W i I hel m Brandenste i n H A U P T - U N D N E B E N F L U S S Die Beziehung von Ortsnamen zueinander, insbesondere bei Flüssen beschäftigt mich seit längerer Zeit; ich notiere, daß auch von anderen gestreift worden ist, so z. B. von Milko Kos, Eberhard Kranzmayer, Ernst Schwarz. Aus Zeitmangel vermag ich aber das Problem nur zu präzisieren und vor allem darauf hinzuweisen, daß neben den geographischen Bedingungen auch stammesgeschichtliche Einflüsse wirksam sind. Vollzieht sich eine Siedlungsbewegung stromaufwärts, so kommt es nicht selten vor, daß sich das Gewässer in zwei ungefähr gleichstarke Quellflüsse gabelt. Es lag nahe, sie durch Zusatznamen zu charakterisieren. Im Gebirge ist ein gewisser Hellig- keitsunterschied recht häufig, den das namengebende Volk, in übertreibender Schwarz- Weiß-Manier, durch die Adjektiva »schwarz« und »weiß« festhält. Wir haben z.B.: Schwarze und Weiße Regen (Bayrischer Wald) Schwarze und Weiße Rienz (Pustertal) Schwarze und Weiße Walster (bei Mariazell, Stmk.) Schwarze und Weiße Sülm (Südsteiermark) Schwarze und Weiße Koros (Siebenbürgen) Schwarzer und Weißer Drin (Jugoslawien/Albanien) Daneben gibt es noch andere Charakterisierungen, die ebenfalls auf den gebir- gigen Charakter der Flußtäler hinweisen: Warme und Kalte Moldau (Böhmerwald) Warme und Kalte Pastritz (Böhnierwald/Bayrischer Wald) Stille und Kalte März (Obersteiermark) Andere Adjektiva zeigen: Dürre und Schnelle Ager (Salzkammergut) Feldaist und Waldaist (Oberösterreich) Manchmal ist dieselbe Bezeichnung auf zwei Sprachen verteilt: Bölitz und Weißenbach münden bei Ischl zusammen! Der wichtigste Fall ist aber jener, in welchem bei der entscheidenden Flußgabel ein Fluß deutlich kleiner ist und daher als Nebenfluß aufgefaßt werden kann. Daß es sich auch hier um ein Aufwärtswandern des Flußnamens handelt, zeigt die Erlaf, die sich höher oben in eine Große und Kleine Erlaf gabelt: Im Altertum war nur 20 Slav. revija 301 e i n e Arelape »Adlerache« bekannt. Die Beispiele dieser Gattung häufen sich in auffallender Weise in Oberösterreich und den angrenzenden Gebieten. Wir haben: Gr. und KL Rodl in Oberösterreich Gr. und KL Gusen in Oberösterreich Gr. und KL Naarn in Oberösterreich Gr. und KL Mühl (Oberösterreich) fließen parallel in die Donau Gr. und KL Tulln (Niederösterreich) fließen parallel in die Donau Gr. und KL Iper in Niederösterreich Gr. und KL Kamp in Niederösterreich Gr. und KL Krems in Niederösterreich Gr. und KL Sölk in der Obersteiermark Gr. und KL Vils in Bayern zur Donau Gr. und KL Kokel in Siebenbürgen ( ! ) KL Donau, Nebenarm der Donau bei Bratislava Es ist bemerkenswert, daß das Bayrische in den genannten deutschsprachigen Gebieten keine Diminutivbildung versucht hat; es dürfte dies damit zusammenhängen, weil das Diminutivsuffix -lein n i c h t aus einer Zugehörigkeit erwachsen ist und weil ihm daher der relative Charakter abgeht: en Häusl ist ein absolut kleines Haus, im Rahmen der allgemeinen Gattung »Haus«. Ganz anders im Slawischen. Hier vermag z. B. das Suffix -ica erst durch seine Zugehörigkeit die Kleinheit auszudrük- ken (das Zugehörige ist das Kleinere!). Daher konnte der Nebenfluß durch -ica charakterisiert werden. Wir haben, meist von vorslawischen Namen, im einstigen und jetzigen slawischen Gebiet z. B. Islitz, Nebenfluß der Isel (Osttirol) Ybbsitz, Nebenfluß der Ybbs in Niederösterreich Miirz, Nebenfluß der Mur in der Steiermark Gailitz, Nebenfluß der Gail (Osttirol) Savica, Nebenfluß der Sava (Slovenien) Krcica (deutsch Görschitz), Nebenfluß der Krka, alt Korkoras (Slovenien) Das Suffix -nica wird verwendet: Rabnitz, Nebenfluß der Raab (Burgenland) Die Form -nika zeigen: Steyrling. Nebenfluß der Steyr (urkundlich Stirnich : Styra) Weidling(-bach) mündet parallel zum Wienfluß in die Dönau Auf einen engen Raum begrenzt sind die Bildungen mit -inja: Savinja, Nebenfluß der Sava (deutsch Sann : Save) Dravinja, Nebenfluß der Drava (deutsch Dran : Drau) Mislinja, Nebenfluß der Meia (deutsch Mies : Mißling) zur Donau Im Keltischen haben wir Brigach (alt Brigana, Brichena, vgl. Förstemann, Altdeutsches Namenbuch11 II, 571 a) und Brege, die Quellflüsse der Donau. Bei den illyrischen Namen kenne ich nur ein Beispiel, das wir Schwarz ver- danken: Kysuca, Nebenfluß des Cusus (heute Waag) in der Slowakei (aus *Kusantia). Vielleicht ist hier noch Neyrling zu erwähnen, wenn es sich dabei um den Nebenfluß des alten (illyrischen) Noaros handelt (*novarïnâ > *nûrinâ); aber bei diesem Beispiel hat mir der hochverehrte Jubilar brieflich recht schwerwiegende Einwände gemacht, sodaß es bis auf weiteres zurückzustehen hat. N a c h t r a g . E. Dickenmann, Studien zur Hydronymie des Savesystems (Buda- pest 1939 ff.) weist S. 30 darauf hin, daß »der mit Deminutivsuffix versehene Name . . . in der Regel den Nebenfluß« bezeichnet, u. zw. neben -ica auch noch -ac in ähnlicher Funktion. Der Verfasser will im 4. Heft seiner Arbeit noch weiter darauf eingehen. Eine Musterung seines :. Wörterbuches der Gewässernamen« ergibt noch folgende Beispiele, die oben fehlen: Breganica, Nebenfluß der Brega (S. 62); Bunica, Nebenfluß der Buna (S. 73); Drinica, Nebenfluß der Drina; Glinica, Nebenfluß der Glina (S. 121); Krapinica, Nebenfluß der Krapina (S. 191); Kupica, Nebenfluß der Kupa; Neretvica, Nebenfluß der Neretva; Kutinec, Nebenfluß der Kutina (S. 205); vgl. russ. Donee : Don; Pakra : Pakrac, Una : Unac (S. 30). Graz, August 1950. P o v z e t e k Avtor ugotavlja, kako si jezik pomaga pri označevanju rečnih imen, kadar se reka cepi na dvoje. Vprašanja zaradi pomanjkanja časa ne obravnava, le natančneje ga postavlja in opozarja, da je razen zemljepisnih okoliščin treba upoštevati tudi narodoslovne vplive. V gorovju jih večkrat ločijo v »črne« in »bele«, »tople« in >mrzle«, »poljske« in »gozdne« ipd.; včasih sta rokava dobila celo imeni iz dveh različnih jezikov: Bölitz ( = Belica) — Weißenbach (Gor. Avstrija). Najvažnejša pa je ločitev po velikosti, kjer je večji rokav »véliki«, manjši pa :mali«; v nemščini sufiksalnih manjšalnih imen na -lein v takih imenih ni, so pa zelo pogostna v slovan- skih jezikih, n. pr. na -ica, -niča, -niha, -inja. Pri ilirskih imenih je po Schwarzu ugotovljen en sam primer: Kysuca pritok Cususa (danes Waag) na Slovaškem (iz *Kusantia). Avtor za sedaj še umika drugi primer, ki bi morda sodil sem, Neyrling, če je to res pritok starega ilirskega Noarosa (*Novarinü > nùri na), ker mu je zelo spoštovani slavljenec sporočil v pismu tehtne pomisleke.