die ihr herauf vom tiefen Meere wandelt Und euch an uns mit leisem Gruße dräugt. Wie Kinderstimmen klingt das durcheinander, Dazwischen auch des Vaters ernste Mahnung: Die feierlichen Glocken von Sauet Just. O fremde Erde! Wie so plötzlich bist Du mir so lieb, ja traulich fast geworden; Ich breite meine Arme nach dir aus Und rufe wie zum Freunde: Sei gegrüßt! Nur zu! Nur zu! Der Schlaf ist aus den Augen, Bedeutsam winkt der nahe Obelisk. Ein Schritt noch, und — o inure UsrZsstsuin! Es ist zu viel des Goldnen auf der Welt. Ich kann nicht jauchzen, und ich kann nicht weinen, Und auch die Lippe, sie ist still und stumm; Nur eines kann ich: meine Hände falten, Denn du bist groß und ewig, wie ein Gott. Und freundlich auch. Den himmelblauen Mantel Hast du so weit und herrlich aufgeschlagen Und rauschest spielend wie ein frommes Kind Ans Userland. Liebkosest auch Die weißen Kähne, die im Winde schaukeln Und fernhin, wo der Himmel dich umarmt, 40 Aus Wald und Feld. Gleich Silberschwänen auf und niedertanchen. Lass sv mich von dir gehn! Verjüngend strömt Dein Athcm auf mich ein. Die Wellen flüstern Und tragen mich, den ruhig Lauschenden, Sanftwiegend fvrt. Das sannige Gelände! Gott Bacchus thront behaglich auf den Bergen Und Göttinnen mit dunklen Feuerangen Credenzeu ihm den feurig dunklen Wein; Halb lauschen sie, die ewig heitern Kinder, Zur Laube aus betäubendem Jasmin, Daraus versteckt der lose Amor winkt. Und hier im Land der Rosen und der Reben, Wo Felsen glühen und der Himmel brennt, O, hier ist alles Leben nur und Liebe, Ja selbst dem Tod bekränzen sie das Haupt. Zum Pharo nicht, der seine rothen Schlangen Ins Meer wirft, Fährmann! Auch an ihr vorbei, Der Königin, in Gold und Marmor prangend, Mich drängt es fort, du weißt es, nach dem Felsen Und seiner Burg. — Verblutend sinkt die Sonne, Es zieht der Mond, ein Träumender, herauf. Was ist dir, Freund? Du bist ja wie die Säule So ernst und stumm? «Wild rauscht das Meer und klettert An mich herauf.» Ich weiß, du liebst den Klang, Mir ist er nur ein Nachhall meiner Seele. Doch hast du recht. Man könnte ewig weilen, Es schaut sich ja so wundervoll hinab. Zuweilen auch in mondbeglänzten Nächten Steigt eine Krone aus dem tiefen Schoß Aus Wald und Feld. 41 Blutschimmcrnd auf und nieder. Und daun träumt Die Bure; sich ein mit ihren blassen Säulen, Und Busch und Baum und Quell und Grotte träumen, Und dn auch bist zum Träumenden geworden, Du loser Schalk, der, von dem blauen Himmel Des Südlandmeers, und was weiß ich, bezaubert, So eben noch in Aphroditens Armen Ein wohlgefällig Opfer ihr gebracht. Nun aber komm und lass noch kurze Weile Uns lauschen in die königliche Nacht! Das Meer wallt auf, die Silberbronnen steigen, Oliven grünen, Tamarinden Wehn, Und so wie einst in goldner Kindheit klingen Verlorne Märchen wieder um mein Haupt. O Miramar! Zwei deutsche Bursche ziehen, Sie standen an der Schwelle nur des Traums Und sind betäubt. Sie werden wiedcrkommen, Dann rausche Meer vor Freude an die Wolken Und trage uns hinunter nach dem Land, Bei dessen Klange wir uns schon erheben, Wie Nordlandsschwalben vor des Winters Sturm. Bis dahin aber rufen wir begeistert: O inare! Miramare! Lebet wohl! Nrain? Sei mir gegrüßt, v fremdes Land, Im Strahl der Morgensonne, Die ans dein blühend Festgewand Herniedcrlacht voll Wonne. 42 Aus Wald und Feld. Ein frischer Hauch die Stirne kühlt, Die ersten Lerchen schmettern, Und diamantner Schimmer spielt Ans allen Blumen und Blättern. Der grüne Wald mich jetzt empfängt, Ich athme Tannensegen, Und durch die dunkel» Nadeln drängt Sich goldner Sonnenregen. So geht es fort auf Bergeskamin Durch andachtstilles Dammern, Zuweilen nur von Ast und Stamm Hört man des Spechtes Hämmern. Da öffnet sich des Waldes Thor, Und aus den finstern Schatten Führt mich ein steiler Pfad empor Zu grünen Wiesenmatten. Ich breche Blumen für den Hut Und springe über Steine Und labe mich an kühler Flut, Wie an dem besten Weine. Halloh! Halloh! Der Gipfel ist Des Javornik erklommen; In silberweißen Nebeln fließt Die Erde wie verschwommen. Doch vor der Sonne bald zergehn Die luftigen Gebilde, Und aus dem Nebel jetzt erstehn Die herrlichsten Gefilde. Aus Wald und Feld. 43 Was du dort siehst, o, jauchze, Herz! Das sind die heiligen Wogen Der Adria und drüberwärts Salvores Küstenbogen. O blaues Meer! O weißer Strand! Wie leuchtet ihr so Helle! Du aber bist, o Krainerland, Dazu die grüne Schwelle! Und von deni Meere bis zu mir Ein welliges Gelände; In ihm des Landes höchste Zier, Des Triglav schroffe Wände. Er sieht so ernst und finster drein, Weil er zwei Perlen hütet: Die schaurig düstere Wochen: Und Veldes, rings umblütet. Das Auge wird zu schauen müd', Wer kann die Schönheit fassen? Der Karawanken Kette zieht, Dort träumend zu verblassen. Und vor nur, wie ein weißer See, Der Moorgrund plötzlich schimmert, Aus dem gleich einer goldncn Fee Die Burg von Laibach flimmert. Dorthin versteckt ist Jdria; In: Kessel kann: sich dehnend, Liegt es so lieb und traulich da, Sich an die Berge lehnend. 44 Aus Wald und Feld. Du wandelst frühlingswohlgemuth Auf seinen grünen Hängen Und ahnst nicht, welch ein Segen ruht In seines Schachtes Engen. Da drüben muss wohl Wippach sein, Das uns die Berge rauben; Wer kennt nicht seinen Edelwein Und seine süßen Trauben? Der milde Athen: weht des Zeus Wohl über seinen Gärten Und gibt dem grünen Maienreis Die Früchte, die begehrten. Vorüber an des Nanos Wand Gelangst du zu den: Herde Der Wunder, wie kein zweites Land Sie bietet auf der Erde. Denn in der Grotten dnnkler Nacht Der Orcus dich begrüßet, Von dessen Stalaktitenpracht Es hundertfarbig fließet. Und an die zaubervolle Welt Sich eine zweite säumet, Wo, von den Bergen rings umstellt, Der See von Zirkniz träumet, Der, wann der Sturm von Norden rast, In Wellen blinkt, in blauen, Doch bei der Sommersonne Glast Dir winkt in grünen Auen. Aus Wald und Feld. 45 O Land voll Wunderhcrrlichkcit, Nm das die Göttin Sage Den buntgcwirkten Schleier streut In wehmuthsvoller Klage; O Land, dein voll Begeisterung Des Volkes Herzen beben, Für das in goldner Saiten Schwung Die Sänger sich erheben: O lass auch mir, dem Fremdling zwar, Der Harfe Saiten klingen Und aus dem Herzen tief und wahr Dir meine Grüße bringen. Und ist mir auch ein Heimatland, Ein herrliches und weites: Ich reiche dennoch dir die Hand Und rnfe: Sei mein zweites! heimatlicher Mundart. 's Hügerl. Ä Stubn aus sechs Bredern ÖPPa Schartn däzue, Du liegst wia äf Federn, Hast ewigö Rue. Bilderln und Bleameln, Nau, wann's di nöt irru, I gab dir's halt mit, Däss's di ä ä Weng ziern. Ä Kreuzl bei dir Und ä Kreuz as'm Grab, Das is nu, mein Liaber, Dein oanzigi Hab. Do druckt di ä 's Hügerl Recht föst und recht hart, Wia lang wird's di druckä, Wia lang denn? Nan roat! Woaßt nöt, dass ä Zeit kimmt: Verklärt stehst du äs Und kriagst für dös Druckä Nu d' Seligkeit dräf. In heimatlicher Mundart. 47 's Waldhäusl. Im Wald steht a Häusl Dauölm rinnt ä Bach, Und beim Bach singt ä Zeisl Dem wischplad'n nach. Es singt dir so herzö, So anfrichti gmoant, Do 's Dirnderl schant außä Beim Fenster nnd womit. Was woanst denn? Geh Weida, Schau Dirnderl, sei stad! Scheint d'Snnn morgn, wann's heunt ä Recht wedert nnd wäht. Do 's Dirnderl woant weidä Und lasst si nix sagn, Es kanns halt schan nimmer Im Herzu dertragn; Es is eahm alls zwida Und thuet eahm alls weh: Wo d' Liab is zerganga, Du ivoaßt äs ja eh. ch Der Rrrrut. - i. «Nau, pfüet enk nnd bleibt's halt Recht gsund, denkt's an mi, Und schreibn iver i a bald, Wann i z' Linz äinal bi.» 48 In heimatlicher Mundart. Js 's wirkli zum furtgcn, J kanu dir's nit sagu, Aber moan tue i schau, I kanu's ninrmer dertragn. Du bist ja mei liabster Und oauziger Buc; I moanät, der Koascr Hätt andere gnue. «Ja, Schnecken! Der Feind kimmt Beißt manchä ins Gras Du redst halt, mei Muedä, Woaßt selber ilvt, was. Was jung is und kernö, Mues irz dävan, Geh, Muederl, was hast denn, Was woanst mi so an?» Sö, Michel, da hast nu Ä Wuchtel auf d' Roas Und an Beutl, den heb der Fein äf, is was Bars. Und vergiss mir den oan'n nit, Du woaßt, weu i moan, Ast fallt mir vom Herzen A großmächtiger Stoan. Mit der Sunn steh niir äf, Mit der Sunn geh in d' Rue, Aft bet's Vaterunser, Versprich mir's, mei Bne. Wo 's flucchen und saufen, Da halt di hindan Und häng di an Kärtnä Und d' Menscher nit an. Hast a paar Groschen, J» heimatlicher Mundart. 49 So leg dir's brav zsam, Und iez nu an Weihbrunn Und geh in Gotts Nam! II. Der Michel zoigt Weida, Pfüct Gott, mei liabs Hoam! Da grücßt 'n a Vödä Und dort schreit a Moam. Und beim Häusl, beim letzten, Stehts Dirnderl uu da, Halt't 's Fürta für d' Acugerlu, Es rinnt, wia ä Bah. «Mei Michel, mei Michel, I Han di so gern! Du wirst auf der Weit Do koan Auderner weru?» I kimm, wia i bi, Und da hast mei Hand, Und iez nu ä Bussl, Aft gehts vonanand. Schau, trenz nöt! Aufs Jahr, da Js all's wieder recht. - «Ja, wann's di däschoißn, Sö sän schnn so schlecht.» Und wann's nii däschoißn — Du sakrische Dirn! Du machat's mi selber Bald woach wia ä Birn. A Sträußerl für'n Huet Und ä Schmätzerl äf d' Wang! Iez, Dirnderl, uan psiiet di Und trenz nimmer lang! i M In heimatlicher Mundart. III. Dort obn auf'm Bert Schaut der Michel uu um; Da tags untn sei Dürft, So liab ummadum. Scheu blau is der Himmel, Der Wald is so weit Uud 's Wasserl so lusti Uud d' Vvgerl voll Freud. Dort ob'n auf'in Beri Steht a uralter Bam, Dort säm mer ost gsesseii Halb wach, halb im Tram. Du, kimmt öppa 's Diruderl Zu dir wieder he, Sag, i lass 's grüeßen, Das aner woaßt e. Uud iez geht's thäla, lind furt aus'u Blick Is 'n Michel sei Hoamät, Sei Liab und sei Glück. IV. Bleamerln verkriacheu, Dö Vögerln fliagn a, Uud kehr um ä Hand, Is d' Schneegwaht schau da, Uud kehr um ä Hand, Is d' Schneegwaht vorbei, Und 's Auswärts kimmt wieder Und all's wird wia neu. Af'der grean Lindu Hebts Zeiserl schon an, In heimatlicher Mundart. 51 Und d' Wachtel in Halma Stellt ä schan Um Man. Ja, reck nnr schön hoamli Dei Köpferl in d' Heh, Bist dernät, inci Veigerl, I kenn di ja e. Du kannst aber spcanzeln, Wispelt der Bah. Und 's Schmalzbleaml zwingntzt Und busselt 'n a. Ans'n Bämern schaut's Kircherl So trenherzö raus, Und Glocken thän läuten: Kemints einä ins Haus Uud fallts ans dö Knia Uud hebts engrö Hand Uud dankts nnserm Herrgott: Der Kriag hat ä End. Wia der Schnee von dö Felsen In d' Schlucht abi saust, Wia der Wind ans'n Bergen Ins Thal dahinbraust, Wia vom Himmel der Blitz Und d' Wellnä vom Strand, So floigt der oan Jubel Durchs Östrcichcrland. Scheu stad Hintern Ofen Sitzt's Muederl alloan; Es redt nix, es deut't nix Uud is wia ä Stoan. Denn weit übern Bergen, In heimatlicher Mundart. Hindan auf'n Feld, Da liegt ja ihr Oanzögs, Ihr Liabst's äs der Welt. Und znächst Hintern Dürft An d' Maner hing'wäht, Liegt a tloans Hügerl Recht hoanilö und städ. Und dö schneeweißu Glöckerln, Dö kinncn dir's sag'»: Da mit liegt a Dirnderl, Hat's nimmer dertrag'n. Nur 's Herz von der Mnedä Halt Blitz aus und Sturm; Erm gehts wia an Bäm, Der stirbt au an Wurm. Und so langsam und städ, Wia der Bäm, so verdirbt Ä 's Herz von der Muedä, Der 's Oanzige stirbt. Weiner Untier. 4 Beim Nirblick eines Rindes. Dass ich dir oft ins Ange sehen Und immer wieder sehen muss, Mein Kind, dn kannst ihn nicht verstehen, Den wehmnthsvvllen, stammen Grnß. So sieht man oft nach einein Sterne In mitternächtig dunkler Ferne, Und es dnrchzittert das Gemnth; So sucht man nach der Wunderblume In Waldes stillem Heiligthnme, Die einsam und verborgen blüht. Mir ist, als klängen heil'ge Tone Bezaubernd an mein lauschend Ohr; Als stiege in verklärter Schone Die Kindheit ans dem Grob hervor, Da in verrauschter Dämmerstunde Ich Hieng an meiner Mutter* Munde, Bis sie mir schloss das Auge zu; Da goldne Locken, weich und lind, Noch »in mein Haupt geflossen sind Und ich so selig war wie du. 54 Meiner Mutter. Ihr träumt von Paradieseswonuen, Wann sich der Mund auf ewig schließt, Und ahnt nicht, dass schon längst zerronnen Das Glück des Paradieses ist. Das ist's, was mein Gemnth dnrchzittert, O Kind, wenn ich so weltnerbittert Dir sende meiner Augen Gruß; Doch du, du kannst es nicht verstehen, Dass ich dir ost ins Auge sehen Und immer wieder sehen muss. .W Mein Glaube. Ich muss so oft im sturmbewegten Leben Mit stiller Wehmnth denken an die Zeit, Da ich, ein Kind, dem Glauben noch ergeben, Zum Beichtstuhl trat in meinem schönsten Kleid, Die Brust erfüllt mit glühendem Verlangen Und doch mit eignem, nie gefühltem Bangen. Und als gesprochen war des Priesters Segen Und ich, ein Engel, aus dem Stuhle schritt, Da war es mir, ich wandelte auf Wegen, Wo Lilien sprossten unter meinem Tritt. Und jauchzend, wie von erster Liebe trunken, Bin ich dir, Mutter, in den Arm gesunken. Du aber sahst mir bange in die Augei: Und hauchtest Kuss an Kuss auf meinen Mund, Als wolltest du den Himmel aus ihm saugen; Es war der schönste, weihevollste Bund. Meiner Mutier. 55 Mein Kind! riefst du, und eine Welt voll Sorgen Lag in dem Ton geheimnisvoll verborgen. Es haben sich seit diesem goldnen Tage Die Bäume oft entblättert und belaubt, Doch mich umtönt's wie läugstverklungue Sage Aus fernen Zeiten, dass ich einst geglaubt, lind jetzt erst kann ich auch dein banges Flehen, Lieb Mütterlein, von dazumal verstehe». Und doch, ich darf auch in des Mannes rauhen Und ernsten Stunden fest und uugcscheut, O Mütterlein, dir in das Antlitz schauen, Wie in des Kindes unschnldvollcr Zeit. Noch kann ich hoffen, und ich kann noch lieben, Und auch der Glaube ist mir noch geblieben. Ich glaub' an dich, ich glaube an die Liebe, Die Kind und Mutter aneinander hält, Den süßesten und seligsten der Triebe In dieser kalten, liebeleeren Welt. Und dieser Glaube soll mich aufwärts heben Und halten rings im stnrmbewegten Leben. Der kranken Mutter. Es rauscht um mich die grüne Erde, Die schwanken Wipfel sehn herein Und flüstern, dass ich glücklich werde, Schmückt ja doch Frühling Flur nnd Hain. St> Meiner Mutter. Die warmen Lüfte wandeln wieder In mein Gemach, nnd tausend Lieder Ertönen rings öou Busch und Strauch; Schon duftet Rösleiu in deni Garten Und mahnt: Du sollst mich liebend warten, Ich bin so glücklich, sei es auch! Ich kann, o Frühling, dir nicht sagen, Wie du mir lieb und theuer bist, Nicht weil die Dornen Rosen tragen Und weil es singt und grünt und sprießt; Nicht weil der Himmel blaut und Sonne Heruiederlacht in goldner Wonne: Nein, weil du mir das Liebste gabst Und Mütterchen, das arme, kranke, Mit deines Hauches Balsamtranke So wunderbar erquickst und labst. Es war mir schon, als würden nimmer Die weißet! Blüten dich umwehu, Als sollte ich im Maienschimmcr Hinaus zu deinem Grabe gehn, Ans dem sich Blatt und Blume schaukeln Und bunte Schmetterlinge gaukeln, Ein Bild des Lebens und der Lust; Nun aber könnt' ich jauchzend springen Und in die Welt, die weite, singen: Sie lebt! O kommt an ihre Brust! Und küsst das Antlitz ihr, das bleiche, Es ist so lieb, so gut, so traut. O, wer nur einmal in das weiche, Tiefklare Auge dir geschaut, Meiner Mutter. Der fühlt, >vie sehr mit deinem Scheiden Einbricht die schönste aller Freuden, Die uns so karg die Erde gibt; O Frühlingslicht, v Frühlingsleben! Hat's je ein Mütterchen gegeben, Das so, wie ich, ein Kind geliebt? K Wein Liel'lingsplähchen. Es ist ein brauner Hügel nur, Darauf manch Blümlein sprießt; Der rothe Marmor sagt dir an, Was Liebes er verschließt. Und wenn um mich die kleine Welt Der Bienen summt und schwirrt Und über mir in blauer Luft Die Lerche sich verirrt; Wenn Blumen nicken um das Haupt Des Engels" sanft verklärt, Ist mir, v gutes Mütterchen, Ich stund' an deinem Herd. Mir wird so heilig, ruhevoll, Ich kann nicht von dir gehn, Und deine Grüße sind es auch, Die mir Cypressen Wehn. Es war ein wundervoller Trost, Den mir die Gute gab: Wenn dich das Leben härmt und drückt, So komm' zu meinem Grab! 57 Meiner Mutter. Ich küsste dir die Werte weg, Nicht ahnend, was du sprachst; An deinem Hügel fühl' ich erst, Wie treu du mich bewachst. Du warst ja stets, o Mütterlein, So herzensgut mit mir Und bist es auch im Grabe noch: Ich danke dir dafür. 4 Die ersten Blumen. Die ersten Blumen, die zum Kranz Der holde Leuz mir gab, O legt in ihrem Duft und Glanz Sie auf der Mutter Grab! O Frühlingszeit, o Frühlingszeit! Wie hehr bist du und schön! Die Vöglein singen weit und breit, Schon grünen Thal und Höh'n. Und alles jauchzt und alles springt, Nur mir das Herz zerbricht: Der Frühling, der so vieles bringt, Die Mutter bringt er nicht. Meiner Mutter. 59 Nähe. Nicht unter Gras und Blumen, Mir ist, du warst bei mir Und hieltest meine Häudc, Wie damals, als ich dir Mit unschuldvolleu Augen Gestand die erste Schuld Und du mich leise mahntest Voll mütterlicher Huld. Und diese Tage wandeln So oft zu mir herein Und zeigen die Verklärte In Tranmes Dämmerschein; Dann schließe ich die Augen Wie unwillkürlich zu: Mir ist, ich höre flüstern . . . Bist dn cs, Mutter, du? Ium Sterbetage. Viermal sind ans deinem Hügel Schon die Blumen aufgesstrossen, Seit du deiue lieben Augen Ach, für immer hast geschlossen; Dennoch immer dunkler legen Sich die Schatten »m die Seele — Bist es du, geliebte Mutter, Dass ich Armer so mich quäle? Meiner Mutter. Möchtest du die wurmen Hände Einmal noch ums Haupt mir legen Und ein Liebcswvrt mir flüstern, Dass ich fühlte deinen Segen! Doch allein und unverstanden Wandeln seines Lebens Bahnen Muss es nicht mit cw'gem Schmerze An die Tvdte da mich Einst und jetzt. Wie der Falter über Blumen lveilet Und die Quelle über Kiesel setzt, Blumen schelmisch bald die Angen netzt Und dann munter wieder vorwärts eilet: So verträumt' ich, in die Zukunft schauend, Meine Jugend in dem Heimatthal, Bei der Abendsonne mildem Strahl Goldne Schlosser in die Lüfte bauend; Jetzt mit hellauf jauchzenden Genossen Ueber Bäche springend, dann zum Kranz Blumen windend, die im blauen Glanz An dem Saum des Wiesenbachs entsprossen. Ihr gehörten sie, zu der ich eilte, Wann der Abend dunkelwangig kam Und die Blüten sie entgegennahm, Während lieb ihr Ange auf mir weilte. Meiner Mutter. 61 So von treuem Mutterblick beschirmet, In den Armen schwellender Natur, Wo umsäumt von Wald und Wiesenflur Sich die hohe Alpeumauer thllrmet; Aus dem Hügel jene heil'ge Stätte/" Und in ihr die Mönche fromm und gilt, Wuchs ich auf in jngendfrischcm Mnth, Faltend noch die Hände zum Gebete. Und wie träumend ich sie jetzt noch falte, Wann der Abend von den Bergen sinkt Und der stillste aller Gärten winkt, Wo ich Zwiesprach mit dell Todtcn halte. Mütterchen, wie wärest du so munter, Ob auch Sturm an Sturm dein Herz zerbrach; Bunt Geranien und Rosen, ach! Bringen meinen Grnß dir jetzt hinunter. Von der Mutter wandle ich dann schweigend Zwischen Gräbern epheuüberrankt, Bleibe stehen, wo der Flieder wankt, Ueber Weißen Marmorstein sich neigend. Und mir ist, als reichten die Genossen Mir die Hand zu traulichem Willkomm, Lausche jetzt dem licderrcichen., Strom, Der dem Mund des Kinderfreunds" entflossen; Und dann wieder tragen mich die Träume Zu dem Mädchen, das in Gartens Flur Mir oft lächelnd durch die Haare fuhr, Still vernehmend meine Kinderreime. 62 Meiner Mutter. Tief und tiefer senkt indes die Flügel Schon der Abend; von den Zweigen schlägt Noch der Buchfink, und die Dämm'rung legt Sich wie schlummernd über Kreuz und Hügel. Doch mir ist, als ob in Grabeshülle So ein Schlaf, von allen Sorgen frei, Nicht das schlimmste aller Nebel sei, Nnd ich scheide mit dem Trostgefühlc: Dass ich lächle über all den Flitter: Rang nnd Reichthnm und der Jugend Macht; Abend ist es, nnd die ganze Pracht Pocht schon morgen an das Todtengitter. An Dora. 4 Maivnzeit. Maienzeit! Ich greife wieder Nach dem ausgernhteu Stab; Bläulich duftet schon der Flieder, Vöglein schwirren auf und ab. ' Und das singt und pfeift und schmettert Voller Liebe, boller Lust, Wenn es in uns noch so wettert, Zieht die Freude in die Brust. Ringsum grünende Gehänge, Blumeuwiesen, Tannenhain; Von der Ferne blicken strenge Felsenkönige darein. Aus der Tiefe nur das Tosen Eines Waldstroms, weit und breit Blaue Veilchen, wilde Rosen, Träumerische Einsamkeit! Und aus Blumen und aus Blättern Und aus Busch und Baum und Strauch, Aus der Nachtigallen Schmettern Wehte es wie Liebeshauch. 64 An Dora. Liebe von den Bergen rauschte Und aus Waldes grünem Dom, Süße Liebesblicke tauschte Selbst die Welle in dem Strom. Und wie leises Frühlingswehen Kain in Waldesdämmerung Auch die Liebe ungesehen Ueber mich so frisch und jung; Und was auch die Götter senden Mir an Freude oder Leid, Halte ewig dich in Händen, Um uns goldne Maienzeit! An Dora. Dass ich auch dir, o blondes Mädchen, Zurück das Wort der Liebe gab, O frage nicht, du weißt ja nimmer, Wie's in mir flutet auf und ab. Ich habe mehr als du gelitten Und denke noch in Liebe dein, Wie an den süßesten der Träume: Und dennoch, ach! es kann nicht sein. O jener Tag, der sommerblane, Er steht mir ewig im Gemkth; Denn wie ein goldner Liebesfrühling War's mir im Herzen aufgeblüht. Wir küssten uns, die Vögel sangen lind um uns flüsterte der Hain Es wird noch lange in mir klingen, Und dennoch, ach! es kann nicht sein. An Dora. 65 In jenen trauten Dämmerstunden, Wie eilte ich an euren Herd! Ihr habt mich Ivie ein Kind gehalten, Wie einen Bruder mich geehrt. Ich lege diese goldneu Träume Als todte in den Sarg hinein, Ich habe viel, so viel verloren: Und dennoch, ach! es kann nicht sein. Wenn selbst des Frühlings leises Wehen Von neuem waudelt durch die Flur, Ich glaube kaum,, dass ich genese Am holden Busen der Natur. Ich bin zu müd' und krank geworden Und stehe einsam und allein; Es wird mein Herz darüber brechen: Und dennoch, ach! es kann nicht sein. Liebesglück. Ei, was horchst du? Lass es rauschen! Ist der Wind, der nächtlich weht. Lass mich deinem Worte lauschen, Wie dem heiligsten Gebet, Und dir, Waldesblume, sagen, Dass mein Herz wie damals liebt, Als ich in noch jungen Tagen Kuss au Kuss von dir genippt. 66 An Dora. Weißt du, wie ich oft in Nächten, Wann der Mond durchs Fenster schlich, Dir die losgelösten Flechten Von der Stirne heimlich strich; Wie wir still beisammen saßen Und der Mund am Munde Hieng Und der Welt nm uns vergaßen, Die in Dämm'rnng uns umfieng? Und wie damals ist es wieder; Um uns schwebt die dunkle Nacht, Und vom Himmelszelt hernieder Sieht der Sterne goldue Pracht. Doch mir ist, als ob die Sonne Leuchtete mit hellstem Blick: Lieben, ach, o welche Wonne, Und geliebt sein, welch ein Glück! Erlösung. Weißt dir es noch, wenn sich so labend Nach einem schwülen Sommertag Herniedcrließ der kühle Abend Und ich zu deinen Füßen lag: Wie nur die Stirne, die erregte, Die an dem Busen dir geruht, So kühlend deine Hand sich legte, Zu sonstigen die wilde Glut. An Dora. 67 Und jene abendliche Stunde, Sie schwebt noch immer nm mich fort, Als harrte ich aus deinen: Munde Auf ein erlösend Zauberwort. So hüllt die Wolke auch, die graue, De« Himmel ein als bester Freund, Damit sein Äug', das herrlich blaue, Nur um so leuchtender erscheint. ^5 Ausblick. O lass mich wieder meine Hände Um deine Schulter legen, Kind, Ans dass ich süßen Kuss dir spende, Wie einst in Liebe dir gesinnt. Es ist wohl Nacht um mich gewesen, Und ich war krank bis auf den Tod — Und nun bin Plötzlich ich genesen, Und mich nmströmt das Morgenroth. Und wie der Morgen hell und heiter, Soll es auch fürder nm uns sein. O blick' nicht rückwärts, blicke weiter, Du sichst vor dir nur Sonnenschein. Und soll dein Ange sich nmdnstern, Weil deine Lieb' mich einst verlor, Will ich ein Wort ins Ohr dir flüstern, Und dir bist glücklich wie zuvor. s» 68 An Dvra. Lorbeer und Immortellen. O Lorbeer, grüner Lorbeerkranz! Gleichwie in heitrer Sommernacht Das Auge blickt zur Sternenpracht, So blickte ich nach deinem Glanz. Ersehnend dich auf dieses Haupt, Hab' ich so früh nach dir gerungen, Da ich als Knabe schon gesungen Und an Unsterblichkeit geglaubt. Doch wehe mir, dein Blatt erbleichte, lind statt der Blüten rnhmesrcich War es ein Kranz so todesbleich, Den mir herab ein Genins reichte. Hinweg ihr Blumen, ach, ihr Hellen! O welch ein trügerischer Glanz! Ich wollte dich, o Lorbcerkranz, lind fasste euch, ihr Immortellen. 4 Lorbeer und Myrte. Hinweg den Lorbeer, denn er blendet! Es schwankt der Boden unter mir, Mir fehlt die Kraft für diese Zier, Die nnr dem Höchsten zu sich wendet. Ich bin nicht von den Auserkornen, Und wenn ich einst an dich geglaubt, So ist mir jetzt, als ob das Hanpt Mir blutete, als wie von Dornen. An Dvra. 69 Nein, nein, dn sollst mich nimmer locken. Ich aber weiß ein Liebstes jetzt, Das mir in Lust das Ange netzt, Ihm lausche ich wie Sonntagsglocken. Drum nicht des Lorbeers stolze Zierde Und auch nicht dich, o Jmmortell', Ich will nur eins, des Glückes Quell: Für meine Braut den Kranz der Myrte! Als ich unsere Wohnung gun rrsteninale sah. Halt inne, Fuß! Zum erstenmale Betrittst du den geweihten Ort, Wo bei des Abends mildem Strahle Sich uns erschließt des Glückes Hort. O welch ein traulich stilles Dämmern! Der Geist des Friedens weht allhier; Ich höre schon die Wanduhr hämmern, Das Feuer knistern neben mir. Und sehe, wie die goldneu Schwingen Ein Engel hält ob uns gespannt, Wenn bei der Abendlampe Singen Wir traulich ruhen Hand in Hand; Und fühle schon das hehre Schauern — Die Lippe schweigt, das Auge spricht: O sei gegrüßt in diesen Mauern Du ahnungssüßcs Dämmerlicht! 70 An Dora. Air einem trüben Herbsttage. Sobald im Lenz die Knospen schwellen Und Schwalbe bant an ihrem Nest, So auch den munteren Gesellen Es ahnend nimmer ruhen lässt. Er schweift hinaus zum grünen Walde, Wo heimlich schon das Veilchen blüht Und aus dem jungen Bnchenwalde Frau Minne ihm entgegenzieht. Ich aber bin zum Mann geworden, Den arg gerüttelt schon die Welt, Und draußen ziehn vom kalten Norden Herbstwolken über Flur und Feld. Und dennoch, wenn in Traumes Weben Dein Bild sich senket in mein Herz, Ist mir, als glühte neues Leben Und Frühling sprosste allerwärts. Abschied von meinem Innggesellenzimmer. So leb' denn wohl, du stiller Raum, Wo ich für meine Wunden Selbst in der Lyra Saiten kaum Ersehnten Trost gefunden. Ein armer Kranker zog ich ein Und dachte nur an Todtenschrein Und konnte nicht gesunden. An Dora. 7! Da in verjüngtem Zauber trat Ein Mädchen vor die Sinne; Die ich um Liebe ciusteus bat, Gab mir aufs neu die Minne. O wohl beglückt, dein solche Maid Voll Aumnth uud voll Sittsamkeit Zuletzt wird zu Gewinne. Und schenktest du auch, stiller Raum, Mir manche Liedergabcn, Ich danke für die Spenden kaum, Du kannst sie wieder haben. Ich ziehe ins Elysium - Ade, du Juuggesellcnthum - Und will mich dort vergraben. In antiker Farin. * Elegie?" Kleide dich, Himmel, in Grau und wirf die Stirne in Falten, Regne Thränen herab, rufe den grollenden Sturm, Dass er donnernden Gangs die Weiten der Erde durchwandle, Und von waldiger Höh' stürze die Eiche herab! Nacht umwölkt mir das Haupt, es fasst mich ahnendes Granen, Und der zweifelnde Sinn schwankt wie das Schilfrohr im Teich. Tauchst du wieder empor, du längst begrabene Stunde, Da ich bangenden Schritts eilte den Thorweg hinab? Rings schwarzäugige Nacht; die Schwingen der Hoffnung erlahmten, Sieh, aus schwarzem Gewölk trat jetzt ein goldener Stern. Fort ihr dämmernden Bilder! — Ich athme mit volleren Zügen, Die ich so lange entbehrt, Freiheit, die göttliche Luft. O, es wandelt sich schön im Garten der Erde; vertraulich Schmiegt das wehende Gras sich um den flüchtigen Fuß. Schon erhebt sich der Tag; vom Zweige schmettert der Buchfink Und aus lüsternem Wald winket die Liebe mir zu. Doch was hämmert die Brust und ringt beklommen der Athen: ? Wie von Bergen die Last ruht es gewaltig auf mir. Sonnige Hügel treten an mich; es kündet sich plötzlich In dem blauen Gebirg grüßend die Heimat mir au. In antiker Form. 73 Heimat! Du Himmel der Erde! Ich habe dich wieder nud lausche Au der Schwelle uud jetzt — Mutter, ich öffne die Thür, Fühle den brennenden Kuss nud fühle, du hast mir vergeben, Doch der Vater? — «Nur still! Grollend noch hält er sich fern. Aber nun harre getrost im Stübchen der Mutter! Nur langsam Reift zu goldener Frucht schüchtern die Knospe am Zweig.» Stunden! Wie eilt ihr behend am häuslichen Herde! Schon fliehen Sommer und Winter und springt jauchzend der Frühling ins Land. Ihr auch, Staare! O pfeift und schaukelt euch lustig wie immer Auf dem Wipfel des Banins, streue euch Wolle zum Nest. Aber dem Dienste der Dienst! Gelangt ihr nach Norden zur Donau, Grüßt das Liebchen von mir, zierlich an Wuchs uud Gestalt. Sinnend lehnt es am Strom und schaut die kommenden Fluten, Sieht mit blauendem Äug' wieder zum Himmel empor. Wünsche heben die Brust und senken sie; doch der Geliebte Flicht im einsamen Wald sinnige Blumen zum Strauß. Sinnend uud minneud durchzog ich die laubigten Haiue noch oftmals, Siehe, da wiukte der Tag strenge gebietender Pflicht! Heilige Stunde, da du mit zitternder Hand mir, o Mutter, Kreuztest Stirne und Mund, thränende Perlen im Ang'. « Groß ist die Welt und weit und schön, mein Kind, uud verführend, Dvch im verlockendsten Glanz denke der Mutter daheim, Wie sich die Alternde härmt uud jeglichen Morgen und Abend, Wenn sich das Auge vom Schlaf hebt und zum Schlummer sich senkt, Volleren Segen auf dich von göttlicher Mutter herabfleht.» Also sprachst du, dein Wort klang mir beständig im Ohr. 74 In antiker Form. Groß ist die Welt und Iveit und schön nnd verführend, ich fühlt' es, Denn mit bethörcnder Macht klang der Sirenen Gesang. Dirnen drängten sich zu, begehrende Glut auf den Wange», Küsse, lüsterner Mund, nur nicht die Rosen hinweg! Hier bachantischer Tanz in festlich schimmernder Halle, Dort bei purpurnen: Wein nächtliches Zechcrgelag. Ach, schon schwindet dein Bild, v Mädchen, am Strande der Donau, Wie der liebliche Stern mählich am Morgen verblasst. Auf! Die eiserne Zeit gebietet ernsteres Wirken, Ucber weichlichen Schmerz siege der werdende Mann! Tritt mit wollender Kraft ans dornige Lehramt und wahre Für das Höchste den Sinn in der empfänglichen Brust. Weh, schon zittert der Grund nur unter den Füßen, entgleitet Doch der führende Stab selbst der besonnensten Hand, Wenn die Flamme erlischt am reinen Altar der Begeistrnng, Die das krönende Ziel einzig im Ziele nur sieht. Die ihr über den Sternen, o Einige, wandelt, ich dank' euch, Vor den: sicheren Sturz habt ihr mich gnädig bewahrt. Hin zum Strauchelnden trat der Genius göttlichen Stammes In des Freundes Gestalt, Führer den: Schwachen zu sein. O ihr Tage, so schön, wie prangender Laubwald im Maien, Wann zu weilender Rast schwellendes Moos uns empfieng! Wie inan kundigen Griffs die zart besaitete Seele Lauschender Jugend berührt und in das weiche Gemüth Gvld des Wissens versenkt in zierlich verständigen Formen, Hast du mich deutend gelehrt, bis uns die Sonne entschwand. Lange folgte dein Blick der scheidenden, ach, und es fasste Wie mit Sturmes Gewalt mächtige Sehnsucht dich an. Lass uns, rief ich besorgt, den dunklen Waldpfad hinabgehn! Und die sinkende Nacht führte uns schweigend zurück. In antiker Form. 75 Erde, du hast dich seitdem aufs neue begrünt und beblütet Und dein wärmender Hauch locket zu Wiese und Wald, Lockt mich Träumenden auch, den Wald und Wiese verdüstern, Dem selbst der Lerche Gesang Klage nur wirbelt ins Ohr. Denn du hast mir ja alles, du hast mir den besten genommen, Ihn, den fnhlcndsten Freund, welchen die Norme mir gab. Zürne nicht, herrlicher Geist, wenn sich die einsame Seele Auf den Flügeln des Traums rettet in knorrigen Hain Trutzblauängiger Sachsen; ein göttliches Wunder begibt sich: Aus dem Dunkel der Nacht schreitet Walfrida hervor, Reicht die Harfe nur dar, ich schlage beherzt in die Saiten, Und von Wodan ertönt, Donar und Ziu das Lied. Sang's und wollte dir wieder die goldene Harfe vertrauen, Doch dem suchenden Blick warst du, Walfrida, entflohn. Sei mir, Harfe, gegrüßt! An friedlicher Wand, wo sich Epheu Flicht ums schimmernde Haupt Goethes und Schiller umarmt, Sollst du künftig mir rnhu. Doch wie? Du birgst ein Geheimnis? Sich, aus purpurnem Band gleitet ein rosiges Blatt: Endlich, jubelt sic auf, ist mir der Geliebte gefunden, Und ich halte dich fest, wehre der Drängenden nicht! Kannst du zürnen dem Kind, das liebenden Zeilen nicht wieder Zeilen der Liebe gab, da man ihm fluchend gedroht? Nein, nur sagt eS das Herz, du wirst dem Mädchen nicht wehren Und dein edles Gemüth wendet sich lvieder nach mir. Wogen schlagen ergrimmt wie einst die ragende Felsbrust, Siegend hebt sich der Dom über die schäumende Flut. Blumen und Bäume wie einst, wie einstens Wasser und Felsen: Doch das liebliche Kind, zierlich an Wuchs und Gestalt Mit dem welligen Haar und blauendem Äug' wie ein Veilchen: Trifft mich donnernder Blitz? Wandelt ein Schatten heran? 76 Götter, zerthcilt das Gewölk und kommt auf farbiger Brücke Aus Walhalla's Gefild, reichet mir kühnen Entschluss! Freya, du wendest dich zürnend, doch Wodan, der mächtige, winket, Und zu männlicher That reißt es den Schwankenden hin. Freiheit, ich athme dich wieder und athme dich doppelt, von neuem Kehrt der strebende Muth mir in die heilende Brust. Phaeton. Auf zu Helios stieg, dem herrlich leuchtenden Gotte, Phaöton einst und bat ihn um der Rosse Gespann. Kind! versetzte bestürzt ob solcher Rede der Vater, Nimmer begehre die Hand Wunder der göttlichen Kraft! Was die Erde dir beut, die nahrungsprossende, nimm es, Hebe winde den Kranz ewiger Schöne um dich! — Nicht so, fiel ihm behend der hochaufstrebende Jüngling In das mahnende Wort: reiche die Zügel mir dar! Eos hatte ilwes die purpurne Pforte erschlossen Und voll feuriger Kraft stürmten die Rosse heran. Stolz und bangend zugleich ersah der göttliche Vater, Wie von des Wagens Gestühl glänzte des Sohnes Gestalt. PhaAon! rief er; umsonst. Schon öffnete Thetis die Schranken Und in unendlichen Raum riss es den Jüngling hinab. Ach, da fehlte die Kraft des wcgckundigcn Führers, Dein gebrechlichen Sohn zitterten Hände und Herz. Hierhin schwankte und dorthin der leichtbeflügelte Wagen, Vor deil grausenden Blick traten die Wunder der Welt. Da entglitten der Hand die angstbeklommenen Zügel, Und zur Erde hinab stürzte des Phöbus Gespann. Hellauf bräunten die Berge, es brannten Wälder und Flüsse, Aus der wallenden Flut tauchte Poseidon empor. In antiker Form. 77 Ja selbst Pluto erschrak und sah bekümmert nach oben, Wo durch klaffenden Spalt drängte die Sonne herein. Endlich erhob auch Gäa das altehrwürdige Antlitz, Das versengte^ und bat Zeus um der Erde Bestand. Und es sandte sofort der Fernhintreffer den Blitzstrahl, In des Eridanos Flnt sank der Entseelte hinab. Nymphen fanden ihn dort am fremden Ufer und gruben Lantanfjammernd sodann ihm das vcrfrühete Grab. Also geht es auch dir, gewaltig ringende Seele. Nach erhabenstem Ziel wendet dein Flug sich empor; Aber die Schwinge erlahmt, und in die Oedc des Lebens Wirft ein feindlicher Gott dich ohn' Erbarmen zurück. K Dionysius. Hurtig tanzte das Schiff auf silbernem Schaume der Seeflnt, Und dem heiteren Gott lachte der wonnigste Tag. Horch, da raunten sie schon und sah'n mit lüsternem Ange Nach der weichen Gestalt und dem geringelten Haar. Doch im selben Moment, als das begehrliche Schiffsvolk Au die schimmernde Hand eherne Fessel ihn: gab, Brach die Kette entzwei und Ephcuranken und Reben Schlangen um Segel und Mast sich vor dem göttlichen Haupt. Siehe, da hemmt' sich der Lauf des vorwärts strebenden Kieles Und aus dämmerndem Grund stieg Amphitritens Geleit. Golden tonte ihr Lied, dass Wind und Welle ihm lauschten; Nur den Schiffern erbebt bis in das tiefste das Herz. 78 Und sie sprangen entsetzt vom hochgebordeten Fahrzeug In die schäumende Flut, wo als Delphine sofort Sie den Furchen des Schiffs, des raschhinei lenden, folgten, Das im höchsten Triumph trug deu geretteten Gott. An die Musen. Musen, die ihr auf lichtumflossener Höh' des Parnasses Schwebt im seligen Chor unter der Saiten Getön, Da tief nuten der Wald im sanften Hauche des Windes Antwort lispelt, und leis' rauscht der melodische Quell: Ach, vergesset nicht ganz des einsam weilenden Sängers, Den das düstere Grau nordischen Nebels umfängt! Wem ihr, Göttliche, naht mit holdem Gruße, dem senkt sich Bald das sonnigste Licht über das sinnende Haupt. Genien tragen ihn fort, es weicht die Sorge des Tages, Und der Beglückte erwacht oben am Throne des Zeus. Doch vergeblicher Wunsch! Gleichwie das Bögleiu verschüchtert Bor dein lärmenden Tag flieht in verborgnes Gebüsch, Also flüchtet auch ihr vor dem Getöse des Marktes, Denn es lauschet umsonst euch ein beseeltes Gemüth. 4 An Julius Stifter. Freunde seid ihr mir stets, ihr goldenen Bücher nnd Schriften, Und ich versenke mich oft während der Woche in euch; Dennoch scheide ich gerne nnd grüße mit Freuden Sonnabends Festliche Stunde, die mich wieder zu Stifter entführt, Ihm, dem ernsteren Freund, den so der Himmel geliebet, Dass er theuersten Schmuck irdischen Lebens ihm gab. In antiker Form. 79 Vieles sprechen wir dann; wir pflücken edelste Früchte, Anch manch sinnigen Strauß, der für Camilla geweiht. Ach, ich gehe von euch und suche vergebens die Liebe, Die an offener Thür freudig den Gatten empfängt. Alles ist öde nm mich; stumm leuchten Goethe und Schiller,'" Und von sonniger Wand grüßet Alexis herab. Dora hält er umfasst; schon flattern die Segel im Winde, Amor schlendert den Pfeil noch in dem letzten Moment. Irrend durchwandle ich oft die einsamen Räume; nur Phöbns Stellt mit flammendem Kuss sich dem Begehrenden ein. Und ich fühle, es schwebt mit dunkelleuchtender Schwinge Mir der gefällige Freund Thanatos schon um das Haupt. Aber so strömet nicht selten am lichtumgosscnen Himmel Auch die Wolke herauf, die ein Gewitter verheißt; Und sic kommet und geht. — O, nicht den grünenden Hügel Und das sinkende Kreuz, welches der Epheu umrankt, Gebt mir, Götter, den Herd mit traulich lodernder Flamme Und ein sorgliches Weib, wie ihr dein Freunde es gabt. Nahet sich Eros, der heitere Knabe, so stellet sofort anch Der unsterbliche Chor sich der Olympischen ein. Vesta schüret das Feuer, nm das des Hanfes Penaten Mit den Horen im Bund walten des göttlichen Amts. An das nächtliche Lager mit heiligem Mohne tritt Morpheus, Der gefällige Gott, welcher das Ange mir schließt, Während in goldiger Frühe mir Eos wieder cs öffnet, Wann in thauigen Grund mich Polyhymnia lockt. Horch, da tönt es sofort von allen Bestell' und Zweigen; Doch das herrlichste Lied lispelt sie mir ins Ohr. Mir? O schmeichelnder Traum! Du malst in farbigen Tonen! Vor dem feuchtenden Ang' wird es wie Dunkel der Nacht. 80 In antiker Form. Phinkias. Mädchen, o sage, wie kvmmt's, dass mir in jeglicher Stunde Dein holdseliges Bild leuchtet bei Tage und Nacht? Selber in: Traume erscheinest du mir, dem lebhaft Erregten, Und ich höre entzückt, was du mir leise versprichst. «Komm! es flimmert der Mond,» begannst du heute; es pochte Bei dem lieblichen Wort dir in dem Busen das Herz. Und wir giengcn hinaus in den Wald. Da standen die finstern Tannen, kaum irrte das Licht glitzernder Sterne herein. «Pst!» So flüstertest du, «mir ist, als ob es sich regte.» Aber es war nur der Wind, der in den Zweigen gerauscht. Ringsum war es so still; balsamisch wehten die Lüfte, Sieh, da legtest du sanft nur um die Schulter den Arni. Wie nns in glühender Liebe das schwellende Moos dann empfangen Und dem Kusse der Kuss folgte in fliegender Hast — Liebchen, ich weiß cs nicht mehr; doch als ich plötzlich erwachte, War es ein Kissen, mit dem Amor, der Schalk, mich geneckt. Und so wandelt dein Bild mir, ach, in jeglicher Stunde Vor den trunkenen Sinn; aber du selber entfliehst, Wie ein schüchternes Reh bei jedem Säuseln des Windes, Und ich fühle umsonst, Götter, die werdende Kraft. Damvn an Plzintias. Rede immer so fort, verständig plaudernder Junge! Wie dem rieselnden Bach gerne der Wanderer lauscht, Also lausche ich dir, doch spielt ein schmerzliches Lächeln Mir nm die Lippe, und fast wird es im Auge mir feucht. Herrlich bist du fürwahr und jung und reif zu genießen, Ja, manch schimmerndes Äug' ruhet verlangend auf dir. In antiker Farm. 81 Doch wie nahe vom Banme die goldene Fracht dir erglänzet, Die zwar lüsterne Hand weichet erbangend zurück. Ach, wie steh' ich beschämt vor dir, dem weiseren Jüngling, Der gealterte Mann; rufe vergebens nach ihr, Der entschwundenen Zeit, da dunkles Haar mich umrahmte, Und die wachsende Kraft mählich im Busen mir schwoll. Aber sv sieget der Quell im gierig saugenden Sande, Und die Rose verwelkt unter dem sonnigen Brand. Lass! Du redest zu spät. Doch mag mein Kummer dich lehren! Glücklicher Jüngling, wie jetzt, sei auch im Alter beglückt! ch Phintias an Dmmm. Klage die Jugeud nicht an und nicht das ernstere Alter! Blüht nicht jeglicher Banin, eh' er verwelket und dorrt? Aber die Blüte war schön, und selbst die alternde Krone Streckt manch grünenden Ast noch in den Himmel empor. Freilich schweiget dein Herz; kein holdes Mädchen belebt es, Und es gleitet ihr Blick stumm an dem deinigen ab. Aber ist's Liebe allein, die uns das Leben beseligt? Haben die Himmlischen nicht bessere Gaben für uns? Wer doch schöpfet, wie ihr, so tief vom Borne des Wissens Und cmpfänget so ost göttliche Musen zu Gast? Weun auch Erato flieht, doch Klio reichet die Rolle llnd Urauia winkt mit dem verheißenden Stab. Blühende Kinder umgeben den Mann und zaubern ihm nochmals Längstcrloschencn Glanz eigener Jugend" herauf. Ist das Leben nicht auch ein Buch der Räthsel, das nimmer Stürmischer Jugend, sich nur weiserem Alter erschließt? Klage, o Dämon, nicht und danke lieber den Göttern, Die nach frommem Gesetz theilen das himmlische Gnt! e 82 In antiker Form. Geheimnis. Wie die Kirschen so schwarz, so lachten die mnnteren Angen, Und das brünnliche Haar fiel ihr in Ringeln herab; Also fand ich sie einst; sie sang ein reizendes Liedchen, An das Gitter gelehnt, welches die Rebe umspann. Aber ich schlich mich herbei und schloss ihr heimlich die Augen, Und mit entstellender Stimm' fragte ich: Mädchen, iver ist's? Doch sie athmete tief und ließ es ruhig geschehen, Während von: nahen Gezweig Nachtigall schlug an das Ohr. Ach, wie flattert behend von einem Aste zum andern Weibchen, bauend das Nest. Wie uns das Thierchcn beschämt! Ist nicht duftender Mai, wo liebend die Knospen sich öffnen lind der kosende Wind heimlich die Rose umbnhlt? Mädchen! — O fraget nicht mehr! Doch hat uns Amor belauschet, Und der liebende Gott stehet der Antwort bereit. ch Erwartung. Welch ein bitterer Hohn! Man nennt euch tanzende Horen, Die ihr kränzegeschmückt schlinget den lustigen Reih'n. Glücklicher Grieche, dem so die reizenden Stunden entschwanden, Aber mir schleichen sie trüg', bleiernen Fußes dahin. Sv ich blättre im Buch, ich leg' cs rnh'los von dannen, Selbst das schönste Gedicht tönet mir öde und schal. Aengstlich geh' ich zur Thüre und lausche klopfenden Herzens: Bon der unteren Flur hallt es wie Tritte herauf. Ach, es rüttelt der Sturm den schlecht verriegelten Balken, Und ich kehre bestürzt wieder zum Fenster zurück, Oeffnc den Flügel, doch sieh, dem sehnsuchtsvolleren Ange Ruhig lächelt der Mond fast Ivie verspottend ihm zu. In antiker Form. 83 Endlich! Der Liebende ist's! O rüttle immer die Manern, Nächtlich brausender Sturm, mächtiger tönet sein Wort, Bald durch Küsse erstickt, indes die lauschende Luna Sich in heimlicher Scham hinter den Wolken verbirgt. Italien. Als ich die Adria sah, die weithinblauende, war mir, Als ob jegliches Bild, welches verschwommen bisher Vor der Seele mir stand, an schärferem Umriss gewänne, Doch ich kehrte zn bald wieder nach Norden zurück. Götter, o lasst mich nur eins, o lasst mich Italia schaucu, Wo aus tieferem Blau Phöbus, der leuchtende, sieht, Um den marmornen Gott die blühende Myrte sich windet Und das purpurne Meer bläuliche Berge umsäumt! Nichts als Träume. O, wie war ich so froh, wenn ich in Tagen der Jugend Aus dem dumpfeu Gemach floh in den grünenden Wald, Wo ich dem Sturze des Baches, des übermüthigen, lauschte Oder dem klopfenden Specht, hangend.am kräftigen Stamm. Wie goldschimmerndc Falter um Blumenkelche, so schwebten Daun, o glückliche Zeit, goldene Träume um mich. Sah als Sieger mich jetzt auf stolz sich bäumendem Rosse Unter dem Jauchzen des Volks und der Posaunen Getön; Oder ich baute auf ragender Höhe mir Zinnen und Thürme, Und die goldene Kron' blitzte vom lockigen Haupt. s* 84 Träumcnb zog ich zu Thale, allwo die niedliche Hirtin Ueber Blumen gelehnt sich in den Wellen besah. Doch das liebliche Kind sammt Quell und Blumen verschwanden Und die blühende Au wurde zur Bühne sofort; Gleich dem tosenden Strom erscholl nicht endender Beifall Und der herrlichste Kranz senkte sich leise aufs Haupt. Aber wie silberu Gewölle,im sonnigen Acther zerfließet lind der Lerche Gesang sich in den Lüften verliert, So zerrann nnd verklang ein lieblicher Trunin nm den undern lind am Schluffe, was blieb? Sehet, ein Schulmeistertem, Das gebückt und gekrümmt bei spätem Schimmer der Lampe An dem einsamen Pult Hefte nm Hefte beschaut. Und doch gäbe ich gern die schönsten Träume der Jugend, Wären Ivie Blüten des Baums alle zur Frucht sie gereift, Gäbe die ragende Burg, des Siegers rühmliche Laufbahn, Grüueudeu Lorbeer, selbst dich, ach, nm ein liebendes Herz! Lass den lärmenden Markt, in dem die Wut der Parteien Raubt den ruhigen Blick nnd das befriedete Herz; Flüchte lieber zu ihm, dem traulich knisternden Herde, Wo ein sorgendes Weib dich an der Schwelle empfängt, lind zwei Hände nach dir, zwei kindlich bittende, streben, Sie, vor denen sofort jegliche Sorge entsinkt. «Schau nur,' Vater!» So tönt's aus lieblich plauderndem Munde, Und ich folge entzückt über die Schwelle ihm nach, Wo das schelmische Kind sich Haus an Häuschen gebanet Und die Steine voll Luft übereinander gethürmt. Spiele immer so fort, ob auch dein heiteres Spiel mich All der Träume gemahnt, die ich als Jüngling gepflegt. 85 Ach, was baute auch ich für stolze, kühne Paläste In die Lüfte, nnd nichts gab mir das Leben, dem Mann. Nichts? — O Frevelnder, still! Ich halte ja alles in Armen, Dich, das reizendste Kind, das mir die Götter verliehn. Zürnt dem Glücklichen nicht und lasst im Auge des Kleinen Eners heitern Olymps irdischen Abglanz mich sehn! Gefunden. Endlich leuchtet das Glück; nur haben uns beide gefunden; Wie das knospende Äug' sich vor der Sonne erschließt, Also thaute auch dir die tief verschlossene Brust auf, Nnd die Liebe, sie stieg herrlich entfaltet aus ihr. Lächelnd harrest du nun, so ich mit beflügeltem Schritte Aus verdrießlichem Amt kehre zum häuslichen Herd. - In den Armen dir ruht der fuß noch schlummernde Säugling, Während das ältere Kind sich an die Falte dir schmiegt. Also treten wir ein; ein trauliches Dämmer umfließt uns, Nnd das Auge verspricht, was uns die Lippe verschweigt. «Bist du glücklich? O sprich!» beginnst du zagenden Mundes, Nnd ich rufe beherzt: Wahrlich, ich bin es — durch dich. So auch ruhet das Meer gar oft in peinlicher Stille, Und mit ängstlichem Blick schauet der Schiffer umher; Endlich athmet der Wind, die blauende Welle erhebt sich, Nnd die friedliche Bucht nimmt den Gelandeten auf. M .86 In antiker Form. Die Zunge. Zunge, bald gleichest du ihr, der Königin unter den Sängern, Die vom schattigen Zweig klagt in die einsame Nacht; Bald dem flüsternden Wind um träumendes Schilfrohr im Teiche, Bald dem plaudernden Bach unter der Erlen Gezweig. Doch du gleichest auch ihm, dein mitternächtigen Sturmwind, Der von Nordens Gefild über die Ebene rast; Gleichst dem donnernden Gott, der leuchtende Blitze entsendet, Oder dem tosenden Strom, stürzend aus wolkiger Höh'. Aber wie immer du tönst, ich fürchte nur eine der Stimmen, Die wie die Natter im Sand aus dem Verborgenen zischt; Denn sie hat mir ja alles, sie hat mir die Liebe genommen, Und das Leben, es ist ohne die Liebe der Tod. An einer Mädchenschule. Und da sagen sic noch, es habe der göttliche Bildner Uns Schulmeister, o hört, einstens im Zorne gemacht. Welch ein lügendes Wort! Mir ist, es sei der Katheder Wie ein moosiger Fels mitten im sprossenden Wald; Und es stünden vor mir auf hiugezauberter Wiese Blumen und Blüten, wie nur Flora, die gütige, streut: Veilchen mit blauendem Äug' und purpurschimmernde Rosen, Bräunliche Nelken, die stolz neben den Lilien stehn; Auch mitunter versteckt ein Gänseblümchen und Crocus Nebst Klatschrosen, die frech wuchern in üppiger Zahl. Und, o Wunder, mir geht's, wie Alexander dem Großen In dem indischen Wald: Lieblicher Vogelgesang Tönt von Zweigen, die nie ein blauer Himmel durchbrochen, Und aus jeglichem Kelch steiget ein Mägdlein.empor. In antiker Form. 87 In den zierlichsten Reihen sie schweben lachend und singend Ans und nieder; doch Weh, in den verlockendsten Tranm Tönt die Glocke hinein, und gleich den Tanben des Hofes Zieht der fröhliche Schwarm gurrend und schwirrend davon. Begegnung. Er: Mädchen, o sage nur an, wie windet der Weg durch den Wald sich? Sie: Wandere immer so fort, tosendem Strome entlang! Er: Ei, der listige Schelm, der springt von Felsen zu Felsen, In verworrene Nacht hat er mich neckend gelockt. Sir: Hat er? Gütiger Strom! Mnthwillig, wie alle die Knaben, Die init stürmischem Wort locken das schüchterne Kind In das Dunkel des Walds; es folgt dem losen Verführer Nach mit zweifelndem Schritt — Er: Mädchen! Sir: O schweige mir still! Er: Diese Augen! Bei Zeus! Sie: Hinweg! Er: Wie blauender Himmel. Und ich sehe so gern, ach, in den Himmel hinein. 88 Sie: Lüge den Himmel nicht an! Er: Weh mir! So zittern die Glocken, Die dem Kinde getönt, leise dein Manne ins Ohr. Ja, dn bist es, vergib! Ich habe dich wieder gesunden, Und trotz sinkender Nacht hast du mich neckend erkannt. Aber nun hurtig voran! Mir ist, ich höre vom Thurme Durch den schweigenden Wald heimatlich Abendgeläut. Wem so irrend vom Pfad die richtige Fährte geworden, Zu dem sonnigsten Tag wird ihm die dunkelnde Nacht. Sir: Böser! Ich sollte - doch, ach, es schwindet der Groll in dem Busen, Wie vor sonnigem Gold silberner Nebel zerfließt. Er: Und ich halte dich fest. Sie. Muthwilliger! Er: Schmolle nur immer! Recht so, dass ich dir stets küsse die Thränen vom Äug'. Sir: Ewig - Er: Ja, ewig nun dein. O sei mir, Heimat, willkommen, Gönnend die erste Nacht — Sie: Pst! Er: Mir das Liebchen im Arm! Iu antiker Form. 89 Nm Meerosstrarrde. Sie: Wage dich nicht zu weit in die frührothschimmernde Mecrflnt, Zürnen sollte ich dir, dass du so hurtig enteilst. Er: Nicht so, Mädchen, nicht mir, dem willig säumenden; zürne Ihr, der Göttin, vielmehr, welche den Osten besäumt. Sir: Eos lächelt und schweigt. O gib noch einen der Küsse Und den süßesten mir, eh' du den Nachen besteigst! Er: So! Nun schlinge nicht mehr den schneeigen Arm um den Nacken, Mit der sinkenden Nacht ruhe ich wieder bei dir. Sir: Halt! Dein liebliches Haar umweht verworren die Stirne Und verhindert den Blick mir in das freundliche Ang'. Er: Streichle immer so fort; kaum ordnend lösest dn wieder Auf das dunkle Gelock; gib es den Winden zum Spiel! Böser! Sichst dn nicht gern dein eigenes Antlitz im Spiegel? Sieh, und dein Auge, es strahlt leuchtend das meine zurück. Er: Immer findest du so ein zögerndes Wort zu dem andern, Höher lenket indes Phöbus sein leuchtend Gespann. Sie. Geh, ich halte dich nicht. Doch sprich, wo tragen die Wellen Je erquickende Frucht, wenn dich die Sonne beschwert? 90 In antiker Form. Er: Also locket auch Wohl die ungeduldigen Kinder Mit verführendem Obst mahnend die Mutter zurück. Sir: Sei's! Ich bringe dir's gern. O sieh die lastende Traube, Die ans schwellendem Grün dir, denn Enteilenden, winkt! Er: Lass, nun ist es genug. Du rühmst die Süße der Trauben, Aber ich fühle mir eins: Mädchen, sic kommen von dir. Sie: Nun das Körbchen geholt, das binscngeflochtenc, weißt du? Und ich trage dir selbst, Liebster, die Bürde hinab. Er: Langsam schlängeln wir dann, wie sonst, durch grünende Wiesen Arm in Arm, und du hältst zögernd bei jeglichem Schritt. Sie: Stehn der Blumen nicht viel mit sinnig redenden Farben? Ilnd du lächelst Wohl selbst, wenn dich ein Sträußchen beglückt. Er: Blumen liebte ich stets, die immer heiteren; darum Schlinge dich immer nur, Kind, mir um die liebende Brust! Sir: Ach, wie lastet so schwül des Himmels zitternde Bläue! Um so lieblicher lädt schattende Ulme uns ein. Er: Wogen schweigen und Wind. Bei Zeus! ich fürchte den Seestnrm. Zweimal rettet der Gott kaum den verwegenen Kahn. Sir: Still, mir zittert das Herz. Wie leicht erzürnen die Götter! In antiker Form. Ul Ei- Ach, ich fühle den Sturm schon in den Tiefen der Brust. Sie: Wie dein Auge nur blitzt! O lass zur Ulme uns retten! Er: Amor spende uns Schutz, bis das Gewitter vcrtobt! Ter geflügelte Gott. Man muss ihn hassen und lieben, Er: Weil er verwundet, und doch — sei mir, o Ulme gegrüßt! Sie: O wie bist du so gut! So gut, wie Blumen und Bäume Und das blauende Meer, welches die Liebe verschönt — Er: Und verjüngend erhält. So lass am Busen der Erde, Der allgütigen, auch liebend geliebet uns ruhn! 4 Epistel." Sagen soll ich dir, Freund, was jüngst bei uns sich ereignet? Singen es doch die Schwalben auf allen Rinnen und Dächern. Anastasius Grün — du kennst den Sänger der Freiheit -— Schwur den köstlichen Streit, zwar nicht in komischer Fastnacht, Sondern im Frühling herauf, wo alles 'tzrünet und blühet Und vom Gesänge der Vogel es klingt auf Bäumen und Sträuchern. Wie ein jegliches Städtchen, wo deutsche Sprache erlaubt ist, Hat Ljubljana denn auch ein Häuflein wackerer Turner, Das den Körper nicht nur, nein auch den Geist und des Herz stählt, Seit erbitterter Kampf um unser Volksthum entbrannt ist. In antiker Form. Wehe, dass es so ist! Ost kommt ein Felsen ins Rollen, Und er stürzt von dem Gipset des Berges, es folgen ihm andre In das blühende Thal. Vergebens thut man ihm Einhalt; Nieder reißt er die Hütten, verschüttet das Dörfchen und deckt so Den befriedeten Ort mit steinig hartem Gerölls. Turner waren es also, die dem gefeierten Sänger An dem heiligen Haus, wo er, ein sterblicher Heros, Nach der Sonne zuerst und dem blauen Himmel geblickt hat, Eine Tafel geweiht, so wie es überall Brauch ist, Wo Gesittung noch herrscht und eine edle Gemüthsart. Lass mich schweigen, o Freund, von jener seltsamen Feier, Die sich im förmlichen Schatten der Bajvnnette vollzogen; Schweigen von dem Getös', das durch die Stille der Nacht sich Wildanwachsend ergoss, des Friedlichen Schlummer verscheuchend. Zwar die Buben schelte ich nicht, so viel sie auch johlten, Willenlos sind sie und blind und leicht zu lenken und leiten; Sie nur waren der Mund, doch nicht die Seele des Aufruhrs. Aber ihr Väter der Stadt, ihr solltet billig erröthen, Denn ihr konntet euch nicht zu jener Größe erheben, Die sich dem Sänger beugt, auch wenn er anderen Stammes. Selbst der rauhe Barbar verstummt in heiliger Scheue Vor dem göttlichen Lied; er weiß den Fremdling zu schätzen, Der ihn Sitte gelehrt, und weiht ihm Kränze und Denkstein. Edel ist er zu preisen, der, so das Niedre verachtend, In dem Sänger das Lied und in dem Liede den Gott ehrt, Der, erhaben und sauft, sich allen Menschen verkündet. Manches ließe sich sagen noch, Freund, auf dieses und jenes, Und es gäbe noch viel in allen Blättern zu lesen, Hätten die Himmlischen nicht nach dieser kleinlichen Komik Für die Tragik gesorgt, die alle Herzen zermalmte, Da die Nixen des Sees in ihre bläuliche Grotte Ihn zu locken gewusst, der Götter einsamen Liebling." g:; Doch wie die Woge des Meers Schiffstrümmcr und Leichen hinwcg- sM, Spült die flutende Zeit von sich der Tage Geschehnis Und stets Neues erzeugt der nimmer rastende Kronos. An die Paläste denn auch, wie an die Hütte des Armen, Pocht das grimmige Leid; es weinen König und Bettler. Selbst die fromme Natur ist nicht die gleiche geblieben; Blüten fallen des Schnees im silberblütigen Maien, Und die Rosen verwelken im eisigen Hauch wie des Winters. Sv auch irret der Mensch und lässt die Pfade der Tugend. Ailf das grauende Haupt der Mutter senkt sich die Mordaxt Des entarteten Sohns; die goldene Treue verschwindet, Und in üppiger Form erstickt nicht selten die Andacht. Nichts auf Erden besteht, es trügen die Sterne des Himmels, Ja, es trüget der Gott selbst in dem eigenen Busen. Krank ist unsere Zeit; sie braucht des rettenden Arztes, Aber die Wunden sind tief und schmerzvoll jegliche Heilung. Auf Heinrich Lrnchold. Was dem kranken Jüngling die Frühjahrssonne, Blaues Fruchtgelände dem irren Schiffer Und die feuchte Wolke dem Wüstenwandrer Sänger, das bist du Mir, der oft in Stunden, die schwarznmnachtet, Tröstung sucht und findet in deinen Perlen, Die Ivie Mondlicht lenchtcn und sanften Flusses Immerdar rollen. 94 In antiker Form. Lui^ue. Lass dem Städter immer die Lust, zu wandeln Unter schattig grünen Kastanienbäumen, Bis ihm das so lauschig am Wald geleg'ne Tivoli 'o winket; Doch ich liebe, einsam für mich zu streifen Auf den stillen Höhen des grünen Golovc, Unten rechts das träumende Moor, zur linken Silberne Alpen. Abschied von Frristndt. O Vaterstadt! dir tönet der Saiten Gold Als Scheidegruß vom grünenden Waldsamn aus, Die durch der Fichten dunklen Rahmen Freundlich du schauest aus Thales Wiege. Uralte Linden nebst Wildkastanien Umrauschen dich; erustblüheude Gärten ruhn Im tiefen Graben unter grauen Zinnen und Thnrmen, die langsam bröckeln. Wie kühn du stehst, ein lauernder Wachsoldat, O Festungsthurm! Du wehrest die Sturme ab Von deiner Brust; doch muntre Dohlen Fliegen ums Haupt dir, darinnen nistend. Und was dort schimmernd über die Dächer ragt, O traute Stätte, Wiege des Kindes du, Wo Mutter mich das erst Gebetlein, Lauschende Jugend als Mann ich lehrte!'' In antiker Form. 95 Nun ruht sie lange unter dem Hügel dort Im öden Friedhof, der an die Kirchenwand Zerbrochne Kreuze lehnt und Steine, Epheuumwuchert und kaum entziffbar. O Vaterstadt, wehmüthig idyllische! Fort sind die Freunde, innig von mir geliebt, In brauner Erd', theils in der Fremde, Willig ich greife zum Waudcrstabc. Aus tiefster Seele rufe ich: Lebe Wohl, Du traumhaft Städtchen! Tannennmkränzte Höh'u! Bald rauscht am Thorweg mir die Linde, Schwalben umfliegen mich, nochmals grüßend. ch Wunsch. Streichle mir mit kosender Hand die Stirne Und du träufelst lindernden Balsam wieder Mir, o Freund, ins blutende Herz, doch frage Nimmer: Was ist dir? Lass, o lass ins heitere Äug' dir blicken Und der goldnen Jugend dabei mich denken, Die nun dein ist. Finsterer Groll umschattet Plötzlich die Stirne. Hingcstrcckt auf grünenden Sammt der Wiese, Ueber mir den heiteren Frühlingshimmel, Und der Erde kräftigen Athcm trinkend, Möchte ich hingehn; s>6 Während du mit liebender Hand das Auge Vor der Sonne herrlichem Strahl mir schließest Und, mein holder Genius, auch im Tode Mich noch behütest. Melk. Herrlich prangendes Haus aus dem erhabnen Fels, Den die Woge bespült rollenden DonaustromS, Das du irrendem Jüngling Einst willkommene Stätte gabst: Sei mir wieder gegrüßt! Weise nicht fremd mich ab, Weil ich freiheitbeseelt griff zu dem Wanderstab, Mit geblendetem Auge In die schillernde Welt zu ziehn. Wieder tauchen vor mir dämmernde Bilder auf, Wie im schweigenden Dom abendlich goldbestrahlt Ich in trunkener Andacht Vor dem Kreuze des Herrn gekniet. Ein noch scherzendes Kind, das in dem Grünen spielt, Sprang ich von dem Altar dann in den Klosterpark, Wo von laubigen Linden Sich ein schattender Tempel wölbt. Oft auch irrte der Blick leuchtenden: Strom entlang Nach dem rauchenden Schiff, das wie ein Punkt verschwand, Und den Bergen der Heimat, Die im silbernen Duft zerfloss. In antiker Form. 97 Herrlich prangendes Haus auf dem erhabnen Fels, Den die Wage bespült rollenden Donanstroms, Das du irrendem Jüngling Einst willkommene Stätte gabst: Sei mir wieder gegrüßt! Jugend und Heimat sind Längst verloren, und, ach, irrendem Manne schließt .Wundenheilend sich nimmer Deine heilige Pforte auf. Krrms Münster. Wie oft auf dunklem Fittich der Sehnsucht fliegt Mein Geist aus fremdem Lande hinauf zu dir, O altehrwürdig stilles Kloster, Du meiner Jugend geliebte Stätte! Von grünumlanbtem Hügel siehst freundlich du, Ein gastlich Willkomm winkend dem Wanderer, Hinaus ins lachende Gelände Bis zu dem Saume der blauen Alpen. Nach ihren Häuptern blickte ich sinnend oft, Wann sich des Abends Flimmer um Berge wob, Und lvie im Traun: zog euer Bildnis Mir vor die Seele, erhabne Äteister. Des Schicksals Huldblick oder das ernste Grab Nahm euch hinweg; doch schwebt die Erinnerung Um jenen Ort, Ivo in des Wissens Erstes Geheimnis ihr einst mich weihtet. 98 In antiker Form. Das Bild der Edlen leuchtet im Leben fort Und führt, ein holder, segnender Genius, Wie durch des Meers erregte Fluten Uns zu des Friedens ersehntem Porte. 4 Auf Anland Baumgarten.'" Dass ich ernsteren Sinns lausche der Lenznatur, Wann im einsamen Wald quillet das erste Blatt Und der Falter bedächtig Sich ob goldener Primel wiegt; Jetzt auf moosigem Grund unter der Tanne Zweig Bei dein Rieseln des Bachs heimliche Zwiesprach' oft Mit Urania halte, Die dem träumenden Manne hold; Dann im Drange der Welt jegliches Menschenkind, Ob ihm traulicher Ton, den mir die Mutter gab, Oder fremdere Sprache Aus der purpurnen Lippe quillt, Au die fühlende Brust drücke und immer nur In dem rauheren Kern suche das echte Gold, Diese Tugende« dank' ich Dir, dem edelsten Menschenfreund, Der so einsam du stehst unter der Mönche Chor, Seit das eh'rne Geschick Freund dir um Freund geraubt, Von dem jüngeren Nachwuchs, Dem dir fremden, berstaudeu kaum. In antiker Form. 99 Und doch mag dir das Herz pochen mit lautem Schlag, So der Vielen du denkst, die in der Welt verstreut, Dir, dein würdigen Meister, Andachtsvolle Erinu'rung weih'». LV Blick in dir Zukunft. Wohl erröthe, dass du des Ahns vergessen, Dessen Stirne schmückte die deutsche Krone! Stets im Bund mit dunklen Gewalten wirst du Mählich verbluten. Reichlich quoll von: Horne der Amalthea Eiirst auf dich der Segen herab, und ringsum Klang des Sängers Lied zu dem Lied der Lerche Wie um die Wette. In die Gruft sank herrlichen Stamms der Letzte, Und die Vöglein neigten das Haupt und schwiegen. Herbstes Sturmwind zog durch das Land, es deckten Wolken den Himmel. Zwar noch einmal wurde er blau und brachte Auf des Liedes Schwingen den deutschen Glauben; Doch im Bund mit finsterer Macht bezwang ihn Blinde Gcwaltthat. Wie von kaltem Reife berührt, erschienst du Von der Stund' an; denn von dem theureu Herde Zogen dir die Besten hinweg mit nichts als Hacke nud Spaten. 7 100 In antiker Form. Wie an Weltbaums Wurzel der Drache nicht nur, Wie auch Hirsche nagen am grünen Laubwerk, So an deinem Marke noch nagen andre Heimliche Schlangen. Oft in hehren Nächten ertönt ein Rauschen, Wie von Wodans Sturmschritt ob Waldes Wipfeln, Und empor in blauende Luft erhebt sich Mächtig sein Adler. K Herrn Professor Rn.... und Confvrten. Unter'm Sturz des Wassers erdröhnt das Mühlrad, Keuchend zieht das Ross den gewohnten Wagen, Und der Pflug durchschneidet die braune Scholle — Ewig im alten. Und du wagst, Verblendeter, der Scharteke Altehrwürd'ge Weisheit von dir zu lehnen, Brütest gar wohl, trinkend aus Mimirs Borne, Ueber den Büchern; Eitler Thor! indessen die Lehrgenossen Breit am Biertisch schwatzen, wie oft sie heute Ausgelass'ne Jungen in Carcer sperrten, Oder wie pünktlich Sie nach jedem Blättchen Papier gefahndet, Das zerstreut sie unter der Bank gefunden, Stets ihr aufgeblasenes Wort -Professor- Führend im Munde. In antiker Form. Aber fragst du: Habt ihr den «Faust» gelesen? Misst man dich mitleidigen Blicks und schlendert Dir das stolz olympische Wort entgegen: Ich bin Lateiner. 101 Epigramme und Sprüche. * An Eos. Rosenstreuende Eos, dich lieben Dichter und Denker, Streue, o Göttin, auch mir liebliche Rosen — im Traum! Das Bad. Sommer ist es, o komm! Es winkt das kühlende Wasser, Und du steigst wie verjüngt aus dem erfrischende» Bad. So erhebt sich dein Geist wie neugeboren dem Bade, Das der ewige Born griechischer Classik gewährt. Liebesglut. Lege immer die Hand, die kühlende, mir auf die Stirne, Nur um so heißer entfacht sich in den Herzen die Glut. Goethe. Goethe! - - Dies einzige Wort, es birgt eine Welt von Gedanken; Und die Lippe verstummt vor dem unendlichen Geist. Schiller. Hebe immer empor die aufwärts strebenden Schwingen! Um so inniger hält mich an dem Busen die Welt. Epigramme und Sprüche. 103 Bei Scheffels Tod. Einer geht um den andern; mir ist, die Sterne verschwinden, Und inr Dunkel der Nacht bleiben die Lämpchen zurück. Solches bin zwar auch ich; doch will ich leuchten und leben, Gleich dem Würmchen im Gras, das sich im stillen erfreut. Antwort. Warum senkst du das Haupt und blickst bekümmert vor dich hin, Ach, und fragest erstaunt, dass sich mein Auge umflort? Trauen! nicht Wiese und Wald, sobald die Vöglein verstummen Und vor nahendem Sturm plötzlich der Himmel sich wölkt? Bei Eröffnung der Sonet Gotthard-Buhn. Altehrwürdiger Greis, auf dessen Schultern die Fülle Von Jahrtausenden ruht, Jüngling erscheinest du mir, Da dem Geiste der Zeit, den: vorwärts drängenden, freundlich Du zu friedlichem Bund Norden und Süden verknüpfst. Die deutsche Kaisrrs'amilir. Den Urenkel im Arm und Sohn und Enkel zur Seite, Sieht der würdige Greis sich in den Seinen verjüngt. Doch Germania fühlt im Herzen regeren Pulsschlag: Aus dem lieblichen Bild spricht die Geschichte der Welt. Zunr Ningtheaterbrande. Allen starrte das Herz. Man fluchte Acmtern und Würden, Und die fühlende Welt weihte Geschenk um Geschenk. Aber es wuchs das Grün kaum auf dem Hügel der Todten, Sang und klang es wie sonst in dem gemächlichen Volk. M4 All Herder. Liebt die Menschheit! So sprachst du einst, ein Vater, zum Volke; Herrlich dänchte die Saat, aber wir ernteten Hohn. Werde, Deutscher, auch du, was laugst schon andre geworden, Und dein schwebender Aar knüpfet die Enden der Welt. Wrltlanf. Sei bescheiden, v Freund, und wirke Schones im stillen, Und dein Name verweht, Ivie vor dem Winde das Blatt. Aber der Stümper bläst mit lautem Schall die Trompete, Und das kaufende Volk stößt ihm die Bude schier um. Dell Kritikern. Dies und jenes, ich weiß, habt ihr am Dichter zu tadeln, Und mit prüfender Hand löset ihr Blüte und Blatt. Bis ins Kleinste zerlegt ihr so die duftende Blume, Die dein Kinde nur blüht, das sie als Ganzes genießt. Rn . . . Kleine Talente sind's, wie Pilze wuchernd im Walde Doch dem gedunsenen Glanz folget Verwesung alsbald. Air dir Sterne. Seid mir, Sterne, gegrüßt, ihr holden Augen des Himmels, Draus die Seele zu mir jenes Unendlichen spricht! Denr Volksredner. Alle horchen entzückt. Er schüttelt Phrase um Phrase Aus dem Aermel und spricht wie um das heiligste Gut. Aber glaube, o Freund, du stopfst mit Orden und Titeln Dem Beglücker des Volks, da er noch redet, den Mund. Epigramme und Sprüche. 105 An N. v. Sch. Eines mangelt nns, ach! der männlich offne Charakter, Und die Fragen der Zeit lösten wie spielend sich all. Aber es tönet umsonst, Ivie eines Sehers der Wüste, Das prophetische Wort au das verblendete Volk. Ium Sprachonkamps. Wie die Wogen des Meers im widerstreitenden Sturnispiel, Brandet jetzo der Kampf um das erhabenste Gut: Um die Sprache, die einst die liebende Mutter uns lehrte Aber Germania birgt, scheint es, erröthend das Haupt. Den AntU'rnnken. Schwöret die Zeit nicht herauf, die dunkle, die wir begraben! Wollt ihr kämpfen, so kämpft, aber mit Würde und Ernst. «Sic beherrschen den Markt, und sie die Presse des Tages, Selbst die Halle der Kunst that den Profanen sich auf!» Also ruft ihr mit Recht, denn Wahrheit liegt in den Worten; Aber das Mittel ist falsch, wie solche Wunde ihr heilt. Lernt von ihnen den Fleiß, den nimmer müden, und trachtet Nach dem sprühenden Geist und der geschmeidigen Form. Lernt von ihnen die Gtnt der thenrcn Liebe znm Volke Und den sorglichen Sinn, der den Penaten sich weiht; Und verbindet damit die deutsche männliche Tugend: Und der Sieg krönet den friedlichen Kampf. Der Tvd. Du sagst: wir sterben. - Nein, wir leben. Was ist der Blumen Frnhlingsweben Ans unserm Hügel anders wohl Als Leben, das dem Tod entquoll? 106 Gott in der Natur. Der Halm, der sich im Winde wiegt, Die Lerche, die in: Aether fliegt, Die Welle, die im Wasser blinkt, Die Blüte, die vom Baume sinkt, Der Felsen, der zum Himmel strebt, Der Nebel, der im Thale webt — Sie alle predigen nur Eins: Das uralt Göttliche des Seius. Dem Deutschen in Ungarn. Was ist an jenem zu verlieren, Der stolz ist als ein deutscher Mann, Wenn er sich magyarisch schnüren Und Halbwegs radebrechen kann. An Christus. O ärmster Gott! Dein höchstes Streben Hat dir den Tod am Kreuz gegeben; Und wir, statt deinen Weg zu meiden, Wir folgen, um wie du zu leiden. Den Aufklärern. O armes Volk! Man mag dir alles rauben: Des Hauses Glück, des Ackers Erntesegen; Du hebst das Haupt nach noch so harten Schlägen Und bittest um das Eine nur: den Glauben. Im Waggon. Ja, Kram, du bist ein dunkles Land, Ich muss es endlich glauben; So lang ich an der Berge Wand Hinfuhr, nur Wolkenhauben. Epigramme and Sprüche. 107 Doch als ich jenseit Tarvis war, Da wurde der Himmel heiter, Die Berge glänzten wunderbar Und Svnne war mein Begleiter. An Deutschland. Dn hast erreicht, was du gewollt: Deil Siegeskranz hast dn errungen Und jenes Schlangenhaupt bezwungen, Das seit Jahrhunderten gegrollt. O, dass die Einheit, die der Tod Der Besten deines Volkes brachte, Nur nicht die Freiheit auch verachte — Germania, das walte Gott! Dem v berosterreich>schen Nauernvercino. Ich möcht's iu alle Lande rufen: O seht mein Oberösterreich, Das den erzürnten Wogen gleich Emporklimmt an der Freiheit Stufen! Und dennoch sinkt mein Blick zur Erde. Denn glaubt ihr, dass, wo jahrelang Der Nebel um den Pflug-sich schlang, Ein lichter Morgen plötzlich werde? 108 Epigramme und Sprüche. Ritornrlle auf oUerüsterrrichischr Dichter.'" Alvis Blnmaner! Wenn jeder sänge, so wie du gesungen, Die Muse gienge stets in tiefer Trauer. Mathias Schleifer! Man wandelt durch ein Feld voll goldner Mehren; So spricht ein Geist nur, ein vollendet reifer. Amand Vanmgarten! Du bietest einen Garten voller Bänme, In dem man Früchte bricht der besten Arten. Veda Piringer! Ein Funke glomm in dir von jenen beiden, Die schlummern in dem Land der Thüringer. Marens Hvlter! Gleichwie die Abendsonne auf den Bergen, War unser Freund; nur heitre Ruhe wollt' er. Fran; Stelzhammer! Sangst wie ein Vogel, bald vertraulich zwitschernd, Bald klang dein Wort gleich wie ein Schlag vom Hammer. Anton Schelfer! Der Athem deines Liedes stärkt die Seele Wie Hauch der Berge, majestätisch großer. Moritz Schleifer! Dem Stern des Vaters, der dir hell geleuchtet, Bist du gefolgt mit rnhmcswertem Eifer. Epigramme und Sprüche. 109 Fran; Krim! Nach langer Irre blühn dir endlich wieder Des Liedes Segen und ein trautes Heim. Ludwig Stifter! So jung du starbst, in deinen wen'gen Zeilen Erscheinst dn schon als ein im Sturm Geprüfter. Antvu Mayer! Mein Heimatland ist Ivie ein Vogelbauer, Verstummt die eine, tönt die zweite Leier. Den vielen andern! Ich grüße euch; doch jeden zu besuchen, Ich würde viel zu müde von dem Wandern. Guter Ruth. Willst du vor der Welt dich zeigen, Musst du auch Kritik ertragen. Dem Talente ist es eigen, Vor derselben nicht zu zagen. Ist das Urtheil scharf, doch richtig, Wirkt es Ivie ein Ungewitter; Ist es ungerecht und nichtig, So verachtet man das Zwitter. IntrrmtW. ch In der Latterurainisallre in Laibach?" Stutzer: Ich will nach Tivoli! Es rauschen Von ferne schon die heitern Töne; Anch gibt es dort gar manche Schöne, Um einen Blick mit ihr zu tauschen. Ein zweiter: Geh weg! Ich fürchte jene Drachen, Die alten Mütter, welche dort, Wie weiland Fafnir seinen Hort, Die spröden Jüngferchen bewachen. Dirne: Kennst du die beiden? Zweite: Nein. Erste: Ich meine Den blonden — Zweite: Ist ein hübscher Fant. Intermezzo. Erste: Er ist Regierungsprakticant — Jivkikr: Du sagst? Und sprich, wer ist der Kleine? Erste: Sei still! Man scheint uns zu betrachten. Zweite: Sie lenken ein nach Rosenbach. Erste: O komm! Wir gehn von weitem nach, Solch Vöglein darf man nicht verachten. Cigarrenrnädrhen (halb singend): lieber Tag Cigarren drehen, Abends durch die Stadtalleen Schaarenwcis' nach Schischka'^ wandern Und bald diesem, bald dem andern Mit den Augen heimlich Winken, Bis die Schatten niedersinken . . . Lirum, larnni, larum, lir. . . Lustig ist der Kanonier. Erster Pater: Ich will auf diese Bank mich setzen, Herr Bruder, hier sind wir allein; Es muss den Friedlichsten verletzen, Inmitten dieser Welt zu sein. Es will sich keiner mehr entblößen, Wenn wir an ihm vorübergehn, Man spottet über alle Größen Und will auf eignen Füßen stehn. 11t 112 Intermezzo. Zweiter: Ja, ja, die Welt ist voller Thoren Und zieht das Heiligste in Koth; Es glauben diese Professoren An keinen Teufel mehr und Gott. Statt fromm dem Amte beizuwohncn Und zu dem Abendmahl zu gehn, Sieht man sie gar bei Processioncn Hohnlächelnd an der Ecke stehn. BrNlrr: O, geht nicht also stolz vorüber! Vergebens strecke ich die Hand, Ihr aber flieht wie vor dem Fieber, Seht ihr mein ärmliches Gewand. Ein jeder läuft, um zu genießen; O dn mein lieber, lieber Gott! Es thut so weh, sein hartes Brot Sich so erbetteln hier zu müssen. Soldaten: Bei Tage marschieren, Im Feld exercieren, Gewehr auf und nieder, Bald vorwärts, dann wieder Jin Sturme zurück, Ist Kriegergeschick. Doch abends, da wendet Sich Mars und er sendet Frau Venus — hurrah! Die Krieger sind da! Fran: Die falsche! Haben Sie gehört? Intermezzo, 113 Zweite: Ich bin im Innersten empört, Erste: Ich weiß nicht, vb sie kvcht und strickt. Zweite: Nicht einmal einen Strumpf sie flickt. Erste: Uud sv geputzt? Woher sie's hat? Zweite: Ich glaub', das weiß die ganze Stadt, Einer vorn Ktenerarnte: So ich anch dem Amt entfliehe, Zu erquicken Leib und Seele, Mich dem Spuke nicht entziehe, Dass ich im Geheimen zahle, Kann ich eins doch nicht erfassen, Uud das macht mir tausend Qualen: Dass die vielen Meuschenmasscu Keine Luxussteucr zahlen. Socialist : Daran erkenn' ich den Verderber Des Volkes, der nichts andres denkt, Als dass der ärmliche Erwerber Den letzten Stenergroschcn schenkt. Man muss des Volkes Säckel schonen, Doch fragt ihr jemals: Wo gebricht's? Ihr opfert alles für Kanonen, Doch für das Volk, da thut ihr nichts. 114 Intermezzo. Wrlktvriscr: Wie bei Waldameisenhaufen Diese durcheinander laufen, Doch ich lächle ruhig heiter Und geh' stillverachtend weiter. Maler: Mein Geschmack ist alterthümlich. Historiker: Gut, mein Herr! Dann rath' ich Ihnen, Malen Sie, es wäre rühmlich, Die hier wandelnden Ruinen. PHUol»;,: Diese hochverzweigten Kronen, Diese tiefverzweigtcn Wurzeln; Wurzel asx bedeutet wohnen. . . Srhustrrbnb: Sie, mein Herr, Sie werden purzeln. Militärpenstonist: Und da soll man nicht raisounieren? Ist es nicht grausame Gewalt, Die Hunde an der Lein' zu führen, Für die man blut'ge Steuern zahlt! Zweiter: Ich liebe, so den ganzen Tag, Vorab im Winter, in dem kalten, Wenn mau zu Haus' nicht frieren mag, Mich im Casino aufzuhalten. Man blättert dies und blättert das, Liest die und jene Neuigkeit, Hat manchmal Aerger, manchmal Spass — Und so vertreibt man sich die Zeit. Intermezzo. 115 Bürgermeister : Alles huldigt nun der neuen Aera, und mein eigen Glück Mag sich an der Gunst erfreuen Der Versöhnungspolitik. Deutsche Zeiten sind vorüber, Die für gut man einstens fand, Denn wir Väter sprechen lieber In der Sprache Urzustand. Äi» Abgeordneter: Ja, aus Aemtern und aus Schulen Muss heraus das deutsche Wort; Sollen wir nm Freundschaft buhlen, Gibt es einen andern Ort. Mächtig ist der Stamm der Slaven, Und die Zeit, sie ist schon nah, Wo Nur Herrn und keine Sklaven . . . Stimmen von ferne: Ävio Llovensin! Meister: Komm, Alte, komm! Wenn wir die Woche kargen Und bei der Arbeit sind den ganzen Tag, Wer kann es da uns armem Volk verargen, Dass man sich auch nach Ruhe sehnen mag. Meisterin: O sieh nur hin! Nur eitel Gold und Seide Die Glücklichen! Meister: Du nennest sie beglückt? Meijterrn: Nicht, dass ich ihren Reichthum grad' beneide, Doch ist es schön, wenn man sich also schmückt. s» 116 Intermezzo. Weister i Thörichtes Weib! O lass uns weiter gehen, Hier ist nicht Platz für nnsereinen, komm! Meisterin: Und gäbe doch so manches hier zu sehen — Meister: Ich bin nicht gerne in dem Menschenstrom. Natur: Ich bin wie eine reiche Fran Geschmückt mit herrlichstem Gewand Zu beiden Seiten grünt die Au, Bon ferne glänzt der Berge Wand — Und strenc nächtigkühle Schatten Auf euer Haupt, o kommt heran! Deni Frischen bin ich und dem Matten Wie eine Mutter lobesan. Ruujt dichter: Ich habe mein Gemach verlassen Und suche dich ans, o Natur; Doch unter diesen tollen Massen Verliert sich aller Dichtung Spur. Bin vielbewandert in Prologen Und mit dem Reime Wohl vertraut - Doch die Gedanken sind verflogen, Die Muse zürnt, es lärmt zu laut. Matur au deu Nuustdichter: Ihr holet Sonne, Mond und Sterne Vom Himmel her für ein Gedicht Und schweifet immer in die Ferne, Weil es am Nächsten euch gebricht. Intermezzo. Macht nur die Augen auf, die blöden, Und blickt um euch, es gibt sv viel; Es muss die Poesie veröden, Weun sie nicht Lebeu schildern will. Naknrxort: Höre ich die Schelle klingen, Ist die Kappe nimmer weit'? Liebe Leute, lasst mich singen, Der Gesang bringt Heiterkeit. Der hat die, der andre Schwächen, Wo ist einer, der sie mied? Will der Dichter Blumen brechen, Bricht er ohne Unterschied. Kritiker: Wie ist die Ruhe doch so labend, Die man im Freien hier genießt. Ei, guten Abend, guten Abend! O seht, Ivie freundlich alles grüßt. Und dennoch ist euch nichts verhasster, Ich weiß es, Künstler und Poet, Als so ein armer Kritikaster, Der richtet, Mrrsirns (ihm von hinten auf die Achsel klopfend): Weil er nichts versteht. Nnkhropolog: Fürwahr, ich habe von dein Treiben Schon bis zum Ueberdruss genug; Am besten ist's, daheim zu bleiben Bei meinem alten Römerkrng M7 118 Intermezzo. Mit den assyrischen Gestalten; Ich muss sie immer wieder sehn Man weilt so gerne bei den Alten, Weil uns die Jungen nicht verstehn. Hypochonder: Wie sie auf und niederschreitcu Und mit den Gewändern rauschen! Möchtest du mich nicht begleiten, Stimmen der Natur zu lauschen? Und mit mir den Pfad besteigen, Der hinan zur Höhe führt, Deren andachtsvolles Schweigen Mich so wundersam berührt? Begleiter: Gut, dich soll der Wald erfrischen, Doch du musst von Zeit zu Zeit Dich auch in Gesellschaft mischen, Hüte dich vor Einsamkeit! Wie so bald wirst du erfahren, Was der Mensch ohn' Menschen ist, Und mit Schmerzen dann gewahren, Dass sich niemand dir erschließt. Vöglein ans den Zweigen: lieber blaue Meereswogen Kommen wir hiehergezogen, Und wir Hüpfen auf den Zweigen, Die sich auf und nieder neigen; Sehen auf die bunte Menge Und ihr wunderlich Gedränge, Jntermezzv. Frauen, schön geschmückt und eitel, Falsche Locken, kahle Scheitel, Blöde Junker, alte Basen, Viel Geflunker, leere Phrasen: Ei, uns grauet Vor dem Ton, Und wir Vöglein Ziehn davon. 119 Sünktte. * Hemmterinnrrmurrn."" Irn Lärch.rrNuäldrhen. O Lärchenwäldchen, jene goldne Stelle Im Buche der Erinn'rung, sei willkommen! Hier ist der Knabe einst emporgeklommen, Umschaukelt von des Grases grüner Welle. Dann gieng's hinab zur lieblichen Kapelle, Wo ich die Hände faltete, die frommen, Bis mich der Schoß des Waldes ausgenommen Und jauchzend ich von Quelle sprang zu Quelle. Wie einsam hier die hohen Tannen rauschen, Geheime Zwiesprach mit dem Wasser haltend! Wie unwillkürlich meine Hände faltend Glaub' ich noch jetzt der Stimme, ach! zu lauschen, Sich einst dem Kind als göttliche gestaltend, Doch sind's nur Wald und Wasser, welche rauschen. 121 2. Nlif dkl» Nrruzbrrgc. Wozu das Kreuz des Dulders auf dem Hügel, Auf dessen Haupt gewalt'gc Tannen stehen, Um dessen Brust nur Gras und Blumen wehen, Umschmeichelt von des Schmctterliugcs Flügel! Ich liebe nicht das leidensvolle Siegel Des Christenthums auf waldig grünen Höhen, Ich möchte der Natur ins Antlitz sehen, Wie in des Wassers unverfälschten Spiegel. So trübt die Wolke mir des Himmels Bläue, So trübt der Stein die ruhig klare Flut; Was soll das Kreuz, wo ich mich nur erfreue? Dass all der Leiden kaum erloschue Glut Aufs neue in dem Herzen wiederglimme? Hinweg vom Leben jene Todesstimme! 3. Hofwiese. Dem grünsten Teppich bist du zu vergleichen, Mit bunten Blumen wundervoll gestickt; So oft mein Auge sehnend dich erblickt, Muss auch des Kummers düstre Falte Weichen. Besonnte Berge an den Saum dir reichen, Von deren Haupt die dunkle Tanne nickt, Das Wasser träumt, wie in den Schlaf gewiegt Vom sanften Rauschen altehrwürd'ger Eichen. O traute Stätte meiner Kindheit du! Hier bin ich oft in deinem Schoß gelegen Und schloss wie träumend meine Augen zu; 122 Sonette. Die ganze Zukunft lachte mir entgegen - Und mm ich wieder träumend in dir ruh' — Wo ist der Kindheit und des Frühlings Segen? 4. Irn Garten. Das war ein Tag! Der blaue Himmel glühte, Der Brunnen plätscherte als wie im Traume, Den Vogel schläferte auf müdem Baume, Und schlummcrtruuken neigte sich die Blüte. Mir aber war so selig im Gemüthe; Dort saß ja sie im stillen Gartenraume, lind unter ihres Hutes gelbem Saume Sah mich ein Auge an voll Seelengute. Ich küsste sie; dann sprang ich lächelnd weiter, Wie Falter von dem Blatt fliegt, das er küsste; Schon wartete der drängende Begleiter. Ich sah nicht um, wie oft die Mutter grüßte; Und nun sie schlummert in dem kühlen Grunde, Wie möcht' ich hangen stets an ihrem Munde! 5. Vor dem Gartenhause. Ob unserm Hause liegt ein stiller Garten, Man blickt von ihm ins lachendste Gelände; In fernster Ferne blaue Alpenwände Mit schroffen Zinken und geborst'neu Scharten. 123 Und dort, umtost von Blumen aller Arten, Hielt ich so oft umschlungen deine Hände, Dass ich das Liebste auf der Erde fände Und deine Augen schlossen sich, die zartem Drauf legte um die Erde sich ein Dämmern, Dass Berg und Thal in Silbergran verschwamme», Die Sterne glühten auf wie Licbcsflanunen; Von allen Zweigen schien es leis zu flüstern, Die Rosen streuten ihren Duft so lüstern O fraget nicht! Ich fühl's noch jetzo hämmerm 6. An der Kreins. Die Zeit der Jugend war's, die träumerische: Einschläfernd schlug das Wasser an den Strauch, Libellen wiegten sich in Windes Hauch, Im kühlen Grunde spielten sich die Fische. Ich wartete in goldig grüner Nische, Dahingestreckt nach Müßiggängers Brauch; Die Zweige rauschten, und schon kamst du auch In deiner ganzen jugendlichen Frische. Und wie die Vöglein über uns auch saugen Und sich die Sonne durch die Blätter stahl, Ich sah nur dich und deiner Äugen Strahl Und hielt dich liebend mit dem Arm umfangen, Indes zu Füßen schlummerten die Fluten, Das Bild zu spiegeln, wie wir selig ruhten. 124 Au den erwählten Erzbischof von Wien, Cölestin Ganglbaner. Hinausgerissen aus der stillen Zelle, In der von Welt und Menschen abgeschieden Für dich du lebtest und der Seele Frieden, Hat dich des Schicksals wandelbare Welle. lind nun dn scheidest von des Klosters Schwelle, In dem der Sturm des Lebens dich gemieden: O möge dich auf fernerm Gang hienieden Der Geist begleiten dieser heil'gen Stelle. Hier hast du einst so manchen Trost gespendet, Hier hat die Jugend deinem Wort gelauscht, Der Sterbende hat sich an dich gewendet: Und ob auch Wien von lautem Beifall rauscht, Kremsmünster fühlt, als sei aus seinem Frieden Ein Genius, ein himmlischer, geschieden. An I. Gm? ' Ein sinnend Mädchen sah ich oft dich lehnen An das Staket, von Rosen überrankt, Wann wieder mit der Mutter du gezankt, Das Auge noch geröthet von den Thränen. Nach blauen Bergen sahst du voller Sehnen Und hast auf meine Grüße kaum gedankt; Denn wie die Rose in dem Sturme wankt, So mochtest du dich sturmergrisfen wähneu. 125 Dann brachten selbst die unschuldvollen Reime Des Knaben dir kein Lächeln ans den Mund, Nur immer mehr versankest du in Träume. Und unergründet, Ivie des Bergsees Tiefen, War deine Seele, deren tiefster Grnnd Von einem dunklen Schmerze war ergriffen. An Ant. S. Die Sonne ist zur Ruhe schon gegangen, Nur noch die Berge leuchten auf wie Gold, Bis Göttin Nacht ihr Schlummertuch entrollt, Die Erdenwiegc liebend zu umfangen. Nun lässt sie ihre Silberampel hangen, Und so ein armes Menschcnherzc grollt, Dem Stern au Stern sie aus der Tiefe holt, Dass tröstend sie dem Schlummerlosen prangen. So war um mich auch schlummerlose Nacht. Doch von dem armen Kinde niemals weichend, Hast du mich stets, der holden Göttin gleichend, Mit deinem Blick so mütterlich bewacht Und gleich den Sternen, nie im Glanz erbleichend, Wohlthaten mir, unzählige, gebracht. 126 Sonette. Laibach. Auf dein Krlzlossbergr. Das Haupt umwölbt mm grüuem Blätterschilde, Siehst du am Fluss, der sanft himmtergleitet, Die graue Stadt, wo buntes Leben schreitet, Und weiterhin ein grünendes Gefilde: Kastanien, die in des Lenzes Milde Den reichen Schmuck der Blätter ausgebreitet, Waldhügel dort, die Pfad an Pfad durchlebet, Fernhin der Alpen zackige Gebilde. Ich lege meinen Wanderstab zur Seite Und lehne sinnend an dem Stamm der Bliche, Die Blicke sendend in die duft'ge Weite. Ist es die Heimat, die ich irrend suche? Was strebst du fort! Unschuldig an dem Streite Ist dieses Land und an der Götter Fluche. Stimmung. O süßer Tod! Du einz'ger Trost im Leben, Wann wirst du die ersehnte Tröstung bringen Und mir das Haupt mit deinen weißen Schwingen, Du Genius des Friedens, einst umschweben? Ich bin so müde von dem ew'gen Streben, Und nicht des Geistes nnstät Vorwärtsdringen, Nicht Fran'n und Freunde, noch der Harfe Klingen Erheitern mich, nicht Rosen auch und Reben. Sonette. 127 Nur Eines ist, was mir auf Erden lächelt: Des Grabes Blumen, die der Frühling fächelt. Wie ihre Wurzeln in die Erde ragen! Als ob die vielen ungelösten Fragen, Die meine arme Seele hier bedrängen, Nur Lösung fänden in dem Grab, dem engen. Frühlingsstimmmigkn." Frühliirgsstittunurrgen. Ein lindes Säuseln geht durch den Hain, lind heimliche Geister weben Aus blauer Luft und Sonnenschein Erwachendes Frühlingsleben. Ich aber schreite schwermnthsvoll Wie ein Träumender auf Erden; O armes Herz! Wann wird es wohl In dir auch Frühling werden? Maimorgen ist's. Die Blüten regnen Von allen Bäumen auf den Hag, lind «»sichtbare Geister segnen Mit mildem Hauch den jungen Tag. O komm! Ob ihre Silberfädcn Die Spinne auch um Bücher webt, Wer wird vom Wissenskrame reden, Wenn rings der Frühling um uns lebt? Frühlingsstimmungen. 129 Mag immer der Gelehrte brüten, Sein Forschen däucht mir wie ein Fluch; Mir setzt aus Blumen und aus Blüten Zusammen sich das schönste Buch. Und einen Freund wie du zur Seite, Selbst wie der Mai so schön und jung, Wer fühlt da in der Gottesweite Nicht trunkene Begeisterung? Was rauschest du, o greise Tanne? O lass uns ruhu, hier ist's so kühl; Und gib dem Jüngling wie dem Manne Das weiche Moos zum Schlummerpfühl. O seht, wie friedlich schon der Knabe An meine Brust gelehnet ruht! Du bist das Liebste, was ich habe, O schlafe wohl in meiner Hut! Noch leuchtet dir der klare Morgen Und sprosst und grünt um dich die Welt, So lang des Lebens bleiche Sorgen Der Arm des Freundes von dir hält. Doch wie, wann sich die Blüten senken Ans deines armen Freundes Grab? Wach auf! wach auf! ich darf's nicht denken, Und nimm den Hut uud Wanderstab! 3. Wenn ich mein Haupt an deines lege Und meine Hand in deiner ruht, Wie unter mütterlicher Pflege Wird mir mit einemmale gut. 130 Frühlmgsstimnmngen. Doch wirst du auch in nächster Stunde Die Schmerzen stillen meiner Brnst Und durch ein Wort aus deinem Munde Aufs neu mir wecken Lebenslust? Du sagst: O trockne deine Thränen Und sei, ich bitte dich, ein Mann! Wozu das wehmuthsvolle Sehnen, Das keine Tröstung bringen kann? Lass durch dein Wissen dich bekehren, Das jahrelanger Fleiß dir schuf, Und ist, die Jugend zu belehren, Nicht auch ein herrlicher Beruf? Auch haben dich aus ihrem Borne Die Musen überreich begabt; Wie neidenswert ist der Erkorne, Der so die Welt mit Liedern labt! Genug! Du sprichst, wie viele sprechen. Was weißt denn du von jene:» Fluch, Mit dem die Himmlischen sich rächen Für jeden eingegeb'nen Spruch! Schou ist es Nacht; es glühn die Wangen Und immer lauter Pocht das Herz; Dies ew'ge Hoffen, Wünschen, Bangen, Bald höchste Lust, bald tiefster Schmerz; Dazu die Mitwelt, die unfühlend Mit herbenr Spotte dich umsteht, Und in der Brust die Krankheit wühlend: Das ist, v Götter, ein Poet! Frühlingsstimmungcn. 131 4. Was Wendest von mir dn das wonnige Haupt Und blickest so düster darein? Ich habe an dich so innig und rein, Wie an Sonnenschein Vergangener Tage geglaubt. O komm! Es blühet und duftet die Lind' Und wirbelt der Lerche Gesang; O lass mich ruhen und stundenlang Deiner Worte Klang Mich lauschen, o liebliches Kind! Daun löset sich mählich der brennende Schmerz Durch der Liebe lindernde Macht; Doch gehst du, ist wiederum stürmische Nacht Mir im Herzen erwacht — Wann findest dn Ruhe, mein Herz? 5. Was soll ich dich, o Welt, vermissen, Die du so niedrig bist und klein! Mir sagt das ruhige Gewissen, Wie jetzt, auch fürderhin zu sein. Ich habe euch, ihr holden Musen, lind dich, o ländlich stille Flur, Und fühle an des Weibes.Busen Die Doppelschönheit der Natur. Dann kommst auch dn, geliebter Junge, Und gehst, wohin cs mir gefällt, Und bannst durch deine heitre Zunge Die dunkle Schwermut!), die mich quält. 132 Frühlingsstimmungen. Und dennoch könnt ihr nicht erfassen Das tiefe Räthsel meines Seins; Ich bin geliebt und doch verlassen, Obzwar kein Herz so schlägt wie meins. 6. Liebend nmkosen Mich glühende Lüfte, Schmeichelnd sich legend Um Stirne und Brust. Erde dampft, Und der Athem Gottes Wehet um mich. Athme auch ich Ju durstigen Zügen Ein jung erglühend Erwachendes Leben, Knospet der ahnende Frühling in mir? Zu spät! Zn spät! Gift ist der Athem Der dampfenden Erde, Und in trunkener Sehnsucht Ich rufe, ich rufe: Nimm mich auf! Nimm mich auf! 7. An den Mond. Wie so ruhig doch dein Licht Ueber allen ruht Und sich silberglänzend bricht In der dunkeln Flut! Frühlingsstimmungeil. Sinnend stehe ich am Saum So verlassen hier, Blicke in der Wellen Schaum, Bald hinauf zu dir. Manches Bild verlorner Zeit Mir vorüber flieht, Während unnennbares Leid Durch die Seele zieht. Komm, o schwarze Wolke, komm, Nimm des Mondes Schein, Lass es, wie der dunkle Strom, Dunkel in mir sein! 183 8. (Aus dem Vrrgc.) Wie oftmals habe ich schon hier, Wenn allzu schwer der Sorgen Bürde Ans meinen Schultern hat gelastet, Bei diesem Felsenstein gerastet, Des Himmels Bläue über mir. Doch der ersehnte Frieden wollte Nicht in mein Herz; was mich erfreuen sollte, Erfreute nicht. Der Bücher bin ich satt, Die Vorzeit will mich nimmermehr begeistern, Und selbst das Lied, das sonst besänftigt hat, Kann meines Herzens Uurnh' nicht bemeisteru. (Viston.) Umschwebet mich, ihr freundlichen Gestalten! Der Traum ist süß, das müde Auge sinkt. Ich grüße euch, o altehrwürd'ge Falten - Die Mutter ist es, die dem Kinde winkt. 134 Frühliilgsstimmungen. Auch du, o Schwester! Wte geucseu Ist meine Brust; fast lächelt mir der Mund, Denn mit euch im gesellig heitern Bund Seh' ich noch manchen, der mein Freund gewesen. (Erwachen.) Wer kommt? wer naht? Das Traumbild ist entschwunden. Willkommen, Freund, so jung du bist! Wenn dn bei mir auch manches Leid empfunden, Du hast mich herzlich stets gegrüßt. An deiner Seite fühl' ich noch Manch lichte Freuden dieser Erde, Und leichter trage ich das Joch Der Sorgen, ach! daheim an meinem Herde. — — — (Heimkehr.) O komm! Wir wollen heimwärts gehn; Die Schatten werden immer länger, Schon ruht die Sonne auf den Höh'n Und grüßt den schwermuthsvollen Sänger. O, wie geinüthlich vor der Schwelle Sitzt dort das schlichte Elternpaar, Indessen bei des Brunnens Quelle Vergnüglich spielt der Kinder Schar. Die Schwalben ans und nieder fliegen, Zur Seite rauscht der muntre Bach, Und hohe Lindenäste schmiegen Sich an das graubemvoste Dach. Frühlmgsstimmungen- 135 Fast c;rant mir vor den dunklen Gassen, Wo sich die Menschen bunt bewegen. Es liegt ein wundersamer Segen Auf jener Flnr, die wir verlassen. Mir ist, als ob die grünen Bäume Im Walde mich allein verstünden; Ich kann, vertieft in meine ernsten Träume, Mich in die Menschenwelt nicht finden. Und jenen Alten könnt' ich fast beneiden, Der dort das Holz mit seinem Beile spaltet; Es thut mir Weh, von jenem Kind zu scheiden, Das seine Hände zum Gebete faltet. Denn was schon längst aus meiner Brust geschieden, In ihnen lebt's: Ich suche deine Spur, Allmächtiger - o süßer Frieden! Vergebens doch am Herzen der Natur. 9. Herz, mein Herz, du musst dich zwingen, Willst du nicht zusammenbrechen; Lass die Harfe zu dir klingen, Herz, mein Herz, du musst dich zwingen; Lass den Frühling zu dir dringen, Lass die Bücher zu dir sprechen, Herz, mein Herz, du musst dich zwingen, Willst du nicht zusammenbrechen. tO. O nimm den Wanderstab zur Hand Und lass wie einstens wieder Uns wandern durch dein Heimatland, Die Brust voll heitrer Lieder! 136 Frühlingsstiminuttgett. Wie ist die Welt so üppig grün, Es rauscht der Bach so heiter; Und ringsum Busch uud Bäume blüh» So schön, wie mein Begleiter. Du hast ein liebes Augenpaar, Das immer schelmisch funkelt, Und deine Stirn' umrahmt ein Haar, Das wie Kastanien dunkelt. Bist wie ein junger Tannenbaum, So schlank emporgeschossen; Ich aber folge wie in: Traum Dir blühendem Genossen. Auch ich war juug, doch immer blass Wie eine Wasserblüte; Vereinsaint ich bei Büchern saß Mit sehnendem Gemüthe. Nun bin ich krank und lebensmüd' Und habe keine Wonne, Als dich, mein Junge, und das Lied Und Wiese, Wald und Sonne. O nimm den Wanderstab und geh Mit mir durch grüne Matten! Vielleicht entflieht mein banges Weh Im dunklen Waldesschatten. Doch kann auch sie, die sonst so gut, Natur, mich nimmer heilen, Dann lebe wohl! So junges Blut Darf bei dem Tod nicht weilen. FrühlingssNmmmigeii. 137 11. Was weißt denn du von der Gewalt des Sturmes, Der in mir rast! Du bist noch jung, Und vor dir liegt die Welt. Ich habe abgeschlossen, Und selbst das Weib, das jüngst mir angetraute, Es zaubert mir kein Lächeln ans die Lippen: Armes Weib! Reich' mir den Becher, Freund! Was zauderst du? O srage nicht, warum. Ich wandle einsam meine öden Bahnen Und bin so müd'. O goldne Jugendzeit! Du stehst vor mir, gleichwie ein junger Baum Im Schmuck des Frühlings. Tausend Ephenranken Umschlingen ihn, Und er verdorrt ins Mark: Noch einen Schlag — er fällt. Was weinest du? Du bist nicht ganz verlassen. Die holden Stimmen werden dich begleiten, Die mir Apollo gab; Und bin ich drauß', Weißt du, in kühler Erd', Dann kommst du wohl von Zeit zu Zeit zu nur Und siehst den Stein Und liesest meinen Namen; 138 Frühlillgsstimmungen. Und Wie ein Falter sich mit dunklen Schwingen Auf eine Helle Frühlingsblume senkt, So schwebt um dich in schwermuthsvoller Trauer Auch die Erinnerung an deinen Freund, Den du geliebt. — Leb Wohl! 12. «Was blickest du so unverwandt hinunter? Schwarz ist die Nacht und schwarz des Wassers Grund. Hast du mich lieb, so komm, sei wieder mnnter, Nichts Gutes sagt dein festgcschloss'ner Mund.» Ja, dn hast recht. Es ist schon spät geworden, Geh schlafen, Junge, und lass mich allein! Du siehst, es ist schon still an allen Orten, Ich aber will hinaus noch in den Hain, Wo sich die Bäume ineinander schlingen - Du kennst den Ort. Erbange nicht, mein Kind! O lausche auf! Hörst du die Geister singen? Das Wasser flüstert, und es rauscht der Wind. Ein einz'ger Sprung, nnd wie ein Mantel schmieget Die schwarze Flut sich nm den Leib. Und immer dunkler wird's — der Geist entflieget — - Du armer Freund! O grüße noch mein Weib! Doch in den Blättern wird man morgen lesen: Der Fluss hat eine Leiche angeschwemmt. Dann fragen sie vielleicht: Wer ist's gewesen? Wenn man zu dieser Frage sich bequemt. Nur du allein wirst an dem Grabe weinen; O blicke, Kind, noch einmal auf den Sarg, EH' er umhüllt von brauner Erd' nnd Steinen Für immer deinem Auge sich verbarg! Frühlingsstimmungen. 139 Doch klage nicht, dass ich von dir geschieden, Wenn d» ein Fünkchen Liebe für mich hast; Ich bin so ruhelos, so ohne Frieden, Was gönnest du mir Armen nicht die Rast? Walsrida. 4 Ich muss euch bitten, nehmt den Wauderstab Und folgt mir durch Jahrhunderte zurück Tief in die Zeit des grauen Heidenthums! Verrauschte Bilder tauchen wieder auf Und werden mir lebendig. Vor mir steht Der griine Wodanshaiu, von Mutterarmen Der Ems und Hase liebend eingeschlossen. Ich grüß' euch, Eichen! Ei, was schüttelt ihr So ernst und sinnend eure hohen Häupter, Und ihr, o Buchen, warum flüstert ihr Und schaut den Fremdling scheu und furchtsam au? Ich liebe euch und weiß nichts Schöu'res, als In Waldes heiliger Dämmerung zu wandeln Und jene Zeiten wieder aufzubauen, Da alte deutsche Herrlichkeit geblüht. Erstes Bild. Die Sonne sinkt und färbt den Abendhimmel Mit rothem Blut. Die Ems erglüht wie Feuer, Des Waldes Kronen blitzen auf wie Gold; Doch langsam naht mit unhorchbarem Schritte Die Göttin Nacht. Die Blumen nicken ein, Walfrida. 141 Kein Bogel singt, allmächtiges Schweigen ruht Auf weiter Erde. — Da tönt leise zitternd, Wie wenn vom Fels die jnnge Quelle rieselt, Dann voll und mächtig, gleichwie Waldstrvms Tosen, Ein Herz und Ohr bezaubernder Gesang Ans Wodans Hain. Auflauscht mein Ohr. Ein tiefes, Geheimnisvolles Sehnen fasst mich an Und zieht mich nach. Durch grüne Sänlcngänge Führt mich der Pfad. Die Wölbung lichtet sich, Und cingesäumt von einer Silberquelle Und reckenhaften Bäumen grünt in stiller, Jungfräulicher Zurückgezogenheit Ein heitrer Wieseuplan im Schmuck der Blumen. Doch in ihm steht die heilige Wodanseiche, Die uralt einsam ihre Riesenzwcige Zum Himmel sendet. Sie umrauscht der Sachsen, Der blondgelockten, trutzblauäugigen, Erhabnes Opferlied. Indessen funkeln Die Sterne auf, und silbern fließt der Glanz Des Mondes um ein greises Priesterantlitz, Auf dessen Stirn' so manche Rune steht. Austönt der Chor. Ein Jüngling hohen Stammes, Der Sachsenherzog Witobald, tritt vor Und schaut den Priester lange schweigend an, Als könnt' er eine Welt von dunkler Weisheit Aus seinem Auge lesen. «Frommer Greis!» Beginnt er ernst und klangvoll, «auf zu Wodan, Dem Schlachteulenker, ist das Lied erklungen, Dass er mit seinen: Schilde uns beschatte; Denn schwere Wolken hangen über uns. Du sahst den Stern gleich blutgetränktem Schwerte Am Himmel stehn. Auch geht ein seltsam Flüstern, Wie leises Wimmern, durch der Welt Gefilde, 142 Walfrida. Und böse Träume schrecken uns vom Schlaf. O frommer Greis! Du, dessen Geist so oft Verborgne Falten der Natur erschaut, Ich, Witobald, der Sachsenherzog, flehe Dich mahnend an: Verkünde uns die Rnncn, Die nur des Priesters Auge sich enträthseln! Der Herzog sprach's. Ein donnernd Heil erscholl ihm. Der Priester aber brach der Zweige achtzehn Und ritzte jedem eine Rune ein. Dann wandte er das Auge zur Walhalla Und warf die Stäbe auf ein weißes Tuch, Hob dreimal je ein Stäbchen auf und las Die Runen W und F und K mit lauter Stimme. Draus sann er je drei Worte gleichen Anlauts, Die Worte: Wehe, Wodan, Wanken; Fromm lind Fremd und Freiheit; Kren; und Krieg und Krone. Aus diesen Worten formte er sechs Verse, Geheimnisvoller Zukunft als Enträthsluug: «Kuft dreimal Weh! Es wankt der Götterglaube, Und Wodan stürzt, der Ewige, vom Ehron. Die alte Freiheit ltirbt durch fromme Männer Aus fremden Landen, und ein neuer Gott, Der Gott des Kreuts und der Dornenkrone, Zieht ein mit Krieg, uns allen zum Verderben!» Der Priester rief's. Es glomm aus Witobalds Knhnblauem Äug': «Herbei, ihr Sachsensöhue, Ihr blondgelockten, trutzblauäugigen! Beim Licht der Sterne und dem Glanz des Mondes, Der über uns im feuchten Aether schwimmt, Wir wollen schwören zu den alten Göttern, Zn dir, o Wodan, der Walhalla's waltet, Zu dir, o Donar, der im Donner redet, Zu dir, o Ziu, der in Schlachten wüthet, Walfrida. 143 Wir wollen schwören zu den alten Göttern: Für sie zu siegen oder zu vergehn!» Der Herzog schwur, und alle Sachsen schlugen Mit einem Schlag gewaltig au das Schwert, Dass es wie Donner durch die Nacht erscholl. Und stille ward es. Wodans Eiche rauschte Wie Sturmeswehu. Goldfunken sanken sprühend Vom dunkelblauen Himmel durch die Nacht. Dweikrs Bild. Von jenen Frauen habt ihr schon vernommen, Die ernst und ruhig in die Zukunft schauen, Wie in ein offen, aufgeschlagen Buch. Alrnueu heißen sie, Allseheriuuen, Und heilig hielt mau sie in grauer Zeit. So sah ich auch auf grüner Waldeshöhc Walfrida stehn, Alrunenkönigin Und Witobalds geliebte Schwester. Bekränzt mit Eichenlaub Ivar ihre Stirne, Der Busen nackt, und nackt die weißen Arme, Wie Alabaster schimmernd; von den Schultern Fiel Purpur auf die Erde. Als den Schwur Des Bruders sie vernahm, da stieg sie bebend Vom Hügel nieder, schritt zu Witobald, Ihn unter warmen Thränen lang umarmend; Darauf betrat sie den bemoosten Stein, Ergriff die Harfe aus Aurimas Händen Und stimmte klangvoll. In die Saiten greifend, Entlockte sie die wunderbarsten Töne, Mit Worten sie begleitend tiefen Sinnes: «Was du, o Priester, aus den Rnncn lasest, Mein Geist hat cs erschaut. — 144 Walfrida. Leb' Wohl, o Wodan, Des Himmels Waltender! Und dn, o Holda, Du kluge Göttermutter! Thronen weint Mein Äug' nm dich. — Ich denk' der Zeit, Der heilig hohen Wintersonnenwende, Da du mit Wodan unter Menschen wandelst Und segnend einkehrst unter Menschendach. Es ist die Zeit der zwölf geweihten Nächte, Wo alles, was in Fels und Strom sich birgt lind was im Reich des Aethers herrscht und thront, Die Fesseln sprengt nnd jeden Bannsprnch löst. Da fängt das Wasser wunderbar zu rauschen, In allen Lüften hebt ein Klingen an, Und donnernd, wie in Hochgcwitternächtcn, Dröhnt's von den Bergen, in den Wäldern branst's Geheimnisvoll von unsichtbaren Geistern. Ich seh' sie wieder, diese hohen Zeiten, Seh' Kinder springen um den grünen Baum, Aus dessen Zweigen goldne Lichter brennen, Hör' Glocken tönen durch die heil'ge Nacht. Man strömt zum Tempel, Andacht glüht empor, Der Weihrauch duftet, fremde Lieder tönen, ,Christ ist geboren!' schallt es durch den Dom. Du aber, Holda, du, o Vater Wodan — Wenn Winterstürme heulen durch die Luft, Dass es die Eiche aus dem Boden hebt, Erschrickt das Kind, die Mutter macht ein Kreuz, Der Vater stammelt: Weh, die wilde Jagd! Der Wodan kommt, Frau Holda zieht vorbei! Und heißt die Kleinen ,Vater unser' beten, Dass ihnen Gott ein gnadenvoller sei. Von einer wilden Perchtel wird man sprechen, Du bist's, o Holda, die als hässlich Weib Walfrida. 145 Am Tag Dreikönig zieht von Haus zu Hause, Mit einer großen Schelle auf dem Rücken Und einer schwarzen Larve vor'm Gesicht! Ihr wiegt das Haupt, ihr edlen Sachsensöhne? Ich sag' euch mehr: Im nahen Frankenlande Ersteht der Feind; ein großer König ist's, Der mit dem Sceptcr will die Welt beschatten. Bald wird er kommen mit den frommen Männern Und seinen Speer auf diesen Boden pflanzen In Kreuzesform. Ja, Witobald, ein Enkel Aus deinem Blut wird schon den Nacken beugen Und vor dem neuen Gott im Staube knien! Drum wend' ich mich an dich, du greiser Priester, Du Runcnkundigcr! Ritz' in die Rinden Der Buchen ein die alten Sagenlieder, In denen wir die hehren Götter priesen Und hohen Helden, wenn beim frohen Mahle Von Hand zu Hand der Methkrug kreisend gieng. Ritz' ein die Lieder, die zu Schildesklange Erschollen bei dem Festzng in die Schlacht, Die tanzend wir ums Opferfcner fangen Und nm die Strava, drauf der Tobte lag; Dann lasst uns unter dieser Wodanseiche Tief in die Erde eine Grube bau'n, Sie zu versenken als ein heilig Erbgut Erlvschucu Heidenthnms! Es kommen Tage — Wan wird euch suchen wie verlorne Kinder, Und mit der Lieb' und Sorgfalt einer Mutter Wird man euch hüten, pflegen und bewahren!» Walfrida sprach's. Es kaue ein Sturm von Süden, Der Mond erlosch, die lichten Sterne schwanden, Und Wodans Hain barg sich in schwarze Nacht. IN 146 Walsriim. Drittes Bild. Walfrida war schon längst in Staub zerfallen; Auf einem Hügel unter grüner Linde, Umblüht von wilden Rosen, lag ihr Grab. Und Jahr auf Jahr verrann. Die Sterne leuchten Wie damals noch, der Sturmwind klagt noch immer, Doch andre Zeiten kamen über's Land. Und fragt ihr, was geschah? Es gäbe viel zu sagen Man denkt nicht gern daran. Es thut dem Herzen Recht bitter Weh, muss es von Dingen hören, Wie man dem Volk sein liebstes Gut entreißt Und mit Gewalt es von den Göttern trennt. Einst war ein Tag, recht schwül und wetterschwanger, Unheimlich Bangen lag auf Flur und Wald; Da kam ein Schiff die Ems herabgeschwommen, Seltsam zu schan'n. Ein hohes Kreuz ans Gold Flammt in die Lust; und Männer stehn im Schiff In weiten weißen, wallenden Gewändern, Dazwischen Krieger, schild- und schwertbewaffnet. Sie gehn ans Land und singen fremde Lieder, «Kyrie eleison» tönt, und wundernd schaut Der Sachse drein, so wie ein Kind, wenn es Zum erstenmal so recht was Seltnes sieht, Was Ungeheures, Unverstandenes. Doch währt's nicht lang. In seinen Ohren klingt Walfrida's dnnkles Wort, im Volke lebend Von Kind zu Kindeskind. Er stürzt zum Wald, Und alles schart in Wodans Haine sich Und wartet auf den Tag, da Iggdrasil In Flammen fällt und alle Götter kommen, Den schwersten, letzten Kampf noch ausznkümpfen, Den Kampf ums Dasein. Walfrida. 147 Und es kam der Tag. — Wodan, wach' auf! Es geht an deine Krone! Wo bist du, Donar? Schiving' den Donnerkeil! Auch Ziu schläft? Zu spät! Schon treibt der Priester — «Fremdling, halt ein! Bei deinem grauen Haare!» Zu spät! Er treibt die Axt schon in die Eiche: Sie stöhnt, sie stürzt, sie stirbt. — Du armes Volk! Die Götter habeu dich verlassen! Doch — Keiu Feuer fällt voin Himmel. Lustig grünt Die Erde fort, als wäre nichts geschehn. Der Priester aber nimmt das Kreuz des Heilands Und stößt es in die Erde: «Kommt und lasst Ans dieser Eiche uns ein Kirchlein bau'n Für den, der für uns lebte, litt lind starb!» Und wie aus einem Munde braust's von tausend Und tausend Lippen: Gott, dich loben wir! Doch angstvoll gleichwie Kinder klammern sich Die Wurzeln an die Mutterbrust der Erde. «Ihr haltet eiu?» Mann Gottes," sieh und sprich! «Allmächtiger! Der Vorzeit Lieder kehren Alls Licht der Sonne. Nehmet Zweig nnd Neste lind zündet Gott ein Frcndenopfer an!» Der Priester sprach's. Die rothen Flammen zischen, Hohnlachcnd wirft er drein die heiligen Schätze Altdeutschen Heldeusanges. Rauch wallt auf, io» 148 Walfrida. Dazwischen leises Wimmern, Wehklagruf Der hehren Geister. Auf, wach' auf, Natur! Bewölkter Himmel, öffne deine Schleusen! Nun endlich: Donar spricht. Die Blitze rollen, Gott Wodan stürmt, der zürnende, heran, Und aus dem Feuer fliegt ein zitternd Blatt, Wie Hilfe suchend, nach Gewitters Höh'. Am Grab Walfridas fällt es endlich nieder Und birgt sich in dem Schoß der wilden Rosen. Dort fand's ein Kriegersmaun. Er las und ballte Die starke Faust, las wieder, las es selbst, Als schon die Kutte seine Brust bedeckte, Da er zu Fulda in das Kloster trat. Und dieses Lied? Es ist das einzige Aus körnig deutscher Heldenpoesie Und singt von Hildebrand. Wollt ihr es lesen, Nehmt abermals den Stab und wandert nur Ins weite, schöne Hessenland hinein. Zn Cassel ruht das vielgeprüfte Blatt, Doch schaut es jeden seltsam freundlich an Und gibt zu Dank ihm frische Hcrzensstärkung. Das Hildebrandslied. (Aus dem achten Jahrhundert, frei umgebildet.) Sagen hört' ich, wie sich einstens Hildebrand und Hadubraud Forderten zum Einzelkampfe, Sohn und Vater, unerkannt. Wie sic rasch die Panzerhemde Rüstend warfen um die Brust, Schwerter über Panzerriugc Gürteten voll Kampfeslust. Walfrida. 149 Hildebrand begann zu sprechen, Er, der klügere an Geist: Möchte wissen, junger Degen, Wie dein edler Vater heißt. Welches Stamms dn bist und welcher Helden du dich rühmen magst, Da du svnder Furcht und Zagen Selbst mit mir zu ringen wagst! Vielgereist bin ich auf Erden, Kenne manches Menschenkind: Wenn du mir uur eines nennest, Weiß ich, wer die andern sind. Ilnd ihm Hadnbraud entgegnet, Hildebrandens edler Sohn: Kluge Alte, die in kühler Erde schlummern lange schon, Sagten mir den theuren Namen Meines Vaters: Hildebrand. Und dein eigner, Kind, o rede! — Ich, ich heiße Hadnbraud. Flüchtend, hört' ich, zog der Vater Fern nach Osten vor dem Feind Ottaker mit vielen Degen Und mit Dietrich, seinem Freund; Ließ die Mutter, einsam trauernd, In dem Heimatland zurück; Ich, ein unerwachs'ner Knabe, War ihr Trost und einzig Glück. Stets an des Gefolges Spitze Stand im Streite Hildebrand; Als der kühnste aller Helden War er überall bekannt. 150 Walfrlda. Sprach's. Des Vaters Auge funkelt Auf in selig süßer Wonne: Du Allvater in dem Himmel Weißt es, klar ist's wie die Sonne, Die so herrlich niederleuchtet Auf den grünen Wiesenplan — Jüngling, nie hast du gerungen Mit dir so verwandtem Manin Und er windet goldne Spangen Von dem Arme rasch herab, Wie sie ihm der Hunnenkönig Einst zum Angedenken gab: Brauchst nicht so dein Haupt zu schütteln, Bin in Freundschaft dir gesinnt. — Doch mit kühnem Trotz entgegnet Hildebrandens stolzes Kind: Alter Hunne, ei, wie Pfiffig; Mit dem Speer gewinnt man Gut, Mit der Spitze wider Spitze, Das ist Lohn für Heldenmuth. Willst mit liebem Wort mich locken, Dann mich werfen mit dem Speer: Ei, wie klug, du schlauer Hunne, Bin doch klüger noch als er. Schäm' dich, bist so alt geworden, Weiß wie Silber ist dein Haar, Sinnst noch immer Trug und bietest Falsche List dem Feinde dar. Meinst, ich hätte sie vergessen, Jene Worte, so voll Weh, Die mir Schiffer einst gemeldet Westwärts über'n Wendelsee? Walfrida. 151 In dre Blumen sank mein Vater, Und sie wurden blutig roth Von den Wunden, die er sterbend Sich errang in Kampfesnoth. Weh, rnft Hildebrand, o wehe! Soll das Grässliche geschehn, Lass mich sterben, Wodan, lass mich Solches Wehschicksal nicht sehn! Wandelte der Sommer sechzig, Sechzig Winter wallte ich, Dass mir nie im Todeskampfe Meine Lippe je erblich — War zu jung stets, um zu sterben, Und nun soll das Liebste mein Mit dem Schwerte mich verderben, Oder ich sein Mörder sein! Doch es sei! Zerrinnt ihr Klagen In die Lüfte! Hast du Kraft, Nun wohlan! Noch steh' ich eine Eiche, voll von Kraft und Saft. Musst' jetzt selbst vor mir erröthen, Würd' ich feig vom Kampfe stehn, Wer zu viel hat eines Schildes, Junge, wird man bald ersehn. Und sie schritten mit den Speeren, Hildebrand und Hadubrand, Warfen sie mit Wucht, dass jeder In des andern Schilde stand; Hieben mit den scharfen Schwertern Auf die Hellen Panzer ein, Dass 152 Walfrida. Abbricht das Lied, das man zu Fulda fand Aus Pergamentdeckblättern eines Buchs. Zwei Mönche schrieben es der Nachwelt auf; Ob davvn einer jener Kriegsmann war, Der's auf Walfridas Rosenstrauch gefunden, Verschweigt die Muse. Noch in späten Zeiten Erklang das Lied, sich immer neu gestaltend, So wie ein Baum mit jedem jungen Jahre Auch neue Glieder treibt. Da könnt ihr hören, Wie Hadubraud auf seinen Vater schlug, Dass er zwölf Klafter hinter sich musst' springen, Und Hildebrand den Jungen fasst am Leib, Wo er am schmälsten ist, nnd lachend wirft Ins weiche Gras. Drauf löst er seinen Helm Und schaut dem Jungen tief ins Angesicht. Ans diesen Angen spricht ein namenloses Und wundersames Etwas, hohe Sehnsucht Erregend in der Brust des theuren Kindes. Die Rinde bricht, und an dem Hals des Vaters, Des Todtgeglaubten, ruhet Hadubraud Und küsst des Alten Bart nnd Stirn' und Wange, Mit Hellen Freudenthränen sie benetzend. Einreiten sie zu Bern. Frau Ute grüßt Den Sohn; doch kennt sie nicht den fremden Mann Und wiegt das Haupt und meint: Ei, liebes Kind, Seit wann hat man gehört, dass obenan Beim Ehrenmahle ein Gefangner sitzt? Doch Hadubrand jauchzt ans in seinem Herzen, Ergreift des Vaters und der Mutter Hände, Sie ineinander schlingend: Mutter, sieh! Es ist dein Gatte und niein lieber Vater, Ist Hildebrand, der wieder heimgekehrt. —> Ich bin zu arm an Worten, euch zu sagen, Walfrida. 153 Was Hildebrand und Ute damals thaten, Als nach so dielen Jahren der Verbannung Der Meise Gatte fand sein greises Weib. Doch als der Freude erster Sturm verklungen, Erfasst Frau Ute einen goldneu Becher, Bekränzt den Rand mit edlem Purpurweine Und ruft: Ich bring dir's, Alter! Hildebrand Lässt aus dem Mund ein gvldnes Ringlein fallen Und in den goldnen Becher sanft entgleiten, Dein treuen Weib zu liebender Erinn'rung. Sv singt das Lied. Doch was sind all die Worte, Die ich Euch sprach. Die deutschen Ahnen waren Wie Eichen fest nnd stämmig, düster wie Des Himmels Dach, zn dem empor sie schauten, Ranh wie die Luft, die ihre Lippe sog, Doch im Gemüthe tief und ahnungsvoll, Wie ihrer grünen Wälder heilig Rauschen. Ein solches Volk spricht eine andre Sprache, Es ist die Sprache des Gcwittcrsturms, Der mächtig braust uud unser Ohr erschüttert. Und nun lebt wohl! Ich aber bin zufrieden, Wenn hie und da ein Körnchen warmer Liebe Zu unsrer Ahnen urknvrriger Dichtung In euren Herzen feste Wurzel schlug! Zeit und Gelegenheit. An das Glück. Göttin, die du deine Gaben In den Schoß der einen schüttest, Andern karge vorenthälst, Warum gehst du mir vorüber? Nimm nur eine von den schönsten Meiner Blumen, die ich biete, Ach, nur eine, mir zu Dank! Gib sie hold an deinen Busen, Wie sich Mädchen schmückt mit Veilchen, Die der Liebende ihr weiht; Und ich weiß es, sie wird leuchten, Und der Blick von tausend Angen Wohlgefällig ruht auf ihr. In dem Mutterschoß der Erde Unterm Wärmeblick der Sonne Reift die Pflanze schon und still; Nimm ihr Licht und Luft und setze Sie in Räume kalt und dunkel, Und sie neigt das Haupt und stirbt. Zeit und Gelegenheit. 155 Blume so an Blume welket Auch dem Sänger, so ihm alles, Ihm dein Blick, o Göttin, fehlt — Warum gehst du mir vorüber'? Nimm nur eine von den schönsten Meiner Blumen, und es sprossen Tausend andre, dir zu Dank. ZT Daheim! Seid still! seid still! Nur fort! nur fort! Frau Milse ist daheim. Nun singt das Lied, null klingt das Wort Und flngelt sich der Reim. Seid still! seid still! Nur fort! uur fort In Frühliugssonneuschein! Zwei Liebende am stillsten Ort — So lasst auch uns allein! Volk und Dichter. Volk. Wie wirst du je zu edlem Maß gelangen, Wenn dir das Maß der heitern Ruhe fehlt? Ich glaube an dein schmerzliches Erbangen, Doch sage selbst, was kümmert dies die Welt? Mit Hellem Auge musst du sie betrachten, Die Menschheit liebt das immer blaue Licht; Sonst wirst du nie, so edel auch dein Trachten, Den Kranz erringen, den die Nachwelt flicht! 156 Zeit und Gelegenheit. Dichter. Und jene Thränen, die mein Auge feuchten, Die siehst dn nicht und fühlest nicht den Gram, Wann selbst des Frühlings wundcrherrlich Leuchten Den Kummer nicht von meiner Seele nahuu Wie soll ich anders als im Liede klagen, Denn im Gesänge spiegelt sich mein Herz; Und müsst' ich stnmm mein stilles Leid ertragen, Gesellet sich zum Schmerze noch der Schmerz. Volk. So wühle denn in deinem eignen Busen, Wenn dich der Rath des Freundes schon verdrießt. Doch glaube mir, es schweben jene Musen Um Höhen mir, die Sonncngold umfließt. Und lassen sie auf ihren hehren Schwingen Zuweilen sich zu Günstlingen herab, So muss ihr Lied von Licht und Leben klingen Und nicht von Tod und Sehnsucht nach dem Grab. Dichter. Genug! genug! Auch du gehörst zu jenen, Vor deren Tritt die zarte Blume bricht. Des Sängers Lied, die Seele seiner Thränen, Dient euch zum Spotte, denn ihr fasst es nicht. Die Wellen eilen ruhelos von dannen — So eilt auch ihr und lebt und lärmt und rauscht; Deni Dichter ziemt's, sich einsam zu verbannen, Wo die Natur, die liebende, ihm lauscht. Volk. Natur! Natur! Ihr führt sie stets im Munde. So seid wie sie! Die Rose welkt und blüht; Die Lerche schwirrt, die Tanne rauscht im Grunde, Und über uns die Wolke kommt und zieht. 157 So wechseln Lust und Leid auch in dem Herzen Des Menschen ab, und diese gib du ganz — Nicht nur ein Spiegelbild der eignen Schmerzen — Der ganzen Menschheit in der Dichtung Kranz! An Oberösterrrich. Gewandert bin ich oft und gerne Und hab' gesehn manch reichen Hort, Doch immer zog es ans der Ferne Mich nach der Heimat trautem Ort, Wo mich zuerst die Mutter küsste, Als auf dem Arme sie mich hielt, Und ich das Gold der Sonne grüßte, Das um mein Lockenhaupt gespielt. O Heimatland! Welch goldne Fäden Spinnst du ums kindliche Gemüth! Du bist das wunderbare Eden, Wo nns zuerst der Lenz geblüht. Gleichwie der Eltern frommer Segen Jst's auch dein Bild, das heiß geliebt Uns auf den weiten Wanderwegen, Ein holder Genius, umgibt. Wie oft, wie oft im fernen. Laude, Wo fremde Laute mich umivehn, Jst's mir, als ob die schwersten Bande Die Seele drückten nngesehn. Doch denk' ich dein, wird mir, als trügen Mich Zauberschwingen weit von hier, Mir ist, an deiner Brust zu liegen, Ich bin so selig, ich bin bei dir. 158 Zeit und Gelegenheit. Ich glaube, wie im Traum zu schweifen Durch deine Auen wunderhold, Vor mir der Alpen blaue Streifen, Um mich der Aehren reifes Gold. Schon beugen sich die grünen Aeste Im Vorgefühl der nahen Frucht, Und wie geschmückt zum Hochzeitsfeste Sind Wald »nd Wiese, Berg und Bucht. Jetzt lausche ich den grünen Fluten, Die sanft sich kräuseln in dem See, Und schaue in die Abeudgluten Der Berge mit geheimem Weh; Dann wieder horche ich den Tönen Der Muttersprache traut und mild, Mich freuend an des Landes Söhnen, Die reden, wie's vom Herzen quillt. Halt ein! Halt ein! Die Thränen thauen Schon in dem Auge überreich; Ich bin in fernen, fremden Auen, Die nimmer dir, o Heimat, gleich. Zwar rauscht auch hier die grüne Linde Und stehen Berge riesig groß, Doch mir ergeht es wie dem Kinde, Das nur beglückt im Mutterschaft Hier ist kein deutsches Heim. Verbittert Ist jedes Wort und jeder Blick, So dass nur oft die Thräne zittert Der Sehnsucht nach verlornem Glück. Und magst du auch des Leides spotten, O Heimat, das mein Herz bewegt, Ich sende doch mein Lied als Boten, Der meine Grüße zu dir trägt. Zeit und Gelegenheit. 159 Ich weiß, ich bin dir wie verschollen, Und all der schmerzliche Gesang, Der meinem Bnsen hier entquollen, Dir blieb er ein verlorner Klang. Doch wie's die Blume drängt beim Wehen Des Lenzes aus der Knospe Band, So drüngt's auch mich, dir zu gestehen, Wie ich dich liebe, Heimatland! An Austria. O Oesterreich, mein Vaterland, so schön, so vielgestaltig Vom Elbstrom bis zum Meercsstrand, wie hat dir stets gewaltig Von meiner frühsten Kinderzcit bis zu des Mannes Tagen In Glück und Unglück, Lust und Leid mein volles Herz geschlagen! Wie man empor zum Heldengreis das bange Auge wendet, Den zu des Vaterlandes Preis die Götter uns gesendet, So sah auch ich zu dir hinauf, das du vor vielen Landen In flüchtiger Aeonen Lauf so hoch und hehr gestanden! Du hast dein Völkerstrvm gelauscht, der aus dem fernen Osten Mit Wogen kam hcrangerauscht, die furchtbar dich umtosten; Und hast gehorcht der Saite Klang vom-Kampf der Nibelungen, Wie auf den andachtglüh'nden Sang der Pilger, gottdnrchdrnngen. Dein Banner war es, weiß und roth, das siegesfrendig wehte, Als Ottokar, der Böhme, todt hinsank auf blnt'ger Stätte; Und wieder flog dein Doppelaar und faltete die Schwingen, Da 's galt in jenem heil'gen Jahr, den Corsen.zu bezwingen. 160 O Oesterreich, mein Vaterland! Wie reich bist du an Segen! Dir lacht von sonniger Hügel Wand der Rebe Laub entgegen; Es spiegeln Berge trotzig kühn in Seen sich, in blauen, Und Aehrengold und Wiesengrün bekleiden deine Auen. Hier blinken Burgen altersgrau, von Epheu zart umsponnen, Dort leuchtet eines Münsters Ban im Gold der Abendsonnen. An Berge schmiegen sich und Strom die herrlichsten Paläste, Verdämmernd ragt im Gothendom das steinerne Geäste. Und kommt aus nordischem Gefild ein Wanderer gezogen, Wie grüßen ihn die Augen mild und brüderlich gewogen! Du hast ein Volk so frohgemuth, nur Lust und Liebe spendend; Wer kennt nicht Oesterrcichcrblut, stets heiter und verschwendend! Wie man vom Kleide wischt den Staub, so gibt es alle Sorgen Dem frischen Morgenwind zum Raub und hält sich wohl geborgen. Bald lauscht's bezaubernder Musik mit frommem Händefalten, Bald sieht's mit schwärmerischem Blick des Pinsels Kunstgestaltcn. O Oesterreich, mein Vaterland, mir kommt ein banges Zittern Um deinen glücklichen Bestand vor jenen Stnrmgewittern, Die dir geheim und offen droh'», dir droh'n von falschen Freunden, Die sich niit stillen Hasses Loh'n gesellen zu den Feinden. O glaube mir, manch starker Baum fällt nicht durch Blitz und Stürme, Oft nagt in seinem Jnnenraum unheimliches Gcwürme; Und du zu blind, zu gut, zu weich, bereitest selbst dein Ende — O dass, mein armes Oesterreich, ein Gott dir Hilfe sende! An Wodan denke, der im Sturm durch deine Wälder rauschte, Dass selbst der Adler wie der Wurm in banger Furcht ihm lauschte; Und bitte, dass mit Schild und Schwert er wie vor Zeiten stürme Und den geliebten, deutschen Herd mit Zornes Grimm beschirme! Zeit und Gelegenheit. 161 Wie von dem heil'gen Götterhaus die hohen Säulen wanken, Wann in des Völkersturmes Braus die Flammen sie umranken. So sinkest du, ehrnäirdig Reich, von deutscher Kraft gehalten, In Trümmer, so, den Geiern gleich, die Slaven dich zerspalten. O Oesterreich, mein Vaterland, so schön, so vielgestaltig Vom Elbstrom bis znm Meeresstrand, wie hat dir stets gewaltig Von meiner frühsten Kinderzeit bis zu des Mannes Tagen In Glück und Unglück, Lust und Leid mein volles Herz geschlagen! Nun aber ist es schmerzlich bang in meiner Brust geworden, Du werdest in der Zeiten Drang ein Raub von wilden Horden Und gleich dem Baume, der entlaubt, ob auch der Lenz erschienen, Und gleich der Burg auf Berges Haupt im Stcinschutt der Ruinen. Zeitgrdicht. (Aus Anlass der Polendebatte im preußischen Landtage.) Denr deuksrhen Volke. Hast du gehört von jenem hehren Bilde,"'' Worauf des deutschen Heldenvolkes Geist Mit Flammenschwert und mit geweihtem Schilde Die dunklen Mächte zürnend von sich weist? Am Boden liegt der Corse, dessen Krone Vom Haupte fiel, und triumphirend blickt Sanct Michael nach ihm und seinem Sohne, Der sich verzweifelnd an den Vater schmiegt. Ins tiefste Herz sind sie getroffen alle, Die ihm die Hand zu bösem Bund gereicht. Die Römlinge, nun kamen sie zu Falle, Der Krummstab zittert und der Papst entweicht. 11 162 Zeit und Gelegenheit. Und wer bist du, o König, der die Hände, Die krampfhaft bleichen, an die Krone legt? O glaube mir, auch deiner harrt das Ende, Sobald die Stunde, die geweihte, schlägt. Ein seltsam Bild, das du, des Sieges trunken, Dem deutschen Volk, o Künstler, hast geweiht. Wie sprühten damals der Begeist'ruug Funken Aus aller Augen in der großen Zeit! Und ob geheim auch manche Thräuen quollen Und Trauer zog in Hütte und Palast, Mau konnte nicht dem Vaterlaude grollen Und wurde von dem Jubel mit erfasst. Und nun? O Volk, hast du des Sicg's vergessen, Seitdem die Hand des Friedens Pflugschar führt, Dass du nicht siehst, wie offen und vermessen Man überall des Hasses Flammen schürt? Hast du vergessen, Ivie dir roth und röther Die Wange ward, weil Großes du gewollt? O deutsches Volk, Ivanu fühlst du je erhöhter, Dass deutsches Blut in deinen Adern rollt? Wann wird in dir, dem blinden Träumcrvolke, Erwachen je des Volksbcwusstscins Drang? Schon thürmt sich hier, schon thürmt sich dort die Wolke, Es wetterleuchtet ahnungsvoll und bang. Ein Kind mag träumen in des Waldes Dämmern Von Völkerliebe und von Völkerrecht — Dir aber ziemt es, mit der Axt zu hämmern, Es braucht die Zeit ein eisernes Geschlecht. Hast du nicht ihn, den heldeukühnen Streiter, Der vor dir steht, gleichwie ein Bild aus Erz? Des treusten Fürsten treuester Begleiter, Wie schlägt für Volk und König stets sein Herz! Zeit und Gelegenheit. 163 Er sinnt für dich in schlummerlosen Nächten, Er sorgt für dich, obzwar schon alt und grau Uud du, du willst mit seinen Thaten rechten, Und du, du willst zerstören seinen Bau? So weit sich wölbt der blaue Himmelsbogen Ob grüueu Wäldern nud bebautem Laud, Vou Nordmeers grauen, sturmgcpeitschten Wogen Bis zu des Südmeers svuuighciterm Strand: Ein einig Volk, so groß und stark wie keines Und dauernd in der Zeiten ew'gem Lanf, So bauet er im Segen des Vereines Mit seinen: Volk die Größe Deutschlands auf. O deutsches Volk! so bleibe wie die Ahnen: Fromm wie ein Kind und tapfer Ivie ein Held, Und folge ihm auf seine Adlerbahneu, Du wirst durch ihn das erste Volk der Welt. Sei stark wie er, dem Felsen gleich im Meere, Ohnmächtig prallt die Woge an den Stein, Uud halte treu in blanker Eisenwehre Die Wache an der Donau und am Rhein! Glosse. Ernsthaft streben, heiter lebens« Vieles schauen, keinem trauen, Deutsch im Herzen, tapfer und still, Dann mag kommen, was da will. V. v. Scheffel. Solch ein Spruch ans solchem Munde, Tönen soll er immerfort, Denn er gibt in ernster Stunde Festen Mnth, des Mannes Hort. 164 Zeit und Gelegenheit. Aus dem Sturme der Parteien, Die sich drohend rings erheben, Rettend kann nur Lins befreien: Ernsthast streben, heiter leben. Dennoch, wie von Strandes Thurme Fährmann nach dem Meere blickt, Das bald braust in wildem Sturme, Bald in sanftem Hauch sich wiegt, Will ich von dem sichern Porte Nach der Flut des Lebens schauen, Mich erinnernd deiner Worte: Vieles schauen, keinem trauen, Keinem! selbst dem besten Freunde Nicht in diesen: fremden Land, Denn er reicht wie einen: Feinde Nur gezwungen dir die Hand; Ja selbst deine Muttersprache Wird ihm leisen Spottes Ziel, Darum heißt es: Auf der Wache! Deutsch im Herzen, tapfer und still! Wie aus Lenzes zarten Keimen Reiches Leben einst ersprießt, Also wachsend in: geheimen Schöu're Zukunft uns begrüßt, lind so mögen denn die Slaven Treiben ihr gewagtes Spiel Schutz vom deutschen Volk, den: braven, Dann mag kommen, was da will! Zeit und Gelegenheit. Gebet. Ja, falte nur die Hände, O frommes Kind, zn Gott, Dass er uns Hilfe sende, Denn schwer ist unsre Noth! Was nützen uns die Felder, Bedeckt mit reichem Korn, Die tannengrünen Wälder, Der Felsen frischer Born! Was in des Berges Dnnkel Der schimmernde Krystall, Der Rebe Gvldgefnnkel Im windgcborg'nen Thal! Was, ob sich Städte spiegeln In Silbersee und Strom, Ob oon besonnten Hügeln Uns winkt manch stolzer Dom! Ob in den schlichten Frauen Ein warmes Herze glüht, Vom Mannes Ang', dem blauen, Uns Muth entgegensprüht! Mag bei des Lenzes Wehen Ein Garten blüh'n das Land Und Baum und Buschwerk stehen In silbernem Gewand; Mag Gottes reichster Segen Auf Mühe ruh'n und Fleiß Was hilft des Bürgers Regen, Des Bauers goldner Schweiß, INä 166 Zeit und Gelegenheit. Wenn, wie in vor'gen Tagen, EH' man nns niederwarf, Das deutsche Herz nicht schlagen, Der Mund nicht reden darf; Wenn inan sich schon versündigt, Sv man den Vätern gleich Mit lautem Stolz verkündigt: Deutsch ist mein Oesterreich. Ja, falte nur die Hände, O frommes Kind, zu Gott, Dass er nns Hilfe sende, Denn schwer ist unsre Noth! ch Der deutsche Schulderem. Hinaus in alle deutsche Gauen Sollt ihr die Wundermäre tragen, Dass wir an einem Werke bauen, Das noch Jahrhunderte soll ragen: Am frommen Werk der deutschen Schule, An das man stürmt von allen Seiten, Als stiegen aus dein Höllenpfuhle Die Feinde auf, mit uns zu streiten. Wir aber halten hoch die Fahne Jin Kampfe für die hehrste Sache, Dass sie uns jetzt und immer mahne An unsre heil'ge Mntersprachc, 167 In der beim Glanz der Abendsonne Wir unser erst Gebetlein lallten, Indes lieb Mütterchen vor Wonne Die Thränen in dem Ange strahlten. Du hast in süßer Dämmerstunde, Wenn es schon rings nm nns geknistert, O Mutterlaut! ans scheuem Munde Das erste Liebestvort geflüstert lind in des Lenzes Blütentranme Den Born des Liedes uns erschlossen, Das unter grünem Lindenbaume Aus tiefster Seele kam geflossen. Du hast uns glühend auch begeistert Für den Gesang der heitern Musen, Obzwar wir längst die Glut bemeistert, Die uns gelodert in dem Busen; Und bist als heil'ger Gottesfunkcn Aus unsrer reinsten Brust gebrochen, Wenn wir, vom Geist der Wahrheit trunken, Für das bedrängte Volk gesprochen. O Volk und Sprache, eng verbunden, Gleichwie des Baumes Matt und Blüte, Euch sei in andachtsvollen Stunden Geweiht die unscheinbarste Hütte, Die, ans Gebälke roh gezimmert, Vereinsamt in der weiten Ferne Gleichwie ein Gotteshänschcn schimmert, Auf dass der Knabe in ihr lerne: 168 Zeit und Gelegenheit. Der Muttersprache frommen Segen, Der ihn als Genius begleitet, Wenn er auf ahnungsvollen Wegen Zum Kampf des Lebens muthig schreitet. Doch wie, sobald es ausgewittert, Der Schiffer glücklich wieder landet, So werden wir, wie auch erbittert Der Kampf an unser Volksthum brandet, An unscrs Lebens spätem Abend Gemächlich ruh'n im weichen Stuhle, Ani schönen Siege uns erlabend, Den uns errang die deutsche Schule, Sie, die aus Kornes goldnen Halmen Gleich traulich winkt im Heimatlande, Als sie im Schatten hoher Palmen Erbaulich blinkt am fremden Strande. Und darum rufen wir: Gesegnet Sei jede Gabe, noch so kleine! Denn, tuen» es auch nur Tropfen regnet, Ein jeder Tropfen thut das seine. So lasst uns an dem Werke bauen Mit frischem Muth und frommen Händen: Ihr deutschen Männer, deutschen Frauen, O helfet! helft es uns vollenden! Zeit und Gelegenheit. 169 Dem deutschen Volk in Oesterreich. Die Glocken läuten von dem Thurme, Das Feuer auf den Bergen wallt, So von des Kampfes nahem Sturme Die Kunde in dem Land erschallt. Begeistert strömt von allen Seiten Von Berg und Thal das Volk heran, Um für das höchste Gut zu streiten, Für seine Freiheit Mann an Mann. So lass auch du die Glocken tönen, Die Feuer ans den Bergen loh'n, Dem voller Hass und voller Höhnen Die Feinde rings im Reiche droh'«! Vom deutschen Schwerte einst bezwungen, Erheben kühn sie nun das Haupt; Wo bist du, Volk der Nibelungen, Das solche Frevelthat erlaubt? Was zagst du? Hast du nicht im Bunde Den deutschen Geist, der in uns glüht Und in eutscheidungsvvller Stunde Gewaltig aus dem Herzen sprüht? Hast du als Helfer nicht im Streite Das deutsche Lied, das deutsche Wort, Und jenes Brudervolk zur Seite, Das dich bewacht wie einen Hort? Des deutschen Geistes Flügel schweben Von Südmeers bis zu Nordmeers Strand, Wo sich die Alpen kühn erheben Und wellig zieht das eb'ne Land. 170 Zeit und Gelegenheit. Er faltet seine macht'gen Schwingen Selbst an des fernen Weltmeers Saum, Wo seltsam fremde Laute klingen In Urwalds mitternächt'gem Raum. Fühlst du nicht hochgemnthet schlagen Das Herz, v Volk, in deiner Brust? Nicht braucht unrühmlich zu verzagen, Wer solches Stammes sich bewusst. Doch iver aus euch im Kampf, dem rauhcu, Zu zag im Herzeu ist und klein, Der schließe sich voll Gottvertrauen An ihn, den deutschen Schulverein! Gleichwie ein Strahl, der silberhelle Dem dunklen Felsenschvß entquillt, In Thales Flur durch Bach und Quelle Zu einem Strome überschwillt, So wuchs auch er, zwar klein beginnend, Zu einer Größe, die erhebt, Dass selbst der Gegner, Ränke spinnend, In leiser Furcht vor ihm erbebt. Ein Laudmann, der nüt frommen Händen Den Samen streut zu künft'ger Saat, So sorget er im Land der Wenden Für dich, o Volk, durch stille That. Ihn siehst du unermüdlich bauend Der Schule gottgeweihtes Hans, Dem deutschen Bienenfleiß vertrauend Selbst auf Jahrhunderte hinaus. Sie Pflanzt ja in das Herz des Kindes Die Muttersprache liebend hold, Die bald dem Säuseln gleich des Windes, Bald wie der Donner mächtig rollt. 171 Sie lehrt die Hände fromm es falten Zu Gott dem Vater, der uns schirmt, Wie auch durch feindliche Gewalten Sich über uns die Wolke thürmt. Darum, mein Volk, steh fest zusammen Und wehre muthig jedem Schlag, Den mit des sprtth'uden Zornes Flammen Man gegen dich ersinnen mag. Lass nimmermehr das Reich zerschellen, Das einst so machtgebietend stand, Die Kraft der Feinde wird zerschellen Am deutschen Geist, der uns verband. Ihn sollst du treu uud innig pflegen! O rüttle nicht mit frevlem Muth Au jenem Werke, drauf der Segen Des Himmels sichtbarlich geruht. Wer deutsch im Herzen ist, er komme, Im Kampfe sind wir alle gleich Gott segne unser Werk, das fromme, Uud unser deutsches Oesterreich! Nu die Svnne. Erhabne Sonne, die du stets Dem majestätisch Flammennetz Um die Gestirne webest Und ewig uuverrückt und gleich In Weltraums unerforschtem Reich Unnahbar einsam schwebest: Zeit und Gelegenheit. Du blickst noch immer gnädig mild Und lockst im grünenden Gefild Die Blumen aus der Erde, Wie damals, als der Griechen Hand Sie nm die Säule sinnig wand Am heiligen Götterherde. Woraus dein Auge je geruht: Des Waldes Grün, der Rebe Glut, Des Weltmeers blaue Falten; Des Wassers Sturz in dunkler Schlucht, Der Wolke Gang, der Zeiten Flucht --- Das alles blieb beim alten. Nur was ersinnt des Menschen Geist, Als ewig flüchtig sich erweist Und muss sein Ende finden. Wo ist ein Volk, das dauernd lebt, Wo ist ein Reich, das nie erbebt? Sie kommen und sie schwinden. Verrathen ist der Götter Trug, Wo Städte prangten, geht der Pflug, Die Tempel sind zersplittert; Der Freiheit Wort - ein Windeshauch, Der Fürsten Ruhm — ein Nebelrauch, Der in der Luft »erzittert. Und du, o Sonne, wendest nicht Dein unschuldvolles Angesicht Von Menschenschuld und Schwäche; Und stehst so hoch, so unbeirrt, Dem Gotte gleich, den nichts verwirrt, Ans blauer Himmelsfläche? Zeit und Gelegenheit. 173 Es braust eiu Sturm durch alle Land, Das Heiligste hat Unbestand, Die frömmsten Bande brechen; Volk gegen Volk in blinder Wut, Gefährdet ist des Bürgers Gut, Die Leidenschaften sprechen. In Trümmer fällt so manches Reich, Das tansendjähr'ger Eiche gleich Gewaltiglich gestanden; Aufsteht die zürnende Natnr, Zu suchen die verlorne Spnr, Und rüttelt an den Banden. O lass, erhabnes Sonnenlicht, In diesem Sturm, der alles bricht, Mein Land und Volk ersprießen! Gib Segen allem deutschen Haus Und lass es lang, noch lang hinaus Dein Friedenslicht begrüßen! An Ludwig II. von Bagern. i. Es zittert der bläuliche Mondlichtglanz In silbernen Weiden und Nüstern, Sylphiden umschweben in heiterem Tanz Mvorwiesen, die feuchten, und flüstern. 174 Zeit und Gelegenheit. Doch horch — durch die stille, die träumende Nacht Was hör' ich von ferne erschallen? Jst's Wodan, der in des Mondes Pracht Dnrchbraust die grünenden Hallen? O seltsamer König, so furchtbar allein In mitternächtlichem Wehen! Zu hoch und zu hehr, um verstanden zu sein, Zu einsam, die Welt zu verstehen. Ob dir den funkelnden Sterneuraum, Um dich schwarzmäntlige Tannen, Lichthehr die Gedanken, die Seele ein Traum - Was eilst du so ruhlos von dannen? 12. Juni 1886. 2. O geh' nicht zu weit au des Sees Rand! Wie oft, dass ans grünlichen Tiefen Jungfrauen kamen in feuchtem Gewand Und Jünglinge lockten und riefen. Das Auge so düster, die Stirne so bleich, Die Saiten der Seele zerrissen — O bete, mein Land, o bete, mein Reich! Ihr möchtet ihn schmerzlich vermissen. Zu spät! O zu spät! — Der König todt! Der ärmste Mann in dem Volke. Ob den Bergen verglimmet das Abeudroth, Und den Himmel deckt Wolke au Wolke. 14. Juni 1888. Zeit und Gelegenheit. 175 Turnerlird. Turner sind wir, frisch und frei Und auch früh und fromm dabei; Schaukeln uns auf kühnem Reck, Springe» übern Barren weg, Schwingen nns an Ring und Seil: Gut Heil! Turner sind wir, frisch nnd frei Und auch froh und fromm dabei; Wo ein grünes Reisig winkt llud der Wein in: Becher blinkt, Ist kein Weg für uns zu steil: Gut Heil! Turner sind wir, frisch und frei Und auch froh und fromm dabei; Stehen fest in Reih' und Glied, Halten hoch das deutsche Lied, Dass ihm werde stets zutheil Gut Heil! Turner sind wir, frisch und frei Und auch froh und fromm dabei; Ha'n das Herz ans rechtem Fleck, Reden von der Leber weg, Grobem Klotz ein grober Keil - Gut Heil! Turuer sind wir, frisch und frei Und auch froh und fromm dabei; Gut und Blut und Herz und Hand Für das deutsche Vaterland, Das uns nie und nimmer feil! Gut Heil! 176 Zeit und Gelegenheit. Turner sind wir, frisch und frei Und auch froh und fromm dabei; Fürchten nicht den schwarzen Schrein, Legt man schließlich uns hinein, Töne Hammer noch und Beil: Gut Heil! Was musstest du die Heimat lassen. Was musstest du die Heimat lassen Und greifen zu dem Wauderstab, Wo man mit Augen thränennassen So warmen Händedruck dir gab? Voll Wunder ist die weite Erde Und manches Volk au Segen reich; Doch sprich, was kommt dem Heimatherde An Liebe einer Mutter gleich? Du wirst vielleicht in schöncru Auen, Von einem fremden Volk umwohnt, Das neue Ackerfeld bebauen, Das deine Mühe reichlich lohnt; Du wirst ein traulich Dach dir zimmern, Drin Schwalben fliegen ein und aus, Und in der Abendsonne Schimmern Gemächlich ruhen vor dem Hans: Doch glaube mir, es kommen Tage, Wo dich ein tiefes Weh beschleicht, Dass deine sehnsuchtsvolle Klage Kein fühlend Menscheuvhr erreicht. Zeit und Gelegenheit. 177 Und käme jetzt auf Wanderwegcu Der ärmste Mann vor dein Gesicht - Wie flögst du freudig ihm entgegen, Weil er die Muttersprache spricht. Die Muttersprache, traut und herzlich, Die du seit langem schon entbehrt, Die nun aufs neue doppelt schmerzlich Dich mahnet an den Baterherd. Ob Jahr an Jahr dahingeflossen, Dn bliebst ein Fremdling in dem Land; So viel sic auch von dir genossen, Sie hassen deine Bruderhand. lind immer lauter tont die Stimme: Was will der fremde, deutsche Mann, Dem wir gehorcht mit stillem Grimme? Er hat das seinige gethan. Und wieder musst zum Stab du greifen Und ziehen in die Welt hinaus - Wohin? Es wird ein rnhlos Schweifen, Du hast nicht Heimat mehr und Hans. Wohl gab es einen lieben Flecken, An dem du hiengcst innig fromm; Kein Arm doch wird nach dir sich strecken, Kein Mund dir sagen: Gottwillkomm! Die du gekannt, sie liegen lange Schon unter'm Friedhofrasen dort; Es wurde mit der Zeiten Gange Zur Fremde dir der Heimat Ort. iS 178 Zeit und Gelegenheit. Das Haar ergraut, mit Weib und Kinde Stehst du mit thränenvollem Blick, Umweht von herbstlich rauhem Winde, Bor dir ein schwankendes Geschick. — Was musstest du die Heimat lassen Und greifen zu dem Wanderstab, Wo man mit Angen thränennassen So warmen Händedruck dir gab! 4 Zur Lösung der socialen Frage. Das ist ein ruheloses Hasten Von Fest zu Fest in dieser Zeit, Wo schwere Sorgen ans uns lasten Und ringsum lauern Kampf und Streit. In den Palästen, welch ein Schimmern, Von Gold und Marmor glänzt der Saal; Doch in der Hütte — welch ein Wimmern Und nächtlich ruhelose Qual! «O gebt eiu Brot dem armen Kinde!» Verzweifelnd dort die Mutter fleht; Doch ihre Bitte in dem Winde Und in der Menschen Schwarm verweht. Da streckt die Hände sie, die bleichen, Zu wildem Fluche aus und spricht: «Ich kann die Menschen nicht erreichen, Und auch der Himmel hört mich nicht. Zeit und Gelegenheit. 179 So fahre wohl, du Treu und Glauben! Wir haben lang genug geklagt; Wir wollen raffen nun und rauben, Was Erd' und Himmel uns versagt.» Habt ihr gehört? - - O dass ihr lauschtet Der Stimme, die so furchtbar mahnt, Und nicht im Taumel euch berauschtet, Der des Verderbens Pfade bahnt! Kehrt von der Unnatur der Tage Zur frommen Mutter, der Natur Und macht verstumme» jene Klage, Die laut ertönt in Stadt und Flur! Seid wie die Väter gut und bieder, In Wort und Sitte schlecht und schlicht! Pflegt ernsten Sinn und heitre Lieder, Ein starkes Recht, ein streng Gericht! Der Bauer wandle hinter'm Pfluge, Der Bürger walte in dem Hans; Wo ernste Arbeit, fern von Truge, Da geht der Friede ein und aus. Die Woche frisch und froh gernhret, Von Lust und Müßiggänge fern; Und Sonntags Weihefest gespüret: Das ist die Zeit fürwahr des Herrn. K Sv noch rin Glaube in dir ruht. So noch ein Glaube in dir ruht, Bewahre ihn mit ganzer Seele Und sorge nie in frevlem Muth, Dass banger Zweifel je dich quäle. 12* 180 Zeit und Gelegenheit. Du wandelst heiter wie ein Kind Durch dieses sturmgcpeitschte Leben; Den Schmerz, ob heftig, ob gelind, Du trägst ihn still und gottergeben. Des Wissens aufgeblasen Dunst, Des Walds geheimnisvolles Rauschen, Die Stimme der geweihten Kunst: Du magst in Zeiten ihnen lauschen; Magst in des Liebchens Weichen: Arn: Die weite Welt und dich vergessen Und in der Freunde lautem Schwarm Sie an dem Wanderstab durchmessen; Du magst dich stürzen in den Strom Der wilden Lust, dort Trost zu suchen — .So du nicht innig bist und fromm, Du wirst dich selbst und Gott verfluchen. So noch ein Glaube in dir ruht, Bewahre ihn mit ganzer Seele Und sorge nie in frevlen: Muth, Dass banger Zweifel je dich quäle. Ein holder Friede in dir lebt, Wie in des Feierabends Stunde; Und so du.scheidest, es entschwebt Ein Lächeln noch von deinen: Munde. 4 Zeit und Gelegenheit. 18l Die drei Freunde. Wenn dir des Lebens Glück gescheitert Und sich gewandt des Schicksals Gunst, Such' einen Freund, der dich erheitert, O suche die geweihte Kunst. Solch ein Gedanke tief und sinnig In einer Form, wie Aether klar, Du liesest ihn so glaubensinnig, Als stündest du vor dem Altar. Und ist es in dir noch so düster, Du sühlst bei allein deinem Leid: Der ächte Sänger ist ein Priester, Der dir den Trost des Friedens beut. Er schöpfet aus dem reinsten Borne Der herrlich blühenden Natur Und führt mit seinem Wunderhorne Ans der geheimsten Wunder Spur. Wie eine Mutter voller Güte Ist auch die nenverjüngte Welt, So du zur Zeit der ersten Blüte Durch Gärten wandelst und durch Feld. Da spricht's zu dir aus jedem Hyuche: Getrost! getrost! und habe Muth! Und Vöglein schmettert von dem Strauche: Sei still! es wird noch alles gut! Tritt dann an solchen Wundertagen Auch noch ein Freund an dich heran, Das stille Weh mit dir zu tragen, Jst's uni den letzten Schmerz gethan. 182 Zeit und Gelegenheit. Und jene Thräne, die wie golden In- deinen: Auge blinkt so lieb, O nimm als Zeichen sie des holden Versöhnten Schicksals und vergib! Ankunft irr Frristadt." O Vaterstadt! Ich grüße dich aufs neue Und trete still in deine Markung ein. Hier will ich rasten auf dem Felsensteiu, Wo mir die Linde rauscht iu alter Treue. Friedlich gebettet iu dem engen Thale, Wie unverändert bist du doch geblieben! Dasselbe Bild, mir in das Herz geschrieben, Es glänzt vor mir im Abendsonncustrahle. Ein blondgelockter, hoffnungsvoller Knabe Zog ich von dannen, und ein bleicher Manu Kehr' ich zurück. Du siehst mich fragend an, Dass ich mich so, mich so gewandelt habe. O holde Schwalben über meinem Haupt, Fliegt mir voraus, den ersten Gruß zu bringen; Ihr seid ein gutes Zeichen, wie man glaubt, Den ihr umschwebt niit euren raschen Schwingen. So lasst mich denn die Wanderschritte leiten Den Hügel abwärts nach dem granen Thor; Kastanien! ihr rauschet wie zuvor, Wann Windeshanch berührt die grünen Saiten. Wie einsam still! Ich höre nur den Bronnen, Der auf dein Markte ewig plätschernd quillt, Und sehe drauf, von Mondenglanz umsponnen, Der hehren Jungfrau steingeformtes Bild. Zeit und Gelegenheit. 183 Und hier die Straße, wo wir tolle Jungen Vor Zeiten, ach, dem Reife nachgesprungen; Ja selbst das Gras zu meinen Wanderfüßen Seh' ich, wie damals, zwischen Steinen sprießen. O Mutter, Mutter! die in Friedhofs Garten Die dunkelbraune Scholle drauß Und ihr, o Genien, ihr lieblich zarten, Die meine goldne Kinderzeit umspielt: Euch ruf' ich an. Begleitet mich aus meinen weitern Wegen, Die wie die Nacht noch dämmernd vor mir rnhn, Und gebt mir eins bei allem meinem Thun: Des deutschen Geistes und des Liedes Segen! Nun aber will ich an die Thnre pochen; Gott segne meinen Eintritt in dies Haus! Wie manches Herz ist seit der Zeit gebrochen, Da ich von dir zog in die Welt hinaus. O, leuchtet nicht ein einsam Fenster dort? Wacht man nm dich? Wird ein erfreuend Wort Dich bei dem ersten Gruß empfangen? Glüht dir ein stilles, heimliches Verlangen? Weist man dich kalt, wie einen Fremdling, fort? O bange Fragen, die mein Herz bestürmen. Ich fühle in den einsam stillen Gassen Auf einmal mich so elend und verlassen; Kein Mutterauge, um ihr Kiud zu schirmen, Kein Mutterherz, in Liebe ihm zu schlagen - Mich überkömmt ein namenlos Verzagen. Soll ich aufs neu zum Wanderstabe greifen Und in die Welt, die ungewisse, schweifen? 184 O Herz, sei still! Dn bist nicht ganz im Dunkeln. Siehst du den Mond, nicht tausend Sterne funkeln? Flammt von dem Himmel nicht, dem dunkelblauen, In goldner Schrift das süße Wort: Vertrauen? Mit frohem Mut und männlich ernstem Sinnen Will ich mein Amt, o Vaterstadt, beginnen. Kettung in die Einsamkeit. O lasst mit kindlichem Gefühle, Bon keinem Sturme noch entweiht, Aus diesein lärmenden Gewiihle Mich flüchten in die Einsamkeit, Wo unter Bäumen, heilig düster», Kein Laut die Stille unterbricht Und ans der Blätter leisem Flüstern Die Gottheit selber zu mir spricht. Ich weiß, es ist ein eitles Schwärmen, Der Mann soll in die Welt hinaus Und unter Ringen, unter Härmen Erkämpfen sich ein eigen Haus. Wir brauchen ein Geschlecht des Kampfes In dieser ehern ernsten Zeit, Der Zeit des Lichtes und des Dampfes, Die vorwärts stürmt in ew'gem Streit. Ob auch die Musen sich verhüllen Und scheu die Grazien entfliehn, Nur Mars und Merkur jetzt erfüllen Die Wünsche, die im Busen glühn. Zeit und Gelegenheit. 185 Ans des Gebirges tiefsten Gründen VnlcnimS steigt auf ihr Geheiß, Zu Hammern bald an Erzes Schlünden, Bald an dein eisernen Geleis. Und mit dem Schienenpfad im Bunde Der leichte Draht sich fortbewegt, Der blitzesrasch die treuste Kunde In weite Länderferncn trägt. Ja selbst das Zauberreich der Geister, Von dem man zitternd einst erfuhr, Zertrümmert der erfahrne Meister Im strengen Dienste der Natnr. So flieh» des Glaubens heil'ge Mächte, Es stürzet ein der blinde Wahn, Doch nimmer pocht bei dem Geschlechte Der sanfte Gott des Friedens an. Wie ans des Orcus schwarzen Gründen Die Furien stiegen wüst und bleich, So jetzt die Laster sich verbinden, Den Göttinnen der Rache gleich. Der Diener wirft die Stirn' in Falten: Was häufst du, Herr, das Capital? Wir sind es, deren Hände "schalten, Du hast den Lohn und wir die Qual. Welch weicher Sammt auf den Parqneten, Wie funkelt im Krystall der Wein! Der Schimmer deiner Goldtapeten Hüllt eine Welt des Zaubers ein. 186 Zeit rind Gelegenheit. Und sichst, wie meine Kinder hungern Und wie mein Weib sich sorgend härmt; Doch wehe, wenn wir einmal lungern Und euch das Elend wild umschwärmt. Es wird ein Kampf ans Tod und Leben, Bei dein die morsche Welt zerbricht, Um einer neuen Raum zu geben, Der Welt des Friedens ewig licht. Bis dahin haben auch die Kronen Die Sucht des Herrschens längst gebüßt Und die entzweiten Nationen Wie Brüder liebend sich geküsst. Dann mögt auch ihr, v fromme Dichter, Voir neuem stimmen den Gesang, Ihr findet unbestochne Richter, Die jauchzen bei der Lyra Klang. Bezaubernd tönt Apollos Flöte Bon Waldes einsam stiller Bucht, Wann sich Auroras sanfte Röthe Vergoldend senkt auf Berg und Schlucht. Die Nymphen schwärmen durchs Gefilde, Najaden tauchen ans dem Fluss, Und aus der Eiche grünem Schilde Raunt die Dryade ihren Gruß. «O eitler Wahn! Wohin, o Sänger, Bist du geirrt? O sieh um dich Und sei kein blinder Grillenfänger! Was zahlt man für dein Singen? sprich! Zeit und Gelegenheit. 187 Dn schweigst und siehst beschämt zur Erde Und freust dich an der Mnscn Gunst? — Dass jeder Vers zn Golde werde, Das, Frennd! ist die moderne Kunst. Doch diese wirst du nie verstehen, Du gleichst dem Vogel auf dem Ast, So mag es dir wie ihm ergehen, Der für sich zwitschert ohne Rast. Es sind nicht unliebsame Töne, Die er vom Baume frischweg singt, Doch will die Welt, dass man ihr fröhne Und jeden eignen Laut bezwingt.» Genug, genug mit diesem Spotte! Wenn so die Welt dem Sänger lohnt, Lasst mich allein mit meinem Gotte, Der in des Busens Tiefe wohnt. Er ist es, der den Kampf des Lebens Noch ferne hält von meinem Hanpt Und in der Glut des reinen Strebens Noch nicht den Glauben mir geraubt. O lasst mit kindlichem Gefühle, Von keinem Sturme noch entweiht, Aus diesem lärmenden Gewühle Mich flüchten in die Einsamkeit, Wo unter Bäumen heilig düstern Kein Laut die Stille unterbricht Und aus der Blätter leisem Flüstern Die Gottheit selber zn mir spricht! Vrldes. Lhor der Nixen. (Zur Feier der Anwesenheit Kaiser Franz Josefs I.) O böse Menschen, Was seid ihr gekommen Und ranbt uns des Friedens Idyllischen Traum? Wir spielten so harmlos Mit hüpfenden Wellen Und kosten so gerne Mit silbernem Schanin. Manch liebliches Mägdlein Wir neckten, das liebend Gelehnt an den Burschen Sich sah in der Flut; Den silbernen Seeschaum Wir schlugen den beiden . Ums wehende Stirnhaar, Doch meinten wir's gut. Denn friedlich zogen Wir wieder zur Grotte, Die wundersam blauend Im schimmernden Raum: O böse Menschen, Was seid ihr gekommen Und ranbt uns des Friedens Idyllischen Traum? Zeit und Gelegenheit. IW Erinnerung an Julie. Halb angelehnt ist nur die Thüre, Das grüne Gärtchen lacht mich an. O goldne Zeit, die ich verliere, Es stürmt der Mnthige voran; Nnr frisch gewagt ist halb gewonnen, Schon immer rascher fließt mein Blut - Von dunklem Blätterwcrk umsponnen, Sie ist's, die dort so sittsam ruht. Was senkest du die Augen nieder Auf diese wundersame Schrift? Ich ahn' es Wohl, du bist schon wieder In deine Träume, Kind, vertieft. O darf ich deinem Liede lauschen, Mit dem die Muse dich beschenkt, Indessen bei der Blätter Rauschen Sich sanfte Kühlung ans uns senkt? Wie deine Angen lieblich schmeicheln, Es ist dein Blick so voll, so rein. O lass mich deine Wangen streicheln In dieser Laube Dämmerschein Und dir aus Kindesherzen sagen, Dass ich .... v weh .... du wirst so trüb lind hast kein Wort ans meine Fragen, O Mädchen, sprich, hast du mich lieb? .... Und wieder stand ich vor der Thiire, Halb angelehnt, und sah hinein. O stille, Herz, o still und rühre Nicht an Vcrgang'nes, lass es sein! 190 Zeit und Gelegenheit. Dort steht die dunkelgrüne Lande — Was zieht es mich so mächtig hin? Mich überkommt der süße Glaube, Dass ich bei dir, o Mädchen, bin. Bei dir — es waren schone Stunden! Wie wird mein Ange Plötzlich feucht: Ich habe nicht mein Glück gefunden Und dn das deine nicht erreicht; Doch dir ist endlich noch geworden Des Friedens Glück nach so viel Gram, Ich aber suhle allerorten, Dass mir dein Tod das Leben nahm. G Am A ll erserl rntage. Ihr ernsten, feierlichen Töne, O wandelt in die Nacht hinaus, Dass euer Ruf den Todten dröhne, Ein Liebesgrnß vom Vaterhaus. Ans grauen Wolken einsam zittert Der blasse Mond, und halbverwittert Siehst dn, o Säule, stumm und bleich Auf die gesunkuen Todtenhügel; Es breitet ihre dunklen Flügel Die Nacht des Friedens über euch. Ob felsenknorrige Eichen beben, Wann Wintersturm vom Norden rast, Ob in des Lenzes Wnnderweben Der Vogel fliegt von Ast zu Ast Zeit und Gelegenheit. 191 Ihr schlummert fort. Die Sorgen fliehen, Wo Gräber duften und verblühen; Doch ich, ein Ruheloser, steh' Am Fensterbvgeu, um zu lauschen Den Klängen, die vom Thurme rauschen, Und mich durchbcbt ein eigen Weh. Ich denke dein mit tiefem Sehnen, Du unvergcss'ues Brüderpaar, Und bringe unter stillen Thräuen Den Allerseelengrnß dir dar. In dieser feierlichen Stunde Fühl' ich aufs neu die tiefe Wunde, Die euer Scheiden mir gebracht; Und einsam wie im hohen Norden Die Birke steht, bin ich geworden, Es hält mir niemand trene Wacht. O Menschenherz, du kannst nur wimmern Und hast kein Wort für Lust und Lieb', Die gleich der Maiensvnnc Schimmern Im Stnrm des Lebens dir noch blieb? Wie Sterne aus dem dunkelblauen Nachthimmel zu uus niederschaueu, So auch ihr Auge auf mir ruht; Die Todten schlummern, ich will wachen Und wieder lieben so und lachen Wie in der Jugend erster Glut. Die Tranertone sind verklungen; Mir aber war, als Hütt' ich fort Auf Traumes Flügeln mich geschwungen Nach einem fernen, lieben Ort. 192 Wie es so traulich um mich dämmert, Der Vogel flattert, die Wanduhr hämmert, Mir ist, als säßest du bei mir, Als hielt' ich liebend dir die Hände, Säh' dir ins Auge ohne Ende: Mir ist so selig, ich bin bei dir! ch GrMn-nis. O sprich, was wird das Auge dir Mit einenimal so feucht? Du hattest mich ja sonst so lieb — Was ist's, das dich beschleicht? Du zitterst wie ein furchtsam Kind Und sichst mich fragend an, Als hält' ich großes Nurecht dir, Lieb Mägdlein, angethan. Ich gab dir Blumen weiß und roth, Und du — du nähmest sie, Und nun ich frage: Liebst du mich? Erschrickst du wie noch nie. Siehst du den blauen Himmel nicht, Nicht gerne Mond und Stern Und horchest ans der Glocke Rnf Am hohen Tag des Herrn? O sieh den Himmel blau und rein, Der mir im Auge strahlt, O horche meiner Stimme Klang, Die andachtsvoll erschallt! Zeit und Gelegenheit. Was ist's, dass dir so ahnungsvoll Der Busen überschwillt Und in der Stunde Einsamkeit Das Auge heimlich quillt? So ahnt in Morgendämmerung Sich auch der Sonne Licht, EH' aus der Purpurwolke Saum Sie unvermuthet bricht: Wie du des lichten Wortes dir Halbahnend warst bcwnsst; Die holde Lippe spricht es aus, So komm an meine Brust! Erinnerung. Es funkelte das Gelände Im Abendsonnenstrahl, Wir hielten uns die Hände Und sahen hinab in das Thal. Zwei Vöglein über uns flogen lind tranlich klang cs vom Nest - Um uns die Zweige sich bogen, Wir saßen im grünen Geäst. Und von den Hügeln und Bergen Die Abendglocke klang; Wir lauschten dem Liede des Fergen, Der auf dem Strome sang. lW 13 194 Zeit und Gelegenheit. Die Sonne war gesunken, Mild glänzte des Mondes Schein; Wir saßen von Wonne trunken Noch lang in die Nacht hinein, Noch lang in die Nacht und träumten Von seliger, goldener Zeit; — O Stunden, ihr lieblich versäumten, Wie liegt ihr nun endlos weit! Das Ang' wird trübe und trüber, Verklungen ist Lust und Lieb' — Vorüber ist alles, vorüber — Unseliges Mädchen, vergib! Gefunden. Liebes Mädchen, lass dir wieder In die holden Augen schauen, Glaube ich, den Himmel selber Doch zu sehn, den wunderblanen. Und nun schlinge mir die Hände Um die Schulter und beginn Eines jener Schclmenlieder, — Kam nur keines aus dem Sinn. Sangst sie, wie die Lerche trillernd, Damals nntcrm Fliederstrauch, Bis in leisen, leisen Schlummer Dich gewiegt des Abends Hauch. Zeit und Gelegenheit. 195 Und ich wagte kann: zu athmen, Reinster Seligkeit bewusst; Sah nur dich, die zarte Knospe, Aufgebläht an meiner Brust. Und ich sprach, die Hände faltend: Leuchte, freundliches Geschick, Ueber ihr, wie ob der Erden Weilt des Mondes sanfter Blick! Da erwachtest du und wurdest Ueberroth. «Wo bin ich, ach? Mutter! Mutter!-» Lange tönte Jene Stimme in mir nach. Und du ordnetest die blonden Locken mit verzagter Hand, Und mir war, als ob in deinem Auge eine Thräne stand. Mädchen! Mädchen! Ei, was ist dir? Rief ich ängstlich zitternd aus. Sieh nm dich! Dort steht dein liebes, Steht dein theures Vaterhaus. Und dies ist der grüne Garten Meiner Elter», wo du bist. Warum eilst du? Ach, es schwindet Mir die Sonne, wann du fliehst. Sieh, da schlugest du die Augen Wieder auf und sahst um dich, Wie die Sonne hell und heiter, Wenn die Wolke von ihr wich. is* Zeit und Gelegenheit. Und wir herzten uns und giengcn Arm in Arm den Flnss entlang; Ach, es war auf lange Zeiten Unser letzter Liebesgang. — Doch nun ruhe, Wanderstecken, Hast das deinige gethan; Wie die Schwalbe zu dem Neste, Kehr' ich, ein gereifter Mann. Schlinge deine zarten Hände Um die Schulter mir, o Kind! Endlich!'endlich! Gute Götter, Sagt, ob wir nicht glücklich sind! Zwei Lieder aus «Münch Huedald . i. Lieschen inr Garten. Was ist dir, armes Röslein, sprich, Dass sich dein Köpfchen senket? Du bist wohl bitterbös auf mich, Dass ich dich so gekränket. Sonst kam ich mit dem frischen Born Und netzte Blüte dir und Dorn, Und nun bist du vergessen. Und alle Blumen sehn mich an: Gelbvcicl, Tulpen, Nelken. Was ha'n wir, Mägdlein, dir gethan, Dass du uns lässcst welken? Zeit und Gelegenheit. 197 Seit du die schönste Blume Pflegst, Die du geheim im Herzen trägst, Sind wir für dich gestorben. Und singt Liebvöglein von dem Strauch, Ich mag ihm nimmer lauschen; Ich höre nur des Windes Hauch Und auf der Zweige Rauschen. Dann kommt wohl er, und alles Leid Vergeht in Einer Seligkeit: An seinem Hals zu liegen. O lieber Gott, der uns durchschaut Und väterlich beschirmet, Dir hab' ich alles noch vertrant, Was auch in mir gestürmct. So höre und vergib, vergib! Ich habe ihn so lieb, so lieb, Dass ich fast dein vergesse. 2. KicNdichriii. An des Waldes kühlem Bronnen Saßen wir einst Hand in Hand, Von dem Strahlennetz umsponnen, Das die Sonne um uns wand. Ang' in Auge wir uns sahen, Und die Lippe Ivar so.stumm, Und es kam der Stunde Nahen, Liebender Elysium. Dämmerschatteu legten graulich Sich ums grünende Geäst, Und es zwitscherten so traulich Noch die Vöglein von dem Nest. 108 Zeit und Gelegenheit. Und den Vöglein gleich, den kleinen, Schmiegten wir uns Brust an Brust, Welch ein seliges Vereinen Und Vergehn in höchster Lust! Bis die Sterne freundlich nickten Durch der Zweige dunkles Dach, Und wir wundernd um uns blickten, Wie aus bösem Traume wach. Neben murmelte die Quelle, Glitzernd in des Mondes Schein, Und die Wiese sah so Helle Und der Wald so finster d'rein. Helle war's in meinem Herzen, Aber dennoch, dennoch stahl Sich die Ahnung dunkler Schmerzen In die Seele dazumal. Und wir giengen, Blicke meidend, Sah ein jedes vor sich hin; Bis am Gitterthor ich scheidend Zu dir sprach in frohem Sinn: Trockne, trockne deine Thränen, Liebes Mädchen, sei mir gut! Hast du liebebanges Sehnen, Habe ich den frischen Mut, Trotze feindlichem Geschicke, Wenn nur du mich herzlich lieb! Noch die Hand und süße Blicke, Liebes Mädchen, und vergib! Mach fremden Motiven * 1. Dietmar von Aist. Ahi, nun kommt die goldne Zeit, Der Vöglein Melodei, Die Linde grünet weit und breit, Der Winter ist vorbei. Schon sieht man Blnmen allerwarts Boll hundertfarb'gen Scheins, Darüber freut sich manches Herz Und tröstet sich auch meins. Auf der Linde oben Sang ein Vogelein, Die „Gedanken flogen Nach dem grünen Hain. Rosen sah ich blühen Auf dem alten Platz, Thät mich leise mahnen Au den alten Schatz. 200 Nach fremden Motiven. 2. Kirrenberg. Zu viele Freunde minneu Ist nimmer, nimmer gut. Nur ihn will ich gewinnen, Der mir im Herzen ruht. O süßes Frühlingsahnen! Er ist mir balde nah. Sollst ihn der Worte mahnen, Da ich zuletzt ihn sah. Die Krone aller Frauen Bist du, o Herrin mein! Und Sehnsucht, dich zu schauen, Schleicht mir ins Herz hinein. O lass dir heimlich künden: Mein Herz ist gar so kraul, Und könnt' es Heilung finden, Ich wüsst' dir besten Dank. V O glaubt mir, meinem Herzen Thut es oft bitter weh, Wann in der Sehnsucht Schmerzen Ich Einsame vergeh'. Es ist nicht Gold, nicht Silber, Wonach mein Wünschen reicht; Es ist ein holdes Antlitz, Das dem Geliebten gleicht. Nach fremden Motiven. 20 l In mitternächt'ger Stunde Vor deinem Bett ich stand Und hätte dich so gerne Geweckt aus Schlummers Band. «Und hast dich Wohl gefürchtet? Bist du eiu dummer Mann! Ich wär' kein Bär gewesen Und hätt' dir nichts gethan.» Wie sich in Silberwolken Verbirgt der Abendstern, So thu auch du, Geliebte, Und bleibe von mir fern! Lass rnhen deiner Angcn Licht Auf andern hier und dort, So weiß die böse Welt es nicht, Und wir wir lieben fort. Steh' ich im weißen Hemd allein Und denk' an dich, o Ritter mein, Erglühet mir die Wange. So thut die Rose an Dornen auch; Mein Herz durchweht der Liebe Hauch, Mir ist so bang, so bange. Ihr fragt, warum ich weine, lind köiwt mich nie verstehn. Ich und mein Liebster sollen Nun voneinander gehn. Wie möcht' ich jenen segnen Als meinen besten Freund, Der mich und den Geliebten Versöhnend wieder eint. 202 Nach fremden Motiven. Ich hatte einen Falken, Dem war ich gar so hold; Er war so zierlich, war so zahm. Da wand ich einstens rothes Gold Um seine Federn, sieh, da nahm Den Fing er in weite Ferne. Ich sah an seinen Füßen Die lichte Seide Wehn Und leuchten sein Gefieder Goldroth in blauen Höhn. O Gott, gieb mir ihn wieder, Ich hab' ihn gar so gerne. Und hast du mir verziehen Und bist mir nimmer gram? «Wie könnt' ich dir entfliehen, Weiß selbst nicht, wie es kam.» Das that der Neid der Späher. . . «Gewiss, der hat's gethan!» So komm nur wieder naher Und küss mich, lieber Mann! Ich küsse dich und flehe: Herrin, komm mit mir! Alles Wohl und Wehe Theile ich mit dir. So uns Gott das Leben gibt, Lieben wir uns zwei: Was sich recht von Herzen liebt, Bleibt sich ewig treu. Nach fremden Motiven. 203 3. Walther von der Vogelweide. O Mädchen, setze diesen Kranz Von Blumen ans dein Haar! Die schönste bist du bei dem Tanz In jungfräulicher Schaar. Hätt' ich nur Gold und Edelsteine, Zu schmücken dir das Haupt! Es schmerzt mich, wenn du je geglaubt, Dass ich's nicht ehrlich meine. Da nahm sie, was ich liebend bot, Von holder Scham durchglüht; Die lichten Wangen wurden roth, Wie Waldes Röslein blüht. Verschämt sich ihre Augen neigen Zn heimlich holden: Grnß - Und wurde mir noch mehr, ich muss In Treuen es verschweigen. Du bist so schön! Den besten Kranz Gäb' ich dir gerne preis, Der je mich zierte bei dem Tanz! Doch, Liebster, halt, ich weiß Biel Blumen ans der Heide stehn, Die roth und weiß entspringen, Wo Nachtigallen singen, Lass sie uns brechen gehn! Nach fremden Motiven. O Liebestraum, o Liebestraum, Wie zaubervoll bist du! Die Blüteu sanken vom Liudcubaum Uud deckten weich uns zu. Doch als ich rief: Jetzt bist du mein! Da stieg in voller Pracht Die Sonne auf, und ich erwacht' Und war allein, allein. s. Unter der Linden An der Haide, Wo ich mit meinem Liebsten saß, Mögt ihr finden, Wie wir beide Blumen brachen und das Gras. Vor dein Wald in einem Thal: Tandaradei! Herrlich sang die Nachtigall. Ich kam gegangen Zu der Aue, Und mein Liebster war schon dort; Der mich empfangen, Heil'ge' Fraue! Dass ich bin selig immerfort. Ob er mich wohl oft geküsst? Tandaradei! Seht, wie roth der Mund mir ist! Und Blumen brachen Wir zürn Bette In bunter Zahl. O kommt uud seht! Boni Herzen lachen Nach fremden Motiven. 205 Muss der Stätte So mancher, der vorübergeht. Bei den Rosen er wohl mag — Tandaradei! Sehen, wo das Haupt mir lag. Wie ich da ruhte, Wer es wüsste, Du lieber Gott, ich schämte mich. Wie mich der Gute Nahm und küsste, Ei, das weiß nur er und ich — Und auch du, Waldvögelein, Tandaradei! Nicht wahr, wirst verschwiegen sein? 3. Dass ich dich so selten grüße, Mädchen, zürne nicht! Heute Thränen, morgen Küsse, Heute Schatten, morgen Licht. So ein wenig, wenig grollen Und dann wieder sich versöhnen: Dieses tändelnd süße Schmollen Macht die Liebe erst zur schönen. 4. Zn dunkel seht ihr, die ihr meint, Dass niemand lebt, der singet. Bedenkt, wie trüb die Welt erscheint, Die so mit Sorgen ringet. Doch die Stunde kommt, da man singt und sagt, 206 Gar balde; So hat ein Vöglein auch geklagt: Ich singe nicht, bevor es tagt, Das sich verbarg ini Walde. 5. Hast du ein geheimes Leid, So gedenke edler Fran'n Und der lichten Sommerzeit, Und dein Äug' wird Heller schau'n. Wenn mich Wintersorge grämt, Denke ich der Heide bald, Die sich ihres Leides schämt Und errvthet, grünt der Wald. 6. Sagen sollt ihr: Sei willkommen! Neues bringt mein Sang. Was ihr einst durch mich vernommen, War nur eitel Klang. Doch wer singt, will auch Geschenke! Dem, der guten Lohn nicht scheut, Sing' ich, was sein Herz erfreut; Sehet, wie man mich bedenke. Euch vor allen, deutsche Frauen, Will ich eine Kunde sagen, Dass ihr allen Erdengaueu Um so besser sollt behagen. Und der Lohn? Ich bin bescheiden; Wer bin ich und wer seid Ihr? Wenn ich grüße, danket mir, Und das macht mir tausend Freuden. Nach fremden Motiven. 207 Reich an Ländern ist die Erde, Deren beste ich geschaut; Doch vor ihnen ist das werte Vaterland mir lieb und traut. Seht ans mich mit tiefstem Hohne, Kündet je des Athems Hauch, Dass ich liebe fremden Brauch: Deutscher Zucht gebürt die Krone. Von der Elbe bis zum Rhein Und zurück zum Ungarland Mögen wohl die Besten sein, Die ich auf der Erde fand. Weiß ich Bildung zu verstehn Und Ivas Schönheit ist, fürwahr: Nirgends hab' ich eine Schar Schön'rer Frau'n als hier gcschn. Züchtig ist der deutsche Mauu, Deutsche Frau'u wie Eugel rein, Und wer anders sprechen kann, Der muss wohl von Sinnen sein. Heil'ge Minne, hohes Streben Und tief innerstes Gemüth Stur auf deutscher Erde blüht: Möcht' ich lange auf ihr leben! 7. Mir ist versperrt des Glückes Thor, Verwaist und arm steh' ich davor Und muss vergeblich klopfen, 208 Nach fremden Motiven. Nm mich ein wunderbarer Segen, Und doch, von all dem goldnen Regen . Trifft mich kein einz'ger Tropfen. Mild bist du, Fürst aus Oesterreich; Dem süßen Strom des Regens gleich Erquickst du Leute und das Land. Du bist wie eine schöne Heide, Auf der man Blumen bricht und Blüten: O möchte doch ein Blatt mir bieten Mir deine wundermilde Hand, Laut priese ich die Augenweide. Daran, o Fürst, sei dn gemahnt! 8. Apuliens König und Roms Vogt, Erbarmen! So reich an Liedern, muss ich doch verarmen, Wie drängt es mich nach eignem Herd, dein warmen! Dann würd' ich singen von der Heide Prangen Und Waldesvöglein, dass es lustig schallt; Und dankte mir ein schönes Weib, ich malt' Ihm Lilien und Rosen auf die Wangen. Doch ich komm' spät und reite früh, o Weh! Der Wirt mag singen von dem grünen Klee: Bedenkt mein Leid, dass eures auch zergeh'! 9. Ich hab' ein Lch'n, o Welt, ich hab' ein Lch'n Nicht fürcht' ich mehr den Winter an den Zeh'n, Zn kargen Fürsten darf ich nimmer flehn. Nach fremden Motiven. 209 Hab' Dank, o edler König, für die Gabe! Im Summer frische Luft, im Winter Herdes Glut! Wie freundlich rückt der Nachbar seinen Hut, Ich bin ihm kein Gespenst mehr, seit ich habe. O, Armut schmerzt. Ich habe sie empfunden, Und meine Fiedel schlug oft herbe Wunden: Nun jauchzt das Lied, wie in den schönsten Stunden. 10. O Weh, wohin entschwunden ist mir so manches Jahr? War nur ein Traum mein Leben oder ist es wahr, Was ich auf Erdei: schaute mit meiner Augen Licht? Gewiss, ich hab' geschlafen, und ich weiß es nicht. Nun bin ich wach geworden, und ist mir unbekannt, Was ich vor Zeiten kannte, wie meine andre Hand. Wo ich als Kind gewandelt auf meiner Heimat Höh'u, Sieht inan mich an, als hätten sie niemals mich gesehn. Die mir Gespielen waren, wie trag' sind sie und alt! Wo einst im heil'gen Dunkel gerauscht der Tannenwald, Da seh' ich stolze Pflüge die tiefen Furchen ziehn, Nur du, geliebtes Wasser, strömst noch wie sonst dahin. Ja, selbst der Freund, von dem ich einst schied mit warmem Kuss, Geht jetzt an mir vorüber und schenkt mir keinen Gruß. Drum weh mir, wenn ich denke au manchen schönen Tag, Der mir dahin zerrönne::, wie in das Meer ein Schlag, Für immer, Weh, o weh! O Weh, wie traurig blicken die Jünglinge vor sich, Sie, denen nie vor Kummer die Wange sonst erblich! Ans ihren Schultern lasten nun Sorgen bang und schwer, Wohin der Blick sich wendet, ist alles freudenleer. Kein Tanz auf grüner Heide, kein Lachen, kein Gesang; Mau sah noch nie die Christen so kummervoll und bang. 14 210 Nach fremden Motiven. Wie auf dem Haupt der Frauen das Stirngebände ruht, Und wie sich bäurisch kleiden die Ritter hochgemut!)! O Deutschland, armes Deutschland, wohl hast du Grund zu klagen, Rom hat dich nie gesegnet! Du hast jüngst Bann ertragen. Das thut mir weh, o glaubt nur, einst war's so wonnevoll, Dass ich, anstatt zu lachen, nun weinen, weinen soll. Die Vöglein selbst im Walde betrübet unser Klagen. Was Wunder, muss ich Aermster, darüber ganz verzagen! Was sprichst dn? Nein, es war ja der Zorn nur, der so sprach: Wer Erdeuwonne folget, verliert den Himmel, ach, Für immer, weh, o weh! O Weh, wie lieblich duften die Blumen dieser Welt! Und doch ist all ihr Honig vergiftet und vergällt. Es ist die Welt von außen so weiß, so grün, so roth, Doch sieht man sie von innen, ist schwarz sie, wie der Tod. Wer nun durch sie verleitet, der komm', ich weiß ihm Rath: Der Büßer findet Gnade für schwerste Missethat. Auf, Ritter, auf und heftet euch an des Kreuzes Bild! Wozu tragt ihr die Helme, wozu den lichten Schild? Wozu die Panzerringe und das geweihte Schwert? O Gott, dass ich auch wäre für dich zu streiten wert! Ich armer Mann, ich könnte verdienen reichen Sold: Nicht Ackerland, nicht Burgen und nicht der Herren Gold; Die Himmelskrone selber möcht' auf dem Haupt ich tragen, Die der geringste Söldner dnrch Speerwurf kann erjagen. O dass ich ziehen könnte mit euch wohl über die See, Wie würd' ich singen und jubeln: Heil mir! und nicht: O weh! O nimmer: Weh, o weh! Nach fremden Motiven. 211 4. Nach Prrschirrn?" Mein Hrimakdorf. O Heimatdörflein! Unter grünen Bäumen Wie traulich dort das Haus des Vaters ruht! O hätte nie des Wissens falsche Glut Mich fortgetrieben aus den engen Räumen. Nie wäre dann mein hoffnungssüßes Träumen Zu Gift geworden, wie von Natternbrut; Ich glaubte an mich selbst noch fromm und gut, Und in der Brust möcht' es so wild nicht schäumen. Was selbst die reichste Herrin nicht besitzt, Ein treues Herz und eine rege Hand, Das hätte mir ein braves Weib gebracht; Ich säße still und ruhig in dem Land, Und Hans und Acker, wann es stürmt und blitzt, Das hättest du, Samt Marcus, mir bewacht. Orpheus. Und Orpheus schlug die zanbervollen Saiten, Und aus dem Walde kam der Tannenbaum; Es stieg der Fels vom hohen Wolkensaum, Der Adler ließ die dunklen Schwingen gleiten. Von Rhodope und Hämus sah man schreiten Die wilden Völker; man erkennt sie kaum: Es ist so ein unnennbar süßer Traum, In den die Töne sie hinüberleitcn. tL* 212 Nach fremden Motiven. Ich aber hebe bittend meine Hände, Dass uns der Himmel einen Orpheus sende, Der dieses Landes ew'gen Sturm bezwinge; Und dass mein Volk bei seinem heil'gcn Klange Begeistert werde von dem höchsten Drange Und nur für Einheit und für Freiheit ringe. Am heiligen Krade. Der Jahre achtzehnhnndert drei und dreißig sind Dahingerauscht, seit ans der Engel Munde Frohlockend klang zn Bethlehem die Knnde: O betet an das ncugeborne Kind! Charsamstag war's, an dem man frommgesinnt Von einem Grab zum andern macht die Runde; Da rief es mich — es war die zehnte Stunde — Ins Hans des Herrn. Es klang so weich, so lind. Und ich trat ein. O unseliger Dom! Ich sah die hundert Flammen nicht am Grabe, Ich sah nur iu der Menscheu dunklen Strom; Und plötzlich fiel ein Feuer aus zwei Sterueu — O fraget nicht, was ich gelitten habe Und leiden werde bis in späte Fernen. Ich such- sie. Zn einem Garten ist mein Herz geworden, Und Liebe ist der Gärtner, der ihn Pflegt. Doch all die feuchten Rosen, die er trägt, Sind Klagen nur der Liebe, der verdorrten. Nach fremden Motiven. 213 Ich suche sie, die Sonne, aller Orten, Ob sie ihr Haupt ans offne Fenster legt, Ein Stelldichein im grünen Walde hegt, Ob jetzt durchwandelt des Theaters Pforten. Ich eile in die buntbewegten Gassen: Wo leuchtest du, ersehntes Angesicht? Warum, o Sonne, hast du mich verlassen? Wie kann die Saite wonnevoll erklingen, Wenn um mich schwebt die Nacht mit ihren Schwingen Und eine Thräne aus dem Auge bricht! wohin? Ich stürme dahiu ohne Rast und Ruh' — «Wohin, o Freund?» Was fragest du! O frage die Wolke hoch über dem Land, O frage die Welle am Meeresstraud, Wann ihr mächtiger König, der Sturmgott, rast Und sie vorwärts schleudert in fliegender Hast! Und wie Welle und Wolke nicht wissen, wohin, So schleudert auch mich der verzweifelnde Sinn. Ich fühle nur eines so bitter und scharf, Dass ich vor ihr himmlisches Auge nicht darf Und dass auf der Erde kein Plätzchen ersprießt, Wo man so unendliches Wehe vergisst. Abschied von der Jugend. O goldne Zeit des jugendlichen Strebens, Du schwandest wie ein morgensüßer Traum; Die Blüten all, die wenigen, des Lebens, Kaum aufgeknospet, sanken sie vom Baum; 214 Nach fremden Motiven. Das Licht der Hoffnung leuchtete vergebens, Die Freude schien ein Wasserperlenschaum: Und dennoch seufzt nach deinem Morgcnschimmcr Mein Herz, o Jugend! Lebe Wohl auf immer! Ich habe früh, Erkenntnis, dich genossen Und weiß, wie du vergiftest jede Lust; Mit Hohn und mit Verachtung wird begossen, Wer sich des reinsten Triebes ist bewusst. Wie selten sah ich eine Liebe sprossen, Die nicht verwelkte in der treuen Brust — Weisheit und Recht sah ich mit tiefem Schauern, Gleichwie ein Mädchen ohne Mitgift trauern. Kein holder Fahrwind wird dein Schiff begleiten, Wenn dich bekämpft ein feindliches Geschick. Ein Bettler wirst du durch das Leben schreiten, So nie dir schien des Glückes Sonnenblick. Nur rothcs Gold kann dir den Pfad bereiten, Man huldigt nur dem Namen und dem Glück — O blinde Welt, die dem nur Beifall spendet, Was durch den Schein, den trügerischen, blendet. Wie blutete mein Herz aus tiefen Wunden, So ich den Jammer dieser Welt geschaut! Doch ließ die Jugend allen Schinerz gesunden, Sie, die in Wolken goldne Schlösser baut Und Kränze windet in den schönsten Stunden, Von Thränen erster Liebe überthaut — So auch vor ihr statt grüner Augenweide Sich endlos dehnet eine diirre Heide. Nach fremden Motiven. 215 Die frohe Jugend denkt nicht der Gefahren, Die ihr vielleicht die nächste Stunde bringt. Und kommt ein Leid, es ist in diesen Jahren Dein Sturme gleich, der allgemach verklingt. So frisch und fröhlich ist ihr ganz Gebaren, Wie einer Lerche, die im Blauen singt: Und darum seufzt uach deinem Morgenschimmer Mein Herz, o Jugend! Lebe Wohl auf immer! Dir vrrlsffrnr Mukkrr. Auch du noch! O mein Kindlein sprich! Dein Kommen, war es gut für mich, Die ich so juug schon Mutter war, Bevor ich schritt zum Traualtar? Ein Fluch nur war des Vaters Wort, Die Mutter weinte fort und fort, Der Bruder, wenn ich kam, entwich, Mit Fingern zeigten die Leute auf mich. Und den ich liebe bis zum Grab, Und der dich, armes Kind, mir gab, Zog in die Welt und schämte sich Des eignen Kindes und für mich. O du mein herzig Kindlcin sprich: Dein Kommen', Ivar es gut für mich? O lass dich drücken an meine Brust, O, unter Thränen, welche Lust! Es öffnet sich der Himmel blau, Wenn ich in deine Aeuglein schau', Und lächelst du, was ich auch litt, Es ist vorbei, ich lache mit. 216 Nach fremde» Motive». Er, der des Waldes Vögelein Ernährt, wird auch dein Vater sein. «Und fehltest du», spricht er gelind, «So war es ja um solch ein Kind!» 5. Nach Jenko." Liebesglück. Düster flackerte die Kerze, Regen an das Fenster schlug; Doch dein lieberglühend Herze Nichts nach Sturm und Wetter frug. Lächelnd sahst du mir entgegen, Sahst mich an mit nassem Blick; Draußen Blitz und Sturm und Regen Und um uns, o welch ein Glück! Vor der Tlziirr. Und du sangst und schlugst die Saiten, Und ich lauschte voller Schmerz, Ließ die Töne schlürfend gleiten In mein armes wundes Herz. Wollte schon die Klinke fassen, Doch ich hatte nicht den Muth; Und vom Auge, von dem nassen, Quoll umsonst der Thränen Flut. Abschied. Es blüht die Rosenhecke, Ein Vöglein singt auf ihr. Noch diese kleine Strecke, Dann geht es fort von dir. Nach fremden Motiven. 217 Es ziehet eine Wolke Wohl über das Sonnenlicht? Nein, nein, es ist die Thräne, Die aus dem Auge bricht. Hüt'.dich Gott. Wenn der Mond aus Wolken leuchtet, O verzage nicht! Wenn auch Thräne dich befeuchtet Und dein Herz zerbricht — Einmal muss geschieden sein, " Lebe wohl, du Liebstes mein! Frage nicht, warum ich gehe Uebcr Berg und Strom! Ob ich je in deine Nähe Wieder, wieder komm', Ei, das weiß, du Röslein rvth, Nur der liebe, liebe Gott; Hüt' dich Gott! Unvergessen. So eilet Stunde hin um Stunde, Dem Freude bringend und dem Leid; Mir aber reißt die alte Wunde Von neuem auf die flücht'ge Zeit. Du bist die stolzeste der Frauen Und ich ein stillbescheid'ner Manu, Dem in dem Äug' die Thräueu thaucu, Weil er dich nicht vergessen kann. Vrgrgnung. Wir sahn nach kürzer Zeit uns wieder, O Mädchen, beim Vorübergehn; Ich senkte meine Augen nieder, Du hast mich seitwärts angesehn. 218 Nach fremden Motiven. Doch sah ich recht, so will's mich dünken, Wir beide lächelten uns zu, Und es verrieth der Angen Winken: Ich bin dir gut, o sei's anch du! 6. Nach Hora;. Nn die Lxra. Du verlangst mich. So ich im Schatten ruhend Sonst ein leichtes Liedchen mit dir getändelt, Singe jetzt ein römisches Lied, o Lyra, Ewig ertönend, Dn, die Lesbos' Bürger zuerst gestimmet, Der ein Kriegsheld, dennoch im Sturin der Waffen, Oder wann an feuchtes Gestad sein leckes Schiff er gebunden, Bacchus und die Musen besang und Venus Mit dem stets ihr folgenden Knaben oder Den mit schwarzen Augen und schwarzen Locken Prangenden Lycus. Schmuck des Phöbus du und bei Jovis Mahle Stets willkomm'ne Lyra, du meiner Leiden Süßes Labsal, stehe mir bei, so oft ich Würdig dich rufe. Nach fremden Motiven. 219 N>, Chlor. Warum fliehst du vor mir, Chloe, deni Rehe gleich, Das im ödeu Gebirg bangende Mutter sucht, Vor dem leisesten Lufthauch Schon erschreckend im dunklen Wald? So das regsame Laub säuselnd der Lenz durchstreift llnd Lazerte sich nur rühret im Brombeerstrauch, Pocht schon stärker das Herz dir, Und du zitterst am ganzen Leib. Und ich jage dir doch nicht wie ein Wüstenleu Von Gätuliens Saum, nicht wie ein Tiger nach; Lass doch endlich die Mutter, Die du reif schon dem Manne bist! Der Myrtenkranz. Fort, ich hasse persische Pracht, o Knabe! Mir missfallen Kränze, mit Bast gewunden. Suche nicht, ob irgend wo eine späte Rose noch blühet! Winde nichts, zu sorglich, zur schlichten Myrte! Also schmucklos kleidet sie dich, den Knaben, Und auch mich nicht hässlich, so unter dichtem Weiulaub ich trinke. An Thaliarchus. O sieh, wie blendend weiß der Soracte glänzt Und Ivie im Walde unter des Schnees Last Die Bäume seufzen und die Flüsse Unter der grimmigen Kälte starren. 220 Nach fremden Motiven. Wie traulich knistert da ans dem Herd die Glut! Leg' immer zu uud gieße vorn Henkelkrug Noch reichlicher, o Thaliarchus, Echten Sabiner von altem Jahrgang! Lass du die Götter sorgen ums andere! Ein Wink von ihnen, nnd die erzürnte Flut Wird still und lächelt; nimmer rauschen Auch die Cypressen und grauen Eschen. Denk' nicht au morgen! Danke für jeden Tag, Den zu Geivinn dir einer der Götter gibt. Uud fliehe nicht, o holder Knabe, Fröhlichen Reigen und süße Liebe, So lang du blühst nnd grämliches Alter nicht, Das graue, kennst. Such' lieber das Marsfeld auf, Den Spielplatz und das leise Flüstern In der verheißenen Dämmerstunde! Such' ans den Ort, wo liebliches Lachen dir Den Winkel kundgibt, wo sich dein Mädchen barg, Und nimm ein Pfand ihm von dem Arme Oder vom Finger, sich schalkhaft sträubend. An die Habsüchtigen. Weder Gold noch Elfenbein Glänzt von dem Prnnkgetäfel meines Hauses; Auf numidischen Säulen ruht Kein Architrav aus Marmor von: Hhmettus: Kein attalischer Palast Fiel mir, dem fremden Erben, in die Hände, Und in meinen: Dienste schleppt Kein angesehen Weib Laconerpnrpnr: Nach fremden Motiven. 221 Doch mir schlägt ein treues Herz Und eine mächt'ge Dichterader; Reiche Suchen mich, den arnien Mann, Der von den Göttern nichts erfleht, noch Freunden, Den Sabinum nur beglückt, Sein einzig Gut. — Ein Tag verdrängt den andern, Und des Mondes Sichel geht Jahraus, jahrein beständig auf und unter: Du, doch du an Grabes Rand Lässt für Tapeten Marmortafeln sägen, Baust, statt an den Leichenslein Zu denken, Hans an Haus und ringst dem Meere, Das an Bajäs Küste braust, Kunstdämme ab, des Festlands nicht zufrieden, Rückest den geweihten Stein Vom Felde deines Nachbars heimlich weiter, Ueberspringst in deinem Geiz Sogar die Raine deiner Schntzbefohl'nen Und vertreibest Mann und Weib Sammt den Penaten und den armen Kindern. Und doch harrt des reichen Herrn Kein Vorhof, so gewiss, als jene Grenze, Die der eh'rne Hades setzt: Was strebst du also nach so eitlen Dingen? Glaube mir, es nimnit das Grab Deu König wie den Bettler auf; so führet Charon nicht um alles Gold Prometheus, den verschlag'nen, mehr znrückc; 222 Nach fremden Motiven. Wie den stolzen Tantalus Der Orens hält und Tantals Sohn, so nimmt er, Ob gerufen oder nicht, Den Armen auf, von feinem Leid erlösend. Air Drllirrs. Bewahre dir in misslicher Lage stets Gelasfnen Sinn; auch werde zu maßlos nie Die Freude dir in guten Tagen, Der du, o Dellius, einst musst sterben, Ob du in Trauer all deine Zeit gelebt, Ob hingcstreckt auf einsamen Rasengrnnd Zur Festzeit du von dem Falerner Edlerer Sorte behaglich schlürfest. Wozu vereint zu traulichem Schattendach Die Silberpappel sich mit der Pinie, Und warum schlängelt sich die Welle Zitternden Laufes im krummen Bache? Lass Wein und Salböl bringen und Kränze hin Aus holden Rosen, die nur zu bald verblüh'n; Wer weiß, wie lange Glück und Jugend Dir's und die Fäden der Parzen gönnen. Du musst von: Walde, den du gekauft hast, musst Von Haus und Garten, welche» der Tiber netzt, Du musst! und deiner hochgethürmten Schätze bemächtigt sich einst der Erbe. Ob du nun reich bist, uraltem Haus entstammt, Ob nied'rer Herkunft, wankend am Bettelstab — Was frommt es dir? Du wirst ein Opfer Nimmer verschonenden, grausen Orens. Nach fremden Motiven. 223 Wir alle wandeln einstens dorthin; es schwingt Sich in der Urne allen das gleiche Los; Ob früh, ob später — doch es holt dich Ewig verbannend in Charons Nachen. An Lioinius. O Liciu, am glücklichsten Ivirst du leben, Wenn dn nicht zu weit auf die See hinaus fährst, Noch zu nah am klippigen Ufer hinstreifst, Fürchtend den Seesturm. Wer die Mittelstraße, die goldne, wandelt, Hält sich fern vom Schmutze der morschen Hütte, Wie auch fern vom stolzen Palast, den viele Thöricht beneiden. Oester bebt der Pinie Haupt, wann Sturmwind Sie erfasst; hochragende Thürme stürzen Mächt'gen Falls, und nur in der Berge Gipfel Schlagen die Blitze. Stets im Unglück hoffet und stets im Glücke Bangt vor jähem Wechsel das Herz des Weisen; So auch sendet Jupiter uns des Winters Hässliche Tage Und entfernt sie. Gutes und Schlimmes reichen Sich die Hand; aus goldenen Saiten wecket Oft Apollo schlummernden Ton und spannt nicht Immer den Bogen. Darum sei im misslichen Drang des Lebens Stark und muthvoll; ebenso klug auch reffe Ein die Segel, wenn sie die Guust des Windes Allzusehr schwellet. 224 Nach freindt'n Motiven. An Lgdia. Immer selt'ncr werfe« schon dreiste Jungen Steinchen dir ans nächtlich geschloss'ne Fenster; Und die Pforte, die sich so willig drehte, Wann ein Besuch kam, Schmiegt nunmehr so ruhig sich au die Schwelle; So auch horchst du nimmer dein Ruf des Schwärmers: Da ich Nacht um Nacht vor den Fenstern schmachte, Lydia, schläfst du? Weinen wirst du, eine verlass'ne Alte, Bald im öden Gässlein um stolze Buhlen, Während drauß der thrakische Sturm um Neumond Heftiger brauset: Dass umsonst die heiße Begier der Liebe, Die zur Wut oft brünstige Stuten anreizt, Dir in krankhaft fiebernder Leber raset, Während die frische, Lebensfrohe Jugend sich stets des grünen Epheus und der dunklichen Myrte freuet, Doch die dürren Blätter dem Freund des Winters Weihet, dem Sturmwind. Der kleine Däumling. Ein Märchen für die deutsche Jugend. M?enn dämmervoll die Erde In Abendtränmen richt Und auf dem frommen Herde Entzündet wird die Glut; Wenn rings auf allen Wegen Des Tages Lärm verhallt Und nur der Abendsegen Vom Thnrme noch erschallt: Dann kommen mir Gedanken Mit einemmal so licht, Wie wenn durch dunkle Ranken Die Morgensonne bricht, lind tragen mich auf Schillingen Zn Himmelshöh'n empor, Und fremde Märchen klingen Mir wieder an das Ohr. Ja, ja, in dunkler Ecke Dort ivar's, wo mir, dein Kind, So manche liebe Strecke Gefolgt die Träume sind; Bis ich zum Thurm gelangte, In dem Dornröschen schlief, Und mit dem Däumling bangte, Da er den Wald durchlief. 228 Der kleine Däumling. Und statt der Wand, der dunkeln, Sah ich nur Ast an Ast, Darüberhin das Funkeln Der Zinnen vom Palast. Und thät dem Born ich lauschen, Aus dem die Nixe kam, So über mir das Rauschen Der Raben ich vernahm. Drum fragt nicht, was mir fehle! Nicht ahnet, wer da rauscht, Das Glück der Kindcrscele, Die auf das Märlein lauscht, Bis hell die Augen leuchten In wundersamstem Licht Und aus den thränenfeuchten Ein Strahl des Himmels bricht. Ihr werdet ja doch nimmer Das Sehnen meiner Brust Begreifen nach dem Schimmer Verlorner Märcheulust, Die gleich dem Gold der Sonnen Mit Staunen mich erfüllt Und wie ein Zauberbronnen In das Gemüthe quillt. Erster Gesang. Nah' dem murmelnden Bache, der über blinkende Kiesel Zwischen Erlengebüsch nnd silbernen Weiden dahinfließt, Unter Bäumen versteckt im Schmuck der röthlichen Blüten, Stand ein hölzernes Haus, von niedrigem Dach Überhängen, Dessen alterndes Stroh mit graulichem Moose bedeckt war. Und so waren auch schon von grämlichem Alter die beiden, Die es bewohnten: Hans, Korbflechter im Dorf, das sich langhin Im geschlossenen Thale des weiten Gebirges erstreckte, Und Gertrude, sein Weib. Voll Sorgen saßen sie heute In der dämmernden Stub'. Es stützte die Stirne der Alte Mit der schwieligen Hand und sah bekümmert vor sich hin Auf den eichenen Tisch, der sonst in fröhlicher Festzeit Nicht nur Kartoffeln und Brot, nein auch gebratenes Huhufleisch Nebst erfreuendem Wein zu tragen in Fülle gewohnt war. Aber die Mutter begann: Ist morgen heiliger Pfingsttag, Da sich freuet die Welt des ringsum blauenden Himmels Und des sonnigen Lichts. Man geht in nener Gewandung In die Kirche des Herrn und aus der Kirche zur Mahlzeit Und der Mahlzeit zum Tanz auf üppig grünendem Anger, Wo Ach! schweige mir still, entgegnete mürrisch der Alte, Mit dein eitlen Gerede! Das fehlte mir noch, dass du heute Mich erinnerst der Zeit, da ich, ein rüstiger Bursche, Erst die Strümpfe mir band mit röthlich schimmernder Masche, Dann in die Hose mich warf aus weichem Leder, die zierlich 230 Ter kleine Däumling. An die Schenkel sich schloss; da war kein Fältchen zn sehen, Und es hob sich das Knie, das nackt gehaltene, Prächtig Ab von der Weiße des Strumpfs und der pechschwarz glänzenden Hose. — Und ich selber, du weißt, so fiel init schmerzlichem Lächeln Ihm das Mütterchen ein, ich brachte die purpurne Weste Damals zum Tanze dir mit, die mit kleinen silbernen Knöpfchen, Dicht aneinander gedrängt, in Doppelreihen besetzt war; Selbe stand dir so gut. Dazu die bräunliche Jacke Mit den Thalern darauf. Ich aber knüpfte das Halstuch, Das blauseidene, dir, dem ungeduldigen Tänzer, Löste dir's auf und knüpft' es wieder und sah dir beständig In das schelmische Äug'. Ach! Pfingsten war es, wie morgen. Während so plaudernd die zwei von glücklicher Zeit sich er- giengen, Sank indessen hinab der Sonne glühendes Antlitz, Durch die Wipfel des Waldes die letzten Grüße entsendend. Und wie brennend erschien das hölzerne Häuschen. Das Feuer Stahl durchs Fenster sich auch, das rings von Weinlaub umrankte, In das dunkle Gemach. Wo bleiben die Kinder? begann jetzt Schwer aufsenfzend der Mann; denn es Ivar kein Brot mehr im Hause, Und deu Kleinen ergeht's, wie hungrigen Schwalben im Neste. Draußen sind sie am Bach, entgegnete Gertrud. Da hörte Mau schon Helles Geschrei, und lachend sprangen die Kinder Durch die niedere Thür. Voran die größeren Brüder, Sechs an der Zahl, mit blondem Gelock und blühenden Wangen, Um drei Fingerchcn nur eins ragend über das andre. Als der letzte jedoch, mit lebhaft glänzenden Augen, Kam der Däumling herein, der jüngste unter den Brüdern, Wie ein Daumen so klein. Indessen hatten sich lärmend Um den eichenen Tisch die hungrigen Kinder gestellet, Und es blickte der Vater betrübt die bittende Schar an. Der kleine Däumling. 231 Aber die Mutter schalt: Wer bis zur Stunde der Dümm'rnng Sich vom Hause entfernt, des Abendmahles vergessend, Mag mit nüchternem Magen zn Bette auch gehen, er schläft dann, Glaubt mir's, doppelt so gut. — Wie weuu am blauenden Himmel Plötzlich Wölkchen erstehn gefährlich drohenden Anblicks, Also trübte sich jetzt das lachende Ange der Kinder, Dessen blauender Grund mit feuchtem Schimmer sich deckte. Doch in bangender Scheu der Mutter gehorchend, begaben Sich die Brüder dorthin, ivo schon das ärmliche Lager Je für zwei an der Wand des kleinen Stübchens bereit war. Und es senkte sich bald der willige Schlaf auf die Augen, Und sie athmeten süß. Hielt doch mit goldenen Schwingen Ungesehen ein Geist zu ihren Häupten die Wache, Streute rosigen Traum von rvthlichen Beeren im Walde Auf die Armen herab und zauberte liebliches Lächeln Alls den schwellenden Mund. Nur eines, der Däumling, blieb munter; Aber er hielt sich still und schloss verstellend die Augen, Horchend jeglichem Worte, das Vater und Mutter noch sprachen, Während der Mond schon lang aus weißer Wolke getreten, Um auf Wiese und Wald den bläulichen Schimmer zu gießen. Hans, was ist dir? so Hub nach langem Schweigen das Weib an. Tief auf seufzte der Mann und fuhr sich über die Stirne; Denn es wollte das Wort, das als ein böser Gedanke In dem Herzen ihm saß, den zagen Mund kaum betreten, Und doch musst' es heraus. Gertrude! sprach er. — Was willst du? Fragte das Weib. O sprich, wir haben kein Brot mehr in: Hause? Weniges ist nur im Schrank, entgegnete Gertrud, und wieder Schwiegen sie still. Da redete eines der Kinder im Schlaf ans. Gertrud! hast du gehört? Sind sieben hungrige Kinder! Und es weinte der Mann, und Gertrud hielt sich die Schürze Vor das bleiche Gesicht. Jetzt rauschten die Wipfel der Bäume, 232 Der kleine Däumling. Und es barg sich der Mond; ein Dunkel gieng durchs Gemach hin. Fort, begann nun der Mann - ihm fiel von: Herzen die Steinlast Müssen sie, in den Wald. Der die wilden Vögel ernähret, Wird sich auch ihrer erbarmen. Und Gertrud nickte mit Thränen Zu den Worten des Mannes. So saßen die beiden noch lange, Sorglich alles erwägend, bis sie das Lager bestiegen, Dem der Schlummer eutfloh'n, und harrten bange des Morgens. Zwriker Grssng. Endlich rührte sich drauß' das dämmernde Frühlicht. Die Vögel Reckten die Köpfe hervor aus weichem Gefieder und fiengen An zu zwitschern, erst schüchtern und leise, dann immer verwcg'ner, Und es lockte ein Ton den andern; so klang um die Wette Bald eiu lieblich Concert auf allen Büschen und Bäumen. Aus dem Bette zuerst sprang Däumling klopfenden Herzens; Und er weckte die Brüder, die, halb noch schlummernd, sich mehrmals Drehten nach rechts und nach links, verwundert die Augen sich reibend, Bis sie zögernden Schrittes das traute Lager verließen. Auch Gertrude und Hans mit scheinbar ruhiger Mieue Waren schon auf und hießen die Kinder sich waschen und beten. Hurtig gieng's nun hinaus zum rieselnden Bache; mit Lachen Fiengen das Wasser sie auf in zart sich höhlenden Händen Und benetzten sich so das lockige Haar und das Antlitz. Däumling setzte sich fern zum Fuß des stattlichen Birnbaums, Der das niedere Dach mit traulichen Zweigen umarmte, Uud sah stille vor sich, den kleinen Kopf sich zerbrechend, Wie er die Brüder zurück zum Hause der Eltern geleite, Falls, verhüte es Gott, sie einsam irrten im Walde. Plötzlich sprang er empor und lief, gehorchend dem Rufe Mütterchens, rasch in das Haus, ihm nach die übrigen Brüder. Der kleine Däumling. 233 Alle beteten jetzt. Drauf nahm die Mutter den Brotlaib Aus dem Schranke und schnitt mit bangem Herzen den Kindern Stückchen an Stückchen herab; zuletzt das kleinste dem Däumling. Wie das mundete! Doch den größeren Rest, den verbargen Sie in dem Rock, ergriffen die Mützen und sprangen den Eltern Unter Jauchzen voraus znm weithin sprossenden Walde. Ihnen folgten mit zögerndem Schritte Hans und Gertrude. Und sie achteten nicht des Birnbaums Prangender Schöne, Der im bräutlichen Schmnck, vom Glanz der Sonne umgossen, Wunderherrlich erschien; ja, wollten den Steg kaum betreten, Der den Bach übersprang, zum ländlichen Pfade geleitend, Wo es inmitten der Flur bis zu der schattigen Linde Weich wie Sammt sich ergieng. Doch horch'? Was drang für ein Jauchzen Plötzlich den Eltern ins Ohr'? Die Kinder wareu's, die jetzo Zu der Linde gelangt; laut jubelnd warfen die einen Ihre Mützen empor, die andern gaben im Kreise Sich die Hände, um so deu mächtigen Stamm zu nmtanzen. Singend gieng es sodann dem nah' gelegenen Wald zu, Der den Rücken des Berges auf Stundenweite bedeckte Und aus welchem hervor das immer lustige Bächlein Von der Höhe herab ins freundliche Wiesenthal rauschte. Doch vom Laufe des Baches, des nbermüthigen, kehrten Jetzt die Eltern sich ab, und aufwärts gieng es auf Wegen, Die, beständig gekreuzt, sich labyrinthisch verschlangen. Dennoch merkten es nicht die vorwärts drängenden Kinder, Wie zur Dämmerung fast die alten Tannen und Fichten Sich verbanden und so die lachende Sonne verdrängten. Immer steiler auch ward's, kaum Ivar betreten der Fußpfad; Uud manch stachlichter Doru uud wucherndes Farreugewächsc Hemmten deu Schritt. 234 Der kleine Däumling. Doch sagt: Wo ist nur der Däumling? Es sahen Aengstlich die Eltern sich um und riefen, horchten, und wieder: Däumling! riefen sie laut, wo bist du? — Däumling! wo bist du? Klang wie spottend vom Walde die eigene Stimme als Antwort. Ruf' den Kindern ein Halt! gebot der Vater, und wartet, Bis — er sprach nicht zu Ende, da plötzlich tauchte der Däumling Ans verworr'nem Gestrüpp. Zwar schalten die Eltern; doch lächelnd Sprach das listige Kind: O lasst den Stimmen mich lauschen, Die im ruhigen Wald zuweilen das Ohr überraschen! Geht, ich folge schon nach. — Die Eltern waren's zufrieden. Spute dich, Däumling! ermahnte die Mutter und wandte sich vorwärts. Däumling aber begann, nach jedem hundertsten Schritte Bröselchen Brotes zu streu'n, und merkte auf das genauste Jeglichen Pfad sich und jeglichen Baum und jegliches Felsstück Bis hinauf, wo indes auf luftige Höhe im Waldschlag Eltern und Kinder gelangt, willkommener Rastung zu pflegen. Und nun brach auch die Sonn' vom tiefblau leuchtenden Himmel In die Lichtung herein, wo rings von riesigen Tannen Heilige Andacht rauschte; da hielten die Kinder und schwiegen. Dritter Gestrig. Alle rasteten nun, auf eine Fichte sich setzend, Die, vom Sturme gefällt, querüber auf knorrigem Weg lag, Während der Däumling gieng, der silbernen Quelle zu lauschen, Die aus moosigem Fels so lieblich plaudernd hervorquoll. Gerne gab sie den Trunk den purpurnen Lippen der Kinder Und erfreute sich dran; denn nur ein schüchternes Reh kam Solist zum Brunnen heran und manch befiedertes Waldthier. Drauf der Vater gebot: Nun lauft im Walde und spielet, Bis ich rufe. Dann kommt! Es ist das Zeichen zum Aufbruch. Ter kleine Däumling. 235 Lärmend stürmte die Schar nach allen Seiten des Waldes Ueber granitene Blöcke hinauf, die Mntter Natnr sich Wie zur Veste gethürmt, auf denen lustige Tännchen Hoch im schaukelnden Wind die schwanken Wipfel bewegten. Von dem Felsen herab begann der ältere Bruder Laut zu predigen; doch die ringsum starrenden Tannen Horchten ihm nicht; sie waren ja anderen Stimmen zu lauschen, Denn der Menschen, gewohnt: Ein Gott dnrchranschte die Wipfel, Gleich der Woge des Meeres, die fernhin rollt ans Gestade. Wieder ein anderer schlich mit vorgehaltener Mütze Nach dem schimmernden Kelch, darauf ein purpurner Falter- Sanft sich wiegte; doch sieh, wohl Mr die Blume gefangen, Aber der Falter entflog, der herrlich schillernde, wieder In die blauende Luft und neckte beständig den Knaben. Andere trugen sich Moos nnd Farrenkräuter zusammen Und manch felsiges Stück. So wuchs ein niedlicher Rnhsitz Zwischen zwei Tannen empor. Ein fünfter brach sich ein Zweiglcin Von dem saftigsten Strauch nnd schlug beständig die Rinde, Bis sie, mürbe gemacht, vom weißen Stamme sich löste Und ein Pfeifchen aus ihr, ein weithin tönendes, wurde. Doch, wie hell er auch pfiff, dass alle Brüder es hörten Und behende um ihn, den artigen Künstler, sich scharten, Keines der Eltern vernahm's. —- Indes war höher und höher An dem Himmel empor die glühende Sonne gestiegen, Und nnn merkten sie auch, Ivie fremd die Bäume geworden. Jählings stürzte der Berg, und ab von lieblicher Heimat Rauschte ein Wässerchen hin zur andern Seite des Thales. Vater und Mutter begaben, nachdem sie Ruthen gebrochen Und zusammengelegt, zur selben Stelle sich wieder, Wo querüber auf knorrigem Wege die Fichte gefällt lag. Leise zitterte jetzt — es Ivar die Stunde des Mittags — 236 Der kleine Däumling. Aus der Tiefe herauf des Glöckleins freundlicher Mahngruß. Gertrud betete still; auch Hans entblößte das Haupt sich; Aber es wollte der Gruß nicht so wie sonst aus dem Herzen. Fernab schweifte sein Blick hinweg über grünende Wipfel, Wo tief unten im Thale, gleichwie ein Kind in der Wiege, Ihm sein Häuschen erschien sammt Dorf und Kirche und weiter Ueber den Kuppeln hervor die silbernen Alpen erglänzten. Komm, es läntct nicht mehr! sprach Haus. - O himmlischer Vater, Rief voll Bangen das Weib, sei du ein Vater den Kindern, Der du dem Vöglein es bist und jeglichem Würmchen und Käfer! Reichlich entstürzte die Thrän', und immer wieder sie horchte, Ob vom Walde nicht her ein silbernes Lachen ertöne; Aber es brütete still des Mittags schweigende Hitze, Und so kehrten sie denn bekümmerten Herzens nach Hause. Vater! riefen die Kinder — es war schon Abend geworden Und sie fürchteten sich; doch wie sie auch riefen und lauschten, Nur der klopfende Specht gab unwillkommene Antwort. Schweigt, o Brüderchen, schweigt, die Eltern kommen nicht wieder! Hub der Däumling nun an und sprach mit wichtiger Miene: Gestern war's in der Stacht, ihr lagt schon alle im Schlummer, Als der Vater beschloss, uns arme, hungrige Kinder In dem schrecklichen Wald dem lieben Gotte zu lassen, Ihm, der die Vöglein ja auch, die wilden, nähret im Walde. Aber ich hielt mich still wie ein Mäuschen und horchte auf alles, Und indessen ihr heut den steilen Waldpfad hinanfsprangt, Streute ich Bröselchen Brotes nach jedem hundertsten Schritte, Merkend den Pfad und jeglichen Banin und jegliches Felsstück. Also kommt denn und folgt, bevor es dunkelt und Nacht wird. Sprach's und wandte sich um, und freudig folgten die Brüder. Der kleine Däumling. 237 Auf dein Gipfel des Berges soeben ruhte die Sonne, Die ermüdete, aus und sandte liebliche Grüße, Und nun sank sie hinab, die dunklen Fichten vergoldend, Während die Dämmerung stieg aus grauumflossener Thalschlncht. Däumling eilte voraus bergauf und wieder bergunter, Sich der Samen erfreuend des ansgestreueten Brotes. Aber was hält er still und kommt ihn: plötzlich ein Thräulein In das muntere Äug', indes vom Zweige die Drossel In den Abend hinein ihr herrlich flötendes Lied singt? Ach! da kommt schon des Weges der Dieb, der lose, gesprungen, In dem Schnabel das Brot, nnd schwingt empor sich zum Weibchen Auf dem breiten Geäst. Wie scharf der Däumling auch spähte, Nirgends sah er vor sich die heimwärts führenden Zeichen, Da sie die Vöglein hinweg, die immer hungrigen, Pickten. Wartet, rief er getrost, es ist schon finster geworden, lind wir finden nicht heim. Seht mir, wie gütig der Vater In dem Himmel für uns auch hier im Freien gesorgt hat! Ist die Buche nicht hier so recht ein schirmendes Laubdach Und das sammtene Moos ein wnndcrlieblicher Polster? Weint nicht, Brüder, nnd legt euch hier getröstet zu Bette! Wenn der Morgen erwacht nnd uns vom Schlafe erwecket. Finden wir sicher den Weg und kehren munter nach Hause. Sprach's, und es legte sofort nach diesen Worten der Däumling Sich ins schwellende Moos; das gleiche thaten die Brüder. Und sie falteten noch, wie sonst, so innig die Hände Zum Gebete, wobei ein Thränlein über das andre Ueber die Wangen entglitt. Doch horch, die flüsternde Buche Wiegte sie bald in Schlaf, und wachend sahen die Sternlein Durch das dunkle Geäst; es war ein rührender Anblick. 238 Der kleine Däumling. Vierter Gelang. Heiter glänzte die Nacht. Da gieng ein munteres Regen Durch den schweigenden Wald; es war die befiederte Thierwelt, Die den Morgen zuerst, den röthlich strahlenden, grüßte, Und ein frischerer Hauch durchzog belebend die Waldluft. Als der erste bom Schlaf erwachte Däumling und weckte Seine Brüderchen auf; das Ivar ein trauriger Morgen. Hurtig sprang er sodann, gleichwie Eichhörnchen, das flinke, Auf die Zweige des Baumes, mit führerkuudigem Blicke In die Gegend zu schaun. Doch Wipfel an Wipfel bewegten Sich wie Wogen des Meers auf rings sich thürmendeu Bergen, Und kein freundliches Thal mit silberner Krümmung des Flusses Leuchtete auf; es blinkte auch nirgends ein goldenes Thurmkreuz Oder ein ragendes Schloss auf überhangendem Felsen. Kuppel an Kuppel, soweit der blauende Himmel sich senkte, Selbst vergebens die Schan, ob nicht in der Richtung der Heimat Ucber den Bergen hervor die schneeigen Alpen erschienen. Plötzlich dunkelte es. In weißer Wolke verbarg sich Nur auf flüchtige Zeit die goldene Sonne, und jetzo Trat sie wieder hervor. Da jauchzte Däumling und zeigte Nach dem glänzenden Dache, das wie durch göttlichen Zauber Aus dem grünen Geäst breitlaubiger Bäume hervorkam. Dank dir! rief er bewegt, o himmlischer Vater! So ist doch, Wenn am größten die Noth, die Hilfe Gottes am nächsten. Aber nun kommet und folgt, dass wir das Hänschen erreichen! Sprach's und kletterte rasch vom Baum und zog mit den Brüdern Wieder bergauf und bergab; bald bluteten Stirne und Wangen. Stunde nm Stunde verrann; schon kam der glühende Mittag. Aber kein Häuschen erschien, kein Waldpfad oder ein Brünnlein. Wilder wurde der Forst. Es wuchsen felsige Trümmer Aus dem Boden hervor in wunderlichsten Gestalten, Der kleine Däumling. 28!) Und es schmerzte den Fnß das steinigharte Gerölle. Däumling, klettere rasch noch einmal dort auf die Tanne, Hub der Aelteste an, und sieh, wo das blinkende Dach ist! Und ein anderer schrie: Mich hungert! — Ach, und mich dürstet! Klagte der dritte. Nur still! entgegnete Däumling und blickte Nach dem stattlichen Baum, der wie ein Riese der Vorzeit Granbcbartet empor mit ungebrochener Kraft stieg. Doch im selben Moment, als er von Zweige zu Zweige Klimmen wollte, da klang ein wunderliebliches Singen Von dem grünenden Strauch, der in der Nähe der Tannen, An ein Felsstück gelehnt, ein schattiges Plätzchen gewährte. Alle lauschten erfreut. Ein schneeweißes Vögelein war es Mit gar munterem Äug'. Das hob die glänzenden Flügel, Und empor in das Blau des reineren Aethers sich schwingend Und dann wieder herab zum grünen Strauche sich senkend, Sang cs lustig und hell, dass alle staunten und schwiegen. Inne hielt es nunmehr und flog, ein leitender Führer, Vor den Kindern einher. Durch wildocrworrenes Dickicht Führte der Weg, und Ivie um Mitternacht wurde die Waldung. Endlich lichteten sich die hundertjährigen Tannen, Und ein Jauchzen erscholl, als eine blumige Wiese Mitten im Wald erschien, verlornem Eden vergleichbar. Freundlich lachte die Sonne darauf, es wiegten die Gräser Sich im flüsternden Wind, und ringsum surrten die Bienen. Muthig gieng Däumling voraus auf gutbctretenem Grasweg Und gelangte zuletzt zu einem niedlichen Garten, Welchen ein Gitter umschloss, von wilden Reben umsponnen. Kommt! sprach Däumling und schritt zur festgeschlossenen Pforte. Aber die sprang, als ob ein göttlicher Zauber sie rührte, Vor den Kinderchen ans; da standen alle nnd staunten. 240 Der kleine Däumling. Demi ein balsamischer Duft, wie nie ihn Blüten geathmet, Strömte jetzt auf sie ein. In zierlich gereihten Rabatten Standen zu tausenden rings, als gält's, die Augen zu blenden, Blumen im farbigsten Glanz. Verwundert sahen die Rosen Auf die kommende Schar; es rückten Nelken an Nelken, Tulpen drängten sich vor, und ein Wispern gieng und ein Neigen Durch den blühenden Raum. Da Hub das Vöglein von neuem An den süßen Gesang und hielt auf laubigen Linden, Die, ein schattiger Kranz, das seltsame Hänschen umgaben. Guckt doch, Brüder, und seht, rief Däumling, wie es hier lieb ist! Bis zum Firste hinan war keine Mauer zu schauen Vor dem wuchernden Grün des auf sich rankenden Ephcn; Gierig sog er sich ein ins langsam bröckelnde Steinwerk, Blättchen an Blättchen gedrängt und Ranke an Ranke. — Ei, seht doch, Rief ein anderer jetzt, die vielen Vöglein und Vöglein Auf dem bräunlichen Dach! — Ein Kuchen ist es, ein Kuchen! Fiel ein dritter ins Wort, und freudig klatschten die Kinder In die Hände, doch sieh, die Vöglein schwirrten von dannen, Kamen und pickten, flogen hinweg und trippelten wieder Auf der Rinne des Daches, beständig zwitschernd und schwänzelnd. Nehmt den Klöppel, befahl der Däumling jetzo, und klopfet An die eichene Thür. Doch wie der älteste Bruder An die Pforte auch schlug, drin blieb es still, und man hörte Nichts als Bienengesnrr und den ewig plätschernden Bronnen, Der aus feuchtem Gesteiu im Schatten hängender Weiden In ein Becken sich goss, aus rothem Marmel gebildet. Auf die Röhre nunmehr, die eiserne, welche des Wassers Silberne Strahlen ergoss, entflog das Vöglein und nippte, Dann zum drittenmal sang's, und diesmal war es am schönsten. Alles lauschte dem Lied; ans lauschten Blumen und Bäume Der kleine Däumling. S41 Und die Vöglein des Dachs, es lauschten Bienen und Käfer. Selber die Sonne hielt, die rasch verschwindende, nochmals Auf dem Rücke» des Waldes; erst mit dem Liede entschwand sie. Endlich ließen sich auch im Innern Schritte vernehmen, Und bald klappte ein Fensterchen auf, das über dem Klöppel Sich der Thüre befand; draus sah ein steinaltes Antlitz, Vielgefaltet und gelb, doch Seelengüte im Auge. Als das Mütterchen draußen die sieben Kleinen erblickte, Zog es den Schlüssel hervor und drehte; da knarrte die Angel. Ei, du mein Gott! rief es, ihr Kinderchen, sprecht, von wo kommt ihr Mitten im Wald? Und sie fuhr, indem sie sprach, einem jeden Durch das blonde Gelock. Den Däumling aber, den kleinsten, Hob sie lachend empor und küsst' ihm herzhaft die Wangen. Ach! entgegnete der, wir haben im Wald uns vergangen Und sind weit vom Gebirg'. - O arme Kinderchen! seufzte Plötzlich die Frau; doch kommt! Ihr werdet hungern und dürsten. Sprach» und nahm bei der Hand den kleinen Däumling; da folgten Auch die Brüderchen nach ins traulich winkende Häuschen. Leise schwebte indes die holde Dämm'rung zur Erde, Nahm das Silber vom Bach und von den Bergen den Purpur lind den Bäumen ihr Grün und trug's zum himmlischen Vater, Dass er kommenden Tags aufs neue schmücke die Erde. Dunkler wurde es jetzt, und "stärker rauschten die Bäume. Fünfter Gesang. Kinderchen, kommt nur herein, und segne Gott euren Eintritt! Sagte die Frau und schob die armen Kleinen ins Zimmer, Das, geräumig und hoch, ein gar behaglicher Raum war. Wo die Sonne zuerst von Berges Gipfel emporsteigt, tv 242 Der kleine Däumling. Dorthin waren zwei der blanken Fenster gerichtet Und zwei wendeten sich nach mitternächtiger Seite. Rein wie Krystall erglänzten die Scheiben; durchs eiserne Gitter Blickte der Ephen herein nnd ein Stack verstohlenen Himmels. Zwischen den Fenstern jedoch im weit vorspringenden Erker, Der ein Stübchen für sich, ein zierlich rundes, gewährte, Stand der eichene Tisch auf roh gedrechselten Füßen, Wohlgeglättet und gelb, und nm ihn standen die Bänke Rings an freundlicher Wand. Bon hier aus sah es sich herrlich In den Garten hinaus und über den Garten zum Wald hin. Setzt euch, Würmchen, nnd harrt, bald wird das Essen bereit sein! Fuhr das Mütterchen fort und trippelte eilig zur Thnre In die Küche hinaus, wo bald auf offenem Herde, Aus der Asche geweckt, ein lustig Feuerlein brannte. Schüchtern standen die Kleinen am runden Tische und sahen In dem Zimmer umher. Mir ist, ich wäre zu Hause, Sprach der Däumling vergnügt und schritt zur mächtigen Wanduhr, Die zur Decke hinauf, der braungctäfeltcn, reichte. Plötzlich schnarrte die Uhr, und ein Kuckuck rief wie im Walde, Dass selbst Däumling erschrak. Auch hinter dem Ofen begann sich's Leise zu regen; man sah zwei glutrvth funkelnde Augen, Und das schlich sich heran bis in die Mitte des Zimmers, Krümmte sich auf und hielt: es war ein mächtiger Kater. In den Erker hinein entwichen ängstlich die Kinder, Denn wie die Kohle schwarz, umstrahlt von feurigem Lichtschein, Den die Flamme des Herdes ins dämmernde Zimmer hineinwarf, Stand der zürnende da, nnd von den Wänden hernieder Sah manch seltsames Thier: ein ringelschwänziger Adler, Schleiereule und Specht nebst unheilkündender Krähe; Aber sie lebten nicht mehr, trotz grimmig drohenden Anssehns. «Kinder, nur nicht verzagt!» erscholl die Stimme der Alten Der kleine Däumling. 248 Von der Küche herein, wohin der Kater sich endlich Langhinstreckcnd begab — er roch den duftenden Braten. Weil er nur fort ist! begann der Däumling. — Weil er nur fort ist! Schrie's von der Ecke zurück, der dunklen, hinter dem Wandschrank. Himmlischer Vater! was ist's? — Was ist's? So spottete wieder Es von dem Winkel zurück, und nun erst merkte der Däumling Den unheimlichen Gast im hochgegittertcn Käfig, Der, ein hässlicher Rab', voll Ingrimm sträubte die Federn. Ruhig, Munin, nur still! ermahnte draußen die Alte. Bald drauf kam sie cherem mit hellaufbrennender Kerze, Legte für jedes der Kinder ein Messcrchen je und ein Gäblein Und ein Tellerchen hin und rief mit freundlicher Stimme: Setzt euch, Kinderchen! So! Nein, hieher muss mir der Kleinste. Ei, wie heißest du denn?—Ich heiße Däumling.—Du mein Gott, Däumling! lachte die Fran und nahm das Bübchen und setzte Es bequem ans den Stuhl und gieng, das Essen zu holen. Heimlich machten sie jetzt das Kreuz und beteten leise «Vater unser», hernach verharrten alle in Ruhe, Bis das Mütterchen kam und auf der dampfenden Schüssel Goldkartoffeln und Fleisch, das schöngebrat'ne, hercintrng. Stille ward es nunmehr, als gieng' ein Engel durchs Zimmer, Und man hörte nichts, denn klirrende Teller und Gläschen. Als nach Herzcnsgelüst die Kinder satt sich gegessen, Standen sie dankend auf, denn jedes wollte zu Bette. Jesus! klagte die Frau, mir ist, ich höre ihn kommen, Den uuholdigen Mann. Nur schnell, v Kinderchen, schnell nnr! Ach, wohin nnr, v Gott! dass euch der Riese nicht findet, Mein Gebieter und Herr; es gäb' ein schreckliches Unglück! Und es eilte die Frau, den kleinen Däumling im Arine, In die Küche voraus und schob die zitternden Kleinen 244 Der kleine Däumling. Unter den Bottich am Herd. Seid stille, sprach sie, wie Manschen! Ach! da pochte ihr Herz, und keines wagte zn Eilig trippelte dann das Mütterchen wieder ins Zimmer, Räumte das Eßzeug hinweg und harrte bange des Riesen. Plötzlich tönte von drauß' des Unholds furchtbare Stimme; Und es bebten die Wände des Hauses, es bebte der Boden Und die eichene Thüre, als er ins Zimmer hiueintrat, Wie die Tanne so hoch, die granverwittert im Wald steht. Weib! so herrschte er barsch das Mütterchen an, du erzitterst? Ist das Essen bereit? Ich hab' gewaltigen Hunger. Sprach's und schleuderte weg den wurfspießähnlichcn Bergstock, Aus der Fichte geschält, und schritt zum mächtigen Lehnstuhl. Schmeichelnd nahcte jetzt der traulich spinnende Kater, Und von: Käfig erklang des Raben heiserer Willkomm. Lauter heulte der Sturm, und Aeste brachen und Zweige. Was für ein Wetter das ist nach also freundlichem Abend, Hub das Mütterchen an; mir scheint, die Sterne verschwinden In dem grausen Gewölk, und schrecklich pfeift es im Schornstein. Aber der Riese schwieg, auf seiner Stirne des Unmuths Düstre Wolke; da gieng das Mütterchen hurtig und brachte Pnrpnrschimmernden Wein im bauchigen Krug und ein Lämmchen, Gut gebraten und ganz; das beste war's in dem Stalle. Rasch verschlang es der Riese, der Nimmersatte, und so auch Goss er gierig hinab vom feurig funkelnden Weine, Bis er zu Kopf ihm stieg; er sah mit gläsernen Augen Auf die Wände ringsum, und Adler schienen und Eule, Krähe und Grünspecht ihm, als ob sie leibten und lebten. Endlich stand er vom Stuhl, der Taumelnde, auf und begab sich Nach der Thüre zum Herde. Vergebens stellte die Alte Der kleine Däumling. 245 Mit der Schürze sich vor; er schob sie fluchend zur Seite, Wankte hinaus und schrie mit lallender Stimme: Ich rieche Menschcnfleisch! Und er gieng, begierig schnüffelnd, dein Herd zn, Stürzte den Bottich um und schlug ein schallend Gelächter Auf, als die Kleinen er sah, die mit gefalteten Händen Vor ihm knieten; fürwahr, der Anblick schnitt in die Seele. Serhsker Gesang. Wetze das Messer mir scharf! gebot der Riese und langte Bübchen an Bübchen hervor; sie wurden starr vor Entsetzen. Aber weinend begann das gute Mütterchen jetzo: Habe Mitleid, o Mann! So mutterseelenalleine Giengen im Walde sie irre, den wilde Thiere durchkreuzen, Liefen die Füßchen sich wund, die nackten, und kamen so endlich Todesmüde hieher. O hab Erbarmen und lass sie! Und es flehte auch Däumling und hielt die herzigen Hände Zu dem Riesen empor, dein zarten Veilchen vergleichbar, Das am Saume des Waldes zur mächtigen Tanne emporsieht. Thu' uns, bat er beherzt, ach, nichts zu leide! Wir haben Nie ivas Böses gethan und lieben Vater und Mutter. Schweig, erbärmlicher Wicht! begann der Riese und fasste Eins der Brüderchen an; du aber hole das Messer! Solch ein Braten wie der, kommt wuuderselten im Jahre; Frischlinge sind's, noch zart/-doch solche schmecken am besten. Bist du von Sinnen, Mensch? sprach Mütterchen, gab ich nicht innner Dir das Köstlichste nur, ivas Knch' und Keller vermochten? Und so thät' ich es heute. Gewiss, wie Frischlinge sind sie, Fciugeknvchclt und zart; doch fehlt zum Guten das Beste, Das mnfettete Fleisch. Du siehst, sie haben nur Knochen. Aber ich fntt're sie dir, wie jüngst die Hühner im Stalle, 246 Der kleine Däumling. Dass gemästet und fett, gleichwie Kapännchen, sie werden. Darum lass sie für heute und spar' den köstlichen Braten! Laut ans lachte der Mann bei den vernünftigen Worten. Ja, versetzt' er darauf, so sei's! Zu fetten Kapaunen Mäste die Kinder, doch bald! Mich lechzt des herrlichen Frühstücks. Sprach's und taumelte fort. — Nur stille, Kinderchen, stille, Sagte die Frau, und kommt! Gott Bater wird euch beschützen. Wie die ängstliche Schar der Küchlein sich nm die Henne Schart, wann Plötzlich der Weih im blauen Aether sich wieget, Also drängten sich auch die Kinder klopfenden Herzens An das Mütterchen rings und folgten über die Stiege In das ob're Gelass, Ivo des Riesen Töchterlein schliefen. Purpurdecken, besäumt mit silberglänzendem Atlas, Hiengen vom Bette hernieder, das wunderselten geschnitzt war. Wer bewunderte nicht die Wand, die zierlich gerundet Ueber dem Haupte sich hob! In ihrer Jnnenvertiefung Hatte der Künstler aus dunklerem Holz entfernten Gebirges Zackige Felsen geformt; nach vorn zur rechten und linken Stand ein mächtiger Wald aus hohen Tannen und Fichten, Deren breites Geäst in kühnen Bogen sich senkte. Aber am lieblichsten war doch jenes Mädchen zu schauen, Das auf schwellendem Moos im tiefen Schlafe zu rnh'n schien. Selbst das Käferchen, welches ihm eben über die Hand kroch Und die niedlichen Fühler, wie um zu horcheu, entrollte, Weckte das Mägdlein nicht und wagte kaum sich zu rühren. Nicht so lieblich indes, wie des Künstlers schlummernde Kleine, Waren die Töchter des Riesen; noch niemals hatte die Sonne Solch ein braunes Gesicht und grünlich schielende Augen, Nie solch eckiges Haupt und Hangende Lippen gesehen, Als bei den Töchtern des Manns, der selbst ein grimmiger Unhold. Krönlein schmückten ihr Hanpt ans rothcm Golde, — so lagen In dem Bette sie dort, die sieben Töchter, und schliefen. Der kleine Däumling. 247 Pst! Hub Mütterchen an, als sie die zagenden Kleinen In das Zimmer geführt, dass ihr die Kinder nicht wecket! Und nnn schütze euch Gott und geb' euch liebliche Träume! Sprach's uud löschte das Licht und gieng behutsam von dannen. Zitternd schlich nun herein des Mondes silberner Lichtglanz Durch das gittrige Grün und legte seltsame Blume» Hin ans Diele und Bett. Mitunter ward es auch dunkel, So in granes Gewölk der ruhig Wandelnde eintrat. Nicht mehr heulte der Sturm, die Wolken waren zerrissen, Anch manch schüchterner Stern kam lauschend wieder zum Vorschein. Ruhig war es allhier; man hörte nichts, als des Brunnens Traulich Plätschern, das wie um ciuzuschläfern heraufdrang. Geht zu Bette und thut, als ob ihr schliefet, sprach Däumling, Der im stillen erwog, wie er die Brüderchen rette. Eilig kletterten sie die hochgelegene Liegstatt Unentkleidet empor und rückten ängstlich zusammen Auf dem ärmlichen Stroh, das grobes Linnen bedeckte. Drüben regte sich nichts; nur von den goldenen Kronen Flammte zuweilen es ans, wie wann vom fernen Gebirge In der sinkenden Nacht es wetterleuchtend heraufblitzt. Däumling, schläfst du? begann ein Brüderchen jetzt, ach, ich fürcht' mich! Und ein zweiter, der gab die Decke über das Antlitz; Dieser verhielt sich das Ohr und jener wieder die Augen, Und es pochte ihr Herz. — Geduldet, flüsterte Däumling, Noch ein wenig! und schlich zum Bette der Töchter und lauschte Auf das Leiseste selbst des Athems und der Bewegung. Aber die schliefen fest, wie in dem Grabe. Da fuhr er Heimlich über die Decke und griff nach einem der Krönlein Auf dem garstigen Haupte. So mehr und mehr sich erdreistend, Nahm er allen die Kronen hinweg und gab sie den Brüdern, 24» Der kleine Däumling. Aber den Töchterchen setzte die Mützen er auf, die verschoss'nen. Plötzlich hörte man Lärm; der Riese war's, der, berauschet Bon dem vielen Getränk, in Milder Wollust entbrannte. Still, sprach Däumling, und thut, als ob ihr schliefet! Ich höre Den Entsetzlichen schon, wie er die Stiege heranfkvmmt. Eben hatte der Mond sich hinter Wolken geflüchtet, Und es dunkelte stark, als er ins Zimmer hereintrat. Taumelnd schritt er zum Bett und griff die Krönlcin der Brüder. Halt, da hätte ich schier den eignen Töchterchen selber, Murmelt' er in den Bart, die lieben Hälse durchschnitten. Und er stolperte weg zum andern Bette Hinliber, Griff die Mützen daselbst und schnitt mit einzigem Schnitte Allen die Hälse durch. Dies war so stille geschehen, Nicht der leiseste Hauch ertönte, kein Seufzer noch Aufschrei. Mitten vom Traume hinweg, dem lieblich gaukelnden, holte Sie der finstere Tod. Da lachte der Riese und wankte In das unt're Gelass, wo er in bleiernen Schlaf sank. Auf, ihr Brüder, und lasst uns fliehen, da es noch Zeit ist! Mahnte Däumling. O seht, wie scheint der liebliche Vollmond Wieder so hell! Sind Wald und Wiese nicht wie am Tage? Nehmt das Linnen mir jetzt und dreht es hurtig zusammen, Dass es zur Erde hinab als künstliches Seil uns geleite! Und es sprangen die Brüder vom Bette, zerrissen das Linnen, Knüpften die Enden zusammen und drehten und schnürten, bis endlich Das so fertige Seil befestigt Hieng an dem Fenster. Däumling ließ sich zuerst, der nncrschrock'ne, hinunter, Der zweitältere nach, sodann der dritte und vierte Und der größte zuletzt, bis wohlbehalten sie alle Auf den glänzenden Kies hinabgcsprungcn des Weges. Der kleine Däumling. 24!) Herrlich leuchtete drauß der wuuderliebliche Garten In dem ruhigen Glanz des Mondes und der Gestirne. Sieh, da kamen hervor aus allen Kronen und Kelchen, Wie der Aether so leicht die überirdischen Elfen. Reizend sahen sie aus mit ihren silbernen Füßchen Und dem fliegenden Kleid. Aus Rosen war es den einen, Andern aus Veilchen gewebt und Hhacinthcn und Tulpen. Krvnlein schmückten ihr Haar, das goldgelockte, vom Halse Blitzte perlender Thau, nnd Balsam hauchte ihr Athem. Tanzend schwebten sie auf und nieder über den Blumen, Und ein Klingen, so süß wie Sang der Engel im Himmel, Tönte rings durch den Raum; dazu ein Kichern und Kosen Und ein heimlich Gerann' aus allen Blumen und Blättern. Gehn wir, Brüderchen, spr'ach da Däumling, der wie verzaubert All die Wunder gesehn. O, nur ein einziges Weilchen, Bat ein Brüderchen, hört, wie wunderlieblich sie singen! Däumling horchte und blieb, denn also sangen die Elfen: Wir schweben nnd schwanken Im wonnigen Maien Auf blühenden Ranken In lieblichen Reihen Und wallen und weben Balsamische Düste Und schweifen und schweben Durch silberne Lüfte Blume auf, Blume ab, Blume auf, Blume ab. Wir lächeln und lispeln Aus rosigem Munde Und Winken und wispcln Uns heimliche Kunde; 250 Der kleine Däumling. Wir singen und klingen Wie Glöcklein so holde Und schwirren und schwingen Die Flüglcin von Golde Blume auf, Blume ab, Blume auf, Blume ab. Es stutzen uud staunen Die wehenden Winde Uud rufen und raunen Uns leise und linde; Wir küssen und kosen, Dann wandeln wir wieder Von Reben und Rosen Zu bläulichem Flieder Blume auf, Blume ab, Blume auf, Blume ab. Wir flirren und flimmern Wie Sterne im Dunkeln, Wir schillern nud schimmern Wie Perlen, die funkeln. O Kinderlein, kommet, Nicht bangen, nicht beben, Es freuet und frommet Zu schwanken und schweben Blume auf, Blume ab, Blume auf, Blume ab. Als zu Ende das Lied und in den Lüften noch immer Wie ein lieblich Geläute das leise zitternde ansklang, Kam in den nächtlichen Spuk ein neues, tolleres Leben. Von den Blüten der Bäume uud allen Gräsern uud Kräutern 25 t Zogen in Eile die Prinzen herbei mit ihrem Gefolge: Falter, dnnkelgeängt, und goldgrün schillernde Käfer, Glühende Würmchen auch, die gleich Demanten im Grase Lieblich leuchten; es kam auch rings von Flieder und Geißblatt Die unzählige Schar der schwärmenden Mucken und Motten. Fort, ihr Brüderchen, fort! begann der ängstliche Däumling, Dem ein flatternd Gespenst schier Ivie ein Hexlein ins Haar flog, Nimmer geheuer ist's. — Und alle liefen erschrocken Durch den blühenden Raum und über die Wiese zum Wald hin, Während noch wüster der Lärm von all dem nächtigen Thierspnk Um das Häuschen begann, dass einem Gesicht und Gehör schwand. Sirbenker Gesang. Endlich wurde es Tag. Die weithin leuchtende Fackel In der kräftigen Hand erschien der Morgen und scheuchte Die Gebilde der Nacht und ihr phantastisches Treiben. Feurig glitzerten jetzt im Glanz der Sonne die Scheiben, Und der perlende Than lag rings auf Blumen und Blättern. Aber sie selber stahl sich zwischen den Ränken des Epheus In des Riesen Gemach, der, von dem Weine betäubet, Ein Schwerathmender lag in festen Banden des Schlafes. Jetzo war er erwacht und sah der Sonne ins Antlitz. Fluchend sprang er empor. He, Alte! schrie er, wo bist du? Hunger qnält mich und Durst. Wo sind die jungen Kaninchen, Die ich zum Mahle mir »stach; es wird ein artiges Frühstück. Mütterchen war bei dein Wort, als ob ein Dolch sie verwundet. Unhold! kreischte sie auf, du hast die Kinder ermordet! Ach! die herzigen Würmchen — den Felsen muss es erbarmen. Und der jüngste erst gar! Das wnnderliebliche Büblein, Sittsam war es und klug. Wo bist du, Däumling, wo bist du? Und es schluchzte die Fran und schlug die Hände zusammen. 252 Der kleine Däumling. Endlich gieng sie hinauf, die schweren steinernen Stufen, Oftmals hemmend den Schritt, und zögernd griff sie die Klinke, Drückte da knarrte die Thür und wie ein Schrei des Entsetzens, Doch der Freude zugleich, eutfuhr's den Lippen des Weibes. Dank dir, gütiger Gott, der du die Würmchen gerettet! Rief sie betend und fiel auf ihre Kuicc und weinte, Trat zum Bette dann hin, wo bleich die Töchterchen lagen Des entsetzlichen Mannes; Gott geb' euch ewige Ruhe! Seufzte sie still und machte das heilige Zeichen des Kreuzes Dreimal gegen sie hin; darauf verließ sie die Stube. Wie ein Rasender schier benahm sich unten der Riese. Soll ich, schrie er erbost, dir mit der Hacke ? Da hielt er June, denn wie ein Geist, ein abgeschiedener, zeigte Au der Stiege sich jetzt das Mütterchen, welches ihm zurief: Unmensch! Also bestraft der göttliche Richter das Unmaß All der Frevel, die du aufs graue Haupt dir geladen. Nicht die Brüderchen siud's, die du im Rausche ermordet, Fort sind sie in den Wald; die eigenen Töchterchen hast du Dir getödtet, nun geh' und sieh die Armen im Blute. Wie der mächtige Stier zum hohen Himmel emporbrüllt, Wann das wuchtige Beil sich auf die Stirne ihm senket, Also brüllte der Manu bei dem gewaltige» Schlage, Der ans Leben ihm gieng, denn innig liebt' er die Töchter. Weib! die Stiefel mir her, die mich bei jeglichem Schritte Sieben Meilen hinweg in weite Fernen euttragen, Schrie der Wüthende auf, ich will sie treffen und tödten! Und es bebte das Haus bis in die innersten Fugen Bei der Rede des Riesen. Erbleichend schwieg auch die Alte, Die um die Stiefel ihn: gieng, jedoch im Innersten flehte, Dass der gütige Gott die Kleinen schütze im Walde. Fluchend zog er sie an, die sieben Meilen ihn trugen, Und den wuchtigen Stock, den wurfspießähnlichen, nehmend, Brauste, dem Sturmwind gleich, er über Wiesen und Wälder. 253 Muse, die du so treu mir beistand'st, da du ins Ohr mir, Ach! das bange Geschick der sieben Brüderchen ranntest, Weile auch jetzt bei mir und gib die goldenen Schwingen Um das sinnende Haupt, mir kündend, wie es den Kleinen In dem Wald nun ergicng, wohin sie flüchtend gelangten. Lauft nicht! jammerte laut ein Brüderchen, ich bin so müde. Und mich schläfert! begann ein zweites. Aber der Däumling Ließ den Armen nicht Zeit; fort gieng es über die spitzen Steine und Dornen hinweg und durch verworrnes Gestrüppe. Lichter wurde der Wald, und endlich zeigte ein Fahrweg Sich von ferne, der steil auf anderer Seite hinabgieng. Diesem eilten sie zu, und bergab gieng es im Laufschritt. Immer freundlicher Ivard's; schon boten muntere Bächlein Als Begleiter sich an; auch lag geschichtetes Reisholz Hier und dorten und gab von Menschen freundliche Kunde. Langsam wichen zurück die dunklen Tannen und Fichten, lind das sonnige Gold durchbrach die Zweige der Buchen, Die mit Birken vermischt des Waldes Ende verriethen. Gott sei tausendmal Dank! rief Däumling jauchzend, als Plötzlich Bon der Tiefe herauf, den klaren Aether durchwandelnd, «Ave Maria» erklang, des Gläckleins lieblicher Mahngruß. Wieder liefen sie fort, von wo das Läuten gekommen, Und gewahrten voll Freude die Martersäule, die abseits Stand ans grobem Granit. In schon zerbröckelnder Nische Zeigte ein Bildnis sich der. schmerzhaften Mutter Maria, Dessen Farbe schon längst von Stnrm und Regen verwischt war. Aber sinnig umschlang das eiserne Kreuz auf der Spitze Wildes Rvscngesträuch, auf dem sich Bögelein wiegten. Plötzlich dröhnte die Erde. Gott Helf' uns! schrieen die Kinder, Die den Riesen ersahen, der über Thal und Gebirge Mit des Sturmes Gewalt, dass alles bebte, herankam. 254 Der kleine Däumling. Vorwärts, Brüder! befahl der kleine Däumling und zeigte Ein Gereute im Wald, an dessen Saum, mit den Köpfen Gegeneinander gelehnt, sich felsige Trümmer befanden. Andere lagen darauf; das Ganze schien wie ein Häuschen, Dessen Eingang zum Glück Wachholder deckte und Broinbeer. Dorthin flüchteten jetzt die armen Kinder und harrten In dem dunklen Geklüft des Riesen schrecklicher Ankunft. Furchtbar kam er heran. Doch von der Sonne ermüdet, Blieb er stehen und sprach: Was soll ich laufen und leiden? Sie entgehen mir nicht. Ich will mich legen und schlafen. Und er legte sich hin, wo unter schattiger Buche Wie ein Kissen so weich der grüne Rasen ihn einlud. Aengstlich schwirrten alsbald die muntern Vögel von dannen, Also schnarchte der Mann; es war, als brause ein Sturmwind. Jetzo mit leisem Schritt schlich Däumling aus dem Verstecke. Folgt mir, sprach er, der schläft, als würd' er nimmer erwachen. Und sie kamen hervor, der eine hinter dem andern. Ziehet die Stiefel ihm aus! gebot er weiter; da wurden Alle wie Kreide so weiß. Doch Däumling sprach's, und so schlichen Sie mit Beben heran und zogen, alle mitsammen, Ihm den Stiefel vom Fuß'; doch ruhig schnarchte der Riese. Noch den zweiten! Nur schnell! ries Däumling wieder, bevor er Von den Mucken erwacht, die ihm die Nase umsninmen. Nochmals zogen sie an und setzten ab, bis sie endlich Auch den zweiten vom Fuße gebracht; da tropften die Stirnen. Däumling setzte hierauf ins weiche Gras sich und schlüpfte In die Stiefel hinein, die, als den Fuß sie berührten, Wie durch Zaubergewalt auch winzig wurden wie dieser; Nahm in jegliche Hand dann eines der Brüderchen, diese Fassten die anderen an, und Ivie ans Schwingen der Vögel Gieng es herrlich dahin — es schwanden Berge und Thäler. Der kleine Däumling. 255 Achkrr Grsang. Wieder tauchte hinab der Sonne goldenes Antlitz, Und die scheidende sah noch einmal grüßend ins Zimmer, Wo am eichenen Tische mit seinem Weibe Gertrude Hans voll Kümmernis saß, gehüllt in brütendes Schweigen. Oft sah Gertrud nach ihm, als schien' sie etwas zu fragen, Aber sie that es nicht und wischte heimlich die Angen. Endlich redete Hans: Was willst du's klüglich verbergen! Meinst, ich merkte dies nicht? O, schütte immer dein Herz nur Bor mir, Mütterchen! aus, du machst so beiden es leichter. Und es versetzte die Fran, und reichlich flössen die Thräncn: Ja, so ist es, mein Hans, dn hast das Rechte getroffen. Darfst mir glauben, es that mir doppelt Weh, wann dn immer Seit dem traurigen Tage so einsam saßest und schwiegest. Und doch warst du, ich weiß, mit allen deinen Gedanken Bei den Kinderchen nur, den armen, draußen im Walde. Hans, was hast du gethan! O, lieber zu Tode mich hungern, Als, verzeihe mir's Gott, die Kinder so zu verlassen. Wo die Armen nur sind? Ach, schrecklich ist es im Walde Schon bei Tag und Ivie erst bei Nacht, wenn alles so schwarz wird Und bei schaurigem Sturm die Aeste krachen und Zweige. Selber die Großen befällt da Furcht, und nun erst die Kleinen, Wie die unfern es sind. O, mög' ihr Engel sie schützen! Sprach's und schluchzete laut. Du machst, erwiderte Hans drauf, Mir mit solchem Gerede das Herz noch schwerer, denn's so ist. Aber ich trau' auf Gott, der wendet alles zum Besten. Freundlich wandelte jetzt, indes die beiden so sprachen, lieber die Wipfel der Tannen des Mondes silberne Scheibe, Und es senkte die Nacht den Schlummer über die Erde. Geh zu Bette, begann mit tiefem Seufzer der Alte, Mütterchen! dass der Schlaf dich von den Sorgen befreie. 256 Wie du nur redest, Munn! versetzte Gertrud, so laug ich Unsere Kinderchen, ach! im weiten Walde allein weiß, Fehlt's an Ruhe und Rast, fehlt mir's an friedlichem Schlaf auch. Gertrud, sagte der Manu nach einer Weile, mir ist, als Hütt' ich etwas gehört. — Es wird der rieselnde Bach sein Oder ein Banin, der knarrt, erwiderte Gertrud. Doch Hans sprach: Nein, so rieselt kein Bach, so knarrt kein Baum, so ... Vernimmst du Immer noch nichts? O Gott, wenn du es bist, der ins Herz uns Dunkle Ahnungen schickt, dass sie die Wahrheit verkünden, Dann, o Mütterchen! dann — Da öffnete leise die Thür' sich lind die liebliche Schar der Kinder, die sich an Däumling Aengstlich drückte, erschien im vollen Lichte des Mondes. Mutter! jubelte Hans, die Kinder sind cs, da sind sie! Sprach's und lief aus sie zu und hob sie alle der Reih' nach Auf und küsste sie lang, und weinend küsste sie Gertrud. Kinder, nur nicht verzagt, begann sie, weil ihr nur da seid! Und nun setzt euch zu Tisch, ihr werdet hungern und dürsten. Gerne thaten sie das. Da brachte Gertrud vom Brote Und der schneeigen Milch, und selig sahen die Eltern, Wie, so ärmlich die Kost, sie trefflich schmeckte den Kindern. Aber nun, Kinder, erzählt! Erzähle, Däumling! befahl jetzt Hans. Da winkte Gertrud: Für heute lass sie! Sie sind ja Mütterchen, nein, wir sind noch gar nicht schläfrig! Der Däumling Soll nur erzählen. Ja, ja, der Däumling! erscholl es im Kreise. Dieser aber begann. Ihm lauschten Vater und Mutter, Oftmals seufzend und sich vom Ange wischend die Thränen. .... Und so flogen wir hin, als ob wir Vögelein wären, Setzte der Kleine fort. Da hielten, müde geworden, Wir im lieblichsten Dorfe, das je wir Brüder gesehen. Der kleine Däumling. 257 Denkt Euch, Vater, ein Thal, das, rings von Bergen umschlossen, Lauter Wiese nur ist, besetzt mit Büschen und Bäumen; Mitten ein Dörfchen darin, das kaum vor all den Gezweigcn Und Geästen man sah. So reihte sich Garten an Garten. Aber vom Dorfe hinweg, dem freundlichen, zog uns das Klappern Einer Muhle, die dranß' am sanftgeschlängelten Bach lag. Lange standen wir dort und sahen staunend die Wehre, Wie das Wasser zuerst so still und dunkel herankvmmt Und laut zischend sodann mit weißem Schaume hinabstürzt. Kinder! Ei, von woher? Und warum sehet ihr immer So ins Wasser hinein? rief's Plötzlich hinter dem Rucken; Hastig wandten wir uns und grüßten freundlich den Müller. Und ich nannte das Dorf, aus dem wir seien, und bat ihn, Uns zil zeigen den Weg, den rechten, den wir verfehlet. Laut auf lachte der Mann. Ja, freilich! rief er, da geht ihr Mit der Kirche ums Hans; und freundlich wies er den Weg uns. Gelt's Gott, sprach ich und nahm zwei Brüder, jeden am Arme, Diese die andern sodann, und so wie Sperlinge, wenn sie, Von dem Hofe gescheucht, laut schwirren über das Dach hin, Flogen auch wir hinweg, der lieben Sonne entgegen, Die vom Gipfel des Berges noch einmal winkte und grüßte. Und so kamt ihr zu uns, fiel Gertrud ein, und wir lassen Nimmer euch fort; ihr bleibt, wenn wir zu Tode auch hungern. Aber es wird nicht so. Dem Vater geht es nun besser; Arbeit hat er nunmehr, dazu zwei rüstige Hände, lind ihr wachset heran und greift ihm unter die Arme. Nicht so, Mütterchen! sprach da Däumling munter entgegen, Ihr behaltet die sechs; ich aber gehe, der jüngste, Mit den Stiefeln hinaus, die weite Welt zu betrachten. Weint nicht, Mutter! Mich zieht's, gleichwie den Bogel im Herbste, Ueber die Berge und fort — es liegt das Glück in der Fremde. Lass ihn, Mütterchen, sprach da Hans, er hatte ja immer 17 258 Der kleine Däumling. Seine» eigenen Kopf; nm diesen ist mir nicht bange. Mag er die Welt besehn mit all ihren Wundern und Werken, Wie sie der Herr sich erbaut! Nicht jedem mundet das Gleiche. Mütterchen bleibet und wir im engen Dorfe, wir hängen Wie die Wurzeln an ihm; so war's von jeher, du aber, Däumling, mache dein Glück und nimm den Segen des Vaters! Also sprachen sic fort, bis lichter wurde der Osten. Vater! der Däumling rief, o seht die herrliche Sonne Dort am äußersten Rand; schon kommt sie hoher und höher lieber die Berge herauf! Lebt Wohl, ihr Eltern und Bruder, lieber ein Jahr! Lebt Wohl! lind also war er verschwunden. Länder sah er hinfort und Städte, Höfe und Burgen, Diente Königen selbst und Kaisern; überall war er Ein willkommener Gast; ihn wusste jeder zu schätzen. Denn es verstand sein Geist, gereift in schöneren Fluren, lieber Natur und Welt so viel und zierlich zu reden, Alle horchten entzückt; und allen zwang er die Herzen. Aber im Innersten saß ihn: doch unendliche Sehnsucht Nach den Bergen daheim; er liebte Brüder und Eltern. Oftmals kam er nach Hans, und stolzer sahen dieselben Auf das herrliche Kind; und dennoch blieb er der alte Kleine Däumling, geliebt von Eltern nicht nur nnd Brüdern, Urin, auch der Liebling hinfort des wackeren Uollies der Deutschen. WW4 Schneewittchen. Ein Märchen für die deutsche Rinderwelk. 17» Wie Schneewiitchen zur Welt kam. Es war in banger Winterzeit, Die Erde schlief in weißem Kleid, Und immer fielen noch wie Flaum Die Flocken von des Himmels Raum, Als eine Königin lobesan An ihrem Fenster saß und spann, Des Rahmen, wie in: Buch zu lesen. So schwarz wie Ebenholz gewesen. Verwundert sah sie nach dem Schimmer Des weißen Schnees auf Flur und Dach, Bis sie, geblendet von dem Flimmer, Sich an der Spindel plötzlich stach. Da nun das Weiß und Roth so schön Von Schnee und Blute war zu sehn, Die Frau im stillen bei sich dachte: O, dass mir doch ein Kindlein lachte, Wie Schnee so weiß, wie Blut so roth Und schwarz wie Ebenholz, o Gott! Und sieh, der Frühling kam und wich, Der Sommer gieng, der Herbstwind strich Und Ivars in nebelgrauem Wetter Von Busch und Baum die dürren Blätter. Doch Heller als der Sonne Schein Erglänzt' es in dem Kämmerlein Der Königin, die hochbeglückt An ihre Brust ein Mägdlein drückt: 262 Schneewittchen. So roth wie Blut, so weiß wie Schnee Und schwarz wie Ebenholz, doch weh! Es war nur kurz der Freude Schimmer; Noch einmal sah die Königin Auf ihr geliebtes Mägdlein hin, Dann schloss das Auge sie für immer Und starb, so schön, so jung, so bleich, Der Rose, der geknickten, gleich. Wie der König eine zweite Frau nahm. Vorüber war das Trauerjahr, Und wieder trat zum Traualtar Der König mit der schönsten Frau Im weiten Reich: das Auge blau, Die Locke schwarz, die Stirne weiß, Doch kalt das Herz wie Wintereis. Die hatt' ein Spieglein wundersam. So oft sie das zu fragen kam: Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land? Das Spieglein sprach zu jeder Zeit: Ihr seid die Schönste weit und breit! Doch wie die Blnme in dem Thal, Wenn sie umkost der Sonne Strahl, Mit jedem Tage schöner wird Und allerliebst die Wiese ziert, Wuchs auch Schneewittchens Huldgestalt; Und als es sieben Jahre alt, Da war es — dass ich's euch nur sag' — So herrlich wie der klarste Tag. 263 Nun trat einmal die Königin Vor ihren Spiegel fragend hin: Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land? Doch Spieglein sprach mit zagem Mund Und that die bittre Wahrheit kund: Fran Königin, Ihr seid die Schönste hier, Aber Schneewittchen ist tausendmal schöner als Ihr. Da ward die Fürstin gelb vor Neid Und sann in ihrem Herzeleid, Schneewittchen zu verderben. Den Jäger rief sie allsobald Und sprach: Geh in den grünen Wald, Schneewittchen, es muss sterben! Der Jäger zu Schneewittchen sprach: Lass in den grünen Wald uns gehn; Kannst Blumen pflücken an den: Bach Und bunte Schmetterlinge sehn. Schneewittchen jauchzte voller Lust Und lief dem Jäger weit voraus; Sang bald ein Lied aus froher Brust, Bald wand es, Blumen sich zum Strauß. So kam sie weiter, immer weiter, Und immer dunkler ward der Wald, Bis, ach! der finstere Begleiter Den: Kinde rief ein donnernd Halt: Schneewittchen, sprach er, du musst sterben ; Befiehl die Seele deinen: Gott! Die Königin will dein Verderben, Ich thu nur, was sic mir gebot. — 264 Schneewittchen. O Jäger, lieber Jägersmann! Schneewittchen bat voll Leide, Hab' nie was Böses dir gethan, Lass mich in Wald nnd Heide. Will laufen in die weite Welt Und nimmer wieder kommen; Hörst du das Glöcklein, wie es gellt? Gott hat mein Flehn vernommen. Dem Jäger wurde weich ums Herz, So rührte ihn Schneewittchens Schmerz, Er ließ das Mägdlein laufen. Was soll ich, dacht' er still bei sich, Mit Kindes Blut mir ewiglich Der Hölle Fluch erkaufen? Dann trat er vor die Königin Mit blutigem Gewände: Frau Königin, Frau Königin! Mich treffe Fluch und Schande. So weiß wie Schnee, wie Blut so roth, Schneewittchen todt, Schneewittchen todt! Ihr seid die Schönste im Lande! Schneewittchen im Walde. Schneewittchen mutterseelallein Im weiten Wald! Ihm war so bang; Bald lief es über Stock und Stein, Bald hielt es inne in dem Gang. Und so's nur raschelte im Laub, Das dürr und falb — des Herbstes Raub Am Boden lag, sah es mit Zagen Um sich und fühlt' sein Herze schlagen. 26ö Doch Aar and Schleiereule flogen Ob seinem Haupte hin; es zogen Der grimme Wolf, der braune Bär lind andrer wilder Thiere mehr An ihm vorbei und thaten nichts Ob seines freundlichen Gesichts. Schneewittchen! sprach das Moos, das Weiche, Komm, wenn dn müde bist, zu mir! Mit lauter Stimme rief die Eiche: Ich spende kühlen Schatten dir. Mitleidig plauderte die Quelle: O trinke, wenn du durstig bist! Erdbeere flüsterte, die Helle: Ich labe den, der hungrig ist. Schneewittchen sprach: O grünes Moos, Wie ruht sich's weich in deinem Schoß! Schneewittchen sprach: O Eichenbaum, Wie ist's so kühl in deinem Raum! Und aß und trank und saß so gut Auf grünem Moos in Baumes Hut. Ein Vöglein sang ihm süße Weise, Und Schmetterlinge roth und blau Umgaukelteu Schneewittchen leise, lind Käfer schillerten im Thau. Da stahl der Abendsonne Glanz Sich durch der Eiche Blätterkranz Und legte, wie das Gold so klar, Sich um Schneewittchens Lockeuhaar. Behüt' dich Gott, mein liebes Kind! Klang es von Bach und Baum und Wind, 266 Schneewittchen. Schlaf gut, schlaf gut Ju Gottes Hut, Schneewittchen roth, Behüt' dich Gott! Wie Schneewittchen zu den sieben Zwergen kam. Verschwunden Ivar das Licht der Sonnen, Und stille ward's, wie traumumsponnen, , Im dunklen Wald. Schneewittchen gieng, Schon blutend von den spitzen Steinen, Und weil's so müde war, so fieng Von neuem an das Kind zu weinen. Da ward es lichter in dem Walde, Und vor dem Mägdlein Plötzlich stand Ein Häuschen an des Berges Halde Bei einer Quelle Blnmenrand. Du lieber Gott! Schneewittchen rief, So hast du mich nicht ganz verlassen! Und nach deni kleinen Haus es lief, Die Klinke freudig zu erfassen. Die Thür sprang auf, das Kind trat ein. O zaubervoller Dämmerschein, Der durch das Stübchen sich ergoss Und lieblich ineinander floss. Schneewittchen war vor Freude stumm Und blickte sich verwundert um. Der Stühlchen sieben sah's im Kreis Um einen Tisch, der schneeigweiß Bedecket war mit Linnen. Drauf standen sieben Tellerlein Und Becherchen aus Golde fein, Mit süßem Wein darinnen. 267 Da nahm Schneewittchen, weit es gar So hungrig und so durstig war, Von jedem Brot ein Bröselein Und trank ans jedem Becherlein; Dann gieng es müde zu der Wand, Wo Bett an Bettchen zierlich stand Mit Weißen Pölsterchen und Decken, Um sich zum Schlafe hinzustrecke». Doch keines für Schneewittchen schien; Es suchte her, es suchte hin: Dies war zu kurz und dies zu schmal, Da sprang's — es blieb ihm keine Wahl — Ins letzte Bettchen rasch hinein lind schlief, sich Gott befehlend, ein. Wie die Zwerglein nach Hause kamen. Mit leisem Schritte kam die Nacht Und führte in des Mondes Pracht, Der durch des Waldes Tannengrün Von Zeit zu Zeit verstohlen schien, Auf Wegen wunderlich und kraus Die sieben Zwergelein nach Haus. Willkommen! murmelte der Bach Und säuselte die Linde; Die Zwerge traten ins Gemach, Nichts ahnend von dem Kinde. Doch als die sieben Wichtlcin Anzündeten die Lichtlein Und von dem goldnen Schimmer Es leuchtete im Zimmer, Ward aller Blicken offenbar, Dass es nicht so wie sonsten war. 268 Schneewittchen. Und eines nach dein andern rief: Wer hat ans meinem Stühlchen hier gesessen? Wer hat von meinem Tellerchen gegessen? Wer hat von meinem Brvtelein gebrochen? Wer hat mit meinem Gäbclein gestochen? Wer hat von den: Gemüse mir genommen? Wer ist mir übers Messcrchen gekommen? Wer hat aus meinem Bechcrlein getrunken? Und wer ist in mein Bettelei« gesunken? Und auch bei mir ist jemand drin gelegen! Auch hier! Hier auch! Eh iver war so verwegen? Der Zwerge jüngster aber rieh Als er Schneewittchen sah, das schlief: Ei du mein Gott! Ei du mein Gott! Wie ist das Kind so weiß, so roth! Und jeder kam und nahm sein Licht Und leuchtete ins Angesicht Schneewittchens, welches athmend kaum Süß lächelte im ersten Traum. Pst! sprach das Zwerglein, gebet acht, Dass es vom Schlafe nicht erwacht; Lasst uns zu Bette gehen! Da schlich ein jedes auf den Zehen Zu seinem Bettchen, wo in Ruh' Sie bald die Augen schlossen zu. Das jüngste Zwerglein aber schlief Bei jeden: Brüderchen fürwahr Ein Stündchen, bis die Nacht verlief, Und in der Frühe goldig klar Die Sonne durch das Fenster brach; Da wurde auch Schneewittchen wach. Schneewittchen. 26i) Doch als es mm die dunklen Locken Ans seiner weißen Stirne strich, Wie war's im Innersten erschrocken, Da es die Zwerge sah dor sich. Musst nicht erschrecken, gutes Kiud! Ein Zwerglein sprach, so schwarz wir sind, Ist unser Herz doch gut und rein. Wie heißest du, lieb Mägdelein? Schneewittchen. - Schnee Schneewittchen, so? Und kommst von wein und bist von wo? Mein Vater König ist im Land; Die Mutter hab' ich nie gekannt, Man legte sie ins stille Grab, Kanin dass mir Gott das Leben gab. Die zweite Fran, die Vater nahm, Ich weiß nicht, dass sie mir so grollte, Doch ward die Böse mir so gram, Dass sie mich tödten lassen wollte. Du armes Kind! - Ein Jägersmann Nahm mich hinaus zur grünen Halde, Dort lag ich ihm mit Bitten an, Dass er mich laufen ließ im Walde. —- Wie hast dn mutterseelallcin Zu uns gefunden, Mägdelein? Und kämest über alle Berge, Schneewittchen, in das Hans der Zwerge? Schutzengel war mein Schirmgeleit, Zu deni ich bete alle Zeit, Das weiche Moos gab mir ein Pfühl, Die Eiche einen Schatten kühl, Das Bächlein einen Trunk gar frisch, Erdbeere deckte mir den Tisch. - 270 Schneewittchen. Schneewittchen! O dn gutes Kind, Die Zwerge sprachen wohlgesinnt, O bleib' bei uns! Sollst kochen, nähen, Den kleinen Haushalt uns versehen; Und willst du alles reinlich halten, Wie eine Frau am Herde schalten, Und bleibst im Herzen fromm und gnt, Dann bist du wie in Gottes Hut. Schneewittchen, o du holder Stern, Bleibst du bei uns? — Von Herzen gern! Darfst aber nimmer in den Wald, Wie auch der Vöglein Lied erschallt; Lass nimmer dich von blaneu Glocken Auf grüner Wiese dranß' verlocken; Auch lass kein' Menschenseel' herein, Dn bist mit Gott und nicht allein. So warnten es die Zwerge Und giengen in die Berge. Wie die böse Königin mit dem Schnürriemen lmm. Neugierig trat die Königin Vor ihren Spiegel fragend hin: Spicglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land? Das Spieglein sprach: Frau Königin, Gewiss, Ihr seid die Schönste hier, Aber Schneewittchen über den Bergen Bei den sieben Zwergen, Ist noch tausendmal schöner als Ihr! Schneewittchen lebt! O Tag wie Nacht! Was soll mir eitel Gold und Pracht, Schneewittchen. 271 Ich ärmste bin betrogen. Schneewittchen lebt und liebt und lacht Und geht dahin in Waldes Pracht Wohl unter grünen Bogen. Doch sterben sollst du, sterben, Kind, So wahr mir Welle rauscht und Wind, lind er, der mich belogen! So schrie und jammerte das Weib Und zitterte am ganzen Leib, Und Tag nnd Nacht nnd Nacht nnd Tag Schneewittchen ihr im Sinne lag. Ich hab' es, rief sic endlich aus Und gieng als Krämerin vom Hans Wohl über die sieben Berge Zum Haus der sieben Zwerge. Schön' Ware feil, gut' Ware feil! Rief sie mit lauter Stimm' davor. Und siehe da, nach kurzer Weil' Sah durch das Fensterlein am Thor Schneewittchens holdes Angesicht, Wie Sternlein, das durch Wolken bricht. Was habt Ihr, sprach es, zum Verkauf? Ei, sprach die Krämerin darauf, Schnürriemen, buntgefärbt nnd schon, Es kostet nichts,"sie anznsehn. Drauf nahm den schönsten sic hervor Und hielt dem Mägdlein ihn empor. Nein, dacht' Schneewittchen, diese Frau Hat ein zu ehrliches Gesicht Uud ist so alt dabei uud grau, Die denkt gewiss an Böses nicht. 272 Schneewittchen. Und riegelte die Thüre auf Und ließ die Krämerin ins Haus. Wie nun zu Ende war der Kauf, Gott, rief das Weib, wie siehst du aus! Komm her, ich will dich einmal schnüren; So wie du gehst und wie du stehst, Scheinst dn für jeden zn gering, Wer möchte dich znm Tanze führen? Schneewittchen stand und hielt sich still; Die Alte aber schnürte fest, Dass ihm der Athem bald vergieng Und es wie todt zn Boden fiel. Da rief das Weib mit wildem Blick: Wer ist die Schönste nun im Lande? Und gieng bei Abendsonnenbrande Dann in die Königsburg zurück. Ihr könnt euch denken, liebe Kleinen, Wie abends, als die Zwerge kamen, Ein lautes Schluchzen war und Weinen, Da man Schneewittchen rief bei Namen Und aus dem liebeu, holden Munde Kein Wörtlein kam als süße Knude, Dass in dem Kinde wundervoll Noch ein geheimes Leben quoll. Plötzlich ein Zwerglein schrie voll Lust: Seht ihr den Riemen au der Brust? Was hat das arme Kind gelitten! — Schnell ward der Riemen dnrchgeschuitten, Und in Schneewittchen wundersam Das holde Leben wieder kam. Gleichwie aus tiefem Schlummer wach, Schlug cs die Augen auf und sprach Schneewittchen. 273 Von jenen: Weib —- da riefen alle: Stiefmutter war der böse Gast; Du aber giengest in die Falle, Weil du uns nicht gefolget hast. O, lass dich nimmermehr umgarnen; Du weißt nicht, wie die Menschen sind. Wir wollen dich noch einmal Warnern Lass keine Seele ein, mein Kind! Wie die böse Königin mit dem Giftkamme zu Schneewittchen kam. Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land? — Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier, Aber Schneewittchen über den Bergen Bei den sieben Zwergen Ist noch tausendmal schöner als Ihr. Du lügst! Du lügst! die Fürstin rief, Der alles Blut zum Herzen lief; So wäre alle Müh' und Kunst Nur wie ein eitel Wolkendunst? Doch warte, eines weiß ich wohl, Das dich zugrunde richten soll. Sie machte einen gift'gen Kamm Aus weißem Elfenbein und nahm Von einer Hexe die Gestalt Und schritt von dannen irr den Wald Wohl über die sieben Berge Zum Haus der siebeu Zwerge. is 274 Schneewittchen. Schön' Ware feil! Gut' Ware feil! Kein Weg zu lang, kein Berg zu steil! Begann sie vor Schneewittchens Haus Und rief die Ware preisend aus. Bald trat mit ncugiervollem Sinn Schneewittchen zu dem Fenster hin. Ei, geht nur, rief es ängstlich, geht! Ich kaufe nichts. — Jungfräulein, seht Doch nur den Kamm aus Elfenbein! Begann die Alte listig fein, Der gleißt und glänzt wie Mondenlicht, Das sich im Quell des Waldes bricht. Bei diesem Wort ließ sie den Kamm Jni Strahl der Sonne wundersam Erglänzen, dass Schneewittchen, ach! Sie einließ in das Wohngemach. Ihr Auge voll Entzücken schwamm. Was wollt Ihr, sprach sie, für den Kamm? Gebt, rief die Alte, was Ihr könnt! Er ist vom Herzen euch vergönnt. Schneewittchen bot bescheid'nen Preis. Nun denn, nm euretwillen sci's! Entgegnete die Krämerin; Nun aber setzt euch einmal hin, Dass ich, Jungfräulein, euch bequem Die Haare aus der Stirne kämm'. Schneewittchen setzte ahnungslos Sich in des Stuhles Weichen Schoß Und sah so wonniglich vor sich, Indes die Alte kämmend strich. Schneewittchen. 275 Wie glüht der Kamm! Wie sprüht das Haar! Die Funken stieben wunderbar. Das knistert wie von Feuers Glut, Das wogt und wallt wie Wellenflut. Schneewittchen ist, es waudle bald In grüner Au, im dunklen Wald Und horche auf der Quelle Gang Und ferner Hirtenflöte Klang. Und weiß und roth und gelb und grün Vor seinen Augen es erschien, Bis es von: Stuhle matt und bleich Zu Boden sank, dem Tode gleich. So! rief das Weib und lachte laut, Da es Schneewittchen angeschaut, So weiß wie Schnee, wie Blut so roth, Ausbund der Schönheit, du bist todt! Soeben sich der Sonne Strahl Zum Scheidegrnß ins Zimmer stahl, Als es wie Lachen und Gesang Vom nahen Wald herüber klang. Schneewittchen! scholl's vom Mund der Zwerge, Schneewittchen! von deni nahen Berge. Wo nur das Mägdlein heute weilt, Dass es uns nicht entgegen eilt? Und ist doch sonst so frisch und flink, Wie auf dem Buchenzweig der Fink. Die Zwerglein traten ins Gelass. Hilf Himmel! schrieen sie, o Gott! Wie eine Lilie so blass, Schneewittchen todt, Schneewittchen todt! 18» 276 Schneewittchen. Was klagt ihr? rief ein Zwerglein ans, Seht ihr's nicht leuchten in dem Haar? Da zogen sie den Kamin heraus, Der in des Kindes Locken war; Und wieder schlug Schneewittchen hell Die Augen auf, der Freude Quell, Und plauderte voll Lust und Dank, Bis schlummervoll die Wimper sank Und in des Traumes Zauberflug Ein Engel es in Himmel trug. Die Zwerglein aber dankten Gott Für seine Hilfe in der Noth. Wie dir böse Königin mit dem giftigen Apfel kam. Von neuem trat die Königin Vor ihren Spiegel fragend hin: Spicgleiu, Spicglein an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land? Und Spieglein sprach: Frau Königin, Gewiss, Ihr seid die Schönste hier, Aber Schneewittchen über den Bergen Bei den sieben Zwergen, Ist noch tausendmal schöner als Ihr. Da schrie das Weib voll Hass und Groll: Und wenn's mein Leben kosten soll, Schneewittchen, es soll sterben! Die Schönste will ich sein im Land! Hörst dn's, o Spieglein an der Wand? Sonst schlag' ich dich in Scherben. Schneewittchen. 277 Drauf gieng sie in ein Kämmerlein Und schloss sich vor den Leuten ein Und formte unter Groll und Fluch, Oft murmelnd einen Zauberspruch, Halb weiß, halb roth ein Apfelbild, Den rothen Backen giftgefüllt. Dann färbte sie das Angesicht Und gieng als Bänrin schlecht und schlicht Wohl über die sieben Berge Zum Haus der sieben Zwerge. Bescheiden klopfte sie ans Thor. Schneewittchen schaute hintcrm Flor Der Nelken durch das Fensterlein Und rief: Ich lasse niemand ein ; Die Zwerglein haben es verboten! Schon gut! die Bäuerin begann, Die Aepfel kauft mir jedermann, Doch den halb Weißen hier, halb rothen Will ich, o Kind, dir schenken. Nein, sprach Schneewittchen drauf, ich darf... Du fürchtest, rief die Bänrin scharf, Dich etwa gar vor Ränken? Warum nicht gar? O sieh nur zu, Ich beiße ohne Furcht hinein, Das schäumt so süß und schmeckt so fein, Und bin ich nicht gesund Ivie du? Indes die Bäurin, wie zum Spass, Von weißer Apfelspalte aß, Bekam Schneewittchen solche Lust, Dass cs die Stimme in der Brust 278 Schneewittchen. Nicht hörte, die leis' mahnend sprach, Und von dein rochen Apfel brach. Doch wie Schneewittchen ahnungslos Ein Stückchen nur davon genoss, Fühlt' es umdunkelt seinen Sinn Und sank wie todt zur Erde hin. Dir kommt kein Leben mehr zurück! Rief da die Königin voll Glück; Dann gieng sie heim in ihr Gemach, Trat'vor den Spiegel hin und sprach: Spieglcin, Spieglein an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land? Fran Königin, es kummervoll Vom Spieglein an der Wand erscholl, Ihr seid die Schönste in dem Land! - — Ihr neidisch Herz da Rnhe fand. Vom Dorf die Abcndglocke klang, Und stille ward's in Flur und Hain; Die Lerchen stellten den Gesang, Die Bienen ihr Gesurre ein. Nnr leise flüsterte der Hauch Des Windes um der Blumen Dust, Von Haus und Hütte stieg der Rauch Zerfließend in die Dämmerlust. Da heimwärts auch von Berges Schacht Die Schar der sieben Zwerge gieng, Bevor die friedensvolle Nacht Die müde Erde rings umfieng. Sie traten in die dunkle Flur Des Hauses unter Lachen ein, Doch von Schneewittchen keine Spur; Wo weilt das Kind? wo mag es sein? Schneewittchen. 279 O weh, v Weh! vom Sturm geknickt Wie eine Blume lag es da; Kein Strahl aus seinem Auge blickt, Das sonst so hell und heiter sah. Die Zwerglein weinten bitterlich: Sv weiß wie Schnee, wie Blut so rvth, Wo ist ein Mägdlein, das dir glich? Schneewittchen todt! Schneewittchen todt! Kein gift'ger Kamm im Lockenhaar, Kein Riemen wurde offenbar; Mit Wasser wuschen sie und Wein Und gossen Wunderbalsam ein, Doch was für Hilfe man auch bot, Schneewittchen war und blieb mm todt. Ans reinstem Glase ward ein Sarg Bereitet durch der Zwerge Hand, Worin Schneewittchen man verbarg, Geschmückt mit schimmerndem Gewand. Ans seiner Brust ein Röslein roth Und auf dem Haupt ein Myrtenreis, So schlief Schneewittchen, selbst im Tod Noch roth wie Blut und schneeigweiß. Drei Nächte weinten und drei Tage Die Zwerge nm das Mägdelein, Dann trugen sie in stummer Klage Den Sarg auf einen Felsenstein, Wo er, nmranscht von grünem Laube, Frei staub in Waldes Einsamkeit; Und Eule kam und Specht und Taube Und weinten um die holde Maid, Bei der abwechselnd Tag und Nacht Ein Zwerglein hielt getreue Wacht. 280 Wir Schneewittchen wieder erwachte und Dochzeit hielt. Trara! Trara! Hört ihr das Horn Des Jägers in dem grünen Tann? Laut bellend ziehn die Hunde vorn, Und lärmend folgen Ross und Mann. O sagt, wer ist der sremde Tross, Der lärmend reitet durch den Wald, Und jener Jüngling, hoch zu Ross, Von goldnem Lockenhaar umwallt? Verlor der Himmel rein und blau Sich in sein Auge leuchtend mild? Wie roth der Mund, wie schlank der Bau, Der Tanne gleich im Leuzgefild! Versunken wie in tiefen Traum, Von Bildern wundersam verwirrt, Ritt er dahin und merkte kaum, Wie er im Walde sich verirrt. Bald gieng's bergunter, bald bergan, Und immer dichter ward's belaubt; Es rauschte ahnungsvoll im Tann, Und Vöglein schwirrten um sein Haupt. Und aus der Buchen grünem Dach Ritt er in schwarzen Tauuenforst; Von Fels zu Felsen sprang der Bach, Hoch kreisten Adler nm den Horst; Da wich die Tanne scheu zurück, Und leuchtend in der Sonne Gold Erschien der Sarg vor seinem Blick, In ihm Schneewittchen wunderhold. Schneewittchen. 281 Der Jüngling stanncnd vor ihm stand, Das Ang' von Thränen bald benetzt; Ihm ist, als ob ihn Feenhand In eine Zauberwelt versetzt. Schneewittchen! rief er aus, o Gott! Als er den goldnen Namen las, Wie Schnee so weiß, wie Blut so roth, Sag' an, was schläfst du unter Glas? Mein bist du, mein! Ich trage dich Bon dannen in des Vaters Reich. O du mein Auge, sieh auf mich! O du mein Mund, o sprich sogleich! Wer bist du, seltsam Menschenkind? — Ein Zwerglein Plötzlich zu ihm sprach: Schneewittchen schläft so gut, so lind, Du rufst es nicht vom Schlummer wach; Doch komm mit mir! Der Sonne Strahl Küsst scheidend schon des Berges Haupt; Die Brüder sagen dir im Thal, Wie man Schneewittchen uns geraubt. Der Jüngling folgte in das Haus, Begrüßend dort der Zwerge Schar, Wo, ach! Schneewittchen ein nnd ans Vor Zeiten gieng und glücklich war. Des Mondes Silbersichel stand Schon über dunklem Waldcsrand, Und sinnend lauschte fort und fort Der Jüngling auf der Zwerge Wort. Da rief er endlich unter Thränen: Gebt mir das Kind, o Zwerglein klug, Das all mein Lieben und mein Sehnen Mit cinemmal in Fessel schlug. 282 Schneewittchen. Und Weil er gar so rührend flehte Und ihm so weh im Herzen war, Seit ihn Schneewittchens Bild nmwehte In Träumen süß und wunderbar, Die guten Zwerge endlich sprachen: So nimm den Sarg aus Waldes Zelt, Doch musst du sorglich ihu bewacheu, Er birgt das Liebste auf der Welt. Der Morgen kam mit raschen Schritten, Und Licht und Leben ringsum quoll, Als es im Wald von vielen Schritten Und lauten Stimmen rings erscholl. Von Silbernebeldnft umwoben, Zog schon der Prinz den Berg hinan, Allwo den Sarg die Diener hoben, Und abwärts gieng's auf steiler Bahn. Da strauchelte der vord're Alte, Dass von dem Stoss — o Gottes Hand! Die langverborgne Apfelspalte Sich aus Schneewittchens Hals entwand. Und sieh, da schlug zu aller Staunen Schneewittchen nach so langer Zeit Die holden Wimpern auf, die braunen, Und sah um sich voll Seligkeit. Schneewittchen lebt! klang es vom Gipfel Des Berges in das tiefste Thal; Schneewittchen lebt! so sang ein Wipfel Dem andern zu nut frohem Schall. Die Winde zogen rasch von dannen, Die Knude bringend in das Land, Und hurtiger die Wellen rannen, Zu melden sie dem Meeresstrand. Schneewittchen. 283 O, lasst mein Lied, o Kinder, enden, Es ist zn voll von Lnst und Lieb'! Kein Sängermund kann Worte spenden, Den Knospen gleich im ersten Trieb. Denkt euch Trompet' und Saitentönen Und Minnclust und Hochzeitsfest, Maihimmel drüberhin, den schönen, Und ringsum grünendes Geäst. In diesen Tagen voller Wonne Die Königin zum Spieglein trat; Hell strahlend in dem Glanz der Sonne Sie es zum letztenmalc bat: Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die Schönste im ganzen Land? —- Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier, Aber die junge Königin ist tausendmal schöner als Ihr! Verflucht, bis an dein End' verflucht, Schrie da die Königin verrucht, Sei du und sie und sie und du! Und hatt' von Stund' an keine Ruh'. Und wieder klang Trompctenschall, Und in den königlichen Saal Ein Bote von Schneewittchen trat, Der sie zum HochZeitsfeste bat. Waldein, Waldaus, Waldaus, waldein, In Bnchengrlln und Sonnenschein Zog drauf die Königin stolz und bleich Zum Hochfest in Schneewittchens Reich; Und kam zu einem Anger hin, Wo unter Linden schattig grün 284 Bei Reihentanz und Saitenspiet Viel bunte Menge sich gefiel. Schneewittchen aber, stillbeglückt, Wie in ein Zauberland entrückt, Sah an des jungen Königs Ann Bald nieder in den lauten Schwarm, Bald nach des Jünglings Angenpaar, Das ganz in ihr's verloren war. Weh mir, du schöne, junge Braut! Schrie da ein Weib im Volke laut Und rang die bleichen Hände: So roth wie Blut, so weiß wie Schnee Und schwarz wie Ebenholz, o weh! Verflucht sei bis ans Ende! Sie ist es! scholl es rings im Kreis; O, bringt die Schuhe glühend heiß, Hier hilft kein Zürnen und Zagen; Lasst sic in Schuhen feurigroth So lange tanzen, bis sie todt Von dannen wird getragen! Und lauter klang Trompetenschall, Schneewittchen! scholl es überall Vom Hochfels bis zum Strande — Sie ist die Schönste im Lande. GrMsirndr Gedichte. Ahnung. Auf steiler Felseuhöhe Ein Knabe sitzt und sinnt, Es fährt durch seine Locken Liebkosend der Abendwiud. Und unten tief im Thale, Unter Blumen an dem Bach, Ein Mägdlein sitzt nud sinnet Verloren den Wellen nach. Und Wind und Welle, sie flüstern, Und den Kindern ward so Weh: Ade, du Felsenhöhe, Ihr Blumen am Bach, ade! K Frau Hitk. Was ziehet so herrlich in glänzendem Schwall Die Straße hernieder ins grünende Thal? Frau Hitt ist's, die reichste, die schönste im Land, Auf feurigem Rosse, in güldnem Gewand. 286 Erzählende Gedichte. O gebt mir, o Herrin, vor Wetter und Wind Ein Linnen fürs arme, das nackende Kind! Was willst du? Ich habe nur Seide und Gold. — Sv gebt, was Ihr könnt! O so gebt, was Ihr wollt! Da nimm, sprach Frau Hitt und brach einen Stein Vom Felsen, und wiege dein Kind darauf ein! O Fluch Euch, o Fluch für das frevelnde Wort, So werdet denn selber zum Steine sofort! Gesagt wie gethan, und der Tag wird zur Nacht, Hell flammen die Blitze, es donnert nud kracht — Da theilt sich das Wetter, und furchtbar erscheint Frau Hitt in der Wolke, zum Felsen vcrsteiut. Gunnars Schlangrnthnrm. Es leuchten die Blitze, es rüttelt der Sturm An König Gunnars Schlaugenthurm. Mit den Zehen der König die Harfe schlägt, Und sieh, aus der Tiefe sich's ringelt und regt. Die Schlangen, sie kommen und schleichen so sacht, Wie glühen die Augen im Dunkel der Nacht! Und es tönen die Saiten so schaurig und bang, Ans lauschen die Schlangen dein Todesgesang; Und es tönen die Saiten so süß und so rein, Da schlummern die Schlangen, die lauschenden, ein. Erzählende Gedichte. 287 Nur eine, die böseste Natter, sich schlingt An dein König empvr, nnd zum Herzen sie dringt, Und mit tödlichem Zahne die zürnende sticht, Das sterbende Auge des Königs bricht. Es leuchten die Blitze, es rüttelt der Sturm An König Gunnars Schlaugenthurm. Die Hütte am Strand. Es grollt der Sturm und schwillt der See — Eine Jungfrau einsam wacht: O rauscht an mich nnd nehmt mein Weh, So dunkel wie die Nacht. Vom Felsen einst der Vater sprang — Sie fanden ihn zerschellt; Die schwarze Woge, ach! verschlang Den Liebsten mir der Welt. Die Mntter, sagten sie, war schön, Doch war ich noch so klein, Als man sic von der Berge Höh'n Forttrug im Todtenschrein. Wie junges Reh im grünen Wald, Wie Röslein wild am Strauch Wuchs ich heran und wurde bald Schön wie die Mutter auch; 288 Erzählende Gedichte. Und sprang — noch ein so harmlos Kind — In den Wald, in den Wald hinein, Wo die Tannen so dunkel und heimlich sind Und das Moos so weich und so fein. Ich horchte still: Guck, guck! Da, da! - O goldene, goldene Zeit! Du sprangst zu mir und lagst so nah, Keine Seele weit und breit. Und der Kuckuck rief; es klopfte der Specht, Die Tannen rauschten im Wind, Waldepheu umwob uns mit grünem Geflecht, Wir lagen so weich und so lind; So lind und so weich! Und es war so gut Und heimlich — wir sprachen kein Wort; So hast du mir oft an dem Busen geruht Im lauschigen Waldwiukel dort. Ich komme — ich komme - aus schwarzem Grund O reiche mir, Liebster, die Hand! Ein herzhafter Sprung — und ich werde gesund — Leb' wohl, o du Hütte am Strand! Vorüber die Nacht und vorüber das Weh - Der Morgen flammt über den Höh'n; Wie funkeln die Berge! wie funkelt der See! Als wäre nichts geschehn. Erzählende Gedichte. 289 Der Lindenbaum. i. Ich wandle oft und wieder Und bleibe immer stehn; Ich kann an dir, o Linde, Nicht so vorübergehn. Du breitest deine Neste Wie eine Mutter aus, Zu schützen nnd zu schirmen Das kleine Gotteshaus. lind rauscht auch keine Orgel, Und tönt kein Glockcnklaug, In deinen Zweigen schmettert Vielstimmiger Gesang. Wohl hundert Jahr nnd drüber Hast du dich neu belaubt, Drum wiegst du auch so sinnend Das vielerfahr'ne Haupt. Die dort am Stabe wandelt, Ein uralk" Mütterlein, Sie winkt dir schon von weitem Und grüßt dich, dich allein, Ihr lieb aus fernen Tagen, Da sie, ein Röslein jung, Zn dir kam in des Abends Verstohl'ner Dämmerung. i>> . 290 Erzählende Gedichte. Du warst's, der sie vertraute Mit Thränen voller Lust Das erste wundervolle Geheimnis ihrer Brust, Und hast die duft'gen Blüten Geworfen auf ihr Haar, Da sie mit ihm gewandelt Zum bräutlichen Altar. Und sie ist alt geworden, Trägt schneeigweißes Haupt, Es hat der Sturm des Lebens Ihr Lieb um Lieb geraubt. Nur du bist ihr geblieben Der gute, alte Freund Und horchest, wann sie wimmert, Und lauschest, wann sie weint. ii. O Linde, grüne Linde, Auch ich, ich fühl' dein Wehn Und glaube dein Raunen und Rauschen Halb ahnend zu verstehn. Mir tönt's wie stille Klage Uni längst verwehten Traum, Da du der Göttin Holda Geblüht als heiliger Baum. Und wenn ich manchmal ruhe So unter deinem Dach, Da werden eigne Träume In meinem Innern wach. Erzählende Gedichte. Warst es nicht du, o Linde, In deren grüner Hut Siegfried aus Niederlanden Trank von des Brunnens Flut? Wie rauschten deine Blätter Und zitterte der Stamm, Als er von Licht und Leben Klagvollen Abschied nahm! Ans deinen grünen Besten Sigune saß voll Harm Und hielt das Haupt des todten Geliebten in dem Arm; Sie saß gleichwie die Taube Und seufzte um ihr Lieb, Das sie mit stolzem Muude Zu Schwert und Schilde trieb. Dein Sang, o Tristan, tönte Wie Nachtigallenschlag, Wann sich in Schlummer wiegte Der sonnenmüde Tag lind durch der Linde Wölbung Das Licht des Mondes floss, Der seine bleichen Strahlen Um deine Stirne goss. So ziehn wie lichte Wolken Die Bilder grauer Zeit Vor meinen Geist und zaubern Mir die Vergangenheit 2V1 IS* 292 Erzählende Gedichte. Hervor in deinen Schotten Als märchenhaften Traum: Du von deutschem Singen und Sagen Umrauschter Lindenbaum! K Iphigenie am Meerrsstrande. Lehnend an den Fels, den grauen, Von den Fluten wild umrauscht, Steht die Priesterin, die fremde, So allein und unbelauscht; Denn so weit sic um sich schauet, Nichts als Felsen, Meer und Wald, Nur der Möve einsam schrilles Rufen von dem Meere schallt. Und ihr hohes Auge wendet Nach dem Himmel sich empor; Ach! aus diesen nächt'gen Wolken Taucht kein Helios hervor, Wie daheim in schönem Fluren, Wo das Äug' nur Sonne trinkt, Und der immergrüne Lorbeer Von dem Schattenhaine winkt. Und sie seufzt: O goldue Heimat, Wo um Säulen hehr und licht Meine sinnige Electra Heitre Blumenkränze flicht, Erzählende Gedichte. 293 Und -Orest mit braunen Locken Nach dem bunten Falter streift, Eine Knospe, halb erschlossen, Die der goldnen Blüte reift: Ach, so oft der graue Morgen Von den Bergen niedersteigt Und der Abend dunkeläugig Sich herab zur Erde neigt: Strecke ich die bleichen Hände Voller Sehnsucht nach dir aus, Und es fliegen die Gedanken Nach dem väterlichen Haus. Doch mit dumpfem Rauscheu schlagen Wind und Welle an den Strand, Tragen nimmer meine Grüße In das heimatliche Land. Und in Trauer muss ich dienen Einem heiligen Gebot: Heimat! Heimat! du bist Leben, Doch die Fremde ist der Tod. .. BD In Zwil'chenwäffern?° O bleibe, o Knabe, o bleibe zurück, Wild stürzen die schäumenden Wogen Von Felsen zu Felsen — es schaudert der Blick Hinunter in zischenden Bogen. Erzählende Gedichte. 2i)4 Er sprach's, doch es eilte der Knabe voraus, Die Stimme des Alten verachtend; Hoch stand er schon über der Wellen Braus, Mit lüsternem Äug' sie betrachtend. Wie traulich winkte die dunkelnde Flut Im Schatten der grünenden Eiche! Es sprangen die Fischlein voll Uebermnth Herauf aus dem tiefeu Bereiche. Doch näher dem felsigen Abgrund fließt Das Wasser — die Wellen erzittern — Und in silbernem Schaume hinunter es schießt Und braust wie bei Hochlandsgewittern. Da jauchzte der Knabe und schwang seinen Hut Und fühlte sich freier und freier; Sanft schmeichelnd umwoben die Geister der Flut Das Haupt ihm mit perlendem Schleier. O bleibe, o Knabe, o bleibe zurück, Du kennst nicht die tückischen Riffe — Da tauchte hinunter sein schwindelnder Blick, Und der Knabe versank in die Tiefe. Ceres. Seht ihr dort am Meeresstrande, Irrend durch die weite Au, In dem fliegenden Gewände Jene nnglücksel'ge Frau? Erzählende Gedichte. 295 Wie die Haare, gleichwie Schlangen Uni ihr Haupt sich ringelnd, Wehn Und verzweiflnngsvoll die bangen Augen nach dem Himmel sehn! Ach! aus göttlichem Geschlechte Ceres ist es, deren Flucht Durch neun Tage schon und Nächte Das verlorne Kind gesucht. Doch der Gott, der alles gründet, Helios, der ewige, hat Auch der Göttin jetzt verkündet Jene ungeheure That. Und in ihren: Schmerze wankte Sie zum Bronnen, dessen Sanni Wilder Ephen überrankte Unter uralt heil'gem Baum. Doch verschwunden ist die Milde, Zürnend sah die Göttin nur Auf die grünenden Gefilde Reichlich streuender Natur. Und sie rief in ihrem Zorne: Undank! Wie das grünt und blüht! Wie gebeugt von reifem Korne Kaum die Aehre auf mich sieht! Wie die Reben an der Halde Schwellen in dem ersten Saft Und im schattig grünen Walde Sprosst der Tannen junge Kraft! 296 Erzählende Gedichte. Doch was lebt, es kann anch sterben, Und so höret meinen Schwur: Rings verdorren und verderben Soll die sprießende Natur! Aus der Wolke sei der Regen Ihr, der fühllosen, versagt, Die in Ueberflnsses Segen Nichts nach meinem Leide fragt! Ceres sprach es, und ein banges Zittern gieng durch Flur und Wald, Während ob des weiten Ganges Brach die göttliche Gestalt. Und mit halbgesenktem Lide Sank sie auf deu Brunnenstein, Und bald schlief die Wandermüde Unter Oelbaums Schatten ein. In des Mittags Schweigen ruhten Windeshauch und Waldgesang; Selbst Poseidon warf die Fluten An den Fels mit leiserm Klang. Ruhig seinen Wagen lenkte Phöbos' leuchtende Gestalt, Und sein heißer Athem senkte Sich herab auf Feld und Wald. Horch! Was ist es? Welche Worte? Mit dem Kruge in der Hand Kamen ans Elensis' Pforte Jungfrau'n an des Bronnens Rand. Erzählende Gedichte. 297 Und ihr Lachen nnd ihr Scherzen Aus dem Schlummer hehr und tief, Aus dem Balsam ihrer Schmerzen, Ach! die ärmste Göttin rief. Langsam hob sie sich vom Steine: Habe Dank für diesen Schlaf! Sprach sie, und mit seltnen: Scheine Jetzt ihr Äug' die Mädchen traf. Furchtsam standen die am Bronnen, Bis des Königs Keleus Kind In dem Herzen Muth gewonnen, Eleuthere, wohlgesinnt. Sei gegrüßt auf deinen Wegen, Wandermüde! rief sie aus; Vater Zeus gewähre Segen Deinem Gang in unser Haus! Und sie reichte auf der Stelle Freundlich ihr den Wasserkrng, Den gefüllt mit heil'gem Quelle Sie herauf vom Brunnen trug. Nimm das.. Wenige, was ich habe, Doch erquickend ist der Trank, Sprach sie. Und es nahm die Gabe Ceres hin, doch ohne Dank; Folgte mit verhülltem Haupte Dan« dem Mädchen, brechend fast Von den: Schmerz nm die Geraubte, Nach dem goldenen Palast. 298 Erzählende Gedichte. Als sie jetzt von hoher Schwelle Trat ins dämmernde Gemach, Wo voni Herde freundlich Helle Stieg das Fener zu dem Dach, Und mit ihrem Haupt, dem hohen, Streifte an die eh'rne Thür, Alle Dienerinnen flohen Da in stummer Scheu vor ihr. Aber aus der Mägde Schwarme Kani in königlicher Ruh', Mit dem Knaben auf dem Arine, Metaneira auf sie zu; Doch auch ihr, die ernst und strenge Waltete am frommen Herd, Ward es in dein Busen enge, Und sie fühlte sich beschwert. Auf den goldnen Sessel zeigend, Sprach sie: Komm und setze dich! Doch die Göttin, finster schweigend, Wies gebietend ihn von sich, Wies von sich des Brotes Speise Und des Weines edlen Trank, Ja, in räthselvoller Weise Sie in tiefern Ernst versank. Heimlich das Gesinde flüstert: Schütze Zeus uns vor dem Gast! Wein das Auge so umdüstert, Folgt die Furie ohne Rast. Erzählende Gedichte. Ja selbst sie, die so erhaben, Nie von Bangigkeit gewusst, Metaneira drückt den Knaben Wie beschirmend an die Brust. Einsam in des Saales Mitte Steht die Göttin schon und schweigt, Selbst als sich in srommer Bitte Eleuthere zu ihr neigt; Bis Triptolemos, der kleine, Seine zarten Hände hebt Und nach lieblichem Vereine Mit der Göttin Busen strebt. Wie wann bei des Frühlings Fächeln Quelle dringt durch Eises Schild, Also bei des Kindes Lächeln Ihr vom Äug' die Thräne quillt. lind die Göttin bat bescheiden: Nimm mich auf, o Königin, Aber schone meiner Leiden, Frage nimmer, wer ich bin! Fragst du, .warum Wälder grünen Und der Strom zu Thale führt? Lass mich nur in Demnth dienen, Wie der Sklavin es gebürt! Und dass du trotz meinem Harme An mir siehst des Dienens Lust, Gib den Knaben mir vom Arme, Gib ihn, ach! an meine Brust. 2NN Erzählende Gedichte. Glaube mir, ich will ihn pflegen Und wie dn ihm Mutter sein; Will des Himmels Lust und Segen Ihm auf blumigem Pfade streun. Und des Kusses erste Spende Ceres drauf dem Knaben bringt, Der sofort die kleinen Hände Um den Hals der Göttin schlingt. Metaneira sprach voll Rührung: Nun so bleibe, edler Gast, Wenn du zu des Kindes Führung Solche Lust und Liebe hast. Wer du seist, auf deiner Stirne Steht das Unglück, heilig groß; Ob ein Gott, ein Mensch dir zürne, Mitleid weckt dein traurig Los. Dankend schritt zu ihrem Werke Ceres, scheuend keine Müh', Dass zu wunderbarer Stärke Unter ihr das Kind gedieh. Und sie saug ihm jene alten Märchen zu der Lyra Klang, Deren liebliche Gestalten Sie Persephone» einst sang. Doch in ihreni Werk der Liebe, Ach! vergass sie eines nur: Dass der Saaten goldne Triebe Welkten auf der Erde Flur, 8tt1 Dass die sonnigen Reben starben In den: Trieb der ersten Kraft lind die Bäume rings verdarben Und verdorrten ohne Saft. Horch! da drang in ihre Räume Wehklagruf von weit und breit Und zerstörte ihre Träume In beglückter Einsamkeit. Und es eilte zu dem Bronnen Mit dem Kind die Göttin fort, Wo im ewigen Strahl der Sonnen Die Olive war verdorrt. Weh, da sah sie die verbrannte Erde und vernahm den Ruf: Ja, sie ist es, die Verbannte, Die uns solches Elend schuf; Seit dem Tag, da sie gekommen, Uns ein freundlich lieber Gast, Waren wir, die immer frommen, Dem Olympier verhasst. Wie bei nächtlichen Gewittern Wächst des Donnergottes Groll, Also zürnendes Erbittern In der Menge Herzen schwoll. Doch zum Himmel jetzt, dem hohen, Hebt Demeter ihre Hand, Und um Haar und Stirne lohen Flammen, vom Olymp gesandt. 302 Erzählende Gedichte. O vergib, begann sie betend, O vergib, Persephone, Dass die Menschheit ich errettend Löse von des Fluches Weh; Dass ich segnend meine Hände Lege auf dies Kindes Haupt Und ob sein den Segen spende, Den ich zürnend ihr geraubt. Und so mag sie wieder schauen, Wie die goldnen Saaten Wehn Und durch Zephirs Kuss, den lauen, Blatt und Blume auferstehn. Wieder soll der Falter schweben Um der Blütenkelche Saum lind die Lerche sich erheben In der Lüste blauen Raum. Also sprach sie, und schon zogen Wolken auf an Meeres Rand, Und die rothen Blitze flogen Leuchtend über Meer und Land. Und der Blitze Hellem Leuchten Folgte das ersehnte Nass, Ans dem Erdenschoß, dem feuchten, Sprossten Blumen ans und Gras. Doch aus Aehrcn brach Demeter Und Cyanen jetzt den Kranz, Blickte dann zum heil'gen Aether Auf in überird'schem Glanz. Erzählende Gedichte. Und es trug sie eine Wolke Zu den Seligen empor, Doch vor dem erstaunten Volke Grünt und blüht es wie zuvor. O Guot water, wrn Vetter? ' Es zog von Ort zu Orte Ein fahrender Fiedelmann; An einer Klosterpfortc Hielt er sein Rösslein an. Die Kehle war ihm trocken Und drinnen kühler Wein: Wozu habt ihr die Glocken? Heda, und lasst mich ein! Doch trotz dem Hellen Klange, Den auch das Glöcklein gab, Blieb es im Klostergange So ruhig wie in: Grab. Und wie er mochte lauschen, Es hörte nichts sein Ohr, Als einer Linde Rauschen Wohl draußen vor den: Thor. Und an der Maner neben, Die längst dein Thore zog, Ein Brunnen sprang voll Leben In einen Marmortrog. Erzählende Gedichte. 304 Darüber war zu lesen Ein Sprüchlein voller Sinn, So lang die Welt gewesen: Guot water, better wm. Der Fiedler musste lachen: Gut Wasser, besser Wein! Ja, ihr versteht die Sachen, Und mich lasst ihr allein. Er sprach's und nahm sein Waffen Und führte einen Strich: Das Wasser für die Pfaffen, Doch ihren Wein für mich! Und immer toller geigte Der Fiedler Stück an Stück, Bis am Thorfenster zeigte Der Pförtner sich zum Glück. Sie hatten ihm auch Keller Und Küche anvertraut, Er war zum Muskateller, Was Bräutigam zur Braut. Du singst, sprach er, von Rosen, Die blühen au der Hald', Was sollen deine losen Gesänge aus dem Wald? Wir singen nur ein clomine Uxaucli, aber du Rufst in amoris noinina Die Mönche aus der Ruh. 30S Guot ivater und wni better: Dich grüßt Sanct Benedict, Der Wandervögel Retter, Die uns der Sommer schickt. Sobald es Blüten regnet Und singt auf jedem Ast, Hat uns der Herr gesegnet Mit Gästen sonder Rast. Und wo sich Mönche siedeln Und es vom Zapfen rinnt, Gewiss hört man am Fiedeln, Dass hier auch Spielleut' sind. Ihr singet, und wir beten, Und beides bringt Gewinn; Nus hilft aus Sorg' und Nöthen Guot water, better wm. Er sprach's und gicng von dannen; Ihm folgte der Gesell' Vorüber an den Kannen Im Kellerstübchen hell; Und immer tiefer stiegen Sie in das Weingelass, Wo aneinander liegen Wie Brüder Fass an Fass. Hier, sprach der Kellermeister Und schmunzelte gar fein, Sind unsre guten Geister; Bist du von Sunden rein? 306 Erzählende Gedichte. Ich bin's, ehrwürdiger Vater! Nun gut, mit Gott beginn, Erwiderte der Pater? So riuue, Zapfen, rinn! Und also war's geschehen, Der Zapfen rann und rann — Kaum auf den Füßen stehen Könnt' mehr der Fiedelmann; Ihm kicherten die Fässer Und rannten in sein Ohr: Gut Wasser und Wein besser! O Fiedler, sieh dich vor! Ich aber las im Liede Nicht weiter, was gescheh», Nur >vie man weinesmüde Den Fiedler da gesehn. In grübelnden Gedanken, Wie sie ihn nie beschwert, Thät er die Stiege wanken Empor zu seinem Pferd. Und trank vom kühlen Borne, Der frisch vom Steine rinnt, Und rief in halbem Zorne: Wie doch die Menschen sind! Ein Sprüchlein soll uns narren? Ich fasse nicht den Sinn; Hott, Rösslein, lass uns fahren! Guot water, better wm? ?! - Erzählende Gedichte. 307 Der Wanderer. Einst zog ich aus in goldnen Locken, Maimorgen war es, kühl und klar; Es blieb kein Ange vor mir trocken, Sie reichten mir die Hände dar. Und nochmals rief ich an der Schwelle: Gehab dich wohl, lieb Vaterhaus! Vom Brunnen rieselte die Quelle, Und Schwalben flogen ein und aus. Und vor mir lag die weite Erde, Das Wasser rauschte lustig hin, Hoch über sah ich eine Herde Von weißen Wanderstvrchen ziehn. Wem soll da nicht die Brust sich weiten? Muss es doch wunderherrlich sein, So über Berg und Thal zu schreiten Bei Tannenduft und Sonnenschein. Und mochte mich das Dörfchen freuen, Umschmeichelt von der grünen Saat, Noch schöner war's, durch Pappelreihen Zu wandern in die deutsche Stadt. Ich sah die Thürmchen und die Erker, Dazu manch lieben Mädcheukopf, Der heimlich wie aus dunklem Kerker Hervorsah hiuterm Nelkentopf. So flohen mir in fremden Landen Im Flug des Sturmes Jahr um Jahr, Da zog es mit der Sehnsucht Banden Mich heimwärts mit ergrautem Haar. so* Erzählende Gedichte. 308 Und so wie einstens quoll noch immer Der Brunnen, der mich oft gekühlt, Und Schwalben flogen in dein Schimmer Der Abendsonne herbstlich mild. Und dennoch war es mir, ich hätte Das Haus des Vaters nie geschn, Da ich aus wohlbekannter Stätte Ein Mädchen sah, ein fremdes, gehn. Leg' ab, begann sie, deine Habe, Es wird dir Milch nnd Brot gereicht! — Ich aber zitterte am Stabe, Das Auge wurde thränenfeucht. Hab Dank! sprach ich, ich darf nicht zaudern, Ich weiß nun, wo die andern sind; Ich müsste sonst zu lange plaudern, Gehab dich wohl, schwarzbraunes Kind! Und nach dem Thurm zog ich, dem graue«, Mit seinem rothen Giebeldach, Wo ich, der Dohlen Nest zu schauen, Einst kletterte dem Glöckner nach. Sei mir willkommen, Friedhofspforte, Durch die wir jagten ein und ans; Denn mich begrüßt an diesem Orte, Ich fühl's, mein neues Hcimathaus. Ich bin zu müde, um zu wandern, Und zu gebeugt von Alters Last; So gönne bei den lieben andern, O Heimat, mir die letzte Rast! Erzählende Gedichte. 309 Doch dann erst, wann des Herbstes Bäume In neuem Schmucke wieder stehn Und jene ahnungssüßen Träume Des Frühlings durch die Lande Wehn; Wenn es da rauscht von allen Quellen Und über uns die Schwalben ziehn, Wenn liebend alle Herzen schwellen Und Ros' und Veilchen wieder blühn: Dann greife ich zum Wanderstabe Und sing' ein Lied voll Herrlichkeit, Wie ich es einst gesungen habe In meiner Jugendwanderzeit. Kein Auge soll mich zittern sehen, Es ist mein letzter, liebster Gang: Hinüber bei des Frühlings Wehen, Auf meinen Lippen den Gesang. Anmerkungen. 1) Der U>ändernde Sänger. Dieses und die folgenden Gedichte sind poetische Versuche aus früher Jugendzeit. «Am Grabe der Mutter» entstand, als ich nach Beendigung der fünften Gyinnasialclasse in Krems- münster zu Besuch nach meinem Geburtsorte Freistadt kam und das Grab der Mutter sah, die ich als siebenjähriger Knabe verloren hatte. «Im Lärchenwäldcheu» entstand vor meinem Abgänge vom Gymnasium Krems- mnnster ins Kloster Melk. «Im Grünen» dichtete ich als Novize im Klostergarten zn Melk, Frühling 1866. Man verzeihe mir die Aufnahme dieser erhaltenen Gedichte aus der Jugendzeit und entschuldige sie mit der persönlichen Antheilnahme des Verfassers. 2) Aus Maritta. Dieses Drama entstand ein Jahr nach meinem Austritte aus dem Kloster Melk in den Herbstferien 1869 zu Kremsmünfter. Sein phantastischer Inhalt Ivar: König Alphonso von Spanien bemächtigt sich mit Gewalt des Thrones, tödtet seinen Vorgänger Johann, treibt dessen Tochter Maria, an welche ihn einst Liebesbande fesselten, in Elend und Verbannung und vermählt sich mit der Prinzessin Elvira von Neapel, aus welcher Ehe Prinz Fernando stammt. Vergebens wendet sich Maria an die befreundeten Höfe nm Hilfe, und ihre Verzweiflung wächst in dein Grade, als sic die unselige Frucht ihrer Liebe mit Alphonso im Schoße trägt und die Stunde der Erlösung naht. Da reift in ihr ein furchtbarer Racheplau. Unter dem angenommenen Namen «Merla» treibt sie sich als verkleidete Zigeunerin in Spanien zn dem Zwecke herum, das abergläubische Volk allmählich gegen Alphonso zu reizen, nur ihn vom Throne zn stürzen. — Jahre vergehen. Da leuchten plötzlich günstige Sterne für ihren Racheplan. König Alphonso — hier beginnt das Drama — gedenkt nach einem ruhnr- vollen Siege über Portugal seinen Sohn Fernando mit der portugiesischen Prinzessin Maria zu vermählen und ihm das Seepter zu übergeben. Jedoch Fernando hat Marina, das Kind Merlas und Alphonsos, zufällig im Zigeunerlager getroffen und Liebe zn ihr gefasst. Ohne ihre geschwister¬ liche Verwandtschaft zn ahnen, schwören sich beide Liebe und Treue. So schlägt Fernando die Werbung des portugiesischen Gesandten ans und lädt 312 Anmerkungen. den Fluch des Balers aus sich. (1. Act.) Darauf baut Merla ihren Plan. Sie reizt unerkannt den Vater gegen den Sohn, dass letzterer geächtet im Lande irrt, weiß außergewöhnliche Naturerscheinungen und Unglücks¬ fälle in der Weise auszunützen, dass sie das Bauernvolk für eine Strafe Gottes hält und sich schließlich zufammenrottet, um den unrechtmäßigen König vom Throne zu stürzen, und gewinnt Fernando durch die Liebe zu Marina, sich an die Spitze des Volkes zu stellen, nm den Bürgerkrieg zu entfachen. (Act 2, 3, 4.) Im fünften Acte finden wir den Aufstand in hellen Flammen. Die Bauern überfallen das königliche Schloss, Alphonso irrt durch die Straßen. Da tritt Fernando dem wahnwitzigen Vater ent¬ gegen. Zu gleicher Zeit scharen sich die Bürger von Madrid unter der Leitung des Herzogs Orlando um den König und rufen ihm Heil. In dem Augenblicke erscheint Merla in königlichem Gewände und gibt sich zu erkennen. Aber ihre Enthüllungen haben nur halben Erfolg. Zwar stürzt Alphonso unter der Wucht der Ereignisse leblos zusammen, aber das Volk tritt von Merla zurück, die nun, von allen verlassen, an Gift endet. Marina geht ins Kloster, Fernando übernimmt das Reich und führt glücklichere Tage über Spanien herauf. b) Nus dem Drama -Der Wiedertäufer». «Der Wieder¬ täufer» entstand an der Universität in Wien 1870. Sein Inhalt war: Franz, der Ziehsohn eines gut katholischen Tischlermeisters in Münster, hat auf seiner Wanderschaft den religiös schwärmerischen Jüngling Johann von Lehden kennen gelernt und sich ihm in begeisterter Freund¬ schaft angeschlossen. — Mit ihm und seinem Anhang zieht er in seine Vaterstadt wieder ein, woselbst ihn seine Braut Marie, die Tochter des Tischlermeisters, nnt Sehnsucht erwartet. Als aber der Meister die ketzerischen Anschauungen seines Ziehsohnes erfährt, versagt er ihm die Hand seines Kindes und verbietet ihm schließlich das Haus. Zu vollen! Ausbruche der Feindschaft kommt es im dritten Acte bei dem Krönungs¬ zuge Johanns von Leyden, dem der Meister mit Weib und Kind als Zuschauer beiwohnt; denn in dem Augenblicke, als er Franz unter den Wiedertäufern erblickt, tritt er aus der Menge und schleudert ihm seinen Fluch entgegen. In dem darauf folgenden nächtlichen Kampfe begegnen sich Vater und Sohn. Franz tödtct den Meister, wird aber, selbst zu Tode verwundet, in das Haus desselben gebracht, wo er an der Leiche des Zieh¬ vaters, die man inzwischen ebenfalls dahin gebracht hatte, sterbend zu¬ sammenbricht, während Marie, statt ihm die Hand der Versöhnung zu reichen, nach dem Gekreuzigten zeigt und denselben umklammernd ohn¬ mächtig zu Boden sinkt. Anmerkungen. 313 i) Auf dem Golvdee. «Golovec» heißt ein sich östlich von Laibach erstreckender waldiger Bergrücken, von dem inan auf der einen Seite das Laibacher Moor, auf der andern Seite die fernen Alpen erblickt. Der Golovec ist selten besucht und gewährt ein Bild elegischer Einsamkeit. b) Kberrofenbsch. Ein Kirchlein auf einem nordwestlich von Laibach sich erstreckenden Waldrücken. Schöner Aussichtspunkt; prächtige Waldpartien. s; Triest. Entstanden infolge eines Ausfluges, den ich am 10. No¬ vember 1878 mit einen! jungem Collegen nach Triest nnd Miramare unternahm. Die Eingangsworte «Nur zu, nur zu!» beziehen sich auf die drängende!! Mahnrufe meines Begleiters während des Marsches von Sessana nach Optschina in früher Morgenstunde. ?) Kruiu. Entstanden infolge eines Ausfluges auf den «Javornik» in! Birnbaumcrwalde am Pfingstsonntage 1881. Man genießt von diesem Berge eine herrliche Aussicht auf die südlichen Kalkalpen, die italienische Ebene, das Adriatische Meer, die istrische Küste bis zum Leuchtthurme Salvore, das Plateau des Nanos, die Niederkrainer- und die unter¬ steirischen Berge. s) All meiner Mutter Munde. Der Cyclus dieser Gedichte ist meiner Stiefmutter geweiht. S) Des- Eugets fünft derltlürt. Gemeint ist eine Engetsstatue auf dem Grabe der Mutter im Friedhöfe zu Kremsmünster. io) Dxg Wuderfreundes. Sieh Anm. 19. 12) Elegie. Diese Dichtung wurde am Christtage 1876 unmittelbar vor deni Bruche mit Th. geschrieben. Sie führt iu einer Reihe von Bildern die wichtigsten Abschnitte meines Lebens vor: den Austritt aus dem Kloster Melk, die Ankunft im Baterhanse, den Beginn des Brief¬ wechsels mit Th., den Abgang an die Universität Wien, den Aufenthalt daselbst, den Antritt der Berufsthätigkeit in Freistadt, den Freundschafts¬ bund mit Professor Victor Kutscher« Ritter von Aichbergen, den Tod des letzteren, die Tröstung in der Poesie (Walfrida), die Wiederaufnahme des Verhältnisses mit Th., den Besuch in Melk, neue Zweifel, die Abfassung der Elegie, Erleichterung des Gemuthes, den erfolgten Bruch. is) Stumm leuchteu Goethe und Schiller und das Folgende. Anspielung auf die in Gips ansgefllhrte Doppelstatue Goethes und Schillers, die mein Studierzimmer in Freistadt schmückte. An der Wand Hieng unter andern Bildern auch die Photographie von Kaulbachs «Alexis nnd Dora». ei) Epistel. Dieselbe nimmt Bezug auf die bekannten Ausschrei¬ tungen einer aufgestachelten Volksmenge iu Laibach am 3. Juui 1886 bei 314 Anmerkungen. Gelegenheit der Enthüllung der Gedenktufel nm Geburtshanse des Dichters Anastasius Grün. Die vom Gemeiuderathe spater au eine hohe Behörde abgesandte Gedenkschrift versöhnte weder die deutsche Bevölkerung, noch befriedigte sie den billig denkenden Theil der sloveuifcheu Bürgerschaft, der mit den Anschauungen nationaler Heißsporne nichts gemein hat. is) Einsamen Liebling. Anspielung auf den tragischen Unter¬ gang König Ludwigs II. von Baiern, welches Ereignis unmittelbar auf das vorerwähnte folgte. ia) Tibvli. Ein Schloss in unmittelbarster Nähe von Laibach. Als Manir ich lehrte. Das Gymnasium iu Freistadt war in meinem Gebnrtshanse, einem städtischen Gebäude, untergebracht. 18) Ans Amand Vamngarten. Sieh Am». 19. is) Ritornellr aus vberöskerreichische Dichter. Was im deutschen Bruderreiche das Schwabenland, das ist in nnserm österreichi¬ schen Vaterlande das Land ob der Enns in Bezug auf den Antheil seiner Bewohner an deutscher Poesie. Oberösterreich, zum Theil ein pittoreskes Gebirgsland mit schroffen Felswänden und tiefgrünen Alpenseen, zum Theil ein aumuthiges Hügelland mit freundlichen Wiesen und goldenen Kornfeldern, also gesegnet und schön zugleich, wie schon die stattlichen Bauernhöfe beweisen, die aus dem dichten Lanbdach der sie umgebenden Obstbäume blinken — dieses Land ist schon von Natur aus geeignet, einen heiteren, gesangessroheu Sinn in seinen Bewohnern zu erwecken, der seinen Ausdruck theils in künstlerischem Schaffen, theils im Gesänge gefunden hat und findet. In der That blühte der Gesang in jenen Landestheilen, den man heutzutage in, allgemeinen mit dem Namen Oberösterreich bezeichnet, schon in früher Zeit. Dies- und jenseits der Donau erklangen die ersten schüch¬ ternen Stimmen des Minnegesanges. An die Aist versetzt man die Burg des ältesten Minnesängers Dietmar, in der Nähe von Linz auf dem Kirnberg sollen die Weisen des Ritters Kürenberg erklungen haben. — In Oberösterreich dichtete Werner, der Gärtner, sein Gedicht von dem übermüthigen Bauernjungen Helmprecht, der den Hof seines Vaters ver¬ lässt, uni ein sündhaftes Raubleben zu führen, — in unser Land versetzt man ferner den Bruder Werner, der ein bewegtes Wanderleben führte und in seinen lyrisch-didactischcn Dichtungen über Welt und Menschen klagende Betrachtungen anstellt. Dem gesangesregen Leben im 12. und 13. Jahrhundert folgte, wie in Oesterreich überhaupt, so auch in Oberösterrcich eine Zeit poeti¬ schen Stillstandes, die bis zum 18. Jahrhunderte andauerte. Erst unter Anmerkungen. 815 Maria Theresia und Josef dem Zweiten erwachte die Binse aus lang¬ jährigem Schlafe. Da sang der Jesuit Michael Denis aus Schärding in Oberösterreich seine Bardengesänge zuni Lobe der Kaiserin und des öster¬ reichischen Vaterlandes, da dichtete Alois Blumauer aus Steyr die Tra¬ vestie der virgilischen Aeneide und anderes heute ungelesenes Zeug. Weitaus der bedeutendste ist Mathias Leopold Schleifer, der, zwar ein Niederösterreicher von Geburt, dennoch zn den oberösterreichi- schen Dichtern gezählt iverden darf, da er den größten Theil seines Lebens in Oberösterreich zubrachte und daselbst als Bergrath in Gmunden 1842 starb. Seine Gedichte erschienen 1847 bei Haas in Wien. Sie enthalten Perlen von Poesien; namentlich möchte ich hervorheben: -An den Arzt», «An den Traunstein», «An den Schlaf» und «Der Wanderer». Auch sein Sohn Moriz Schleifer, gest. 1877 als pensionierter Bezirksrichter in Salzburg, gehört zu den besten Sängern unserer Heimat. Seine Gedichte, von Adolf Pichler herausgegeben, Innsbruck 1879, Wagner, bekunden namentlich eine einfache und edle Form bei gediegenem Inhalt. So vor allem -Lizzana» und «Zur Uhlandfeier». Ein ehrwürdiger Sitz deutscher Kunst und Wissenschaft war von je das Kloster Kremsmiiuster. Die Muse hat sich auch in die stillen Klosterzellen geflüchtet und manch' sinnendem Mönche ihre Weisen ins Ohr geraunt. So schrieb daselbst P. Beda Piringer, gest. 1876 als eme¬ ritierter Gymnasialdirector, ein größeres lyrisch-didactisches Gedicht «Der Christbaum», das weniger den unmittelbaren Poeten, als den tiefen Denker verräth. — Hier dichtete der bekannte Kinderfreund P. Marcus Holter, gest. 1874 als emeritierter Professor, seine gemächlichen Kinder¬ schauspiele und eine Anzahl von Liedern, die 1877 bei Haas in Wels erschienen sind. Aus letzteren spricht der edle, von harmlosem Scherze getragene Menschenfreund, in dessen Seele sich Welt und Menschenleben so ungetrübt wiederspiegelten. Zu den besten Gedichten von ihm gehören: «Im Friedhöfe» und «Bei einem heftigen Schneegestöber». Den zwei Ge¬ nannten reiht sich P. Amand Baumgarten an, gest. 1882 als emeri¬ tierter Gymnasialdirector. Derselbe veröffentlichte in zerstreuten Blättern lyrische und epische Gedichte voll Tiefe der Empfindung in einer geläu¬ terten Sprache. Es ist Schade, dass die Werke dieses Mannes, zu welche» auch eine gehaltvolle Abhandlung über Michael Denis und die Schrift: «Das Jahr und seine Tage in Meinung und Brauch der Heimat- gehöreu, noch nicht gesammelt veröffentlicht worden sind. Um eine Probe von der dichterischen Eigenart dieses meines geschätzten Lehrers zu geben, veröffentliche ich an dieser Stelle ein bisher ungedrucktes Gedicht von 816 Anmerkungen. ihm, welches ich vom Verfasser ein Halbjahr vor seinem Tvde nach Laibach zugesendet erhalten habe. Es lautet: Das Vaterhaus. O froher Tag! Der Sohn der Mnsen, Er kehret Heini am leichten Stab Und trocknet an der Eltern Busen Des Jahres Schweiß und Staub sich ab. Aufthun des Vaterhauses Räuine Sich liebend dein geliebten Kind, Und halbverwehte Knabenträume, Sie fächeln um ihn maienlind. Noch grünt der Anger vor der Schwelle, Hin gaukelt Falter blumenmnd'; Wie damals munter rinnt die Quelle, Der Fink, er pfeift sein altes Lied. Die Schwalbe baut am Neste ahnend Und polstert es den Jungen weich, Herzu ruft Mutter Henne mahnend Der Entchen Brut aus Ried und Teich. Hier pflückt' den Strauß er wilder Rosen Und ritzt' die Hand sich blutig wund, Da schwanden unter Scherz und Kosen Die Tage dem Geschwister-Bund; Ja, die Gesichter sind's, die alten, Ihm liebend wieder zugekehrt, Umspielt, trotz Wetterbraun und Falten, Bon einem Lächeln, das verklärt. Im milden Strahl der Abendsonne, Wie dämmert traulich das Gemach, Wo Mütterchen mit sel'ger Wonne Er sprach sein erst Gebetlein nach! Hier war es, wo des Vaters Segen Er frommgesenkten Haupts empfieng, Der ernst ihn weihte zu den Wegen, Die nassen Auges er begierig. Amncrkunge». 317 Hier keimt' sein Glauben, Lieben, Hoffen Und was an Blumen sprosst ums Grab, Sah schwelgend er den Himmel offen, Und Engel schwebten auf und ab. Im Vaterhaus gewann der Knabe — Ach, dass so schnell sie flieht dahin — Des kurzen Lebens beste Habe, Den harmlos heitern Kindessinn. Sein Name klingt im Jüngling wieder, Wenn, steuernd durch das falsche Meer, Er hört der Lust Sirenenlieder Süß schmeichelnd um sich trillern her; Er tönt ihm auf Odysseusfahrten In Herz und Ohr, ein Zauberwort, Das aus Kalypso's Feengarten Heimleitet zum ersehnten Port. Sein Name stählt in Kampf und Stürmen Und feit die Glieder immer neu; Ob wild die Wogen gleich sich thürmen, Ansharrt der Mann, sich selber treu. Und wird dem Greis die Welt zu enge, Lärmt ihm zu laut der wirre Saus, So sehnt aus tosendeni Gedränge Er heim sich — in das Vaterhaus. Drum lasst den Vaterherd uns ehren, Den Altar unsers ersten Glücks; Lasst treu zu ihm uns wiederkehren In allen Wechseln des Geschicks! Lasst uns ihm neue Zier verleihen, Er ist der höchsten Ehren wert, Der Wahrheit und dem Recht uns weihen Aus Liebe zu dem Vaterherd! Besonders viel macht in unserer Zeit von sich reden der in Lam¬ bach geborene und als Professor in St. Pölten lebende Dichter Franz Keim, ein Schüler des genannten P. Amand Baumgarten. Von ihm rühren die Dramen «Sulamith» und «Der Königsrichter», ferner das Bauernlied 318 Anmerkungen. -Stephan Fadinger» und viele tiefempfundene lyrische Gedichte, zum Theil in zerstreuten Blättern veröffentlicht, zum Theil in der Mappe des Dichters ruhend. An Keim besitzt Jung-Oesterreich zugleich einen bedeutenden deutsch-nationalen Dichter. Ein bescheidenes, aber liebenswürdiges Talent tritt uns in Ludwig Stifter entgegen, der 1879 als Lehrer in Linz im Alter von 23 Jahren starb. Sein dichterischer Nachlass, bestehend aus einer Novelle «Glück und Glas — wie bald bricht das» und aus einigen Gedichten, darunter das ergreifende «Schnee und Rose», wurde von Adam Müller aus Gntten- brunn bei Ebenhöch in Linz 1881 unter dem Titel «Im Lenz geknickt» herausgegeben. In neuester Zeit erschien bei Tyll in Vöcklabruck ein Buch, ent¬ haltend Gedichte von dem dortigen Notar Anton Mayr. Wie Franz Keim, hatte sich auch dieser Manu im Gymnasium zu Kremsmünstcr heran- gebildet, und es lebt in ihm das Gefühl inniger Dankbarkeit für dieses altehrwürdige Haus und seine Jugendbildner, wie sein schönes Einlcite- gedicht «An Amand Baumgarten» bezeugt. Einen besonderen Zweig der Dichtung in Oberösterreich bildet die Dialeetpoesie. Dieselbe soll ein Spiegelbild des oberösterreichischen Volks-, namentlich Bauernlebens in heimatlicher Mundart sein. Ein Buch, «Aus da Hoamät» betitelt, das von den Herren Zöttl, Matosch und Commenda in Linz 1885 herausgegeben wurde, machte es sich zur Aufgabe, uns eine Reihe obderennsischer Dialectdichter, von dem ältesten (P. Maurus Lindemayr) augefangen bis zu deu jüngsten der lands- männischen Burschenschaft Germania herab, vorzuführen. Klassiker, wie Fritz Reuter, Hebel und Rosegger auf dein Gebiete der Mundart sind, finden wir unter den oberösterreichischen Dialectdichtern nicht. Aber immerhin ist das Buch für einen Deutschen, der ein Freund der Dialeetpoesie ist, anziehend genug, einen Blick in dasselbe zu werfeu, deun es enthält nicht weniger als Dichtungen von 33 Poeten, darunter van Franz Stelzhammer, Anton Schosser und Franz Keim. Letzterer bietet auch in dieser Richtung das Schönste und Ergreifendste; sein Lied: Es geht ä Kreuzweg iibä's Feld, Da steht ä grauä Stoan; Es gengän d'Wolkn übä d' Welt, Und i bin ganz alloan. wiegt viele von Gedichten ans, die in dieses Bnch ausgenommen sind. Von Franz Stelzhammer, dessen ausgewählte Dichtungen in vier Bänden 319 Rosegger herausgegeben hat, befindet sich wohl sein bestes in dieser Samm¬ lung: «Mein Müaderl». Neben Stelzhammer ist auch Anton Schosser reichlich vertreten. Derselbe hat unserer Alpennatnr ihre tiefsten Geheimnisse abgelauscht und sie im Liede glücklich wiedergegeben. Ein Meisterstück dieser Art ist «Dä Stieg ins Gämsbiri». Ich könnte noch von vielen anderen Dialectdichtern, wie Kalten¬ brunner, dessen «Geschichten aus Oberösterreich» in hochdeutscher Sprache, herausgegeben von seiner Tochter Hedwig von Radics-Kaltenbrunncr, beson¬ dere Erwähnung verdienen, ferner von Luber, Pnrschka, Jungmayer rc. re., reden, aber es überschreitet dies das Ziel vorliegender Anmerkung. Wer Interesse für den Nntheil Oberöstcrreichs au deutscher Poesie hat, der lese hierüber die einschlägige verdienstvolle Arbeit von P. Lambert Guppen- berger: «Der Antheil Ober- und Niederösterreichs au deutscher Poesie im zwölften und dreizehnten Jahrhundert», sowie die einschlägigen Capitel in L. Edelbachers «Landeskunde von Obervsterreich». so) Iii der LatkermamlSitller in Lnibarsi. Eine Kastanien¬ allee, welche die Stadt Laibach mit dem Schlosse Tivoli verbindet. Die Lieblingspromenade der Laibacher. sy Schisch.Ka. Dorf bei Laibach. SS) Heiumterinnermrgen. Dieselben knüpfen sich an mir traute Stellen in der Umgebung von Kremsmünster. ss) An I. Gm. Gemeint ist Julie Gmeinwieser. Dieselbe war das Kind armer Maurerlente. Die Eltern waren aus Schwaben eingewandert und galten, trotzdem sie manches Jahr in dem oberösterreichischcn Markt¬ flecken Kremsmünster zubrachten, noch immer als Fremdlinge, ein Umstand, der sich ans der sonderbaren Art, sich zu tragen und in die Menschen zu schicken, hinlängliche Erklärung fand. Der Maurer war eine schlichte, wortkarge Natur. Geräuschlos gieng er die Woche über seinem Berufe nach, sonst Ivar er wenig zu sehen. Umsomehr fürchtete man seine kleine Ehe-' Hälfte, ans deren spitzem, scharfgezeichneten Gesichte ein Paar brauner Angen verschmitzt in die Welt hinausblickte, indes ihre schwäbelnde Zunge im Gegen¬ sätze zu der des Mannes in steter Bewegung war und über jeden ohne Unterschied der Person zunächst Scharfes, aber fast immer Richtiges zu sagen wusste. In: Hause war sie der Mann, und Meister Johann fügte sich um so williger der zungengewaltigen Frau, als ihm die Ruhe über alles gieng und sein ganzes Glück an der einzigen Tochter Hieng, mit welcher der Himmel seine Ehe beglückt hatte. Die Eltern waren stolz auf ihr Kind, ja, vielleicht mehr als recht war. Freilich war Julie ein Wesen von nicht gewöhnlicher Art. Ich werde niemals jenes vollwangige Antlitz Anmerknugcu. 320 vergessen, über das die Gesundheit das dunkelste Roth gegossen hatte; dazu die schönen rehbraunen Augen, die bald schelmisch anfblitzten, dann wieder mit feuchtem Schimmer bedeckt so melancholisch in die Ferne sahen, dass man in die räthselvolle Tiefe eines dunklen Bergsees zu schauen glaubte, der, von keinem Lufthauche bewegt, das verklärte Licht des Himmels rein und ruhig wiederspiegelt. Die Eltern verwandten alle Sorgfalt auf dieses Kind. Es war der Stolz seiner Lehrer, die Zierde der Schule. Niemand wusste so rasch zu erfassen, niemand das Erfasste so ruhig wiederzugeben, so dass der Lehrer immer und immer wieder ausrief: Schade, dass dies Mädchen kein Knabe ist! Das Häuschen, in dem Juliens Eltern wohnten, war unansehnlich und klein und lag in dem unfreundlichen Winkel einer mehr düsteren, von der Sonne gemiedenen Straße. Ein schmaler Weg, der es von der gegenüberliegenden Hinterwand eines größeren Wirtschaftsgebäudes trennte, führte zu der von der Straßenseite abgelegenen Hnnsthüre. Dieselbe war niedrig, und unmittelbar hinter ihr, dass man sich kaum wenden konnte, begann eine steile, lciterartige Holztrcppe, die zu dem einzigen Wohnzimmer des Maurers Johann geleitete. Drei kleine, mit Eiscnstäben vergitterte Fenster sahen ans die Gassenseite, aber die stets weißgewaschenen Gardinen nebst den Geranien und Gelbveigelstöcken, deren Blätter und Blüten das dürftige Licht zwischen die kleinen viereckigen Oeffnuugen des Eisengitters hinausgclockt hatte, verliehen ihnen ein nicht unfreundliches Aussehen. In diesem sonst armseligen Raume wuchs das eigenartige Kind heran, und die stille Einsamkeit, in die es sich den Tag über versetzt sah, nebst dem trostlosen Ausblicke auf die gegenüberliegenden Manern und Dächer ließen das Kind eine frühzeitige Einkehr in sich selber halten nnd arbeiteten, wie die geheimnisvollen Wnnderkräfte der Natur, an der Entwickelung -ihres mehr und mehr sich entfaltenden tiefpoetischen Gemüthes. Hinter dem Hause befand sich ein kleiner Garten, der durch einen einfachen Holzlattenzaun von einer Wiese abgegrenzt Ivar. Bon hier ans sah es sich prächtig nach den Hügeln nnd Bergen, die mit ihren schattigen Hainen, hellgrünen Matten nnd fruchtbaren Feldern die dem Kloster gehörige sogenannte «Hvfwiese» umsäumen, während der Blick gegen Süden durch die nördliche Kalkalpenkette abgegrenzt wird, aus welcher, der große und kleine Priel hinter der langgezogenen Falkenmauer majestätisch her¬ vorragen. Der Garten selbst enthielt nur wenige Beete, mit Salat und Kohlrüben bepflanzt. Einige Johannisbeerstauden und die an den Rändern der Gartenbeete angepflanzten Schwertlilien, Pfingstrosen, Gelbveigel, Ros- Anmerkungen. 321 marin und Reseda bildeten den ganzen Schmuck desselben. Nur an der linken Ecke, beim Eintritt in den Garten, befand sich ein kleines Lnsthaus, an dessen dünnen Holzlatten sich der mit einbrechender Abendkühle besonders starkdnftige Nachtschatten üppig emporwand. Dieses Lusthänschen war Juliens Lieblingsaufenthalt. Hier pflegte sie, wenn die Schatten länger wurden und der milde Abendglanz ans den Gipfeln der Berge lag, stundenlange zu träumen und ihre sinnigen Gedanken zu Papier zu bringen. Wie oft bin ich in jenes traumhaft idyllische Gärtchen getreten und habe Julie überrascht, wenn ihr Blick über Wald- und Wieseuhügel hinweg bis zu jenem dunkelblauen Bande streifte, mit dem die Alpen¬ mauer den südlichen Rand des Horizontes abgeschnitten hatte. Dabei standen ihr nicht selten Thränen im Auge, das gute Kind wusste oft selbst nicht, warum; oder wir saßen gleich harmlosen Kindern in der grünenden Schlingblattlaube, von Welt und Menschen abgeschieden, aber eine unendliche Welt im Herzen tragend, welche der Traum erster Jugcnd- frcundschaft und JuglMdpoesie in uns aufgebaut hatte. Ich hatte die Gymnasialstudien beendet und sollte zum ersten- male in die Fremde. Mit Thränen im Auge übergab mir Julie beim Abschied ein weißschimmerndes Päckchen, mit Rosmarin nmwnnden. Ros¬ marin? sagte ich, den gibt man doch den Todten. Nimm nur, entgegnete sic, und reichte mir die Hand. Sie hatte recht. Für Julie war ich freilich ein Todter geworden, mein neuer Beruf forderte es so; oder bezog sich die sinnige Zierde auf das, was das Päckchen enthielt? Auch darin hatte Julie recht. Es war eine Sammlung von Gedichten, die sie unter dem Namen «Heidcbliimchen», aus treuer Hand dem lieben Freund gewidmet, mir zur Erinnerung in das Kloster mitgab. Seitdem sind Jahre vergangen, und Julie ist lange todt. Es sind gar wechselvolle Schicksale, welche dieses Mädchen in und außer dem Heimatorte erlitten hatte. In dem Heiligsten angegriffen, was ein Mädchen besitzt, begab sie sich, nachdem sie eine Zeitlang in einer mähri¬ schen Stadt die Redaction eines Blattes geleitet hatte, nach der Residenz¬ stadt Wien, in mannigfachem Verkehre mit dort lebenden Dichtern und Schriftstellern. Sie war es auch, die dem bekannten Patuzzi das Auge zugedrückt hatte und zur Erbin seines literarischen Nachlasses eingesetzt worden war. Schließlich reichte sie einem Wiener Schriftsteller die Hand und starb bald darauf nebst Mutter und Kind an der Cholera, die zur Zeit der Weltausstellung in Wien wnthete. Ihr Grab Ivie ihr Name sind verschollen; kaum dass sie noch in Erinnerung ihres bcstgeliebten si Anmerkungen. 322 und gehassten Kremsmünster gegenwärtig fvrtlebt. Was sie veröffentlichte, geschah in Tagesblättern. Es waren zumeist recht nett ausgedachte No¬ vellen, hie und da Gedichte oder reflektierende Feuilletons. Alle ihre Arbeiten tragen den Charakter der Subjektivität. Immer ist es ihre oder die Gestalt der Freunde, die sie besingt, und immer der trostlose, mit Wolken behangene Himmel ihrer Jugend, den sie poetisch zu ver¬ klären sucht. Wir blicken in ein armes, von wilder Leidenschaft zerrüttetes Geinnth und hören nichts als Klagen über verlorne Heimat, Liebe und über verlornes Glück. Mitunter Sehnsucht nach dem Tode. O, ruft sie einmal aus: O glaube nicht, im Frühling Sei Sterben gar so schwer, Wenn sich das Licht der Sonne Ergießet himmelher; Sieh, unter Blütenregen Da schläft man stille ein; Das muss ein sanfter Schlummer, Ein gottgeweihter sein. Die Vöglein, die gekommen Soeben vom fernen Süd, Anstimmen sie auf dem Hügel Ihr erstes Frühlingslied. Die Lüfte Wehn so milde, Und Blümchen plaudern traut, Und in das Grab h'nein flüstert's Manch süßen Liebeslaut. Drum sage nicht, im Frühling Sei Sterben schauerlich — Nur wen Gott liebt, den ruft er Bei Frühlingswehn zu sich. Ich schließe mit diesem anspruchslosen Gedichte das Bild weh- müthigcr Erinnerung an eine Freundin aus vergangener Jugendzeit, die sich unter günstigen Bedingungen einen ehrenvollen Namen in der ob- derennsischen Literatur erworben hätte. Anmerkungen. 323 2t) Frühliirgsstimmungen. Gedichte aus einem Romanentwurfe: «Erwins Künstlerfahrt». 2S) Von jenem hehven Bilde. Kaulbachs «Der deutsche heilige Michel», gewidmet dem tapfern deutschen Volke. 1873. 2«) Ernsthaft skreken, heitre leden. Ein Gedenkspruch von V. v. Scheffel, welchen mir der Dichter als Antwort ans die Schilderung der Lage der Deutschen in Kram am 22. März 1884 von Karlsruhe übersandt hatte und der durch meine Vermittlung zum erstenmal in der Deutschen Zeitung im Laufe des Jahres 1886 veröffentlicht worden ist. 27) Ankunft irr Freistadt. Bezieht sich auf jene Zeit, da ich 1872 nach Freistadt kam, um mein Lehramt am dortigen Gymnasium anzutreteu. ss) Am Allerfertentage. Ju Freistadt herrscht die Sitte, am Vorabende des Allerfeelentages den Verstorbenen vom Stadtthurnie aus ein Ständchen zu bringen. Das Gelegenheitsgedicht entstand während solcher Musik, als ich vom Fenster meiner Wohnung nach dem alten Friedhöfe sah, der unter mir lag. In ihm stand eine gothische Säule, das sogenannte einige Licht. — Du nnvrrgrsf'nes Rrüderpaar. Bietor und Gregor Kutschern von Aichbergen. Letzterer starb nach Ablegung des Doetorates in Wien 1876 und hinterließ eine Schrift über «Leisewitz», von Karl Tomaschek 1876 bei Gerold in Wien herausgegeben. 2») Walther von der Vogelkunde. Proben aus meinen. Buche «Walther von der Vogelweide», das 1882 bei Kleinmayr und Bamberg in Laibach erschienen ist. Dasselbe macht, wie «Die Gegenwart», Berlin, 4. Februar 1882, schreibt, den Versuch, das Leben Walthers poetisch aus¬ zuschmücken, und zwar durch Walthers eigene Dichtungen. — Es ist, heißt es in «Nord und Süd», diese originelle Idee mit großem Geschick und feiner poetischer Empfindung durchgeführt. Aus den. Buche weht uns Ivie ein frischer Hauch der Geist Walthers in all seiner Liebens¬ würdigkeit und seinem liebe.- nnd sehnsuchterfüllten Wesen entgegen. — Das Büchlein ist V. v. Scheffel zngeeignet, der die Güte hatte, das ge¬ jammte Manuscript vor der Drucklegung einer aufmerksamen Durchsicht zu unterziehen. so) Nach Prelchiren. Franz Preschiren, geb. 1800 im Dörfchen Verba in Oberkrain, gest. 1849 als Advocat in Kraiuburg, gilt als der erste Dichter des slovenischen Volksstammes. Seine Werke: lyrische Gedichte, Balladen nnd ein epischer Versuch: «Die Taufe an der Saviza», erschienen 1866 bei Wagner in Laibach und umfassen im ganzen ungefähr 12 Druck¬ bogen. Vorliegende Gedichte sind keine Uebersetzungen, sondern mehr oder 324 Anmerkungen. minder Origiualdichtungen, denen Motive ans Gedichten Preschirens zu¬ grunde liegen. Des slovenischen Jdivmcs nicht mächtig, benutzte ich wort¬ getreue Prosa-Uebertragungen. In welchem Verhältnisse »leine Dichtungen nach Preschiren zu den Origiualdichtungen desselben stehen, wird aus folgenden Beispielen ersichtig. Man vergleiche mit dem Sonette »Orpheus- folgenden Prvsatcxt des Sonettes von Preschiren, wie er mir übermittelt wurde: »Umgeben von den befestigten Felsen, wie ehemals die Saitcnklnnge des Orpheus, welchem letzteren sich ehemals die rohen Völker Thraciens um Hämus und Rhodope herum sich ergeben haben. Möchte uns doch der Himmel die Gnade verleihen, dass er uns einen Orpheus senden würde, welcher mit seinen heimischen Liedern die Söhne Krams und überhaupt aller slovenischen Stämme bewegen möchte; welcher Orpheus uns die Herzen entflammen würde sür die Ehre des ganzen Landes, welcher die Zwistig¬ keiten zwischen uns beschwichtigen sollte und die Slovencu zu einem Stamme vereiuigeu. O, dass doch durch seine süße Poesie der Zank anf- hören und in die kalte Heimat der wüthenden Stürme wieder Freude einziehen würde.» Meinem Sonette «Am heiligen Grabe» diente als Quelle: «Es war seit jener freudigen Zeit, als die Engel zu Bethlehem allen Völkern Freude verkündeten, bereits das Jahr 1830 im Lause. Es war die Charwoche; am Charsamstage, als am Tage, wo es jeden Christen zu den hl. Gräbern zieht, besuchte auch ich deine Kirche, Laibach. Gerade nur zehn Uhr trat ich in die Thruauerkirche. O Tyrnau, du Ort unglück¬ lichen Namens; dort wurde mir ein großes Weh von der reinen Flamme zweier Augen erzeugt. Als sie in die beleuchtete Kirche getreten war, fiel mir ein Fenerfunke in mein Herz, welchen zu löschen ich mit keiner Kraft vermag.» Solche, ja sprachlich noch unbeholfeuere Quellen lagen meinen Preschiren-Uebcrtraguugen zugrunde, die unter dem Titel «Prefchireu- klänge» 1880 bei Kleinmayr und Bamberg in Laibach erschienen sind. Auch Preschiren hat einige seiner Gedichte ins Deutsche zu über¬ setzen versucht. So lautet, Beispieles halber, sein: Wohin. Wenn ich herumirr' ohne Rast, Fragt ihr: Wohin mit solcher Hast? Die Wolken fragt um ihre Bahn, Die Welle in dem Ocean, Wann sie herum die Windsbraut jagt, Ob sie euch eine Antwort sagt? Anmerkungen. 825 Gleich ihnen weiß ich nicht, wohin; Verzweiflung ist die Führerin. Ich weiß nnr das, dass ich zn ihr Richt darf, und dass auf Erden hier Es keilten Ort gibt, wo mein Herz Vergessen könnte diesen Schmerz. St) Nach Irnlro. Simon Jenko, geb. und gest, in Krainbnrg, dürfte dein Range nach der zweitbeste slovenische Dichter sein. Seine Werke erschienen bei Giontini in Laibach 1865 und umfassen acht Druckbogen. Jenko schrieb kurzgehaltene Liebesliedchen, einfach in Form und Inhalt. W) In IwischenwWern. Dorf in Oberkrain mit einem Wasser¬ sturz der Save. ss) Guot Water, Win Vetter. Ueberschrift an einem Bronnen, der sich an der Außenmauer eines österr. Klosters befindet. Das Posm ist als harmloser Scherz aufzufassen. Wie im Mittelalter, sind noch jetzt unsere herrlichen Benedictiuerklöster in Oesterreich die Stätten liebens¬ würdigster Gastfreundschaft. Buchdruckerei vou Ig. v. Kleiumayr L Fed. Bamberg in Laibach.