W' 44502 Separat-Abdruck aus den «Mittheilungen d. Musealvereines f. Krain», 1898. Das Arehiv der Herrsehaft Ortenegg in Unterkrain. Von stud. iur. VVladimir Levec. Einer freundlichen Einladung des jetzigen Besitzers von Ortenegg, Herrn J o h. Bapt. Kosi er, dem ich an dieser Stelle hiefiir meinen verbindlichsten Dank abstatte, Folge leistend, gewann ich im Sommer 1896 ins dortige Herrschaftsarchiv Einsicht. Der verhaltnismafiig geringe Archivsbestand ist in einer Parterre-Raumlichkeit untergebracht, ziemlich iibersichtlich geordnet und zerfallt in dreizehn Abtheilungen. Abtheilung I enthalt Normalien und Patente von ca. 1750 an bis 1811 iiber folgende Gegenstande: Justitialia, Pupillarrechnungen, Oeconomica, Stiftungen und Armensachen, Publica ecclesiastica, Publica politica und Steuerregulierung. Abtheilung II enthalt Normalien u. a. aus derselben Zeit iiber Militaria, den Steuerregulierungscataster, Sanitats- sachen, Gewerbsgegenstande und Polizeisachen. Unter den Sanitatssachen findet man zwei altere Laibacher Drucke aus der Mayr’schen Officin, namlich «Wohlbewehrt- und approbirte Recept oder Mittel ftir die ietzt grassirende Vieh-Kranckheit. Gedruckt zu Leybach. Im Jahr Christi 1683_,» klein 4°, und «Oesterreicherische Vieh-Ordnung aus denen von herrschaft- lichen Wirtschaffteren wegen anno 1729 und 1730 grassirten Viehes-Umfall eingereichten Berichten gezogen ... von einer landesfiirstlichen hohen Obrigkeit heraus gegeben ... ■> Abtheilung III umfasst Normalien von ca. 1750 bis 1811 iiber Bancalia, Weindatzsachen und Recrutierung. Abtheilung IV wird von Normalien aus gleicher Zeit, betreffend Cameralia, Schulangelegenheiten, Taxwesen, Mis- cellanea in politicis und StraBenacten, gebildet. Abtheilung V. enthalt das vveitaus interessanteste Material. Abgesehen von Normalien und einigen Acten in Z bo02A'i 2 Unterthans-, Wald-, Schul- und Kirchensachen, sowie betreffs Epidemien (ebenfalls ca. 1750 bis 1811) finden wir einige deutsche und slovenische Grenzbeschreibungen des Ortenegger Landgerichtes — Abschriften aus herrschaftlichen Urbarien — nebst andern landgerichtlichen Aufzeichnungen, sowie ziemlich umfangreiche Acten aus der Zeit der franzosischen Occupation in Krain. Eine ausfuhrlichere Darstellung des Ortenegger Landgerichtes an der Hand einer Karte behalte ich mir fur spatere Zeiten vor; fiir diesmal nur einige kurze Notizen. Nach der Bestimmung des Stockurbars fur Ortenegg vom Jahre 1589 hatte dieHerrschaftOrteneggbei Malefizpersonen nur die Voruntersuchung zu fiihren, zur endlichen Aburtheilung und Vollziehung des Urtheils mussten diese jedoch «an dem gewondlichen Ort* ins Hoch- und Landgericht Reifnitz ge- liefert werden. 1 Dieser gewohnliche Auslieferungsort lag bei 1 Das Stockurbar sagt: Hochgericht. Bei derherrschaft Orten- eckh ist der gebrauch allwegen also erhalten worden, wann ain ver- dachte malefizperson alda einkhomen, so hat man dieselb alda erstlich fur recht gestelt und gerechtfertigt. Da nun genuegsamb auskundig ge- macht, das dieselb malefizisch, dann hat mans an dem gewondlichen ort in das hoch-und landtgericht Reifnitz iiberantwort, dannOrteneckh hat khain hochgericht nie gehabt, darbey soli es noch hin- furan gelassen werden. — Ganz am Schlusse des Urbars heifit es: Landtgericht. Bey der landtgerichts gerechtigkhait mag sich der inhaber dieser herrschaft Ortenegkh wie von alter herkhumen und bis her gebreuchig gewest, handthaben. — Unerklarlich ist, dass Ortenegg die Titel Herrschaft und Landgericht fiihrte, wahrend es doch nicht im Besitze der (hohen) Blutgerichtsbarkeit sich befand, die ein wesent- liches Kriterium der niederen Landgerichte ist. Uberhaupt scheint das gleiche bei mehreren krainischen Herrschaften der Fali gewesen zu sein, so dass die Titel «Landgericht* und «Herrschaft* nicht immer — wie in der Regel — identisch sind. Der Instanzenschematismus vom Jahre 1801 zahlt in Krain und kais. Istrien 74 Herrschaften auf, und wir wissen aus anderen Quellen, dass um die Mitte des 17. Jahrhunderts in Krain (und Istrien) nur 42 bezw. 43 Landgerichte vorhanden waren. Man vergleiche auch Valvasor XI. 4: «Diese Schlosser nun und Herr- schafften sind zum Theil defi hohen Gerichts berechtiget, welches man Jus gladii zu betiteln pfleget, theils aber miissen sich mit einem Land-Gericht, doch ohne Stock und Galgen, befriedigen.» 3 der Terdanischen Miihle (im heutigen Dorfe Žlebič) 1 in der Mitte des Steges, der tiber das kleine, daselbst fliefiende Bachlein Tržišča fiihrte. Ein bemerkenswerter Streit entspann sich betreffs dieser Auslieferungen 1660. Am 15. Juli des genannten Jahres wurde durch den kais. Bannrichter in Krain, Hans Floriantschitsch, zu Ortenegg die Margaretha Maroldtin, weil sie ihr Kind auf Anrathen ihres Galans getodtet und unter einer Dresch- tenne begraben hatte, nach Art. 131 der Carolina zum Tode durchs Schwert verurtheilt und die Herrschaft Reifnitz gebeten, die Missethaterin durch die Gerichtsleute zu tibernehmen, «seitemahlen von alters hero gebreuchig die tatter, so das leben verworgt haben, der herrschaft Reifnitz in ansehung des aldort habenden hochgerichts zu liffern und dieselben an ge- wohnlichen orth bey des Terdan mul in der mitten des steigs und des pachels an den landtgerichtsconfinen zu iibergeben*. Graf Trillegkh erwiderte, er wolle der Herrschaft Reifnitz an ihren Gerichtsrechten durch Ubernahme der Maroldt nichts derogieren lassen, «dann ich sihe nit, khombt auch nichts fiir, dass nach Ortenegkh einiches landtgericht gebiirn solle»; nicht nur die Plinrichtung, sondern auch schon die Aburtheilung sei sein, als des Landgerichtsherrn von Reifnitz, Recht. Er verweigerte wegen dieser Anmafiung der Ortenegger Herr¬ schaft die erbetene Ubernahme. Die Herrschaft Ortenegg berief sich zur Vertheidigung auf einige Pracedenzfalle, in denen 1 Die Miihle war schon 1699 seit langer Zeit verfallen und von ihr nurmehr «die rudera oder stegk» zu kennen. Nur ein 50 Jahre alter Zeuge, Hansche Grabner, erinnerte sich damals, dass man ehemals daselbst Verbrecher ins Reifnitzer Landgericht geliefert hatte. Die Grenze scheint tibrigens gerade an diesem Punkte zwischen den beiden Landgerichten strittig gewesen zu sein. So liefi z. B. der Inhaber von Reifnitz, Georg Andreas Graf von Trillegkh, 1700 den Ortenegger Grenzstein «bei der Terdanischen Muhi na Tersizfe* verrucken. Schon in friiheren Jahren sowie auch nach 1700 war die Miihle Gegenstand vonProcessen. Vergl. auch meine Notiz in den »Izvestja muz. društva za Kranjsko* VII. (1897), S. 65 fg. 4 bereits Personen zu Ortenegg «torquiert und gereckht*, und erst, wenn sie als malefizisch erkannt waren, ausgeliefert worden seien, sowie auf ahnliche Ubung bei anderen Herrschaften, die ebenfalls kein Hochgericht hatten, z. B. Veldes (Hochgericht Radmannsdorf), Neuhaus (Hochgericht Krainburg), Billichgraz und Loitsch (Hochgericht Laibach), Pettau (Hochgericht Stadt Pettau), Burg Cilli (Hochgericht Stadt Cilli), Herrschaft Ponigl (Hochgericht des «herrn von Gaisrukh in dem Ambt Cerouitsch»), Eggenberg (Hochgericht Graz) u. s. w. Ferner sei ein jeder solcher Landgerichtsherr kraft Art. 6 der Landgerichtsordnung befugt, wider ein verdachtige malefiz person ad eruendam veritatem mit der peinlichen frag zu verfahren und dieselbe torquieren zu lassen». Die Sache wurde im giitlichen Wege geschlichtet, indem sich Graf Liechtenberg als Inhaber von Ortenegg seiner landgerichtlichen Rechte begab, Trillegkh hingegen die Maroldtin ubernahm, doch fand die Auslieferung, weil die Grenze bei der mehrgedachten Miihle strittig war, nicht bei dieser, sondern auf den Ackern des Nicolaus Stu- peza, zwischen Preska und Hudikonec, statt. 1 — Ein zweiter interessanter Process spielte sich 1733 ab. Lucia Rotterin von 1 Die entscheidenden Stellen des Vertrags lauten: «... (haben sich) dahin verglichen und verstanden, dass sich nemblichen gedachter herr von Liechtenberg freyherr . . . hiemit nit nur allein pro hic et nune sondern ins kiinftig und fiir allezeit dergleichen furkherender judicatur und erforderung des kay: panrichters auch schopf und geschiers genzlichen begibt.wann etwo auf hinfiiran ein verdachtige und der malefizthat bezuchtigte person, weliche nicht auf wahrer that i. e. in flagranti er- griffen und durch zeugen in instanti iiberwisen werden mochte, in das orttenegkherische landtgericht in verhaft gezogen werden solte und des faeti nicht gestendig sein, wie auch ob sy malefizisch und also in das reifnizerische landtgericht zu iiberantvvorten seye oder nicht, gezweifelt wurde, hat ime (Trillegkh) herr freyherr von Liechtenberg per expressum vorbehalten, ob und was gestalt nemblichen er herr von Liechtenberg freyherr mit einer solichen person . . . zu verfahren befuegt seye eintweder durch vorgangene actus furderlich et summarie zu erweisen oder sich de piano vor der lob: landtshaubtmanischen stoli gerichtlichen entschaiden zu lassen salva tamen partium appellatione.« 5 Hoflern wurde bei der Herrschaft Ortenegg wegen Aber- glaubens angeklagt Ein gewisser Matthaus Mahne von Hoflern gieng namlich in Gesellschaft des Andre Zweth mit vvelscher Ware nach Steiermark und bemerkte unterwegs einen Ab- gang an Geld. Er beschuldigte Zweth, ihm das Geld ent- fremdet zu haben. Seine Frau bat nun Lucia Rotterin und Nescha Kouatschitschin, sie mogen Mahne zu seinem Gelde verhelfen. Die beiden Weiber wussten sich ein Stiickchen vom Kleide des Zweth zu verschaffen, und von dieser Stunde an hielt er es nicht mehr zu Hause aus. Es ergriff ihn eine sonderbare Wanderlust, bis er alles verzehrte und ganz erschopft und «miserabel» zuriickkam. Das Stiickchen Tuch steckte Lucia Rotterin in ein «topollouu dreu» (topolovo drevo = Pappel), worauf ein furchtbares Unwetter liber Hoflern niedergieng. In Ansehung des lange ausgestandenen Arrestes wurde Lucia Rotterin ad terrorem aliorum verurtheilt, an drei Feiertagen wahrend der heil. Messe, in der einen Hand eine brennende Kerze, in der anderen ein Crucifbc, vorderOrtenegger Schlosskapelle zu knien. Nescha Kouatschitschin musste als Mitschuldige und die beiden Eheleute, weil sie sich eines so aberglaubischen Mittels bedient hatten, stehend, mit einer brennenden Kerze in der Hand, der heil. Messe beiwohnen. Hingegen wurde Andre Zweth wegen seiner Betriigereien unter die von der Herrschaft Ortenegg zu stellenden Recruten gesteckt. Ein sehr beachtenswertes Material in dieser Abtheilung bilden, wie envahnt, die Acten der Mairie Soderschitz, deren Maire der damalige Ortenegger Herrschaftsbesitzer, Benjamin Graf Liechtenberg, war. Hauptsachlich sind es Cor- respondenzen mit vorgesetzten Behorden und angrenzenden Mairien; sie betreffen die verschiedenen Steuern, das Gemeinde- budget, die Fiihrung der Civilstandesregister, die Formen der biirgerlichen Trauung, Kuhpockenimpfung (befohlen durch einen Erlass des Delegue fiir Unterkrain, Freiherrn v. Taufferer, 6 ddto. Neustadtl, 30. April 1811), Tabakanbau 1 u. a. Viele Acten beziehen sich auf Aushebung von Recruten; ja, von der "dasse de 1811» sind sogar die gezogenen Losnummern mit den Namensvermerken auf der Riickseite vorhanden. Ebenso hat sich die Conscriptionsliste von 22 Recruten aus dem Jahre 1812 erhalten. Sie wurden wohl den »Chasseurs illyriens» zugetheilt und marschierten mit diesen nach Russland, um das Schicksal der «grofien Armee» zu theilen. Von allgemeinerem Interesse diirften einige auf das franzosische Amtsblatt «Telegraphe officiel» bezugnehmenden Stucke sein. Die Mairien mussten dieses abonnieren, und zwar auf Grund folgenden Erlasses: Nr. 3896. Neustadtl, den 30. December 1810. Mein Herr Maire ! Da das in Laibach herauskommende offizielle Zeitungsblatt der Telegraph, dessen Verbreitung selbst das hohe Gouvernement unterstiitzt, allerdings besonders fur offentliche Beamte oder fur die Insassen ge- bildeter Klassen interessant ist, so habe ich die Ehre, nicht nur Sie zum Abonnement auf dieses Blatt oder zur Fortsetzung desselben einzuladen, sondern Sie auch zu ersuchen, das gesagte Blatt in Ihrer Gemeinde aufs Beste zu empfehlen. Ich habe die Ehre, Sie meiner besonderen Achtung zu versichern. Der Delegue von Unterkrain: Taufferer m. p. Das Jahresabonnementvon 20 Francs wurde aufRechnung der Gemeindecasse von der zustandigen Perceptur entrichtet und portofrei an die Direction des «Officiellen Telegraphen» eingesendet. Das Amtsblatt musste im Bureau der Mairie auf- bewahrt werden. — Als der Wunsch geaufiert wurde, den •Telegraphe* auch in italienischer Sprache erscheinen zu lassen und der Generalgouverneur dem zustimmte, wurden die Maires im April 1812 aufgefordert, diesfallige Liebhaber 1 Man beabsichtigte, entsprechend dem kais. Decretvom 24. Mai 1812, die Regie in den Stand zu setzen, sich mit inlandischem Tabak zu versehen. 7 unverweilt auszuforschen. — Im Jahre 1812 wollte Ingenieur Palma eine Karte aller illyrischen Provinzen herausgeben Diese «nach achten Quellen und geschatztesten Werken» be- arbeitete Karte solite aus vier grofien Blattern bestehen und aulier Illyrien noch Bosnien, die Herzegowina und Montenegro enthalten, »alles nach den genauesten Aufklarungen und den Nachrichten der bewahrtesten Reisenden, die in den letzten Zeiten jene Lander durchstreiften*. Der Subscriptionspreis betrug bis zum 15. April 1812 10 Francs, spaterhin 15 Francs, und war durch die Postdirectoren einzusenden. An den traurigen Winterfeldzug Napoleons nach Russ- land 1812 erinnert folgender kurzer Erlass: Nr. 2377. Neustadtl am 28. Augusti 1812. Mein Herr Maire ! Jch habe Ihnen ein Exemplar des 10. Bulletins der grofien Armee mit dem Ersuchen mitzutheilen, selbes an das Municipalhaus anzuheften und die Insassen Ihrer Gemeinde von unserm Waffengluck zu benachrichtigen. Ich habe die Ehre, Sie mit vorziiglicher Achtung zu grufien. Der Deldgud von Unterkrain: Taufferer m. p. Zu beachten sind die zahlreich erhaltenen Polizeirapporte, die laut Erlasses des Delegue von Unterkrain vom l.Janner 1812 alle 14 Tage erstattet werden mussten; sie melden iibereinstimmend die vollste Zufriedenheit der Bevolkerung mit der franzosischen Verfassung, was nicht unglaublich ist, namentlich da mit Neujahr 1812 der Unterthanigkeitsverband seines offentlich-rechtlichen Charakters entkleidet wurde. Noch im Jahre 1813 wurde auf Grund des Gesetzes vom 17. Floreal des Jahres 8 die Einfiihrung einer Amtskleidung fur' den Maire und dessen Adjuncten geplant. Die Maires hatten ein blaues Kleid und eine rothe, mit dreifarbigen Fransen versehene Scharpe, die Adjuncten eine gleiche Kleidung, jedoch eine rothe, mit weiften Fransen besetzte Binde tragen sollen. Zur Einfiihrung kam es nicht, im Herbste des genannten Jahres erfolgte die osterreichische Riickeroberung Krains. 8 Abtheilung VI enthalt Processacten zwischen Orten- e gg er Unterthanen und fremden Herrschaften. Eine darin vorfindliche slovenische Eidesformel aus dem Jahre 1700 habe ichin den «Izvestja muz. dr. za Kranjsko» VII. 1. c. veroffentlicht. Abtheilung VII enthalt Actenstiicke liber Verpachtung von unterthanigen Grundstucken, Militarentlassung, Bestra- fungen von Unterthanen u. a. mehr. Abtheilung VIII umfasst verschiedene Robotsbe- schwerden, einige jiingere Robotsregister, Zehentstreitig- keiten u. a. In Abtheilung IX finden wir zunachst Kirchen- rechnungen aus den Jahren 1676 bis 1720, sowie andere die Venvaltung der Ortenegg zugewiesenen Kirchen betreffende Actenund Normalien. Laut einer Kirchenrechnung war Pfarrer zu Gutenfeld 1676 Michael Beltram (auch schon 1653), Cooperator Jakob Zhubey (Zhuber?) und Vicarius zu La- schitsch Georgius Oplenizh. Abtheilung X. Hier haben wir zunachst ein rectificiertes Stiftsregister von 1757 und einen Urbarsextract aus derselben Zeit zu verzeichnen. — Auf ein beachtensvvertes Institut machen die die sog. purgarji betreffenden Actenstiicke aufmerksam. Die Herrschaft Ortenegg unterhielt — angeblich «seit jeher* — sog. Inwohner oder Burger (purgarji), die 1820 aus acht Familien bestanden. Sie hatten die verschiedensten Arbeits- leistungen zu verrichten, wie Botengange, 1 Reinigung des 1 Einem Briefe des GrafenBenjaminLiechtenberg(ddto.ll.Marz 1830) gemafi bekamen sie fiir einen Gang nach Neustadtl 30 kr., nach Laibach 20 kr.; wurden sie nach Hallerstein, das mit Ortenegg zugleich im Be- sitze Liechtenbergs war, geschickt, erhielten sie dort die Verkostigung; sonst denihrem Ausbleiben entsprechenden Betrag. Einer anderen Version nach war ein Botengang nach Laibach gleichzuachten dem nach Neustadtl oder Adelsberg, ein Botengang nach Schneeberg dem nach Gottschee, Nadlischek, Auersberg oder Zobelsberg, und ein Botengang nach Reifnitz dem nach Laserbach, Oblak, Laschitsch, Gutenfeld, Dolina, Soderschitz, Neustift und jedem minderen Botengang in der kleinsten Distanz bis Virje unter Ortenegg. 9 - Schlosses, der Wasche, Einfuhr von Getreide, Heu u. s. w kurz, sie versahen die Stellen von herrschaftlichen Dienstboten. Als Entgelt wurden ihnen Wohnstatten und Grundstiicke unmittelbar unter dem Schloss 1 angewiesen — der Platz zwischen Schloss und Meierhof heiftt noch heutzutage burga, obwohl von den Biirgerkeuschen nurmehr eine einzige steht und auch diese in Kurze abgetragen werden wird. Ferner erhielten sie ein Deputat in Getreide und Geld, sowie einige Weide- und Waldnutzungen. 2 Nach dem Jahre 1848 ergaben sich mit diesen purgarji die verwickeltesten Processe, indem sie theils Eigenthum, theils verschiedene Servituten an den ihnen iiberlassenen Grundstilcken behaupteten. Ferner finden wir in Abtheilung X verschiedene Ver- trage, z.B.den Kaufvertrag, demzufolge Benjamin Graf Liechten- berg mit Riicksicht auf seine uberaus precare materielle Lage Ortenegg um 56.000 fl. Metallmiinze an Johann Kosler, priv. Handelsmann in Wien, am 14. Janner 1820 verkaufte; 3 1 Ein einziger Burger hatte seine Keusche ziemlich weit vom Schlosse entfernt, in Hudikonec Nr. 5. 2 Etwas Ahnliches findet man in Polen und Schlesien im Institute der narocznicy (vom Worte rok = das Jahr; da nun jedes Jahr auf der Burg Gericht abgehalten wurde, so hiefi auch die Burg rok; na- rocznicy bedeutet also Burgdienstboten). Die narocznicy waren besondere zur Dienstleistung fur die in der Burg wohnenden Ritter angestellte Personen, die rings um das Castell Grundstiicke zu ihrer Ernahrung erhielten. Ihrer Beschaftigung nach zerfielen sie in verschiedene Classen: Stallbedienstete, Gartner, Winzer, Fischer, Jager, Vogelsteller, Handwerker verschiedenster Art, wie: Backer, Koche, Maurer, Drechsler, Schmiede u. s. w. Sie sind hochstwahrscheinlich aus dem Sclavenstande hervor- gegangen, befanden sich in einem scharferen Unfreiheitsverhaltnisse und standen unter einem Vorsteher, der pstresto hiefi. Die Organisation verschwand spatestens im Anfange des 13. Jahrhunderts. Vgl. dariiber ausfiihrlicher Rachfahl, Gesammtstaatsentwickelung Schlesiens (Schmol- lers Staats- und socialwissenschaftliche Forschungen, Bd. XIII, Heft 1) S. 26 fg., woraus ebenfalls vorstehende Daten entnommen wurden. 3 Beim Verkaufe hatte Ortenegg 88 Hufen, 2 Hofstatten, 74 Keuschler und Untersassen, sowie mehrere unterthanige Miihlen. Auf dem Schloss- 10 ferner den Pachtvertrag vom gleichen Datum, mittelst dessen der Reifnitzer Notar und Bezirksrichter Matthaus Loger Ortenegg von Kosler zunachst auf sechs, spater noch auf drei Jahre um den Pachtschilling von 3000, beziehungsweise 2300 fl., pachtete u. a. Abtheilung XI enthalt auf Jagd und Fischerei be- ztigliche Acten. — Noch 1827 befanden sich Hirsche bei der Kirche von Grofipolland; am 11. October 1831 wurden beim Dorfe Graben unter dem Schlosse Ortenegg drei Baren erlegt, darunter eine junge Barin vom Inhaber J. Kosler selbst. — Fischteiche hatte die Herrschaft drei (im Jahre 1820), davon zwei in der Luknja, einen bei Virje; dazu kam der Brutteich im Trebež. Den Bestand dieser Teiche bildeten nach Ver- zeichnissen aus den Jahren 1773 bis 1794 Karpfen, Hechte und Schleien. — AuGerdem befinden sich in der Abtheilung XI Acten ilber Grenzstreitigkeiten und Grenzberichtigungsvertrage mit Reifnitz von 1705 bis 1831. AbtheilungXII bewahrtWaldprocesse,die sich groGten- theils auf den Wald «Šoba» oberhalb Polland beziehen (von 1645 an). Abtheilung XIII endlich enthalt Patente in landwirt- schaftlichen Angelegenheiten, Grundbuchssachen, Forstwesen (darin ein spaterer Druck der steiermarkischen Waldordnung von 1781), sammtlich den Zeiten Maria Theresias und Josefs II. angehorig. Ferner liegt in dieser Abtheilung das Exhibiten- Protokoll der Herrschaft Ortenegg vom Jahre 1848, worin folgende Nummern von Belang waren: Exh. Nr. 49. — 31. Marž 1848. — Verfiigung des Bezirkscommis- sariats Reifnitz hinsichtlich der Einqnartierung der Sicherheitsmannschaft. Exh. Nr. 50. — 3. April 1848. — Ansuchen der Herrschaft Ortenegg um Abberufung der Militarassistenzmannschaft. Urbarien finden sich in Ortenegg folgende vor: das Stockurbar vom 6. Februar 1589, bei Gelegenheit des Verkaufes berge befand sich ein Miihlsteinbruch, in dem jahrlich etwa zwolf Steine gebrochen wurden. Daher tragt auch der Berg den Namen Žrnovec vom asi. žrtinovu, adj. molae (Miklosich, Lex. pal. 200). 11 von Ortenegg an die Briider Christoph und Franz von Muschkan (Moscon) ausgestellt; ferner Urbarien aus den Jahren 1593 bis 1598 (bemerkenswert durch seinen Einband,zwei Pergament- blatter, Reste eines Missales, 13. Jahrhundert), 1655, 1665 bis 1669, 1671 bis 1680, 1675 bis 1679 (der Einbandriicken gebildet von Resten eines lateinischen Missales auf Pergament, 13. Jahrhundert), 1676 bis 1682, 1683 bis 1690, 1691 bis 1698, 1699 bis 1706, 1708 bis 1714, 1731 bis 1737, wovon einige slovenische Landgerichts-Grenzbeschreibungen enthalten (vgl. Abtheilung V). Aus der gegebenen kurzen Ubersicht geht hervor, dass das archivalische Material in Ortenegg iiber 1650 — mit Ausnahme der Urbarien — nicht zuriickreicht. Reich ist die Patentensammlung, und ein Vergleich mit jener des krainischen Landesmuseums wiirde moglichenveise einige neue Stiicke zu- tage fordern. Erwahnen muss ich noch, dass der ehemalige Bestand an Pergamenturkunden vor Jahren ins krainische Landes- museum gelangte. Die Regesten davon hat Elze in den Mittheilungen des historischen Vereines fiir Krain, 1861, S. 61, veroffentlicht. Laibach, den 19. Februar 1898.