X ^^5^^ .-M< ^lfe_^_ _ üffeixe wohlIVHe Aun^uVm*, in«»». Rio de Janeiro. Ansieht von der Bai ans. WVSVOe dcr MWAMUbOVeo. Odor: Ansledlerleben w I» - Drasllien. Illustrirte Schilderungen ur l5rwäqung für Wanderlustige. Mit 25 Abbildungen in Ton- und Farbendruck. Meue. wohlfeile Äusgaüc. «MM, ^> l' y 111 ii s d n i!> h a n d l n ?I si der F. ^,' r i v. H o f b ll ch d r u ck r r c i. Leipzig, lei Wilh. Opetz. Vorwort ^ Fr zweiten Aus g a b e. Es ist ohne Zweifel cine vcrantwortlm.Mhwere Aufgabe, einen Answauderungo-lustigen für irgend ein Ziel, wohin er den Wanderstab setzen soll, zu bestimmen. Mag man immerhin noch so redlich es meinen, noch so fest von den Vortheilen irgend eines transatlantischen oder sonstige» Landes überzeugt sein, das wesentliche Moment, welches leider nur zu oft außerhalb aller Berechnung gelassen wird, ist der Auswandernde selbst, seine körperliche und geistige Konstitution, seine Neigungen und Abneigungen, seine Anschauungen und (Gewohnheiten, die größere oder geringere Eclbstständigkeit seines Charakters, die Gründe, welche gerade ihn zum Fortziehen ans der Hcimath bewegen, die Hoffnungen, mit denen er dic Hcimath wechselt. Wer dürfte es bei nur einigermaßen gewissenhafter Ucbcrleguna, wagen, die Lust zur Auswanderung selbst bei einer nahe stehenden Person zu wecken oder zn steigern? wer, einem Andern die Wahl des Zieles, wohin siä, derselbe wenden solle, abzunehmen? slur der Auswandernde selbst, der doch sich, seine Mittel und Kräfte am besten kennen muß, kann und soll darüber entscheiden, wo er den Neubau seines Glückes versuchen will. Enttäuschungen wird er überall finden, dic Neue über den großen Schritt, welchen er, sei es allein oder mit den Tcinigcn, gethan, wird überall in manchen trüben und ernsten Stunden jenseits des Meeres ihn beschlcichcn ; aber gerade deshalb soll der vcrhäugnißvolle (intschlusi nur sein eignes Werk sein. Nur dann wird der Ausgewanderte möglichst gewahrt bleiben vor jenem sittlichen Verkommen in träger, brütender Thatlofigkeit oder in anhaltender, quälender Verbitterung, denen Tausende gerade von Denen verfallen, die, ohne selbst reislich vorbedacht zu halien, in blinder Vertrauensseligkeit ihrem dunkeln beschick entgcgcuwandcrtcn. Ntwas Anderes ist es mit der Berathung derjenigen zur 'Auswanderung (5nt-schlosscncn, welche in ernster Ueberlegung die Vortheile und Nachtheile einzelner Auswandcrcrziclc selbst erwägen und ihre äußeren und inneren Hilfsmittel vergleichend an die Besonderheiten der einzelnen für die Auswanderung eröffneten Theile der Erde halten wollen, ehe sie den großen, nie genug zu überlegenden Wurf wagen, welcher über ihre und der Ihrigen Zukunft entscheiden soll. Nur durch mehr oder minder gewissenhafte Schilderungen dieser einzelnen Auswandcrerziele vermögen sie sich ja ;u belehren über die Länder, denen sie etwa zuwandern könnten, über die ihnen mehr oder weniger zusagenden Eigenthümlichkeiten derselben. Denn tcin Land der Welt bietet Allen ein und dasselbe, und böte es dieses selbst, es Nagte sich immer, ob der, welchem es geboten wird, es zu ergreifen und festzuhalten, ja ob cr es bei seiner Eigenthümlichkeit für des Erwerbes würdig zu achten vermag. Die Fähigkeiten der Auswanderer siud nicht minder verschieden als ihre __ IV — Wünsche, und die Wünsche nicht minder verschieden als der Auswanderer selbst. Aber glücklicherweise sind auch die Eigenthümlichkeiten der Wandcrzielc nicht minder verschieden als die Wanderer, und gar Mancher pilgert bcwusit einem Lande aus denselben (Gründen zu, aus denen ein Anderer wohl überlegt eben dieses Land meidet. Der eben geschilderten Classe denkender Auswanderer bietet sich dieses Vuch zur Belehrung an. Dasselbe behandelt nur ein einziges Land, das Kaiscrthum Brasilien, und selbst dieses nur in seinen drei südlichen Provinzen, Sta, Eatharina, Rio Grande do Eul und Parana, welche zur Zeit überhaupt allein für den deutschen Auswanderer in Betracht kommen können, schon deshalb (abgesehen von allen, andern Gründen), weil nur hier sich eine starke deutsche Bevölkerung in fröhlichem Gedeihen findet, der der Zuwandernde sich gleichartig und glcichgesittet anschließen kann. Es ist um so mehr an der Zeit, gerade auf dieses Auswanderungsziel die Auge« der zur Auswanderung Entschlossenen hinzulenken, als dasselbe durch eine systematische Verdächtigung und Verleumdung von Seiten eines einzigen Mannes eine Zeit lang nicht nur in den Hintergrund gedrängt, sondern zu einer Art von Aschenbrödel unter den Anziehungspunkten für die deutsche Emigration geworden war, bis erst in neuester Zeit durch die Berichte der bedeutendsten und glaubwürdigsten Männer, wie des zu früh verstorbenen Woldemar Schulß, Fr. Gerstäckcr's, des schweizer Gesandten Herrn v. Tschudi u. s. w., welche alle durch eigene Anschauung der Verhältnisse an Ort und Stelle Land und Leute in Südbrasilie» genau kennen lernten, der Vann von dem Lande genommen ward und das falsche Licht, welches bisher über dasselbe von Verblendeten oder Uebelwollenden ausgegossen war, dem hellen, klaren Tage Platz machte. Noch ganz jüngst hat Fr. Gerstäcker in ^ü, 7 der Gartenlaube ein offenes und entschiedenes Wort der Empfehlung für Tüdbrasilim an deutsche Auswandcrungslustigc erlassen, worin er jene Verdächtigungen als „ungerechtfertigte und oft sogar unwahre" bezeichnet, die der Ausgewanderte ,,an Ort und Stelle von den eignen Landslentcn nicht allein widerlegt hören, sondern auch selber widerlegt schon werde." Auch der deutsche Verfasser des vorliegenden Werkes lebte selbst längere Zeit in diesen Provinzen; es ist Erlebtes, was er mittheilt und zur weitern Beachtung Denen bietet, welche, zur Auswanderung entschlossen, nur noch hinsichtlich des Landes schwanken, wo sie den .^erd der Zukunft ausschlagen wollen. Möge der Leser prüfen, was er darin findet; möge er die Vortheile und Nachtheile des geschilderten Landes ernst und gewissenhaft abwägen gegen die Vcrhcisiunsten und Warnungen, welche mit diesem Lande alle andern an der Stirn tragen! Aber möge er (wir wünschen dieß zu seinem eignen Heile) dadurch nicht zum Bau hochfliegender Luftschlösser sich bestimmen lassen^ die nirgends in dieser Welt, außer in den Köpfen der Thoren, zu finden sind! Wenn irgend wer, so erringt gerade der Auswanderer nur durch rastlose, jahrelange Arbeit und schwere Entbehrungen während der ersten Jahre eine sichere, für ihn und die Seinigen fest ^gründete Zukunft. Wir wünschen diesem Buche, wie allen Monographie» übel 'ander, welche sich mn deutsche Einwanderung bewerben, recht ruhige und bes^ >ene Leser. D. H. Inhalt. Gtnleituug.................1 Grster Abend................14 Wo liegt Nrasilien? — Diamanleil und Gold. — Die zwei Unzen. —- Die Hitze, — Die Deutschen werden weder an den Pflug gespannt noch als SNaven verkauft. — Die Indianer. — Die freien Brasilianer. — Die Neger und die Sklaverei. — Die Eingcwandertcn, besonders die Deutschen. Zweiter Abend...............30 Warum Hamburg früher fast alle Auswanderer uach Brasilien allein beförderte; was Schuld ist, das; es gegenwärtig nicht mehr so ist? — Georgs Vorliebe für Hamburg. —- Robert Sloman's Schiffs-Erpeditw-nen nach Vlumenau lind D. Francisea zu ermäßigten Preisen. ^ Wer soll über Hamburg reisen? — An wen soll man sich da wenden? — Die Hamburger Gesetze für Auswandererschiffc. — Die Answandererbehörde. — ttogiswirthe und ilne Preise. — Blech - und Nettwaarcnprcisc. — Fahrpreisermäßigungen. — Kücheneinrichtungen an Bord. — Die Beförderung über (^öln uild Antwerpen. — Untertnnfts- und Naarenprcise in 'Antwerpen. — Belgische Gesetze übcr Auswanderer-Transport. — Vorzügliches Verfahren Tteinmanns u. Coinp. in Nctrcff der Verpflegung an Bord, — Der Antwcrpner Hafen. — Ucberfahrtsprcise. — Fahrpreis-Erniäszigungcil auf den rheinischen Dampfbooten und Eisenbahnen — Ist die Beförderung mittelst Dampfschiff oder Eisenbahn vorzuziehen? — Der Auvwanderewertchr im Sndosten Deutschlands. Dritter Abend................50 Georg reist nach Hamburg. — Es steigen Zweifel und Befürchtungen in ihm auf. — Warum gehen so wenig Leute uach Brasilien? — Die Moselschwaben. — Der brasilianische Consul nnd sein Kanzler. — Hamburg. — Georg wird getraut. — Die Einrichtung des Schiffes. — Wie man feine Sachen verpacken soll. — Was man eigentlich mitnehmen sollte. — Die Auswanderer gehen an Bord. — Welche Zeit ist die beste zur Reise nach Brasilien? — Die Reise beginnt. — Wie Georg's Reise- IV Inhalt. Teite. geführten Ordnung und Sittlichkeit an Bord handhabten. — Traurige Folgen, wo dieß nicht geschieht. — Gottesdienst. — Seekrankheit. — Mittel zur Milderung. — Ungefährlichkeit der Ncise nach Brasilien. — Sturm. — Zeitvertreib anf hoher See. — Geburt, Tod und Bestattung. — Land! — Rio. Vierter Abend ...............74 Erster Eindruck der Bai von Nio. — Die Visite. — Die ersteil Mohren oder Neger. — Du sollst nicht schmuggeln. — Die Auswanderer-(5om° mission. — Uebersiedelung auf Vom Jesus. — Wie wäre diese besser zu machen? — Die Hospedaria auf Bom Jesus. — Die Trennung der Geschlechter. — Wer trägt die Kosten? — Nicht auspacken. — Der Bevollmächtigte des Hin. Vergueiro. — (5in Spaziergang in Rio. — Deutsche Landslcute. — Georg bleibt fest. — Fortsetzung dcs Spaziergangs. — Welches Geld soll wan mitnehmen? — Welche Sorten haben sie in Brasilien? — Abreise nach Santos. — Die Verpflegung und Unterkunst auf dem Dampfer nach Santos. Fiinfter Abend...............91 Welche Reiseroute ist die beste lind auch gewohnlichste für Halbscheid-Kolonisten? — Georgs Aufenthalt in Santos. — Er geht nach San Icronmno. — Wie das Halbscheidwesen entstand. — Vortheile dieser Einrichtung für den Einwanderer. —> Vorbereitungen zur Landreise. — Von Santos nach San Ierouymo. — Ankunft daselbst.— Wie es Georg dort fand. — Dankbare Betrachtungen. — Georgs Wohnung. — Die! Fazenda, — Was Georg dort zu leisten hatte und die Behandlung, die er erfuhr. — Uebclstäude beim Halbscheidwescn und wie ihnen abgeholfen wird. — Warum wollen d« Gutsbesitzer leine Halbscheid-Kolonisten uiehr? — Wer läßt noch solche kommen und unter welchen Bedingungen? Sechster Abend...............110 Das AMimatisircn; was ist das und woher kommt es? — Man richte sich nach den Landcskindern. — Trage Stiefel. — Fußbäder und gedielte Fußböden. — Mäßigkeit. — Obst. — Der Orangeufresscr und sein Hut. — Das Klima. — Geschrei wegen dcs Mucury. — Rio Novo und Dona Francisca. — In Brasilien muß es gesünder sein, als in Deutschland.__ Das gelbe Fieber. — Langlebigkeit. — Mooliten, Sand-Flöhe und Spinnen. — Ameisen. — Baratten. — ^Schlangen. — Iacarü's. — Unzen oder Tiger, — Nie Georg und seine Familie sich ans Klima gewöhnten. — Wie sie lernten, brasilianisch zu kochen. Siebenter Abend...............1Z7 Mn braves Weib der größte Segen. — Schwer ist es, in Brasilien eine passende Heirath zu smdcn, — Dortige Behandlung der Frauen. — I nhalt, V Eeito, Mädchenmangel. — Kindersegen. — Wie es Frau Licsm im Wochenbette nging. — Wie Georg seinen Tag eintheilte. — Mief-Schreiben und Bestellen. — Was siil Maß und Gewicht in Brasilien gilt. — Mit was für Werkzeugen man dort Landwirthschaft treibt, — Wie der Kaffeebaum aussieht. — Wie man einen Kaffeeberg anlegt. — Verjüngen alter Bäume. — Das Pflücken. — Die Arbeit im Kasseeberge. — Die Ernte uud ihr Ergebniß. — Rentirt sich für den kleinen Grundbesitzer der Kaffce-baurn? — Wie sich der Ansiedler seinen Hau^taffec herrichtet. — Georg zieht fort. — Die Negierung und die Halbschcidler. — Rückblick. Achter Abend................144 Das Kolonisiren. — Das Halbscheidwesen, — Der freie, kleine Grundbesitz. — Begünstigungen der Kolonisten auf Etaatökolonien. — Erläuterungen, — Militärdienst. — Keine Conscription. — Nationalgarde. Provinzkolonien. — Begünstigungen für Einwanderer in Rio Grande. — ^ Privattolonien. — D. Pedro II. — Lta. Thereza. — D. Francisca. — Maria Ninsiedeln. — Et. Loren;. — Militärkolonien. — Niederlassung auf eigene Faust. — Georg reist von Santoo ab. — Paranagua. — , Die Provinz Parana. — Straßen. — Assumguy. — Nio Negro. — Die ^ Provinz-Regierung. -- Weizen und Wein von Euritiba. Neunter Abend...............ittu Antnnft in S. Francisco — Aufenthalt daselbst. — Georg fahrt nach D, Fraueisca. — Die Stadt Ioinville. — Georg gefällt es dort ganz gut. — ^or^üge nnd Mängel der Kolonie. — Rückfahrt. — Es wird ihul von Blumenau erzählt. — Wie bringt man eine Kolonie dahin, von ihren Producten verlaufen zu können? — Andere Kolonien am Itajahy. l — Das Zuckerrohr, seine Cultur und Verarbeitung. — Dcsienu und die Provinz Eta. Cathariua. — Die alten und neuen Kolonien. — Allgemeine Bemerkungen. — In Eicht der Äarre von Mo Grande. Zehnter Abend...............174 Der Eand von Rio Grande. — Die Deutschen in den südlichen Städten. — Porto Alegre. — Fahrt nach S. Lcopoldo. — Industrie uud Handel daselbst. — Landpreise und (5ultnrgattungen. — Nutzen T. Lcopoldo's für die Provinz. — Landwirthschaftliche Fortschritte. ^- Reise nach Nio Pardo. — Der Iacuhy, der (5ahy und der Taquary. — Director Buff. — Eine Karrete auf dem Wege nach Sta. Cruz. -s- Die Campos. — Thicrreichthum. — Rincüo-d'el-Ney und S. Nicol'w. — Der Iannal. — Die Pikade Doua Iosefa. — Eta. Theresa, ^ Auf^ nahmehäuscr. — Dichtung und Hausbau. — Palnntten. — Uricannadach uud Lchiudclll. — Eigensinn und gute Vorsäfte. Vl I n h a I t. Eeite. Eilfter Abend 191 Georg und Liese halten Umschau in dcr Kolonie. — Innere Haus- ^ cinrichtung. — Wclschtornbrod. — Dor brasilianische Wald. — Palmen. — Nadelholz. — Laubholz. — Das Unterholz. — Die Cipos. — Wann ist die beste Zeit zum Holzfällen? — Das Rossen. — Die Verwendung des Holzes. — Nachlässigkeit der Ansiedler. — Freie Jagd und Fischerei. — Hoch- und Niederwild. — Federwild. — Fische. — Zäune; Corral; Potreiro. — Zwölfter Abend...............804 Die Hauptfeldfrüchte, — Getreide. — Das Welschtorn und seinc Cultur. — Der Weizen, — Der Roggen, die Gerste und der Hafer. — Der Reis.— Wurzel- und Knollengewächse.— Die Mandioca und ihre Bereitung. — Die Kartoffeln und Bataten. — Die Caras. — Der ')1an>(! und der Ingwer. - - Die Zwiebel. — Nuben und Kohlrabi. — Hülscnfrüchte, — Die schwarzen Volmeu, Liusen und Erbsen. — Gemüse, Anleitung zum Verpacken des Eamcns. — Kürbisse, Melonen und Gurken. — Das Capim und die Gramma. — Klee und Heu. — Ociftüchte und Färbepflanzen, Dreizehnter Abend..............221 Georg erzählt von deu Handelvpflanzen und ihrer <5ultur. — Kaffee und Zuckerrohr nochmals. — Baumwolle und Maschinen zu ihrer Cnt-kornung. — Tabak. — Thee. — Deutsche Obstsorten, — Orangen. >— Citronen und Limas. — Beeren. — Der Maulbeerbaum und die Ecideu-zucht. — Die Ananas und anderes brasilisches Obst. — Dic Banane. — Die Rebe und der Wein. — Georg ertheilt in Bezug auf die Land-wirttischaft einige Rathschläge. <— Rindvieh, — Pferde und Maulesel, — Schweine. — Ziegen uno Schafe. — Geflügel. — Hunde und Katze». — Äicnen. Vierzehnter Abend..............240 Georg erzählt von der politischen Einrichtung des Laubes. — Dcr. Kaiser und seine Familie. — Die Minister und der Reichstag. — Die! Provinzpräsidenten und der Landtag. — Die Kolonie-Directoren nnd die Ansiedler, — Wie Georg auf Sta. Cruz wacker vorwärts tain. — Er baut eine Mühle und trifft sonstige Einrichtungen. — Cr verkauft seme Kolonie und zieht an den Ccchy. — Wic er sich dort einrichtet und wie es ihm geht. — Reiscentschluß. — Rückblick. — Mäßigteit und Verträglichkeit. — Georg ertheilt noch mehrere Mathschläge. — Wer soll auswandern? — Welche Handwerter haben gute Aussichten? — Welche Kolonie soll der Cimuanderer wählen?— Vorsichtsmaßregeln beim Land-t'aufe. — LchwM'oM Georgs. Ginleitnnft. Es war iir einein Kirchdorfe des badischen Oberlandes und an einem Sonntage des verfangenen Sommers, daß nach der Messe die Bauern vor der Kirchthür standen «nd sich über das Wetter, die Kornpreise, das Ergebniß der ersten Heumahd, sowie über die bevorstehende Ernte lebhaft unterhielten, als die Straße herauf ein Berner Wägelchen gerollt kam und vor dem Wirthshause „zum weißen Schwan" anhielt, um einen Reisenden und dessen ziemlich umfangreiches Gepäck dort abzusetzen, welch beide von dem behäbigen Wirthe unter schmunzelndem Willkomm empfaugeu und begrüßt wurden. Der Fremde war ein kräftiger Manu in den dreißiger Jahren mit wohlgepflegtem Schnurrbart und offnen, sonngebräuu-teu Zügen, der sich in seiner städtischen Reisetracht ganz gewandt und daheim zeigte. Die Bauern, welche durch seine Aukuuft in ihren Reden uu-terbrochen worden waren, betrachteten diesen seltenen Besuch neugierig und Einer von ihnen sagte: „Das Gesicht habe ich schon irgendwo gesehen." AIs nuu der Fremde, uachdem er den Fuhrmauu entlohnt hatte und seiu Gepäck uutergebracht sah, langsam ans sie zuging uud sie lächelnd sixirte, da kam er ihnen uoch weit bekannter vor und der Weidenbauer rief aus: „das ist ja der Georg vou der Nhlendorfer Chaussee; oder seid Ihr's nichN" I ' Einleitung, „Bm's!" sagte der Fremde und schlug in die dargereichte Hand. „Nun, wo kommst Du denn her?" riefen die meisten der Versammelten aus. „Geradeswegs von Brasilien," antwortete Georg. „Und so allein? Wo ist denu Deine Liese und Dem Kleines?" frug der Weideubauer. „ Die ist drüben geblieben und statt des einen Kleinen sind jetzt ihrer sechse da und hätten noch 'mal so viele Platz." „Ja, und was bringt Dich denn her zu uns aus dieser Ferne?" fuhr der Weidenbauer in der bekannten bäuerlicheu Naivetät zu fragen fort. „Die Noth sicher nicht; denn Du siehst wacker geuug aus; Dir scheiut das Brasilien ganz gut zu bekommen." „Es bekömmt mir auch ganz wohl; aber Ihr vergeht, daß die alte Gertrud und die Katharine und die Annemarie noch zu Hause sind und daß ich sie zu holen versprach, sobald ich es zu erschwin-gen vermöchte; auch ist mir drüben, über der Murg, ein Onkel verstorben, dessen Erbschaft ich zu beheben komme." „Ja, und kennst Du uns auch noch alle?" frugen die audern Vauern. „Wärmn nicht? Du bist der Prinzenbauer Sepp, Du der Walkbauer Jörg, Du der Hirsbauer Ignaz und so fort; seht jetzt Alle stattlich aus, habt Euch zusammengewachsen in den zehn Jahren, seit ich Euch und das Dorf nicht sah. Wart damals junge Burschen und seid hente tüchtige Bauern. Ihr habt mir manche Freundlichkeit ill meiner damaligen Noth bewiesen, wenn anch Eure Väter und Mütter hart mit mir verfuhren. Zinn, ich habe mir die Freundlichkeit gemerkt nnd die Feindseligkeit vergessen; hat mir doch diese zu meinem jetzigen Glücke verholfen. Freilich haben sie sich's nicht träumeu lassen, daß es so zu meinen Gunsten ausschlagen würde, als sie mich in die welle Welt hinaustrieben." „Ist es Dir denn so gut ergaugeu da draußen in Brasilien?" frugen die Bauern zurück. (5inleitunss. A „Anfangs war es wohl schwer und die Teereife und der Abschied uou dem Lande, wo mall geboreil uud aufgewachsen ist, von Allem, was man kennt, dann wieder das Lernen von vorne an, das Alles geht Einem hart ans Herz; aber frifcher Mnth, dann die Liese und das Kleine, die mir nun rechtmäßig angehörten, ließen mich Alles ertragen, und wie ich nach der ersten Ernte den Segen übersah, den nur der Herr beschert hatte, als ich mit jedem Tage meinen Wohlstand wachsen sah, von dem ich früher nicht geträumt, da kam bald Zufriedenheit und Glück über mich und ich segne jene Stnnde, wo ich in Verzweiflung znr Auswanderung mich entschloß." Nährend dieses Hin- nnd Herredens waren sie zur Scheute gekommen; ma.l setzte sich, ließ sich einen Schoppen geben nnd forderte Georg anf, seine Erlebnisse zu erzählen. So hub denn Georg folgendermaßen an i „Ihr alle wißt, wie es mir hier ergangen und was mich von hier fortgetrieben hat. Meine liebe Mutter, die alte Gertrud, war vor Jahren hierher gezogen nnd hatte sich das kleine Häuschen dranßen an der Uhlendorfer Ehanssee gekauft, wo sie von dein, was sie in bessern Zeiten erspart uud von ihrem verstorbenen Manne überkommen, sowie von ihrer Hände Arbeit, von dem Ertrage ihres Gartens und von den Markt- und Botengängen lebtte. Ihre drei Töchter halfen ihr dabei redlich, sobald sie so weit herangewachsen waren, nnd brauchte im Orte Jemand eine Marktgängerin oder einen Voten oder einen Alumenstrauß oder einen Korb Gemnße oder Obst, so ging man nur zur alten Gertrud. Vor zehn Jahren nun kam ich, der ich eben meine Militair-dionstzeit abgethan hatte, anf dem Wege nach meiner Heimat durch den Ort. Ich begegnete da meiner Liese und sie gefiel mir so gnt, daß ich, anstatt in meine Heimat zu wandern, wo ich, eine elternlose Waise, ohnehin ein Fremdling war, mich als gelernter Müller auf einer Mühle in der Umgegend verdingte. Ich sah Liese fast 4 E inIeitun g. täglich, und als cm halbes Jahr herum war, begehrte ich sie zum Weibe. Ich war ein kräftiger junger Bursch, überall gern gesehen, besonders bei meinem Müller, und verdiente an Lohn und Trinkgeldern ein hübsches Sümmchen; Liese war auch fleißig und anstellig und die Mntter wollte ihr das Marktgeschäft, zu dem sie besonders paßte, ganz abtreten. Soweit waren wir für unsere Zukunft unbesorgt nnd sahen ihr hoffnungsvoll entgegen. Aber es sollte anders kommen. Als ich Sonntags zum Herrn Pastor komme, der mich sonst stets wohl leiden mochte, und die Verkündigung begehrte, zeigte er sich sehr willfährig und freundlich und schien Alles in bester Ord-uung zu seil:, so daß ich mich bestens empfahl und fortgehen wollte. Da unter der Thür schon sagte er auf einmal: „Alles gut, Georg; aber wie ist es mit den hnndertsechzig Gnlden?" „Wie so, Herr Pastor?" „Nun, Ihr werdet doch wissen, daß jeder der arbeitenden Classe Augehörige, der heirathen will, den Besitz dieser Summe nachweisen muß, bevor die Trauuug vorgenommen werden darf. Na, bei Euch wird es da nicht fehlen; Ihr seid immer ein fleißiger, sparsamer Mensch gewesen, kein Kirmeßheld, und auch Mntter Gertrud wird ihre Groschen im Trocknen haben." Ich aber stand wie verdonnert; denn IN0 Gulden war eine Summe, die unser beider Besitzthmu weit überstieg. Ich sagte das dem Herrn Pastor mit stockender Stimme. Da legte sich dessen bis jetzt freundlich lächelndes Gesicht in gar ernste Falten und er sprach achselzuckend: „Das wäre schlimm für Euch; denu ohne den Schein vom Bürgermeister, daß ihr das Geld nachgewiesen, darf ich Euch nicht trauen. Ich werde daher warten, bis Ihr ihn bringt." Und so verließ ich ihn, erschreckt und erschüttert. Zu Hanse bei Mutter Gertrud ging der Jammer erst recht an. Doch wir hofften, daß gutherzige Leute uns das an der Summe fehlende Geld für die kurze Frist des Nachweises leihen würden. Braucht Ihr aber einmal Geld, so habt ihr keine Frennde; das Mißtrauen schließt alle Taschen; sn Einleitung. 5 ginn es auch hier. Ueberall, wo wir anklopften, fanden wir taube Ohren. So verzichteten wir denn einstweilen anf unsere kirchliche Vereinigung und machten es, wie so Viele vor nns es wachten. Ich zog zn Mutter Gertrud nnd führte dort gemeinschaftlichen Haushalt, in der Hoffnung, im Taglohn mehr als im Mnhldienste verdienen und so schneller das Fehlende zusammenlegen zu können. Aber die frommen Leute im Orte uud besonders die Gemeinde nahm Anstoß an nnserm Entschlüsse und snchtc nns, wie man sagt, ans dein Orte hinauszubeißen. Ich faud oft wochenlang keine Arbeit, meine Liese immer weniger Känfer, nnd als endlich ihr Znstand ewige Zeit ihr nicht gestattete, den Markt zu besnchen, verlor sie selbst diese letzten wenigen. So, anstatt nnser kleines Capital zu, vermehren, mußten wir Gulden mn Gulden dauon entnehmen. Kurz, es war eine harte, böse Zeit, wohl angethan, um nnser Gemüth gegen Alles zu verbittern. Nohl gab es noch Lente, die uns Arbeit gaben und schafften trotz den Ehikanen der Frommen nnd der Gemeinde; aber ihrer waren zn wenige. Endlich mnhten anch Mutter Gertrnd und die beiden Schwägerinnen unter dem Fluche leiden, der auf uns lag, und sie begannen uns mit weniger freund-lichen Angen zn betrachten. So kam es denn, daß ich eines Abends im Umnnthe znr Mutter sprach, daß wir an: besten thäten, aus dem Orte, der uns so feindlich war, fortzuwandern. „Auswandern?" schrie die alte Gertrud, „ja, das ginge wol. Wie kommst Du aber nach Amerika?" Da ging mir ein Lichtstrahl durch den Kopf; ich hatte daran nicht gedacht, sondern bloß gemeint, nach einem andern Orte im Lande zu ziehen. Jetzt sah ich aber mit einem Male ttar- ich sah e'a, daß in jedem andern Orte die gleichen Leiden nnd Verfolgungen meiner warten würden; ich sah ein, daß ich ihnen nnr entrinnen könnte, wenn ich ill ein Land zöge, wo jede arbeitsame Hand nicht bloß willkommen, sondern gesucht nnd im Stande wäre, die Ernährung cwer Familie besser zu verbürgen, als U',n Gnlven'. in ein Land, wo jedes Kind als em Segen Gottes und ein Znwachs Znm, Wohlstände der Familie betrachtet werde. Ja, nach Amerika mußt dn hin! Tas stand bei mir fest. Nach Amerika! Ich kannte ja uon Brasilien tauin den Alainen; ich hatte immer unr von Amerika gehört und wnßte, daß der und jener meiner Bekanntschaft dorthin gewandert war und daß es ihnen dort ant gehen sollte. Ich hatte von dem Agenten in der Hauptstadt gehört, daß er die Lcnte dahin befördere nnd ihnen einschlägigen Rath gewähre. Ich dachte also bei dem Auswandern nnr an Amerika, d. h. an die Vereinigten Staaten von Amerika, denn von den andern Theilen Amerika's wnßte weder ich, noch sonst Jemand im Orte etwas. Mein Entschlnß stand also fest und meine Liefe folgte nnr ja gern, wohin ich ging und wo sie meine Fran nnd unser Kind ein ehrliches, eheliches Kind werden konnte, und wo diesem Kinde das unschuldige Dasein nnd die Cünde seiner Eltern nicht als Verbrechen angerechnet würden. Wie sollte ich aber nach Amerika kommen? Meine ganze Habe und Liese's Vaarschaft betrugen kaum an die achtzig Gnlden. Das fiel mir wol schwer anfs Herz. Doch ich hatte ja so viel reden hören voll der Wohlfeilheit der Seereise, der sogenannten Passage, daß ich dachte: mit Gottes Hilfe wirst dn bis in die Seestadt kommen nnd das Geld wird wol ausreichen, nm für mich nnd Liese die Ueberfahrt zu zahlen; der arme kleine Wurm konnte ja nichts koste»; und vielleicht war es möglich, auf dem Schiffe irgend arbeiten zu könneu nnd so auch die Kosten meiner Ueberfahrt nach ^ew-Mrt ganz oder theilweise abznverdienen. War ich doch stets ein anstelliger, fleißiger Bursche gewesen und hatte mich schnell in jedes Geschäft gefnnden. Waren wir nnr einmal über dem Wasser, drübeu iil Amerika, so mußte sich bald was für mich finden, wenn ich auch ohne einen Heller Geld ans Land km». , Einleitung. 7 Ich sagte diese meine Gedanken meiner ^iese und sie war vollständig damit emuerstanden, wenn es uns auch nahe ging, daß wir der Härte uud Vorurtheile unserer Nachbarn nnd ^andsleute wegen hinaus sollten in die weite, weite Welt, wo Alles so fremd und unbekannt uns anstarrte, während wir doch Kraft und Willen ssenng in uns fühlten, unser ehrliches Stüä Brod auch bei uns im Dorfe zu verdieueu uud unsere Kinder redlich fortzubringen. Des andern Morgens machte ich mich denn früh auf den Weg nnd ging nach der Hauptstadt, um mit dem Agenten selbst Vorläufig Rücksprache zu nehmen und, wenn es möglich wäre, auch sogleich die Sache richtig zu machen. Jeder Tag, den wir länger in der Heimat in gezwungenem Müssiggange zubrachten, war für unsere kleine Baarschaft empfindlicher Verlust nnd brachte nns um einen Tag reichlicheil Verdienstes in unserer neuen Heimat. Dennoch betrat ich mit heimlichem Zagen das Arbeitszimmer des Agenten. Es war ein schon ältlicher Herr mit klugen, scharfen Äugen mid mit einem kurzen uud barschen Benehmen, das er sich wol im Geschäfte angewöhnt hatte. Trotzdem flößte nur feine wohlwollende Miene Vertrauen ein, und als wir endlich alleiu waren, trug ich ihm, anfangs stockend, bann aber ohne Scheu mein Anliegen nnd die Gründe dafür vor. Er ließ mich zu Ende reden, nickte nur hier uud da mit dem Kopfe und sagte endlich: „Hört, Mann, das ist die alte Geschichte, die alle Jahre Tausende über das Meer treibt und so lange treiben wird, bis man endlich zur Einsicht gelangt, daß es so nicht fortgehen kann. Es ist aber den Leuten oben vie! bequemer, die Answanderungslust nns Agenten nnd unsern Ver-lockuugen nnd Anpreisnngen zuzuschreiben, als zn gestehen, daß die durch ihre heillose Wirthschaft herbeigeführten Ucdelstände es allein möglich machen, daß überhaupt Agenten bestehen tonnen und bestehen müssen. Was aber Euch betrifft, so fügt es sich gerade gut, daß in acht bis zehn Tagen ein gntes Schiff von Bremen nach Newyork abgeht. Ihr könntet gleich abreifen, wie Ihr sagt, und 8 E i n l c i t u u g. inithin noch rechtzeitig ankommen. Ihr wißt wol schon den Preis für die Passage? „Ach nein," antwortete ich wieder etwas verzagt; „nur was man so von Nachbarn hört, deren Verwandte ausgewandert sind. So ein dreißig Gulden für die Person?" Der Agent betrachtete mich einen Augenblick nnd sagte dann: „Von Bremen mittelst Segelschiff nach New-York ist der Passagepreis im Zwischendeck für den Erwachsenen, Kost eingerechnet, bei 42 Gulden; Säuglinge sind frei. Es kostet Euch demnach die Seefahrt für Euch und Eure Liese 84 Gulden, ohne zu rechnen, daß Euch die Fahrt von Eurer Heimat bis Bremen selbst bei den bestehenden Ermäßigungen und aller Sparsamkeit in der Zehrung auch uoch an die zwanzig Gnlden tosteu dürfte." „Aber das ist ja erschrecklich viel," versetzte ich kleinlaut und die Thränen traten nur ins Auge. „ Wir haben kaum 80 Gulden; geht denu davon nichts ab? Kann ich nicht an Bord arbeiten für die Ueberfahrt? Ich bin ja kräftig und geschickt und willig zu aller Arbeit." „Lieber Mann, das geht nicht; der Echiffsherr in Bremen hat Alles so billig gestellt, als es ihm möglich ist, wenn er nicht umsonst arbeiten will; dauon kann nichts abgehen; nnd was Enre Arbeit an Bord betrifft, so find dafür die Matrosen da und deren Arbeit köunt Ihr, der Ihr weder das Meer noch ein Schiff je gefehen, in der ersten Zeit unmöglich verrichten. Das ist eine Idee, die zn nichts führt, nnd wenn Ihr das Euch fehlende Geld nicht auf irgeud eine Weise herbeischaffen könnt, so fürchte ich, lieber Mann, daß Ihr dießmal wol Enre Auswanderungslust, gleich so vielen Anderu, unterdrücken und zu Hause Eure Nöthen uud Schmerzen ertragen müßt, wie Ihr es eben könnt." „Aesiuut Euch, lieber Herr" flehte ich; „ist sonst gar keine Hülfe möglich? " „Ich hülfe Euch gern; aber ich habe selbst kein Vermöge», (5ln!citung. 9 und was ich sauer erwerbe, davon muß ich Frau Mld Kmder erhalten; es ist nicht nm die wenigen Gulden für Euch, aber es kommen so Viele, die mit Euch am gleichen Unglücksstrange ziehen, und mit welchem Rechte wollte ich denen meine Hülfe verweigern, wenn ich Euch allein hülfe und wo käme ich dann hin?" Das fah ich nun wol ein, aber wenn auch die Vernunft begriff, das rebellifche Herz schlng dagegen und dürstete und fchrie nach Hülfe ails unfern Nöthen; so drehte ich mich denn um und weinte bitterlich. Der Herr ließ mich weinen und ging bald stillschweigend ans und nieder, bald blätterte er in den Papieren an seinein Schreibtische. In den: Augenblicke trat der Briefträger ein und überreichte dein Agenten eine Anzahl Briefe, welche dieser eilig erbrach und las. Ich fühlte, daß ich hier nichts mehr zn thnn hatte, schämte mich meiner Thränen, trocknete sie und griff nach meinem Hute, um mich zu empfehlen. Da sah der Agent von semem Pnlte auf und sagte zu mir: „Hört, das kömmt sonderbar. Seid Ihr darauf versessen, inst nach Nordamerika zu gehen? Habt Ihr vielleicht Verwandte oder Frennde dort, die sich in günstigen Umständen befinden nnd von denen Ihr dort Rath und Hülfe erwarten dürft?" „Keine lebende Seele kenne ich drüben und ich giuge wol auch anders wohin; kenne ja kein anderes Land; wenn's mir nnr dort wohlgeht und weun mein Geld zur Passage reicht." „Es reicht, es reicht; aber Ihr habt wol nie von Brasilien gehört?" „Brasilien?" sagte ich; „i ja, von dem Lande hab ich schon gehört, es gibt ein Lied: Inchheirasassa, Brasilien ist nicht weit von hier." „Und sonst wißt Ihr nichts davon?" lachte der Herr. „Nnn, es soll ein schrecklich heißes Land sein, voll schwarzer Menschen, und Gold nnd Edelsteine sollen dort nur so herumliegen." „ Dummes Zeng ", brnmmtc der Agent; „Brasilien ist anch nicht wärmer, als Texas nnd andere Länder, wo so viele Leute hinlaufen. 10 Eiulcit u n g. Und ums das Gold und die Edelsteine betrifft, so gibt's wol deren genug, aber nnr die strengste Arbeit oder unverschämtes Glück fördern davon so uiel zu Tage, als der fleißige Bauer mit Haue und Pflug verdienen kanu. Um aber auf Euch zu kommen, so seht, hier habe ich den Auftrag erhalten, für einen guten Freuud nach Brasilien 50 Familien auf sein Landgut hinüberzuschaffeu. Er will die Neber-fahrtskosten, so wie die Kosten drüben von der Seestadt, wo sie landen, bis auf sein Gut für sie und ihr Gepäck bezahlen, ihnen Haus und Garteuland geben, uud auch sonst bis zur ersten Ernte uud so lange sie überhaupt etwas nöthig haben, das Nothwendige für Speise uud Kleiduug liefern. Sie müssen das alles aber dann wieder von ihrer Ernte abbezahlen uud zwar so: Er hat ewe Kaffeepflanzung, d.h. er hat viele tausend Kaffeebäumchen angepflanzt, die sollen nuu vou den fünfzig Familien gejätet uud reiugehalten wer-deu, bis die Kaffeekirschen reif siud. Dann müssen sie selbe pflücken und an den Herrn abliefern; die Hälfte von den Kirschen bleibt ihnen und von dem Preise, welchen die Kaufleute für den daraus gewonneuen Kaffee zahlen, müsseu sie dann nach und nach die durch ihre Reise und Ansiedluug, sowie die durch Befriedigung ihrer Bedürfnisse entstandenen Schuldeu zahlen. Habeu sie die bezahlt, so köuueu sie geheu oder bleiben uach ihrem Gefallen. Habt Ihr das verstanden?" „So ziemlich, und das scheint mir ja eine gar grofte Wohlthat für solche Leute zu sein, wie ich; da kann ich ja wol mitkommen uud brauche keine Passage zu zahlen?" „Ja, lieber Mann, das könnt Ihr uud obendrein könut Ihr Euch iu Hamburg vor Eurer Einschiffung uoch mit Eurer Liese traueu lassen, damit Ihr als ein anderer Mann Euer neues Leben beginnt. Aber les't erst die Bedingungen vorher durch, die ich Euch hier mitgebe, geht mit Euch zu Rathe ernsthaft uud männlich uud bedeukt, daß es genug Leute iu Deutschland gibt, die das, was Ihr so richtig für eine Wohlthat erkenut, für einen Betrug uud als Sklavenwirth- Einleitung, N schaft Verschreien und so Euch armen Teufeln die einzige Hoffnnug rauben, ohne indeß Euch dafür etwas Besseres Zur Entschädigung bieten zu können. Bedenkt ferner, daß Ihr auch drüben hart und schwer arbeiten müßt, daß aller Anfang, besonders im fremden Lande, unter fremden Leuten, mit fremder Sprache und Sitte, schwer ist, und entschließt Ihr Euch auch dann noch dazu, so kommt zn mir. Dann werde ich Sorge tragen, daß Ihr zu den 50 Familien ange^ uommen werdet. Wollte Gott, daß Alle Euch glichen; dann wäre mir weder nm die Arbeiter noch um den Grundherrn dange; behüte Euch Gott!" Er schüttelte mir noch die Hand und bald stand ich anf der Gasse wie ein Träumender; so nahe der Verzweiflung, hatte sich an mir das Sprichwort bewahrheitet: „Wo die Noth am grüßten, ist die Hülfe am nächsten." Ich bedürfte keiner weitern Uebcrlegung; meine Noth überhob mich derfelben. Mit der Hartnäckigkeit des Ertrinkenden ergriff ich den Balken, der mich Rettung Hoffell ließ; mir schwebte damals nur die eine Idee vor: schlechter als hier könne es mir nirgends ergehen, und zudem stehen wir überall in Gottes Hand. Arbeiten wollten und konnten wir, uud daß die Arbeit in Brasilien gesucht sein nnd gut bezahlt werdeu mußte, das sah mau an den Vedingnngen, die man stellte. Neberoieß blieb uns der größte Theil uuseres Sparpfennigs erhalten. Was wollten wir in unferer Lage mehr'^ Als ich zu Hause über meinen Besuch bei dem Agenten Bericht erstattet und mit Liese uud ihrer Mntter Alles erwogen und besprochen hatte, waren wir bald einig, daß ich sobald als möglich den Eon-trakt abschließe. Natürlich fehlte es uicht au Leuten, die, nachdem sie uns in unferer Noth weder heigestanden waren, noch auch bcizustehen ge-dachteu, jetzt uus ihren wohlfeilen Nach anboten und sich bestrebten, uns den gefaßten Entschluß auszureden. Da wußte der Eine Dieß, der Andere Das; der wollte gelesen habeu, Brasilien sei ein Land. 1ä Einleitung. wo Alles vor Hitze verbrenne oder sonst in schwerer Krankheit verkommen müsse. Der sprach von weißen Sklaven, der von dein Verkommen jedes Auswanderers drüben, denn sie würden einfach unter das Militär gesteckt, und wer weiß, was noch Alles. Ich aber ließ mich das wenig anfechten, sondern fragte nur zurück: „Wißt Ihr mir etwas Besseres? Wollt Ihr mich nnd die Liese beschäftigen? Wollt Ihr uns die Erlaubniß znr Heirath verschaffen?" Und als sie dazn achselzuckend schwiegen, so dankte ich ihnen höflich für ihre Bemühung nnd ging zum Agenten, mit den: ich denn auch den Contrakt für mich, Liese und unsern kleinen Buben abschloß. Der Contrakt lautete damals ungefähr dahin, daß wir uns gegen Vorschuß der Reisekosten und der nothwendigen Lebensbedürfnisse :c. verpflichteten, anf dem Gute des Herrn, N. in der Provinz S. Paulo in Brasilien so lange eine gewisse Anzahl Kaffeebäume zu warten und ihre Früchte einzuernten, bis wir aus der nns gebührenden Hälfte dieser Ernte oder anf sonst welche Art jene Vorschüsse sammt billigen Zinsen zurück gezahlt hätten. Der Agent wies mich nun an, an einem bestimmten Tage nns in Augsbnrg einzusinden, von wo wir dann mit andern Auswanderern unter Führung eines andern Agenten nach Hainburg geheil sollten, um nach dem Orte nnserer vorlänfigen Bestimmnng eingeschifft zn werden. Drei Wochen später reiste ich nach Angsbnrg und von da mit anderen süddeutschen und schweizerischen Familien zusammen nach Hamburg. Wir bestiegell dort nach mehrtägigem Aufenthalte das gute Schiff Emma und fegelten nach Brasilien ab. So kam ich denn dorthin. „Ja," sagte der Neidenbaner, „und wie erging es Dir anf der Reise?" „Und" meinte der Prinzenbaner „was hast Du denn drüben getrieben die ganze Zeit?" Woranf der Neidenbaner lachte nnd (tittlcitun^, IA sagte: „Die feinen Kleider und die große Bagage, das hat er Alles von dem Kaffeepflücken!" „Nenn auch nicht bloß davon," antwortete Georg, „so hat doch das Kaffeepflücken den Grund zu meinem Wohlstände gelegt. Ich nehme wol jedes Jahr über 3000 Gulden baar ein, wenn ich anch uur mit Kaffeepflücken begonnen habe." „Potztansend, rief der Prmzenbauer Eepp, da ginge ich auch hinüber, wenn das gewiß wäre. Du mußt uns mehr uou Brasilien erzählen; hier hört man ja fast gar nichts davon." „Warum denn nichts" sagte Georg; „ich werde mich an die drei Wochen hier aufhalten. Bin ich mit meinen Angelegenheiten fertig, so wil' ich Euch wol des Abends hier in der Schenke Alles erzählen, was ich in Brasilien selbst erlebt oder von andern tüchtigen Männern darüber gehört habe. Aber das wird ein bischen lange daueru." „Desto besser," riefen die Baneru. „Aber recht ausführlich muß es sein," sagte der Weidenbaner; „denn man kann nicht wissen, was geschieht." „Nuu gut, an mir soll's uicht liegen; ich werde jeden Abend hier sein und deueu erzählen, die etwas hören wollen; anch habe ich Abbildungen von Thieren, Pflanzen, Werkzeugen, von Menschen nnd Landschaften Brasiliens, die ich Euch dann zeigen werde." „Ah, das ist schön!" riefen Alle. „Und wann soll's beginnen?" „Wenn Ihr wollt, schon morgen." Als dann der andere Tag nnd dessen Abend gekommen war, fanden sich zahlreiche Znhörer in der Schenke ein nnd nachdem die Ruhe hergestellt war, begann Georg: Erster Idend. Wo liegt Drasilien? — Diamanten und Gold. — Die zwei Unzen. — Die Hitze. — Die Deutschen werden weder cm den Pflug abspannt, noch als Etlaven verkauft. — Die Indianer. — Die freien Brasilianer. — Die Neger und die Sklaverei. — Die Eingcwanderten, besonders die Dcutscken. Vor Allem glaube ich Euch sagen zu müssen, wo Brasilien eigentlich liegt, was für ein Land es ist und was für Leute da wohnen; denn hier in Deutschland, besonders im Südeu, weiß man wenig oder gar nichts davon, und wäre nicht das aus den zwanziger Jahren herstannnende Lied „Brasilien ist nicht weit von hier," so hätten die meisten Leute ans unseren: Stande selbst den Namen Brasilien nie gehört. Die Wenigen, die mehr davon Zu wissen glauben, haben die verworrensten Begriffe, und während die Einen von den Diamanten und Edelsteinen Brasiliens sprechen, als ob dort die Landstraßen damit gepflastert wären und mau sich unr darum zn bücken brauchte, gibt es wieder Andere, die gehört haben, man vergehe dort in der Hitze und der deutsche Auswanderer werde dort mit den Mohren in den Pflug gesvannt uud auch als Sklave verkauft. Es ist aber weder das Eine noch das Andere wahr. Es gibt allerdings genug Diamanten, Ganz- und Halbedelgesteine, anch Gold; aber das Graben und Suchen danach verlangt mehr Geld und Arbeit, als das schönste Landgut kostet, und trägt nnr bei besondern Glücksfällen so viel ein, als dieses. Der beste Beweis liegt wol darin, daß von den 30—40,000 Dentschen in Brasilien Erster Abend. 15 kein einziger in die Diamantengruben gegangen odor Goldwäscher geworden ist, sondern alle als Kauf- oder Gewerbsleute und als Bauern sich seßhaft gemacht haben. Es kam zu dem alten Ring auf der Kolonie Mnndo Novo auch so ein Goldsucher und frng ihn, ob er nicht wüßte, daft in der Gegend Gold gefnnden worden sei? „Ja wohl," meinte der alte Kolonist, „morgen früh will ich Ench zn einer Stelle führen, wo ich selbst in diesem Jahre zwei Unzen Gold gefnnden habe." Nichtig führte er andern Tages den Goldsucher auf sein Bohnenfeld und sagte ihm: „Seht, da habe ich dieses Jahr 10 Säcke Bohnen geerntet, was mir gerade die zwei Unzen Gold trug, von denen ich Euch sprach." Das ist das wahre Goldsnchcn in Brasilien. Und was das betrifft, daft man dort vor Hitze zu Grunde geht und vor den Pflug gespannt und als Sklave vertäust wird, so ist das eine lange Geschichte, die ich indeft so kurz fassen will, als möglich. Brasilien liegt vielleicht zweitausend Meilen weit von uns und zwar auf der andern Erdhälfte unter dem Aequator; was das ist, wird Euch der Schullehrer besser sageu tönuen. Es läßt sich aber nicht so von Brasilien sprechen, als wie wir von Baden oder Würtemberg reden; denn Brasilien ist so groft wie fast unser ganzer Welttheil, vom schwedischen Eismeer bis nach Griechenland, von Rußland bis nach Frankreich; well es aber viel näher am Aequator liegt, d. h. in der sogenannten heißen Zone, so friert es im ganzen Lande nirgends und fällt auch kein Schnee, anfter hie und da im kälteren Süden, auf hohen Bergen. Es ist deshalb das Klima nicht so verschieden, wie in Europa, wo in Schweden die Vögel in der Luft erfrieren, während die Leute zu Neapel in Sommerkleidern spazieren gehen. Aber ein großer Unterschied ist doch immer zwischen dem Klima in einer Provinz Brasiliens, die unter dem Aequator oder nahebei liegt, uud eiuer, die 2—3N0 Meilen davon entfernt ist. Dann muß man sich die Sonnenhitze nicht gar so arg vorstellen; ich habe mir von aescheidten Leuten 16 Erster Abend. sagen lassen, daß die Sonnenhitze, wann die Tonne gerade über uns steht, überall gleich ist, daß aber eine Menge Umstände dazn beitragen, sie empfindlicher oder geringer zn machen. So znm Beispiel ist die Sonnellhitze ill einer recht sandigen, wasserarmen Gegend, in emem tiefliegenden Grnnde viel größer, als in einer Gebirgsgegend oder in einem Laubwalde. Anch der regelmäßige Luftzng trägt dazn bei, sie zu mildern, nnd so ist es ans dem Meere kühler, als in vielen Landgegenden. Nun aber ist ja Brasilien ein sehr gebirgiges Land nnd gewiß nenn Zehntel sind noch lauter Wald, zumeist Laubholzwald; es gibt ferner vielleicht kein Land, was so viel Flüsse nnd Seen besitzt und dabei noch neunhundert Meilen lang am Meere sich fortdehnt, wie Brasilien. Wo aber Wald, Wasser und Gebirg ist, da gibt es immer frische Luft und viel Negen und da kann von einer unerträglichen Hitze gar keine Nede sein; das, glaube ich, kann jedes Kind einsehen. Ich will damit nicht sagen, daß es in Brasilien nicht auch sandige Gegenden, kahle Berge und sumpfige Ebenen gibt, wo die Hitze so groß ist, als in der Wüste Sahara oder sonst wo. Aber das Land ist ja so ungeheuer groß und hat so wenig Einwohner (40 im Durchschnitte auf die Quadratmeile, wo bei uns zwischen 6 — 7000 wohnen), daß der Auswanderer, der sich in eine solche Gegend setzen wollte, rein von Dnmmheit geschlagen sein müßte. Kurz der Unterschied zwischen nnserm dentschen Klima nnd dein brasilianischen besteht einfach darin, daß wir hier nur im Sommer so warme Tage haben, wie in Brasilien,. während in ganz Brasilien das ganze Jahr warnt ist. Die heißesten Tage in beiden Ländern bleiben sich an Hitze gleich, nnr daß in Brasilien selten acht Tage ohne Regen vorübergehen, währenddem Ihr hier oft 6— 8 Wochen auf den Regen wartet. Der Unterschied ist aber ein sehr gewaltiger und der größte Vortheil, den Brasilien vor Deutschland voraus hat. Wir in Brasilien haben keinen Winter. Nir können das ganze Jahr säen, vflan- Erster Abend. 17 M und ernten; wir können unser Vieh das ganze Jahr im Freien lassen, was für den Anfänger eine große Hülfe ist. Wir brauchen nicht das Holz zu sparen oder zu kaufeu und mühsam zu sägeu und zu fpalten für unsere Oefen; wir brauchen keine so festen und wanneu Häuser. Wir müssen uns nicht in die heißen Studeu sperren uud so viel Geld für die tucheueu und wollenen Winterkleider, für Pelz und Gott weiß was ausgeben. Wozu iu Dentschland der Bauer zwei Morgeu braucht, dazu hat er in Brasilien an einen» halben genug; denn der Boden ist fruchtbarer, die Wanne entwickelt Alles besser uud geschwinder nud er braucht, wenu er gefcheidt ist, seiu Land nicht rasten zu lassen den ganzen Winter durch. Die Kartoffeln werden in zwei Monaten reif, das Welschkoru in vier Mouateu, die Bohnen in 10 Wochen. Aber die Lage Brasiliens in der Nähe des Aeqnators hat noch emeu andern Vortheil für die Bewohner. Der Umstand, daß die Sonne fast immer über ihnen steht, bewirkt außer eiuer gleichen Temperatur des gauzeu Jahres uoch, daß auch die Tageszeiteu im ganzen Jahre fast gauz gleich bleiben. Selbst die vom Aequator entferntesten Gegendell haben das ganze Jahr hindnrch kaum mehr als eine Stunde Unterschied in der Tageslünge, uud man kann sagen, daß die Sonne im Sommer und im Winter um sechs Uhr Morgens aufgeht und um 6 Uhr Abends uutergeht. Iu Nio Grande ist der längste Tag um '/2? Uhr zu Ende, während der kürzeste bis '/2N Mr dauert. Dentt nur daran, was für ein Vortheil in einer Zeiteintheilung liegt, die das ganze Jahr hindurch diefelbe bleiben kann; wie viel Brennöl dort erspart wird und wie viel mehr geschafft werden kann, während bei Euch hier in Deutschland des Winters schon oft um "' Uhr Nachmittags der Dunkelheit wegen gefeiert und um 4 Uhr die Lamve angesteckt werden muß. UebrigenZ haben wir ill den kälteren Gegenden Brasiliens gar Manche kalte Nacht; so ist mir iu eiuer Nacht die schon aufgegangene Maissaat erfroren uud das Zuckerrohr dazu, uud im Wassereimer 2 18 (5rstcr Abend. in der Küche war das zurückgebliebene Wasser zu Eis gefröre». In Curitiba nnd andern hochgelegenen Gegenden hat man auch schon Schnee nnd Eis, und dämm ist es jedem Auswanderer, der sich uach den Gebirgskolonieen in St. Eatharina, Paranü, und Nio Grande wendet, sehr anzurathen, daß er sein warmes Bettzeug ja nicht vergesse und auch auf einen eisernen Kochofen, der zugleich zm« Heizeu dient, Rücksicht nehme. Trotz des erwähnten Reifes aber gedieh nur Hafer und Gerste, Kartoffeln und Erdnuß, und in ein wenig tiefer gelegenen Gegenden tömmt selbst ein solcher Reif nicht mehr vor, da ja sonst die Einwanderer weder Kaffee noch Zucker baueil könnten. So viel über die unmenschliche Hitze iu Brasilien, von der so viele Leute faseln. Was nnn das Indenpflugspannen und Verkaufen der Deutschen betrifft, so ist das einfach eine boshafte DnmmlM, die gewisse interessirte Leute ausgesonnen haben, welche dem Vaterlande einen Dienst zu leisten glauben, wenn sie die Armen und Nothleidenden von der Auswanderung abhalten nnd so den Gutsbesitzern und Fabrikanten daheim die wohlfeilen Arbeitskräfte, wie sie es nennen, erhalten. Es gibt aber Gottlob noch Leute, die es auch mit den Armen und Nothleidcnden wohlmeinen uud die einsehen, daß es besser ist, sie bringen sich ill einem fremden Lande gut fort, als daß sie bei uns aus Noth endlich dahin kommen, die Spitäler, die Zncht-häuser uud Spitzbubenwinkel zu füllen. Vor den Pflug gespannt können sie in Vrasilien schon deßhalb nicht werden, weil dieses Werkzeug dort zu den großen Seltenheiten gehört. Und wer sollte sie denn vorspannen? Sie sind ja anf ihrem eigenen Lande und ihre eigenen Herren, denen weder der Steuereinnehmer, noch der Douanier, noch der Gendarm das Leben sauer machen kann, ja dein er die Thür weisen darf, sollte einer von ihnen ohne seine Erlanbniß die Schwelle übertreten. Und sind sie auf fremdem Lande, nun gut, so stehen sie in einer Art Dienst, aber nicht so wie hier in Deutschland gegen einen bestimmten, elenden Lohn, sondern ihre Einnahme wächst mit ihrem Fleiße. Doch davon Erster Abend. 19 später des Näheren. Nnr noch ein Paar Wort? über das Verkaufen der Deutschen in die Sclaverei. Ganz abgesehen davon, daft in Brasilien nnr Mohren oder lichtere und dunklere Mnlatten Sclaven sind und als solche nnr verkanft n'erden können, sobald gesetzlich nachgewiesen werden kann, daß sie wirtlich das Eigenthum der Verkäufer sind; abgesehen davon, das; genng freie Neger und Mulatten im Lande wohnen, die inan doch weit leichter als Sclaven verkaufen könnte, das; ferner die Sprache allein schon die Deutschen vor einer solchen Möglichkeit bewahren muß, so hat noch überdies? fast jeder deutfche Staat seinen Gesandten oder Consul in Brasilien, die eine solche Frevelthat bald entdecken und den Verbrecher zur Rechenschaft ziehen könnten. Ein solcher Fall könnte nnr dann denkbar sein, wenn der Besitzer seinen Sclaven eingesperrt im Hanfe hielte, also keinen Nutzen von ihm zöge; denn sonst bieten sich ihm Gelegenheiten die Menge dar, zn entfliehen und den Schutz der Gerichte oder des Consnls anzurufen. Welcher Unsinn also ist dieß und wie einfältig müssen die Leute sein, oenen man solche Geschichten anstunden kann! Ihr werdet aber gern wissen wollen, von wem denn das Land eigentlich bewohnt ist. Ursprünglich war das ganze Land von den wilden Indianern bewohnt, die übrigeus garnicht so wild waren, als jetzt manche ihrer Nachkommen sind. Sie hatten große Städte, sie hatten ihre Einrichtungen, ihre Religion und waren gastfrei und muthig. Da ward Brasilien im Jahre 1500 von einem portugiesischen Seefahrer entdeckt und seitdem von den Portugiesen nach und nach erobert. Diese drängten die Indianer immer tiefer in die Wildnisse, machten die bei ihnen gebliebenen zu Leibeigenen oder siedelten sie in Missionsdörsern an, wo sie sich bekehrten und bald ans Jägern Hirten nnd Vanern wnrdcn. Man theilt sie noch heute in zahme und wilde Indianer. Die Mhmen leben sehr zahlreich ill ihren Dörfern in manchen Provinzen, sind aber sehr häusig schon mit den Weißen nnd andern Stämmen "ermischt und es ist ihre Abstammung ost nnr ans dem langen, 2' 20 Yrstcr Abend, straffen Haare zu erkennen. Man findet sie sehr häusig unter den Soldaten und in der Marine, nnd sie sind hier ganze Brasilianer und Christen geworden, die sich von den andern Brasilianern im Leben gar nicht unterscheiden. Die wilden Indianer aber, die man gewöhnlich Lucres nennt und deren es viele Stämme gibt, leben in den Wäldern, wo sie sich meist von Jagd und Fischfang, Fichtennüssen nnd sonstigen Früchten nähren. Sie werden hie und da den Ansiedinngen gefährlich, gehen indeß nur dann angriffsweise vor, wenn sie oder einer von ihnen gekränkt oder beleidigt wnrde. Da sie aber meist nur mit Bogen und Pfeilen bewaffnet sind und das Schießgewehr sebr fürchten, so braucht einein Einwanderer vor ihnen nicht bange zu sein, auch wenn er mitten in: Walde allein wohnte. Ein paar tüchtige Hunde und eine gnte Doppelflinte genügen da. Indeß braucht sich Niemand allein in den Wald zu setzen, und auf jeder Kolonie, die Angriffe der Wilden zn befürchten hat, hält die Negiernng eine Abtheilung Soldaten zn ihrem Schutze. Auf dem Bilde, das ich Euch hier zeige, seht Ihr zahme und wilde Indianer. Der Unterschied zwischen beiden besteht in der Kleidung. Die Wilden, die Ihr hier seht, gehören einem als gransam und menschenfresserisch verrufenen Stamme, den Botocuden, an. Sie tragen in Ohren und Lippen möglichst große Korkscheibeu, doto^uo8, wovon sie den Namen haben. Ihre Wohnsitze haben sie in der Provinz Espirito Santo am Mo Doo« (süßen Flusse). In der Provinz Alta Amazonas, in Parü, Maranham, Matto Grosso, Goyaz, Piauhy gibt es mehr zahme Indianer als Neiße oder Neger uud auch im Inueru der Provinzen Bahia, Pernam-bnco, Rio Grande do Sul sind sie uoch sehr zahlreich. Außer diesen ursprünglichen Herren des Landes trifft man ferner die Brasilianer. Das ist nuu eine ganz eigenthümliche Rape, und es will dem Europäer schwer in den Kopf, daß alle diese Farben einem Volke angehören sollen. Jeder freie, im Lande geborne Mensch, sei er weiß oder schwarz oder braun oder kupferroth, Brasilianische Volkstypen. Zahme und wiJde Indianer. Erster Abend. 21 nut Ausnahme der wilden Indianer, ist brasilianischer Bürger und hat dieselben Rechte und Pflichten. Man nmß indessen sagen, daß die weiße Hautfarbe in Brasilien gewissermaßen ein Adelsbrief ist, wie das in allen Ländern zu sein pflegt, wo die Negersklaverei und die daraus entspringenden Folgen existiren. Da man in Brasilien keinen privilegirten Erbadel kennt, wie wir dessen in Deutschland nnr zu viel haben, so hält man desto mehr auf die europäische Abstammung, auf die Reinheit des kaukasischen Blutes, und die höheren Classen der brasilischen Bevölkerung bestehen daher aus Weißen. Dem Deutschen erscheinen selbst die weißen Brasilianer sehr dunkel und er hält sie daher oft für Farbige; dieß ist aber ebenso unrichtig, als wollten wir alle südlichen Völker Europas für afrikanische Mischlinge halten, weil sie einen gewiß ebenso dunklen Teint haben, wie die weißen Brasilianer, deren Klima doch noch viel wärmer ist. Diese Eifersucht auf die Reinheit des Blutes geht indeß nicht so weit, daß man die Farbigen von der Gesellschaft und von den Stellen im Staatsdienste ausschlösse; man begegnet deren selbst m den hervorragendsten Posten. Aus dem Gesagten könnt Ihr abnehmen, welch großer Vortheil für den deutschen Einwanderer schon aus der Hautfarbe in einem Lande entspringen muß, wo die große Masse der Bevölkerung in überwiegender Zahl aus Farbigen besteht. Insbesondere steht seinen in Brasilien gebornen, der Landessprache mächtigen Kindern der Weg zu allen Ehren offen; sie können Deputirte, Senatoren, Minister werden, den Titel eines Barons, Grafen, Marquis erlangen, ohne einem Hindernisse zu begegnen, das nicht durch Talent und Fleiß zu überwinden wäre. Niemand kümmert sich darum, wer die Aeltern eines verdienstvollen Mannes sind, ob Bauern oder Schneider; er ist ein Weißer und hat Kenntnisse, Verdienste, Geld — das genügt. Z2 Erster Abend. Die Brasilianer, ob Weiste oder Farbige, welche ich kennen lernte, waren durchgängig gutmüthige, freundliche nnd dienstfertige Leute. Sie find sehr beweglich und lebhaft, von vielen Anlagen, höflich und gastfrei, nüchtern und genügsam selbst bis zum Uebermaß und halten im Allgemeinen viel von den Fremden, besonders von den Deutschen. Jeder Brasilianer nimmt den Reisenden bei sich auf und bewirthet ihn und fein Pferd, ohne Bezahlung dafür anzunehmen oder gar zu fordern. Was brasilianische Feld- und Waldarbeiter angeht, so ist es am besten, sie in Accord zu nehmen; sie sind besonders beim Waldfällen ausgezeichnet geschickt und billig. Aber einen solchen Arbeiter gänzlich als Knecht zu dingen, geht nicht an. Ich hatte einmal einen solchen; es war ein nüchterner, wohlerzogner Bnrsche; er arbeitete meine zwei deutscheu Knechte spielend hinter sich und war mit Fuchs und Axt unübertrefflich. Während der Mttagsstuuoeu, die meine Landslsnte verschliefen, war er wieder munter im Felde, kurz, er wäre uubezahlbar gewesen, hätte er nicht einen kleinen Fehler gehabt. Hatte er nämlich acht Tage rüstig gearbeitet, so ließ er sich den verdienten Lohn geben, sattelte sein Pferd (denn in Nio Grande reitet Jedermann, selbst der Bettler), nahm seine Guitarre und verschwand. War er mit dem erworbenen Gelde fertig, so kam er wieder und arbeitete tüchtig uud unverdrossen, bis er abermals einiges Geld verdient hatte. Ans Sparen also denkeu sie nicht; für ihre Bedürfuisse reicht etwas Arbeit hin uud für das Alter forgen sie nicht. Man lebt noch so leicht in Brasilien. Das Bild „die Weißen in Brasilien" zeigt Euch Frauen anf den: Kirchgange, einen Handelsmann, einen Reiter und eine Karrete aus dem Innern. Die dritte Classe der Bevölkerung sind die Neger. Als nämlich eines Tages einem Bischöfe die Grausamkeit der christlichen Eroberer gegen die indianischen Besiegten zu unerträglich erschien, schlug er den Entmenschen vor, statt der zur Arbeit so wenig Brasilianische Volkstypen. Brasilianer. Erster Abend. A3 geeigneten Indianer die starton und sinnesstmnpfen Neger Afrika's einzuführen nnd zur Arbeit zu verwenden. Tie Spanier und Portugiesen ergriffen mit Frohlocken diese Idee nud setzten sie augenblicklich ms Werk. Nach Brasilien allein wurden Millionen schwarzer Sclaven eingeführt. Aus ihren Kindern und den von ihren Herren mit ihnen erzeugten Nachkommen, so wie den verschiedenen Mschnngen der Indianer, Mestizen, Mulatten:c., entstand endlich jenes sonderbare Farbengemisch, das mir heilte in Brasilien sehm. Ein großer Theil der Neger nnd ihrer farbigen Nachkommen sind noch heute Sclaven; mau schätzt sie ans 2 Millionen, während die ganze Beuolkerung Brasiliens 8 — U Millionen betragen muß. Die Sclaverei ist in Brasilien sehr milde. Ich will nicht sagen, daft es nicht auch dort sehr rohe und grausame Herreu gebe; aber im Allgemeinen ist der Volkscharatter viel zu gutmüthig und nachsichtig, als daß die Sclaven besonders zu leiden hätten. Was ein wahrer Brasilianer ist, der vertauft keinen Sclaven (denn es wird dieß als Schande betrachtet), außer es wären unverbesserliche Trunkenbolde, Diebe, Weglänfer. Es kommt dieß daher nur dann vor, wenn wegen einer Erbschaftstheilung oder bei einem Fallissement dieser Schritt nicht vermieden werden kann. Endlich ist noch große Noth der Besitzer Ursache des Verkaufs von Sclaven. Eigentliche Sclauenhänolcr, d. h. Leute, die sich bloß mit Kauf nnd Verkanf von Sclaven beschäftigen, gibt es nirgends. Dagegen besteht in manchen Provinzen des Südens eine Negierungsuerordnnng, daß für jeden Sclaven, der aus der Provinz hinausverkauft wird, dem Verkäufer eine Snmme als Prämie bewilligt wird, während für jeden Sclaven, der von einer andern Provinz in diese eingeführt wird, eine hohe Abgabe zu bezahlen ist. Diese Provinzen, welche ohnehin die meisten Einwanderer haben, wollen anf solche Art sich nach und nach ihrer Sclaven entledigen und werden es anch in nicht zu ferner Zeit erreichen. Es stirbt >a lein Brasilianer, ohne daß er einen oder mehrere seiner Sklaven neiließe; ferner vermehren sich die Stlauen sehr wenig, nnd schließ' 24. Erster ?lbcnd, lich ha! in den nördlichen Provinzen die Cholera so unter denselben anfgeränmt, daß diejenigen, welche große Zucker- und Kaffeevflanzungen besitzen und deßhalb sehr viele Sklaven brauchen, selbe im ganzen Lande zusammen kaufen. Denn aus Afrika Sklaven herüberzubringen ist sehr streng verboten, und die Schiffe uud Gerichtsbehörden, welche eiu Sklavenschiff auffangen, bekommen solche Velohuuugeu, daß sie gewiß keines durchschlüpfen lassen. So sind denn auch in deu letzten zehn Iahreu, wie ich gehört habe, nur zwei solche Schiffe nach Brasilien gekommeu uud dort gleich aufgefangeu wordeu. Seitdem hat man nichts weiter gehört. Auch die Fremden könuen sich Sklaven kaufeu; uur die Einwandere^ welche sich in einer Kolonie uiederlassen, dürfen sich keine halten. Das ist sehr gut, denn die Sklaverei bringt viel Uebles mit sich: wo es Sklaven gibt, die arbeiten muffen, da schämen sich die Freien der Arbeit, damit sie nicht für Sklaven gehalten werden. Und Arbeit ist ja doch die größte Ehre und der höchste Gewinn für einen Mann. Nach dem Fanllmzen kommt daun der Hochmuth: man lernt Befehlens spielen; die Grausamkeit findet sich auch ein, und wo hübsche Sklaviuuen sind und viel Müssiggang, da verliert sich auch die Sittlichkeit. Nud ist einmal gemischtes Vlnt da, so gibt es anch viel böses Blut. Kurz, es ist recht gefchcidt, daft die Kolonisten keine Sklaven halten dürfen. Im Anfange, da verbietet sich freilich das Sklaveuhalten von felbft; denn es wird wohl uur sehr weuige Auswauderer gebeu, welche für einen Negerbnrschen 1000-1300 Fl. rhn. und für ein Mädchen 500 1<»0<> Fl. rhn. zu zahlen im Stande find. Und das ist doch der gewöhnliche Preis für arbeitstüchtige Sklaven; alte, kranke, versoffene oder fönst mit Fehlern behaftete kosten freilich weniger; aber wenn ein Sklave noch ein Handwerk versteht oder sonst besonders brauchbar ist, oder eiue Sklavin, besonders die hellfarbigen Mulattinnen, recht schön ist, so halten sie oft völlig uuerschwmgliche Preise. Da vergehl den armen Kolonisten die Brasilianische Volkstypen. Sklaven. Erster Abend. 25 Lust zum Ankaufe, und später, wenn sie zu Gelde gekommen sind, schiebt das Gesetz den Niegel vor und hindert so viel wie möglich, daß gutes deutsches Blut sich mit affenühnlichen Geschöpfen (denn das siud die Neger) vermenge. Auf dem Bilde, das ich Euch hier vorlege, seht Ihr Sklaven verschieden au Geschlecht, Farbe uud Veschäftiguug. Das siud Wasserträger, Obstuertaufer, Lastträger, und die geputzte Negerin im Vordergründe rechts ist eine vom Miuastamme, wie mau sie iu der Stadt Vahia zu Hunderten sieht. Ans mich haben die Neger immer einen unangenehmen Eindruck geinacht; fur's Erste haben, sie alle eiue sehr starke AnMwstung mit so unleidlichem Gernche, daß in jedem Hause, wo Neger siud, fortwährend Lavendel gebräunt wird, der einen betäubendeil Gcrnch verbreitet und so die Negerausdünstung uicht empfinden läßt. Ein Hund meldet einen Neger schon auf zweihuudert Schritt, während er Weiße erst auf sechzig bis achtzig Schritte anbellt. Tann sind sie dnmm, träge und boshaft; nnd das nicht allein die Sklaven, sondern anch die freien, Neger. Kurz, ich biu kein Freund von ihnen, so wenig als von den dunklen Mnlatten. Dagegen sind die lichten Mulatten sehr talentvolle uud geschickte Menschen, uud besouders die Mädchen siud häufig große Schönheiten. Manche siud weißer als viele sogenannte Weiße, uud es wäre eigentlich meiner Ausicht nach das Rechte, jeden Mulatten für frei zu erklären. Danuu iu Brasilien iu der Hautfarbe so viele Schattirnngen bestehen, daß sie an uud für sich keinen Anhaltsvuukt gibt, ob sie Freie oder Sklaven siud, so besteht das Gesetz und der Brauch, daß die Sklaveu barfnß gehen müssen; darin sucht mau deu Unterschied. Ich erzähle Euch das, weil mau hierzulaude häufig barfnß geht, was dem Nuswauderer drüben manche Mißdentuug zuzieht, anch höchst ungefuud und im Walde wegen der Schlangen, Spinnen, Baumstümpfe, Dornen :e. sogar gefährlich ist. Noch will ich Ench sagen, daß man deu Neger drüben 1'rew 26 Erster Abend. (Schwarzer), den Mulatten I'lu'äo (Gelber) nennt; ein Negerjunge heißt Noi6qu6 (sprich: „Molek"). Nach diesen kommt noch die vierte Klasse der Bevölkerung; das sind diejenigen fremden Einwanderer, die im Lande sich für immer anzusiedeln suchen. Denn von Denen, die bloß hinübergehen, um ein kleines oder großes Vermögen zusammen zn schlagen uud damit wieder heimzukehren, lohnt es nicht, Euch viel zu erzählen. Das sind die fremdeu Kanfleute, die blos im Großen handeln und mit denen nnsereins wenig zu thuu hat, dann die meisten Portugiesen und dergleichen. Wahre Einwanderer sind zumeist die Dentschen, die auch darum vou der Negierung so gesucht sind. So gibt es in Brasilieu wohl au die zwanzigtanfend Franzosen; aber nicht fünfhundert unter ihnen lassen sich bleibend nieder nnd nicht zweihundert treiben Ackerban. Englische Kanflente, Fabrikanten, Ingenieure, Industrielle aller Art gibt es eine Menge, aber englische Ackerbauer uicht hundert. Dagegen sind nnter dreißig- bis vierzigtausend Dentschcn gewiß drei Viertel Ackerbauer; uud fast iu demselben Verhältnisse stehen die Schweizer. Uno wer einmal seine eigenen Felder bant und ihr Gedeiheil sieht, welches das seinige hervorruft, wer seine Kinder ans dein eigenen Grund und Boden frisch nnd stark heranwachsen sieht, frei von aller Schererei im alten Heimatlande, nnn, der hat vielleicht dann und wann eine wahre Sehnsncht nach der Heimat, aber auf immer dahin Zurückkehren mag er nicht. Seht, ich bin jetzt im eilften Jahre fort, und wie ich so meine Arbeit gedeihen und mein Hab und Gut wachsen sah, da sehnte ich mich hierher, um Euch uud das alte ^and wieder zu sehen, um Euch zu zeigen, daß es mir hier nnr an Gelegenheit uud Platz fehlte, ein ebenso tüchtiger Mensch zu werdeu, als ich drüben geworden bin, und Euch endlich zu zeigen, wie wohl es uns drüben gehe. Aber jetzt, uachdem ick) das gethan, gehe ich gern wieder fort, ja es zieht mich gewaltig nach meinem Hause, wo ich mein eigener Herr bin, wo ich von Niemandem über die Achsel angesehen werde, wo ich Brasilianische Volkstypen. Dentsehe Colonisten zur Kirche gehend, Grster Abend. 27 unbestritten der Herr Georg bin nnd mein Weib die Frau Liese ist und wo meine Kinder, wenn sie wollen nnd sonst das Zeug dazu haben, Depntirte nnd Minister, Richter und Generale werden können; wo es keinen Erbadel gibt und keine privilegirten Beamten, wo das Militär eine gar bescheidene Nolle spielt nnd die Klerisei nichts weniger als bigott ist; wo endlich der beste Titel ein freier Mann ist, und das Allerbeste, ein Vermögen, das uns alle vor Noth und Elend ans immer sichert und nns Ansehen verschafft, dnrch Fleiß, Sparsamkeit und Umsicht auch ohne eil: Grnndcapital erworben wird. Die Dentschen sind in Brasilien im Allgemeinen beliebt nnd gelten als ehrliche, arbeitstüchtige Leute; sie würden sich aber noch höherer Achtnng erfrenen, wenn sie weniger tränken und verträglicher wären. Leider ist das Erste, was ein Deutscher thut, wenn er zu Gelde kommt, einen Prozeß anzufangen. Aus der Unverträglichkeit entspringt die Uneinigkeit, nnd die hat schon manche böse Frucht getragen. So z. V. ist in der Prouinz Rio Grande do Snl eine alte dcntsche Kolonie, die schon 1824 gegründet wnrde. Die war denn wacker aufgeblüht und war reich und ansehnlich geworden, so daß sie endlich der Hafer stach. Da brach 1834 in der Provinz ein Anfstand ans nnd zwar wollten die reichen Viehzüchter die Republik, während die Städte bei dem Kaiserreiche bleiben wollten. Beide Theile boten der Kolonie an, neutral zu bleiben; die Kolo-nisten sollten als Fremde, denen der ganze Handel gleichgültig sein konnte, dem Kampfe fremd bleiben und beiden Parteien Lebensmittel und sonstige Bedürfnisse zuführen dürfeu. Wären sie klug genng gewesen, so konnten sie den ganzen Handel der Provinz an sich reißen und jetzt als Millionäre dastehen. Aber nein; erst reizte den Director der Hochnmthstenfel nnd er warb für die Kaiserlichen; dann warb der Ortsgeistliche, der Mann des Friedens, für die Repnblik; im Nu war dieKolouie, die schon damals au die siebentausend Köpfe zählen mochte, in zwei Lager getheilt, die Vewohner raubten und erschlugen sich gegenseitig ihr Vieh, verbrannten die Häuser, plünderten und mordeten, und das durch volle neun Jahre 28 Erster Abend. bis 1843, wo dann beim Friedensschlüsse kaum eine Klaue Vieh in der Kolonie mehr zu finden war, so daß die Kolonisten nach fast zwanzig Jahren wieder von vorn anfangen mußten. Aber so gut ist der Boden uud die Lage, daß sie jetzt reicher sind, als je, und daß sie sich so tragen und halten können, wie Ihr auf diesen beiden Bildern seht, wo die Einen zu Fuße von der Kirche zurückkehren, während die Andern zum Tanze reiten. Seht einmal dagegen die Dirnen und Bursche Eurer Gegend in ihren: Sonntagsstaate an. In Brasilien lebt eine Menge Deutsche verstreut, und wenn ich die Nordprovinzen nicht in Betracht ziehe, so kann ich sagen, daß man von Rio de Janeiro südlich und südwestlich in jedem Orte Deutsche findet, so daß ein Deutscher ohne ein Wort der Landessprache, der portugiesischen, zu kennen, bis an die spanische Grenze reisen kann. Indeß sind nicht alle Deutschen auch gnte Landsleute; jeder Einwanderer soll sich vor ihnen oder eigentlich vor ihren Rathschlägen hüten. Ich will damit nicht sagen, daß die, welchen der Einwanderer gleich bei seiner Ankunft begegnet, Schufte sind, die ihn betrügen und bestehlen wollen. Nein, sie schaden hauptsächlich durch Unverstand; Jeder sieht die Welt durch seine Augen und wenn man hundert Menschen fragt, so hört man hundert verschiedene Urtheile. Auch will Jeder bei den Neuankommenden für ganz entsetzlich klug gelten und plappert sich nun in die Menschenmöglichkeit hinein. Ist der Einwanderer nun so dumm, auf solche Reden was zu geben, so hat er selbst später die Folgen zu tragen; der gute Rath-geber wird sich bald verlieren und ihn seinem Schicksale überlassen. Ich rathe daher Jedem, daß er erst sich fest für das Eine oder Andere entscheide, bevor er auswandert; hat er sich dann entschlossen und geht einen Contract ein, so muß er nicht bloß als ein ehrlicher Mann bei seinem Worte bleiben, sondern er kann auch nichts Klügeres thun. Lehrgeld geben muß Jeder, aber der, welcher einmal gefchte Entschlüsse wechselt, muß es doppelt und dreifach geben. Brasilianische Volkstypen. Deutsche Colonisten. Kitt zum Tanze, Erster Abend. 29 Hat ein Einwanderer erst einmal oin Jahr im Lande, das Lehrjahr, bestanden, so wird er schon so viel sselernt haben, nm das, was ihm paßt, nnterscheiden zn können, nnd einen Vontrakt zu lösen, gibt es noch erlanbte Mittel nnd Wege genng, ohne daß Einer sein Wort zn brechen brancht oder an einen nngimstigen Contrakt gebnnden bleiben nlnsi. Für hente aber dächteich, hätten wir genng; ans morden denn! Zweiter Mend. Wanuu Hamburg früher fast alle Auswanderer nach Brasilien allcin befördertem was Schuld ist, daß es gegenwärtig nicht mehr so ist? — Georg's Vorliebe für Hamburg. Robert Eloman's Echiffsc^peditionen nach Blumenau und D. Francisa zu ermäßigten Preisen.— Wer soll über Hambnrg reisen?__ 'An wen soll man sich da wenden? — Die Hamburger Gcset/e für Au5-waildererschisse. — Die Auswandererbehörde. — Logiswirthe uild ihre Preise. — Vlech- und Bettwaarcnprcise. — Fahrpnisermäsngungen. — Kücheneinrichtlingen an Nord. — Die Beförderung über (>öln und 'Ant» wcrpcn. — Untcrtunfts- und Waarenpreise in Antwerpen. — Belgische Gesetze über Answandcrertransporr, — Vorzügliches Verfahren Stemmann's und Compagnie in Betreff der Verpflegung an Vord. — Der Antwerpner Haftn. — Ueberfahrtspreise. — Fahrpreisermäßigung ans den rheinischen Dampfbooten und Eisenbahnen. — Ist die Beförderung mittelst Dampfschiff oder Eisenbahn vorzuziehen? — Der Auswanoerewerkehr im Südosten Deutschlands. — Ich habe Euch am Sonntage erzählt, daß ich mich in Hamburg nach Brasilien einschiffte. Nie ich dorthin kau: und wie ich in der alten Stadt untergebracht wnrde, was wir für Proviant auf das Schiff bekamen, das weiß ich wol so ziemlich noch; aber es könute keinen: fo viel nützen, weuu ich es erzählen wollte; es hat sich in den letzten zehn Jahren fo viel daran geändert. Doch will ich nnr Eines erwähnen; dazumal ging fast der ganze Auswandererzug über Hamburg, ganz besonders aber alle sogenannten Parcerie - Kolonisten, wie ich einer war. Was damals andere Häfen an Auswanderern nach Brasilien beförderten, war nicht der Rede werth; das war für Hamburg, so reich es ist, ein ganz artiger Gewinn. Ich weiß nicht, wie es kam, daß es seitdem mit Hamburg anders geworden ist; vielleicht hat mall zuviel verdienen wollen. Zwciter Abend. 31 Von uns hatte jeder Erwachsene 70 Thaler — 120 Fl. rhn. Passagegeld zn entrichten, was zwar augenblicklich unsere Gutsbesitzer für uns auslegten, aber doch von uns später zurückerhalten nachten. Oder es liegt die Schnld darin, daß die Hambnrger reichen Kaufherren und Schiffsrheder uicht fortfuhren, regell Autheil au der brasiliauischeu Kolonisation zu nehmen, wie sie zu den Glanzzeiten der Gründer von Dona Francisca gethan. Wahr ist es, daß diese Kolonie nie etwas tragen wird; aber die Schnld liegt an der nn-praktischen Art ihrer Gründung und das kann doch kein Veweggrnnd sein, die Betheiligung an der Kolonisation überhaupt aufzugeben; Lehrgeld muß ja Jeder zahlen. Ich wüßte scholl ein System, das zn gleicher Zeit für die Actionäre einträglich wäre und schnelleu, blühendeu Wohlstand für die Kolonisten znr Folge haben müßte. Dem sei, wie ihm wolle; Thatsache ist nnd bleibt es, daß die AnZwündererbefördcrlmg über Hamburg bedeutend abgenommen hat und daß das so viel kleinere Antwerpen ihm vollständig den Rang abzulaufeu fcheiut. Der Mensch hängt im Allgemeinen an dem, was er erprobt hat, uud fo liebe ich Hamburg, weil ich es kenue, und hege eine Vorliebe für die Beförderung von dort ans, weil ich sie mitgemacht und so an nur selbst kennen gelernt habe, uud ich muß sagen, die Verpflegung war reichlich und die Behandlung gnt. Diefer Vorliebe ungeachtet kann ich aber nicht blind bleiben yeyen die Vorzüge, welche die Beförderung über Antwerpen bietet, und ich wäre kein ehrlicher Mann, wenn ich sie verschwiege. Für's Erste befördert gegenwärtig in Hamburg uur das Rhedor-haus Robert Sloman Auswauderer nach Brasilien, wenigstens so viel ich davon weih. Auch dieses Haus richtet uur Fahrten nach den Kolouieeu Blumenau nnd D. Francisca ein, wobei den Passagieren alls den Grund hin, daß die brasilianische Regierung diesen Kolonieen einen beträchtlichen Reisezuschuß per Kopf bewilligt, die Preise ziemlich niedrig, uümlich auf 53 Thaler preuß. für jede Persou aus dem Bauern-, Arbeiter-und Handwerkerstande über 50 Jahre, für 3I Zweiter Abend. jode dergleichen Person von 10 bis 50 Jahren anf 28 Thaler und für jedes Kind von I bis 10 Jahren auf 13 Thaler, berechnet werden. Auch nach Nio Grande do Sul, wo die Provinzrcgierung ebenfalls bedeutende Neisevergütungen leistet, sendet dieses Haus von Zeit zu Zeit ein Schiff. Im Allgemeinen gilt die Negel, das; die norddeutschen Auswanderer, die Pommern, Märker, Sachsen, ja selbst die Böhmen 2c. am besten thun, über Hamburg zu gehen, wenn sie sich für Et. Katharina, Blumenau, D. Francisca oder Nio Grande do Sul entscheiden. Den der Elbe nahe wohnenden Auswanderern kommt der Transport ans diesem Flusse ganz besonders zu statten, sowohl wegen der Wohlfeilheit der Fracht und der Personeu-Preise, als auch deschalb, weil ihre Bagage gleich vom Flußschiffe anf das Seeschiff verladen werden kann, also das vielfache Herumwerfen auf den Bahnhöfen und Frachtwagen erspart wird. Wollen die Leute aber nur uach Brasilien überhaupt, ohue sich an eine bestimmte Kolonie zu binden, oder nach irgend einer Ne-gierungskolouie, so ist leider der obenangcdeutcten Ursachen wegen heutzutage der Transport über Hamburg zu theuer uud der Unterschied iu der Seepassage, welche man gegenwärtig über Anlwerpeu bezahlt, wiegt die erhöhteu Kosteu der Landreise wenigstens für alle Diejenigen auf, die westwärts der Werra wohnen. Will aber Jemand nach einem der drei genannten Plätze über Hamburg gehen, so möge er sich schriftlich an die Herren Donati nnd Eomv., Schiffs-Expedienten in Hamburg, unmittelbar oder an die nächstgelegene Agentur derselben, wenden, welche die Ein zigen sind, die für Herrn Robert At. Sloman's Schiffe Passagiere aufzunehmen befugt find. Herr Douati ist durch langjährige Erfahrungen mit dem Auswanderer - Expeditionswesen sehr bekannt und erfrent sich überall eines sehr günstigen Nnfes; er wird gewiß alle-? Mögliche anwenden, nm den Answauderem und ihren Wünschen gerecht zu werdeu. Zweiter Abcnd. 33 Thatsache ist es, daß über die Eloman'schen, von Donati nnd Comv. expedirten Schiffe bis jetzt keine Klage vorgekommen ist, wol aber häufig Danksagungen an die Firma einliefen oder in Zeitungen veröffentlicht wnrden. In Hamburg bestehen sehr strenge Verordnungen, die Passagiere, ihre Vehandlnng nnd Verköstignng während der Seefahrt betreffend. Mr jeden Passagier mnß anf dem Verdeck 13 ÜÜ Fnß Nanm sein und die Bettstellen müssen 6' lang und bei uier Mann ebenso breit sein. Besonders gilt umß die Ventilation besorgt und für mehr als 125) Pcrsouen müssen uier Abtritte vorhanden sein. Proviant muß anf der Reise nach Brasilien für 1c; Wochen an Vord genommen werden. Der Proviant muß bestehen für jede Person ans: 32'/2 Pfnnd gesalzenes Ochsenfleisch oder 24 Pfund gesalzenes oder 16'/t Pfund geränchertes Schweine-fleisch, 13 „ gesalzener Speck, 65 „ Neißbrod (Zwieback), wovon 10 Pfnnd Schwarzbrod sein dürfen, 4'/» „ Butter, 45'/2 „ Weizenmehl, Graupen, Erbsen, Bohnen, Neis, Pflanmen, Sauerkraut, 0^/2 Spiut Kartoffeln oder s>'/^ Pfnnd trockenes Gemüse, wenn sie nicht haltbar sind, I V2 Pfund Syrnp, i'/z „ Kaffee, '/^ „ Thee, 3 Quart Essig, 1'/3 Oxhoft Wasser, ferner noch für Kranke und Kinder ein hinreichendes Quantmn Wein, Zucker, Sago, Grütze nnd Medicainente; an Feuerung zmn Kochen für 100 Passagiere 2 Last Steinkohlen uud 3 Faden Holz-, ferner Besen und Weinessig znm Räuchern des Zwischendecks; das nöthige Nrennöl für 2 starke Laternen im Zwischendeck. 34 Zweiter Abend. Dabei werden im Naum, Proviant und Ausrüstung 2 Kinder unter 8 Jahren für einen Passagier gerechnet; Säuglinge nnter 12 Monaten zählen nicht. Darum ist es für die Auswanderer durchaus nöthig, Taufscheine mitzubringen. Der Expedient muß das Schiff versichern lassen, damit, falls das Schiff ein Unglück treffen sollte, die Passagiere untergebracht und verköstigt und endlich an ihr Ziel geschafft werden. Ferner ist der Expedient schuldig, dm angegebenen Abfahrtstag genau einzuhalten, oder die Passagiere an Bord oder am Lande unterzubringen und zu verköstigen, oder ihnen pm- Kopf für jeden Tag der Verzögerung 12 Schillinge H. Crt., was gleich 9 Silbergroschen ist, zu bezahlen. Die abgeschlossenen Contrakte müssen den Passagieren, wenn sie es verlangen, in deutscher Sprache gegeben werden. Hat der Passagier Beschwerden vor Abgang des Schisses, fo muß er sich an den Polizeiherrn in Hamburg wenden; nach der Reise wendet er sich an das nächste hamburgische Consulat. In Hamburg besteht ferner eine Behörde zum Schutze der Auswanderer, in deren Bureau (Erste Vorsetzeu im Hafeu ^VK:;.) der Auswanderer alle Auskünfte und Belehrung, deren er bedarf, erhält. Auch auf dem Bahnhofe, foivie an der Harburger Landungs-brücke schon findet sich ein Zweigburean. Um aber die Auswanderer vor Prellereien in Hambnrg zu bewahren, erhalten sie fchon auf der Eisenbahn die Karte dieser Behörde worauf ihnen mitgetheilt wird, daß beeidigte Beamte ihnen unentgeltlich Auskunft geben über: 1. Gutes uud billiges Logis unter Mittheilung der festen Taxen. 2. Ueber Namen und Wohnungen der coucessiomrten Schiffs- Expedienten. 3. Ueber Namen uud Wohnungen von Geldwechslern, bei denen sie ihr Geld zu deu günstigsten Cursen umwechseln können. 4. Ueber die Durchschnittspreise der gewöhnlichen Bedürfnisse der Auswanderer an Blechgeschirr, Matratzen, wollenen Decken 2c. Zweitcr Abend. 35 Dieselben,Beamten geben den Auswanderern 5. Gedruckte Rathschläge über ihr Verhalten bei der Ankunft an überseeischen Landungsplätzen; sie sind den Auswanderern 6. zur rascheren Erledigung etwaiger Beschwerden behilflich. Die besten Logirhänser für Auswanderer sind folgende: 1. Louis Fries, 1. Nenmannstraße .4?.. 22. 3. Hoffmann und Langhein, Kajen ^ 38. 3. Meyer und Comp., Grasbroot, Ecke der Brookthorstraße. 4. Steinhardt's Nachfolger, Lange Neihe ^ 17 am Hafen. Diese Logirhänser haben Sgr. N Sgr. 2 Sgr. 1 Sgl. oa. 1 Sgr. oa. 1 Sgr. 1 kr. 75 e. 50 o. 24 o. ,<0 o. 15 «. 8 Egr. tt Sgr. 4S^r. 2 Sgr. 2^/2 Eczr. 4 Sgv. ,^ 1 lr. 25 0. I fr. 75 0. 3!i 0. 45» 0. 45 «. 10 Sgr. 8Egr. <>Sgr. .' Sgr. <> Sgr. . 5.50 '2"kr^ 1^25 " 1.50 72 «. 90 0. W e. 4 4 S gr. 1N Sgr. 10 S gr, 12 ^- gr. 0 S gr. 7 Sgr. 7 ^ gr. .'" „^ ' "li kr.^ l' 2 kr. 1.25 1.75 84 0. ' 1.1>5 ! 1.05 ^ 48 Sgr. Ki Egr, wSgr. 14 Sgr. 7 ^gr. 8 ^gr. ' >> Sgr. 6 kr. 2.50 1,25 2 kr. <)<>«. 1.20 ! 1.20 6 48 Sgr. 20 Sgr. 10Sgr. ittSgr, 8^gr. 10 Sgr. l 10 ^gr. ^ U kr? 2.50 1.25 ^2?2'5 1,08 1.Ü5 1^5^ ^ 48 Sgr. 20 Sgr. 10Sgr 18 Sgr. 9 Sgr. 11 Sgr. 11 Sgr. ., ' <;,5u' 2Ä sl25 2.50 1,20 1.50 1.50 ^ ^' 52 Egr. 20 Sgr. 10Sgr. 20>i-gr. U^gr 12 Sgr. ^2<-gr. ^ <'..50 4kr. 7,25 2,75 1.li2 1/>5 ^ 1,<;5 ' 52 Sgr. .^2 Sgr. 10Sgr, 22Sgr, N Sgi, 1!j ^gr. Ili Sgr. ti,50^ 4 kr. 1^25^ '^j kr. s.44 IM 1,80 52 Sgr. :<2 Sgr. 10'^gr. 24Sgr, 12Egr, 14 Egr. 14 Egr. ^7." Hgr. 13Sgr. iti Egr. 1<> Sgr. ^T^ 0,50 4 kr. 1,25 N.50 1,68 2,10 2.10 52 Sgr. -^2 Egr, 10Sgr, 28Tgr. 14^gr. 17 Sgr. 17 Egr. " ,^ tt.5N 4 tr. 1^25 ":i.75 ^801 2,25 2.25 ' 52 Sar. !!2 Sgr, 10^qr. 1 Thlr, i5S^r. !8 ^qv. 18 Sgr. ^ichltöpfe sowc!,!, alv< '^^aschl'eckcn iverden entweder sür jede Person cin^eln oder ^u genic!!,sch^st!iche,n l^edrauche nütgenonnncn und sind deshalb nur in der eine» ^rößc vorhanden. Erstere kosten 1 kr. — 8 Sgr., lekterc 50 0. — 4 Sgr, da>? Stück. 42 Zweitcr Abend. Oewe h r e. Ebenfalls bei Delvaux und Gysels. 1 einläufige Flinte 10 ^ 12 Fr. — 80 - 96 Sgr. 1 dito mit Patentkammer 16 Fr. — 128 Sgr. 1 dito mit Nandlauf 20 Fr. — 160 Sgr. I doppelläufige Flinte 22 Fr. — 176 Sgr. I dito mit Patentkammer 30 Fr. — 240 Sgr. I dito mit Bandläufeu 40 Fr. — 320 Sgr. 1 dito Büchsflinte (1 Lauf gezogen, der andere glatt) 35—45 Fr. — 280 — 360 Sgr. 1 doppelläufige I^tauÄitmx (hinten zu laden) 100—450 Fr. — 27 — 94 Thlr. 1 sechs läufiger Pistou - Revolver 40 ^ 50 Fr. — 320—400 Sgr. 1 sechsläusiger I^tauMoux- Revolver 45 — 65 Fr. — 360 — 520 Sgr. Dabei muß bemerkt werden, daß Belgien in Bezng anf Solidität und Nohlfeilheit der Gewehre einzig dasteht und die in Antwerpen angekauften Waffen den besonders im Süden Deutschlands so häusig anzutreffenden Schießprügeln bedeutend vorzuzieheu sind, auch viel billiger kommen, und cudlich dadurch, daß man diese Waffen erst in Antwerpen ankauft, alle Scherereien wegen Waffen-passes :c., sowie die Unannehmlichkeiten des Transportes und die Kosten der Verpackung vermieden werden. Den Morgen nach der Ankunft begeben sich die Answauderer auf das Bureall der Herren Steinmann und Comp., wo sie ihre Pässe und sonstigen Papiere abgeben, deren Vidirung 2c. von diesem Hanse bei der belgischen Behörde sowohl, als dem brasilianischen Consul gänzlich unentgeltlich besorgt wird. Hiebei ist zu bemerken, daß es nicht einmal nothwendig ist, daß die Auswanderer sich mit einem Reisepässe versehen; es genügt ein einfaches Lenmunds-zeuguiß vom Bürgermeister oder Pastor des Ortes. Die belgischen Borschriften für Unterbringung und Verprovian-tirung der Auswanderer auf den Schiffen sind wo möglich noch sorgfältiger, als die Hainburger, die ich früher erwähnt habe. Zweiter Abcnd. 43 Die Verproviantirnng der nach Brasilien gehenden Schiffe hat auf 84 Tage Reisedauer zn geschehen (von Hamburg auf 91 Tage). Die Wasservorräthe müssen zu zwei Drittel nnter Deck, also gegen das schnelle Verderben dnrch die Sonnenhitze geschützt sein. An Vord jedes Schiffes muß eine Medicamentenkiste und eine Anweisuug zu deren Gcbranche vorhanden sein. Die Auswanderer können Lebensmittel und Getränke für ihren Gebrauch mitnehmen; sie haben ferner das Recht, schon 8 Tage vor der bestimmten Abfahrt am Vord des Schiffes zu wohnen, müssen jedoch die in dieser Zeit gelieferte Verpflegung, Heizung und Licht besonders bezahlen. Für je 5 Tonnen Ladungsranm können nnr zwei Auswanderer eingeschifft werden. Kinder unter einem Jahre haben keinen Anspruch. Kinder bis zu vollendetem 7. Jahre bekommen halbe Nation, die uon 8—12 Jahren '/^ und die Erwachsenen ganze Nation. Diese Nation besteht für die Reise nach Vralllien aus: 30 Pfund Schiffszwicback. 18 Reis. 18 „ Gerstengraupe. 12 Mehl. 10 Hülsenfrüchte. 12 „ Speck. 12 eingesalzenes Rindfleisch. «0 „ Kartoffeln. '/2 „ Kaffee. 2 Salz. 2 '/< Liter Essig. Liter Wasser. In Betreff der trockenen Gemüse kann ein Artikel statt des an-"eru genommen werden; nnr muß die Totalsumme von Reis, Graupen, ^tehl und HiUsenfrüchten stets 64 Pfund betvagen. Ferner kmmeu '" dor Zeit, wo die Kartoffeln uicht haltbar siud, au ihrer Statt 44 Zweiter Abend. Trockengemüse gegeben werden, und zwar für je 5 Pfnnd Kartoffeln 1 Pfund Trockengemüse. Ebenso können statt der Hülsenfrüchte Kartoffeln eingeschifft werden nnd zwar statt 15 Pfnnd Hnlsenfrüchte KO Pfnnd Kartoffeln. Der Vergleich dieser Nationen mit den in Hamburg gelieferten zeigt eine Verminderung an Rindfleisch und Speck um 21 '/^ Pfund, wahrend ein Mehr von 17'/« Pf. Trockengemüseu besteht; auch an Zwieback wird in Antwerpen gesetzlich um 29 Pf. weniger gegeben, sowie gar keine Butter/ und doch sind die auf Antwerpner Schiffen Beförderten mit ihrer Verpflegung zufriedener, als die auf Ham-bnrger Fahrzeugen expedirten Auswanderer. Der Gründe dafür sind zwei: Für's Erste liefert das Haus Steiumann uud Vomp. mehr Lebensmittcl, als die gesetzlich vorgeschriebenen. So habe ich gesehen, daß auf dem am 31. März 1862 nach Rio de Janeiro expedirten Schiffe Emma, Capitän Herboth, 32 Answanderer außer dem ihnen gesetzlich gebührenden Prouiante noch 400 Pf. Reis, 120 Pf. frisches Fleisch (für die ersten Tage), 14 Pf. Kaffee, 200 Pf. Zwieback und. 10 Liter Essig mehr erhielten, also, statt für 84 Tage, auf 96 Tage uerproviantirt wurden. Der zweite und wichtigere Grund besteht aber in der richtigen Anffassnng des Auswanderer-Verpflegnngswesens zur See seitens der Herren Steinmann nnd Eomp. Das eingepökelte Rind- und Schweinefleisch ist dem deutschen Binnenländer ebenso znwider nnd nngewohnt, als es dem norw dentschen, überhaupt jeden: Seemann Bedürfniß und angenehm ist, besonders wenn es so vortrefflich in Qualität und Bereitung ist, als das mit Recht berühmte Hamburger Fleisch. Der Magen, ohnehin durch die Seekrankheit geschwächt, vermag diese derbe Nahrnng nicht so gut zu verdauen, uud häufig sind Krankheiten au Bord die Folge davon. Ein weiterer Uebelstand wird bei den von Steimuanu uud (5omv. beförderten Schissen dadurch beseitigt, daß dort der Capitän dem Chef jeder Familie (die ledigen Allswanderer werden immer Zweiter Abend. 45 Familien zugetheilt) die wöchentliche Ration für dieselbe schergibt. Dabei ist es jodeln Schiffscapitän zur Pflicht gemacht, eine Quittung der Auswanderer über die richtige Anstheilnng der Lebensmittel, an dieselben beizubringen. Einige von den Passagieren selbst gewählte Vertrauensmänner überwachen diese Anstheilung nach dein ihnen von Steinmann und Comv. übergebenen Lebensmittelschein. Was die Leute in Folge von Seekrankheit, Uebersättigung?c. nicht verzehren, ist, wie sich's gebührt, ihr Eigenthum und nicht, wie auf andern Schiffen, das des Cavitäus. So ereignet sich bei dm von Steinmaun u. Eomv. beförderten Auswauderern sehr häufig der Fall, daß sie uoch gauze Säcke Prouiaut an's Land mituehmcu, als willkommene Anshillfe für die erste Zeit des Kolonistenlebens. Endlich haben Steinmann uud Comv. die uicht genug zu empfehlende Einrichtung getroffen, daß die Schiffsküche einen Herd enthält, der so viele Kochlöcher hat, als Familien an Bord sind; auf diesen kocht nicht der Schiffskoch, sondern jede Familie für sich, uud sie siud also nicht einen: tyrannischen Speisezettel unterworfen, der ihrem Gehör wie ihrem Magen gänzlich fremd ist, sondern können kochen, wenn sie wollen, was sie gerade wünschen und wozu der gelieferte oder alleufalls vou ihneu selbst mitgenommene Proviant reicht. An stürmischen Tagen kochen sie weniger, an heitern mehr, kurz uach ihrem Bedürfniß, was besonders angenehm für Familien nüt kleinen Kindern ist. Auch ist der daraus entspringende Vortheil nicht gering zn achten, daß Mädchen und Frauen eine passende Be-schüftignng bekommen, die der sonst vom Mnssiggang nnd der Langeweile so sehr begünstigten Unsittlichkeit entgegenarbeitet. Es ist wohl wahr, daß durch diese Einrichtuug des Selbstkochens die Auswanderer genöthigt sind, mehr Anschaffungen zu macheu, als soust nöthig wäre, so z. N. einen Kochkessel und Knffeekessel zu kaufen. Beobachten sie aber die nöthige Vorsicht, selbe von starkem Bleche zu beschaffen, so wird dergleichen Hausrath bei ihrer Niederlassung ihnen sehr zu Statten kommen. Ich muß es anssprechen, daß ich viele Auswanderer gesprochen 46 Zweiter Abend. habe, die dieß Verfahren der Herren Steinmann und Comp. nicht genng rühmen können. Gewiß ist aber die ganze Einrichtung anf die genaueste Kenntniß der Wünsche und Bedürfnisse des Auswanderers gegründet, was beweist, daß diese Herren sich die Mühe gaben, dieselben zu studireu und ihnen Rechnung zu tragen. Wollten die andern Nheder uud Expedienten ihrem Beispiele folgen, die Seereise verlöre die Hälfte ihrer Schrecken. Zur Ueberwachung der guten Verproviantiruug und Ausrüstuug der Schiffe, zur Prüfuug der zum Auswanderertransport gewählteu Fahrzeuge, so wie zur Schlichtung etwaiger Differenzen zwischen Auswanderen! uud Expedienten besteht in Antwerpen eine eigene Auswanderungs - Commission, die wieder unter der Controlle der o0iuini88i0ii 8up6i-i6ur6, an deren Spitze der Gouverneur der Pro-viuz steht, sich befindet. Die Auswanderungs - Commission ist sehr streng, wie vielleicht in keinem Hafen Enropa's. Der Hafen von Antwerpen ist überdies; für den Auswanderer sehr bequem eingerichtet. Die Schisse kommen, um ihre Ladung und die Passagiere einzunehmen, in das große Bassin uud legen au dem Hafendamme so an, daß Kinder und Weiber bequem und gefahrlos ein- uud aussteigen und die Leute ihr Gepäck selbst an Vord tragen können. Erst wenn das Schiff feine Passagiere und Ladung aufgenommen, legt es auf die Schelde hinaus, erhält einen ärztlichen Befuch und geht dann unter Segel. Anch ill Antwerpen mnß der Expedient die Passage uud Lebens-mittel der Auswanderer versichern lassen, damit im Falle eines Nu-glucks die Auswanderer verpflegt, untergebracht und an das Ziel ihrer Reife befördert werden. Der Passagepreis von Antwerpen nach Rio de Janeiro beträgt im Zwischendeck für jedeu Erwachseneu 180^200 Frauken — 48 — 53 Thaler, und für jedes Kind von 1 — 10 Jahren 100 — 120 Franken ^ 57 — 32 Thaler. Da aber die brasilianische Negierung für jeden Kopf einen bedeutenden Reifezuschuß vergütet, so stellt sich der Ueberfahrtsprcis bei Zweiter Abend'. 47 Erwachsenen über 10 Jahre auf 120 — 150 Fr. — 33—40 Thlr., bei Kindern von 1 —10 Jahren auf 70 — 80 Fr. — 19 — 22 Thlr. Säuglinge sind frei. Dieß gilt sowohl von Rio de Janeiro, als auch von Sta. Ea-tharina, wohin ebenfalls von Zeit zu Zeit Schiffe abgehen, was allemal in den Zeitungen lange voraus angezeigt wird. Auch nach Rio Grande do Snl gehen von Zeit zu Zeit Schiffe, und es hat das Haus Steimnann und Eomv. einen Eontrakt mit der Prouinzregierung geschlossen, der es ermächtigt, jährlich 100 Familien einen Reiseznschnß zu bewilligen, der es möglich macht, die Ueberfahrtspreise folgendermaßen zu stellen: für Personen über 45 Jahre 210 — 230 Fr. — 56 — 61 Thlr. 10 Egr. für Personen von 10 — 45 Jahren 165 — 190 Fr. — 44 — 51 Thlr. für Kinder von 1 — 10 Iahreu 85 —100 Fr. — 23 —27 Thlr. Kinder unter einem Jahre sind frei. Es erübrigt jetzt nnr noch, einen Blick auf die Ermäßigungen beim Transporte der Allswanderer anf Eisenbahnen und Dampfs schiffen zu werfen. Die Rheindampfboote berechnen den Answanoerern: Von Mannheim bis Köln 1 Thlr 15 Sgr. „ Worms „ „ 1 „11 „ Kinder „ Mainz „ „ 1 „ 3 „ von 1 bis 10 „ Ningen „ „ — „ 28 „ Jahren zahlen „ Voppard „ „ — „ 26 „ die Hälfte. „ Koblellz „ „ ^ „ 24 „ Auswanderer, welche von Mannheim, Wonns, Zitainz, Vingeu ^lach Cüln gehen, haben dazu täglich Gelegenheit theils mit Dampfern, lheils P61- Eisenbahn. Die Dampfboote gehen von Mannhenn um 6 Uhr, von Wonns UM 0^ — 7 Uhr ab und gelangen nach Cöln nach 9 Uhr Abends, ^a nun auch die Dampfboote von Mainz, Bingeu und Coblenz erst "w 4, 6, 7 und 9 Uhr Abends in Eöln eiittreffen, fo können die Answanderer an: selben Tage nicht mehr nach Antwerpen weiter reisen, 48 Zweiter Abend. sondern müssen in Cölu übernachten. Ans den Dampfbooten haben sie 200 Pfnno Gepäck frei. Die Eisenbahnzüge von Mannheim, Mainz, Biugerbrück fahren im Sommer wie folgt nach Cöln: Von Mainz: Morg. 6 Uhr 1« Min. Ankunft in Cöln nm 11 Uhr VM. Morg. 11 Uhr 40 Min. Ankunft in Cöln um 5 Uhr 15 M. Abends. Nur diese beiden Züge befördern Auswanderer mit 200 Pf. Freigewicht und zu ermäßigten Preisen. Die um 6 Uhr Morgens von Mainz abgehenden Auswanderer können Abends 9 Uhr in Antwerpen sein. Auf der Strecke Ludwigshafen - Maüiz besteht keine Ermäßigung; wohl aber sind 200 Pf. Freigewicht gewährt. Die französische Ost- nnd die pfälzischen Bahnen bewilligen von Basel aus bis Ludwigshafen Billete III. Classe zn 10 Fr. 40 o. — 3 Thlr. 24 Sgr. und 100 Pf. Freigewicht. Kinder mtter 8 Jahren sind frei, haben aber auch kein Freigewicht. Die badischen Eisenbahnen gewähren von: Fahrpreise III. Classe ein Viertel Nachlaß und ein Freigewicht von 200 Pfnnd. Die hessische Ludwigsbahn, von Mainz bis Ningen, gewährt ein Drittel Nachlaß nnd 200 Pfund Freigewicht. Kinder nnter 10 Jahren zahlen die Hälfte, Säuglinge sind frei. Von Vingerbrück bis Cöln zahlen die Auswanderer nur die Hälfte des Fahrpreises III. Classe, also 1 Thaler, Kinder unter 10 Jahren die Hälfte, Säuglinge frei, 900 Pf. Freigewicht. Meiner bescheidenen Meinnng nach ist für Auswanderer aus den: Oberlande der Transport psr Dampfschiff, seiner Wohlfeilheit wegen, der Gifenbahnbefördernng weitaus vorzuzieheu; auch geniren die häusigen Wagenwechfel, so wie das oftmalige Umladen des Gepäcks. Freilich haben meine Mittheilungen eine arge Lücke; der ganze Südosten Deutschlauds ist mit seinen Verkehrsmitteln anßer Be-rechnnng geblieben. Das kommt einfach daher, weil von dort die Auswanderung eiue schwächere nnd darum die Bereitwilligkeit der Zweiter Abcnd. 49 Eisenbahn- und Dampfschiffverwaltnngen, ihre Preise zu ermäßigen, eine geringere ist. Anch existiren dort teine rivalisirenden Verkehrslinien, wie längs der Elbe und besonders längs des Rheines. Ich weiß daher kaum mehr anzuführen, als daß die zwei Mittel-und Sammelpnnkte Frankfnrt und Augsburg sind. Ost-Schweizer und Tiroler Answanderer sammeln sich meist am letztern Orte, um über Hamburg sich einzuschiffen. Was die Tiroler anbelangt, so kostet die Neise den Südtirolern und Innthalern von Innsbruck nach Knfstein per Eisenbahn III. Elasse 2 Fl. 25 Kr.; von da bis München 1 Fl. 57 Kr. rhn. Von München über Angsburg, Bamberg nach Hof 7 Fl. 36 Kr. rhn., von Hof endlich über Leipzig, Magdeburg, Wittenberge nach Hamburg 7 THIr. 28 Sgr., über Leipzig, Magdeburg, Braunschweig, Har-burg nach Hamburg 6 Thlr. 20 Sgr. Nachtquartiere müßten in Vamberg und Magdeburg gehalten werden. Die hierfür erwachsenden Kosten, das Quantmn des Frei-gewichts, so wie die Neberfrachtsvreise sind mir unbekannt. In Frankfurt sich sammelnde Auswanderer werden naturgemäß über Antwerpen instradirt. Dritter Mend. tt^eorg reist nach Hamburg. — Es steigen Zweifel und Befürchtungen auf. — Waruin gehen so wenig öcnte nach Brasilien? — Die Mosclschwalien. — Dcr brasilianische Konsul und scin Kanzler. — Hamburg,— Georg wird gelraut, — Die Einrichtung des Echisses. — Wie man scine Eachen verpacken soll. — Was man eigentlich mitnchlmn sollte. — Die Auswanderer gehen an Vord. — Welche Zeit ist die bestc znr Reise nach Vra» silien? — Die Reise beginnt, — Wie Georg's Reisegefährten Ordnung und Sittlichkeit an Bord handhaben. — Traurige Folgen, wo dies; nicht geschieht. — Gottesdienst. — Seekrankheit. — Mittel zur Milderung. — Ungcfährlichtcii der Reise nach Brasilien. — Eturm. — Zeiwcrtreil' auf hoher l dem immerhin nngcwissen Schicksale m so ganz fremdem Lande entgegen. Ich will Euch indeß nicht verbergen, daß mich doch hie und da Zweifel beschlichen an der Rechtlichkeit des Agenten, an den Mittheilungen, die er mir über das Land gegeben, kurz an so Manchem. Mein Gott, man hört ja so viel über die Agenten schimpfen, und wenn man auch bald einsieht, daß das gewissermaßen Mode ist und daß Dinge erzahlt werden, deren Lügenhaftigkeit man mit Händen greifen kann, so denkt mail doch im Stillen: es muß doch wol etwas daran sein; wie könnten sonst Alle einstimmig über die Agenten schimpfen? Und so blieb eine leise Fnrcht in mir znrück, um so mehr, als ich nicht genau wußte, wovor ich mich eigentlich fürchtete. Dann kauten wieder die tausend Mährchen, die matt mir über Brasilien erzählt hatte, und die Angst wurde größer uud größer. Aber ich blieb standhaft, verschluckte meine Angst uud Furcht uud zeigte meiner Liese ein heiteres, zuversichtliches Gesicht. Wäre aber nicht die Nothwendigkeit mir auf dcu Fersen gesessen, hätte es nicht Scheißen: „Friß Vogel oder stirb!", hätte ich Aussicht gehabt, Liese heirathen nnd nns schmal aber ehrlich durchbringen zn können, wer weiß, ob ich nicht noch im letzten Augenblicke umgesattelt hätte und M Hanse geblieben wäre? Da ist's dei solchen Leuten ganz anders, die irgend Verwandte nder Vekanute drüben haben, die thuen schreiben können, wie es drüben geht; bei Leuten, die dann ermessen können, was sie dort erwartet, und ob es gerathell ist, hinüber zn Uhen; bei Leuteil end-^ch, die Jemanden zu Nathe ziehen können, der das Land und anch "as Lehm, das Koloniftcnleben, selbst durchgemacht hat und von dem "er Augenschein lehrt, wie es ihm ergangen sein mag oder dessen Aufrichtigkeit man tränen kann. Seht, das ist auch der Grund, warum im Verhältnisse so We-^uge nach Brasilien und so Viele uach Nordamerika waudern. In "nserer ganzen Gegend bin ich der Einzige, der nach Brasilien ging, während aus dem Dorfe allein an die Zwanzig nach Nordamerika 52 Dritter Abend. gezogen sind. Die Zwanzig kennt das ganze Dorf nnd die Hälfte ist nüt ihnen verwandt nnd trotz des Kriegs, der jetzt bei ihnen ist, wollen doch im Frühjahre wieder Mehrere hinüber, wie mir der Wirth sagt, nnd darunter Leute, die ein paar Tausend Gulden im Sacke haben, denen aber das ewige Zoll-, Steuer-nnd Abgabenzahlen, das Soldatensvieleu?c. zuwider geworden ist und die einsehen, daß sie mit diesem kleinen Capital bei uns schlecht leben nnd es vielleicht nach und nach zusetzen müßten. Sie denken: „In Amerika, wo mein Vetter, der Jakob, und mein Freund, der Simon, sind, denen es ganz gut geht, obgleich sie lange nicht so viel Geld mitgenommen haben und gewiß nicht mehr werth sind als ich, da taun's nur anch nicht fehlen; nnd in der ersten Zeit werden nur der Jakob uud der Simon schon rathen, die kennen ja Amerika schon." Sagt aber den Leuten, sie sollen nach Brasilien gehen, so werden sie die Achseln zucken und antworten: „Ja, es mag dort wol recht gut und schön sein, aber mau weiß doch nichts Rechtes davou; man hört gar so viel Schlechtes davon und ich kenne Niemand dort, der nur beistünde oder dem ich trauen könnte, wenn er mir schreibt: Komm, Landsmann!" Da ist's am Mittelrhein, so bei Coblenz herum und hinüber gegen die Eifel, bei den sogenannten Moselschwaben, ganz anders und zwar aus demselben Grunde. Dort ist kein Dorf, voll wo nicht ein Paar Burschen oder Familien nach Brasilien gewandert wären nnd sich dort wohl befänden. In der Eifel kennt man Brasilien oder wenigstens die deutsHeu Kolomeeu dort besser, als Pommern nnd die Mark; und von den Tausenden, die jährlich nach Brasilien geheu sind wenigstens acht Zehntel aus dieser Gegend. Alljährlich kommen von drüben Kolonisten auf Besuch herüber, die man früher als bettelarm gekannt nnd die jetzt wohlhabende, ja reiche Leute sind und sich nnr in der Heimat wieder einmal umsehen wollen. Im Zwischendeck, zu Vier in einer Koje, waren sie hinübergezogen, zurück kommen sie auf dem englischen oder französischen Dampfer, oder anf dem weniger luxuriösen Havre - Packetschiff. Und wißt Ihr, daß so Dritter Abend. 53 eine Hin- und Herreise sammt Aufenthalt im Lande mindestens all die 3000 Fl. kostet, die ein Kolonist überflüssig im Kasten liegen haben muß, um sich einen solchen Spaß vergönnen zu könueu, so werdet Ihr erst recht begreifen, wie gut es ihnen dort ergeht und wie mächtig bei ihreu armen LaudZleuten am Nhein und an der Mosel angesichts solcher Thatsachen die Auswauderuugslust uach Brasilieu sich regt! Laßt das erst einmal recht bekannt werden, und Ihr sollt scheu, wie die Leute alle viel lieber uach Brasilieu, als nach Nordamerika gehen! — Leute, die solche Beispiele vor Äugelt habeu, die braucheu freilich sich keinen so düstereil Gedaukeu hinzugeben, wie ich es bei der Abreise uou der Heimat that. Wir langten denn endlich in Hamburg an, wo wir nahe am Hafen in einem sogenannten Logirhause untergebracht, auch verköstigt wurden, Alles auf Rechnung unseres brasiliauischeu Gutsbesitzers. Die Kost war zwar ungewohut, aber sehr gut uud jedenfalls weit besser, als ich sie in den letzten Jahren mir verschaffen konnte. Ich schlief mit Frau und Kind in einen: breiten Bette, das für die Iahleszeit viel zu heiß, aber sehr weich uud reinlich war. Auf der Reise hatte uns eilt sogenannter Couducteur begleitet, der überall für uus Rede uud Autwort gab und uufere Papiere "erwahrte; der führte uus auch des audern Tages in das Comptoir des Schiffs - Erpedieuteu uud von da zu dem brasilianischen Consul, wo wir die Coutracte, iu portugiesischer Sprache mit deutscher ^ebersetzuug, uuterschreiben mußteu. Der biMliauische Cousul war ^Ul sehr freundlicher, zuvorkommeuder Herr, der nur leider uicht "Zutsch sprach, aber uns durch seineu Kanzler Muth eiusprach uud uns über uuseru Eutschluß, dorthiu auszuwauderu, lobte und sageu "eß, er prophezeie uns, daß wir ill wenigen Iahreit Gott für die Mte Idee danken würden, uach Brasilien zu geheu. Nie ich höre, ist dieser freuudliche Herr jetzt Gesandter ill Ber-uu uud sein Kauzler, ein Aarall voll Lmstow, Cousul in Hamburg. >)ch freue mich herzlich darüber, deuu der Herr Barou ist so besorgt, 54 Dritter Abend. herzlich und gütig selbst gegeil die ärmsten Auswanderer, daß man gar keinen besseren Mann anf diesen Posten hätte stellen können. Nachdem das vollbracht war, zogen wir in der schönen Stadt, der größten, die ich noch bisher gesehen, herum. Es sind eigentlich zwei Hamburg; das eine, das alte Hamburg am Flusse drunten, eng, winklicht, dnukel, schmutzig, voll Theer-und Fischgestank, aber voll Lebens und geschäftigen Treibens, besonders an dem mächtigen, ganz mit großen Seeschiffen bedeckten Strome, und das andere, schöne, neue, erst nach dem großen Brande entstandene Hamburg, mit breiten, hellen, schön gepflasterten Straßen, herrlichen Gebäuden und dem wunderschönen Ulster-Bassin, einem kleinen, künstlichen, rings von Promenaden nnd stolzen Hotels eingeschlossenen See mit Schwänen uud Booten ?c. Trotzdem aber zog es uns immer aus der nenen, schönen Stadt zmn Strome hinab, zu den Ungeheuern von Schiffen, bei deren Anblick man die Angst vor der Seereise und ihren Gefahren schwinden fühlt. So gut es uns in Hamburg gefiel, so war doch unser Dichten und Trachten, bald fortzukommen; wir vergaßen aber darüber nicht das Wichtigste. Liese uud ich ließen uns trauen, wobei wir Herrn von Linstow nicht genug dafür dauken können, daß er die Schwierigkeiten wegen mangelnden Anfgcbots nnd sonstiger Formalitäten zn beseitigen wußte. Wir waren wie uengeboreu uud unser Kleiner nns nun doppelt so lieb, da wir ihn nun ohne inneren Vorwnrf anznblicken vermochten, und Liese, nun sie Min rechtmäßiges Weib war, ging doppelt stolz neben mir her. Eins war erreicht, nm dessentwillen wir die Heimat verlassen hatten; das mußte unsere Herzeu mit neuer Hoffnung füllen, daß wir auch das Andere, eine gesicherte Existenz, erreichen würden. An Bord des Schiffes ging es indeß lebhaft zu; das ganze Zwischendeck war der Länge nach in zwei Theile getheilt und längs dieser Gänge waren links nnd rechts Schlafstätten errichtet, die in zwä Reihen über einander augebracht waren. ,)n jeder solchen Dritter Abcnd. 55 Schlafstelle wurden vier Personen untergebracht, die Familien immer zusammen. Ledige Mädchen hatten einen eigenen Verschlag. In jedem Gange hing eine große Laterne und volt der vorderen und hinteren Schiffsluke, die nur bei sehr stürmischem Wetter geschlossen werden sollten, führten ziemlich bequeme Treppen herab. Die Seitenluken waren geschlossen. Unter den Schlafstelleu war so uiel Ranm, daß man eine sogenannte Schiffskiste nnd kleines Gepäck darunter stecken konnte. Das große Gepäck ward in den Schiffsranm hinabgelassen und mußte bis zur Ankunft in Nio be Janeiro drunten bleiben. Es wurde festgestaut, wie es die Seeleute nennen, damit es bei den starken Schwankungen des Schiffes bei unruhiger See Nicht hin- und hergeschleudert werdeu und Schaden nehmen könne. Aus demselben Grunde ist sehr zn empfehlen, alles kleine Geräth und Proviant in die Schissskiste zu packen und diese festzubinden, da sonst ein höllisches Spectakel entsteht, wenn einmal in der Nacht ein Sturm losbricht und die Sachen alle unter dm Schlafstellen hervorkollern und nach allen Richtungen umhergeschleudert werdeu. Das Gepäck, welches man mitnimmt, bringe man in guten starken, aber nicht zn großen Kisten unter, die an den Ecken sowohl als an sonst passenden Stellen Beschläge von Eisenblech haben. Diese listen werden später dem Kolonisten auf seinem Lande von großein Nutzen sein und ihm hänfig Bänke, Tische und Bettstellen ersetzen; dazu ist es aber vor Allein nothwendig, den Deckel nicht bloß festzunageln, sondern zum Aufklappen und Verschließen einrichten zu lassen. Auch alte Conunoden oder Schränke kann mau statt der Wen verwenden und durch Aufnageln von Strohseilen oder starker Sackleinwand ziemlich sichern; doch müssen sie sehr fest sein, um die Behandlung auf Eisenbahnen uud beim Ein- und Auspacken aul «em Schiffe vertrageu zu töuuen. Endlich verklebe mau von außeu alle Ritzen der Kisten mittelst Papierstreifen und Tischlertitt (frischer Käse mit Kalk gemengt), damit die Feuchtigkeit des Schiffsraumes "lcht durchdriuge. Das Handgepäck, frische Wäsche, daun einigen Proviant, den 56 Dritter Abc»d. man nicht geliefert erhält, als: Zucker, einige Flaschen Nmn, Butter, Käse und einiges frische Schwarzbrod packte ich in die Schiffskiste, die nian ill Hamburg schon fertig bekommt. Vlechgeschirr und Bettzeng war uns anf Rechnung unseres Gutsherrn geliefert worden, während jeder selbstständige Answanderer solches sich selbst kaufen mnß. Ich habe Euch schon gestern Abend die Preise dieser Dinge sowohl für Hamburg als für Antwerpen mitgetheilt nnd sage Ench hellte nur, daß Ihr nicht Euer eigenes uon Hause mitgebrachtes Bettzeug am Schiffe in Gebrauch nehmen möget. Die sehr wohlfeilen See - Vettzeuge dauern auch nur die Reise ans und können dann weggeworfen werden, ohne daß Ench daraus ein sehr empfindlicher Schaden erwachsen würde. Anders wäre es, wolltet Ihr Eiler gutes Bettzeug verwenden; das würdet Ihr ebenfalls rniniren und dadurch einen großeu Werth einbüßen. Bei dieser Gelegenheit wird es wol auch gut sein, zu erwähnen, was denn ein Answanderer mitnehmen soll. Was mich betrifft, so erlanbtcn mir meine wenigen Gulden keine große Auswahl. Wir nahmen daher nur einiges Küchengeschirr von Eisen, etwas Handwerkszeug (ein echter Müller weih ja immer ein wenig mit der Axt umzugehen), dann unsere Betten, Kleider und Wäsche init. Davon behielten wir das Schlechteste dranßen bei uns; es ist für das Schiffslebeu, wie für das mangelhafte Waschen noch gut genug. Da fällt mir ein, daß die Weiber etwas kohlensaure Soda mitnehmen sollen, um sie beim Waschen unter das Seewasser zu mischen; denn ohne Soda greift im Seewasser keine Seife an. Diese Soda bekommt mau in jeder Apotheke. Wer das Geld dazu hat, nehme Folgendes mit: Aus seiucr Hauswirthschaft die eisernen Töpfe und Pfannen, besonders dcn Waschtessel. Eßbestecke, gute Oellamuen mit ziemlich viel Dochten; Messing-mörser, Lichtputzen, Platt- oder Bügeleisen, ja selbst Spinnrocken znnl Vamnwollespinnen, Kaffeebrenner, Kaffee-Maschine und Mühle; überhaupt lasse man nichts von Nietall znrück. Wer nach Rio Dritter Abend. 57 Grande, Sta. Catharina oder Paranä geht, der nehme anch wo lnöglich einen kleinen eisernen Kochofen mit einem Stück Rohr mit. All diese hohlen Gegenstände kann der Answanderer mit verschiedenen Gegenständen füllen, nnd hat er sonst nichts, so fülle er sie mit Graupen, Linsen, Erbsen :c., die ihm dann ganz gnt zu Statten kommen. Ferner sind alle Gattungen Bürsten wohl zu gebrauchen. Ebenso eine Hans- oder Stubeuuhr mit fest verschließbarem Gehäuse; eiue gute Taschenuhr nebst Schnüren nnd Reservegläsern; ein guter Sattel, vielleicht auch ein Frauensattel, Neservesteigriemen und Gurte; anch grobe Wolldecken für Pferde. Jeder Kolonist sollte ein gutes Doppelgewehr haben. Dazn gehören einige Pfnnd gutes, trockenes, grobes Iagdpnlver, in Blech sorgfältig verwahrt; Pnlverhorn, Zündhütchen, Werg, Schroten verschiedener Größe, Blei, Kugelform, Schraubenzieher, Federhaken, Putzzeug. Auch braucht er ein tüchtiges, uugefähr 16 Zoll laugcs uud 3—4 Zoll breites, spitziges Messer iu Lederscheide, eiueu Leibgurt mit Patronenhülsen. Feruer eiue Korbflasche, eiueu großen, starken Regenschirm mit Futteral. Zum Holzspalteu uerstählte Keile uerschiedeuer Großeu, Thür-schlüsser mit Klinken, einen kleineu oroiuäreu Comvaß, anch starke eiserne Achsen mit Büchsen uud Rädern. Ferner eine kleine Hausapotheke: Flieder- oder Holluuderthee, Kamillen, gut eingestampft in Blechbüchsen, Anncatinkwr, Spiritus ?>ur Verdünnuug, Laxirpillen in einen«, «erpichten Glase, Wurmsamen >ür Kinder, etwas Opodeldoc, englisches uud auderes Heftpflaster; auch ein mit einem eingeschliffeuen Glasstöpsel versehenes Fläschchen, worin sich 5 Theile Salmiakgeist, 2 Theile Schwcfeläther und 1 Theil höchstrectificirtes Bernsteiuöl, als Mittel gegen den Schlaugenbiß, befinden. Stahl uud Schwamm, eiu Schreibzeug. Was die Kleiduug betrifft, so mag der Auswanderer mitnehmen, 58 , Dritter Abend. was er davon besitzt; anch schaffe er viel Sommerzeug vou ungebleichtem Drill oder blauem Leinen an, von Tuch blaue Jacken mit Messingknöpfen. Mäntel, besonders lange Nadmäntel lasse man ja nicht zurück. Schuhzeug nehme mall hübsch viel mit, kalbs - oder besser rindsledernes, jedoch mehr Schuhe als Stiefel, letztere hochschäftig; doch sehe man darauf, daß die Schuhkiste besonders gut verpicht sei, weil das Leder bald schimmelt. Von Hüten nehme man auf die Seereise einen Strohhut, und auch sonst breiträndrige Stroh-und Filzhüte, auch für Frauen, mit. Von Wäsche nehme der Auswanderer gedruckte Kattmchemden mit, die sich am besten zur Arbeit eignen; doch zum Staate habe er weiße Vaulnwoll- oder Leineuhemdcn, da der Brasilianer viel hierauf hält. Strümpfe von Banmwolle und selbst Wolle, bann Hals - und Taschentücher. Die Frauen mögen sich mit Nähzeug, gebleichten: und ungebleichtem Zwirn, Strickgarn und Wolle gilt verschen. Vei Kleidern mögen sie hauptsächlich auf echte Farbeu sehen, da die Sonne sie sonst bald bleicht. Ihre Kleider sollten aus langen Nocken, Joppen oder Jacken bestehen; zum Reiten brauchen sie einen Neitrock, der über die übrigen Kleider gebunden wird. Schließlich vergesse man nicht, sin' dic Kinder die nöthigen Lehr. bücher mitzunehmen. Und wer irgend ein Handwerk treibt, vergesse nicht sein ge-sammtes Handwerkszeug, wobei einem oder dem andern zu rathen ist, auch etwas Rohmaterial mitzunehmen, z. V. dem Schuster Draht, einige Kalbs - oder Rindshäute, Zwirn, Nägel und Zwecken :c.; dem Schneider einen tüchtigen Vorrath von Zwirn, Seide und Nadeln:c. Der Auswanderer thut sehr gut daran, wenn er seine Habselig-teiten assecuriren läßt; das kostet für eine Reise nach Brasilien, die ungefährlichste von allen Seereisen, sehr wenig nnd ist eine große Beruhigung. Hat er viel Geld mit, so thnt er wohl, wenn er ^ dem Cavitän gegen Quittung zur Aufbewahrung übergibt. — Dritter Abend. 59 Doch ich kehre zu meiner Abreise zurück. Nie gesagt, ging uuser ganzes Dichten und Trachten dahin, sobald als möglich fortzukommen; es war also ein großer Freudentag für uus, als wir elues Morgeus den Befehl erhielten, bis Nachmittags auf das Schiff zu übersiedelu. Alles regte und drängte sich, um zuerst dort zu seiu, und bis es Abends wurde und der Koch uns zum Thee rief, waren wir schon im Besitze unserer Kojen, hatten unser Gepäck untergebracht und kamen mit unsern neuen Blechgeschirrcn herbei, unsere Ration zu empfangen. Bekanntschaften wurdeu angeknüpft oder er-ueuert, die Kojennachbarn neugierig und vorsorglich betrachtet und swdirt, denn man sollte ja an die 10 Wochen mit ihnen in so engem Nannie zusammenleben; wie viel hing da von einer verträglichen Gemüthsart, von der Vorliebe für Reinlichkeit ab! Es war eine prachtvolle Nacht und die Aufregung ließ uns lange nicht schlafen; auf dem Verdecke standen wir lange und blickten auf das schlafende Hamburg hinüber; im Juli konnten wir auch so anf Rio de Janeiro Hinüberschanen. Ihr werdet Euch wundern, daß wir im Mai, wo doch so viel Feldarbeit noch zn thun ist, reisten, um erst im Juli, wo bei uns die Ernte beginnt, nach Rio zn kommen; Ihr schüttelt den Kopf bei bl'm Gedanken, daß es dann um so schwerer für die Allswanderer sein werde, bis zur nächsten Ernte zu warten uud dergleichen. Das ist aber grundfalsch; für's Erste liegt Brasilien anf der andern Seite des Aequators, wie ich Euch schon gesagt habe; daraus solgt, daß, wenn es hier bei Ench am heißesten ist, es dort am kältesten, nämlich so kalt ist, als es dort nur werden kaun, nnd umgekehrt: während Ihr hier die Weihnachten uub das Neujahr ln Schuee und Eis, am kürzesten Tage hinter den: prasselnden Ofen mert, ist dort die größte Sommerhitze. Würde also ein Auswanderer bei uns im October oder November abfahren, so käme er dort um Weihuachteu oder nach Neu-lahr i,l der größteil Hilze an. Der Neoergaug aus unserm kalten herbste in den brasilianischen Sommer wäre zu stark und das All- 60 Dritter Abend. gewöhnen des Auswanderers, besonders der älteren, an das dortige Klima würde viel schwieriger nnd häusig von Krankheiten begleitet sein. Fahren sie aber im April, Mai, ja selbst im Juni ab, so kommen sie im brasilianischen Winter an, der Guerm Frühjahr in wärmeren Jahren gleicht; der Uebergang ist also dann ganz gleichartig von einem Frühjahr ins andere und das Eingewöhnen daher viel leichter und ruhiger. Aber es ist noch etwas Anderes zu bedenken. Die Art, wie ein Kolonist im Walde zu wirthschaften hat, bevor er ein Feld zum Anbau benutzen kann, ist einfach die, daß er den Wald niederhaut, das Holz eine Weile in der Hitze trocknen läßt und dann anzündet. Soll das Holz aber so trocken werden, daß es wirklich brennt, so muß es im Sommer geschlagen werden, damit die Sonne so recht darauf wirken kann. Der Sommer aber sind die Monate December, Januar und Februar; wer also im April, Mai oder Juni hinüberfährt, kommt gerade im Juni, Juli oder August au und kauu bis zum November so weit sein, daß er seinen Wald geschlagen hat und so von der Sommerhitze profttirt, die ihm dann erlaubt, schon im Januar, längstens Februar mit den: Anbaue zu beginnen. Kommen aber die Auswanderer später auf ihr Land, z. V. gar im December, Januar oder noch später, so ist es für dießmal mit dem Waldschlagen wenig oder nichts, also auch mit der Ernte nichts, und der Kolonist muß froh sein, wenn er im Tagelohn bei früher augesiedelten Kolonisten oder bei dem Director seinen Unterhalt verdient. Etwas Anderes ist es mit solchen Kolonisten die, wie ich als sogenannte Halbpächter oder Parceristen hinübergehen. Die finden freilich zu jeder Jahreszeit ihre Unterkunft bereit, eiu Stück Land zum Anbaue des Nothwendigsten hergerichtet, und Arbeit im Kaffee-berg gibt es immer, wobei es freilich besser ist, mau kommt noch vor der Ernte an. Es gibt indeß gewiß auch Fälle, welche ein so spätes Auswandern entschuldigen; z. V. der Auswanderer hat seine dießjährige Dritter Abend. 01 Ernte verkauft und fürchtet, den Erliis in den Wiutermo»ateu aufzuzehren; oder er beabsichtigt sich drüben gleich ein schon bebautes Gut zu kaufen oder was solcher Gründe zur Beschleunigung seiuer Neise mehr find. Das hindert aber Alles nicht, daß ich Euch wiederhole, die passendste Zeit für die Auswanderung nach Brasilien ist im April, Mai und Juni. — Also audern Morgens ging der Anker in die Höhe, uud gleich spannte sich ein kleiuer Dampfer vor unsern Koloß nnd so fnhren wir stromabwärts bis zum Eintritt der Fluth, wo wir wieder bei Vruushausen Anker warfen uud über stacht blieben. Den folgenden Tag trieb uns eiu frischer Oftwiud mit der Ebbe hinab uach Cur-haven, dann an den Tonnen uud Feuerbakeu, welche das Fahrwasser bezeichnen, vorbei ill das Meer, die Nordsee, hinaus. Von dem Augenblicke, wo wir Curhaveu passirt hatten, trat der Schiffscapitäu in seine vollen Nechte. Er allein hat zu befehleu und Alles, Matrosen und Passagiere, haben ihm zu gehorcheu, letztere wenigstens in allen Anordnnngen, welche auf Ordnung, Ruhe und Reinlichkeit Bezug nehmen. Die Matrosen liegen nicht im Zwischendeck, sondern haben ihren eigenen Platz, ganz vorn im Schiffe, der vom Passagierraum getrennt ist. Sie kommen daher mit den Passagieren weder beim Speisen noch beim Schlafen zusammen und haben anch gewöhnlich vollauf zu arbeiten, wenn nicht gerade ein befonders günstiges Wetter eintritt. Der Eapitän und die Steuerleute wohueu im Hintertheile des Schiffes, der Capitän in snner eigenen Eajüte uud die Steuerleute in dem sogenannten Stener-nunu beisammeu. Die Passagiere thuu am beste», den Matrosen bei ihren Arbeiten auf Deck aus dem Wege zu geheu, weun sie sich auch lM und da dazu verstehen, ihnen zu helfen, z. V. beim Umbrasseu der Naaen, wozu die weuigeu Matroseu zu viel Zeit brauchen würden. Sonst aber sind die Matroseu ein etwas wildes Völkchen uud uehmen es besouders im Puukte der Moral uicht sehr genau; ja es 62 Dritter Abend. gibt Beispiele, daß selbst Capitäne und Steuerleute hierin mit schlechtem Exempel vorangehen. Zur Ehre der Hamburger, aber auch der Antwerpner Brasilienfahrer sei es gesagt, daß bei diesen die sonst bei den nach Nordcnnerika fahrenden Answandererschiffeu sehr häufigen Klagen bis jetzt zur Seltenheit gehören. Indesseil Vorsicht schadet nie und es wird immer gut sein, unserm Beispiele zn folgen. Wir hatten unter unsern Neise- und Schicksalsgefährten viel böses und liederliches Volk, Auswürflinge der Schweizer Gemeinden beiderlei Geschlechts, verkommene Fabrikarbeiter n. dergl., nnd bereits begann sich ein Ton einzustellen, der der Liederlichkeit und dem Scandal huldigte. Man hatte uns aber in Hamburg schon darauf aufmerksam gemacht, und so hielten denn die anwesenden Familienväter einen Rath und wählten drei nnter uns, die über ordentliches und sittliches Benehmen der Passagiere zu wachen hatten. Widersetzte sich Einer oder der Andere, so wnrde er bald geduckt und das muß man sagen, der Cavitän unterstützte die Vertrauensmänner aufs beste. Bei Tage hielten wir darauf, daß Jeder sich beschäftige, wenn auch nnr zum Scheine; die Weiber und Mädchen wuschen die schmutzige Wäsche, besserten die zerrissenen Gegenstände, während die Männer das Salzfleisch wässerten, Kartoffeln schälten, das Zwischendeck kehrten, lüfteten und räucherten, Gesangsübnngen hielten, hie und da turnten, lasen oder Karten spielten. Abends ward dann gesungen oder auch ein Gesellschaftsspiel gespielt und dann zur Nuhe gegangen, wo denn ganz besonders die Mädchen und Burschen beaufsichtigt wurden. So kam es denn, daß wir nach Nio in ganz leidlicher Ordnung kanten und unser Capitän uns nicht genng loben nnd preisen konnte. Es ist aber dieß nicht bloß um des Friedens und der häuslichen Ehre jedes Familienvaters wegen wichtig, sondern es hängt damit auch unmittelbar das fernere Fortkommen im Lande zusammen. Ich sah solche in Liederlichkeit verkommene Schiffsgesellschaften an's Land steigen, bei denen während eines achtwöchentlichen Müssig-gangs die Leute alle Lust zur Arbeit verloren und an aller Art von Dritter Abend. s.3 Liederlichkeit Geschiuack gefunden hatten; bei denen kein Weib ihrem Manne treu und teiu Mädchen rein geblieben, wo eine sörmliclie Gemeinschaft der Körper eingerissen war. Diese Leute kommen dann in den Urwald und sollen mit Fleiß und angestrengter Ausdauer an die schwere Arbeit gehen; ihr Herz ist dabei ganz anderswo und der häusliche Herd, wo sie sich nach gethaner Arbeit zusammenfinden und sich au den, Freuden des Familienlebens erholen sollen, ist ihnen auf der Reise verächtlich geworden uud abhanden gekommen. Glaubt Ihr wol, daß solche Leute etwas Tüchtiges leisten uud vor sich brmgeu können 7 Erst nach Iahreu stellt sich vielleicht wieder die Arbeitslust ein und kehrt das Gleichgewicht im häuslichen Verkehre wieder. Also vor Allen: Ordnung uud Sitte all Bord. Dazu gehört, daß kein Sonntag ohne Gottesdienst und wo möglich kein Tag ohne Gebet vergehe. Ist doch die einsame, gefahrvolle Lage der Reisenden auf hoher Eee, wo sie kaum einige Zolle Holz vom sicheru Wassertode trennen, wo das Brechen eines Mastes, das Sprühen eines Funkens, das Nachgeben eiuiger Nägel so schreckliche Folgen haben könneu, vou der Art, daß sie au das Gebet mehr als anderswo ^'wiesen sind. Und sind auch die Passagiere häufig vou verschiedener Religion, uud befiudet sich auch leiu Priester au Aord, so sind sie boch alle Christen; uud spricht oder liestauch nur eiu eiufacher Maun das Gebet des Herrn oder eine kurze erbaueude Betrachtung, so slndet er iu dem Herzen jedes Anwesenden eiue anklingende Saite. Wir wenigstens hielten es so und fuhren gut dabei. Irre ich "uch nicht, fo hat jeder Capitäu die Verpflichtung, Sonntags selbst den Gottesdienst zu halteu. Natürlich geschieht dieses uoch viel leichter uud besser, wenn ^ll Priester oder Prediger die Auswauderer begleitet, wie das öfters vorkommt, da die brasilianische Regierung jetzt sehr häusig protestan-"sche und katholische Geistliche aus Dentfchland für die Kolonieeu kommen läßt. 64 Dritter Abend. Kehren wir nun zn nnserer Neise zuriick. Kaum waren wir auf hoher See, das heißt, kaum hatten wir Cuxhaven ans den Augen verloren, so begann das heftige, ungewohnte Schwanken des Schiffes seine gewöhnliche Wirkung zn änßern. Wir waren anfangs Alle auf dem Verdeck und trotz der fchweren, gegeil uns heranrollenden Wogen sehr heiter gewesen. Aber gegell Mittag wurde es stiller und stiller, die Gesichter länger und bleicher und Viele eilten schwankenden Schrittes zur Brüstung und opferten den Inhalt ihrer Mägen dem Seegott. Mittags war das Uebel schon so arg, daß, als der Schiffstoch sein „Schaffen", das heißt zum Essen, rief, nur sehr Wenige mit ihren Schüsseln nnd Bechern erschienen; ja selbst diese Wenigen ergriffen fast alle die schleunigste Flucht bei dem Anblicke des fetten Speckes, mit dem hente (es war gerade Montag) der boshafte Speisezettel uns bedachte. Der Seekranke hat nämlich d:e Eigenheit, daß er bei dem Anblicke von thierischein Fett einen erneuerten Anfall bekömmt, und dieser Anblick bringt sehr oft dies gefurchtere Uebel selbst bei noch Gesunden zum schleunigstell Ausbruch. Es ist mit der Seekrankheit ein absonderliches Ding; der davon Befallene verliert alle Lebenslust; stumpfsinnig läßt er Alles über sich ergehen und in apathischer Ergebnng erwartet er das Ende. Da nun aber die Seekrankheit, so viel ich von allen Leuteil gehört habe, nie ein trauriges Ende nimmt, sondern eine sehr wohlthätige, wenn auch höchst widerwärtige und gewaltsame Reinigung des Körpers hervorbringt, uud meistens binnen einigen Tagen abgethan ist, so ist es für deu sich besser Befindenden schwer, die unleugbar komische Seite dieses Uebels zu übersehen, und so kommt es denn, daß die armen Kranken sehr häusig uoch Spottreden, Witze und Gelächter außer ihren Leiden ertragen müssen, was hartherzig erscheinen müßte, wenn nicht die eben genesenen Kranken ebenso unbarmherzig über die noch Leidenden spotteten. Und da so ziemlich Jeder dieser Magenreinigung verfällt, fo verfällt anch Jeder nach semer Reihe den: Spotte nnd Niemand ärger, als diejenigen, Dvittci' 'Abend. sl5» die dem Uebel laltge trinmphirend widerstanden nild endlich doch unterliegen müssen. Alls unserem Schiffe < wir ivareil an die 200 Köpft) enttamen vielleicht drei der Seekrankheit, und die nmren schon früher znr See gewesen; ungefähr 1,W waren nach zwei Tagen genesen, der Nest bis anf Wenige in längstens acht Tagen, und diese Wenigen allein verfielen mit jeder stürmischen See anfs Nene dem Uebel, dein sie gleich anfangs ungefähr dnrch 14 Tage nnterlagen. In-desseit gibt es selbst langbefahreue Schiffscapitäne, die jedesmal bei einer neuen Neisc wieder seekrank werden; dagegen kömmt diese Krankheit bei Kindern nnter 10 Jahren am seltensten vor. Um die Krankheit zn mildern oder sich daranf vorzubereiten, ist es gltt, schon vor der Einschiffnng abführende Mittel zn gebrauchen und während der Neife selbst jeder Verstopfung vorzn-bauen. Bekömmt man auch nicht die Seekrankheit, fo doch starkes Kopfweh und Blntandrang gegen den Kopf. Dagegen hilft starter Thee oder eine Abl'ochnng von getrockneten Feigen, die anch das Erorechen erleichtern. Mch der Krankheit nehme man vor der Suppe eme tüchtige Messerspitze voll Mnapnwer nnd dann nnd wann einen Häring mit Essig nnd Pfeffer. Der Auswanderer soll iltt) aber vor Allem zn zerstrenen snchcn nud soviel Vewegnna. als wöglich machen. Gegen Verstopfnng hilft Speck, d. h. wenn man Hu nehmen kann, sonst aber anch Rhabarber oder Wanbersalz "ann und wann genonimen, nnd zwar uon ersterem ein kleiner Teelöffel voll, von letzterem ^ Unzen. Sonst ist anch gut, Him-"eersaft mit Wasser gemischt zn nehmen, oder Hallerschc Sänre. "^er das Nanchen gewohnt ist, nnterlasse es auf den^ Schiffe nicht 6cmz, wenn er gleich natürlich mit dein Feuer sehr vorsichtig sein "uch. Mr salbst hat etwas jetzt bei der Rückreise geholfen, ums wol "'e wenigsten Auswanderer haben können; ich uahm einige Schnitte "hinken mit, bestreute sie start mit Pfeffer, strich noch englischen Estrich darüber und verschlang sie, indem ich eine kleine Flasche "fischen Porters dazn trank. 66 Dritter Abend. Was aber zur Reinlichkeit und also zur Gesundheit sehr beiträgt, sind die Väder und Waschnugen, die man ja am Schiffe so leicht zu haben vermag. Man geht Abends au die Brüstnng, entkleidet sich und zieht einige Miner Seewasser herauf, die mau über sich gießt. Es ist dieß eine wahre Wohlthat, besonders iu den wannen Gegenden oder, wie man sagt, unter den niederen Breitengraden. Ueber Alles aber, liebe LandZleute, selbst noch über die Reinlichkeit geht die Verträglichkeit, die ich Euch daher nicht genug empfehlen kann. — Seereisen sind hentzntage, wo die Kunde vom Seewesen so ausgebildet und die Schiffe so tüchtig sind, wenig gefährlich; besonders ist die allergeringste Gefahr dort, wo man nichts als Himmel und Wasser sieht. Selbst der ärgste Sturm kann das Schiff nur ärger schaukeln und schneller durch das Wasser fahren machen; Gefahr ist nur dann vorhanden, wenn Land auf der Seite liegt, wohin der Wind bläst. Und gerade darum ist unter alleu Seereisen die nach Brasilien die ungefährlichste. Hat man einmal den englischen Canal vafsirt, so sieht man kein Land mehr bis an die brasilianische Küste. Auf der Fahrt begegnet das Schiff keinem jener Eisberge, die fo häufig ans den,Eisfeldern des Nordpols sich losreiften und schon manch gutes Schiff auf der Fahrt zwischen Nordamerika und England in den Grund bohrten; es begegnet keinem jener entsetzlichen Nebel, in denen ein Schiff so leicht von einem größereu übersegelt wird; es hat selten einen jener Stürme zu überstehen, welche die Ueberfahrt uach Nordamerika so oft zn einer gefährlichen, immer aber zn einer fehr unruhigen, also unangenehmen inachen. Von der Bai von Viscaya an lacht stets heiterer Himmel und wanne Sonne, auf der Höhe von Madeira stellt sich der Passatwind ein, der wochenlang es überflüssig macht, auch nur eiu Segel anders zu stelleu. Näreu nicht uuter dein Uequator häufige, aber völlig gefahrlose Gewitter, so würbe man von der Seereise gar nichts zu erzählen wissen. Dritter Abend, 67 So erging es mir, und die meisten Kolonisten, die ich m Brasilien getroffen, sagten dasselbe. Der beste Veweis für die Wahrheit dieser Bemerkung ist, daß die Vcrsichernngsgesellschaften für eine Neise nach Brasilien die niedrigste Prämie berechnen. Den ersten Stnrm anf nnserer Fahrt hatten wir im englischen Canal; Ihr wißt, so heißt der Streifen Meer, der England und Frankreich von einander scheidet. Er trat in der Nacht ein, nnd da Viele den Ermahnungen des Capitäns nicht gehorcht nnd ihre Echiffskisten nicht festgebunden hatten, so beganneil diese lebendig zu werden nnd, allen Schwankungen des Schiffes folgend, im Zwischendeck im Verein mit Nlechschüsfelu und Tellern, Flaschen und Gläsern, Schinken und Brodlaiben herumznhüpfen, während ihre Besitzer vergebens auf sie Jagd machten. Zwei Tage lang dauerte das Unwetter, das unr Wenigen von uns gestattete, auss Verdeck zu kommen, und das die Meisten wieder seekrank machte. Am ersten Tage konnte gar nicht gekocht werden und am zweiten Tage vermochten die Wenigsten etwas zu essen. Als der Sturm vorbei war, trat das schönste Wetter ein uud ein frischer Südost-Wind trieb uus an der äußersten Landspitze Englands, Landsend ganz richtig benannt, vorbei in den atlantischen Ocean, der uus riesige Wogen entgegenwälzte. So hatten nur endlich ruhiges, stilles Welter uud von da ab burch mehr als drei volle Wochen gleichmäßigen, sanften Wind, ^er das Meer kaum kräuselte und das Schiff eben so sanft schaukelte. Die Tage waren wunderschön, die Nächte sternenhell und, wenn der Mond schien, von entzückendem Neize. Gab es keinen Moud-'chciu, sg war es prächtig anzusehen, wie das Meer glänzte und NMkelte, wo das Schiff es durchfurchte oder wo Fische schnell dahin-'chofseu. So näherten wir uns dem Aequator, ohne daß wir sonderlich uiel von der Hitze spürten. Selbst Mittags tonute mau es ^cht gut auf dein Verdecke aushalten, wo der augenehme Passatwind ^ud die von der Bewegung des Meeres leicht gekühlte Luft die hohe ^"nperalur ganz erträglich machten. Bei Passiruug der Linie gab 08 Dritter 'Abend. uns der Capitän ein Faß Hamburger Bier zum Besten, und Matrosen Und Passagiere trieben allerhand Kurzweil. Aber anch sonst fehlte es uns neben unsern gewöhnlichen Beschäftigungen nnd Vergnügungen nicht an Zeitvertreib. Bald tmn-incite sich an der Seite des Schiffes eine Herde Delphine, auch Tümmler oder Meerschweine genannt, die sich in possirlichen Sprüngen und Pnrzelbänmen gefielen. Der erste Steuermann fing eines Tages einen solchen Delphin, indem er eine Harpune nach ihm warf, die so tief in ihn eindrang, daß wir den armen Fisch daran heraufziehen konnten. Er war bald todt, und im Sterben spielte er alle Farben des Regenbogens. Obgleich er mit seinem Fleische eine willkommene Abwechselung in das ewige Einerlei des gesalzenen Speckes und Rindfleisches brachte, so wollten wir doch nichts mehr von einem Fange wissen; und seit dem Tage kam uns auch keine Delphinherde mehr so nahe, wenn wir sie anch oft, wenige hnndert Schritte entfernt, ihre possirlichen Spiele treiben sahen. Auch fliegende Fische sahen wir HÜnfig zu 1U, 12 und mehr auf einmal ans dem Meeresspiegel emporfliegen, nm nach wenigen Secunden wieder ins Wasser zu fallen. Mehrere von ihnen flogen fo hoch anf,- daß sie anf die Vorsprünge, der Außenseite unseres Schiffes fielen, uon wo wir sie hereinholten; sie schmeckten gebraten sehr gut. Sie hatten nur bedeutend längere Flossen als andere Fische, die aussahen wie die Flügel eiuer Wasserjungfer uud durchsichtig und farbig schillerten. Oft sahen wir in der Ferne Walsische das Wasser ans ihren Kopflöchcrn hoch in die Luft treiben, und wenn so ihrer tt odrr l« anf einmal spielten, sahen sich die Wasserstrahlen wie der schönste Springbrunnen an; leider kameu sie uns nicht nahe und so tonnten wir sie nicht genau betrachten. Desto besser besahen wir uns einen Haifisch. Seit wir im atlantischen Ocean waren, hatten uus diese gefährlichen Bestien nicht mehr verlassen, uud weun man schon an ihre Nichtanwesenheit glanben wollte, so durfte man nur eilteil Eimer Spülicht ins Meer schütteu, um gleich darauf einen folchen Fisch auf die Stelle hinschicßen zu sehen. Drittcr Abcnd. nu, deu unbändigen Burschen ans seinem Elemente bis aufs Schiff zn zieheil, nnd auch hier wüthete er uoch lauge, schlug mit den; Schwänze so mächtig mn sich, uud machte so gewaltige Krümmungen und Bewegungen, dasi es gefährlich war, ihm nahe zu treteu. End-^ch erpaßte der Schiffszimmermann den richtigen Augenblick und lahmte ihm mit emem tüchtigen Axthiebe den Schwanz, worauf mil Harpnnen und Aexten das Ungethüm völlig getödtet wurde. Er war mehr als 10 Fuß laug, also ungewöhnlich groß; fein Racheu "lleiu mch über drei Fnsi. In demselben hatte er eine dreifache ^leihc Zähne, die aber nicht so wie die Zähne der Maschen oder saugen Sängethiere sind, sondern mehr einem starkgezahnten feineil ^"Neblatte gleichen, das m dreifacher Reihe den Rachen umgibt. 70 Dritter Abcnd. Ich glaube daher auch nicht, daß, wie man oft erzählt, ein Haifisch einem ins Wasser fallenden Manne einen Fuß abzubeißen im Stande ist; er wird höchstens seiuen Körper in gräßlicher Meise zerfleischen, was am Elide auf das Gleiche, nämlich alls den Tod des Angegriffenen, hinausläuft. Das Fleisch des Haifisches war etwas zähe nnd schmeckte nach Thran, war aber trotzdem recht willkommen. Des Menschen Lebenslauf besteht aus drei Hauptactioneu, der Geburt, der Heirath und dein Tode. Viele lassen sich freilich mit Geburt nnd Tod allein genügen. Auch in dein engen Nanme eines Schiffes, im weiten, weiten Ocean spielen sich diese drei Haupt-Actionen ab. Auf unserem Schiffe fanden zwei Geburten Statt und ein Todesfall, nub wenn auch aus Maugel eines Geistlichen keine Hochzeit vorkam, so waren desto mehr angebahnt worden nnd harrten nur des kirchlichen Segens. Die Geburten verliefen recht glücklich, und obgleich keine Hebamme au Bord war, so fanden sich doch genng erfahrene Frauen, um den Wöchnerinnen und den Ncugebornen die nöthigsten Haud-leistuugen zu thun, und es herrschte unter dem weiblichen Theile der Passagiere ein reger Wetteifer iu Freundlichkeit und Zuvorkommenheit gegen dieselben. Die Wöchnerinnen hatten in vorsorglicher Erkenntniß ihres Zustandes Alles mitgenommen, was sie am nöthigsten bedurften, nnd so fehlte es weder an der erforderlichen Wäsche, noch an Zucker nnd Kiuderzwieback nnd anderen solchen Bedürfnissen, denen der Capitän aus seinem eigenen Vorrathe ein Fäßchen besonders rentes, süßes Wasser beifügte und mehrere Hühner opferte, um den Wöchnerinnen frische Fleischbrühe nnd passende, zarte Nahrnng zn liefern. In wenigen Tagen waren denn auch die Frauen wieder auf den Füßen uuo konnten ihrer gewohnten Lebensweife nachgehen. Ebenso sorgsam zeigte sich der Capitän in Beziehung aus unsere kranken. Wir hatten einen Epitalranm mit 4 Betten, die jedoch die meiste Zeit während der Neise leer staudeu. Nur hie und da Dritter Abend. ?1 erhielten die Netten Bewohner nnd diese wurden von ihren oder anderen Franen, welche sich der Krankenpflege annahmen, besorgt. Nur eins der Betten ward schon im englischen Canal belegt; ein ruinirter Glasermeister aus Königsberg mit zahlreicher Familie hatte die Auswanderung trotz eines bereits weitergerückten Lungen-leidcns unternommen. Obgleich sonst eine Seereise zn den Heilmitteln der Tuberkulose zählt, so hatte die Krankheit doch bei diesem Manne zu große Fortschritte gemacht, nnd so diente denn die Rch'e nur dazu, seiue Anflöfung rascher herbeizuführen. Am 18. Tage der Reise starb er und seine Leiche ward im großen Boote des Schisses am Hauptmaste aufgebahrt; die Verwesung trat bei der großeu Wärme sehr rasch ein, und uachdem der Schiffssegelmacher die Leiche in eine Matratze eingenäht und an dein Fußende ein Centner Steinkohlen beigepackt worden war, wurde für den folgenden Abend die Bestattung augeordnet. Alle Passagiere fanden sich, so festlich als möglich gelleidet, dazu ein, die dienstfreien Matrosen in ihren Sonntagskleidern, nnd der ebenfalls festlich gekleidete Capitän las entblößten Hanptes die Leichengebete der protestantischen Kirche uud sprach einige Worte des Trostes zu der schluchzenden Familie. Dann ward das schon früher mit Talg geglättete Brett, anf dem der Leichnam an der Brüstung des Schiffes lag, am Kopfende langsam erhoben, bis die Zeiche von ihrem eigenen und der Steinkohlen Gewichte gezogen, vom Brette in das lächelnde, blaue Meer hinabglitt und dort auf ewig den Blicken der Angehörigen entschwand. Einen schöneren Friedhof, als den an diesem Abend in den Strahlen des Sonnen-Unterganges so prächtigen, weiten Ocean kann man sich nicht wünschen; es schwinden da alle trüben Vorstellungeu von der Mucksen, kalten Gruft uud dem ekelhaften Gewürme, dem die gewebte Leiche zur Beute wird. Bei solchem Begräbnis; wird es recht 5l"r, daß nur nicht wissen, woher wir kommen nnd wohin wir l^hen, und nnr nnser Eingang aus der Ewigkeit und unser Aus- 72 Drittcr Äbcnd. gang in die Ewigkeit sich vollzieht. Gibt es ein schöneres Bild der Ewigkeit, als den nnermeßlichen, unbegrenzten Ocean? ^- Nachdem wir uns Nio de Janeiro nach sechswöchentlicher Fahrt bis anf 3 Breitengrade, also auf nicht 50 Meilen genähert hatten und schon zum Verdrnsse der abergläubischen Matrosen den Tag berechneteil, an welchem wir landen würden, ilmzog sich plötzlich der Himmel und nns entgegen tain Negen nnd starkes Windeswehen, das nns »ücht nur gehörig dnrchschüttelte, sondern 10 Tage lang weit zurücktrieb nnd so den Seelenten Recht gab, die behaupteten, das; solch eonträres Unwetter immer eintrete, wenn man anf einem Segelschiffe den Tag der Ankunft im Voraus bestimmen wolle. Endlich hellte das Wetter sich wieder auf, der Wind sprang von Südwesten nach Osten nm nnd am 5>!5. Tage nnserer immer raschen Fahrt rief am frühen Morgen beim erstell Eonnenstrahle Alles am Verdeck: „Land!" Der Eapitnn nannte den hohen Berg das (^adu t'rio (das külte Vorgebirge); was wir sahen, war also Vrasilien, nnser gelobtes Land und das Ende nnscrer Mühseligkeiten, vielleicht anch der Anfang nener, lag vor nnsern be-zanberten Augen, die nichts als Hoffnnng, nnd Glück spiegelten. Am späten Nachmittage sahen wir das Wahrzeichen von Rio de Janeiro, den Znckerhut, einen Felsen an: Eingangs des Hafens, der ganz diese Form zeigt, dann links von ihm den kolossalen Kopf des schlafenden Niesen, das Sinnbild Brasiliens. Tas Oe-birge bildet nämlich, von der See ans gesehen, die Form eines auf dem Nucken liegenden Menschen nnd zeichnet besonders das Profil eines Kopfes in genallen Umrissen. Wir waren dem Lande schon so nahe, das; wir ans den Bergen die winkenden Palmen erkannten nnd dnrch die enqe Einfahrt, an dem weißglänzendm Fort Santa Cruz vorüber, in den Hafen blicken konnten; da ließ der Seewind nach uud au seiner Statt blies uns die in Nio alltäglich nm diese Zeit einsetzende Landbrise so frisch entgegen, daß wir wieder zurück nnd die Nacht über beilegen Rio de Janeiro. \.Vts\«t\x\. Ö^t^s liA.ft%VCTS ^»* ^«Xkltt.. Dritter Abend. 7Z mußten. Kleine Dampfer und Segelschiffe fuhren uns entgegen und an uns vorüber, mit freundlichem Flaggensenken uns grüßend, das wir jedesmal mit lautem Hurrah beantworteten. Inzwischen spielte der sichtbare Telegraph auf der Höhe neben dem Zuckerhut uud meldete unsere Ankunft in Sicht der Barre oder Einfahrt. Am andern Tage, am 54. Tage nnserer Ncise, seit wir die Vlbmnndung passirten, um 11 Uhr Morgens erhob sich der Seewind und langsam näherten wir uns dem ersehnten Hafen. Immer kräftiger ward die Brise und endlich Nachmittags <; Uhr beim Unter-gange der Sonne flogen wir pfeilschnell an Sta. Cruz und am Znckerhnte, an der befestigten Insel Lages vorüber durch das enge Felsenthor in die weite Bai von Nio de Janeiro, bis zur Insel Villegaiguon, wo wir uusere Anker auf deu Grund rasseln ließen. (5ben donnerte der Abendsperrschnß uud so kouutm wir heute nicht mehr ans Land, uoch Iemaud zu uns an Bord. Die Kanonen des ^orts uud die Vote des Wachschiffes belauerteu uns argwöhnisch. Das war also Rio de Janeiro, der schönste Hafen der Welt, von dem ich (inch hier ein schwaches Bild vorlege. Vierter Ädend. Erster Eindruck der Bai von Rio. — Die Visite. — Die ersten Mohreil udev Sieger. — Du sollst nickt schmuggeln, — Die Auöwandercr-<^om^ nüssion. — Uebersiedelung auf Voin Jesus. — Wie wäre diose besser zu mael>cn? — Die Hospedaria auf Vom Jesus. — Die Trennung der Geschlechter. — Wer trägt die Kosten? — Nicht auspacken, — Der Bevollmächtigte des Henn Vergueiro. — lzin Epaziergang in Rio, — Deutsche Laudsleute. — Georg bleibt fest. ^ Fortsetzung des Epaziergangs, — Welches Geld soll man mitnehmen? — Welche Eorte Geld haben sie in Brasilien? — Abreist nach Santos. — Die Verpflegung und Unteriunst auf dem Dampfer nach Santos. Am frühen Morgen, lauge vor Sonnenaufgang waren wir alle wieder anf Deck, in unfern besten Kleidern, fertig zur Abfahrt. Es war im Juli, also mitten im brasilianischen Winter; aber selbst bei so früher Zeit war die Luft lau, und der Landwind trieb unsern, so lange Zeit bloß an die dumpfe Lnft des Zwischendecks mit seiner schwer zu beschreibenden Atmosphäre, an den Theer - und Seewassergeruch gewöhnten Nasen so würzige Düfte von Pflanzen und Blumen zu, daß unsere Sehnsucht uach dein Lande sich wo möglich noch steigerte. Und als nnu plötzlich die Sonne sich erhob und uns die wunderschöne Bai so recht herrlich zeigte mit den schöneil Vergformen nach allen Seiten, nnd nach dem Hintergründe zu immer größeren Masseu auwachsend, im rnhigen blaueu Nasser der Bai die vielen schönen Inseln mit ihren Palmen nnd sonstigen üppigen Laubbämnen, gleich bei uns, anf vorspringendem Fels höchst malerisch gelegen, die kleine Capclle der Mnttergottes, Schutzpatrouin der Reisenden (110^ 86nk0ra äa boa viligsin), ihr gegenüber die Feste Villegaignon und weiter die Schlangeninsel (iltia äa8 oodr^) und dann die große Vierter Abend. 75 Etadt, meilenlang am Ufer sich hinstreckend, das Kirchlem Nuiia (sprich Tostong), gilt 100 Reis - I'/- Ear. 2. Die Pataca gilt 320 Reis — 8 Sgr. 3. Der 0ru^äo (Krusado) gilt 400 Neis — 10 Sgr. 4. Der Milreis d. h. 1000 Neis — 25 Sgr. 5. Der Pataciio (Patakong) gilt 0 Patacas — 48 Sgr. An Goldmünzen gibt es: 1. Zehmnilreis (äs/ mN) im Werthe von ^50 Sgr. — 8^ Thlr. 10 Sgr. 2. Zwanzigmilrei^ (vinte mil) iin Werthe von 500 Sgr. — 1(i Thlr. 20 Sgr. :^. Unzen Goldes (on^Ä), wechseln zwar im Curse, halten aber 10 Mwo368 — 768 Sgr. — 25 Thlr. 18 Sgr. Nn Papiergeld: Banknoten zn 1, 2, 5, 10, 50, 100, 200, 500 und 1000 Milreis. Znr Zeit meiner Ankunft in Brasilien sah man wenig Papiergold, fast nnr Gold und Silber; damals waren die Banknoten auf elendes Papier gedrnckt. Seitdem hat man dieselben sehr zierlich und schön ausgestattet, aber dafür mit ihnen in den letzten fünfziger Jahren das Land überschwemmt, so daß man dort so wenig Gold oder Silber zu sehen bekam, als in Oesterreich. Erst seit den letzten drei Jahren bekommt man wieder mehr Metall zu sehen, seit die Negierung den kleinen Banken das Necht, Banknoten auszugeben, genommen hat. In der Provinz Rio Grande do Snl wnrde immer nnr nach Unzen und Patacues nach Art der spanifchm Nachbarn gerechnet. Vicrtcr Abend. 80 und Papiergeld sah wan unr bei Kauf- und Gewerbsleuten, die es mit Aufschlag zum Steuer- und Zollzahleu kaufeu mußten, da die Negienmgskassen keiu anderes Geld auuahnien. ^- Am 12. Tage nach uuserer Auknnft erhielten wir den Befehl, uns marschfertig zu machen. Der Dampfer, der uach Santos be-stimmt war, lag eiuige hundert Schritte voll uns vor Auker uud die Boote hatteu Arbeit vollauf, uusere Abtheilung, — es ging vou uns fürerst uur die Hälfte ab, die Andern sollten später folgen — au Bord desselben zu bringen. Da war es freilich uuaugenehm, daß wir auf Deck bleiben mußten; der Dampfer war zu kleiu, als daß mau uns hätte anderswo unterbringen köunen, und die Cajüte war voll von zahlenden Passagieren. Nns Männern lag am Ende wenig dran, ob wir bei so warmem Wetter unter freiem Himmel uud ill voller Kleidung eine oder zwei Nächte Zubrächten; indeß schadete es auch den Weiberu und Kindern nicht, und wenumaunm die Wahl ließe, ob ich mit eiuer so zahlreichen Gesellschaft über Nacht im Zwischendeck eingepfropft zubringen wolle, oder uuter freiem Himmel auf Deck, so würde ich letzteres unbedingt vorziehen. Bei Negenwetter lndeß mag es gerade uicht zur Aunehmlichkeit gehören; mau muß freilich die Sache uicht gar zu verwöhnt uehmen. Wäreil wir zu ^ande an unsern Bestimmungsort marschirt, so hätten wir uebeu dem Negeu noch den Koth und die angeschwellten Gewässer gehabt, und die Bivouacs im freien Felde sind unr kein Haar angenehmer, als die harteu Dieleu des Decks. Ueberdieß warcu wir arme Teufel und konuteuwol keinen größereu Luxus ansprecheu, als die Regierung ihren eigenen Dienern und Soldatcu gewährt, die uicht allem hier, sonderu selbst in Europa auf dieselbe Art befördert werden. Aber em sehr großer Ucbelstand herrschte damals noch bei dieser Vefördenmg. Aan betrachtete es nämlich für die kurze Dauer der Fahrt als über-slWg, deu Einwanderern etwas zn kochen. Wareu sie uuu so unvorsichtig, sich nicht mit Mnndvorrath zu versehen, so mnßteu sie "uf der ganzen Fahrt hungern, ums namentlich bei Kindern und ^aucu vou übleu Folgen sein konnte. Jetzt ist Vorsorge getroffen, 90 Vierter Abend. daß den aus Regierungs- oder Priuatkosten auf Dampfen: trans-portirten Einwanderern ebellfalls regelmäßige Mahlzeiten verabreicht werden. Auch in anderer Beziehlmg ward für sie Sorge getragen; die Eapitane solcher Dampfer nämlich haben die Verpflichtung, am Deck des Vordertheils ebenfalls ein Zeltdach sowohl bei Negenwetter, als bei großen: Sonnenbrand anbringen zu lassen, wie solche anf den: Hinterdeck gewöhnlich angebracht find. Unserer Reisegesellschaft verging die erste Nacht recht gut. Vor Morgengrauen schon setzte sich der Dampfer in Bewegung und brauste wieder bei den: Felsenthore hinaus, wo wir vor wenig Tagen so voll Erwartungen hereingekommen waren. Dann aber wendete er sein Bugspriet nach Südwesten und an: späten Abend desselben Tages nach sehr glücklicher und rascher Reise betraten wir den Hafen von Santos. Fünfter Abend. Welche ^leiscroute ist die desk und^nick gen^öhnlichstc fnr Halbscheid-Koloiusicn? — Georgs Aufcntdalt in Santos. — (N' ^eht nach ^an Ieronynw, — Wie daö Halbfcheidivefen entstand. — Vortheile dieser lvinrichtnng für den Einwanderer. — Vorbereitungen zur ^andreisc. — H!o>r Ccinto^ nach San Icronynw. — Anklinft daselbst. — Wie e6 Georg dort stnid. — Dantbarc Vetrachtungen. — Georgs Wohnung. — Die Fa;l»da, - Was <^l'o,g zn leisten lnUto und die Bchandlmig, di^ er erfuhr. — Uel'elswnde l'ciin Hald-sckeidivtsen nnd wie ihnen abgeholfen wird. — Warnm wollen die Gutü-l'es>«.'cr l'cine Halbschcid-,!iolonistt>! inchr^ — Wer lastt noch solche konnncli und linter welchen i!^dimi,un^en? Dmnals gingen die Halbscheid-Kolomstcn noch manchuml lwer Aiu de Janeiro, auch wenn sie für die Prouiuz S. Paulo bestimmt waren. Seit dem aber gehen sie direct von dem europäische:: Hafeu Nach Santos. Der Grnnd liegt einfach darin, daß die Fahrt uou Hambnrg oder Antwerpen nach Santos ebensoviel tostet, als die nach Rio de Janeiro, und dabei werden noch die Kosten des Aufeut-Haltes im Aufnahmehause Vom Jesus und der weitere Trausport "on dort nach Sautos erspart, eine bedeuteude Erleichteruug sowohl snr dm Geldbeutel des Grundherrn, der diese Kosten uorznschiefteu hat, als für den des Kolonisten, der sie schließlich zahlen muß, so wie eine beträchtliche Zeitersparniß. Wir hatteu uoch die Mcht an Vord zu bleiben. Am frühen ^orgeu des audereu Tages aber kam schou ein Bevollmächtigter ^s Hauses Vergneiro zn uns uud ließ uus aus Laud uud iu eiu ^u unserer Uutertuuft bestunmtes Local schaffeu, das für unsere ^dürfnisse genügte. Wir unirden dort sehr freundlich uud znuor-^uullend empfangen, so wie n»s anch die Aeuölkerung iu den 92 Fünfter Abend. Straßen freundlich begrüßte, und wir hatten uns kaum eingerichtet, so wurden uns von allen Seiten als Zeichen des Willkommens Früchte und Blumen zugesendet. Auch einige Consul« deutscher Staaten fanden sich bei uus ein und erkundigten sich theilnehmend nach unseren Erlebnissen. Diesen Tag war für nns gekocht worden; gleich bei uuserer Landung erhielten wir freilich schwarzen Kaffee, aber träftig und hinreichend süß, und ein Weißbrod pi-. Kopf; Mittags gab es Snppe, schwarze Bohnen mit Mandioc und frisches Fleisch. Am Abend wurden aber die Lebeusmittelrationen, wie selbe für uus iu den Kolonien bemessen werden, für die kommende Woche au uns ausgegeben, um sie selbst Zu kocheu, da wir voraussichtlich noch einige Tage hier verweilen mußten, weil die Maulthiere, welche wir zur Weiterreise benöthigten, noch nicht eingetroffen waren. Anch mußte die Vertheilung der Einwanderer auf die verschiedeneu Gutsbesitzer stattfinden. Damals nämlich hatte Hr. Ver-gueiro, der außer semer Senatorswürde und zwei großen Landgüteric noch ein großes Kaufmannsgeschäft in Santos besaß, es übernommen, für jeden Grundbesitzer iu der Provinz S. Paulo, der Halbscheidkolouisteu zu haben wünschte, dieselben zu verschreiben nnd kommen zu lassen und die Kosten einstweilen zu tragen. Deßhalb wurden deun auch alle solche Kolonisten sür den Hrn. Vergueiro angenommen, nnd erst in Santos fand die Vertheiluug der Kolonisten an die Gutsbesitzer Statt, welche selbe bestellt hatteu. Für uus war das vollkommen gleichgiltig; wir kannten die nenen Herren so wenig als deu Hrn. Vergneiro, nnsere Contracte galten für den einen so viel, wie sür den andern, nnd so hatten wir weiter nichts dagegen einznwenden. Der einzige Wuusch, den wir, d. h. ich uud Liese, hegten, war, bald an Ort und Stelle zu sem und uusere Arbeit beginneu, unsere Existenz gründen zu können. So waren wir denn froh, zn hören, daß wir für den Hrn. Senator Queiroz und auf die Fazeuda S. Ieronymo im Bezirke Luneira, nicht sehr weit uon Hrn. Vergueiro's Gute, bestimmt seieu. Uns Fünfter Abend. !)Z und nebst uns noch 7 Familien, im Ganzen 35 Köpfe, alle so Mulich ruhige, ordentliche Lente ans aller deutschen Herren Länden«, traf diese Bestimmung nnd zugleich der Befehl, nus für den zweiten Tag reisefertig zu halten. Hier wird es aber am Platze sein, Euch, liebe Landslcnte, zn sagen, was denn eigentlich diese GntsbeMer veranlaßte, uns kommen zu lassen. Früher, als noch der Sklavenhandel oder, besser gesagt, die Einfuhr von in Afrika gestohlenen oder gekauften Mohren er-lanbt war, da hatten die Brasilianer sich alle Jahre solche Neger schicken lassen, nm ihre sehr weitläufigen Besitzungen, die sie selbst Unmöglich hätten bebanen küunen, von ihnen bearbeiten zn lassen. Diese Heger waren sehr wohlfeil nnd auch ihre Erhaltung kostete sehr wenig; daher war der Ankanf von Sklaven sehr vortheilhast, weil die Bodenprodukte verhältnißmäßig sehr hohe Preise hatten. Es war also eine gnte Speculation, sein Geld in den Ankauf von Sklaven zn stecken nnd mit ihrer Hülfe Landwirthschaft zn treiben. Daher kam es, daß diese Gutsbesitzer bei so zahlreichen Arbeitern (selten hatte einer weniger als 30 — 40 Sklaven, manche auch in die Tansende) sich der besonders rentablen Pflanzung von Zucker nnd Kaffee zuwandten. Im Eüdeu des Reiches, wozn die Provinz S. Paulo noch qc-h"rt, wendete mau sich mehr der Kaffeecultur, im Norden mehr bem Zuckerrohr zu. Um aber vom Kaffee Vortheil zn ziehen, bedarf wan sehr großer Pflanzungen, nnd gar viele zählen mehrere Hundert-Wlsend Bänmchen. Diese nehmen natürlich einen ungeheuren Naum ein, denn eiu borgen Landes faßt kaum 1000 Kaffeebänmchen, wenu sie hecken-Ntig angelegt sind; sind aber dieselben nach der Art unserer Obstbämne ^pflanzt, so kommen deren kamn :>00 ans einen Morgen. Solche Uugeheure Strecken von Unkraut rein zn halten und die Kirschen zu N'tten, die sehr verschieden reifen, dazu gehören sehr viele Arbeiter. Als nun die Sklaveneinfuhr verboten wurde, da fingen den Gutsbesitzern nach einiger Zeit die Arbeitskräfte zn fehlen au; dic 94 Fünfter Abend. großen Iuckerpflanzcr im Norden, welche die reichsten Lente im Lande sind, tanften die ihnen fehlenden Neger im Süden zusammen, wo mau angesichts der daselbst viel stärkeren freien Bevölternug und der nicht unbedeutenden Anzahl von Einwanderern sich bestrebte, die Sklaven zu vermindern, um dem Tage leichter entgegen ,,u sehen, wo über kurz oder laug die Sklaverei aufgehoben werden würde. Um indeß der Sklaven so viel als möglich sich entledigen zn können, mnßten die Grundbesitzer bedacht sein, für ihre Pflanzungen Arbeiter zu erhalten, wenn sie nicht rninirt werden und an deu Bettelstab kommen wollten. Da kam dein alten Senator Vergueiro, einem sehr klugen und thätigen Greise, der Gedanke, die in fast ganz Italien, dann in einigen Theilen Frankreichs uud Englauds in Gebrauch stehende Sitte der Halbpächter einzuführen. In diesen Ländern', besonders aber in Italien, gibt nämlich der Grundbesitzer sein Land an arme Lente, die ihm statt eines Pachtzinses die Hälfte ihrer Ernten abliefern. In Brasilien selbst konnte man nicht hoffen, die nöthigen Lente dazu zu finden; denn es fehlt au Leuten überhaupt und der farbige Theil der freien Bevölkerung liebt im Allgemeinen viel zu fehr die Trägheit und die Nngebnndeuheit, als das; er sich eine bindende VerpfliclMng auferlegte. Man richtete demnach seine Allgen auf die auswanderuugs-lustigen Völker Europa's, besonders anf die Portugiesen, Dentschen und Schweizer. Es war ja bekannt, daß Hunger und Kälte daselbst alljährlich große Opfer fordern unter den niedereil Schichten der Bevölkerung. Diesen wollte man die Möglichkeit geben, aus ihreu tranrigen Verhältnissen herauszukommen, indem sie ihre in der alteil Heimat so schlecht bezahlte Arbeit hier zu ihrem uud ihrer Orundherren Vortheil verwendeten. Dazn war es aber vor Allem nöthig, daß man es ihnen möglich machte, nach Brasilien zn kommen. Es mußten ihnen daher die Reisekosten vorgeschossen werden; und da sie gänzlich unbemittelt Fünfter Abend. 95 hier ankamen, mußte ihnen Unterkunft, Nahrung, Kleidung gegeben und Sorge getragen werden, daß sie sich selbst etwas erwerben könnten, nm nicht stets im Sacke des Gruuddesitzers zu hängen. Man ließ daher solchen zur Auswanderung geneigten, aber durch ihre Mittellosigkeit darau gehinderten Renten vorschlügen, ob sie geneigt wären, ihren einzigen Besitz, die Kraft ihrer Arme und derer ihrer Familie, so lange dem Dienste ihres Gutsbesitzers zuzuwenden, bis es ihnen möglich werde, ans der ihnen dafür zukom-uiendeu Hälfte der Ernte die Echuloeu zu bezahlen, die ihnen ans dein Vorschusse der Reisekosten und der Erhaltung auf der Kolonie erwachsen wären. Natürlich griffen Viele so zu, wie ich zugegriffen habe. Und das ist die Geschichte von den Halbscheid-Contracten. Daß dieß eine große Wohlthat für nns arme Leute ist, die wir zn Hause in Verzweiflung nnd Elend verkommen wären, ist an und für sich klar. Aber anch in Brasilien konnten sich die Contracts uur höchst günstig für die Einwauderer erweisen. Die Leute kamen ja in ein Land, von dessen Sprache sie gar nichts verstanden, dessen Früchte, Art des Laudbaues, der Verwerthung, Saat- und Erntezeit sie gar nicht kannten. Sie lernten ulso Alles, was ein anderer Einwanderer nnr ans eigene Kosten ln'ut, auf Kosten ihres Gutsherrn, den die Folgen der Ungeschicklichkeit nnd Unwissenheit seiner Halbscheidler am empfindlichsten ^afen. Sie machten anf seine Kosten ihre Akklimatisation durch und waren, sobald sie ihre Schulden bezahlt hatten, erfahrene Leute, ^e Land, Menschen nnd Sprache kannten nud sich eiue ueue Existenz >nit großer Leichtigkeit und großein Vortheile gründen kounten. Ihr werdet mir zugeben müssen, daß dieser Gedanke ein großer "ud herrlicher ist, der einst noch reiche Früchte zn briugeu bestimmt ^n dürfte. Ich werde Ench gleich erzählen, wie dieser Gedanke ausgeführt wurde, wie die Neuheit desselben nnd die Fehler der ^euschonnatur sich demselben feindlich zeigten nnd wie trotz alledem das Bessere darin zur vollen Geltung kam. Kehren wir einstweilen ""ch Santos zurück. 96 Fünftrr Abend. Der Agent des Hrn. Quciroz nnt den Maulthiereu war angc-konnnen und besuchte uns, nur die Gepäckstücke in Augenschein zu uehmen, die nur mithatten. Uns, unr und meiuer Familie, ging es dabei ganz gut: uusere Armuth hatte uns uicht erlaubt, be-souders viel mitzunehmen; außer der Prouiantkiste vom Schiffe her und einem kleinen Koffer hatten wir uur zwei mittelgroße Kisten mit unsern Betten, Kleidern und Kücheneinrichtuugen, deren jede an die 1N0 Pfund wog. Der Agent lobte uns deßhalb, da wir dieselben ungehindert auf einen Maulesel packen konnten, während die Proviantkiste uud der Koffer mit sammt dem Kleinen anf dem zweiten Platz fanden. Schlechter ging es meinen Gefährten. Diese hatten große, ungeschlachte Kisten zu 2, 3, auch mehr Centnern Gewicht, die uie und nimmer ein Maulesel hätte schleppen und die kein Mensch alls einem solchen Thiere hätte verpacken können. Da mm auf dem Wege nach S. Ieronymo (St. Hieronymus) Fahrten zu Wagen absolut unmöglich sind, oder wenigstens damals waren, also die Kisten hätten zurückbleiben müssen, so blieb nichts übrig, als dieselben auszupacken uud die großen Kisten in so viel kleine zu verwandeln, als zur Wiederverpackung der Gegenstände nothwendig waren. Was aber auch manche dieser keilte eingepackt hatten! Alte Stühle, Fetzen und Lumpen, unbrauchbares Hausgeräth, irdeue Töpfe, kurz offenbar Alles, was in ihrer frühereu Wohnung uicht niet- und nagelfest gewesen war! Der Agent bestand nun unerbittlich darauf, daß dieses Gerumpel fort geworfen werde; sonst sei er nicht im Stande, mit seineil 30 Maulthieren alles Gepäck zu transportiren. Seufzend fügten sich die Leute dieser harten Anordnung, und unter dem hellen Gelächter der Uebrigen flogen alte Holzstücke ins Feuer, Töpfe und Häfen voll Nuß und Flnnkern anf die Gasse, und uoch vor Abend waren unter rüstigem Beistande Aller die Kisten abgesägt und neu zusammengefügt, verpackt nnd znr Abreise bereit. Diese traten wir denn am andern Morgen früh an und legten sie iu 14 Tagen zurück. Wir machten keinen Tag Fünfter Abend. 97 mehr als 5 bis 4 Leguas (2'/2-^;'/i deutsche Meilen), hielten Mittagsrast, marsch irteu Vor- nnd ^lachmittags, Männer, Weiber und größere Kinder zu Fuße, Kinder und Mattgewordeue auf Ätaulesekt, ueben unserni Gepäcke her. Die Nachtlager hielten wir meist unter Ranchos, freistehendem Hütten, die keine Seiteuwände, sondern uur Dächer hatten. Hie und da mußten nur auch im freien Felde übernachten oder wurdeu in n'irklichen Häusern untergebracht. Das Laud war immer schön, hügelig, reich bewaldet und wenigstens iu der Nähe größerer Ortschaften gut bebaut. Iu der Nähe vou <3antos uud der Stadt S. Paulo begegneten wir vielen Karreten. Das sind große starke Wagen ans zwei ungeheuren Nädern; die größten davon werden oft von U) und mehr Joch Ochsen gezogen, uud da die Näder aus Holzscheibeu bestehen, die fest au die Achse geschlagen werden, die sich sammt den Rädern bewegt, so entsteht beim Fahren ein furchtbares Gekreisch, das mau auf halbe Stunden weit hört. Es gibt auch kleinere, mit ordentlichen Rädern und fester Achse, aber diese sind viel selteuer. Später begegneten wir uur uoch Maulthierzügen (der Brasilianer nenut sie troM«), die uteist mit Kaffee seewärts uud mit verschiedenen Waaren landwärts zogen. Auf unsern Lagerplätzen bekameil wir Lebensmittel ausgetheilt, die wir uns natürlich selbst bereiten mnßten, wobei nns das vom Schiffe mitgebrachte Geschirr gute Dienste leistete. Mit den Betten sah es schlecht ans, und diejenigen, welche ihre Schiffsmatratzen behalten oder in Santos Strohmatten (sie Heiheu nn Laude 68wir^) gekauft hatten, wurdeu uon den Audereu sehr beneidet. Denn wir waren mitten im Winter, und wenn es auch bei Tage sehr warm war, die Nächte wurdeu, je höher wir ms Gebirge kamen, immer kühler. Anch war der Weg und manchmal das Wetter herzlich schlecht, und wer glaubt, so ein Regen in Brasilien sei wie ^ie unsrigen, der irrt gewaltig. In großen Tropfen kommt er wie aus Eimern gegossen uud iu fünf Minuten ist man bis auf die Hmtt uaft; iu einer Stunde ist das kleinste Vächlein furchtbar 98 Fünfter Abend. angeschwollen, nnd dann heißt es durchwaten, so gut es geht. Das Gute dabei ist nnr, daß Ulan dadurch eben nicht nässer werden kann, als nlün ohnehin schon vom Negen ist. Nir innßten auch einmal am Ufer eines solchen Vaches mehrere Stunden liegen bleiben, bis dessen Wasser sich wieder etwas verlaufen hatten, wobei es ein Glück ist, daß sie eben su schnell gehen, als sie kommen. stach all diesen Strapazen kamen wir endlich am kellen Nachmittage auf der Fazenda S. Ieronumo an, wo uns unser neuer Grundherr, der Hr. Senator Qneiroz und seine Familie selbst erwarteten und sehr freundlich und giltig aufnahmen.» Er sprach einige Worte zu uns, die der Director, Hr. Vrann, übersetzte nnd welche nns willkommen hießeil nnd die Hoffnung ausdrückten, es werde uns hier gefallen und nnr würden bald Freunde werden; wir sollten Vertranen zn ihm haben; was an ihm läge, wolle er thun, um nns zufrieden zu stelleu. Darauf führte uns der Director nach unsern Wohnungen, die etwa eine halbe Viertelstunde von der Fazenda entfernt lagen, nnd theilte jeder Familie ein Hänschm zu. Das meinige war wie alle übrigen ungefähr 17 rhn. Echnh Gassenfronte nnd nngefähr 27 Schnh tief; es enthielt einen Flnr und links und rechts dauon ein Zimmer, rückwärts im Hofe eine Küche nnd dabei, einen Fleck Land fin- den Garten. An Möbeln war nur das Ullernothdürftigste vorhanden; aber das Hänschen war solid nach Landesart gebant und hatte ein Ziegeldach aus sogenannten Dachpfannen, von denen die Brasilianer behaupten, das; sie besser den dortigen Stürmeu uud Regengüssen zu widerstehen vermöchten, als unsere deutschell Dachziegel. Für dieses Häuschen hatte ich nun dem Herrn 6 Ki6iÄ (lies: sechs Mil reis) oder 5 Thaler jährlichen Miethzins in monatlichen Raten von 12^ Silbergroschcn zn entrichten. Auch konnte ich Ackerland gegen (5nt-richtnng eines kleinen Pachtes haben, so viel ich brauchte, und zwar mnßte ich für eiueu Morgen 12'/,» Egr., einen halben Milreis, jährlich Pacht geben. Wollte ich mehr als einen Morgcn, so mnßte ich für den zweiten Morgen 1 Milreis und für jeden Morgen mehr Fünfter Abend, 99 2 Milreis zahlen. Auch dürfte ich, sobald ich Nich haben würde, dasselbe auf den Weidegruud der Fazeuda schicken, sollte aber für jedes Pferd oder jeden Maulesel 700 Neis oder 17'/» Sgr. und für jedes Stück Rindvieh 400 Reis oder 10 Sgr. monatlichen Zins entrichten. So lange ich nicht im Stande war, dieses zu bezahlen, wurde es mir bloß im Nechuungsbuch augeschrieben, ebenso wie die Lebensmittel, welche der Herr mir gegen bestimmte Preise lieferte und die frisches und gedörrtes Fleisch, Speck, Maudiocmehl, Mais, Bohnen, Reis, Salz, Num, Essig, Pfeffer, Seife und Licht umfaßten. Auch wurde dein, der es wünschte, ein Maulesel, eine Milchknh sammt Kalb, ein Schwein, Hühner 2c. auf Borg gegeben. Ebenso konnte Jeder von uns, was er zur Kleidung oder uöthigstem Hausrath bedürfte, vom Magazin des Herrn entuehmeu; der Director hatte die Austheilnug und Aufschreibung zu besorgen. Diese geschah indeß so, daß jeder Kolonist ein Büchlein (olläsi-netk) empfing, iu welchem das, was ihm gegeben ward nud die dafür berechneten Preise eingeschrieben wnroen, während in das Hauptbuch der Fazeuda dasselbe eingetragen ward. Am Ende des Jahres wurde dauu die ganze Summe berechnet. Auf der andern Seite des Vüchleins wurde dann eingetragen, wie viel Kaffee der Kolonist geerntet, was ihm davon uud sonstwie zu Gute kam, uud dieses ward dauu uou der Schuldsumme abgerechuet. Endlich wurdeu, aber erst vom zweiten Jahre au, sechs Procent Zinseu dazu geschlagen uud anf das neue Jahr übertrageu. So tonnte jeder Kolonist genau wisseu, was er schuldig war und sich darnach richteu. Wäre überall diese Orduuug streng eingehalten worden, so hätte Niemand einen Grund gehabt, sich je über das Halbscheidwesen zu beschweren. Ich bin da ein wenig aus der Ordnung gekommen und kehre jetzt zu unserem Eiuzug zurück. Noch am selben Abend packten wir unsere betten ans und richteten uns möglich behaglich ein. Unser kleiner ^eorg fand sich sehr bald zu Hause nud wir fühlten uns zn innigem ^anke gegen Gott gestimmt, der uns iu seiner großen Gnade mw 100 Fünfter Abend, Barmherzigkeit durch so viel Gefahren und Mühen hierher geführt hatte, und hofften, daß er uns gewiß cmch hier nicht verlassen würde. Des folgenden Tages wurden wir auf der Fazenda bewirthet und erhielten dann unsere Nechnungsbücher, in welche schon unsere Schulden für die See- und Landreise und für Kost und Unterkunft anf Bom Jesus, in Sautos und hier eingetragen waren. Ich erinnere mich noch, daß dieser erste Posteu für mich, Licse und den Kleineu weit über 300 Milreis, also über 500 Fl. rhn. betrug. Und diese Summe hatte mir ein Mann geliehen, den ich nie gesehen, von dein ich nie gehört hatte! Er hatte mir sie im Vertrauen auf meiue Ehrlichkeit, auf meine küuftige Arbeit hiu vorgestreckt, mir, dem in seiner Heimat selbst die besten Frennde und Bekannten uicht die 80 Guldeu hatten leihen wollen, die ich nur zunl Nachweise der zur Erlauguug der Heirathserlaubniß nöthigen 160 Gnldeu bedürfte! Und wie hoch beliefen sich erst die Vorschüsse der Altdereu! Manche Familie schuldete 1000 uud mehr Thaler. Mögeu Andere darüber deukeu, wie sie wollen, Liese und ich, wir fühlten warme Dankbarkeit für den Manu, der so viel für uns gethan und wir faßten den festen Vorsatz, unsere Pflichten gegen ihn auf das Treulichste zu erfüllen. Schon am zweiten Tage zogen wir aus, um die Kuh und die Hühner zu bekommen und das machte Liesens Freude vollkommen. Der Gutsherr ließ uns einige Tage Ruhe, um uns von der Reise zu erholen, uns in unseren Wohnnngen heimisch zu machen, die Fazenda und den Kaffeeberg zu besichtigen. Unsere Wohnung gefiel uns ganz gut, wenn auch der Fnß-boden bloß aus gestampftem Lehm bestand und, statt der Fenster mit Glasscheiben, bloße Fensterladen waren. Der Herd in der Küche bestand einfach ans einen: großen Steine und der Nanch nahm feinen Weg durch Thür und Fenster, weil man dort an keinen Nauchfang denkt. Auch lag die Küche abgefondert, was aber sehr klug ist, da die Hitze dorthin die meisten Infecten lockt, und fomit die Wohnung uon diesen verschont bleibt. Fünfter Abend, N)I Ich habe den Allsdruck Fazeuda kschon so häufig gebraucht, daß ich ihu Euch endlich eimual erklären Utuß. Fazenda bedeutet gar vielerlei, als Finanzen, Waaren ie. In denl von nur gebrauchten Sinne bedeutet es aber Landgut oder Pflanzung, zum Unterschiede von Nstlmoia, das auch ein Landgut, aber eiu solches, wo hauptsächlich Viehzucht im Grosieu getrieben wird, bedeutet. Auf einer Fazenda dagegen wird hanvtsächlich Ackerbau getrieben. Man nennt aber anch das anf diesem Gnte befindliche Herrenhaus Fazeuda. Die Herreuhäuser sind meist ebenerdige Gebäude, aus Bruchstein aufgemauert uud je nach dem Neichthume des Besitzers mehr oder minder luxuriös, kleiuer oder größer. Selbst viele Herrenhäuser haben keine Glasfenster, während andere wieder Kamme, Mcmnorplatten, Balkoue !c. aufweiseu. An das Herreuhalts stoßen die Wirthschaftsgebäude und die sugeuauuteu I^n^yMo»; da sind die Scheuueu, wo der Kaffee getrocknet wird, da sind die Stampfen zum Schälen desselben, die Vorrichtung zum Waschen, Reiuigeu uud Sortiren, die Zuckermühle, die Branntweinbrennerei und Zuckersiederei, die Maudiocca - Presse uud Nöste, kurz Alles, uur keilte Stalluugeu fiir das Vieh. Hiuter den Nirthschaftsgebäuden kotiuiren dauu eiue oder inehrere Zieiheu elender Hütten, in denen die Sklaven der Fazeuda wohueu. Bei dem Herreuhaufe dehut sich der meist mit Mauern leiugeschlosseue, aus ummauerteu Beeten bestehende Blumeugarten uud der ebeufalls unt ZNauerlt eiugefaßte Obstgarteu, «.rvoreäu, ^so wie der Gemüsegarten hin. Hie uud da sieht mau anch bei solcheu Häusern ein Wäldchen von Oraugeu-Vänmen uud Bananen-Pflanzen. Unter deu Wirthschaftsgebäudeu der Fazenda befand sich auch das Magazin, aus welchem wir unsere Bedürfuisse erhiclteu. Gleich Ut unserer Nähe war der eingezäunte Weideplatz (potwiw) uud vor deu Mrthschaftsgebäudeu war der sogenannte corral, eiu kleiuer, ^ngezäunter Platz, wohin die Pferde uud Esel getriedeu werdeu, wenn man deren für deu Dieust bedarf. 102 KüüfNr Ädcnd, Endlich ist da noch ein kleinerer Corral, der zur Aufnahme der .Uälber dient, die man bei Hause halten muß, damit sie der Kuh nicht die Milch wegsaugeu. Den Kaffeeberg endlich und seine Behandlung werde ich ciu ander Mal beschreiben. Für heute befchräuke ich mich darauf, Euch zu wiederholen, was mau von, uus begehrte. Wir sollteu das zwischen den Kaffeebänmcheu liegende Feld von Unkrant frei halten, also 3 4 mal, auch öfter, unsern Antheil jäten und dann die reif werdeuden Kirfchen uach nud nach abpflücken uud denl Director übergeben. Alle Zeit, die von diefem Geschäfte übrig blieb, konnten nur uach Gntdünken verwenden und brauchten darüber keine Rechenschaft zu legen. Nnr wenn wir die Kolonie auf einige Tage ver-lasseu wollten, mußten wir dazu die Erlaubniß des Directors einholen. Auf Trunkenheit und Widersetzlichkeit, fo wie Arbeitsverfäumniß staudeu Geldstrafen; Verbrecher aber sielen dem Landesgesetze anheim. Ihr seht daraus, liebe Landsleute, daß wir kciuesweges als Sklaven, ja nicht einmal so streng wie die Knechte iu Deutschlaud gehalten wurden. Die Arbeit war uicht sehr anstrengend, beim Pflücken konnten sogar Kinder und Greise mithelfen und Alles hatte seine gewisse, regelmäßige Zeit. Auch stand nirgends vorgeschrieben, wir müßten gerade an diesem oder jenem Tage arbeiten, oder die Arbeit müßte zu dieser oder jener Stunde beginnen und zu einer gewissen Stunde aufhöreu. Wir gingen zur Arbeit, waun es nöthig schien uud beendeten sie uach unserem Gefallen; uur wenn dem im Freien znm Trocknen ansgebreiteten Kaffee eine plötzliche Gefahr vom Negen drohte oder bei Feuersbrünsten u. dergl., warm Alle verpflichtet, auf die erste Mittheilung zu Hülfe zu eilen. Was unsere Vehandluug Eeiteus des Directors betraf, so hatteu wir Deutschen — es waren ihrer 72 Familien -- uus wenig zu betlagen; er war rechtlich uud, wenu auch etwas barsch, weder hart, noch ein Ohrenbläser. Uud der Herr und seine Familie, die leider nicht immer alls der Fazenda weilten, waren die Liebe und Güte selbst. Die Dameu Fünfter Abcnd, WZ der Familie besuchten die Kranken, nahmen gefährliche Kranke sogar auf die Fazenda zur besseren Wartung, richteten Nähschuleu für unsere Weiber nnd Mädchen ein, statteten Brautpaare aus und waren wahre Engel der Wohlthätigkeit. Der Hr. Senator ließ von Zeit zn Zeit für die protestantischen Kolonisten den deutschen Pastor von S. Paulo kommen, nahmeinen Schullehrer alls und errichtete eine Schule, in der nnsere Kinder auf deutsch nnd portugiesisch unterrichtet wurden. Er sandte jedem Kramen den Hausarzt uuo bestritt oft selbst die Medicamente. Die katholischen Kolonisten waren schlechter daran, da sie in die Kirche zn dem brasilischen Geistlichen gehen mußteu, dessen Predigt fie nicht verstaudeu uud der sie weder beichten lassen uoch auf dem Krankenlager trösten konnte. Uuser Herr hatte auch einen eigenen Kirchhof für nns anlegeil lassen, den wir indeß nnr mit geringem Zuspruch beehrten. Der Arzt half nnsern Kranken übrigens nur sehr wenig; das Meiste thaten die Franen, die in Brasilien hente noch, wie im Mittelalter in Enrova, die Heilkunde und Kranken-pflege zu den Ehrenrechten ihres Geschlechtes rechnen. Es war daher kein Wnnder, daß wir alle mit unserer Lage znfrieden waren. Die einzige Ausnahme bildeten zwei Schweizerfamilien, die mit vielen Kindern belastet waren. Diesen war von ihrer Heimatsgemeinde das Geld zur Reise vorgeschossen nnd zn hohen Zinsen berechnet worden. Neber-dieß waren sie keine Lanolente nnd nebenbei faul nnd mißmuthig. Wir andern alle waren aber Leute vom Lande, nick wenn auch ich z. B. voll Profession ein Müller war, so war ich doch auf dem Lande anfge-wachsen, hatte an allen Feldarbeiten theilgenommen; denn was eine rechtschaffene Mühle ist, die hat immer Aecker und Wiesen nnd der Ätühlknappe Zeit und Gelegenheit genug, die Feldarbeit nicht zn vergessen. Liegt doch das ganze Geheimniß des Ackerbanes darin, ^aß man schwere Arbeiten zn verrichten gewohnt ist; das richtige Rlngen, Eggen und Säen braucht man da nicht, nnd ein anstelliger Aann würde es im Nothfälle anch bald lernen. So war es auf unserer Kolonie, aber leider nicht auf allen. 104 Fünftor Abend. Es gab auf manchen eine Menge Uebelstände, nnd der größte davon war, daft das ganze Ding den Einwanderern sowohl als den Gnts-herren völlig nen war, dann, daß man sich gegenseitig mit Mißtranen betrachtete. Schon weil eins das andere in seiner Sprache nicht verstand, ward viel gethan, was man sonst gewiß vermieden hätte. So aber verschüttete man das Kind mit dem Bade und machte Geschrei nnd Svectakel, wo einiger gnter Wille nnd die Erfahrung allein hätten Hülfe schaffen können. Nir hatten gleich selbst den Beweis davon. Venn Messen der Kaffeekirschen wurde ein Alqueirenmaß, obwohl es gesetzlich cimentirt war, zu groß gefunden und wir machten dem Director darüber eine Bemerkung. Dieser sagte es dein Herrn und der schickte uns die Votschaft, wir sollten einen Vertranensmann uuter uns wählen, der mit dem Director nach der Stadt Limeira reisen und die Al-queire neu untersuchen und cimentiren lassen sollte. Das geschah und wir überzeugten uns, daß das, was mau anderwärts als Betrug ausschrie, hier ganz einfach eine Nachlässigkeit des Beamten gewesen war, der die Cimentirung zu besorgeu hat. Es gibt oder gab wenigstens damals vielleicht keinen Ort in der Provinz, wo Maße nnd Gewichte vollkommen gleich gewesen wären. Hätten wir nuu über Betrug geschrieen, die Arbeit eingestellt, wie es anderwärts die Kolonisten thaten, so hätten wir und der Gutsherr unermeßlichen Schaden gehabt und wir wären erst jetzt endlich da, wohin wir bei vernünftigem Auftreteu gleich im ersten Jahre gelangten. /ferner hatte unser Contract nnr von der Neise im Allgemeinen gesprochen und bestimmt, daß wir dieselbe zu ersetzen hätten. Wir hatten daruuter immer nur die Seereise verstaudeu uud geglaubt, daß die Neise vom Hafen bis anf die Kolonie selbst vom Gutsherrn zu tragen sei, besonders weil sie fast immer mit dessen eigenen Maulthieren geschah. EZ war uns daher sehr unangenehm, daß nns jeder Maulesel mit l2 Milreis berechnet wurde, was bei großer Familie uud zahl-reichem Gepäcke ciue bedeutende Smmne betrng. Der Contract Fünfter Abend. 105 freilich sagte nichts über die Landreise, und so hätten wir nnweigerlich zahlen müssen. Anderswo erhob sich darüber viel Geschrei nnd die Geschichte machte viel böses Blnt. Wir aber gingen einfach zmn Herrn, stellten ihm bescheiden unsern Irrthum und unsere Wünsche vor, worauf er erklärte, daß er, falls wir keine Ursache znr Klage gäben, die gesammten Transportkosten von Santos bis S. Ieronymo nach Ablauf eines Jahres uns schenken würde. Diesem Beispiele folgten fast alle größeren Besitzer, die den Transport dnrch ihre eigenen Maulthiere hatten besorgen lassen. Freilich die kleineren Grundherren, welche die Tropas dazu hatten miethen müssen, vermochten dieß nicht zu thun, gewährten aber doch manche Erleich terungeu. Ein anderer Grund Znr Nnzufriedeuheit lag darin, daß eine Theilung der Ernte nicht allein bei der Kaffee-Ernte, sondern auch bei den sonstigen Erzeugnissen der Kolonisten bedungen war, sobald sie dieselben verkanfteu, z. B. bei Gemüsen, Früchten, Mais, Bohnen :c. Wie hätte sollen bewiesen werden, wie viel der Kolonist «erkaufte und wie viel er dafür gelöst hatte? Die Folge davon war, daß die Kolonisten gar nichts zahlten und die meisten Gnts-befitzer stillschweigend daranf verzichteten. Dieß hatte nun wieder andere Uebel im Gefolge. Der unredliche Kolonist, der weniger ans die Abzahlnng seiner Schuldeu, als auf seiuen eigenen augenblicklichen Vortheil sah, kümmerte sich wenig um den Kaffeeberg und wendete seine ganze Zeit dein Anbau von Feldfrüchten, Obst nnd Gemüse zu, deren Ertrag ihn: allein zufloß. Unser klnger, Gntsherr hatte dein vorgebaut, indem er auf die Theilung des Erlöses verzichtete, dafür aber sür jedes Stück Feld, das er den Kolonisten gab, sich Pacht zahlen lieh. Ebenso verhinderte er die Speculation mit der Viehzucht auf seine Kosten dadurch, daß er sich für Benutzung seiner Neide ebenfalls Pacht zahlen ließ. Auch die Theilung der Kaffee - Ernte führte zu vielen Mißhcllig-k"teu. Die Lente pflückten den Kaffee und lieferten ihn ab. Nach vollendeter Ernte, im Monat September oder noch später, wurde l0<» Fünftcr Abend, die Summe dor abgelieferten Kirschen notirt. Gerechnet aber konnte erst werden, sobald der Kaffee gestampft, gewaschen, pollrt, verschickt, verkanft nnd die Verkaufsrechnungen von dein Verkäufer eingelaufen waren. Das dauerte gewöhnlich ein bis anderthalb Jahre. Dann wurden erst die Kosteu für die Herrichtung des Kaffees und für dcsseu Transport, die Verkaufscommission, die Negzölle :c. in Abzug gebracht, und erst hicnach die Theilung vorgenommen. Denkt Euch mm einen von unsern mißtrauische» Landsleuten, der das alles nicht recht begreift uud überall Betrug wittert, dem allerdings auch Thür und Thor geöffnet sind, so ist die Unzufriedenheit der Leute mit dem, was sie erhalten, leicht erklärlich. Deßhalb ist Ulan anch jetzt davon abgegangen und die Gutsherren haben sich mit den Kolonisten dahin geeinigt, daß sie ihnen für jede Alqueire gepflückter, reifer Kirscheu eiue gewisse Summe, die zwischen 300 und 400 Neis — 7'/- bis 10 Egr. schwankt, gleich vergüten und die Gefahr des Verderbens der Frucht, des Schwankens der Marktpreise nnd der Transportkosten auf sich nehmen. Anfangs mußten die Leute hie und da die erhaltenen Vorschüsse zu 10 und 13 Procent verzinsen, weil die Gutsbesitzer auch so viel für das hiezu aufgenommene Capital zahlen mußten. Jetzt aber sind überall, wo noch die alten Contracts gelten, 6 Proccnt zn zahlen und in neueren Coutracteu einigeu sich Gutsbesitzer nnd Kolonisten über die Höhe der Zinsen. Dagegen gewähren sie den Leuten für das von ihnen den Herren geliehene Geld eben so hohe Procente. Das klingt Euch komisch; aber ich kann Euch sagen, daß ich manche Familie kenne, die 1000 uud mehr Milreis Erspartes bei ihren: Herru stehen hat. Früher mußte auch jedes Kind für die Schuldeu haften, die der Vater für die Familie eingegangen war; jetzt sind sie nicht mehr dazu verpflichtet, nur müssen sie bis znm ,21. Jahre, dem Mündigkeitsalter in Brasilien, anf der Kolonie verbleiben. Ihr seht, daß die Verhältnisse durch die Erfahruug sich sehr günstig für die Halbscheid - Kolonisten gestaltet haben. Dessemm- Fünfter Abend. 107 geachtet sind diese Art Kolonien fast alle eingegangen und meines Wissens lassen nnr noch zwei Gutsbesitzer Kolonisten kommen; das sind die Söhne Vergneiro's und der Comthnr Herr Souza Barrow. Und wärmn das? Einfach darum, weil sie mit den Kolonisten höchst traurige Erfahrungen gemacht haben. Viele sind mir nichts, dir nichts davon gegangen, ohne ihre Schulden M zahlen; andere ziehen es vor, nichts für Abzahlung ihrer Schnlden zu thun und nur für den eigenen Beutel zu sorgen; wieder andere lassen die Bäume zu Grunde gehen, die Kirschen verfanlen, oder pflückeu grüne und halbreife ab, wobei sie auch noch ans Faulheit die Aeste abbrechen. Viele, ja die meisten der Kolonisten sind in den Städten und Fabriken zusammengerafftes Volt, Huren, Schauspieler, Barbiere, SchnUehrer, Weber, nur keine Landleute; sie haben nie weder Schaufel uoch Haue gehandhabt uud sich die wunderlichsten Vorstellungen von Brasilien gemacht. Auch Greife, Krüppel, Blinde, Blöd-uud Wahnsinnige bekamen die Gutsherren statt tüchtiger Feldarbeiter geschickt. Dazu gesellte sich die grenzenlose Nohheit, die Trunksucht nnd die Undankbarkeit vieler Kolonisten. Ich weisi z. B., das; auf einer Fazenda die Leute vom Gutsherrn verlangten, er solle ihren Weibern nnd Töchtern seidene Kleider, ihnen selbst aber englisches Bier und portugiesischen Wem auf Vorschuß geben. Und als er ihnen in seiner nnbegrch'lichen Güte und Schwäche willfahrte, brachten sie neue Tollheiten zu Stande, bis die Nationalgarde des Bezirks gegen sie aufgerufen ward und einige Rädelsführer ill Ketleu nach der Stadt geschickt wurden. Dieß Alles kam bei uns nicht vor nud wir fuhreil wohl dabei. Auch unser Gutsherr war freuudlich und gütig gegen uus; aber cr wußte, wie weit er darin gehen tonnte, und anch wir wnßten es. Er ließ uns eine Kegelbahn bauen, gab uns Tabak nnd sorgte anch sonst für uuser Vergnügen. Aber was die Vorschüsse anbetraf, so gewährte er uur das wirtlich Nothwendige, nnd obgleich er sehr ücrn und grchmüthig d^m wahren Vedürfniffe abhalf, der leicht-sinnigen Verschwendung gegenüber war er nnerbittlich. 108 Fünfter Abcnd. Noch Eins muß ich bemerken, was auf unserer Kolonie sehr kluger Weise angeordnet ward. Für das Pflanzen und die Pflege junger Kaffeebäume, die noch nichts tragen, ward den Kolonisten für das Tausend ein Iahreslohn von 10 Milreis — 8 Thlr. 10 Sgr. und die Erlaubniß gegeben, auf den Zwischenräumen Gemüse und Feldfrüchte zu zieheu. Bedenkt man, daß die Pflege der Vämnchen hauptsächlich durch das Neinhalten von befonders fchlingpftanzen-artigem Unkrante besteht und daß schon dnrch den Anbau dieses Reinhalten befördert wird, so sind die 10 Milreis ein recht hübsches Taschengeld und ganz geeignet, den Leuten zu dieser Arbeit Lnst einzuflößen. Ihr habt mich früher gefragt, ob noch jetzt Grundbesitzer solche Halbscheiokolonisteu kommen lassen, und ich sagte, daß ich deren nur noch zwei wüßte, Vcrgueiro's Sühne und Herrn Souza Barros; die einen für die Fazenda Ibicaba, der andere für die Fazenda St. Lorenz. Die Bedingungen auf St. Lorenz find: 1. Die Kolonisten erhalten nur ein Jahr lang die LebenZmittel Vorgeschossen. 3. Sie erhalten für die Alqueire Kaffeekirschen 350 Neis. 3. Sie haben den Vorschuß mit 6"/« zn verzinsen. 4. Sie haben an Hausmiethe 1 Milreis, an Weidezins psr Stück Vieh 500 Reis monatlich zu entrichten. Für Ibicaba aber sind die Bedingungen: 1. Die Kolonisten erhalten ein Hänschen ohne MiethzinZ, müssen dieses aber selbst erhalten. 2. Sie erhalten im ersten Jahre pn- Kopf einen Vorschuß bis zn 20 Milreis. 3. Sie erhalten Land zum Ackerbau gegen Ablieferuug des halben Erlöses bei etwaigem Verkaufe der Produkte. 4. Sie haben die Vorschüsse mit 6°/« zu verzinsen. 5. Für das Behacken der Kaffeebäume erhalten die Kolonisten jährlich 50 Neis und Fünfter Abend. 109 6. Mr jede gestrichene Alqueire Kaffeekirschen 350 Neis und zwar die Hälfte baar, die andere Hälfte wird von den Vorschüssen abgerechnet. Sollte Jemand Lust haben, diese Gelegenheit zu benutzen, so wende er sich an die Expedienten in Hamburg und Antwerpen, die ich an einein der vorigen Abende erwähnt habe. Diese werden ihm gewiß Mittel und Wege zur Erreichung seines Zieles augeben können. Morgen werde ich Euch weiter voll meinen persönlichen Erlebnissen erzählen. Sechster Abend. Daö Attlimatisilen; was ist das und woher kommt es? — Man richte sich nach den Vandestindern, — Trage Etiefe!. — Fußbäder und gedielte Fußboden. — Mäßigkeit. — Obst. — Dcr Orangcnfrcsser und sein Hut. — Da^ Klima.— Geschrei wegen dcsMucnry, — Rio Novound D, Francisca.— In Brasilien muß es gesünder sein, als in Deutschland. — Das gelbe Fieber. — Langlebigkeit. — Moökiten, Eandftohc und Spinnen. — Ameisen. — Varattcn, — Echlangcn. — Iacmö, — Unzen »der Tiger. — Wie Georg und seine Familie sich anZ Klima gewohntm, — Wie sie lernten brasilianisch zn lochen. — Nir fanden uns bald in die nene Ordnung, die anfangs viel Ungewohntes für uns haben mußte, hinein. Natürlich aber ging das nicht ohne alle Unannehmlichkeiten ab. Bedenkt man die große Aufregung und Unruhe, die sich bei jedem Auswandererin der Zeit vor seiner Abreise einstellt, dann die Entbehrnngen und Strapazen einer Reise, die Alles in Allem mehr als drei Monate danert und außer deu gewöhnlichen Reisemühseligkciten noch die Seekrankheit, eine ganz ungewohnte Kost nnd eine trotz allen Vorkehrungen schlechte ^uft im Zwischendecke mit sich bringt, so ist es wol kein Wunder, wenn bei erneuter Thätigkeit nach so langem Müsfiggange der Körper irgend eine Abspannung äußert. Dazn kommt die in Brasilien herrschende, abermals für den Magen ganz nene Kost, der Wechsel der Jahreszeit (denn wir mußten ja im selben Jahre zwei Winter durchmachen), das Klima nnd die fremde Luft. Die durch alles das hervorgerufene Absvanmmg der Kräfte äußert sich natürlich sehr verschieden. Bei Vielen ist es bloß ein mehrtägiges Unwohlsein, bei den Meisten ein leichtes Fieber; bei Einigen ist das Fieber von Geschwüren begleitet, bei Allen aber Sechster Abend. Ill von einer gewissen Mattigkeit. Diese KrankheitserscheiulNlgen nennt man das Akklimatisireu, d. h. das Angewöhnen des Klimas. Alte und schwache Leute leiden mehr darunter als junge und kräftige, die Kinder am wenigsten. Das AMmatifiren ist nicht von gefährlichen Zufällen begleitet und kann durch richtige Maßregeln anch sehr gemildert werden. Es ist in fremden Ländern immer und überall das Gescheidteste, zu beobachten, wie die Inländischeil sich benehmen uud dauu ihrem Beispiele zn folgen. Der Brasilianer trügt sich den Tag über ganz leicht gekleidet, aber den Strohhut thut er nie vom Kopfe; Abends zieht er seine Tuchjacke an, oder hängt den Poncho um, denn da wird die Lnft gleich viel kühler uud die schnellen Sprünge in der Temperatur sind schädlich. Der Brasilianer geht nie barfuß auf sein Feld oder im Hanse hernm, das thun nur die Neger; denn im Felde und Walde ist es sehr feucht uud es gibt Dornen uud Vaumstrünke genug, an denen man sich verletzen kann, und auch vor Schlaugen uud Spinuen schützt ein Stiefel besser als die eigeue Haut. Ferner nimmt der Brasilianer jeden Abend ein lauwarmes Fußbad, was ich jedem Ansiedler auf das Dringendste empfehle; ist irgendwo ein zum Badeu geeignetes Wasser in der Nähe, so nimmt er hänfig Bäder. Nnr in Einem verlasse der Ansiedler den brasilianischen Gebrauch: die brasili scheu Häuser haben fast alle nnr einen aus Lehm gestampften Fußbodeu, uud ich habe bemerkt, daß dieser mit Ursache an den häufig vorkommenden, oft lauge dauernden Fußgeschwüren ist. Es kann ja anch nicht anders sein; im Sommer, bei sehr trockener Zeit, ist der Fußboden freilich trocken und warm, aber sobald Regen eintritt, wird er fencht uud kalt, uud wenn uuu die ^ute barfuß oder in Holzschuheu von außen kommen, und die vom ^ehen noch wannen Füße auf den feuchten und kühlen Fußboden stellen, erkälten sie sich nnd Entznndnngen uud Geschwüre sind die 3olge davon. 112 Sechster Abend. Wer davon befreit bleibell will, der lege sich einen Fnßbooeu entweder aus Palmenlatten oder ans Brettern des Msebanms, die er ohne fremde Hülfe herzustellen vermag. Die kleine Mühe wird sich bei ihm und seiner Familie hundertfältig lohnen. Der Brasilianer ist außerdem sehr nüchtern Ultd mäßig; ich habe in allen 10 Jahren keinen betrunkenen Brasilianer gesehen, wohl aber Neger und leider auch Deutsche genug. Der Brasilianer ißt drei Mal des Tages und meine brasilianischen Arbeiter liehen sich es jedes Mal trefflich schmecken; hie uud da verschmähten sie auch eiu Gläschen Schnaps nicht, aber sonst tranken sie nur Wasser; uud das Wasser iu Vrasilieu ist sehr gut uud frisch. Das kaun aber so ein echter Deutscher nicht, der da meint, Gott habe das Wasser bloß zum Kochen uud Wascheu erschaffen. Der Brasilianer ißt ferner sehr gern und fehr viel Obst, aber er ißt nur das vollständig reife. Das sollten unsere Lente doch auch schon in Dentschland gelernt haben. Aber kanm sind sie drüben uud sehen an irgend einem Baume Oraugeu und Bananen oder irgendwo eine Melone, die erst halbreif ist, und sie können sie erwischen, so muß sie gegessen werden, und wenu es die Pfalz gälte. Was habe ich für Massen Obst schlucken gesehen von frischen Ankömmlingen! Obst ist sehr gesund, aber Uebermaß schadet iu alleu Dingeu, und zu viel Obst, besonders zn viel Melonen, kühlt den Magen zu sehr ab uud verursacht Durchfall und Fieber. Nas manche Leute an Obst Zu esse,; im Stande sind, davon sah ich in Nio Pardo ein ergötzliches Beispiel. Es hatten sich ihrer zwei nnter einem Orangenbaum gelagert uud es sich bequem gemacht; sie beganuen nun Orangen zu essen, und als sie endlich genug hatten uud fortgehen wollten, fand der Eine seinen Hut nicht mehr. Erst nach laugem Suchen entdeckte er ihn unter den weggeworfenen Orangeschalen, die ihn ganz bedeckt hatten. Wie viel Orangen mußte der verzehrt habend Beobachtet mau diese Verhaltungsregeln und übernimmt sich anfangs uicht mit der Arbeit, so wird die Angewöhnung an das Sechster AZend. 113 Klima gar leicht vor sich gehen. Denn das Mima ist ill ganz Brasilien gesnnd uud zuträglich, und wer das Gegentheil behauptet, nun der ist auch nicht an seiner ersten Lüge erstickt, Ich weiß recht wohl, daß in manchem Flnßthale bösartige Fieber herrschen; aber das ist eine Ausnahme und bedeutet bei einem so ungehenren Lande, wie Brasilien, gar nichts. Da haben die deutschen Zeitungen z. B. vor einigen Jahren einen gewaltigen Lärm darüber geschlagen, wie ungesund das Mucurythal sei und ivie viele Leute dort am bösartigen Fieber gestorben. Aber die Herren Schreier verschwiegen, daß die dort zu Gruude gegangenen Auswanderer gar nichts am Flusse zu thun hatten und aus bloßem Eigensinn, trotz aller Warnungen und Vorstellungen, dort verblieben waren. Die dentsche Kolonie liegt ja viele Meilen weiter landeinwärts, nnd dort sind noch nie bösartige Fieber vorgekommen. In gleicher Weife steht es am Nio-Novo, wo allerdings anch Fieber herrschen, die aber von Ursachen herstammcn, die sich leicht entfernen lassen; denn sonst hätte der Schweizer Gesandte, ein gelehrter, äußerst rechtschaffener nnd Brasilien genau keuncnder Herr, diese Kolonie nicht für eine solche erklärt, die den Ansiedlern außer-ordentliche Vortheile verspräche, während Andere, bezahlte Lohnschreiber, den Ort nicht schlecht nnd schwarz genng malen konnten. Manchmal auch liegen andere Ursachen vor, die unter deu Ansiedlern Krankheiten nnd häufige Todesfälle verschulden. So z. V. starben auf der Kolonie D. Francisea im Jahre 1851 die Einwandrer wie die Fliegen weg: die Nuhr und der Typhus herrschten daselbst. Da schrie anch alle Welt über das ungesunde Klima, und alle Welt hatte Unrecht. Denn die Zeit bewies, daß D. Francisca lln sehr gesunder Platz ist, da sich seitdem kein einziges Mal mehr lene Krankheiten dort gezeigt haben. Das Uebel war schon auf dem schiffe entstanden und kam erst auf dem Lande znm Ausbrnch; >° mußte das Laud büßen, was irgend eine versäumte Gesundheits-^gel auf der Seereise verschuldet hatte. N4 Sechster Abcnd. Solcher Beispiele könnte ich Euch Hunderte erzählen; aber dann müßte ich ein Jahr lang bei Euch bleiben, statt 14 Tage. — Es ist ja auch ganz natürlich, daß das Klima gesund ist: gute, gesunde Kost, gutes Wasser, ziemlich gleichmäßige Wanne das ganze Jahr hindnrch, keine übertriebene Hitze, die überdieß durch häufigen Regen und Than und regelmäßigen Wind gemildert wird; keine übermäßige Anstrengung — warum sollte es in Brasilien nicht gesund sein? Darum hat auch Brasilien keine einheimischen Krankheiten nnd ist jedenfalls gesünder, als es bei uns sein kanu, wo zwischen der größten Kälte und der größten Hitze oft ein Abstand von einigen 40 Graden ist, wo der Sommer, oft übermäßig heiß, in seinen langen Tagen übertriebene Arbeit verlangt, während im Winter die strenge Kälte die Lente wochenlang anf das Hans beschränkt. Der arme Mann hat dabei gar hänsig wenig und schlecht zu essen, muß im Winter aus Mangel an Holz und hinreichender Kleidung frieren; kann es daheim also gesünder sein? Es gibt indeß genng Lente, die entweder es eben nicht besser kennen oder absichtlich die Wahrheit verdrehen, und die nun sagen nnd schreien, Brasilien werde vom gelben Fieber verheert. Das ist mm gerade so omnm oder eigentlich noch viel dümmer, als wenn Jemand sagen wollte, Enrova werde vom Typhns verheert, weil diese Krankheit in den großen Städten auftritt. Das gelbe Fieber ist eine Art Cholera; das Blut zersetzt sich dabei und der Kraute bricht das gestockte Blut weg, weßhalb diese Krankheit auch das schwarze Erbrechen heißt; tritt dieses einmal ein, so stirbt der Kranke. Die Krankheit ist in die großen Hafenstädte von Nordamerika ans eingeschleppt worden uud hat iu Nio de Janeiro, Vahia, Pernambueo nnd allen Hafenstädten bei der leider herrschenden großen Unreinlichkeit, bei dem Zusammenpferchen vieler Menschen ill kleine Wohnungen, bei der Negerwirthschaft reichliche Nahrung gefnnden; gerade so wie ans denselben Ursachen in den großen Städten Europas der Typhus seine Opfer fordert. Aber es ist gerade ein Zeichen von der außerordentlichen Gesnndheit des bra- Sechster Abend. 115 Manischen Klimas, daß das gelbe Fieber noch nie ins Innere gedrungen, sondern immer nnr ans die Küstenstädte beschränkt geblieben ist. Und da der dentsche Answanderer ja fast immer" nnr nach dem Innern geht und anf dem Lande sein Forkommen sncht, so hat diese Krankheit für ihn gar keine Bedeutung; ja, ich bin zum Beispiel 10 Jahre in Brasilien gewesen, und bin doch ziemlich darin herumgekommen, aber ich habe noch uie einen Gellifieberkranken gesehen und keiner uon allen meinen Bekannten ist am gelben Fieber gestorben. Freilich war ich immer auf dem Lande. Darum, wer Euch so etwas weiß machen will, der weiß es entweder nicht besser, oder er belügt Euch mit Absicht; jedenfalls dürft Ihr ihm ins Gesicht lachen und ihm von mir sagen, daß es außer Brasilien wol kein Land gibt, wo so viele Greise vorkommen, die das hundertste Jahr zurückgelegt, ja vou denen Einzelne selbst das Alter uou 130 Jahren erreicht haben. Eine weitere Lüge, die diese sauberen Herren unsern Landsleuten aufheften wollen, besteht darin, daß sie von den Insecten, Schlangen und wilden Thieren die schrecklichsten Dinge erzählen. Es mögen freilich anch die Kolonisten ill Brasilien selber dran schuld sein, daß solche Räuber- uud Iagdgeschichten geglanbt werden; denn gar Viele, die uie einen Tiger gesehen haben, können es nicht unterlassen, in Briefen oder im Gespräch Iagdabenteuer zum Besten zugeben, die denen des Herrn uon Münchhausen uicht viel nachstehen. So ist ihre Eitelkeit und Prahlerei denn Schuld an den vielen Lügen. Ich will Euch offenherzig erzählen, was Wahres daran ist, und beginne denn bei den wahren Plagen, den Insecten. Die erste davon sind die Moskiten; die kauu ich uicht übergehen, sle plagen den Menschen wirtlich, besoudcrs auf dem Wasser, dann nächtlicher Weile in: Walde uud bei Licht. Freilich muß man da »wischen den Moskiten im Norden uud denen weiter südlich wohl un-terschciden. Von den erstem hört man Verschiedenes: die Einen ^gm, sie stächen dnrch Stiefel-und Handschuhleder hwdnrch, wäh- 8' 116 Tech st er Abcud. rend Andere sagen, sie suchten nur die bloßliegcnde Hant heun; ich weiß nichts davon, denn ich habe mich im Norden nicht selbst anfge-halten. Was aber die im Süden betrifft, so sind sie wohl eine Landplage, aber auch nicht ärger, als die Rheinschnaken, ja, wenn ich cs recht bedenke und meine neuesten Erfahrungen allhier veranschlage, nicht einmal so arg; nnr dauern die Moskiten fast das ganze Jahr, während die Rheinschnaken bloß im Sonnner ihr Unwesen.treiben. Im Norden schützt man sich dnrch Moskitonetze nnd Mückengitter gegen sie. Ich für meinen Theil habe weder in Rio, noch in S. Paulo oder fönst wo ein Moskitonetz gebraucht nnd bill, wie Ihr seht, dabei ganz wohl gediehen. Nmnmer zwei sind die Sandflöhe, ein scholl etwas ernsteres Capitel, da leider nnter unsern auswandernden Laudslenten hübsch viele Sanbärte oder Schmutzfinken sich finden. Der Saudfloh gleicht dem Erdfloh und hält sich im Kehricht, ill Holzabfällen aller Art am liebsten ans; er bohrt sich gern an den Zehen au und bei den Nägeln ein, wo er seine Vier legt. Diese Eier entwickeln sich zu Maden und können heftige Entzündungen des Fnßes herbeiführen. Das beste Mittel gegen sie ist das Neinhalten des Hauses, das schon früher empfohlene tägliche Fußbad, wobei die Zehen einer sorgfältigen Nntersnchung nnterzogen werden müssen. Zeigt sich an einer Zehe ein weißer Pnnkt, so ist dieser sorgfältig mit einer Nadel zn öffnen, die Eier sammt den: sie umgebenden Sacke sorgfältig herauszudrücken, so daß ja keines zurückbleibt, und dann die Oeffmmg mit Tabakfaft oder Asche zn bestreichen. Das thnt nicht im mindesten wehe und hilft gewiß. Ich selbst hatte nur einmal einen Sandfloh uud den holte ich nnr dadurch, daß ich auf dem Platze, wo ich mein Bauholz zimmerte, die Späne längere Zeit liegen ließ und auf ihnen den ganzen Tag herumging. Seitdem schaffe ich derlei Abfälle immer schleunig weg. Zn den schädlichen Insecten gehört auch eine Gattung Spinnen, die entweder durch den Viß oder dnrch das Ausschwitzen einer beißenden Flüssigkeit eine Anschwellnng der Glieder vernrsacheu, die Scchstcr Abcnd. 117 sie berühren. Das kömmt aber doch selten vor, obgleich ich selbst, ohne es zn wissen, einer solchen Spinne einmal nahe gekommen bin, wovon mir die rechte Hand fanstdick anfschwoll. Die Brasilianer behandeln solche Erscheinuugeu mittelst Besprechungen und Sympathie; obwohl ich nach dieser Behandlung die Geschwulst verlor, so glaube ich doch, daß ich sie vielleicht auch ohne Besprcchuug verloren hätte. Die schlimmsten Iusecten sind aber die Ameisen, und die haben mir viel Schaden, aber noch weit mehr Aerger verursacht. Vou diesen Thcerchen gibt es verschiedene Arten, die man ja nicht verwechseln muß, denn die einen sind ebenso nützlich, als die andern schädlich. Die sogenannten Näuberameisen sind groß nnd roth nnd besonders den Blumen- und Gemüsegärten gefährlich; sie entlauben binnen wenigeil Stunden ganze Gärten, besonders junge Vämne und Sträncher. Dann gibt es eine Art kleiner rother Ameisen, welche sich sehr unangenehm bemerkbar machen. Ihr habt Euch Kaffee gekocht uud holt Euch mm geschwind dazu die Zuckerbüchse aus den: Schranke; Ihr öffnet den Schrank und begegnet ganzen Schaaren von Ameisen; Ihr öffnet die Büchse und findet darin Ameisen, von denen Ihr gar nicht begreift, wie sie hineingekommen. Ihr greift nach dem Brodlaib, auch da sind Hunderte von Ameisen; sogar den Schmalztopf haben sie besncht. Richten sie nun auch verhältuißmäßig wenig wirklicheil Schadeu au, so liebt doch nicht Jeder, feiueu Kaffee mit Ameisen zu zuckern, oder Brod und Bntter mit Ameisen zu verzehren; ÜMug, sie vernrsacheu manchmal höllischen Aerger. Wollt Ihr Enren Schrank gegen ihren Besuch schützen, so müßt Ihr dessen Füße m Schalen voll Nassers stellen, denn durch's Wasser könneu sie uicht. Ich habe gesehen, daß selbst Vorräthe, welche an der Stubendecke aufgehangen waren, noch den Besuch der Thierchen empfingen; da wäre höchstens zn helfen, wenn man Mm Vogel leim hätte und den Strick damit beftriche. 118 Sechster Abcnd. Ferner gibt es eine dritte Art kleiner schwarzer Ameisen mit starken Freßzangeu, die besonders Gartenanlagen gefährlich sind. Die Brasilianer snchen ihre Gärten dadnrch zu schützen, daß sie die Blumenbeete in aufgemauerten Umfassungen anlegen. Die Obstbäume schützt man vor dem Besuche der Ameisen, indem man Binsen recht austrocknen läßt und sie dann in einen Bündel um den Stand des Baumes so biudet, daß die scharfabgeschnittenen dicken Ende derselben nach unten kommen. Diese scharfe Bürste erschwert ihuen das Hinaufklettern. Ebenso gut, wenn nicht besser ist es, wenn man ein Stück Weißblech in Form eiues Trichters um den Baum wiudet; es muß aber das oüune Eude gut am Stamme anliegen uud das offene Ende nach abwärts sehen. Znr Entschädigung für diese unangenehmen Ameisen gibt es zwei nützliche Gattungen derselben. Die einen sind die sogenannten Wauderameiseu, deren es mehrere Arten gibt; die, welche ich zumeist gesehen, ist mittelgroß mit sehr starken Freßzangen. Sie sind die Polizei unter den Insecten. Sie marschiren uämlich in ungeheuren Schwärmen in der einmal angenommenen Nichtnug fort, über Häuser, Zäuue, Felsen, und nichts vermag sie aufzuhalten; anf diesem Zuge saugen und fressen sie alle laufenden und kriechenden Insecten, und die Landbewohner in Brasilien sehen sie deßhalb uicht ungern kommen, da sie die Wohnungeu viel grüudlicher säuberu, als Besen uud Borstwisch es vermögen. Aber selbst der Mensch thut wohl, ihnen aus dem Wege zu gehen; denn sie untersuchen auch ihn auf das Strengste nach der verbotenen Waare und erregen nut ihren Füßen und Zangen höchst uuaugeuehme Empfindungen. Mich haben sie einmal sammt der ganzen Familie Nachts in den Wald hinausgejagt im bloßen Hemd, und ein andres Mal bin ich, in Gedanken meinen Weg «erfolgend, in einen ihrer Züge hineingerathen, woran sie mich so empfindlich mahnten, daß ich Hals über Kopf Reißaus nahn: und nur schleunigst alle Kleider abwarf, um die zwickenden und kneipenden Quälgeister loszuwerden. Ecchstcr Abend 119 Die andere nützliche Art find die sogenannten Holz a in ei seu, ganz große, schwarze Thiere, welche sich ans alten Vanmstumpfeu ansiedeln und selbe baldigst der völligen Verwitternug zuführen, was dein Landmanne sehr zu Statten kommt. Gegen die Ameisenvlage hat man eine Menge Mittel vorgeschlagen. Mir scheint das praktischste darunter zu sein, neben dem Ameisenhaufen ein tiefes und weites Loch zu graben und dann den Hänfen ganz hineinznstoßen, tüchtig mit Wasser zn begießen uud fest zu stampfen oder zn treten. Gehen auch vielleicht nicht alle zu Gruuoe, so doch die meisten, ganz besonders die juuge Vrut und die Eier. Nächst den Ameisen sind es noch die Aaratten, welche den Ansiedler schwer belästigen. Es sind dieß die auch in Dentsch-land, hanvtsächlich bei Bäckern oder in Backhäusern sich aufhaltenden Bäckerküfer, die in manchen Gegenden auch Schwaben genannt werden. Sie sind in Brasilien nnr vielfach größer, und bei ihrer ungehenern Naschhaftigkeit findet man diese ekelhaften Gesellen in allen Töpfen und Vorräthen. Da sie die Wärme sehr lieben, so find sie in der Nähe der Küche am zahlreichsten zn finden uud ebeu darum ist es gut, wenn man die Küche von: Hanse trennt. Das beste Mittel gegen sie sind die Wanderameisen; auch ein Pnlver aus zwei Theilen Borar, einem Theil Mehl nnd einem Theil Zucker hilft. Nach den Inseeten, die nur lästig sind, komme ich zu den Schlangelt, die zuweilen gefährlich werden. Es gibt vielleicht keinen Menschen, der einen größeren Abschen vor Schlangen, überhaupt vor allein kriechenden, kalten, glatten Gethier'hätte, als ich. Wollte ich bloß meiner Abneigung Gehör scheuten, so würde ich alle diese Thiere kurzweg vertilgen, so viel in meiner Macht steht. Aber die Vernuuft uud die Erfahrung haben mich belehrt, daß die Schlangen Z. V. weit nützlicher, als gefährlich sind. Der Ansiedler kann recht froh sein, wenn auf seinem Besitze Schlangen sind; omu dann hat l'v von Mänsefraß u. dgl. nichts zu fürchten, während die Mäuse da, wo nmn die Schlangen unbarmherzig ausrottete, ganze Gegen-den aufgefressen haben. 120 Sechster Adcnd. Der Hauptübelstand besteht nur darin, daß man aus leicht erklärlichen Gründen nicht weiß, welche zu den giftigen gehören und welche nicht, nnd da wird denn die eine mit der andern todtgeschlagen. Die eine, welche man unter dem Namen Iararaca (Echararaca) kennt, ist unbedingt giftig; von den andern vermuthet man es nur und es will sich begreiflich Niemand dazu hergeben, es an sich versuchen zu lassen. Ja, selbst die Iararaca kennen die Leute nicht genau, denn dem Einen ist sie 7 — 8 Fuß lang und armsdick, dem Andern 3^4' lang nnd 1'/2 Zoll im Durchmesser, dem Dritten erscheint sie wieder anders; aber grau mit schwarzen Streifen soll sie nach allgemeiner Aussage sein. Weiter im Norden gibt es auch Klapperschlangen, die freilich sehr giftig sind, und Niesenschlangen. Der Biß einer Iararaca ist im hohen Grade gefährlich und, wenn nicht schleunigst Maßregeln getroffen werden, tödtlich. Doch muß ich hier erwähnen und sagen, daß eine Giftschlange nur beißt, wenn man sie reizt oder geradezu auf sie tritt; denn alle Schlangen sind sehr furchtsam und fliehen vor dem geringsten Geräusch. Es wird daher selten vorkommen, daß man gerade auf eine Schlange tritt, außer im Süden in den Wintermonaten, wenn sie, von der kalten Nacht halberstarrt, in Feld und Wald liegen. Hat man gute Stiefel an, so ist es außerdem kaum denkbar, daß ein Schlangenzahn durchdringt. Ueberhaupt sind von Schlangen Gebissene wenigstens im Südm so selten, als bei Euch hier in Dentschland von tollen Hunden Gebissene. Wird aber doch Jemand von einer Schlange gebissen, so schneide er gleich mit seinem Messer die kleine Wunde auf und sauge das Blut aus; hat er einen Feuerbrand zur Hand, so brenne er damit die Wnnde aus. Seine Freunde und Verwandten werden ihm dasselbe vornehmen an solchen Stellen, wohin er mit dem Munde nicht gelangen kann. Schröpfköpfe thnn sehr gute Wirkung. Das Nichtigste aber bleibt, den Gebissenen in Schweiß zu bringen, und dazu eignet sich das von mir bereits erwähnte Mittel, Salmiak mit Schwe- Sechster Abend. - 121 feläther und Berusteinöl, womit man die Wunde betupft und wovon man alle halben Stunden 6 - 8 Tropfen in Nasser oder Branntwein nimmt. Sonst hilft auch Fliederthee, sehr heiß eingenommen, aber doch nicht so sicher. Ich habe Euch das erzählt, weil die gewissen Herrn so viel Lärm davon machen, nicht aber, weil es wirklich nothwendig wäre, davon zu sprechen. Ich habe während sämmtlicher zehn Jahre meines Aufenthalts an so vielen Stellen in Brasilien von keinem Menschen meiner Bekanntschaft gehört, daß er von einer Schlange gebissen worden wäre. Ganz so ist es mit den Alligatoren, die man in Brasilien Ia-cars (Schakareh) neunt. Man erzählt eine Menge Ränbergeschichten von ihnen; aber ich habe noch nie ein furchtsameres Thier als das Echakareh gesehen und konnte nie ans ein solches zum Schusse kommen, obgleich es wol in Brasilien keinen Fluß oder See gibt, wo es dereu uicht gäbe. Kein Mensch läßt sich ihretwegen abhalten zu baden; anch sind sie nicht im entferntesten so groß, wie die Krokodile. Die größten, welche ich sah, waren 5 — 6 Fnß. So wenig sie nun nns selbst gefährlich waren, desto gefährlicher wurden sie meinen Enten und Gänsen, die durchaus im gefahrvollen Flusse baden wollten, während sie es anf einem kleinen Teiche in voller Sicherheit hätten thun können. Diese büßten nach und nach alle ihren Eigensinn mit dem Tode, so daß ich um die fettesten Braten kam, bis ich mir den Teich kUlzüuute und das Geflügel hineinsperrte. Hinsichtlich der wilden Thiere ist es auch uicht auders. Ich ^be, so lauge ich in Brasilien bin, keinen Tiger oder Unze gesehen, "ußer einer gefangenen, die ill einen Käfig gesperrt war, wenn ich ^uch mehrere Tigerkatzen gesehen und auch eine geschossen habe, "ou deren Fell Ihr hier bei mir die Reisetasche sehen konnt. Es ^nn wol sein, daß in weit entlegenen Kolonien, wie Thereza oder Munguy oder S. Angelo, noch hie und da Tiger getroffen nnd ^Uch geschossen werden. Tiger sind im Lande, das ist gewiß; denn 122 Sechster At» end. man bekömmt genug Felle aus>em Innern. Auf der Zeichnung hier könnt Ihr die drei Gattungen Unzen oder Tiger sehen, die in Brasilien noch vorkommen. Die gelbe Unze, auch der amerikanische Löwe oder Puma genannt, die schwarze Unze, auch Jaguar geheißen, und endlich die gefleckte Unze oder der eigentliche Tiger. Wer aber glauben wollte, daß diese Thiere ihren afrikanischen und asiatischen Vettern au Grüße, .straft und Wildheit gleich seien, der würde sich gewaltig irren. Es ist nämlich auffallend und merkwürdig, daß die Thiere der ueuenWelt, wenigstens Amerika's, alle bedeutend kleiner als die der alten Welt sind; der Elephant Asiens und Afrika's wird zum unscheinbaren Tapir, das Rhinoceros uud das Nilpferd schrumpfen zum Wasserschwein zusammen, das Dromedar nnd Kameel verwandeln sich in ein Lama, die Hirsche und Nehe werden zu Zwergarteu; sogar die aus Europa gekommenen Hausthiere werden kleiner und schwächer, wie das Pferd, die Ziege, das Schaf. Genan so geht es mit dem Tiger und dem Löwen; nach ihren Fellen zu urtheilen und dem, was alte Caboclos - Jäger von ihnen sagen, sind sie so groß wie ein starker bairischer Hofhund oder eine englische Dogge, nur etwas länger gebant. Das mnß vollkommen wahr sein; denn die halbwilden einheimischen Hnnde von der Gröfte unserer Vorstehhunde sollen häufig iu Gesellschaft auf die Unze Jagd machen und ihrer Herr werden. Anch foll es selten vorkommen, daß ausgewachsene Pferde oder Zünder von Tigern angefallen werden, wol aber Schafe, Schweine, Ziegen, dann auch junge Kälber und einzelne Hnnde. Noch etwas spricht dafür, daß sie nicht größer find, nämlich der Umstand, daß die Unzen auf die Bäume klettern. Unter solchen Umständen kann also ein Mensch kaum je Gefahr von einer Unze laufeu, höchstens daß auf einer Unzenjagd das angeschossene oder verzweifelte Thier vom Baume herab auf den unvorsichtigen Jäger spränge. Die Tigcrtatzen inachen sich dem kleinen Hausvieh sehr nulieb' scnn bei Kolonien im Walde; sie sind so groß, wie die wilden Thiere Brasiliens. a) aj Gelbe Unze (Ou^-a parda). tjSchnarze Unze (On^ preta). cj Veßeekte Unze (Oupa piutada.J Sechster Abend. 123 Katzen in Deutschland, auch vielleicht etwas größer und werden uou den deutschen Kolonisten mit großer Begierde gejagt, mn das FM zur Satteldecke zu bekommen. Das ist Alles, was ich Euch von den brasilianischen Naubthieren sagen kann, obgleich es, wie schon erwähnt, Leute gibt, die uuaufhörlich vou Tigerabenteuern schwatzen, ohne je eine Unze gesehen zu haben. Der Zeichner des Bildes hier hat die schwarzen und gefleckten Unzen ein wenig fantastisch ansgestattet und recht groß uud stark gemacht; ich zeige Euch das Bild aber doch, damit Ihr wenigstens einigermaßen einen Begriff bekommt, wie die Thiere in Farbe und Gestalt aussehen. Um das Capitel der Naubthiere vollständig zu machen, muß ich noch des brasilianischen Wolfes (lodo), des Fnchses nnd des sogenannten Stinkthiers, einer Mardergattung mit Bisamdrüse, erwähnen. Der lodo hat die Größe eines deutschen Fuchses, der Fuchs (i-upo/H) und das Stinkthier die eines alten dentschcn Marders. Alle drei sind eifrige Freuude von Geflügel und dessen Eiern; daß sie dem Menschen nicht gefährlich sein können, dafür bürgt wol das Angeführte. Ueber die jagdbareu Thiere und deu Fischfang werde ich Euch un einein andern Abende erzählen. Was mm uns selbst und unsere Gewöhnung an das Klima betrifft, so ging sie ziemlich leicht von Statten. Eigentlich war ich "er Einzige in der Familie, der wirklich etwas darunter litt, und ^lbst dieß danerte nicht ganz drei WoäM. Anfangs freilich erschrak ich, als ich die zuuehmeude große Mattigkeit uud den Mangel an Appetit verspürte und fühlte, daß ^ fast jeden Abend ein leises Fieber hatte. Der Director aber kostete mich uud sagte mir, daß es uur das Akklimatisireu sei, was ^er Einwanderer durchmachen müsse; das würde bald vorüber-Nchm, ich solle mich unr nicht cntmnthigeu lassen. Damit be-Nchigte ich mich denn; nur ging mir der Nein sehr ab, den bei ""5 zu Hause ja selbst der Aermste gewohnt ist und der dort 124 Sechster Abend. sehr theuer kommt. Als meine Liese das bemerkte, ging sie selbst Znm Herrn und fragte, ob sie auf Vorschuß auch eine Flasche Wein für mich erhalten könne; denn unser Geld war schon lange zu Ende. Da kam der Herr selbst mit dem Doctor zu mir, tröstete mich und schickte mir noch am selben Tage zwei Flaschen alten, rothen, portugiesischen Nein uon seinem eigenen Vorrathe zum Gescheuke. Er ließ mir zugleich sagen, daß ich es mich nicht zu sehr aufechten lassen solle; denn jetzt wäre ohnehin wenig zu thun, der Kaffee fchon eingeheimst nnd die Pflanzzeit sei noch uicht recht da; ich könnte mich also schonen und pflegen. Auch befahl er dem Director, nur statt des gedörrten Fleisches frisches Fleisch und .Hühner zu gebeu. Es war demuach keiu Wunder, daß ich mich bald erholte und wieder der Arbeit nachgehen konnte. Nur ewige Geschwüre am linken Fnße wurden nicht eher heil, als bis ich mir aus Palmittenlatten einen Fußboden gelegt hatte. Mein Weib litt wenig an der Angewöhnung; außer etwas Mattigkeit und Appetitlosigkeit, die nach weuigen Tagen vorübergingen, spürte sie keine weiteren Beschwerden, als die ihres Zustaudes, da sie im sechsten Monate schwanger ging^ Unser Bub' dagegen war stets kreuzfidel uud wohlauf, als wenn er iu gar keinen: andern Lande oder gar auf eiuem Schiffe gewesen wäre; er wuchs und gedieh, daß es nur eine Freude war, ihn zu sehen; Backen hatte er wie ein Posaunenengel nnd fett und dick wurde er, daß er mit den kleinen Beinen kaum strampfeln tonnte. Auch aß er die brasilianische Kost, als weun er nie etwas Anderes gekannt hätte, während uus die Knöpfte und Spätzle und das geräucherte Schweinefleisch der Heimat gar manchmal einfielen, wenn wir sie in unserer Leidenszeit auch selten genug geseheu hatten. Hinsichtlich der Kost giug indeß die Gewöhnung leichter als auf dem Schiffe. Ich habe Euch schou gesagt, daß unser Expedient, der Capitän Valentin ill Hamburg, uns wirklich reichlich uud mit bester Waare versehen hatte; aber was nützt das beste Pökelfleisch, wenn Sechster Abend. 125 man kein gepökeltes Fleisch mag, oder wenn der Echiffskoch ans den besten Lebensmitteln etwas kocht, was einen: den Magen umdrehn Hätten wir selbst kochen dürfen und können, so ist mir gar nicht bange, daß gar keine Klage gehört worden wäre. Die brasilianische Kost kochten wir nns selbst, und manch liebes Mal noch recht ungeschickt, wie denn das mit nenen Speisen zu gehen pflegt. Das schmeckte nnn freilich nicht; aber mein Weib kam bald hinter die Wahrheit, und dann schmeckte es um so besser. Unser Hauptessen bestand denn, wie bei allen Brasilianern, in schwarzen Bohnen, mit frischem oder getrockneten,. Fleische gekocht. War Dörrfleisch dabei, so mußte man Speck dazu geben. Die schwarzen Bohnen werden mit Wasser und den: frischen Fleische, oder mit Wasser, Dörrfleisch und einer Handvoll gehackten Speckes zum Feuer gegeben und 2'/2 —3 Stunden lang gekocht; dann wird angerichtet und Raudiokmehl, vielleicht auch etwas Essig und grüuer Pfeffer darunter gethan. Für den Kopf rechnet m-an eine gnte Handvoll Bohnen auf den ganzen Tag, da sie sehr anschwellen; frisches Fleisch V^ Pf-uud Dörrfleisch ein halbes Pfnnd. Die Bohnen sind sehr mehlig und schmecken gut. Weniger schmeckt das Dörrfleisch; das ist nämlich Rindfleisch, das dem getödteten Thiere in großen Stücken vun den Knochen gelöst, dann eingesalzen und anf Stangen an der Sonne getrocknet wird; es hat einen etwas faden Geschmack. Die schwarzen Bohnen aßen wir bald so gern, daß wir drei "^al des Tags davon Mahlzeit hielten, obgleich es uus durchaus ^cht an Gemüse gebrach, sondern Ayvim, Carä., Kartoffel uud Bataten genug vorhanden waren uud wir auch bald Kohl uud Nüben ^gen. Die Bohuen haben das mit dem Sauerkrante gemein, daß >le durch's Anfwärmen nicht leiden. Sie ersparen daher viel Kocherei. Zum Frühstück hatten wir Kaffee nut Zucker, Abends des-gleichen; nnr mit dem Brode stand es lange Zeit schlecht, da die Brasilianer statt dessen Mandiokmehl essen und keine Mühlen für 126 Sechster Abend. den Türkischweizen vorhanden waren. Dann und wann lieferte der Wald den Braten eines Wildes, das wir in der Falle singen; die Kuh gab uns Milch zum echten, selbstgebanten Kaffee; dazu hatten wir freilich nur helles, frisches Quellwasser, kein Bier, keinen Nein, nur zu Zeiten etwas Schnaps. Aber wir hatten noch nie so gut gelebt und waren noch nie so vergnügt gewesen. — Doch für heute genug. — Siebenter Abend. Mn braves Wcib der größte Ccgen, — Echwer ist es, in Brasilien eine passende Heirath zu finden. — Dortige Behandlung der Frauen. — Mädchenmangel. — Kindersegen. — Wie es Frau Liesen im Wochenbette erging. — Wie Georg seinen Tag eintheilte. — Brief-Schreiben und Bestelle!,. — Was fnr Maß und Gewicht in Brasilien gilt. — Mit was siir Werkzeugen man dort Landwirchschaft treibt, — Wie der Kaffccbanm aussieht. — Wie man einen Kasseeberg anlegt. — Verjüngen alter Baume. — Das Pflücken. — Die 'Arbeit im Kasseeberge. — Die Ernte und ihr Vrgebnisi. — Ncntirt sich für den kleinen Grundbesitzer der Kaffeebaum? — Wie sich der Ansiedler seinen HauMassee herrichtet. — Georg zieht fort. — Die Negierung und die Halbscheidler. — NücN'lick. Der größte Segen, meine lieben Landslente, dessen ein Ansiedler im fremden Lande theilhaftig werden kann, ist ein braves, gesundes, fleißiges Weib, so wie das größte Unglück für ihn ein »aubsüchtiges, falsches, ungetreues nnd faules Weib ist. Ein gutes Weib in Brasilien zu bekommen, ist aber für eilten Einwanderer sehr fchwer. Eine Farbige mag er nicht, nnd das mit -^echt. Eine Weiße wird er sehr schwer erhalten, und bekommt er ^ so wird sie so wenig als eine Farbige ihn: im Felde schassen helfen, weil das gegen die dortige Landessitte ist. Auch könnte er eine ^'asilianerin erst dann bekommen, wenn er mit ihr reden kann, das heißt, sobald er portngiesisch gelernt hat. In den Städten seht das wol schnell, nnd es sind dort genug deutsche Handwerker Und Wirthe mit Brasilianerinnen verheirathet; aber auf deu Kolonien (und you denen allein kann ich redeu) ist dazu wenig Gelegeuheit, ^nd es können Jahre vergehen, ehe der Einwanderer nothdürftig "e Landessprache sprechen kaun. Aber gerade in der ersten Zeit 128 Siebenter Abend. geht dem Kolonisten das Weib am meisten ab; gerade, wenn er seine erste Hütte sich baut, fehlt ihm am fühlbarsten das weibliche Wesen, das unbedingt dazu gehört, um einen häuslichen Herd zu gründen; wenn dann der arme Bursche von der Arbeit müde Hennkehrt und sich erst sein Essen kochen soll, oder wenn er selbst zum Bache hinab muß, seine schmutzige Wäsche und .Kleider, meist höchst ungeschickt und mangelhaft, zu waschen, da wird er leicht melancholisch und heirathet manchmal lieber des Teufels Großmutter, als daß er noch länger ledig bliebe. Anf den Halbscheid - Kolonien geht es in dieser Hinsicht noch gnt; da sind die ledigen Lente meist den verschiedenen Familien bei-gegeben, deren Weiber und Mädchen ihnen Kost uud Wäsche besorgen. Und anf andern Kolonien hilft man sich, indem die jungen Bursche sich bei den Familien verdingen oder kopfüber die uächste beste heirathen, mag ihr Aussehen, ihr Alter oder ihr Ruf sein, welcher er wolle. Das gibt dann natürlich höchst unglückliche Ehen, in denen der Mann sich besäuft und das Weib prügelt, und sich und sein Hans nm alle Reputation bei Nachbarn nnd Fremden, besonders bei den Brasilianern bringt, die die Nüchternheit und die äußere Wohlanständigkeit sehr hoch halten und Trunksucht und Noh-heit auf's Höchste verabscheuen. Man wird nie hören, daß ein Brasilianer sein Weib prügelt; außer der sanfteren Sitte, des Landes ist das Weib in Brasilien ein so werthvolles, nützliches Mitglied des Hauses, daß ihre Thätigkeit vollkommen eben so viel gilt, als die des Mannes und, nne gesagt, durchaus unentbehrlich ist. Schon deßhalb wird jeder vernünftige Mensch sein Weib resvectiren und hoch halten und keiner kann sagen, er müsse sein Weib ernähren; das ernährt sich schon selbst nnd braucht ihn gar nicht dazu, im Gegentheil, es trägt eben so viel als der Mann zur Ernährung der Kinder und zur Beschaffung eines Sparpfennigs bei. Der langen Nede kurzer Sinn ist, daß jeder Auswauderer darnach trachte)! soll, sich schon in der Heimat zu verheirathen, wo cs Siebenter Abend. !2^> an Mädchen nicht fehlt; und dann, daß ein Allswanderer mit Töchtern ein gesegneter Mann ist, denn sie werden ihm, wie das frischgebackene Brod dein Bäcker, ordentlich ans den Händen gerissen und haben freie Wahl unter den Besten nnd Hübschesten. Es wandern nämlich weit mehr Männer als Weiber aus, so daß man ill vielen Kolonien erst auf drei Männer ein Weib findet. Darmn haben selbst Großmütter nnd liederliche Weibsbilder noch Partien gemacht. Ist nun ein Weib ein großer Segen, so sind auch die Kinder ein Glück zu nennen; freilich, fo lange sie ganz klein sind, hat wan viel Mühe und versäumt viel Zeit mit ihnen; aber sind sie erst 5 bis 6 Jahre alt, so können sie schon ihr Brod verdienen und sind von da ab bis zn ihrem Austritte aus dem elterlichen Hanse eine sehr werthvolle Beihülfe, natürlich vorausgesetzt, daß sie in Gottesfnrcht und häuslicher Zucht erzogeu werden. Nnn, an Kindersegen fehlte es bei mir nicht. Ich war kanm wieder vollkommen hergestellt, fo kam Liese ills Wochenbett. Da hättet ihr die Gutsfrau und ihre Töchter fehen sollen; der Arzt war gerade nicht anwesend und statt einer Hebamme war bloß eine alte Sklavin anf der Fazenda, die schon oft die Dienste einer Neh^ Mutter verfehen hatte. Kaum hatten nnn die Damen von Liese's Zustand gehört, so schickten sie gleich die Negerin, und bald kam die alte Dame selbst nach. Die Schwarze war ganz geschickt, und die Sache ging glücklich nnd ziemlich schnell vorüber. Die alte Dame uud ihre Töchter hatten Kinderzeug und Windeln, Thee, ^uppe, Hühner gebracht und sorgten für die Wöchnerin, als wenn Ue ihre eigene Tochter oder Schwester gewefen wäre. Und das 'Ucht allein das erste Mal, sondern bei jedem neuen Wochenbette nfuhr Liese dieselbe Güte und Aufmerksamkeit; aber sie wußten "Uch, daß wir ihnen höchst dankbar waren, und dann hielten sie 9wße Stücke anf uus, weil sie sahen, daß wir fleißig, ehrlich, sparsam und nüchtern waren. Eie zeigten sich indeß auch gegeu andere Kolonisten in deren Krankheiten höchst wohlthätig: so nahmen sie Schwerkranke selbst 130 Siebenter Abend. in die Fazenda auf, gaben ihnen Wartung, Pflege, Arznei und Kost; sie errichteten eine Nähschule für unsere Weiber und Mädchen, nnd die Fränleins gaben da Unterricht im Neiß- und Buntnähen. Die Herrschaft sorgte außerdem auch uoch für unsere Unterhaltung und gab uns von Zeit zu Zeit einen Tanz mit Vewirthung; der Herr Senator ließ uns eine Kegelbahn erbauen uud Tabak schenkte er uus, so viel wir wollten, wobei ich bemerke, daß Raucher wohl thun, sich einen kleinen Vorrath an Pfeifen mitzubringen, da diese hier gar nicht oder sehr theuer und schlecht zu haben sind. Unsere Tageseintheilung war sehr einfach, uud weil der Tag das ganze Jahr gleich lang ist, so blieb sie auch das gauze Jahr durch unverändert. Um 5 Uhr des Morgens standen wir auf, um '/^ Uhr tranken wir uuseru Kaffee, uud dann ging ich ins Feld oder in den Kaffeeberg oder sonst an die Arbeit uud kehrte um N Uhr, wenn die Hitze schon stark war, nach Hause zurück, ließ mir das Mittagessen schmecken, blieb dann bis gegen 2 auch 3 Uhr zu Hause, um dann wieder an die Arbeit zu gehen. Um sechs Uhr wird es finster; da machte ich Feierabend uud half der Frau bei mancherlei Arbeiten zu Hause; war Mondschein und gerade recht viel zu thuu, so ging ich wol nach dem Abendessen nnd dem Kaffee wieder aufs Feld uud arbeitete so lange es mir gut dünkte. Das geschah aber höchst selten. Die Frau ging ihren häuslichen Verrichtungen nach, besorgte das Kind, die Kuh, die Schweine, kochte, wusch und buk Brod, und hatte sie freie Zelt, so kam sie zu mir in den Garten oder ins Feld und half nur. Sonntags früh ruhten wir und beteten; Nachmittags gingen wir spazieren oder hin und wieder in die Venda oder auf die Kegelbahn oder auch auf ein Plauderstüudchen zu Nachbarn. An Regentagen entkörnten wir Mais oder droschen uud reinigten Bohnen. Kurz, zu thun gab es immer; aber kein Mensch, nur unser eigener Wille und uuser eigener Vortheil, so wie die Verpflichtung gegen unsern Wohlthäter, zwangen uns znr Arbeit. Eicbentcr Abend. I5N Mans)mal schrieben wir auch Briefe, aber ich glaube, daß wir in den fünf Jahren auf der Fazenda kaum mehr als drei geschrieben und auch nicht mehr als drei aus der Heimat erhalten haben. Ich weift gar wohl, daß das nicht gut ist; denn es gibt Leute genug, die ms Blaue hinein schreiben und überall ausgeschrieen haben, daß es allen Halbscheid-Kolonisten entsetzlich schlecht ginge. Briefe von solchen, denen es wohl erging, kamen nicht, und wenn solche einmal nach Deutschland gelangten, so hieß es, wegen ihrer Seltenheit: die sind von den Gutsherren dictirt, das sind lauter Lügen. Der Bauer schreibt aber einmal nicht gern: die augestrengte Arbeit macht die Hände hart und eignet sie nicht, die Feder zu handhaben. Je fleißiger nun ein Bauer ist, desto weuiger Zeit und Lust hat er zum Schreiben; er verschiebt es von einem Sonntag auf den andern, und setzt ihn die Frau nicht an den Tisch und gibt ihm Feder und Dintenfaß und Papier in die Hand, so kommt er gar nie dazu. Daher kommt es, daß die meisten Briefe von dort Klagen enthielten; denn sie waren von fanlen Kerlen nnd solchen Leuten geschrieben, die mehr Anlage zur Feder- als zur Feldarbeit haben "nd denen die ungewohnte Hantierung nicht behagen will. Die vaar Briefe, welche wir an Mutter Gertrud schickten, gab ich immer selbst in der Stadt Limeira ans die Post; es kann sie also Niemand anf dem Gute gelesen haben, und dictirt hat mir sicher Niemand, als meine Liese. Die Briefe ans Deutschland hat aber die brasilianische Regierung jedesmal in einem eigenen Briefbeutel unentgeltlich bis auf die fazenda geschickt, so wie sie auch die Kolonistenbriefe, welche die Koloniedirectoren einschicken, kostenfrei an ihre Adresse in Europa befördert, was alle Jahre cin hübsches Sümmchen ausmachen muß. Es wird Euch ferner mteressiren, was wir denn in Brasilien f^r Maße und Gewichte haben. Es gibt Maße für die Längen, für die Flächen und für den Naum. 132 Sicbcntcr Abend. Als Längenmaß gilt die Legoa, wovon 18, hie und da auch 20 auf 15 deutsche Meilen oder emeu Grad gerechnet werden. Gesetzlich werden 18 Lcguas gerechnet. Als» ist eine solche Legoa etwas mehr als 1'/- Wegestundeu. Die Legoa hat !l00l) Brassas oder Klafter. Eine Vrassa hat nngefähr l! Fuß 8 Zoll rheinisch. Zehn Palmen oder Spannen machen eine Brasse nnd eine Palme hat 8 brasilianische oder auch rheinische Zoll. Als Ellenmaß besteht der Stab, die Vara, ans 5 Palmos oder Spannen zu 40 Zoll, nnd die Elle, der Couado, ans 3 Palmos zu 24 Zoll (p0il6^äll8). Eine Pollegada hat 12 Linien. Als Flächenmaß besteht die Quadratbrasse; drei Quadrat-brassen find eine Nnthe rheinisch, und ein Magdeburger Morgen hat 540 Quadratbrassen. Die Qnadratlegoa enthält bei 17,000 Magdeburger Morgeu. An Hohl- oder Raummaßen für Flüssigkeiten, als Wein, Branntwein, Oel :c. gilt die Tonne (tonnol), die zwei Pipen enthält; die Pipe ist das gewöhnliche Maß, nnd es gehen deren nngc-fähr 2'/^ auf ein rheinisches Stückfaß. Sie enthält ungefähr 312 kölnische Maß. Die Pipe hat 26 Almuden, der Almnde zwei Cantaros nnd der Eantaro 6 Medidas, die jede zwei Maß kölnisch halten und noch zn 4 Quartilhos, Seidel, gerechnet werden. Gewöhnlich wird nnr nach Pipen und Mediden gerechnet. Als Hohlmaß für Getreide, Bohnen, Kartoffeln :c. dient der Moio zn 15 Fanegas oder 30 Säcken; der Sack zu 2 Alqueiren!, die Alqueire zu 4 Quartos nnd der Quarto zu 4 Selamius oder Handvoll. Für gewöhnlich rechnet man nur zu Sack nnd Alquelren. Die Alqueire ist ungefähr »/5 preußische Scheffel oder 2'/, frankfurter Sester oder 3 toluische Viertel; auf einen badischen Zuber gehen ungefähr 3« Alqueireu. Das Gewicht endlich ist ein Qnintal, Centner, zu 4 Arroben, die Arrobe zu 32 Pfd. (1/idr^), das Pfund zn u: Unzen und die Ticbentcr ^llicnd. 133 Unze zu 8 Octcwen. Gerechllet wird iin Großen immer nach Arrobon, im Kleinen ineist nach Unzen. Das brasilianische nnd preußische Pfnnd werden sich ziemlich gleich sein. Veuor wir zn der Beschreibung des Kaffeeberges llnd seiner Behandlung übergehen, wird es nothwendig sein, Euch einen Begriff von den Werkzeugen zn geben, mit denen in Brasilien die gesammte Landwirthschaft im Allgemeinen betrieben wird. Ich habe Ench schon früher einmal gesagt, daß man in Brasilien weder Pflug noch Egge angewendet sieht, oder doch so selten, daß diese Art des Ackerbaues nur eine Rarität ist. Auch ist es in der ersten Zeit, wenn Land urbar gemacht wird, und in den nächsten 10—12 Jahren nnr bei ausdauernden: Fleiße nnd vielen Arbeitern möglich, das Land unter den Pflng zn bringen. Ich habe Ench erzählt, daß das meiste Land ans Wald besteht und daß dieser erst niedergehanen nnd verbrannt werden muß, bevor man das Land bepflanzen kann. Anch nach den: Brande lieget: noch die Baumstämme wild durcheinander, denn diese und ihre stärkeren Aoste brennen nicht weg, sondern nnr das Laub, die dünnen Zweige, das Gestrüpp und das Gesträuch. Schon die hernmlicgenden Baumstämme, deren Wegschaffnng bei dem weichen, fetten Boden nnge-Mein viel Zeit und Arbeit verlangen, würde, hindern die Anwendnng oes Pflngcs, der überdieß in dem prächtigen Boden vollkommen überflüssig wäre. Aber noch hinderlicher sind der Anwendung des Pfluges die tausend nnd aber tansend starkell und zähen Wurzeln, welche im Boden bleiben und sich noch viele Jahre frisch erhalten, ia häufig wieder austreiben. Hat man da am Pfluge Scharen von Schmiedeeisen, so bekommen diese in einer Stunde solche Scharten, ^aß man gleich znm Schmied muß, und wo findet man einen solchen gleich in der Nähe? Und hat man gußeiserne Scharen, die wan gewohnlich gleich zn 50 oder l00 kauft, so kann man davon "l einen: Tage 10 nnd mehr uubranchbar inachen. Tann steht der Pflug wieder einige Mouate still, uud es wäre besser, man hätte ^annt gar nicht angefangen. Der Neuling soll aber überhaupt uor 134 Siebenter Abend. Nichts sich so sehr hüten, als vor dem Versuchen und Probiren; dazu hat er Zeit, wenn er einmal warm sitzt und Zeit, Einsicht und Geld genug hat, vernünftige Verbesserungen einzuführen. Für deu Anfang thut er weitaus am klügsten, wenn er die Arbeit so verrichtet, wie es Laudessitte und auch wirklich für deu Anfang am besten ist. Der Ansiedler in Brasilien, auf welcher Kolonie er auch immer lebe, braucht nur füuf Werkzeuge; das sind die Axt, das Waldmesser (tulHo), der Fuchs (touoe) und zweierlei Haueu, eiue stärkere und eine schwächere. Ich habe auf der Zeichnung hier eine Axt, einen Fakon und einen Fuchs abgebildet. Die Axt ist eine sogenannte amerikanische, die man sammt dem eigenthümlich geformteu Stiel in Hamburg wie in Antwerpen zu kaufen bekommt; die zweitgrößte Gattung ist die beste. Anfangs geht es der Uugewohntheit wegen schwer; hat man aber einmal den Vortheil weg, so nimmt man keine andere Axt mehr zur Hand. Das Waldmesser oder der Facon dient dazu, im Walde sich Bahn zu schaffen, und sehr albern würde derjenige handeln, der in den Wald ohne Fakon gehen wollte. Es ist ein bei 30 Zoll langes, 3—4 Zoll breites, spitziges Messer mit starkem Nucken, das einen hölzernen oder einen Beingriff hat und am Gürtel in einer Lederscheide getragen wird. Der Fakon dient außerdem zu sehr vielen häuslichen Verrichtungen. Der Fuchs oder die Foisse, anch Buschsense genannt, ist ein starkes krummes Messer, dessen Rücken einen Viertelzoll stark ist. Der Fuchs wird an einem starken, langen Stocke festgemacht und dient so zum Niederhauen der Gesträuche, zum Durchhaueu der zahllosen, ost sehr starten Schlingpflanzen und sogar junger Bäume, die oft mehrere Zolle im Durchmesser haben. Mau verwendet den Fuchs auch wie eine Sense zum Niedermähen der Maissteugel und des starten nud hoheu Unkrauts der Felder, zum Schneiden des Zuckerrohrs, des Reises ?c., obgleich inan znr Zuckerrohrernte lieber den Fatou gebraucht. Alle diese Arbeiten nennen die deutscheu Kolonisten Büschen; es will aber gelernt sein. ^ Anch die Foisse wie den Fakon bekommt mau iu Hamburg sowohl als a. Fouce (Fuchs). e. Amerikanische Axt. b. Facäo (Waldinesser). /, Schnh über der Erde gekappt. Das Verjüngen der alten Bäume geschieht, weuu diese ill Hrem Ertrage bedeutend abnehmen, was gewöhnlich im '15. oder ^' Jahre eintritt. Man zieht dann diese Bänme sorgfältig ans, ^schneidet vorsichtig alle verletzten Wurzeln nnd schneidet die Hcrz-^urzel ganz weg. Darauf pflanzt man den Stamm in ein schon ^uher gut vorbereitetes Loch eben so tief, als er früher stand, ^ud schneidet ihn einen halben Fuß über der Erde ab. Natürlich 138 Siebenter Abend. muß das entweder bei Regenwetter geschehen, oder es müssen die Wurzeln tüchtig eingeschlämmt werden. Die beste Zeit zur Pflanzung oder Verjüngung der Kaffeebäume ist im Juli, August und September; die der Ernte ist vom Mai bis November, da der Kaffee sehr ungleich reift und der Baun: meist mit Blüten, grünen nnd reifenden Früchten zugleich bedeckt ist. Die Kirschen sollen erst dann gepflückt werden, wenn sie ganz reif sind, das heißt, sobald sie brann zu werden anfangen; denn das ist die Hanptsache, da der nnreife Kaffee nichts taugt. Darin aber haben besonders die Halbscheidler oft gefehlt, daß sie in ihrer Faulheit und Dummheit zu ihrem eignen großen Schaden die Zweige einfach herabbogen und alles, was daran saß, Blätter, Blüten und Früchte abstreiften, um nur recht schnell fertig zu werden. Beim Pflücken ist es am besten, wenn Frauen und Kinder die untern Zweige absuchen, während die Männer gleichzeitig die oberen ablesen. Die Früchte werden in Körbe oder sonstige Gefäße gethan, dann an einem vom Gutsherrn bestimmten Orte ausgeleert, untersucht und gemessen. Die Kinder können auch zum Auflesen bereits abgefallener Kirschen verwendet werden. Nach dem Pflücken geht der Kaffee in die Hände des Gutsherrn über, der dann in seiner Fabrik ihn für den Markt bereitet. Die Hauptarbeit in: Kaffeeberge besteht aber im Neinhalten des Bodens, oder im Jäten. Dieß geschieht wenigstens viermal im Jahre, manchmal auch öfter, nnd muß sehr sorgfältig vorgenommen werden. Besonders ist anf das Vogelkrant, korva MW^riMg,, zu achten, welche Schlingpflanze, dem deutfchm Windling gleich, fast unausrottbar ist. Dabei kommt meist die Haue, oft aber auch sogenannte Gxstirpatoren zur Anwendung; das sind Gestelle, welche nach Art einer kleinen Egge statt der eisernen Zinken derlei kleine Scharen haben und mit denen schnell nnd gut gearbeitet wird. Bei jungen Kaffeepflanznngen wird, theils um den Bäumchen den nöthigen Schatten zu geben, theils um den Boden recht locker zu halten, noch zwischen den Kaffee Mais, Bohnen, Kartoffeln :c. Siebenter Abend. 130 gebaut, die wenigstens auf San Ieronymo Eigenthum des Kolonisten waren. Die Kaffee-Ernte ist, wie alle Ernten, eine sehr wechselnde, in diesem Jahre eine gute, im andern eine mittelmäßige, im dritten eine schlechte; aber eine vollständige Mißernte gibt es nicht, wegen der so verschiedenen Reifezeit der Kirschen. Ich selbst litt anfangs nnter der Ungunst des Wetters nnd der eigenen Unerfahrenheit. Seit lange waren keine so schlechten Ernten erzielt worden, als in den Jahren 1852 nnd 1853, wo es in der Blütezeit fast unaufhörlich reguete. So betrug denn mein Antheil fnr diese beiden Jahre nur 257 Fl., nnd meine Schuld hätte sich bedeutend vermehren müssen; da ich aber ein schönes Stück Geld aus meinen Feldern löste nnd im zweiten Jahre viel Glück mit meiner Hühnerzucht hatte, so konnte ich meine Bedürfnisse nicht bloß decken, sondern sogar meinen gauzeu Erlös au Kaffee zur Abschreibung meiner Schuld überlassen. Anderen ging es nicht so änt; aber gerade jetzt konnten sie so recht die Wohlthaten des Halbscheidwesens in Vrasilien kennen lernen. In Deutschland hätte man Wien Pächter, der zwei Jahre lang nicht allein nichts zahlen konnte, sondern anch neue Schnldeu eingehen mußte, einfach znm.hause hinausgejagt und desfen sämmtliche Habseligteiten gepfändet; auf ^' Jeronnmo that mau hiugegen Alles, um die Leute zu ernutthigen "ud ihnen zn helfen, wie es nur möglich war. Und bei alledem hatten die Lente durchaus nicht Noth zu leiden: sie bekamen nach wie vor ihr tägliches Essen vollanf, ihren Tnmk, ihren Tabak, ihre Kleidung. Wo wäre das bei Euch möglich geweseu 5 Indessen war es doch sehr gut, daß das Jahr 1854 sich be-"Mend besser anließ; ich machte in dem Jahre allein über 1200 Fl. "n Kaffee nnd die Andern im gleichen Verhältniß. Das folgende ^ahr brachte an 700 Fl. und das nächste wieder über 900 Fl. ein, '" baß ich in den fünf Jahren meines Hierfeins nur an Kaffee "llem über 3000 Fl. verdieilt hatte. Ich hatte damit meine Schuld "ugst abgezahlt, und die Erträgnisse meines Feldes, meiner Hühuer, 1W Si cd enter Abend. ineiner Kühe und meiner Anstelligkeit und Erfahrung im Mühleuwesen bildeteil einen hübschen Sparpfennig, nüt dem ich schon meine eigene Wirthschaft nnternehmen konnte. Bevor ich aber zu diesen: Punkte übergehe, möchte ich Euch noch Einiges über den Kaffee sagen. Ich habe die Ansicht, daß der Anbau vou Kaffee sich für den einzelneu Kolonisten nicht reutirt, wenigstens jetzt nicht. Er kann nur von großen Capitalisteu betrieben werden, die genng Sklaven besitzen oder Halbscheidkolonisten kommen lassen können. Alle kleineren Pflanzungen gehell ein, weil den Besitzern das Geld fehlt, um ein oder zwei schlechte Jahre überdauern zu können. Dann kosten die Maschinen in der Fabrik, wo der Kaffee für den Markt bereitet wird, sehr viel Geld. Da braucht man den Depolpador, wo das Fleisch von den Kernen gelüst wird; da ist ein Stampfwerk, um die inneren Hülsen zu spreugell, da siud Waschbottiche für sogenannte alkalische Bäder, dann Windreutern mit Sortirnetzeu, endlich der Glättapparat, der Lustrador, der Trocken-apparat, die Branntweinbrennerei und dergl. Um diese Maschinen im Stande zn erhalten, müssen auf der Pstauzuug eine Schmiede und Schlosserei, sowie andere Handwerke vorhanden sein. Um den Kaffee, der in ungehenreu Quantitäten gewonnen wird, aufbewahren uud trocknen zu können, müssen zahlreiche Schenern vorhanden sein, und um ihu zu Markte zu bringen, bedarf der Pflanzer, der nicht von der Willtür der Maulthiertreiber abhängig sein will, eigeuer zahlreicher Maulthierheerdeu und einer Echaar von Treibern; ja die Säcke allein erfordern in mancher Pflanzung ein kleines Capital. Und doch wird später der ganze Kaffee von kleinen Grundbesitzern gebant werden und ein Capitalist wird nur die Fabrik Herstelleu; ganz so wie bei Vuch die Ruukelrübellzuckerfabrikeu. Die Ansiedler werden Contracts mit dem Fabrikanten auf Lieferung von Kaffeekirschen schließen, uüd dauu können beide Theile gedeihen; dieß ist aber erst einer späteren Zeit vorbehalten. Sicbcntcr Abend. 14l Für jetzt thut der Ansiedler wohl, ein paar Bäume in seinem Garten zu ziehen, die ihm mit der Zeit seinen Hausbedarf all Kaffee decken werden. Wenn er seinen Kaffee erntet, so hat er ihn einfach auf mit sogenannten Esteiras, Binsenmatten, belegte Bretter, auszubreiten und am besten an der Sonne zu trocknen, wobei er ihn aber sorgfältig vor jeden: Negen hüten nnd Abends ins Hans bringen muh. Sind die Kirschen ganz trocken, so gebe er sie in einen, wo möglich hölzernen, Mörser und stampfe sie, bis die Hülse sich gelöst hat; haun wasche er die Kerne und lasse sie wieder trocknen. Dnrch ein abermaliges Stampfen werden die Kerne von der zweiten nnd dritten Hülse befreit, worauf man die Spreu durch Worfelu entfernt. Ans den Fleischhülseu kaun guter Branntwein gebrannt werden; auch köuuen sie gleich nach dem Pflücken ohne weiteres Trocknen abgeschält werden. — Wie die Fabriken bei der Bereitung des Kaffees verfahren, kann für Euch wenig Interesse haben; es genügt zu sagen, daß sie das, was Ihr mit der Hand verrichtet, mittelst Maschinen thun, und daß das, wozu bei Euch einige Hände hinreichen, dort Hunderte von Arbeitern uud Thieren erfordert. — Also am Ende des fünften Jahres, im September 1857, schickten wir uns an, die Fazenda S. Ieronynw zu verlassen. Es ^"r cm schwerer Entschluß; deun wir hatten uns da recht glücklich gefühlt, unser heimisches Elend vergessen und den Grund zu einer 3eoeihlichm Znkunft gelegt. Drei unserer Kinder waren hier geboren worden. Der Gutsherr und seine Familie waren sehr gütig gegen uns gewesen; aber wir konnten doch nicht all unsere Lebtage Tag-^crker bleiben in einen: Lande, wo die Arbeit sich so gut bezahlt Macht. Wir waren es unsern Kindern schuldig, eine selbständigere Geltung zu erringen. Gern wären wir auf S. Ierouymo geblieben, hätte der Hr. Senator uns ein Stück Land verkauft. Da er aber ^ edlem Stolz das Vatererbe uugeschmälert seinen Kindern hinter-"'sen will, so waren wir zum Auszuge genöthigt. Eigentlich hätten ""r das schon vor anderthalb Jahren gekonnt; denn schon damals 142 Siebenter Abend. waren wir mit unserer Schuld quitt geworden. Aber wir glaubten, der gegen uns so gütig gewesenen Gutsherrschaft schuldig zu sein, noch einige Zeit drüber zu bleiben und so unsere Dankbarkeit und Zufriedenheit zu beweisen. Es wurde dieß auch anerkannt und der Hr. Senator berechnete uns von da an anch höhere Preise für den Kaffee als früher, und als ich denn im letzten März contractgemäß meine Absicht kundgab, sprach er sein lebhaftes Bedauern, aber auch die Anerkennung meiner Handlungsweise aus und gab uns ein glänzendes Zeugniß und viele Empfehlungen mit. Die kaiserliche Negierung hat nämlich angeordnet, daß die Halb-scheid-Kolonisten, sobald sie uon ihren Grundherren einen Schein über die völlig bezahlte Schuld beibringen, auf Regierungskosten in eine von den Kolonisten auszuwählende Kolonie gebracht werden, wo ihnen, wie jedem anderen Einwanderer, Land gegen gleich baare Zahlung oder auf Credit verkauft und alle Begünstigungen gewährt werden, welche andern Einwanderern bewilligt zu werden pflegen. Mit uns gingen damals noch acht andere Familien, im Ganzen 48 Köpfe, von S. Ieronumo fort. Wir alle hatten verlangt, nach Sta. Crnz in Rio Grande gebracht zu werden. Dazu mußteu wir nach Santos reisen, wozu uns der Hr. Senator seine Maulesel lieh. Mit wie ganz anderen Gefühlen zogen wir jetzt denselben Weg seewärts, den wir vor fünf Jahren landwärts gezogen waren! Alle bangen Gefühle der Ungewißheit und des Fremdseins waren verschwunden; wir kannten das Land, seine Vegetation und Banart befremdete uns uicht mehr; die Laute der Landessprache, für uns damals so fremd, klangen uns jetzt vollkommen vertraut und wir konnten mit den Maulthiertreibern, den Wirthen 2c. ganz gemüthlich plaudern. Unser Gepäck, das wir damals auf zwei Mauleseln bequem hinauf schaffen konnten, wurde jetzt mühsam von deren sechs geschleppt; meiue Frau und die zwei jüngsten Kinder saßen auf ihrem eigenen Maulesel, ich hatte den einen Burschen ;wr mir auf dem Sattelknopfe meines eigenen Pferdes, wahrend der kleine Georg stolz auf feinem Pony saß. Während endlich vor fünf Siebenter Abend. 143 Jahren mein Beutel kaum wenige Kupfermünzen enthielt, da konnte ich jetzt behaglich mit Goldstücken klappern; denn ich hatte 1:100 Kr«, iu der Tasche, wohl erworben und erspart. Mit welcher Sicherheit durchschwärmten wir die Stadt S. Paulo und mit welchem Selbstgefühle zogen wir in Santos ein, das nns so demüthig und zagend gesehen! nnd mit welchem Gefühle gingen wir da zur Kirche, um dem Allerhöchsten im Staube aus Grund unseres Herzens zu danken für all die Gnade, mit der er uns arme Verzweifelnde aus der alten Heimat in die nene geführt, beschützt und beglückt hatte! — Ichter Abend. Dcis Kolonisiren. — Das Halbscheidwesen. — D^r freie, kleinc Grundl'esih. — Veglinstignnsscn der Kolonisten auf ^taat^kolonien. — (nlänterungen. —-Militärdienst. — Keine Conscription. — Nationalgarde. — Provinzkolomen. — Vegnnstignngcn für Einwanderer in Nio brande. — Privatkolonien. — D. Pedro II. — Cta. Thercza. — D. Franci^ca. — Maria Umsiedeln. — St. z^orcuz. — Militärl'olomen. -^ Niederlassung auf eigene Fanst. — Georg reist von Santos al>, — Paranaguä,. — Die Provinz Paran»,. — Straßen. — Assnnniuy. — Mio Negro. — Die Provinz-Regierung. — Weizen und Wein von (5nritiba. — Heute beabsichtige ich Euch em Laugos uud Breites über das Kolouisireu m Brasitieu zu erzählen uud bitte Euch, weun Einer oder der Andere von Euch wirklich dahin auswandern niill, recht wohl Acht zu geben; denn es ist gauz ungemein wichtig, daß Ihr das begreift. Kolonisiren ist ein fremdländisches Wort und heißt zu deutsch „ausiedelu"; Kolonisten sind also Ansiedler. Nuu gibt es in Brasilien verschiedene Arten zu kolonisiren. Die eine Art, das Halbscheidwesen, habe ich Ench deutlich zu macheu versucht und Ihr werdet wenigstens begriffen haben, daft diese Art für die gauz armen Auswanderer die beste, ja die allein mögliche ist; wie könnte er sonst die lange Neise bestreuen und die Kosten der Ansiedelung? Wer würde ihm in Dentschland oder der Schweiz wol je so vk'l Geld auf sein Paar Arme hin leihen, da man dort keinen Mangel an wohlfeilen Taglöhnern hat? Die zweite Art des Kolonisirens ist die, dein Einwanderer Land gegen baare Zahlung oder auf Credit zu verkaufen und ihn in der ersten Zeit mehr oder minder zn unterstützen. Ach tor Abend, 145 Diese Art der Ansiedelung ist es, welche einen: unabhängigen Manne an: meisten zusagt, kann aber begreiflich nur von Jenen unternommen werden, welche ihre Reise selbst zu zahlen vermögen, verlangt also, wie ich Euch bereits am zweiten Abend erzählt habe, schon ein ziemliches Häufchen Geld; denn man hat ja auch noch die Neise aus dem Heimatsorte nach Hamburg oder Antwerpen dazu zu rechnen. Diese zweite Art wird in Brasilien von der Neichsregierung, von den Provinzen, von Gesellschaften nnd Privatleuten betrieben, und Zwar von Jedem auf seine eigene Art. In jeder Provinz, in jeder Kolonie wird das Ding etwas anders angefaßt; an: Ende läuft es aber doch darauf hinans, daß man überall das Beste des Einwanderers will. Unter diesen verschiedenen Kolonien nach zweiter Art sind meiner persönlichen Ansicht zufolge die Staatskolonien, d.h. die anf Kosten ver Reichsregierung angelegten, vorznziehcn. Die kaiserliche Negierung hat 1861 mit dein Hanse Stemmanu U' Comp. in Antwerpen, von dein ich Euch am zweiten Abende bereits erzählte, einen Vertrag geschlossen, zufolge dessen sie M- Kopf unen Reisezuschuß von 50 Franken — 13 Thlr. 10 Sgr. oder nn-Afähr 22 Fl. 51 Xr. rheinl. bewilligt nnd noch nberdieß den Einwanderern folgende Begünstigungen zugesteht: 1) Jeder Einwanderer wird als vollkommen frei betrachtet nnd 5o, als ob er keinerlei Verpflichtung gegen die Regierung hätte. 2) Es steht ihm alfo gänzlich frei, sobald er in Rio de Janeiro (oder sonstwo) ankommt, nach seinen: Belieben sich den Ort seines Aufenthaltes zu wählen, sich allzusiedeln, wo nnd wie es ihn: ge-wllt; natürlich hat er aber anch gar keiueu Ausvruch auf weitere Unterstützung oder auf eine der weiter unten folgenden Begünstigungen. 3) Die Einwanderer aber, welche 24 Stunden nach der Ankunft "" Hafen, noch anf den: Schisse, erklären, daß sie anf eine der lilernngskolonieu gehen, dort Land kaufeit und als Grund- 140 Achter Abend. besitzer sich niederlassen wollen, werden noch folgender Vergünstigungen theilhaftig i a. Sie werden, wie ich Euch bereits gesagt, in dem Änfnahme' hause von Vom Jesus unentgeltlich untergebracht, verpflegt und, wenn Einer oder der Andere krank wird, ärztlich besorgt; sie bleiben dort so lange, bis es möglich wird, sie nach der Provinz und der Kolonie, welche sie gewählt haben, zn schicken. Die hier genannten Negiernngs-Kolonien sind diejenige»!, welche in den Provinzen Espirito Santo (Rio Nouo, Santa Isabel, Sta. Leopoldma), Minas Geraes (Philadelphia), Sta. Catha-rina (Sta. Isabel, Blumenau, Itajahn, Brusque, Theresovolis) und Parana (Assnmgm)) bestehen. !). Nach diesen Kolonien werden sie sammt Gepäck und so schnell als möglich kostenfrei gebracht. e. Während ihres Aufenthalts am Schiffe oder in Bon: Jesus steht es ihnen frei, mit ihren Consuln oder Gesandten, oder wem immer zu verkehren. Und zwar werden sie zu bestimmten Tagen und Stunden unentgeltlich zur Stadt und zurückgebracht; auf eigene Kosten aber können sie herumfahren, wann nnd wie sie wollen. ä. Auf der von ihnen gewählten Kolonie werden sie ebenfalls so lange in einem Anfnahmehanse untergebracht, bis sie sich auf ihren Ländereien eingerichtet haben. «. Es werden ihnen per Familie 125,000 Ü1 -Klaftern Land (ungefähr 230 Morgen) oder wenigstens die Hälfte auf Credit verkauft, fo zwar, daß die m-Klafter drei Reis (das ganze Landlos also 385 Milreis ^ 320 Thlr. — 548 Fl. rhn.) kostet, die in sechs Jahren so zu zahlen sind: Im ersten und zweiten Jahre zahlen die Einwanderer nichts; im 3., 4., 5. und 6. Jahre jedesmal 137 Fl., wenn sie ein ganzes Landloos, und 69 Fl-, wenn sie ein halbes Landloos genommen haben. Hat eine Familie einen oder mehrere Söhne über 18 Jahre, so hat jeder derselben den Anspruch ans eben so viel Land zu Ächter Abend. 147 denselben Bedingungen; aber fie betommcn es nnr, wenn die Eltern darnm einschreiten. t'. Die Einwanderer erhalten ihr ^and schon vermessen nnd begrenzt, nur einem Häuschen von genügenden: Raume nnd einer fast zwei Morgen betragenden Nodnng, so daß sie gleich pflanzen können. 8- Ferner wird ihnen das nothwendige, bereits von nrir erwähnte Ackerwerkzeng, die nöthigen Sämereien für die erste Pflanzung, daun sechs Monate lang Nahrung verabreicht, sogenannte Snb-sidien, die in den verschiedenen Kolonien verschieden bemessen werden. Diese Snbsidien werden aber nnr dann gewährt, wenn auf der Kolonie keine Arbeiten, bei denen die Ansiedler beschäftigt werden, zu machen sind, nnd sie hören nach sechs Monaten ganz sicher, aber auch noch früher auf, wenn die Einwanderer nicht ihr Land bebauen. 4) Am Ende des zweiten Jahres können die Einwanderer brasilianische Bürger werden, sind aber anch bann vom Militärdienste ^i; sie sind nur zum Dienste in der Nationalgardc und zwar blos; üinerhalb ihrer Bezirksgemeinde verpflichtet. Ihr seht also, daß ein Einwanderer, der sich auf einer der genannten Kolonien niederlassen will, vom Angenblicke an, wo er uach Brasilien kommt, keinen Krenzer mehr auszugeben braucht. ^' erhält anf Negierungskosten Unterkunft, Zehrung, freie Neise lür sich und sein Gepäck; er bekommt eiu ansehnliches Stück Land, uuf dem die allerersten Arbeiten für ihn verrichtet sind. Er bekommt das landesübliche Ackorwerkzeug, als: Hanen, Fnchs, Naldmesser, Axt, ein bewehr und verschiedene Hausrequisiten, Aussaat; es wüd ihm für die ersten sechs Monate, nämlich bis zur ersteu Ernte, 3Ut bezahlte Arbeit zugesichert; oder er erhält, wenn die Arbeit sHlen sollte, einen Lebensmittelbeitrag. Endlich kann er, wie Eigens auf jeder Kolonie, uach zwei Jahren das brasilianische ^lugerrecht erwerben, wobei er ausdrücklich vom Militärdienst befreit bleibt. Der Dienst in der Nationalgarde steht ihm freilich bevor; 148 Achter Abend. aber diese wird meist sehr selten einberufen, nnd dann kenne ich keine einzige der in den letzten 10 —15 Jahren gegründeten Kolonien, wo die Nationalgarde schon errichtet wäre. Nur die alten Kolonien aus den zwanziger Jahren haben ihre Nationalgarde. Auch mit dem Militärdienst ist es eine besondere Sache in Brasilien: die fremden nnd die naturalisirten Bürger (so heisten die Eingewanderten, welche das Bürgerrecht erlangt haben) sind Vollkommen frei davon. Es kann ein Einwanderer nach Brasilien kommen, der gar nicht brasilianischer Bürger werden will; das steht ihn: vollkommen frei nnd er hat darnm keinen andern Schaden, als daß er keine Obrigkeit, keine Deputirten 2c. wählen darf und auch nicht dazn gewählt werden kann. Ein Einwanderer dieser Art hat nie zu fürchten, je zum Militär oder zur Nationalgarde genommen zu werden. Aber auch die ill Brasilien geborenen Sohlte der Kolonisten haben den Militärdienst nicht sehr zu fürchten; wenigstens jetzt noch nicht. Es besteht nämlich dort keine Conscription. Die ganze Armee besteht in Wirklichkeit aus kamn 12,000 Mann, was auch recht gescheidt ist, da man in einem solchen Lande die Menschen zn was Besserem brauchen kann, als zum Ererären. Ieue zwölftausend Mann werden ergänzt durch freiwillige Werbung nnd durch das zwangsweise Einstellen von Vagabnnden, Gesinde! und dergl. Der freiwillige kann Handgeld bis zn 600 Fl. bekommen für sechs Jahre Dienstzeit, eine Löhmmgsznlage nnd, wenn er ausgedient hat, ein Stück Land zum Geschenk. Obgleich das einen dentschen Einwanderer kaum verlocken wird, in den Kriegsdienst zn treten, so gibt es doch genug verdorbene Subjecte, die sich dadurch ein Stück Brod sichern wolleu und denen das Drillen uud Schildwachestehen angenehmer ist, als die Feldarbeit. Erst wenn diese Lente nicht genügen, den Abgang zu decken, wird m die Provinzen der Befehl geschickt, so und so viel Rekruten zn stellen. Nuu fiud der Polizei nnd den Ortsbehördeu das Gesindel und die Vagabunden ihres Bezirks gar wohl bekannt; diese werden dann zusammeugefangen nnd, Achtcr Abend, ' 149 sobald sie tauglich sind, auf sechs Jahre in die Armee gesteckt. Ist diese Art Nekrutirnng anch nicht sehr hnman, so ist sie doch besser als die Conscription, welche die fleißigen, ordentlichen Bursche von ihrem Handwerke, von ihrem Besitze, ans ihrer Familie reißt, nm ihnen den verhaßten Soldatenrock anzuziehen, in welchem sie dem Staate gewiß weniger Dienste leisten, als ans ihrem natürlichen Platze. Ner fleißig nnd verträglich ist, kann in Brasilien sicher sein, daß er zum Militär nicht genommen wird, nnd Stänkern, Tagedieben, Ranfern, Säufern nnd Wirthshaushelden schadet es nicht, ein paar Jahre der Trommel nachzulaufen und im Nothfälle wit dein spanischen Nohre nähere Bekanntschaft zu macheu. Von der Nationalgarde muß ich noch erwähnen, daß sie eigentlich nichts anderes als die Landwehr ist. Zum Dienste in ihr ist jeder waffenfähige Mann verpflichtet, nnd sie marschirt auch gegen den Feind aus. Aber es sind zwei Abtheilungen in der Nationalgarde: die znm Ansmarsche bestimmten, welche von dein jüngeren, kräftigeren nnd meist unuerheiratheten Theile der Männer gebildet wird, und dann die bloß zum Dienste in dem Heimats - Gemeinde-District bestimmte Abtheilung, zn welcher außer den älteren nnd verhei-latheten Männern anch noch die naturalisirten Einwanderer, ub alt oder jung, gehören. Jetzt glanbe ich dentlich genug gewesen zn sein nnd kehre von dieser Abschweifung wieder zu den Kolonien znrück. Die sogenannten Provinzkolonien sind ebenso wie die Staats-Kolunien; nur wurden sie von den Regierungen der einzelnen Pro-^uzen ans Landesmitteln errichtet. Anch die Provinz-Negiernngen ^währen den Ansiedlern große Vortheile. So hat z. B. die Provinz Nio Graude do Enl mit dem Hanse Steimnann u. Comp. in Antwerpen und, wenn ich nicht irre, anch mit Tonati u. Comp. ill 'Hamburg emen Vertrag geschlossen, dem zufolge sie einen Reise-^uß für Lente zwischen 1 ^45 Jahren und außerdem folgende ^äünstiguugeu gewährt: 150 Achter Abend. 1) Freieu Transport von Rio Grande do Sul nach Porto Alegre suugefähr 40 Meilen) i>r. Dmnpffchiff; dann 2) Unterkunft in Nio Grande nnd Porto Alegre. 3) Den ferneren Transport nach den gewählten Kolonien. Diefer freie Transport geschieht jedoch nur vorschußweise und ist innerhalb fünf Jahren nach Empfange der Vesitzurkunde über das Kolonieland abzuzahlen. 4) Prouinztolonien sind Sta. Cruz, St. Angelo nnd Neu-Petro-polis. Dort erhalten die Kolonisten ein Stück Land uon 100,000 Quadratklaftern — 185 Morgen zn 3 Neis die Qnadratklafter (also W0 K oder 440 Fl. rhn.), welche Summe innerhalb 5 Jahren getilgt fein muß. 5) Das Laudstück ist auf Provinzkosten vermessen nnd bezeichnet; bis die Ansiedler den Preis nnd die erhaltenen Vorschüsse bezahlt haben, bleibt es hypothecirt. L) Jede Familie erhält ein solches Stück Land; doch können anch uuverheirathete Glieder derselben, so wie die, welche sich vn 18. Jahre verheirathen, ein gleiches Grundstück erhalten. 7) Tie Provinz liefert Anssaat, Ackergerät!) und den Unterhalt, bis zur ersten Ernte. 8) Wünschen die Einwanderer von Rio Grande do Sul oder Porto Alegre ans anderswohin zu gehen, so haben sie dieß zn er-Mren, und zwar ill Porto Alegre binnen 48 Stunden. Sie verzichten damit auf alle obigen Vortheile und habeu alle für ilM Verpflegung und Transport aufgelaufenen Unkosten zu ersetzen. Doch ist in keinem Falle der Reisezuschuß zurückzuzahleu.") i)) Briefe uou und au Viuwanderer in den Provinzkolonieu besorgen Steinmann u. Comp. xMin. Nnr jene Einwanderer, welche ein von Steiumauu li. Con'v. '"> Dtt von dcr kais. RegiclUüg l!»d dl'll Provinz» gcwährtc Rciftztts^'"s' ist dahiil zu l'crstchtn, daß dic Cchiffocrpcdicnten cincn nm sc' ^iel nicdnstNtl' Achter Abend. 151 ausgestelltes und von den Einwanderern selbst unterfertigtes Document aufweisen können, werden jener Vortheile theilhaft. Nach den Regierungs- und Provinzkolonien kommen die Ansiedelungen, welche von Gesellschaften oder Privaten anf derselben Grnnolage des freien, kleinen Grnndbesitzes gegründet wnrden. Die meisten dieser Gesellschaften oder Privaten sind dabei zu Grunde gegangen, weil sie mit zu geringen Mitteln und unpraktisch begonnen haben; bei einigen hat sich die Regierung ins Mittel gelegt und die Kolonien auf Staatskosten übernommen, und die wenigen, die noch eristiren, beziehen fast alle Unterstütznngen seitens der Regiernng. Das will aber nicht heißen, daß es deßhalb gerade den Kolonisten anf jenen Kolonien schlecht ergehe; im Gegeiltheil kann man annehmen, daß es den Kolonisteil anf alleil diesen Privatkoionien uiel besser geht, als den Gründern derselben. Jede dieser Kolonien hat ihre eigene Methode bei dem Verkauf ihrer Ländereien: die einen verlangen sofortige Baarzahlnng, andere Zahlung in verschiedenen Raten; hier haben sie diese, dort jene Verpflichtung zu übernehmen. Ich will mich bemühen, das, was ich von diesen Priuatkolonien weiß, zu erzählen. Zn meiner Zeit bestanden folgende Privat-Kolonien: In der Provinz Parii: Nossa Senhora do O, wohin aber nie Deutsche gekommen sind, noch kommen werden; in der Provinz ^spirit« Santo die Kolonie von Nio Nouo, welche seitdem der Staat "u sich gebracht hat; in Minas Gercws die Mucnry-Kolonie und D> Pedro U., von denen die erstere von der Regierung angekanft wurde; in der Provinz Parana Hta. Thereza und Suveragnhy, das Zugegangen ist; in Sta. Catharina die Kolonien Blmnenan, Dona «Nancisca, Schütel, von denen die erste der Staat ailge^ulft hat und b'e letzte ganz einging; endlich in Rio Grande do Sul die Kolonien D-Pedro II., Monte Bonito, Mundo Nouo, Montravel, Conuentos, ^tlva Mariante, Rinc^o-d'el-Rei, S. Lourenzo; davon sind Dom Pedro II. und Monte Vonito, wo zumeist Irländer angesiedelt 153 Achter Abend. waren, zu Grunde gegangen, und in Mundo Novo und Nincko-d'el-Nci ist alles Land vertauft. Ich muß von Nossa Eenhora do O schon darum absehen, weil diese Kolonie bis jetzt weder Dentsche noch Schweizer enthielt und weil sie in einer Gegend liegt, wo bei der Leichtigkeit, den Lebensunterhalt auf andere Art zu verdienen, die Feldarbeit, mithin eine Ackerban-Kolonie noch durch eine lange Neihe von fahren, bis zum Anwachs einer unendlich zahlreicheren Bevölkerung, nicht zur Geltung uud zum Gedeihen kommen kann, wie dieß alle anderen Kolonisationsversnche in Pam und Alta Amazonas beweisen. Die nächste Privat-Kolonie, welcher wir dann begegnen, ist die von Dom Pedro II. in der Provinz Minas Geraes. Diese wurde 1858 von der Gesellschaft gegründet, die den Bail der großartigen Knnststraße von Petrovolis nach Barbacena nnternonuneu hat. Die Anlage geschah, um Straßenarbeiter uud später Straßen-wärter zu gewinnen; man beschränkte sich indeß bald daranf, den Einwanderern, worunter viele Tiroler, in der Nähe von Iuiz-de-Fora Land zu verkaufen und sie als Ackerbauer zu besiedeln. Wie man hört, soll es ihnen dort gut gehen, uud ich habe 1801 vou einem Besuche des Kaisers bei ihnen gehört, bei dem die schon natu-ralisirten Kolonisten eine Compagnie Nationalgarde aufbrachten, in welcher die Tiroler in ihrer heimischen Schützentracht gar schmnck uud stolz einherzogen. Leider ist es mir nicht bekannt, ob der Herr At. P. LageZ, der Gründer dieser Kolonie nnd Director der erwähnten Gesellschaft, noch Einwanderer aufnimmt und unter welchen Bedingungen dieß geschieht. Die Kolonie < Sta. Thereza ill der Provinz Parmck kann ich leider auch nicht meinen Landsleuten empfehlen. Sie hat wohl frnchtbare Ländereien, aber sie taugt mehr zn einer Militär- und Missions-Kolonie, um die nahen Indianerstämme zn bekehren oder abznwehren, als zn einer ackerbaumden Ausiedelnng. Dazu ist sie zu tief im Innern gelegen, wohin nnr sehr schlechte Wege führen, hat keinen Markt, wo sie ihre Ernten verkaufen kann und gewährt Achter Abend, 153 dein Einwandrer bei der Hinreise keine Unterstützung; auch habe ich nie erfahren können, welche Begünstigungen dort dein Ansiedler bewilligt werden. Endlich besteht sie meist aus Franzosen und Halbindianern, und eignet sich schon darnm wenig für die Deutschen. In der Provinz Sta. Catharina findet wir heutzutage uur eine einzige Privatkolonie, D. Francisca. Diese Kolonie hat eigenthümliche Schicksale gehabt, sie aber Gottlob überwunden und steht jetzt im Vegriffe, sich eines vollkommenen Gedeihens zu erfreuen. Anfangs hatte man die Kolonie in einen sumpfigen Winkel hineingelegt und, statt mit Bauern und Handwerkern, mit Herren und Damen besiedelt; dadnrch, daß sie von einem, französischen Prinzen im Vereine mit Hamburger Kalifherren begründet wnrde, kamen Lente aus aller Herreu Länder dahin, Norweger, Frauzoseu, Schweizer, Deutsche, und die Kolonie verlor ihren deutschen Charakter. Seit nuu aber die französische Direction fort ist, seit die Mehrzahl der Herren und Damen sich davongemacht und die Zurückbleibenden sest init angegriffeu haben, seit man die Kolonie weiter ins Iunere nöffncte und dabei auf immer besseres, gesnndes Land stieß, seitdem hat sich dort Alles wnnderbar gebessert und die Verhältnisse Dona Francisca's können gute genannt werden. Die Gesellschaft gewährt jedem Ansiedler, wenn ich nicht irre, srncn Trausport von S. Francisco bis ans die Kolonie für sich, seine Familie und Bagage und so lange Unterkunft in den Auf-"ahmegebauden, bis das von demselben zu kaufende Land dnrch Aufbau einer Hütte in thatsächlichen Besitz gcuommcn wird. Da-«Ms kostete der Morgen Land 2 Thlr. — 3 Fl. 26 Xr. und mehr, im Innern aber schon bis zu 3 Thlr. — 5 Fl. I Ar.; schon geachtete Ländereien 0—8 Thlr. --- 11 — 14 Fl. rhn.; Stadtland und solches Priuatland zwischen schon bebauten Landstrccken kamen noch hoher und wurde fast überall Baarzahlung verlangt. Das war ein ""ng thener und die Vortheile, welche die Kolonie mit ihren guten ^'gen und sonstigen lobenswerthen Einrichtungen dem Kolonisten ^l, wogen den Preis nicht alls. Ich glaube daher, auuehmen zu 154 Achter 'Ad cud dürfen, baß die Gesellschaft seither ihre Preise herabgesetzt hat oder doch wenigstens die Ländereien zu billigen Bedingungen auf Credit verkauft. Von den Privatkolonien in der Provinz Rio Grande do Sul sind zuvörderst die beiden Privatkolonien am Taqnaru, Conventos und Estrella (Silva Mariante), zu erwähnen. Leider sind die Begünstigungen, welche sie dem Ansiedler gewähren, mir uubekaunt. Dann kommt die Kolonie der Gesellschaft Montravel, Silueiro nud Comp., Maria Einsiedeln, Sta. Maria da Soledade. So viel ich weiß, sind dem Ansiedler dort folgende Bedingungen gestellt: 1) Werdeu ihnen Landstücke im Umfange von 100,000 HI-Klaftern zu dem Preise von 500 V rs. — 420 Thlr. oder 720 Fl. rhn. verkauft, was ich theuer ftude, da die Regierung das gleiche, meist sogar besser gelegene Land um 200 U wohlfeiler gibt. Der Verkauf geschieht auf fünfjährigen Credit in Naten nach Belieben des Kolonisten; anch werden Feldfrüchte als Zahlung angenommen. Gegell Baargeld tostet ein solches Landloos nur 400 U i-8. 2) Die Gesellschaft sorgt für Aufnahmehäuser, wo die Ansiedler wohnen konneu, bis sie sich auf ihrem eigenen Lande niederzulassen vermögeu. 3) Sie errichtet Magazine und Kauslädeu, wo der Ansiedler seine Bedürfnisse möglichst billig beziehen kann. 4) Der Ansiedler verpflichtet sich, 12 Tage im Jahre sammt Familie an den Straßen- und sonstigen öffentlichen Arbeiten zn helfen. 5) Die Gesellschaft reseruirt für sich die nutzbaren Gefalle. Die Kolonie St. Laurenz (8. ^ouronyo) endlich ward von einem Rheinländer, Hrn. Nheingantz, gegründet, der die Ländereim an die Ansiedler in der von diesen gewünschten Ansdehnnng ver-kanft und zwar den Morgen, zu 500 ll-Klaftern gerechnet, je nach Umständen um einen, zwei oder mehr preußische Thaler anf Credit oder gegen Baarzahlnng. Auf Credit gibt er das Land auf höchstens 5 Jahre. An Familien, welche ihre Neberfahrt nicht ganz bezahlen Achter Abend, 155 können, gibt er Reisevorschüsse; von Rio Grande aus wird dcr Einwanderer schnell nnd kostenfrei ans die Kolonie befördert; endlich liefert der Unternehmer dein Einwanderer bis zur Ernte Lebensrnittel zum Kostenpreise, uöthigenfalls auch auf Credit. Es gibt endlich noch eine Art Kolonien, welche Militärkolonien heißen, weil sie aus verheiratheten entlassenen Soldaten unter militärischer Direction, und Zwar an solchen vorgeschobenen Punkteil gebildet werden, wo sie die wilden Indianerstämme im Zanme zu halten vermögen. Ich spreche hier nur davon, um Alles zn erwähnen; denn in eine solche Kolonie könnte kein Einwanderer gehen. Nachdem ich Euch also die Bedingungen, wie die Begüustiguugen aufgezählt habe, die einem Einwanderer in Brasilien, sowohl auf Halbpacht-, als auf Negieruugs-, Provinz- uud Privat-Kolonien geboten werden, bleibt mir noch übrig anzuführen, daß es überhaupt gar nicht nothwendig ist, anf irgeud eiue dieser Kolonien zu üehen. Sie sind alle, «lehr oder »under, nur gebildet worden, um dem Einwanderer die Reise uud die Ansiedelung zn erleichtern, weil >'» überall eine gewisse Sauberkeit, und in Ioinville selbst gab es gar geputzte Herren und Damen, die wol nicht recht dahin passen. Die Kolonie scheint recht gnt zu gedeihen, besonders dort hinten; aber sie sing damals erst an sich von verschiedenen Uebeln zu erholen, worunter die Viel regiererei, noch dazu von Hambnrg ans, das größte war. Auch wareu eine Menge Lente dort, die zn keiner Kolonie gehören, und eine Menge Ansprüche wurden gestellt, die für einen solchen Ort nicht paßten. Zufrieden waren fast alle Ackerbauer, nnzufrieden viele der zahlreichen Handwerker, deren für eine solche Kolonie zu viele da waren. Die Ackerbauer litten freilich unter einem schwer zu beseitigenden Uebel, dem Mangel an Hausvieh, zu dessen Ernährung zu weuig Weiden vorhanden waren nnd dessen Herbeischaffung vom Hochgebirge großen Schwierigkeiten nnterlag. Doch theilt Dona Francisca dieses Schicksal mit allen jungen Kolonien der Provinz. Alles, was die Kolonie an Lebensmitteln erzeugte, ward anch auf derselben verzehrt, ja sie mnßte noch viel von Anßcn her einführen. Nicht, daß sie gar so wenig erzeugte; aber es sind da viele wohlhabende Leute, welche mehr gebrauchen als Andere, und viele Handwerter, welche mehr im Handwerk als im Felde arbeiten, also wenig erzeugen nnd doch viel brauchen. Für die Landwirthe ist das aber ganz gut, denn sie können so für ihre Ernte hohe Preise erzielen. Schnlen uud Kirchen sind da für Katholiken und Evangelische und beide sind stark besncht. Leider fehlt es, wie überall, wo mehrere Aanbensbekenntnisse vertreten sind, nicht an Reibereien, an denen glücklicher Weise die Bevölkerung wenig Thnl nimmt. Die Kolonie wird noch immer erweitert, und nicht blos auf dem Eigenthnme der Hambnrger Gesellschaft, sondern anch auf Ne-gierungsland, wo anch der Boden viel wohlfeiler ist, als ihn die Gesellschaft bei ihren großen Ansgaben zu geben vermag. Wird einmal die Straße übers Gebirge fertig (uud das soll schou 1864 der Fall sein), so sind die Ländereicn längs derselben ocn Kolonisten bestens zu empfehlen. Bis dahin ist Ioinville ein bedeutender Ort 164 Neunter Abend. und wird den natürlichen Markt für die Producte der Landwirthschaft bilden. Im Ganzen genommen ist D. Francisca dem Einwanderer zu empfehlen, besonders dein aus besseren Classen. Der Einwanderer findet dort Alles, was er braucht, zu kaufen; er hat Schule und Kirche, hat Aerzte und Apotheke nnd alle nöthigen Handwerke, gute Wege, gute Wirthshäuser, Bier, Wein nnd Branntwein, auch Musik; er kann seine Ernten gut verkaufen, der Boden im Innern ist sehr gut und ergiebig, er findet Mühlen und sonstige Maschiuen aller Art. Und doch zog es mich nicht au, weil es einfach meinein Sinne nicht behagte, so dicht anf einander zu wohnen. Es war mir dort zu Zahm, ich sehnte mich, so recht aus dem Walde mich herans zu arbeiten, und meinem nächsten Nachbar nicht in die Fenster schaueu zu müsseu. Freilich, ich war jung und kräftig nnd kmmte das Land nnd hatte eine gute Lehrzeit durchgemacht, um mich jetzt recht nach voller Unabhängigkeit zu sehnen. In D. Francisca kam mir Alles zu europäisch vor, was dem neuen Einwanderer allerdings wünschenswert!) ist. Meine neuen Freunde bewirtheten mich am Abende, und nächsten Morgens gegen Ende der Flut ging ich mit dem gewöhnlichen Botenboote den Caxoeira wieder hinuuter und kam nach einer Fahrt von fast 6 Stunden wieder in S. Francisco an. Dort hörte ich denn viel über die Kolonie erzählen, Lächerliches und Böses, womit ich nicht übereinstimmen kann; denn das Lächerliche wie das Böse haftet nur an Personen, während ich dem Lande und der Kolonie nur Gutes nachsagen kann. Die wenigen Fehler, welche ich vorher rügte, lassen sich noch verbessern, und es ist jedenfalls gar kein Zweifel, daß D. Francisca ein sehr wichtiger Punkt zn werden im Begriffe ist und bedeutende Fortschritte macht. Die Gesellschaft aber wird wol ihr Geld dabei verloren haben; das schadet auch nichts: es ist Lehrgeld, und die Actionäre können Neunter Abend. 165 das Verlorene reichlich hereinbringen, wenn sie es das nächste Mal vernünftiger anfangen. Im Ulrichschen Hause sprach uum mir eifrig zn, doch ja die Kolonie Blumeuau nicht zu versäumen. Alles war des Lobes voll über den Gründer derselben, den Dr. Blumenau, der all seiu Geld hineingesteckt habe, der wie der ärmste der Kolonisten lebe und in der Güte seines Herzens von seinen säumigen Schuldnern gemiß-braucht werde, da er nicht im Stande sei, hart gegen selbe zu verfahren. So sei auch er eigentlich ein ruinirter Mann; aber seine Kolo-uisten kämen ganz gut vorwärts. Freilich habe er, ein Privatmann mit eiuem Vermögen von kaum 20,000 Thlr., seiueu Kolonisten nicht das zu bieten vermocht, was eine Gesellschaft reicher Kaufleute und ein Priuz den Ansiedlern von D. FrauciZca bot; aber durch unisichtige Wahl des Niederlassungsortes habe er ihnen einen großen Vorzug vor Ieueu verschafft. Und wäre es ihm geglückt, so wohlhabende Leute auf seine Kolonie zu bekommen, hätten ihm solche Capitalien zu Gebote gestanden, so würde dieselbe unstreitig viel weiter gekommeu sein als irgend eine andere Ansiedelung. Denn keine ist uon der Natur so begünstigt, als Blumenau; keine hat so durchgängig fettes Laud und keiue hat einen so prächtigen Flnß vor der Thür, der mit Seeschiffen bis hinauf zur Kolonie befahren werden uud anf dem der Ansiedler alle seine Erzeugnisse verfrachten kann. Eben darum aber, weil weniger wohlhabende Leute und weuiger Handwerker da wohnen, weil Jeder sich rüstig all die Arbeit in Feld und Wald macht, uach dem Beispiele des Directors mäßig, ja mehr noch als mäßig lebt, kanu auch die Kolonie, obgleich sie kaum viel alter als D. Fraucisca ist, bereits viel von ihren Erzeugnissen "erkaufen. Möge mau den Dr. Vlumeuau zehnmal als einen uuvraktischen Menschen oder doch als Pechvogel verschreien - und nach dem, was lch uon ihm gehört, ist wirklich etwas daran — i er hat nicht allein 166 Neunter Abend. dell Platz zu seiner Kolonie gut gewählt, er hat auch noch ein anderes Verdienst, und das ist, seine Kolonisten auf die beste Cultur verwiesen und sie angeleitet Zn haben, nur wenigen Pflanzen ihre nngetheilte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Ansiedler in Blumenau bauen fast durchgängig Zuckerrohr und bereiten Zucker, Branntwein und Syruv, die sie, nebst etwas Tabak, ausführen. Von Mais, Kartoffeln, Mandioc 2c. bauen sie nur so viel, als sie fürs Haus brauchen, und führen nur etwaige Ueberschüsse aus. Daher kommt es, daß auch die Kaufleute der Provinz bald aufmerksam wurden und daß sie, wenn sie Zncker oder Branntwein brauchen, sich ihren Bedarf in Vlumenau bestellen. Je größer die Nachfrage, das leuchtet Euch gewiß ein, desto lohnender wird die Arbeit, und wer erst nnr 1 bis 2 Morgen Zuckerrohr baute, wird demnächst 5 oder (> anlegen. In D. Fraucisca kommen die Kolonisten zu keiner rechten Production, weil sie statt Feldbau Gartenwirthschaft treiben: da ein paar Erbsen, dort einige Kaffcebänmchen, hier eine Handvoll Zuckerrohr; hier Bataten, dort Kartoffeln, hier Salat, dort Mendnbi, knrz von Allem etwas und im Großen nichts. Blnmenan liegt nur N oder 4 Tagereifen zu Pferde von Dona Francisca am großen Itajahy-Flusse, und zwar von der Mündung desselben ungefähr eine Tagereife entfernt. Damals, 1857, war sie noch Eigenthum des Dr. Blumenau, der eigene Nediuguugeu gestellt hatte; jetzt hat sie ihn: die Regierung abgekauft und gewährt dieselben Begünstigungen wie anf allm ihren Kolonien; den Di. Vlnmenau hat sie aber znr Velohuung für seine Verdienste zum Director ernannt, wofür ihr die ganze Kolonie sehr dankbar ist. Auch von dieser Kolonie ist ein Weg nach dem Hochlande von Curitiba beabsichtigt und theilweise bereits in Angriff genommen. Indeß ist für nene Ansiedler noch genug Land in dein vorderen Flnßthale vorhanden. Am obern Itajahv, vielleicht W-12 Meilen von Blumenan landeinwärts, liegt zum Schutze gegen die Wilden eine Militärnieder-lassung, Sta. Theresa genannt. In Blumenau selber befindet sich Neunter Abend. 167 ein Commando Soldaten, welche zur Vorsorge gegen die Wilden dort liegen, aber bis jetzt seit so vielen Jahren noch nichts zu thun bekamen. Die ganze Kolonie ist protestantisch und norddeutsch; sie hat auch ihren Prediger, deu die Negierung bezahlt, und ihreu Schul-lehrer, sowie Kirche und Schule. Desto schlechter steht es um Weg und Steg. Das Hauptverkehrsmittel ist der Fluß, deu mau freilich stets benutzeu kaun; aber der fette Boden des ganzen Thales, die geringe Zahl von Bauhandwerkeru setzeu der Anlage guter Straßen uud Brücken eigenthümliche Hindernisse entgegen, von der Erhaltung derselben gar nicht zu reden. Desseuungcachtet tauu ich nach dem, was ich damals vcm den Landslenten am Wirthshaustische in S. Francisco gehört und was nur seitdem Viele bestätigt haben, diese Kolonie Euch alleil bestens empfehlen. Es ist so recht die Kolonie für kleine Leute, die auf weuig mehr als ihr Paar Arme augewieseu sind. Dabei geht I)i-. Blumenau, der recht zahlreiche Erfahrungen gemacht, jedem Allsiedler mit Rath und That als wahrer Freund und Leiter au die Hand. Au der Münduug des Itajahy liegen aber noch zwei ehemalige Kolouieu, dereu eine von Velgieru, die aubere vou Deutschen bewohnt ist, die, schon an die zwanzig Jahre und darüber dorten ansässig, den Ansiedlern ill Vlnmenan als ermuthigendes Beispiel dienen, zu welchem Wohlstande es ein armer, aber arbeitslustiger Mann in Brasilien bringen kann. In den großen Itajahy ergießt sich der kleine, der von Süden kommt. Auch an seinen Ufern haben sich viele Deutsche, meist auf Sägemühleu, uiedergelasseu. Es sind aber schon hier im Lande Geborelle, also deutsche Brasilianer; weiter oben liegt eine neue Kolouie Brusque, die erst 185!) gegrüudet wurde. Die Hauptcultur im ganzen Itajahy - Thale ist das Zuckerrohr. Obgleich ich das erst später so kennen lernte, will ich Euch doch schon jetzt dauon erzählen, weil ja der Eiue oder der Andere an ^eu Itajahy waudern könnte. 168 Neunter Abend. Das Zuckerrohr ist eine sehr schone Pflanze, von der man übrigens zwei Hanptgattungen hat; die eine heißt das Nohr voll Cayenne, (^nn^ äo (^^umio, die andere das einheimische Nohr, C3.N.NU all t^NÜ. Das Cayeunerohr wird in gutem, frischen Boden oft an 20 Fnß hoch nnd anndick, nmhrend die oanull, cla. tßi-ra selten höher als fünf Fuß, manchmal, in kälteren Gegenden besonders, anch uur :> nnd 4 Fuß hoch wird. Am Itajahy pflanzt man fast nur Cayennerohr, das auf derselben Fläche Land um so viel mehr Ertrag liefert als es größer ist; anf dem Vilde hier könnt Ihr solches Nohr im reifen Zustande sehen, wie es eben abgehauen wird. Das einheimische Rohr pflanzt mau gern in Gegenden, wo schon Reife und leichte Fröste vorkommen; denn es ist nicht so sehr empfindlich, wie das Cayennerohr, das gar keine Kälte vertragen kann, während man selbst aus der erfrornen aanna, äa term, wenn auch keinen Zncker gewinnen, so doch Branntwein brennen kann. Anch hinsichtlich der Reifezeit nnterscheideu sich die beiden Gattnngen von einander: das Cayennerohr braucht 14, auch 18 Mouate zur vollen Reife, während das einheimische schon nach 12, auch nach 11 Monaten geerutet werden kann. Am besten wird das Zuckerrohr im frischgebrannten Waldboden gepflanzt, wo es vorzüglich gedeiht und, so lange es klein und schwach ist, an den: herumliegenden Holze eine Stütze gegen heftige Winde findet. Am Itajahy pflanzen die Ansiedler nieist gleich nach geschehenem Brande, nämlich im Januar oder Februar; erfahrene Zuckerpflanzer aber versichern, daß das Nohr viel kräftiger, saftiger und zuckerhaltiger wird, wenn man mit dem Anbaue bis zum Juli oder August wartet. Das Pflanzen geschieht mittelst Ableger, das heißt, das dünne Ende des Zuckerrohrs, das ohnehin nicht ausgepreßt, also auch zur Zucker- oder Vmnntweinbereitung nicht verwendet werden kann, Pflanzen Brasiliens. Das Y,itti*kcvvö\iv. Neunter Abend. Nil) wird in noch grünem Znstande abgehauen nnd in Stücke mit je drei Augen zerschnitten, die in ein vom Unkraute gut gereinigtes Land in flache Grübchen auf drei und vier Fuß Entfernung schräg gelegt und mit Erde leicht bedeckt werden, so daß ein Auge hervorsieht. In 8, längstens 14 Tagen wird dieses Auge treiben. Sind die Pflanzen aufgegangen, so stecke man Zwischen ihnen Bohueu oder Kartoffel« oder Meudubi, deren Reinigung gleichzeitig auch das Zuckerfeld reinigt und dereu Erträgniß die Kosten des Aubaues wie der Reinigung deckt. Doch muß man ja nicht Welschkoru, Mais, dazwischen bauen, weil dieß dein Nohre zu viel Zuckerstoff entzieht. Bei dein Häufeln der Kartoffeln und Erdnuß thut mau wohl, auch das junge Rohr zu häufelu; sind jene erst einmal reif, so ist das Nohr bald so üppig, daß man nicht leicht mehr durchdriugt und keiu Unkraut aufkömmt. Im ueuuten oder zehnten Monat tritt das Rohr in Blüte; die Reife erkeuut mau darau, daß die Riuge des Rohrs und die Blätter gelb werdeu uud abfallen. Dann ist es Zeit, zum Schnitt zu schreiten; doch erleidet der Zuckergehalt des Rohrs in deu nächsten drei Monaten uur geringe Veränderungen, so daß die Ernte uud Verarbeitung desselben sich auf diefe Zeit vertheilen lassen. Das Rohr wird mittelst des Fuchses oder des Fakons nahe am Boden abgehauen, gleich von den Blättern, welche als Dünger dienen, befreit und dauu mittelst Wagen oder auf Mauleseln iu die Quetschmühle gebracht. Man darf keinen Tag mehr Nohr schneiden, als sich am selben Tage verarbeiten läßt; denn es würde schnell Ähren uud verderben. Das Zuckerrohr wächst aus der Wurzel wieder nach und gibt in gutem Boden uud bei vernünftiger Behandlung 5 — 12, auch ^ Eruten. Dazu ist es aber uuumgäuglich nothwendig, daß man ^as ausgepreßte Rohr wieder auf das Feld bringt uud dort ill die ^rde gräbt, oder wenn man es, wie das oft geschieht, au das Vieh verfüttert Kühe fressen es uugemein geru - deu Koth dieses Viehes als Dünger der Nohrfelder verweudet. Die abgestreiften 170 Ncuntcr Abend. Blätter gräbt man mit ein. Geschieht diese Düngung gewissenhaft und reichlich, so ist kein Zweifel, daß das Feld wieder dankbar sein wird. Nimmt das Rohr aber an Erträgniß so ab, daß dessen Verarbeitung wenig lohnt, so muß man die Stöcke ausroden, was eine sehr mühselige Arbeit ist, und das brasilische Gras, die sogenannte Gramma, darauf banen, mit einem Worte eine Weide anlegen. Das Zuckerrohrfeld muß man gut einzäunen, weil das Nohr von allen Hansthieren begierig gefressen wird. Bei der jetzigen unvollständigen Behandlung nnd den unvollkommenen Maschinen ergibt am Itajahv, ein Morgen Land nngefähr 2700 Pfund Zucker und 60 Mediden Branntwein oder einen Ertrag von ungefähr isOKrsis — 275 Fl. rheinl. Doch kann dieses Einkommen leicht durch bessere Pressen, Sied- und Vrennavparate anf das Doppelte und noch höher gebracht werden. Das Zuckerrohr wird gewöhnlich so ausgepreßt, daß es zwischen aufrecht stehende hölzerne Walzen, die, von Ochsen bewegt, sich gegen einander drehen, gesteckt wird. Das Bild hier zeigt Euch eine solche Quetschmühle, wobei übrigens der Zeichner den zweiten Ochsen vergessen nnd die Art des Ansuannens nicht recht begriffen hat; indeß werdet Ihr darans doch leicht erkennen, wie das Pressen geschieht. Dieß ist aber schon eine verbesserte Mühle; die gewöhnlichen sind viel plumper und ungeschickter eingerichtet; indeß besser sind sie doch als keine nnd es kann nicht gleich Jeder eiserne Walzen, von Dampf getrieben, aufstellen, obgleich das freilich schönere und bessere Arbeit gäbe. Es bleibt bei diesen Mühlen oft die Hälfte, meist ein Drittel des Saftes im Nohre. Es ist gnt, wenn die Quetschmühle hoch liegt, so daß der Saft gleich von der Presse in die Siedevfanne geleitet werden kann-Kann dieses aber nicht sein (nnd das ist am ganzen Itajahy der Fall), nuu so muß man eben den vollen Kübel in die SudkiM tragen, was freilich viel Zeit- und Kraftverlust nut sich führt. lückermiihle. Neunter Abend. 171 Die Siedpfanne ist ein kupferner Kessel mit flachem Boden und weit genug; die Ansiedler in Vlumenau benutzen oft dazu ihre aus der Heimat mitgebrachten Waschkessel, und diese genügen auch. Doch darf der Boden, wie gesagt, nur äußerst wenig gewölbt sein. Ist die Pfanne halbvoll, so zündet man unter ihr das Feuer an. Dann füllt man sie nach und uach zu zwei Drittel uud läßt sie lange fortkochen, gibt dann etwas Pottasche oder in lauem Wasser gelöschten Kalk hinein und rührt die Masse um, die mau dann noch so lange kochen läßt, bis sie dick uud breiartig wird. Die dicke Haut uimmt man mit einem Schaumlöffel ab nnd legt sie bei Seite. Ist der Zucker ausgekühlt, so füllt man ihn in Gefäße, die unten durchlöchert sind und läßt ihn darin trocknen. Der ablaufende Surup wird mit dem Schaume zum Branntwein benutzt. Doch gibt es auch eine künstlichere Art der Zubereitung; die überlasse man jedoch Leuten, welche mehr Kenntnisse haben und ihr Geld an eine Znckersiederei wenden wollen. Zuckerrohr bauen lohnt überhanpt nur dort, wo Quetschmühlen und Brennereien sind, obgleich die Besitzer derselben meist die Hälfte des Ertrags als Lohn für die Verarbeitung des Rohrs verlangen. Der Branntwein, der aus dem Syruv nnd anderen Abfällen gemacht wird, heißt (^cck^a und wird im ganzen Lande, besonders von den Ziegern und leider auch den Deutschen, stark getrunken. 6r ist sehr fuselhaltig. Der Num oder, wie er in Brasilien heißt, ^uarllyuty äa ^nua, wird gewonnen, wenn der frisch gepreßte Saft in Gährung gebracht und gebrannt wird. Er ist, wie der Cachassa, farblos gleich dein Wasser und wird erst dnrch das Alter dunkelfarbig. Der so gekochte Zucker ist natürlich nicht den Znckerhüten in Deutschland ähnlich, sondern besteht, wenn er getrocknet ist, ans größeren und kleineren Brocken, wovon der bessere weiß, der schlechtere braun ist. 172 Neunter Abend. Die Arbeit in der Quetschmühle ist sehr gefährlich und es kann nicht genug Vorsicht dabei empfohlen werden, wenn man das Rohr zwischen die Walzen steckt. Ihr möget das daraus entnehmen, daß man immer ein scharfes Veil bei den Quetschmühleu liegen hat, um durch einen Axthieb, der die in die Walzen gerathene Hand vom Körper trennt, wenigstens zu verhüten, daß der ganze Mensch hineingezogen und zermalmt werde. Wer nach Brasilien auszuwandern gedenkt und in der Nähe seiner Heimat eine Rübenzuckerfabrik weiß, sollte sich eineu Besuch dort nicht verdrießen lassen. Er kann dort manches lernen, was ihm dann hier viel nützen würde; denn im Grunde ist das Verfahren dort und hier ganz dasselbe, nur daß der Saft dort von den Rüben und hier vom Rohre gewonnen wird. Ich kehre nun wieder zn meiner Reise zurück. Nachdem der Dampfer nothdürftig reparirt war, fuhren wir in 8 Stunden nach Desterro, der Hauptstadt der Provinz Sta. Catharina, zu der aber schon S. Francisco, D. Francisca und Blumenau gehören. Diese Stadt heißt wol Desterro, aber es nennt sie Niemand so, sondern die ganze Nelt nennt sie eben sowohl Sta. Catharina, wie die Insel, auf der sie liegt. Eiu schmaler Meeresarm scheidet sie von dem Festlande der Provinz und bildet einen vortrefflichen Hafen, der eine der schönsten, lieblichsten Gegenden der Welt ist. Die Insel und die Stadt sind wegen der Lieblichkeit der Landschaft und wegen der Milde nnd Zuträglichkeit ihres Klima berühmt, so daß die kranken Reichen in Brasilien und noch weiter her nach Sta. Catharina gehen, nm dort zu genesen, gerade so wie die reichen Engländer, Nusseu, Deutschen?c. zu diesem Zwecke nach Italien, Madeira und Eguvten gehen. Die Provinz Sta. Catharina aber ist ein sehr gebirgiges, sehr fmchtbares und sehr gesundes Land nnd deßhalb, wie wegen der großen Leichtigkeit, womit auf der nahen See die Products verschifft werden können, zur Einwanderung nngemein zn empfehlen, wie denn auch Neunter Abend. 17^ in dieser Provinz, obwohl sie die kleinste von ganz Brasilien ist. Verhältnißmäßig die meisten Kolonien bestehen. Gleich gegenüber von Desterro, nur wenige Stunden von der Stadt entfernt, liegt die alte ehemalige deutsche Kolonie Säo Pedro de Alcantara, heute ein brasilianischer Bezirk. Es wohnen da lauter wohlhabende Leute, die ohne einen Heller Geld, nur mit gesunden Fäusten ius Laud gekommen waren, und wie stehen sie heute da! Dann ist da Vargem Grande, der gesündeste Platz; denn seitdem die Kolonie besteht, seit 1834, ist noch Niemand dort gestorben/') Dann Sta. Isabel, gegrüudet 1847 mit Einwanderern, die ein herzloser Sveculant einfach nach Rio gebracht uud dort aus Land gesetzt hatte, ohne irgend welche Geldmittel, ohne Obdach, ohne alle Hülfe, und die deßhalb in den Straßen von Nio als Bilder der Verzweiflung und des Jammers herumirrten^ Die Negierung erbarmte sich ihrer und ließ sie nach Sta. Isabel trans-vortiren, wies ihnen Land an und gab ihnen Lebensmittel. Nach acht Jahren (ich spreche von meinem damaligen Aufeuthalte in Sta. Catharina) waren die Leute schon wohlhabend zn nennen und ich lernte in Sta. Catharina einen von ihnen kennen, einen gewissen Seitz, der hatte einen schönen Hof, einige dreißig Manlesel, eine einträgliche Venda und gewiß auch baar Geld. Als ich in diesem Jahre, 1862, wieder durch Sta. Catharina kam, hörte ich, daß die Negierung dort abermals Ausiedler aufnehme uud sie mit einer neuen Kolonie, weiter nach dein Innern zu, nach der Kaiserin Theresopolis geheißen, in Verbindung bringen wolle. Beide Kolonien gedeihen gut; es sind ja Negierungs - Kolonien. Trotzdem sollen sie anfangs viel gelitten haben, weil die meisten neuen Kolonisten Fabritarbeiter aus den Eisen- und Stahlgewerken von Solingen waren, die die Feldarbeit gar nicht, den Branntwein wd den Ungehorsam aber desto besser kannten.. ') Elst 1858 ttatc,, Eterbefälle cm. 174 Neunter Abend. Die Ländereien am Rio Cedro in Theresopolis sind ganz vor-züglich und der jetzige Director der Kolonie, ein tüchtiger Ingenieur-Officier, Hr. Todeschini, hat fahrbare Straßen angelegt, die der Kolonie bei ihrer kräftigen Entwickelung uon größtem Nntzen sein werden. In Desterro begegnet man überall Deutschen. Man redete mir von alleu Seiten zu, hier zu bleiben. Ich hatte aber einmal den Plan festgestellt, nach Sta. Cruz zu geheu und wollte mm nicht abweichen von meinem Vorsatze, obgleich ich recht wohl einsah, daß die Provinz Sta. Catharina dem Einwanderer besonders günstig sei. Auch in Sta. Catharina, auf der Insel wenigstens, wird Ziemlich viel Kaffee gebaut, der sehr gut sein soll. Es sind in der Provinz auch warme Bäder, Schwefelquellen, obwohl freilich noch aller Luxus der europäischen Bäder fehlt; aber desto wohlfeiler ist ihre Benutzung für die Aermeren. In der Provinz sind noch viele Flußthäler, welche sich ganz besonders zn Niederlassungen eigueu; so das Thal des Itavecu, das des Tejuccas, das des Tubaräo, wovon das letztere noch den Vortheil hat, baß es an sehr reiche Steinkohlenlager stößt und von der künftig jedenfalls zu bauenden Eisenbahn von Sta. Catharina nach Porto Alegre, der Hauptstadt der Provinz Rio Grande do Sul, durchschnitten werden muß. Gold findet man dort freilich wenig, Diamanten gar keine, aber» einen reicheren Boden für den Ackerbau findet man nirgends. Leider hielt sich das Dampfschiff nur die Nacht über in Desterro auf, so daß ich alfo die Kolonie uicht selbst besuchen konnte. Es waren aber genug von den dortigen Ansiedlern anf Vesnch oder in Geschäften in der Stadt, aus deren Reden, Tracht nnd Zehrung ich leicht ermessen konnte, in wie weit sie der Wahrheit treu blieben. Später habe ich auch wirklich von andern Personen Alles das bestätigeu gehört, was mir iu Desterro darüber erzählt worden war. Am frühen Morgen des andern Tages ging der Dampfer wieder in See und am zweiten Nachmittage sahen wir die Barre von M Grande vor uns. Zehnter Mend. Der San^ von Nio Grande. — Die Deutschen in den südlichen Ctadtcn. — Porto Alegre. — Fahrt nach S. Leopoldo. — Industrie und Handel daselbst. — Landpreise und Culturgattungen. — Nnhen S. Leopoldo's für die Provinz, — Landwirtschaftliche Fortschritte. — Reife nach Nio Pardo. ^— Der Iacuhy, der <5al,y und der Taquary. — Director Buss. — Eine Karrete auf dem Wege nach Eta. Cruz. — Die Campos. — Thierrcichthum. — Nincüo d'el Rei und S. Nicoläo. — Der Iazinal. — Die Piwde D, Iosefa. — Sta. Theresa. — Aufnahmehäuser. — Lichtung und Hausbau. Palmitten. — Urieaniladach und Schindeln. — Eigensinn und gutc Vorsätze. Wer direct von Europa nach Nio Grande kömmt, der wird von Brasilien häßliche Vorstellungen bekommen; denn schon vor der Einfahrt dehnt sich eine große Sandbank, von deren Gefährlichkeit die zahlreichen Trümmer hier gestrandeter Schiffe Zeugniß geben; und hat er die Sandbank glücklich passirt und läuft endlich in der schmalen Einfahrt ein, die der Rio Grande heißt, so reibt er sich die Augen vergebens, um die vielgepriesenen Schönheiten Brasiliens zu entdecken. Links und rechts sieht er nichts als flache Ufer, die meilenweit der Flugsand deckt, aus den: der alte und neue "euchtthurm der Barre wie warnende Fiuger emporragen. Hie und da einzelne Häuser mit verlorenem Grün inmitten einer trostlosen Eandwüste, endlich das Städtchen S. Ioze do Norte, halb im Nugsanoe vergraben, manche Hänser bis ans Dach davon verweht, und ihm gegenüber die Stadt Rio Grande do Sul ebenfalls mitten i"l Sande. Aber inmitten dieser sandigen Fläche ist viel reges "eben. In den beiden Häfen liegen zahlreiche Schiffe, und wenn diese auch wegen der seichten und gefährlichen Einfahrt nur klein snn können, so ersetzen sie den Mangel der Größe reichlich durch 176 Zehnter Abend. ihre Unzahl. Dampfer kommen und gehen, die Lagoa dos Patos, den S. Gon^alo und den NW Grande hinauf und hinunter, nnd in den fandigen Straßen Nio Grande's reiht sich ein Kaufladen an den andern, wie sich am Hafen Löschende uud Ladende drängen. Unser Dampfer war zu groß, um nach Nio Grande hinüber zu kommen; wlr mußten deßhalb in S. Ioze ansbartiren und mittelst Booten nach Nio Grande fahren, wo mau nns in ein ziemlich gut eingerichtetes Haus brachte, in dem für unsere Unterkunft und Nahrung gesorgt war. Am andern Morgen sollten wir mit dem Kriegsdampfer „D. Amelia" nach Porto Alegre, der Hauptstadt der Provinz, weiter gebracht werden. In allen Städten des Südens ist es auffalleud, wie vielen Deutschen man begegnet, uud zwar je südlicher man kömmt, desto mehr Deutsche trifft man. In Santos waren es wenige, iu San Francisco fanden wir schon mehr, in Sta. Catharina stieg ihre Zahl wieder nud hier in Nio Grande abermals. (5s sind auch sehr viele deutsche Kaufleute hier, unter denen sich Bertram und Claussen mit Kolonisiruug von Conventos (Ihr erinnert Vnch dessen vom achten Abend her), sowie mit Einfuhr von Kolonisten überhaupt beschäftigten; anch Hr. Nheingantz, der Besitzer der Kolonie St. Lorenz, war früher hier als Kaufmauu etablirt. Von Nio Grande bis Porto Alegre nnd drüber hinaus dehnt sich ein großer See, an 40 Meilen lang, genannt die Lagoa dos Patos, der Entensee. In den ersten 30 Meilen der Fahrt sieht man anch hier nichts als flache Ufer, hie uud da einen LenchtthurM und westlich das ferne Gebirge, die Serra dos Tapes. Aber im letzten Viertel der Fahrt thünnen sich Hügel auf, die den See beengen, und wenn man ans ihnen heraustritt und der See sich wieder erweitert, sieht man Porto Alegre anf einer Anhöhe höchst malerisch daliegen, schöne Inseln mitten im See, im Hintergründe hohe Gebirge, von denen drei Ströme dem See zueilen. Bei der Landung sieht man gleich, daß man sich in einer bedeutenderen und immer noch rasch zunehmenden Stadt befindet; Zchitter Abcud. 177 überall Neubauten, hübsche Häuser mit oft zwei Stockwerken, ziemlich gutes Pflaster und reinlich gehaltene Straßen. War mir aber schon in den anderen südlichen Städten die grosie Zahl Deutscher aufgefallen, so schien mir Porto Alegre volleuds eine deutsche Stadt zu fein. Jeder Kaufladen, jede Hauowerkerloja schien nur uon Deut-schen besetzt zu sein; jedes Gasthaus, jede Venda trug deutsche Namen nnd das blonde Haar schien wirklich das vorherrschende. Sklaven sah ich auffalleud wenig; die Brasilianer aber halten sich ineist zu Hanse nud überlassen die Straßen den Deutschen. Wir quartierten uns bei einem Deutschen eiu und hatteu den langentbehrten Genuß frischen Roggenbrots mit eben so frischer, uugesalzcucr Butter; auch hier gebrautes Bier bekamen wir zu trinkeu und uon Deutscheu gezogeueu Wein versprach man uns zukommen zu lassen. Fast drei Viertel der Deutschen von Porto Alegre stammen aus der alteil Kolonie S. Leopoldo, welche nngefähr 5 bis (i Legoas nördlich davon liegt. Sie ist schon seit lange ein brasilianischer Bezirk, wo keine Ländereien mehr vergeben werden. Wer sich dort ansiedeln will, muß eben voll den dort Ansässigen Grund und Boden kaufen, uud das ist ziemlich kostspielig, wie Ihr gleich sehen werdet. Ich hatte schon so viel von S. Leopoldo gehört, daß ich mich bald entschloß, die Tage unseres Aufenthalts in Porto Alegre zu benntzen, um eiuen Abstecher dorthin zu machen. Damals fnhr jeden zweiten Tag ein Dampfer hinanf nach der Stadt S. Leopold«, und ich benutzte eineil solcheu, um niit einem dortigen Ansiedler hinauf zu machen. Nachdem wir dnrch das Nordende des Sees gefahren waren, liefen wir in den Rio dos Sinos, den Glockenflnß, ein, an welchem S. Leopoldo liegt und nach 6 stündiger Fahrt kamen wir am Paß von S. Leopoldo glücklich au. So heißt nämlich die Stelle im Flusse; wo eine Fnrth, eine Ueberfuhr ?e. besteht, wo man also den Flnß vassiren kaun. Hier ist der Fluß breit uud meist sehr seicht, so daß mau hiudurch zu reiten vermag; für Fußgäuger 12 178 Zehntcr Abend. und Wagen, so wie für Reiter, die sich nicht nnnölhig naß inachen wollen, besteht dort cine Fähre. Hart am Flußufer liegt mm die Villa, d. h. der Flecken S. Leo-poldo, ein durchaus deutscher Ort, wenn auch ganz nach brasilianischer Art gebaut. Nur am Südende wohnen einige brasilianische Familien. Im ganzen Orte hört man nur die rheinische Mundart mit portugiesischen Worten wnnderlich gemischt, obgleich es im Orte selbst nur Wenige geben wird, die nicht der portugiesischen Sprache vollkommen mächtig sind. Wir stiegen bei .Koch, in einem recht sauberen Wirthshause, ab, wo wir uns recht behaglich befanden, nnd begannen dann den Ort zu mustern. Er besteht ans vielleicht 200 Hausern; in jeden: Hause wird entweder ein Ansschank, ein Kramladen oder ein Handwerk betrieben. Das meist verbreitete ist das der Rothgerber, da hier sehr viel Sattelzeug für ganz Südbrasilien und die argentinischen Republiken gemacht wird. Dann kommen die Sattelarbeiter, die Lavrirer, d. h. solche, welche die Lederdecken der Lombilhos mit Arabesken verzieren oder vielmehr dieselben vermittelst Matrizen nnd Hammer hinein lavriren, d. h. einprägen. Vs gibt auch solche Pressen, vermittelst deren dieses im Großen geschieht. Dann sind hier Zuckerpressen, Brennereien, Hutfabriken, Bierbrauereien, Leimsiedereien, kurz Industrie aller Art, uud zwar nicht im kleinsten Maßstabe, zu finden, so daß ein preußischer Gesandter, der S. Leopoldo besuchte, erstaunt ausrief- „Ich glaubte in ein Dorf und zu Ballern zu kommen, aber ich finde eine Stadt und Fabrikanten!" S. Leopoldo ist auch ein wichtiger Handelsplatz. Hierhin trans-portirt der Ansiedler seine Producte, welche dann von hier zu Wasser weiter gehen; hier macht er seine meisten Einkünfe und das fällt ins Gewicht, wenn man bedenkt, daß die Ansiedler an 12,000 Seelen zählen, die meist nördlich und nordwestlich von der Stadt S. Leopoldo auf einer Strecke uou uugefähr 20 Quadratmeileu, also auf einer Fläche, sechsmal so groß als das Fürstenthum Lichtenstein, Zehntrr 'Ablud. ^7>j sich niedergelassen haben, und daß diese Fläche ihr Eigenthum ist. Dw meisten Ansiedelungen liegen jenseits des Flusses und dehnen sich bis über den Nio Cadtm im Norden nnd über den Nio Vahu im Nordwesten ans. Der Werth des bebauten Landes in der Kolonie ist schon unge-mein hoch. Während man in den noch nicht kolonisirten Theilen der Provinz noch in der Nähe von Flüssen große Besitzungen uon mehreren Tausend Morgen mit Wohnhaus, Garten und einiger landwirthschaftlichen Einrichtung sammt großen: und kleinein Vieh recht gnt nm 4 bis 5000 Fl. rheinl. zu kaufen bekommt, während solche Grundstücke im Westen gegen die Missionen zn und in Sta. Cathanna, wie in Paranaguü, oft kaum 1—2000 Fl. rheinl. kosten, wird in S. Leopold» selten ein einzelnes in gntem Betriebe stehendes Landloos von kaum 300 Morgeu zuhaben sein, und dann zu Preisen, die von 5 — 10,000 Fl. und höher schwanken. Und das ist in einein Lande, wo man noch Regierungs-ländereien genug wohlfeil kaufeu kauu, eiu zu hoher Preis, so daß keiuem Ansiedler zu ratheu ist, sich auf der ehemaligen Kolonie S. Leopold» anzukaufen. Die Ansiedler daselbst sind durchaus wohlhabend und haben sich von den Leiden und Drangsalen eitles neunjährigen Bürgerkrieges schnell erholt; was aber das Merkwürdige dabei ist, sie verdauten ihren Wohlstand nicht dem Anban von Zucker uud Kaffee (deuu für beide ist es hier durchschnittlich zu kalt), soudern dem Welschkorn und den schwarzen Bohnen, der Mandioca und dem Tabak. Mit Welschtom und schwarzen Bohnen handeln sie, oder richtiger, diese Producte werden bei ihnen abgeholt bis hiuauf nach Vahia uud Peruambuco uud hiuunter bis Montevideo und Vuenos Aures. Denn die Zucker- und Kaffecpflanzer des Nordens, wie die Viehzüchter des Südens baueu davon uur das Nothdürftigste für ihren Hausbedarf, während die Stäbtebewohner ihren Bedarf von weither holen müssen. >2' 180 Zchntcr Abend. In S. Leopoldo habe ich etwas gefnnden, was uns in Santo IeromM» sowohl als in Sta. Catharina abging, freie offene Flächen, Campos genannt, nnd ans diesen natürlichen Weiden zahlreiches und schönes Vieh. In dieser Kolonie wnrden die ersten Ansiedler jenseits des Flusses ans Campland untergebracht, nnd sie glanbten anch anfangs das bessere Loos gezogen zn haben. Die folgenden wurden ins Waldgebirge gebracht, nnd siehe da, bald begannen die Bewohner der Ebene die Waldinsassen zn beneiden, und sie hatten alle Ursache dazu, besonders als der Bürgerkrieg sie ihres Hauptwohlstandes, des Viehes, beranbte nnd sie so zwang, auf ihrem viel schlechteren Voden Ackerbau Zn treiben, der in: fetten Waldlande weit besser gedieh. Die Kolonie war für die Provinz, wie für die Hanptstadt insbesondere von außerordentlichem Nutzen. Wo in der Provinz, die fo groß ist, wie das ganze Königreich Preußen, ein Ort ist, findet Ihr Deutsche und zwar Dentsche ans S. Leopold»; an 19,000 ihrer Söhne hat diese Kolonie entsendet theils als Kaufleute, theils als Wirthe, theils als Landbauer oder Viehzüchter; keine Kolonie der Provinz ward gegründet, ohne daß S. Leopoldo dazu die ersten Elemente gegeben hätte. Im Jahre 1657 kosteten in S. Leopoldo 300 Morgen rohes Waldland 800 Kr«. — 1142 Fl. rhn. Das war gar manchem Vater, der seinen jüngeren Söhnen einen eigenen Besitz zn knnfen gedachte, zu viel; er gab ihnen daher eine Summe nnd sie zogen hinaus, um Dieß nnd Jenes zn treiben, wofür es in S. Leopoldo für sie schon zu enge war. Und die Familien wachsen da wunderbar: acht und mehr Kinder sind die Negel und diese Vollzähligkeit der Familien gibt so recht klar Zeugniß für die Güte des Himmelsstriches. Und was Porto Alegre angeht, so war es in den vierziger Jahren noch ein elendes Nest, wie so viele brasilische Landstädte, und würde es geblieben sein, wenn nicht der durch die Ansiedler so riesig gehobene Verkehr in Einfnhr und Ansfnhr den Wohlstand Zehnter Abend. 181 der Stadt so befördert und ihr Fleiß nicht Markt und Haus der Städter versorgt hätte. Ich ritt in einigen SchneiZen (so nennt man hier nämlich die langen Negelinien, längs deren die einzelnen Landloose liegen) herum nnd sah mit Vergnügen nnd wahrem Herzenstroste diesen wimmelnden Wohlstand und den Segen des Himmels. Mit wahrer Frende bemerkte ich, daß hie nnd da Stallfütteruug für Kühe, ordentliche Echweiueställe, Henmachen, ordentliche deutsche Leiterwagen mit guten Pferdegespannen in deutschen Geschirren eingeführt waren, daß überhaupt deutscher Aubau mit Dünger nnd Fruchtwechsel den brasilianischen Schlendrian zu verdrängen begonnen hatte. Es ist gar kein Zweifel und ich habe mich davon später überzeugt, iu Rio Graude, besonders aber in S. Leopoldo ist man in vernünftigen: Ackerbau weiter fortgeschritteu als in den alten Kolonien von Sta. Catharma. Wollte ich Euch Alles, was ich in S. Leopoldo gesehen, erzählen, ich würde in einem Monate nicht fertig, und es hätte doch eigentlich keinen rechten Zweck; denn, wie gesagt, es werden dort keine Landloose mehr vergeben und S. Leopoldo hat bereits in alleit seinen Theilen aufgehört Kolonie zu sein. Von all dem Gesehenen erfüllt, kehrte ich mit dem festen Vorsatze nach Porto Alegre zurück, iu der Nähe von S. Leopoldo mich a>lzukaufen, sobald meine Mittel es erlanbteu. — Einige Tage später wurden wir anf einen: -Flußdampfer, wo wir volle Verpflegung genossen, uach Rio Pardo geschafft. Diese dreißig Meilen stromaufwärts zu fahren, war sehr interessant; der Nio Iacuhn ist ein prachtvoller Strom, viel mächtiger als der Nhein bei Mainz, mit wunderschönen Ufern, die auch nicht so uu-bowohut siud, wie die jeuer Flüsse, die ich bis jetzt gesehen. Nur da, wo die Ufer flach siud, verschwinden die Nohuungeu, weil der Iacuhy (sprich: Scha-ku-i), wie alle brasilianischen Flüsse, sehr oU Ueberschwemmungen neigt, die oft eine unerhörte Höhe erreichen. 182 Zehnter Abend. Au ihm liegen mehrere Orte und Städte, leider alle mehr oder minder im Verfall uud ein Beweis dafür., daß die Provinz eigentlich verarmt ist nnd früher bessere Tage gesehen hat. Noch bevor man in den Iacuhy einläuft, passirt man die Mündung des Cahy, eiues schönen, klaren und schiffbaren Stromes, au dessen Ufern ein Theil der Kolonien S. LeoMdo's (die Pikade Feliz), dann viele Privatniederlassungeu von Deutschen, so das Roseuthal, die Winterschueiz, ferner die Kolonie Maria Einsiedeln 6r Fuß der Länge 40 — 5,0 anch mehr Neis — 3'/^—4 Kr. rh. und mehr. Leute, welche damit umzugehen verstehen, suchen Timbauba- und Angica-Stamme heraus und verarbeiten diese mittelst Axt und Stemmeisen zu Canoas; Andere suchen die Gamelleira, mil Gamellen zn machen. Doch beschäftigen sich selten die Teutscheil hiermit und überlassen diese Arbeit lieber den hierin sehr erfahrenen und geschickten Brasilianern indianischer Abkunft. Andere suchen Pottasche zu brenneu für den Hansbedarf; denn an den Handel denken fie nicht. Im Westell von Nio Grande (so habe ich gehört) brennen die Lente einfach eine Brasilsichte, in deren Asche man ganze Klnmven reinster Pottasche findet, die zur Bereitung der Hausseife für ein ganzes Jahr ansreicht. Auch mit Kohlenbrennen könnte sich Einer oder der Andere Geld verdienen, der nahe genug am Wasser nnd bei einer Stadt wohnt, so daß die Transportkosteil nicht zn hoch kommen. Denn Kohlen verkaufen sich iu allen brasilianischen Städten gilt. Der Kolonist thnt aber gewöhnlich von dem allen nichts nnd ist nnr bedacht, die im Felde herumliegenden Klötze nach nnd nach Colonisten-WoliiMiiigeii auf Dona traiieisca. ENftcr Abend. 199 da, wo sie liegen, zu verbrennen, lllld freut sich jedesmal kiudisch, wenn solche Stämme scholl auflodern. Ich aber, liebe Landslente, rathe Euch, seid nicht zu verschwenderisch mit Eurem schönen Holze; schneidet die langen Stämme kürzer und handlicher und schafft sie nach und nach in die Nähe Eures Hanfes, wo Ihr sie an einem trockenen Platze für die Zukunft aufstapeln mögt. Das gute Holz danert dort Jahrzehnte aus, und es wird plötzlich einmal der Tag kommen, wo Ihr es so gut zu verwerthen im Stande seid, daß die geringe Mühe des Absägens und Herausschaffens reichlich belohnt wird. Und käme dieser Tag nicht, so kommt doch gewiß der, an den: Euch die bescheidene Hütte nicht mehr genügt und Ihr gern Geld und Mühe verwendet, um diese Hütte in ein Haus zu verwandeln. Dann werden Euch diese aufgestapelten, ausgetrockneten Hölzer prächtige Dieuste leisten, um Ench ein Häuschen herzustellen, wie ich solche bei den älteren Ansiedlern in D. Francisca schon häufig getroffen habe und wie sie Euch das Bild hier zeigt. Und damals, als diese Häuser gebant wnrden, waren die ältesten Kolonisten noch nicht einmal volle 7 Jahre dort. Kehren wir aber zu unserm lieben Walde znrück. Ich kann davon uicht scheideu, ohne auch vou dem Wilde zu sprechen, das indeß nicht den Wald allein, sondern auch deu Camp uud die Niederungen uicht bloß Rio Graude's, sondern auch Sta. Catha-riua's :c. belebt. Ich führe dieß um so breiter ails, als in Brasilien Jagd uud Fischerei vollkommen frei sind, also Jeder, selbst der Geringste, jagen und fischen kann, wie ihm beliebt. Da gibt es keine Förster und Jäger, also auch keine Wilddiebe. Von Insekten, Schlangeu uud Tigern habe ich schon früher gesprochen, wie von anderen: Raubwild. Hl Hochwild enthält der brasilianische Wald den Tapir oder die Anta, wie ihn die Brasilianer uenuen. Er ist wie ein Esel auzuschaueu, nur hat er eine Schnauze, die einem Schweinerüssel ähnlich ist; er ist so groß wie eine kleine Kuh, sehr schen lind 2W Vilftcr Abend. fnrchtsanl, toinnlt daher selten zum Schusse, sondern wird meist in Gruben gefangen, die man am besten an den Trinkplätzen der Thiere gräbt. Das Fleisch schmeckt wie Rindfleisch. Dann ist da cine Hirschart, kleiner als unsere Rehe, und eine Nehgattung von der Größe unserer Ziegen. Endlich zwei Arten Wildschweine, wovon die einen, die sogenannten littst«», auf dem Rücken eine Drüse haben, die gleich nach ihrem Tode herausgeschnitten werden muß, wenn das Fleisch genießbar bleiben soll. Die zweite Gattung, tatö«, sind bedeutend kleiner, als die deutschen Wildschweine und leben in Herdell von oft mehreren Hundert Stück beisammen, die häusig den unvorsichtigen Jäger, der auf ein Stück geschossen hat, angreifen. Eine weitere Wildgattung sind die zwei Affenarten: maoaoos, welche graubraun, und Im^ir^, welche dunkelroth aussehen und den Wald mit ihrem Gebrülle füllen; sie werden häusig gegessen. Dann sind die ^M<^ ein vortrefflicher Braten; Ihr könnt sie hier auf dem Bilde sehen. Ferner findet sich das 'I?iM oder Annadill, welches ebenfalls sehr gut schmecken soll, der Waschbär oder das lommt man aber doch zum Schusse uud trifft seiu Ziel, so ist zehn gegen eins zn wetten, daß es in ein solches Dickicht fällt, dessen Dnrchstöbernng oft geradezu unmöglich ist. Dazu kommt der Mangel an dreffirten Hunden. Man zieht deshalb vor, des Morgens nnd Abends das Wild bei seiner Tränte zu belanern oder, noch besser, den Wald an seinen Tränkplätzen zu verhanen und nur einige Wechsel offen zu halten, wo mit leichter Mühe Fallen aufgerichtet werden können, wie denn die Deutschen in Brasilien anch wirtlich ihre meisten Wildbrate» mittelst der Fallen erwischen. Das Ema oder der Strauß lebt auf dem Camp allein uud wird zlr Pferde gejagt und mittelst des Lan todten Zaun oder endlich mit Gräben nmgibt, und der Potreiro heißt; natürlich genügt das nnr für weniges Vieh. Wer viel Vieh halt, kann es nicht im Walde erhalten, sondern mnß es anf dem Camp im Freien weiden lassen. Die Herstellnng dieser Zäune fordert oiel Zeit nnd Mühe, ebenso ihre Erhaltung. Wer es aber nicht liebt, sein Hails mit Schweinen, Mhen nnd Pferden zu theilen oder gar seine Pflauznngen ihren Gelüsten preiszngeben, muß sich sogar dann, wenn er selbst anch gar kein Vieh hält, dazn entschließen, schon nm das Vieh der Nachbarn abzuhalten. Ich habe noch zu erwähnen, daß es ans eben demselben Grunde gut und sehr empfehlenswert!) ist, anch im Walde die Grenze wenigstens dnrch Verhaue zn bezeichnen und gegen das Eindringen fremden Viehes zu schützen, sowie das Verlaufen des eigenen zn hindern. Nnr mnß man dabei genau im Klaren über. seine Grenzen sein nnd thut am besten, diese Arbeit nnr im Einverständnisse mit seinen beiderseitigen Nachbarn vorznnehmen. Morgen will ich Euch denn uon unserm Ackerbau erzählen. Zwölfter Abend. D'e Hanptseldfn'ichte. — Getreide, — Das Welschkorn und seine Cultur. — Der Weizen, — Der Roggen, die Gerste und der Hafcv. — Dcr Reis. — Wurzel- und Knollengewächse, — Die Mandioca und ihre Bereitung, — Die Kartoffeln und Bataten. — Die Ciuäü, — Der Jams und der Ingwer. — Die Zwiebel. — Rüben und Kohlral'i. — Hülsenftüchte. - -Die schwarzen Bohnen, linsen und Erlistn. — Gemüse. — Anleitung zum verpacken des Samens. — Knrbisse, Melonen und Gnrkcn. — Das Kapim lind die l^ninüna. ^ Klee und Heu. — ^elsrüchte und Fortpflanzen. Wenn ich Euch hente vom Ackerbau und den Vodenfrüchten erzähle, so will ich dabei nicht bloß diejenigen erwähnen, die anf Sta. Cruz gepflegt werden, sondern Alles, was sich anf den mir bekannten deutschen Kolonien ziehen läftt und anch gewöhnlich gezogen wird. Die Vodenfrüchte theilen sich in verschiedene Classen ein, als: Körnerfrüchte oder Getreidearten, Hülsenfrüchte nnd Gemüse, Rankengewachse, Knollen und Wurzeln, Futterkräuter und Handelspflanzen. Ferner gehören Wein und Obst dazu. Die Hauptnahrungsmittelfrüchte für ganz Brasilien bestehen aus der MandiokwurZel, aus den schwarzen Bohnen und dem Welschkorn oder Mais, die ich jedes an seinein rechten Platze besprechen werde, deren ich aber schon jetzt gebührende Erwähnung thne, weil alles Andere sich nach den Preisen dieser drei Gegenstände richtet. Von Halmgewächsen, Körnerfrüchten oder Getreide wird am meisten das Welsch körn gezogen. Zwölfter Abend. - 305 Das Welsch torn, NMlo, ist für den Ansiedler insbesondere eine überaus wichtige Pflanze, ohne die eine Ansiedelung im Urwalde fast unmöglich wäre; es gibt ihm Grün- und Körnerfntter für jegliches Hausthier, speist den Menschen, lockert den Boden nnd liefert endlich selbst im verdorrten Stengel noch gnten Dünger für das Feld. Der Milho hat viele Abarten; die zwei wichtigsten sind der gelbe oder rothe und der weiße Mais. Der gelbe Mais eignet sich vorzüglich zu Viehfuttcr, indeß der weiße znr Mehlerzeugnng nnd zum Brodbacken besser paßt. Auch der gelbe Mais liefert vorzügliches Mehl, das aber semer großen Süßigkeit wegeu sich besser zu Backwerk uud Knchen eignet. Andererseits nimmt man im Sommer lieber weißen Mais znm Pferde- nnd Geflügelfntter, weil dieser weniger hitzt. Gebaut wird vorzngsweise die gelbe Art. Der Milho hat das Gnte, daß er zu seinen: Gedeihen keinen besondern Voden verlangt; er gibt auf dem kümmerlichsten Boden uuter alleu Pflanzen noch den reichlichsten Ertrag, nnd nur im Sumpfe gedeiht er uicht. Seme Anvflauzuug ist höchst einfach. Ich spreche natürlich von einer ersten Anpflanzung. Ist also die gebrannte Rossa geränmt, so macht man mü einem Stocke oder einer Gartenhaue eiu flaches. Grübchen, in welches eine zweite Person, Kind oder Weib, 3 oder 4 Milhokörner legt, mit dem Fuße zuscharrt und etwas festtritt. Solche Löcher macht man in der Entfernnng von ungefähr 4 Schuh von einander; in beiläufig 10 Tagen werden die Pflanzen sichtbar, und 14 Tage nachher wird da, wo es nothwendig ist, das Feld gejätet und die juugeu Maispflauzeu gehäufelt. Dann legt mall iu den Zwifchenräumen Melouen-, Kürbis- oder Gnrkeukerne oder steckt schwarze Bohnen oder zieht Kohl und sonstiges Gemüse. Die Pflanzen wachsen üppig auf und erreichen oft eine .Höhe von 9 bis 10 Fuß uud darüber. Jede Pflauze hat 3 bis 4 Kolben; mau thut jedoch wohl, diese bis auf zwei auszubrechen. 306 . Zwölfter Abend. Haben die Kolben abgeblüht, so kann man dem Welschkorn die Wipfel nehulen und solche zum Viehfutter verwenden. Zeigt sich in dieser Zeit abermals viel Unkraut, so muß mau wieder jäten uud höchst vorsichtig behäufeln; dann aber läßt man dasselbe gern wachsen, weil es sehr guten Grün- oder Aschendünger gibt. Werden die Kolben gelb, so müssen sie mit der Spitze nach unten eingeknickt werden, in welcher Lage man sie uachreifeu läßt. Dieß geschieht, daunt das Wasser besser ablaufe und sich uicht in den nun geöff-neteu Aehrenspitzen und iu den Löchern ansammle, welche die Papageien so vielfach in die Achreu hackeu. Solchergestalt können sie beliebig lange am Stocke haugeu, ohne zu verderben, so dasi mau die Ernte je uach Musie uud Bedarf vornehmen kann. Zur Ernte ist Jedem zu empfehlen, sich in den Besitz einer Schiebtruhe oder eines Handkarrens zn setzen, den jeder Zimmer-maun oder Holzarbeiter machen kaun, weuu man uur uorsichtig genug ist, die Räder dazu mitzubringen. Ist der Mais und die Zwischenpftanzuug, Kürbisse, Bohueu :c., eingeheimst, so duscht mau die Stengel und das Unkraut nieder, sammelt sie auf Hänfen uud verbrennt sie, wobei mau die Asche sorgfältig verstreut; freilich wäre es noch besser, all diese Dinge einzuackern. Wenn der Boden in späteren Jahren durch die oftmalige Bearbeitung mittelst der Haue und noch besser mittelst des Pfluges vou den kleinen Wurzeln, welche ihn wie ein Geflecht uach allen Richtungen durchziehen, uud durch Fäuluiß, Ameiseu uud Brand von den großen Stöcken befreit ist, wird es sich lohnen, den Mais mittelst des sogenannten Cornplanters zu säen nnd mittelst des Cultivators zu jäten uud zu hänseln. Bis dahin hat es aber in den neuen Kolonien noch Zeit. Sind die Maiskolben nnn endlich zn Hanse, so ist es gut, sie zu sortirm. Die kleinen, unansehnlichen bleiben in ihrer Hülse, mn dem Rindviehe verfüttert zu werdeil, welches den ganzen Kolben zu A. Grosser Haisentkörner. lt. Clinton's Corn-Sheller. Zwölfter Abend. 207 zermalmen vermag und bei dem so die ganze Summe der Nahmngs-theile verwerthet wird. Auch die übrigen Kolben entblättert man gewöhnlich um insoweit, als die Blätter feucht oder sollst verdorben sind; danu schichtet mau sie zum Trocknen auf Vreterunterlagen über einander. Ich bin jedoch der Meinung, daß sie weit schneller trockueu würdeu, wenn man dem iu maucheu europäischen Gegenden herrschenden Gebrauche folgte, indem man die Blätter ganz zurückstreift uud je zwei Kolben zusammengeknüpft auf Stangeu hängt; freilich ist dieß eine Ver-mehrnug d^r Arbeit. Die Maisblätter iverden geril vom Vieh gefresseu uud liefern sehr gutes Material zum Fülleu der Vettsäcke. Ich ziche eiueit Milhostrohsack einer Roßhaarmatratze vor, besonders wenn man sich die Mühe gibt, die Blatter durch eiue Hechel vorerst iu schmale Streifen zu reißen. Auch hat mau neuerer Zeit eine Erfindung gemacht, aus Milho Papier zu bereiten, nnd wenn auch uicht zu erwarten steht, daß sich gar so bald derlei Fabriken iu brasilianischen Kolonien erheben, so ist es doch gut, auch hiervon Notiz zu uehmeu. Das Aushülseu nnd Abkörueu des Milho ist eiue sehr laug-wierige, zeitraubende Arbeit, die alle Kräfte der Familie durch viele Tage in Ausvrnch nimmt, wenn auch nur 30 — 40 Sack geerntet worden siud. Man verrichtet diese Arbeit gewöhnlich an Regentagen, indem mau an eiuem trockenen Platze oder auf eiuem großen Stück Zeug dio Kolben zuerst aushülst, dann die Körner durch Klopfen ans eiueu harteu Gegenstand etwas lockert und sie dann mit der Hand herabdreht. Es mögen indeß die Kolben noch so trocken sein, so erfordert das Entkörnen so vielen Welschkorns als genug ist, um zwei Säcke zu füllen, die angestrengte Arbeit einer Familie von vier arbeitsfähigen Köpfen während eines ganzen Tages; mithin 30 Sack die von 15 Tagen, welche bei einer anderen Arbeit besser verwendet werden könnten. Es wäre daher jedem etwas bemittelten Ansiedler zu rathen, den anf dem Bilde hier verzeichneten Kornschäler von 208 Zwölfter Abend. Clinton zn kanfen, den man in jeder grüßern Hafenstadt Brasiliens, besonders aber in Nio, nm nugefähr ^0 — 40 I^ilrcis betonnnen kann. Man ziehe aber die mit hölzernem Getriebe vor, weil jeder Zimmermann nn Stande ist, sie zn revariren, während gllß- oder schmiedeiserne schwer anszubessern nnd zn ersetzen sind. Der Vortheil für den Kolonisten liegt nicht allein darin, daß ein solcher Kornschäler die 40 Sack in einein einzigen Tage mit Leichtigkeit herstellt, also der ganzen Familie 14 volle Arbeitstage erspart, sondern der Besitzer kann anch die Maschine, welche leicht zu transportiren ist, gegen Entschädigung an seine Nachbarn verleihen, was ihm bei einer einzigen Ernte die gehabte Auslage einbringt. Ner ein speculativer Kopf ist, wird noch größeren Vortheil dann finden, den ans demselben Bilde befindlichen großen Maisentkörner mitznbringen, der anfänglich voll zwei Arbeitern, später von Ochsen oder Mauleseln getrieben werden kann. Diese Maschine wird Vielleicht 80 — 100 V kosten, aber sie entkörnt anch bei Handarbeit an 130, bei Ochsenbetrieb aber an 400 Sack täglich. Eine andere dein Ansiedler beim Milhobau sehr zu empfehlende Mafchine ist der Kolben zermalmer, englisch Ood - (^«Iiur genannt, der ungefähr wie eine Kaffeemühle eingerichtet ist nnd dazu dient, den ganzen Kolben mit Blättern nnd Allen: zu zerquetschen, so daß das Ganze einen dicken Brei ausmacht, der von den Pferden, den Schweinen uud dem Rindvieh leicht uud gern gefressen wird nud unendlich viel Welschkorn spart. Das Mahlen des Welschkorns zu Mehl geschieht entweder alls Handmühlen, die übrigens gewöhnlich so elend sind, daß sie mehrere Stundeu Zeit brauchen, um den Bedarf für einen oder zwei Tagc zu mahlen; oder auf kleiuen Wassermühlen, die irgend ein früherer Müller herrichtet, so gut es eben geht; eine gut construirte Handmühle wäre sehr nützlich. Man baut übrigens, besonders im Waldlande gern den Mill,o Zwölfter Abend. 20l! als Viehfntter, und zwar gegen den Winter; er wird dann breit-würfig gesäet. Die SäeZeit des Welschkorns in Rio Grande füllt in den September, wenn kein Frost mehr zu befürchten steht, den es gar nicht vertragen kann; die zweite Saat geschieht im Januar. In weiter nördlichen wärmeren Gegenden säet malt ihn im August zum ersteu, im Iuui zum zweiten Male. Er gibt also in einem Jahre zwei Ernten, uuter denen aber die erste immer die reichlichere ist. Er reift in nngefähr fünf Monaten. Das Erträgnis; ist je nach dem Boden sehr verschieden, durchschnittlich kann man das 120—150 fache annehmen, obgleich ich schon einmal von einer Alqueire Aussaat 320 Alqueireu geerntet habe. Mit einem Sack Welschkorn kann man 5000 Qnadratklafter — 9'/i Morgen bepflanzen. Auch die Preise sind sehr verschieden, je nach der Jahreszeit und den Transport-Hindernissen. In schlecht gelegeneu Gegenden und gleich nach der Ernte kann man den Sack um 4 — 5 Patacas erhalten, währeud kurz vor der Erute und bei geringer Zufuhr der Sack in den Städten oft 10 — 12 Milreis kostet. Der Mais ist immer eine gute Waare; kaun mau einmal keinen hohen Preis erzielen, so thut man gut, Pferde, Kühe, Schweine, Geflügel damit zu mästen, die dann hohe Erträgnisse liefern. So lauge das Nelschkorn noch grün ist, kanu man die Aehren, in gesalzenem Wasser gekocht oder am Feuer gerostet, verspeisen. Auch bereitet mau aus deu Körnern eiu Nationalgericht, die (^n^ioa; mail kocht sie nämlich so lange, bis malt die Haut abziehen kann und richtet sie dann mit Milch oder hie uud da auch mit rothem Weiue an. Der Weizen, tri^o, ist eine Frncht, die früher in Brasilien, besonders in Nio Graude, viel gebaut wurde. Mau hat aber seine Cultur schou seit langer Zeit vernachlässigt, uud jetzt wird es schwer sein, ihu zu ziehen, weil es keiue Mühlen zu seiuer ordentlichen Aermahluug gibt. Für'den deutscheu Ansiedler hat er gar keinen 210 Zwölfter Abcnd. Werth; denn für'Z Erste ist derselbe vom Hause aus wenig Weizenbrod gewohnt und andererseits ersetzt ihm das Welschkorn den Weizen vollkommen. In Sta. Cruz hat man anch damit Versuche gemacht, die sehr gut ausfielen; aber da die Nachfrage gering war, so ist es ans obigen Ursachen beim Versuche geblieben. Anch ist es dem brasilischen Neizenbauer nicht möglich, mit dem uordamerikanischen Mehlhimdler zu concurriren, welche ein Faß Mehl von K Arroben — 192 bras. Pfuud um 18 — 20 Milreis geben, (indlich kann man selbst mit Welschkorn mehr Einnahme erzielen als mit Welzeu, nnd ganz gewiß eine sicherere, da bekanntlich der Weizen eine sehr vielen Zufällen unterworfene Pflanze ist. In der Provinz Paranä besteht eine Prämie, ich glaube von 2:000 Z für diejenigen Landbauer, welche mehr als 100 Alqueiren Weizen erzielen. Das Hochland der drei südlichen Provinzen wird bei ordentlich eingeführter Düngung einstmals vorzügliches Weizenland abgeben, da dort die Temperatur schon zn niedrig ist, um besser rentirende Früchte zu erzielen; aber bis dahin wird noch viel Wasser in den Rhein laufen, und darum enthalte ich mich, uoch mehr davon zn erwähnen. Der Roggen, contoio, wird meines Wissens nnr in Sta. Leopoldo und St. Cruz gebaut, um deu nach Roggenbrod lüsternen Dentschen Genüge zn thnn. Er gedeiht sehr gut, wenn man ihn im April anbant; er gibt häufig 70 —80 fache Frucht uud lohnt auch durch hohe Preise; mau zahlt nämlich gern für einen Sack Roggenmehl 8 — 10 Milreis. Die Gerste, nvaäg., nnd der Hafer, i^vöa, werden in Rio Grande während des Winters gebaut uud grüu au Melkkühe und Lieblingspferde verfüttert, die in dieser Zeit nur höchst kümmerliche Neide fiuden. .Der Hafer gibt nach dreimaligem Schnitte noch eine die Aussaat lohnende Kürnerernte. Viel hänsiger wird besonders in Sta. Cathariua, S. Paulo tt. der Reis, nnd zwar meist der Vergreis, gebaut, während man ihn in Rio Grande dagegen fast gar nicht kennt. Pflanzen Brasiliens. Die Mandioca. Zwölftcr Abcnd, 2ll Der Neis, arro?, gedeiht auf sandigen Anhöhen und wird in seichte Lücher gesteckt, die 1'/- Fuß von einander entfernt sind. Seine Halme werden nur 0—8 Zoll hoch; seine Säezeit fällt in den September oder October und ergibt in D. Franzisca poi- Morgen nngc-fähr 13 Säcke. Die Aehren werden gedroschen und die Körner in einer Stampfe von ihrer Hülse befreit. Da nun aber derlei Stampfen noch seltener als Maismühlen zn finden sind, so ist anch der Anban uon Neis sehr unbedeutend. Der Bergreis ist roth und reift nach vier Monaten; man reinigt dann das Land und kann von denselben Halmen eine zweite Ernie haben. Der Bergreis heißt m-ro^ iniuäo; andere Arten müssen vor der Aussaat 15 —16 Stunden eingeweicht nnd in einem Gefäße zum Keimen gebracht werden. Ans dem Neis kann nntcr Znsatz von Zuckersyrup Arrak gebrannt werden. Unter allen Umständen bietet er ein gesundes und angenehmes Nahrungsmittel. Sein Preis betrug zuletzt M- Alqueire ausgehülsteu Neises 10 —lIZrs., unansgehülst 4 —5Hr8. Von den Wurzel- und Knollengewächsen ist das vorzüglichste die M audi o kw nrzel, manäiocÄ. Hier auf dein Bilde könnt Ihr sie betrachten; sie ist freilich etwas übertrieben gezeichnet, denn in Wirklichkeit erreicht die Pflanze selten mchr als 5 - tt Fuß Höhe, hat rothe Steugel und gezackte Blätter und sieht dem jnngen Baumwollenstrauch sehr ähnlich. Das Merkwürdigste ist, daß die Mandioca eine Giftpflanze ist. Sogar die Blätter schon sind genügend, um das Rindvieh, wenn es davon fnßt, krank zu machen; die Wurzel wirkt tödtlich und ebenso der aus derselben gepreßte Saft. Und doch ist das aus derselben Wnrzel gewonnene Mehl sehr gesund nnd wird von Menschen und Vieh gern genossen. Die Mandioca wird ans Stecklingen oder alls Theilen des Wmzelstockes gezogen, welche ans einen Abstand von zwei bis drei Fnß in schräger Nichtnng in den Boden gesteckt werden. Nach einem, höchstens anderthalb Jahren wird der Strauch einige Zolle vom Boden 14' 312 Zwö!fultnr,— Kaffte u>ld Zuckn^ röhr nochmals. — Baumwolle und Äiaschinen zu ihrer ^nttörnnng. Tal'ak. — Thee. — Deutsche Obstsorten. -..... Orange», — (Zitronen nnd ?imas. — Äeeren. — Der Malilberrdamu und die Teidenzucht. — Die Ananas nnd anderes brasilisches Obst. — Die Vanane. — Die Nebe nnd dci Wein. — Georg ertheilt in Bezug auf die Landwirthschaft einige Rath-schlafe. — Rindvieh. — Pferde und Maulesel, — Schweine. — Ziegen und Schafe. — Geslngel. — Hnndc und Kaken, — Bienen. Unter HandelZpflanzen versteht Ulan solche Gewächse, die Ulan nicht zmn Haus- nnd Wirthschaftsgebranche, sondern hanptsächll'ch zu dem Zwecke baut, mit ihnen Handel zn treiben. Dazn rechnet man in Brasilien uurzn^sweise den Kaffee, das Zuckerrohr, die Vamnwolle, den Tabak, den Thee. Ueber Kaffee und Znckerrohr, ihren Anban und ihre Vehand lung habe ich Ench bereits früher erzählt; heute fnge ich nnr hiilzn, daß in Nio Grande, also auch in Sta. (5rnz, der Kaffeebauni nur in Gärten vorkommt, die eine sehr geschützte Lage haben; das Klima der Provinz, besonders der Frost nnd die heftigen Stürme, hindern sein Gedeihen. Das Znckerrohr gedeiht m manchen Gegenden Nio Grande's, besonders in dem nordöstlichen Wmtel bei Torres, Tres Forquilhas, S. Antonio und bei S. Leopoldo anf der alten Feitoria noch recht gut; doch wird es sehr wenia, znr Znckerbereitung, meist zum Nrannt weinbrennen verwendet. In Santa Cruz und den hochlieaenden Theilen uon S. Leopold« wird es auch noch hie nnd da gepflanzt, erfriert aber regelmäßig jeden Winter nnd rann nur zum Branntwein gebraucht werden. 322 , Dreizehnter Abend. Ill der ganzen Provinz wird nur oamia <1a tsrra gebaut und diese nur auf freiliegenden Anhöhen, die weniger von Frösteil leiden als die Flußthäler. Die brasilianische Baumwoll,e, HlAoääo, hat einen sehr gnteu Ruf wegen ihrer Güte, Länge und Feinheit. Die hauptsächlich zum Vaumwolleubau, geeigneten Gegeudeu sind die Nordprouinzen Marauham, Peruambuco, Cenra :c. Auf den Kolonien in Espirito Santo »nid Minas Geraes müßten Vauiuwollenpflauzuugeu beson-ders lohuen. Aber selbst in Rio Graude thut jeder Ausiedler gut, wenn er sich feme Baumwolle selbst zieht und uou Frau und Kindern klopfen, spinnen und weben läßt. Die Baumwolle, von welcher (5uch dieß Bild die Blätter, Blüten, Samenkapsel, Flocke uud .'»lerne zeigt, ist ein Strauch, der oft 8—10 Fuß hoch wird, mit jedem Lande vorlieb uimmt, keinerlei Pflege bedarf uud viele Jahre hintereinander tragbar bleibt — lauter Eigenschaften, die der nordameritanischen Baumwolle fremd sind. Der Strauch widersteht sogar ziemlich starken Frösten, wie ich mich selbst überzeugt habe. Gesäet wird die Banmwolle in Reihen uon 6 Fuß Abstand, indem man in flachen Grübchen mehrere Körner steckt. Sobald die Pflanzen groß genug sind, um sie uom Untrante zu unterscheiden, werden sie gejätet und zwischen ihnen Hackfrüchte gepflanzt. Nach fechs Monaten treiben sie schwefelgelbe, gernchlose Blüten, die nach einem Monate Kapseln bilden. Sobald diese reif und schwarz geworden sind, springen sie auf und dann ist es Zeit, die Nolle zu erutcu. Das wiederholt sich alle 6 —7 Monate, und erst nach 4 Jahren beginnt der Ertrag abznnehmen. In den ersten Jahren kann man M- Strauch '/» Pfnnd Baumwolle rechnen, also psr Morgeu 260 Pfund, da auf einem folchen ungefähr 1600 Sträuche Platz haben. Pflanzen Brasiliens. Die Baumwolle. A. Brasilianische BawnwollcntkÖriiiings-lHagchine. lt. Cotton-Gia. Dreizehnter Abend. 323 Nach acht Ernten sollte man die Pflanzung ausroden und eine neue ans dem Samen ziehen; denn dann ist der Ertrag zu nnbe-deutend. So weit ist die Sache ganz einfach; aber die gcerntete Banm-wolle kann nicht gebraucht werden, folange sie nicht von den in ihr befindlichen Samenkörnern, deren zwei bis zehn in jeder Kapsel enthalten sind, gereinigt wird. Zu diesem Zwecke hat man nun mehrere Maschinen erdacht, wovon ich Ench hier auf dein Bilde zwei vorführe. Die obere ist die in Brasilien auf dem Lande allgemein übliche; natürlich ist sie sehr einfach, da jeder Sandmann sie sich selbst macht, und arbeitet äußerst langsam. Andererseits aber liefert sie eine sehr schöne, langhaarige Baumwolle, da sie dieselbe nicht zerreißt. Sie ist auch dem deutschen Ansiedler für seinen Hausbedarf zn empfehlen, solange keine größere Entkörnungsmaschine in Her Nachbarschaft aufgestellt ist. Wer aber die Baumwolle in größerer Menge für den Verkauf anbant, der muß die zweite Maschine, cotton-ßw oder portugiesisch Ilinplläor äß alFoääo, aufstellen. Sie besteht ans zwei Walzen; die eine davon hat lauter feine Cirkelsägen, die in die Einschnitte des Kastens eingreifen, in welchen die Baumwolle geschüttelt wird, und mit ihren Zähnen die Wolle erfassen nnd dnrch die Einschnitte ziehen, welche zn eng sind, um auch die Körner durchzulassen. Die untere Walze hat Bürsten nnd dreht sich in der entgegengesetzten Nichtnng, indem sie dadnrch die an den Zähnen haftende Banmwolle abstreift. Der Samen fällt vorn cm der schiefen Ebene heraus, während die Banmwolle rückwärts vou den Bürsten ausgeworfen wird. Wie alle landwirtschaftlichen Maschiueu dieser Art würde sie in einer Kolonie, wo mall eine größere Menge Banmwolle zieht (heutzutage ein einträgliches Geschäft), aufzustellen die Mühe lohnen. Die Ernte muh bei trockuem Netter vorgenommen nnd die Baumwolle uicht eher verarbeitet werden, als bis die Körner zwischen den Zähnen krachen. 224 Dreizehnter Abend. Der Samen wird von Schafen und Eseln gern gefressen; anch liefert er gntes Nrennöl. Die Preise der Banmwolle sind natürlich in nencrer Zeit, des amerikanischen Krieges wegen, sehr gestiegen; leider kann ich Euch nicht sagen, wie hoch sie stehen. Zur Zeit meiner Abreise, 1^l;i, betrug der Preis ungereinigter Baumwolle p6r Nrrobe 2K500 bis 3OaO0. Ueber den Tabak, tabaeo oder tumo, kanu ich Euch Rheinländern nichts sagen, was Ihr uicht ohnehin scholl wüßtet. Doch wäre es immerhin möglich, daß ein oder der Andere von Euch die Cultur desselben nicht kenut. Denen nun zeige ich das Bild der Tabakpflanze, die in gutem, schwerem Boden, z. N. am Itajahy, oft 13 Fuß hoch wird uud Blätter von 1'/? bis 2'/2 Fuß Länge liefert. Der Tabak wird bekanntlich aus dein Samen gezogen uud erst die jungen Pflänzchen, wenn sie das fünfte Blatt getrieben haben, in freies Land auf je drei Fuß Eutferuuug versetzt. Später behackt man den Tabak von Zeit zu Zeit und behäufelt ihn. Es ist gut, das Geflügel, besonders Truthühuer, ius Tabaks-feld zu treibeu, um die den: Tabak so schädlichen Iusecten zu vertilgen. Sobald sich die Samenköpfe zeigen, schneidet man alle ab, bis auf die zur späteren Aussaat bestimmten. Der Sonnnergeiz muß häufig ausgebrochen werden und es ist auch anzurathen, der Staude nicht mehr als zehn Blätter zu lassen, wenn mall besonders schönen Tabak erhalten will. Der Tabak ist reif, sobald sich auf den Blättern ölige Flecken zeigen. Man bricht aber die Blätter nicht ab, sondern knickt sie bloß ein und läßt sie auf dem Stamme trocknen. Man kann sio dann entweder in Bündelu auffädelu uud durch eiu leichtes Schwitzen bräuneu oder auf Staugeu iu Trockeuschuvpeu hängen oder in Ranch-hänscr bringen, wie es bei den Amerikanern geschieht. Ueberhaupt scheint mir die amerikanische Art der Ernte im Großen zu empfehlen. Der Stengel wird der Länge nach fast g"",' Pflanzen Brasiliens. Der Tabak. Drci zehnter Abend, II5 gespalten mid abgeschnitten; er bleibt den Tag über in der Sonne znm Trocknen nnd wird dann, ans Stäben hängend, ins Trockenhaus gebracht. Der Tabak wird sehr gnt bezahlt nnd die Cigarren noch besser, so daß es für einen auswandernden Familienvater räthlich wäre, seine Kinder im Cigarrendrehen unterrichten zu lassen. Die Brasilianer bereiten Kautabak nnd in einigen Fabriken des Nordens auch Schnupftabak. In S. Leopoldo sah ich das Pfund nnsortirter Blätter mit 12—15 Kreuzer rh., nnd schönes sortirtes Blatt das Pfnnd mit 40 — 50 Kr. rh. verkaufen. Da nun ein Morgen Tabakslandes leicht alt 30 Centner trägt, so ist der Tabaksban sehr einträglich. Hat man den Tabak durch das Abblatten geerntet, so kann mau nach zwei Monaten aus den Nachtrieben noch eine Ernte erzielen; ja der abgeschnittene Tabak treibt häufig zum zweiten Male. Auch der Tabak wird im September oder October gepflanzt nnd seine Reife tritt in ungefähr fünf Monaten ein. Auch den chinesischen Thee, t^m äu, Inäüi, vermag mall in Brasilien zu ziehen. Er wird durch Ableger ziemlich dicht gepflanzt , da man auf eiuen Morgeu ungefähr 3000 Pflanzen rechnet. Er verlangt nur mittelmäßiges Laud und gibt bald so viel Schatten, daß das Unkraut ihm nicht viel anhaben taun. Im dritten Jahre kann malt anfangen, die Blätter zu pflücken. Nach acht bis zehn Jahren schneidet man die Sträucher ab, worauf sie neu treiben nnd einen noch reichlicheren Ertrag liefern. Hundert Pflanzen liefern durchschnittlich 48 —64Pfuud Thee, wovou die Hälfte erster Qualität ist. Die Arbeit des Pstnckens kann von Frauen nud Kiuderu besorgt werdeu, welche bis 15 Pfnud täglich zu pflücken im Stande sind. Die Blätter werden anf einem Röstapparat getrocknet, der auf nngefähr 1800 Gnldeu rh. zu stehen kommt. Fünf Pfund frische Blätter geben durchschuittlich 1 Pfuud Thee, welches ungefähr zu 5—800 Reis verkauft wird. i5 226 Dreizehnter Abend. Die Theecultur ist nnr solchen Ansiedlern anzuempfehleu, welche ein Stück ausgesogenen, schon wurzelreinen Vodeus nnd nebenbei eine große Zahl Kinder besitzen; dabei ist der günstige Umstand, daß die Theeernte in eine Zeit fällt, wo der Landmann die meiste Mnße hat, und daß weder Sonnenschein noch Negen der Ernte Eintrag thun. Neuen Ansiedlern ans frischein Boden rathe ich aber von der Theecnltur um so mehr ab, als der Mate besonders im Süden den Thee bei den Brasilianern nicht aufkommen läßt, während die deutscheu Kolonisten ihren vielgeliebten Kaffee jeden: Thee ails China oder Paraguay vorziehen. ? ,. Volt Obstsorten hat man in Brasilien eine große Menge, natürlich meist solche, die uns Deutschen völlig uuoekaunt siud. Doch lassen sich auch au vielen Orten nnsere einheimischen Obstsorten ganz gnt ziehen, besonders wenn man ihnen dort so viel Aufmerksamkeit schenken wollte, als hier. In dem Hochlande der Südvrovmzeu gedeihen Aevfel, Birnen, Aprikosen in reichlicher Fülle. Die einzige Schwierigkeit besteht darin, sich Obstbänme zn verschaffen, da Baumschulen, wenigstens von europäischen Sorten, nicht existiren nnd die edle Kunst des Obstveredelns mittelst Pfropfens und Ocu-lireus uuter deu Kolonisten wenig bekannt ist. Aber auch iu auderu Theilen Brasiliens könnte man, falls man eben wollte, recht gut Aeufel und Birnen ziehen, da die Quitten, marui6i6ir08, die hier wild wachsen, sich sehr gilt zum Veredeln mittelst europäischer Edelreiser eignen. Diese Quitten selbst liefern Früchte vou der Größe eiues Kindskopfes, aus welchen die brasilianischen Hausfrauen sowohl die Marmelade als den Quittenkäse bereiten. Pflaumen, Kirschen und Aprikosen habe ich nun allerdings nirgends gesehen, wohl aber eine wilde Kirschenart, die sich gewiß mit europäischeu Arteu veredeln ließe. Ich bin leider kein Gärtner und habe daher in diesen Dingen nicht das richtige Verständniß; aber ich glaube, daß ein iu diesen: Fache tüchtiger Maun keinen Dreizehnter Abend. 327 großen Schwierigkeiten begegnen würde, wollte er die europäischen Obstsorten in Brasilien ziehen. Eine andere Frage aber ist die, ob sich dieß der Mühe lohneil würde, und das muß ich verneinen, weil in Brasilien genug anderes und auch besser mundendes Obst wächst, das zu wahrhaften Spottpreisen zu haben ist. Von deu europäischen Früchten gedeihen reichlich die Pfirsiche und die N allnüs s e. Der Pfirsichbaum wuchert insbesondere sehr stark, doch läßt die Qualität uiel zu wünschen übrig, da es immer nur Wildlinge sind. Ferner Feigen in allen Sorten, die vortrefflich gedeihen und besonders in getrockneten: Zustande gute Preise erzielen. Doch findet sich natürlich auf den deutschen Kolonien kaum hie und da ein Exemplar. Die Hauptfrucht aber ist und bleibt die Orange ober Apfelsine, I^aranM. Sie ist wahrhaft köstlich, der Baum uud seine Be-laubnng sehr schön, dessen Wachsthum sehr schnell, die Fruchtbarkeit ungemem. Die deutschen Ansiedler haben überall bei ihren Hänsern, gleich den Brasilianern, ihr Orangemväldchen, i^i-lmM, das Erwachsenen und Kindern gleich werth und angenehm ist. Die Orange reift uom Juli bis zum September, also zur Winterszeit. Es gibt sehr viele Arten, von denen die feinsten die Orange von Tanger, In. tMgsrinÄ, die Nabelorange, 1. cl6 «indiß-o, die ohne Kerne, 1. sein ear^o, !c. sind. Die einheimische Orange, 1. äa tsria, ist gallenbitter und von großer medicinischer Wirkung. Man zieht die Orangen aus dem Kerne; sie tragen schon häufig nach vier Jahren, manchmal auch früher. Die Oraugenblüteu liefern vorzüglichen Parfum und, wie die Blätter, einen sehr wohlschmeckenden Thee, Schale uud Saft sehr guteu gewürzhaften Branntwein, letzterer auch guten Essig. Die Oraugen siud oft so häusig, daß man die Schweine damit zu füttern gezwungen ist, trotzdem, daß die kleinen Papageien sich reichliche Nahrung alls den Laranjaes holen. Sehr vernachlässigt ist in Brasilien die Citrone, citiZo oder limäo ^uäo; statt ihrer zieht man Victima vor, welche die Farbe 1ö' 228 Dreizehnter Abend. der Limonie und die Gestalt der Orange, aber einen süßlichen Geschmack hat. Man bereitet aus ihr eine vortreffliche, wie Honig schmeckende Marmelade. Es gibt mehrere Limagattnngen, alle aber sind sehr schöne Bäume nnd liefern einen unglaublichen Ertrag. Die europäische». Bee r enarte n werden ebenfalls nicht gepflegt. Die einzigen, welche man öfter findet, sind die Erdbeeren, uwmiiFo»; weder Stachel-, noch Him- noch Johannisbeeren sind, nur wenigstens, zu Gesichte gekommen. Die Brombeeren fand ich im Walde von Sta. Cruz häufig wildwachsend. Hier wird es auch gut sein, des Maulbeerbaums zu erwähnen, weniger seiner selbst als der dauon abhängigen Seidenzncht wegen. Der Vanm gedeiht sehr gnt und schnell; zur Eeidenzucht aber fehlen in Brasilien zur Stunde noch die zahlreichen Hände, über welche China, Italien und das südliche Frankreich zu gebieten haben. Die Würmer freilich kommen sehr gnt fort, werden sehr groft nnd geben sehr schöne Cocons, ja, sie tonnen zweimal im Jahre gezogen werden, vielleicht auch öfter; aber woher die vielen Hände nehmen, um sie zu füttern, oder gar um alle in einer Filanda (Anstalt zum Abspiuueu der Cocons) nothwendigen Arbeiten zn verrichten? Von einheimischem Obste finden wir die herrliche Ananas, die Königin der Früchte, in riesigen Exemplaren; den prächtigen Abacata-Vaum, dessen Frucht, wie die Caju, einen sehr gnten Wein liefert, die Guyaue, wie die beiden früher genannten zur Bereitung von Marmeladen, Hooss, sehr geeignet. Dazn kommt der Mamäo, eine Melone ans einem Nanme, die weltberühmte Manga, die Brod-frncht, MW, die Atta, die Grafenfrucht, truta äo ^cmä6, die Ma-racujä,, die Tamarinde, die Grunijama nnd andere mehr. Vor Allen aber ragt die Banane hervor, diese herrliche Pflanze mit ihrer ansgezeichneten Frucht. Auf diesem Bilde seht Ihr eine Zwergbanane, welche höchstens 8 —lOFnh Höhe erreicht, während die größeren Sorten 15^20 Fnß hoch werden. Die Banane ist ein ganz eigenthümliches Gewächs, das nur einen Fruchtstengel und an diesem eine Tranbe von gnrkenähnlichen Pflanzen Brasiliens. Die ßanane. Drcizchntcr Ali cud. II9 Früchten, wie die hier gezeichneten, bringt; eine solche Traitbe enthält oft Hunderte von Früchten und wird 30 - 40 Pfund schwer. Sobald man die Fruchttraube abnimmt, haut mau den Stamm nieder nnd gibt ihn, der eigentlich nur aus Blattsubstauz besteht, sammt den Blättern dem Viehe zum Futter, das ihn leidenschaftlich gern frißt. Die Banane treibt dann ans Wurzelschößlingen wieder empor. Da nun jeder Stamm mehrere Schößlinge treibt, so erhalt man im Laufe weniger Jahre ein Bananemuäldchen, wenn man anfänglich auch nur einige Bauanen gepflanzt hat. In Rio Grande, wenigstens anf den Kolonien uou S. Leopoloo und Sta. Cruz, kommt die Banane nur noch als Zierbaum fort, der keine Früchte trägt; aber in den übrigen Provinzen, mit Ans-nähme des Hochlandes, ist sie ill zahlreichen Spielarten verbreitet. Die Banaue, deren einzelne Frucht Ihr auf dem Bilde seht, wächst in verschiedener Größe nnd Farbe, violett, roth, gelb mit schwarzen Punkten, schön hellgelb, grüngelb ?c. uud von 3 Zoll bis zu 10 uud 12 Zoll Länge. Sie ist so gesund, daß man sie selbst Säuglingen gibt, und dabei äußerst nahrhaft; sie kann roh, gekocht, geschmort und gebacken verzehrt werden und bleibt iu jeder Gestalt wohlschmeckend. Die Fruchttraube uimmt mau gewöhnlich ab, bevor die Früchte ganz reif siud, uud läßt sie au einem schattigen, luftigen Orte nachreifen. Der We in stock gedeiht in Brasilien, wenn mau vom ganzen Lande spricht, im Allgemeinen nicht. Die nördlicheren Provinzen sind zn warm und die Insekten stellen seinen Blättern, Blüten und Beeren zu sehr nach; er leidet außeroroeutlich vom Mehlthau uud uoch mehr au maugeluder Pflege, dereu diese Pflanze, wenn sie dankbar sein soll, so sehr bedarf. Im Süden jedoch, besonders aber anf dem so oft erwähnten Hochlande der drei Provinzen Parauä, Rio Grande uud Sta. Catha-riua, gedeiht der Weiustock selbst bei geringer Pflege ganz außer- 230 Dreizehnter Abend. ordentlich, und Trauben von 2^3 Pfund, und selbst darüber, sollen dort keineswegs zu den Seltenheiten zählen. Auch in S. Leovoldo haben unsere Moselschwaben angefangen Wein zu pflanzen und sogar zu keltern; ja im verflossenen Jahre 1861 haben sie schon an 40,000 Flaschen erzeugt. Ich bekenne indessen offen, daß mir der, welchen man nur vorsetzte, nicht sehr mnndete, und viele Lentc sind darin meiner Meinung, wenn gleich ein berühmter Reisender das Gegentheil behauptet. Ich will damit nicht sagen, daß in S. Leopoldo kein guter Wein gezogen werden könne. Wenn man sich Neben von guten Sorten verschafft, ordentliche Keller gräbt und die Küferei richtig betreibt, so bin ich sogar überZengt, daß man einen guten, trinkbaren Wein bekommen wird; aber aus der gewöhnlichen Landestraube wird man nie ein genießbares Getränk erzengen. Der Wein wird meistens gezogen, um Tafeltraubcn zn erhalten. Man zieht ihn größtenthcils an Spalieren, widmet ihm aber sonst, wie gesagt, wenig Pflege. Auf die Auswahl der Sorten legt man ebenfalls wenig Gewicht, nnd so ist die überwiegende Mehrzahl der Tranben jene großbeerige, wässerige, blaßviolette Art, deren Beeren so ungleichartig reifen. Und doch habe ich hie nnd da Trauben gesehen, bei denen eine Beere wie die andere reifte, bei denen sie dicht gedrängt an einander saßen, vom schönsten Wachsgelb und aromatischer Süße — ein Beweis, wie viel von der Auswahl der Nebsorten abhängt. Wer sich dem Neinbau widmen will, der wandere aber anf das Hochland von Curitiba; aber er bedenke sich früher zweimal, denn ich kann ihm zum Weiübau nicht rathen. Dazu gehört viel Geld; denn er findet keine Keller, er findet keinen Küfer. Die Neben und das ganze Werkzeug muß er sich selbst mitbringen. Hat uun Jemand so viel (Mo, so thut er nicht klng, dieß auf Anlage eines Weinberges zu verwenden, von dein er nicht einmal weiß, wie das Nesnltat sein wird, ob er seinen Wein wird verkaufen können nud wann er endlich eine Einnahme davon haben wird. Dreizehnter Abend. 231 Es ist noch so viel Geld und so leicht und ohne Capital zu gewinnen, daß eben dieß der Hauptgrund ist, warum Niemand an die Wein-cultur denkt. In S. Leopoldo ist es etwas Anderes; die alten Vauern habeu ihr Schäfchen im Trocknen, für das Nützlichste ist gesorgt, nun kömmt das Steckenpferd an die Neihe. Sie begegnen dabei auch uicht so viel Schwierigkeiten, denn stir's Erste legen sie keinen eigenen Weinberg an, sondern ziehen am Hause oder im Garten an Spalieren Weinreben, die sie jedes Jahr langsam vermehren. Sie haben im Orte mehrere geschickte Küfer, die ihnen die nöthigen Gebinde billig besorgen; und was das Nichtigste ist, die S. Leopoldeuser trinken ihren eigenen Wein am Ende lieber als den vielfach gefälschten portugiesischen und Rhein- und Moselwein, mit welchem die gefälligen Kaufleute sie zu euormen Preisen versorgen. Und Durst haben die Deutschen in Brasilien so viel wie daheim; nur haben sie dort mehr Geld, so daß sie ihn im Weine statt im Kar-toffelschnaps löschen können. Aus dem, was ich Euch über die Feld- uud Garteufrüchte gesagt, könnt Ihr leicht abnehmen, was für Euch am einträglichsten ist. Der beste Maßstab dafür bleibt immer, sich im Aufauge gauz nach der in der Gegend herrschenden Weise zu richten. Dadurch lernt man ihre Vortheile und auch ihre Nachtheile kennen, die denn ein kluger Mann nach und nach abstellen oder verbessern wird. Aber für den Anfang lasset alles Versuchen; den frifcheu Einwanderer plagt die Sncht, Alles auf die gewohnte deutsche oder schweizerische Weise eiuzurichteu, uud er verliert dadurch viel kostbare Zeit, Mühe uud Geld. Glaubt mir, die allererste Negel ist, sich uach den ältern angesesseneu Leuten zu richten; die wissen, im Allgemeinen am besteu, was gut uud passeud ist, und ihr Gedeihen beweist das. Aber die zweite und eben so wichtige Negel ist, nicht im Schlendrian zu verharren, in welchen Fehler die meisten Ansiedler verfallen. Der deutende Landmann wird bald erkennen, daß selbst der beste Boden sich erschöpft, wenn er immer nur abgeerntet und 9?.9 Dreizehnter Abend. niemals gedüngt wird; er wird begreifen, daß die LandeZsitte, immer wieder neuen Wald zn schlagen nnd die erschöpften Gründe ausruhen zn lassen, endlich scholl den Sohn so weit znrückb ringen muß, daß er gar keinen Wald und lauter erschöpftes Land besitzt, während bei vernünftiger Wirthschaft das Stück Kolomeland von 100 bis 160,000 lH Klaftern zur Ernährung von wenigstens 6 Familien hinreicht nnd dabei noch fo viel Wald bleibt, um das nöthige Ban-und Brennholz Zn liefern. Dazu gehört vor Allem aber eine Reform in der Viehzucht, und ich bin wirklich erfreut, wiederholt sagen zn können, daß in S. Leopold» sich da ein erfreulicher Geist zur Verbesserung der land-wirthfchaftlichen Znstände in höchst praktischer Weise gezeigt hat, von dem zu wünschen ist, daß die übrigen Kolonien ihn zum Muster nehmen möchten. Ganz besonders mochte ich den Directionen^der Kolonien Sta. Catharina's rathen, aus allen Kräften darauf hinzuwirken, daß der Viehstand derselben gehoben werde. Sie haben zwar manchmal mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, das Vieh des Hochlandes dorthin zu bringen, aber kann dieß überhanpt geschehen, so ist nicht abzusehen, warum es nicht in größerem Maßstabe so geschieht, daß die Direction selbst den Känfer macht nnd den Kolonisten gegen Ratenzahlung die einzelnen Stücke abläßt. Die Anlage von Neiden ist in D. Francisca nicht schwieriger als in Sta. Crnz, nnd doch haben beide Kolonien, die von gleicher Lebensdauer und fast ganz gleicher Ginwohllerzahl sind, einen ungeheuren Unterfchied im Viehstande aufzuweisen, wie folgende Tabelle zeigt. D, Francisca. !^l> ^ta. <