H SO. Fünfter Jahrgang. SO. Juni KHO^. Wohin? (Nach dcm Slovcuischeu dcs F. PrcZcrn, von . „Ah, siehe da, also junge Frau!" dachte der Oberst ^ bei sich und drehte sich unwillkürlich die Spitzen seines ^ Schnurrbartes höher auf. „ssin reizendes Weibchen! — l wer sie nur sein mag?" ! Der Herr Oberst war unverheiratet, und für alte Hage» ^ stolze gibt es gewöhnlich nichts Pikanteres, als eine junge ^ Frau, zumal wenn sie ohne ihre schlechtere Hälfte reift. Das Kammermädchen bezahlte dcm Postillon ein sehr 103 reichliches Trinkgeld, wie sich aus dessen ehrfurchtsvollen Hutschwcnkungen entnehmen ließ, und während dessen schlüpfte ihre Herrin wie ein junges Reh in die Hausthür hinein; vorher aber flog noch ein Mal ein ganz verstohlener Vlick, der indessen dein aufmerksamen Obersten nicht entgehen konnte und ihm sehr schmeichelhaft war, zu ihm hinauf. Mit äußerst vergnügtem Gesichte zog er sich vom Fcn-ster zurück und nach kurzem innern Zwiespalte klingelte er der Bedienung. Gleich darauf erschien der Wirth selbst, der dadurch einmal seinen kostbaren Gast hoch zn ehren dachte und andrerseits nicht gut fortbleiben konnte, da cr ltur über ein Stubenmädchen verfügte, das eben ein Zimmer für die fremde Dame heizte. > „Wollen Sie mir gefälligst eine Flasche Burgunder besorgen,« bestellte der Oberst, und alö der Wirth sich mit einem tiefen Komplimente verbeugte, fuhr cr fort: „Sie haben wohl eben Besuch bekommen, liebster Herr Wirth? — Wahrscheinlich eine Dame vom Lande, die zum Valle hereinkommt?" „Das glaube ich kaum, Herr Oberst," war die devote Antwort. „Die Damen sind mir ganz unbekannt, also wohl nicht auS dieser Gegend) indessen h.,t die eine mir aufgetragen, dem Herrn Lieutenant von W. sogleich wissen zu lassen, daß eine nahe Verwandte von ihm angelangt sei, die ihn so bald als möglich zu sprechen wünsche." Der Oberst verstummte und sein Gesicht zog sich in saure Falten, denn aus der Bekanntschaft des Lieutenants mit der Dame konnte sich für ihn gerade nicht viel Ersprieß» licheö ergeben, auch war es ihm gar nicht licb, daß er keine Aussicht hatte, sie auf dem Balle zn sehen, auf dem er ihr bereits den ersten Tanz zugedacht hatte. „Ich werde ihr aber sogleich daS Fremdenbuch vorle« gen und dann ungesäumt dem Herrn Obersten Bericht er-fiatten," meinte der dienstfertige Wirth nud zog sich mit einem tiefen Komplimente zurück. „O es pressirt gar nicht so," rief ihm der Oberst nach, — „wenn Sie indessen die Güte haben wollen, — in einer kleinen Stadt iuteressirt jeder bedeutungslose Umstand. Der gute Vrigadekommandcur, vor dem zwei Negi» menter mit acht Eskadronschefö und vier Mal so vicl Lieutenants zlttcrten, konnte sich einer geheimen Unruhe nicht crmehren, wenn er jetzt au die schöne Fremde und ihren Verwandten, den Lieutenant von W., dachte. Zehn Minuten später erschien der Wirth wieder mit sehr geheimnißvoller Miene und dem aufgeschlagenen unsau» bcren Fremdenbuche in der Hand. „Wenn der Herr Oberst gütigst einen Vlick hier hinein thun wollen," flüsterte er mit vieler Nichtsthuerei. „Ich habe diesen Namen wirklich noch nie gehört." Und er las: „Name und Stand: Auguste von Blasewitz, vcrwit-wcte Rittergutsbesitzer»!!. Woher? — Provinz Sachsen. Wohin? — noch unbestimmt, da ich zu meinem Vergnügen reise. Dauer des Aufenthaltes: — zwci , bis drei Ta^e. Dl'snevsckaft.' — ?i»e Kammerfrau." Der Wirth sah den Obersten fragend an, worauf dieser sich aber begnügte, ihm kurz zn danken. „Sie muß sehr reich sei,,, denn sie hat dem Mädchen, das ich zu Herrn von W. geschickt habe, einen Thaler Trinkgeld geneben," setzte der edle Gastgeber mit einem schlauen Blicke hinzu. „Nun schon gut, das kann mich nicht weiter interes» siren, denn ich kenne die Dame auch nicht," meinte der Oberst. „Ich danke Ihnen bestens." „Witwe, Güter in der Provinz Sachsen, sehr reich? — hm, das läßt sich denken," philosophirte er für sich, als er wieder allein war und sich das erste Glas Burgunder einschenkte. „Eine allerliebste kleine Frau! -— wenn sie nur nicht mit dem verd— W. verwandt wäre!" Wir müssen hier noch bemerken, daß der Herr Oberst keineswegs reich war, denn er bezahlte noch an einigen klei« nen Schulden aus seiner Lieutenantszeit her; dem weiblichen Geschlechte war cr nie abgeneigt gewesen und der Gedanke an'ö Heiraten war ihm schon oft genug durch den Kopf ge» spuckt, aber dabei war immer ein großer Haken gewesen, nämlich eine Frau zu finden, die Schönheit, Jugend, Liebenswürdigkeit und vor Allem Reichthum in ihrer Person i vereinige. Seit einiger Zeit hatte er sich solcher Gedanken freilich schon entschlagen zu müssen geglaubt, denn der grauen Haare waren immer mehr geworden und Aussichten auf Er« ! füllung seiner Wünsche damit immer weniger, — nun aber hatte der verschämte Blick der reizende« Frau von Blascwitz ^ die Kohlen seines fünfzigjährigen Herzens wieder leise angehaucht, und alö der Burgunder daraus zischte, zuckten die blauen Flämmchen an vielen Stellen empor. „Warum nicht?" ! dachte er, noch ein Mal vor den Spiegel tretend und sich ! die Vartspitzen drehend. „Man könnte wenigstens den Ver» z such machen, — ich wollte jetzt, die Geschichte mit dem ! W. wäre mir gestern nicht passirt!" — Aber die Geschichte mit dem W. war nun einmal passirt und ließ sich nicht mehr rückgängig machen; das Nachdenken des Obersten ergab i das Resultat, daß er gegen den Lieutenant recht freundlich ! sein wolle, wenn dieser seine schöne Verwandte auf den Ball führte, was ja nicht verhindere, daß er später ruhig seinen Arrest absitze, und daß er sich nicht um ihn kümmern ! wolle, wenn die Dame nicht erschiene, z Selten wohl hatte der Oberst mit solcher Sorgfalt z und Peinlichkeit seine Toilette gemacht, als an diesem Abende; j kcin grauer Schimmer in Bart und Haar brach verrätherisck ^ durch, der Schnurrbart stand wie zwei Dolchspitzen in die ! Höhe und die Taille war zum Zerspringen eingepreßt: that ' irgend etwas der Eleganz Eintrag, so war es nur die steife ! hohe Binde, die ungeschickten Dienstiporcn und die weißen ^ Waschlederhandschuhe. Er war mit sich zufrieden, als er ^ mit seinem dieustergebcnen Adjutanten die Treppe hinabstieg, ^ um sich in den Vallsaal zu begeben. (Fortsetzung folgt.) 104 Die Poesie im /amilicnkrei». (Schluß.) Außer der gemeinsamen, verjüngenden Freude geht aber auch den Eltern, welche die „Hauepoesic" nicht achten, eine werthvolle Gelegenheit verloren, für die Erziehung ihrer Kinder thätig zu sein. Zunächst entgeht ihnen die Möglichkeit, die ästhetische Ausbildung der Ihrigen zu überwachen und zu leiten. Trotz aller modischen Vorurtheile bleibt es dabei, daß die Kunst des Lesens die wahre liberale Kunst ist, die jeder Gebildete vor 'Allein erlernen und üben sollte. Neben den bedeutendsten Erlebnissen, welche der fromme Sinn als Erziehungsmittel der Vorsehung ansieht, bilden die Bücher, welche auf uns einwirken, die Epoche machenden Ereignisse des Menschenlebens in der Modernen Zeit und die Kunst, die fremden Geisier der Bücher auf die eigene Seele wirken zu lassen, obne sich in täglich neue Sklavenkettcn zu schmiegen, ist eine der uothwendigslen, mit denen ein echter Mensch ausgerüstet sein muß. Und zu dieser Ausrüstung des jungen Geschlechtes wollten die Eltern nichts beisteuern? Selbst da, wo die Schule, die unter ihren vielen Pfleglingen dem Einzelnen nicht immer ganz gerecht werden kaun, für das richtige Verstehen uud schöne Lesen der Schriftwerke alles Mög* liche leistet, so daß jedes einzelne Kind die todten Buchstaben des Buches sinngetreu und anmuthuoll zu beleben weiß, selbst da hat das Lesen im Familienkreise einen unersetzlichen Werth. Nur i.n traulichen Beisammensein, wo selbst das Ausgclachtwcrden uicht schmerzlich berührt, faßt das Kind Muth, die Unklarheiten und Bedenken zu äußern, die sich ihm wie ein Alp aufdrängen und zuweilen die schönste Dichtung in ein quälendes Räthsel verwandeln. Eine Er-' fahrung statt vieler möge zeigen, was bei solchen Anlässen in manchem Kinde vorgeht. Schiller's' Taucher wurde gelesen. Nach einer athemlosen Pause folgten bewundernde Ausrufe über den Heldenmut!) des Jünglings und neugierige Fragen über die Naturgeschichte der Mecrungethüme. Dann wurde das Gedicht noch -in Mal verlangt. Auch jetzt saß nach dem Vorlesen ein siebenjähriger Knabe stlllsinncnd da uud ließ tiefe Beklommenheit merken; endlich wagt er sich hervor. „Aber wie war es mit dem König? Kam der nicht wieder auf den Felsen?" — Warum? — „Nun, es musi ihn doch gedauert haben; er war ja Schuld, daß der Knappe um's Lebeu kam; er muß doch ost au's Meer gegangen sein und gedacht haben: hättest du doch nicht wissen wolle», wie cs da drunten aussieht!" — So offcubart das Kind beim Lcsen im Schooße der Familie die innersten Tiefen seiner Seele. Aufmerksame Eltern werden dabei fast immer die Wahrheit von Goethe's Wort bestätigt finden: „Als Kinder siud wir alle moralische Nigoristen." Bedarf cs noch des auöführlichcn Nachweises, daß solche Lcscstuudcn unter Leitung verständiger Eltern, welche den Goethe'schei, Siunspruch: „Jedes Gedicht soll etwas lchreu, aber uumerklich," als Negel befolgen, zu nutzrcichen Lehr« stuudcu, zu wahren Hauöandachten werden können? — Nur noch eine Frage zum Schluß. Kaun die schöne Sitte, die Poesie zum Schmucke der häuslichen Geselligkeit zu machen, eine Sitte, die den Familien so manchen Segen spendet, auch der Poesie förderlich sein? Der Geist der Familie war ja uic ohne Einwirkung auf die schönen Künste. Könnte vielleicht das Bewußtsein, daß im Familienkreise dem Dichter ein freundlicher Empfang zu hoffe» sei, welcher dcu stummen Verkehr mit dem einsamen Leser und selbst das Auftreten in einem glänzenden Salon an gemüthlichem Reize weit übertrifft, könnte dieses Bewußtsein uicht ermunternd und förderlich auf den schaffenden Dichter wirken? Der Salon hat seine eigene Literatur hervorgerufen; wahrscheinlich vermöchte das auch die schlichte Familie. Vielleicht mehrte sich durch ihren Einfluß die Zahl der Schöpfungen, welche schlichte, reinmenschlichc ni,d volksthümliche Motive mit Natürlichkeit, Klarheit und Innigkeit und mit edler Popularität so behandeln, daß sie, wie Voß vom Homer sagt, von der Jugend mit Lust und vom Alter mit Andacht gelesen werden. Möge indeß diese Frage auf sich beruhen! Bleibt doch das sicher, daß wir den vollendeten Dichtern kaum schöner danken können, als wenn wir sie als Ehrengäste in den geheiligten Kreis der Familie einführeu und ihre Werke der Jugend als nationale Kleinode durch lebendige Ueberlieferung vererben. B. S. Eine tropische Dlume. Dieser Tage begaben sich viele Blumenfreunde zum Herrn Landtafel>Direktor I. v. Nedange, um einen t^»6tu8 g-rnnlli- Noru8 zu bewundern, der nach siebenjähriger Pflege zum ersten Male drei große, prachtvolle Blüthen getrieben I hatte. Das Eigenthümliche dieser Cactusart ist, daß sie biuuen wenigen Stunden auf- und verblüht, und daß man in dieser Zeit den ganzen Naturprozeß verfolgen kann. ! Zuerst öffnen sich die unscheinbaren äußeren Hüllblätter, ihueu folgen die gelblichen innern, bis sich endlich das herrliche Blüthenwunder enthüllt und zugleich ein vanilleartiger, ! st.nkcr Duft der geöffneten Blume entströmt. Die uuf einem ! dicken, mehrere Zoll langen Stengel sitzende Blume ist vi"l« ! leicht 7—9 Zoll breit, was im Verhältniß zu der ganzen' Pflanze riesig zu nennen ist. Diese Cactusart ist besonders auf Jamaika und den Antillen zu Hause. Wenn man so i beim Kerzenlichte die seltsame Pflanze mit der wundervollen ! Blüthe betrachtete uud den starken, angenehmen Dust ein« sog, überkam es cincn, als hörte mau von einem fremden Wunderlaude erzählen — ein Gefühl, das den Besitzer des ^ Cactuö für die siebenjährige blüthenlose Zeit entschädigen ! dürfte. Literatur. DaS jüngste Heft des Familienbuchs des österr. i Lloyd rciht sich würdig an seine Vorgänger au. Ein ün-! uiges Gedicht: zwei Blumen, eröffnet den Neigen. Dar-! auf folgt ein einfaches, aber treu nach der Natur gezeich« ! nctes „Stück mährischen Dorflebens" , dem sich ! interessante „Erinnerungen an den Staatsstreich ! L o u i s N ap o l e o n s" von Schmidt Weiße» fels anschlie« i ßen. Sehr anziehend geschildert sind auch die „Bilder aus dem klassischen Alterthum" uon dem in diesem Gebiete so bewanderten Dr. A. Woltersdors, sowie , eine Episode aus Beethoven's Leben, von Mar Ning. ^ Den größeren Beiträgen stehen kleinere Aufsätze, wie: „o r g a->lische Beimengungen des Wassers und der Lnft" , Vorurtheile gegen gewisse Thiere ,c. ^ wohl an Umfang, uicht aber au Gehalt nach. Die artistischen Beilagen : derFclsblock der h c i l i g e n K a t l) a« rina , der Schutzengel und der N aucher sind dicßmal ! besonders gelungen. — Druck uud Verlag von Ign. v. Klcinmayr 35 F. Bamberst in Laibach. — Verantwortlicher Ncdactcur F. Vamberg.