Wo die Vergangenheit spricht: Kinder und Jugendliche in Archiven Christian KRUSE, Dr. Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, Abteilungsleiter, München, Schönfeldstraße 5, Deutschland e-mail: christian.kruse@gda.bayern.de Where the Past Speaks: Children and Young People in Archives ABSTRACT In Germany, archives have for decades been a place of learning for schools. The past speaks directly to schoolchildren through the documents in the archives and the detailed individual cases that may be seen there. In Bavaria, the emphasis was placed on working with fourth to sixth-formers, principally on the project "Archives and the School". In addition, for several years efforts have been made to gain children's interest in events in archives. Cooperation with the Museum Pedagogical Centre in Munich has proved its value here. Dove il passato parla: bambini e giovani in archivio SINTESI In Germania gli archivi sono stati per decenni un luogo di apprendimento per le scuole. Il passato parla diret-tamente agli studenti attraverso i documenti d'archivio ed i dettagliati casi individuali che possono venir visti la. In Baviera e stata posta particolar enfasi al lavoro con bambini dai quattro ai sei anni, principalmente con il progetto Archivi e scuole. Inoltre, per molti anni sono stati fatti sforzi per ottenere l'interesse dei bambini per gli eventi negli archivi. La cooperazione con il Centro del museo pedagogico di Monaco si e rivelata qui di grande valore. Kjer govori preteklost: otroci in mladina v arhivih IZVL^EČEK V Nemčiji so arhivi že desetletja kraj za učenje. Preteklost nagovarja učence neposredno preko arhivskih dokumentov in v njih opisanih posameznih konkretnih primerih. Na Bavarskem je bil poudarek na delu z učenci srednje in višje stopnje, predvsem v okviru projekta „Arhiv in šola". Poleg tega potekajo že nekaj let prizadevanja za to, da bi za dogodke v arhivih pridobili zanimanje otrok. Pri tem se je za posebej uspešno izkazalo sodelovanje s Pedagoškim centrom muzeja v Münchnu. Wo die Vergangenheit spricht: Kinder und Jugendliche in Archiven A^BSTRA^^T Archive sind in Deutschland seit Jahrzehnten ein Lernort für Schulen. Aus den Dokumenten der Archive und den dort sichtbaren konkreten Einzelfällen spricht die Vergangenheit unmittelbar zu den Schülern. In Bayern lag das Schwergewicht auf der Arbeit mit Schülern der Mittel- und Oberstufe, vor allem beim Projekt "Archiv und Schule". Daneben wird seit einigen Jahren versucht, bereits Kinder für Veranstaltungen in Archiven zu gewinnen. Hier hat sich die Zusammenarbeit mit dem Museumspädagogischen Zentrum in München bewährt. Archive sind in Deutschland seit Jahrzehnten ein Lernort für Schulen. Wenn Schulen einen abwechslungsreichen, quellennahen Geschichtsunterricht anstreben, bietet sich für sie die Zusammenarbeit mit Archiven an. Denn Archive haben einen großen Vorteil: Aus den bei ihnen verwahrten Dokumenten und den dort sichtbaren konkreten Einzelfällen spricht die Vergangenheit unmittelbar zu den Schülern. Christian KRUSE: Wo die Vergangenheit spricht: Kinder und Jugendliche in Archiven, 153-161 Der besondere Reiz der Archivalien, den ich der Berufskollegenschaft nicht erläutern muss, ist, dass es sich um die originale Überlieferung handelt und nicht nur um eine fotografische Wiedergabe oder eine virtuelle Abbildung im Internet, so vielfältig die Nutzungs- und Vergrößerungsmöglichkeiten dort sind. Mit dieser Pergamenturkunde wurde vor Jahrhunderten ein Rechtsgeschäft besiegelt, ein Frieden geschlossen, eine Prinzessin verheiratet. Dieses Schreiben in älteren Akten wurde mit Tinte geschrieben, gefaltet und gesiegelt von der Post versandt, vom Empfänger geöffnet, gelesen und in der Regel nicht nur ad acta gegeben, sondern ihm folgte eine Antwort, eine Entscheidung. Damalige Lebenswirklichkeit, damaliges Denken und Verhalten, das häufig von dem unseren abweicht, wird dokumentiert. Es ist schon faszinierend, auf einem Schriftstück die eigenhändige Unterschrift beispielsweise von Napoleon Bonaparte in Händen zu halten, an der mög icherweise noch etwas Streusand klebt: Geschichte wird in so einem Moment unmittelbar. Es ist eine Art Reise in die Vergangenheit. Diesen Blick für das Besondere der Archivalien sollten wir behalten, nur so können wir ihn Außenstehenden, Erwachsenen wie Kindern und Jugendlichen vermitteln. Aber nicht nur die äußere Form, auch der Inhalt vieler Dokumente der großen Politik und des Alltagslebens können für Jugendliche und Kinder spannend sein, insbesondere, wenn sie Gleichaltrige aus der nahen oder ferneren Vergangenheit betreffen. Jede Archivarin, jeder Archivar wird die Erfahrung gemacht haben, dass man relativ leicht bei Archivbesuchern und auch und gerade bei Kindern und Jugendlichen durch das Vorlegen von Archivalien eine Faszination erzeugen und sogar Gefühle hervorrufen kann. Natürlich bedürfen diese Dokumente in der Regel der historischen Einbettung und Erläuterung. Auch hierfür sind Archivarinnen und Archivare die richtigen Ansprechpartner, weil sie nicht nur über historische Kenntnisse, sondern auch über Spezialkenntnisse verfügen, von den historischen Hilfswissenschaften bis zur Dokumentenkunde, von der Verwaltungs- und Behördengeschichte bis zu Kenntnissen zum Papierzerfall und den unterschiedlichen Methoden, diesem entgegenzuwirken. Die Grundvoraussetzungen für eine enge und konstante Zusammenarbeit zwischen Archiven und Schulen sind also gegeben. Die Praxis sieht jedoch häufig anders aus, insbesondere wenn man die große Zahl der Schulen und der Schülerinnen und Schüler bedenkt, die ein Archiv besuchen könnten, es aber nicht tun. Der Kontakt der Archive zu den Schulen ist kein Selbstläufer, er muss ständig gesucht und aktualisiert, am Leben erhalten werden. In welchem Umfang man dies tun kann, hängt auch davon ab, wie viel Zeit man für diese Aufgabe zur Verfügung stellen kann. Ich muss nicht erläutern, dass die Öffentlichkeitsarbeit nur eine zentrale Aufgabe neben vielen anderen Kernaufgaben der Archive ist, die in der Regel in unseren Archivgesetzen aufgeführt werden und hier nicht wiederholt werden müssen. Wer es jedoch versäumt, das Interesse der heutigen Jugend zu gewinnen, dürfte in der Zukunft ein noch größeres Wahrnehmungsproblem bekommen als es jetzt schon besteht. Archive stehen bekanntlich nur selten im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Im Folgenden gebe ich einen kursorischen Überblick über die Zusammenarbeit der staatlichen Archive und der Schulen in Bayern in den letzten 15 Jahren1. In Bayern lag das Schwergewicht der Zusammenarbeit des Bayerischen Hauptstaatsarchivs und der acht regionalen Staatsarchive mit Jugendlichen bisher auf der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern der Mittel- und Oberstufe der Gymnasien. Klassen der Mittel- bzw. Hauptschulen, der Realschulen oder gar der Grundschulen besuchten die staatlichen Archive weitaus seltener, ein Bereich, in dem ein deutlicher Nachholbedarf herrscht. Traditionelle Felder der Zusammenarbeit richten sich in Bayern seit etlichen Jahrzehnten auf zwei Zielgruppen: - auf Geschichtslehrerinnen und -lehrer der Gymnasien, teilweise bereits in der Ausbildung, dem Referendariat, beginnend, und - auf Schülerinnen und Schüler der Mittel- und vor allem Oberstufe der Gymnasien. Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrern wurden und werden immer wieder Fortbildun- 1. Zum Stand im Jahr 2001 siehe: Michael Stephan, Das Kooperationsprojekt „Archiv und Schule"zwischen Kultusministerium und Archivverwaltung, „Archive in Bayern", 1(2003), pp. 303-317. Christian KRUSE: Wo die Vergangenheit spricht: Kinder und Jugendliche in Archiven, 153-161 gen in den Staatsarchiven und in Institutionen der Lehrerfortbildung angeboten, in denen die Zuständigkeit, die Aufgaben und die Arbeitsweise der Archive erläutert und ein Überblick über die verschiedenen Archivalientypen gegeben werden. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem Gespräch über die Eignung einzelner Quellentexte für den Unterricht, insbesondere den Geschichtsunterricht, auch wenn andere Fächer wie die Fremdsprachen, Geographie und Biologie durchaus ebenso denkbar wären. Dabei hat es sich als wertvoll erwiesen, mit den Lehrkräften auch über mögliche Hürden zu sprechen, die einer unmittelbaren Nutzung der Archivalien im Wege stehen. Sie beginnen bei den handschriftlichen Dokumenten, da in Deutschland die bis Mitte des 20. Jahrhunderts übliche deutsche Schreibschrift ohne Schulung nur noch von wenigen gelesen werden kann. Probleme bereiten aber auch heute weitgehend unbekannte Verwaltungs- und Rechtsbegriffe, die der Erläuterung bedürfen, aber nicht vom eigentlichen Thema ablenken sollen. Häufig ist Hintergrundwissen erforderlich, um einen Text verstehen, richtig einordnen und bewerten zu können. Zudem wird von den Lehrkräften der Aufwand von Archivrecherchen meist unterschätzt: Nicht zu jedem erwünschten Thema sind Archivalien entstanden und überliefert. Selten ist der erste ermittelte Text bereits so aussagekräftig, dass er sich für die Arbeit mit Schülern eignet. Durch die Fortbildungen soll vor allem erreicht werden, dass Lehrkräfte auf die Archive aufmerksam werden, mit ihren Schülern im Rahmen des Unterrichts in die Archive kommen und diese dabei in erster Linie mit originalen Quellentexten der Archive und daneben auch mit den Archiven selbst bekannt machen. Entsprechende Veranstaltungen sind laufend erforderlich, um die nachwachsende Lehrergeneration zu erreichen und auch die zu motivieren, die bisher den Kontakt zu den Archiven wegen des damit verbundenen Aufwandes gescheut haben2. Die für beide Seiten mit dem geringsten Aufwand verbundenen Gelegenheiten für eine Einbeziehung der Archive in den Schulunterricht sind der Besuch von archivischen Ausstellungen, die thematisch zum Lehrplan passen, und der Besuch der Archive selbst. Bei Ausstellungsbesuchen ist es ratsam, dass man sich auf die Erläuterung einer weniger Exponate beschränkt, dabei deren Besonderheit hervorhebt und versucht, einen Bezug zu den Jugendlichen herzustellen. Dies kann dadurch gelingen, dass man Schüler direkt anspricht und Fragen stellt oder provoziert, so dass möglichst ein Dialog entsteht. Wenn man sich die Aufmerksamkeit erhalten möchte, geht Intensität vor Quantität, sind wenige Schlaglichter einem umfassenden Panorama vorzuziehen. Allerdings werden die Archivalien in Ausstellungen in der Regel hinter Glas ausgestellt. Ausstellungsführungen haben daher den Nachteil einer gewissen Distanz. Man sieht die Archivalien vor sich, es ist aber nicht viel anders als im Internet. Man kann die Archivalien nicht in die Hand nehmen, sie nicht riechen, kann das Geräusch des Auffaltens und Umblätterns nicht hören. Archiv- und insbesondere Magazinführungen bieten derartige Möglichkeiten. Bereits der Umfang der Archivregale und die unterschiedlichen Formen der Lagerung beeindrucken auch Jugendliche. Sinnvoll ist bei Magazinführungen - wie bei den Ausstellungsführungen - die Präsentation einiger weniger ausgewählter Archivalien, bei denen Auge, Ohr und Geruchssinn angesprochen werden. Dabei halte ich persönlich es für gerade noch vertretbar, das Pergament von weniger bedeutenden, unbeschädigten Urkunden des 16. bis 18. Jahrhunderts, wie zum Beispiel Schuldscheine oder Güterübergaben, und gut erhaltenes Hadernpapier gleichförmiger Akten des 18. Jahrhunderts mit der gebotenen Vorsicht anfassen zu lassen. Das Besondere des Anfassendürfens und die unterschiedliche Bedeutung der Archivalien können ja dadurch betont werden, dass sämtliche übrigen Archivalienbeispiele nur gezeigt und nur vom Archivar mit Baumwollhandschuhen angefasst werden. An derartige Erlebnisse werden sich Kinder und Jugendliche weit stärker erinnern als an Ausstellungsführungen. Bestan-dserhalterisch korrekter wäre es selbstverständlich, neues Pergament und Hadernpapier in die Hand zu geben. Der Reiz des Originals entwickelt sich längst nicht nur bei Archivalien von hoher historischer Bedeutung. Es wäre daher meiner Ansicht nach verfehlt, bei Führungen nur Spitzenstücke zu zeigen. 2. Vergleiche Erfahrungsberichte in: "Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns", 11(1976), p. 6; 12(1976), p. 5; 25(1983), p. 5; 41(1997), pp. 18-19; 52(2006), pp. 20-21; 57(2009), pp. 36-37; 60(2011), pp. 48-49; 63(2012), p. 35. Die Artikel können ab Heft 46(2002) in Internet eingesehen werden: www.gda.bayern.de unter der Rubrik Publikationen (last visit on 2013 June 13). Christian KRUSE: Wo die Vergangenheit spricht: Kinder und Jugendliche in Archiven, 153-161 Es könnte sonst der falsche Eindruck entstehen, im Archiv würde nur Spektakuläres verwahrt. Wenn man den Reiz des früher Alltäglichen hervorhebt, lässt sich der Bezug zu unserem heutigen Alltag meist leichter herstellen. Auf großes Interesse gerade auch bei Schülerinnen und Schülern stößt der Besuch der archivischen Restaurierungswerkstätten. Hier eignen sich besonders die Bereiche, in denen in kurzer Zeit ein Restaurierungserfolg sichtbar wird, etwa die Papieranfaserung oder die Konservierung und Restaurierung von Wachssiegeln. Das Bayerische Hauptstaatsarchiv ist sinnvollerweise dazu übergegangen, bei Führungen die Arbeitsschritte nicht an Originalsiegeln, sondern an vorher zerbrochenen Siegelnachbildungen vorzuführen. Die Papieranfaserung wird weiterhin an Originalen demonstriert. Ein neuer Weg der Zusammenarbeit wurde seit 1997 mit dem Projekt „Archiv und Schule" beschritten, das vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Archiven Bayerns entwickelt wurde3. Primäres Ziel war es, neue Unterrichtsmodelle zu erproben und auch die Archive als Lernort zu berücksichtigen. Nach einem Vorprojekt im Schuljahr 1997/1998 erhielt seit dem Schuljahr 1999/2000 in jedem der acht bayerischen Bezirke der Ministerialbeauftragten für Gymnasien4 eine Lehrkraft die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit Archiven Unterrichtseinheiten mit starkem Quellenbezug zu entwickeln und allen Schulen zur Verfügung zu stellen5. Im Gegenzug wurde in allen acht bayerischen Archiven jeweils eine Archivarin, ein Archivar als Ansprechpartner des Projektes „Archiv und Schule" und der Schulen insgesamt benannt, eine Regelung, die sich bewährt hat. Die Ergebnisse wurden spätestens seit 2002 unter der Adresse www.historisches-forum.de im Internet zugänglich gemacht, so dass alle Interessierten, nicht nur Lehrkräfte, darauf zurückgreifen konnten. 2006 standen auf diese Weise immerhin 46 Unterrichtssequenzen zur Verfügung6. Inzwischen lautet die Internetadresse www.historisches-forum-bayern.de (last visit on 2013 June 13), die vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) in München betrieben wird. Hier werden in zwei Rubriken zahlreiche Unterrichtskonzepte mit Materialien zur Verfügung gestellt. Unter der ersten Rubrik „Archivprojekte in Bayern - Fundus" werden die Unterrichtskonzepte und Materialien, d.h. in der Regel Archivalien, für 18 Unterrichtsprojekte vorgehalten (37 Dokumentationen), die sämtlich im Rahmen des Projektes „Archiv und Schule" entstanden sind. In ungefährer zeitlicher Reihenfolge handelt es sich um folgende Themen: - Mittelalterliche Stadtverfassung - Die Reformation in der Oberpfalz - Säkularisation am Beispiel des Karmelitenklosters in Straubing - Karten und Pläne zur Geschichte Mainfrankens - Bayern zwischen 1815 und der Reichsgründung 1871 - Der Münchner Odeonsplatz als Ort der Geschichte - Die Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung in Nürnberg 1848 - Hitler in Traunstein - Akten der Gestapostelle Würzburg - Die Olympischen Spiele 1936 im Spiegel der Augsburger Nationalzeitung - Die Reichspogromnacht in der Oberpfalz - Pläne zur Gettoisierung der Juden in Augsburg und Schwaben 1940/1941 - Die Stunde Null in Bamberg - Die Nachkriegszeit in Mellrichstadt - Die Nachkriegszeit in der Oberpfalz. Unter der zweiten Rubrik „Archivprojekte ab 2010" sind sieben Unterrichtsprojekte einsehbar, 3. Zu näheren Einzelheiten siehe vor allem Michael Stephan (wie Anm. 1) sowie aus der Konzeptionsphase Peer Frieß, Schüler forschen im Archiv, „Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns", 40(1996), p. 4. 4. Ihre Sprengel entsprechen - bis auf Oberbayern - den sieben bayerischen Regierungsbezirken. Oberbayern ist wegen der Größe in die MB-Bezirke Oberbayern-West und Oberbayern-Ost geteilt. 5. Vergleiche die Erfahrungsberichte zum Projekt "Archiv und Schule", "Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns", 42(2000), p. 14; 46(2002), p. 17; 52(2006), pp. 20-21; 53(2007), p. 27; 59(2010), pp. 28-29; 63(2012), p. 35. 6. Nach Michael Stephan, Archivpädagogischer Lehrgang in München, „Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns", 52(2006), pp. 20-21. Christian KRUSE: Wo die Vergangenheit spricht: Kinder und Jugendliche in Archiven, 153-161 die ebenfalls jeweils aus Unterrichtskonzepten mit Materialien (33 Dokumentationen) bestehen. Enthalten sind folgende Themen: - Die Stadt im Mittelalter - Die „Neue Synagoge" in Bad Kissingen - Bismarck-KUlt in Bad Kissingen - Kaiserkult in Freising 1913 - Julikrise und Kriegsbeginn 1914 im Spiegel der Tagespresse - Der Erste Mai - Männer- und Frauenbilder in der Anzeigenwerbung seit der Mitte des 20. Jahrhunderts. Deutlich wird, dass sich das Themenspektrum inzwischen geändert hat. Bei den älteren Projekten standen noch die Zeit des Nationalsozialismus und die Nachkriegszeit mit acht von 18 Themen im Vordergrund, gefolgt von je zwei Themen der politischen Geschichte des 19. Jahrhunderts und der Kirchengeschichte. Bei den neueren Projekten lassen sich außer zwei Themen zur Personenverehrung (Kult) und zwei Themen zu der Zeit vor 100 Jahren keine Schwerpunkte feststellen. Die Themenänderungen mögen an den Vorlieben der jeweiligen Bearbeiter liegen, sie können auch ein Spiegel gewandelter universitärer Forschungsschwerpunkte mit einer stärkeren Betonung der Kultur-, Rezeptions- und Geschlechtergeschichte sein. Im Zusammenhang mit der Reform der gymnasialen Oberstufe in Bayern endete das Projekt „Archiv und Schule" im Juli 2011 mit dem Ende des Schuljahres 2010/2011. Insgesamt kann man festhalten, dass das Projekt durchaus erfolgreich war. Ein Beispiel kann dies belegen: Im Regierungsbezirk Oberpfalz wurden in den Jahren 2000 bis 2011 von Lehrkräften acht Unterrichtssequenzen zu Themen erarbeitet, die zeitlich von der Reformation bis zur Nachkriegszeit reichten. Diese acht Unterrichtssequenzen wurden im Staatsarchiv Amberg innerhalb des genannten Jahrzehnts von immerhin 38 Schülergruppen genutzt. Einschließlich der Informationsveranstaltungen für Lehrer, Referendare und Studierende fanden im Staatsarchiv Amberg im Projektrahmen insgesamt 77 Veranstaltungen statt7. Natürlich hätte man dem Projekt und den Unterrichtssequenzen eine noch größere Resonanz gewünscht, andererseits können sich durchschnittlich sieben Veranstaltungen pro Jahr in einem Staatsarchiv sehen lassen, denn auch die Zeitkapazitäten der Kolleginnen und Kollegen des Staatsarchivs Amberg sind begrenzt. Durch die neue gymnasiale Oberstufe endeten 2011 auch die Leistungskurse der letzten beiden Jahrgangsklassen, in denen ein vertiefter Unterricht möglich war, und die sogenannten Facharbeiten der Schülerinnen und Schüler. Facharbeiten waren eigenständige Arbeiten mit einem wissenschaftlichen Anspruch, beginnend bei der richtigen Zitierweise, zu deren Anfertigung Schülerinnen und Schüler regelmäßig auch in die Archive kamen, um nach Quellentexten zu ihrem Thema zu suchen. Es entstanden dabei durchaus beachtliche Ergebnisse, die das Engagement und Interesse der jungen Erwachsenen dokumentieren. Für die Archivare waren die Schüler eine neue Benutzergruppe, die überwiegend positiv aufgenommen wurde, auch wenn oft zu Beginn um die Lektüre der einschlägigen wissenschaftlichen oder heimatkundlichen Literatur gebeten werden musste, um vorab einen Rahmen für das Verstehen und Einordnen der ermittelten Quellentexte zu schaffen. Mit der neuen gymnasialen Oberstufe (11. und 12. Klasse) wurden zwei Seminartypen eingeführt, - das wissenschaftspropädeutische Seminar (W-Seminar) und - das Projekt-Seminar zur Studien- und Berufsorientierung (P-Seminar). Es ist hier nicht der Ort, die beiden neuen Seminarformen im Einzelnen zu erläutern. Ein paar Hinweise mögen genügen: Beide Seminarformen sind einem Unterrichtsfach zugeordnet, das von den Schülerinnen und Schülern frei gewählt werden kann. Das W-Seminar widmet sich einem bestimmten Thema; die Schülerinnen und Schüler müssen zu Teilaspekten dieses Themas eine schriftliche Seminararbeit vorlegen, deren Inhalt sie abschließend präsentieren. Das W-Seminar soll „forschendes Lernen" fördern und zu „selbständigem wissenschaftlichen Arbeiten" anleiten. Im Rahmen der Vorbereitung können bei einem entsprechenden Thema auch Archive besucht werden. Im P-Seminar 7. Till Strobel, Lehrerfortbildung zum Abschluss des Projektes „Archiv und Schule" im Staatsarchiv Amberg, „Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns", 63(2012), p. 35. Christian KRUSE: Wo die Vergangenheit spricht: Kinder und Jugendliche in Archiven, 153-161 erarbeiten die Schülerinnen und Schüler in einem Jahr ein Projekt gemeinsam mit außerschulischen Partnern, zu denen auch Archive gehören. Das Seminar soll dazu dienen, dass die Schülerinnen und Schüler „schon während der Schulzeit praxisnahe Erfahrungen sammeln", sich mit der eigenen beruflichen Zukunft auseinandersetzen und „das für eine verantwortliche Studien- und Berufswahl notwendige Orientierungswissen" erwerben. Durch die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern sollen auch „die Selbst- und Sozialkompetenzen der jungen Erwachsenen" gefördert werden8. Durch die Reform wurde die Zusammenarbeit von Archiven und Schulen im Bereich der beiden Abschlussklassen auf diese beiden neuen Seminartypen verlegt. Erste Erfahrungen liegen bereits vor: So widmete sich ein W-Seminar eines Gymnasiums aus dem Münchner Umland, das vom Staatsarchiv München betreut wurde, dem Thema „Wurzeln und Aufstieg des Nationalsozialismus des Nationalsozialismus in München". 15 Schülerinnen und Schüler informierten sich 2010 unter Leitung der Geschichtslehrerin bei der Archivarin, die im Staatsarchiv München für den Bereich der Zusammenarbeit mit Schulen zuständig war, über die Archivarbeit und anhand von ausgewählten Findbüchern und Akten über das gewählte Thema9. Weitere Schritte waren dann schulintern. Aufwändiger ist für beide Seiten der Betreuungsaufwand eines P-Seminars. Als Beispiel soll das P-Seminar eines Gymnasiums ebenfalls aus dem Münchner Umland dienen. Im Rahmen des Biologieunterrichtes entwickelte das P-Seminar eine Eingangssequenz für die Ausstellung „WaldGeschichten. Forst und Jagd in Bayern 811-2011", die sich - anders als die sich in einem zweiten Raum anschließende wissenschaftliche Ausstellung - direkt an Schüler von 10 bis 18 Jahren wandte. Die Ausstellungssequenz, die den ganzen ersten Ausstellungsraum umfasste mit einem nachgebauten Jagdhochsitz als Blickpunkt, erläuterte unter anderem die natürliche Waldentstehung, die Fotosynthese, Wildtiere und Pflanzen im Wald, den Wachstum eines Baumes mit Jahresringen und die Waldnutzung und Waldzerstörung. Ausgestellt wurden einerseits Übersichtstafeln und eine Versuchsanleitung der Photosynthese, andererseits ausgestopfte Tiere und verschiedene Nadelbaumzapfen, die jeweils angefasst werden durften. Es erschien dazu ein Begleitheft, das von den Schülern geschrieben und von Archivseite redigiert und finanziert wurde10. Der Betreuungsaufwand für das Bayerische Hauptstaatsarchiv und die Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns war hoch. Während der Ausstellung stellte sich leider heraus, dass die vom P-Seminar erarbeitete Sequenz trotz intensiver Werbung bei den Schulen nur auf ein äußerst geringes Interesse stieß. So besuchten nicht einmal Schulklassen der Schule, deren P-Seminar die Präsentation entwickelt hatte, die Ausstellung. Dies kann von der Reduzierung der Dauer der gymnasialen Ausbildung von neun auf acht Schuljahre und der damit verbundenen Straffung des Unterrichtsthemen und der Stundenkontingente mitverursacht sein, dürfte aber nicht der alleinige Grund für die geringe Akzeptanz sein. Selbstverständlich dürfen derartige Erfahrungen niemanden davon abhalten, weiterhin den Kontakt zu den Schulen zu suchen, das Beispiel zeigt aber, dass bei diesem Kontakt nicht immer alles nach Wunsch läuft. Wenig sinnvoll wäre es allerdings, der bewährten Praxis des beendeten Projektes „Archiv und Schule" nachzutrauern, denn die Archive haben sich auf die jeweils geltenden Bedingungen der Lehrpläne einzustellen und sie tun dies mit großem Engagement. Neben dem Projekt „Archiv und Schule" und den W- und P-Seminaren gibt es weitere Felder der Zusammenarbeit von Archiven und Schulen, von denen drei genannt seien: - Projekttage Bei Projekttagen beschäftigt sich in der Regel eine Schulklasse einen Tag lang mit einem bestimmten Thema und besucht dazu häufig außerschulische Partner, unter anderem Archive. Beispielsweise 8. Nach www.isb.bayern.de/schulklassenspezifisches/materialien/die-seminare-in der-gymnasialen-oberstufe (last visit on 2013 June 13). 9. Martina Haggenmüller, Neue Wege der Zusammenarbeit zwischen Archiven und Schulen, „Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns", 59(2010), p. 28-29, hier 29. 10. (M)ein Tag im Wald. Beitrag eines PSeminars des Gymnasiums Ottobrunn zur Ausstellung „WaldGeschichten. Forst und Jagd in Bayern811-2011" des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, „Staatliche Archive Bayerns - Kleine Ausstellungen", 34(2011). Christian KRUSE: Wo die Vergangenheit spricht: Kinder und Jugendliche in Archiven, 153-161 beschäftigte sich 2012 eine Gymnasialklasse der 9. Jahrgangsstufe aus Augsburg in Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv Augsburg mit dem Thema „Leben in Augsburg unter dem Hakenkreuz". Der Tag begann - wie meist üblich und auch sinnvoll - mit einer Erläuterung der Aufgaben eines Archivs und einer Führung durch die verschiedenen Funktionsbereiche, insbesondere ins Magazin mit der Präsentation ausgewählter Archivalien. In Dreiergruppen beschäftigten sich die Schülerinnen und Schüler anschließend mit drei vorbereiteten Themen, so dass jeweils mehrere Gruppen eines der Themen übernahmen: Feldpostbriefe Augsburger Soldaten, die Verfolgung eines Kindes, das 1942 in eine Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen und dort 1944 ermordet wurde, sowie Unterlagen zu einem SS-Hauptscharführer und zeitweiligen Leiter von Außenlagern des Konzentrationslagers Dachau einschließlich von dessen Entnazifizierungsverfahren. Nach einer einstündigen Beschäftigung mit kopierten Quellentexten und dem wissenschaftlichen Kurzvortrag einer Studentin zu Judendeportationen in Augsburg beschäftigten sich die Gruppen nach der Mittagspause erneut eine Stunde lang mit den Texten und fassten dann ihre gewonnenen Erkenntnisse mit Farbstiften auf großformatigen Plakaten zusammen. Zum Abschluss des Projekttages präsentierten die Gruppen ihre Ergebnisse der gesamten Klasse. Die Plakate wurden anschließend in der Schule ausgestellt11. Den Projekttag erlebten beide Seiten als sehr positive Erfahrung trotz des damit verbundenen hohen Vorbereitungsaufwandes. - Hochbegabtenförderung In manchem vergleichbar läuft die Zusammenarbeit von Archiven und Schulen im Bereich der Hochbegabtenförderung ab, mit der in Bayern vor knapp zehn Jahren begonnen wurde. Im Staatsarchiv Nürnberg setzen sich beispielsweise in den Schuljahren 2004/2005 bis 2006/2007 jeweils 15 bis 20 besonders begabte Schülerinnen und Schüler der Gymnasialklassen 9 bis 11 aus dem Großraum Nürnberg auf eigenen Wunsch an drei Nachmittagen nach dem Schulunterricht drei Stunden lang mit archivischen Inhalten auseinander. Am ersten Nachmittag stellte der betreuende Archivar das Archiv, seine Aufgaben und seine Bestände vor, gab Verhaltensregeln zum Umgang mit Archivalien und wies zur selbständigen Beschäftigung auf Internetseiten mit der deutschen Schrift (Kurrent und Sütterlin) hin. Am zweiten Nachmittag erschlossen die Schülerinnen und Schüler einzeln Polizeiakten aus den Jahren 1933 bis 1945 unter anderem zur Auswanderung von Juden und zu dem Delikt „Rassenschande" und bearbeiteten anschließend in Gruppen Arbeitsblätter mit vertiefenden Fragen. Am dritten Nachmittag beschäftigten sie sich mit Lageberichten der genannten Jahre, bearbeiteten die wesentlichen Inhalte in Gruppen und stellten danach dem gesamten Kurs ihre Ergebnisse vor. Festzuhalten ist, „dass vor allem die unmittelbare Konfrontation mit Einzelschicksalen die Schülerinnen und Schüler sehr bewegt hatte. Die Arbeit mit Originaldokumenten wurde durchwegs als interessant und lehrreich empfunden"12. - das Projekt „Denkwerk" Im Rahmen des Denkwerk-Projektes „Die ersten und die letzten Tage", das von der Robert Bosch Stiftung gefördert wurde, konnten Schulen i_n Zusammenarbeit mit Universitäten und anderen Partnern, darunter Archiven, die Geschichte der Übergangszeit in Bayern von der nationalsozialistischen Herrschaft zum Neubeginn unter der US-amerikanischen Besatzung im Jahr 1945 untersuchen. In Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv München setzten sich Schülerinnen und Schüler dreier Gymnasien aus Oberbayern mit den Quellentexten aus Akten des Staatsarchivs auseinander und erarbeiteten eine Ausstellung. Es erschien dazu eine beachtliche Begleitpublikation, an der neben den Schülern und Lehrern auch Historiker und Archivare mitarbeiteten13. Daneben versuchen die Staatlichen Archive Bayerns seit einigen Jahren, völlig neue Wege zu gehen und bereits Grundschulkinder (und deren Eltern) für Veranstaltungen in Archiven zu gewinnen. Hier hat sich die Zusammenarbeit des Bayerischen Hauptstaatsarchivs mit dem Museumspädagogischen Zentrum in München bewährt, das über langjährige Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügt. 11. Thomas Steck, Gymnasiasten lesen Akten: Projekttag zum Nationalsozialismus im Staatsarchiv Augsburg, „Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns", 63(2012), pp. 35-36. 12. Ludwig Weber, Pluskurse des „Hochbegabten-Modells Mittelfranken"im Staatsarchiv Nürnberg, „Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns", 53(2007), pp. 27-28. 13. Michael Unger, Bad Aibling, Traunstein, Vaterstetten: Das Denkwerk-Projekt geht in die nächste Runde, „Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns", 57(2009), pp. 37-38. Christian KRUSE: Wo die Vergangenheit spricht: Kinder und Jugendliche in Archiven, 153-161 Es versteht sich von selbst, dass man bei Grundschulkindern andere Methoden und eine andere thematische Herangehensweise wählen muss als bei Schülern insbesondere der gymnasialen Mittel-und Oberstufe. Anzuraten sind ein stärker spielerischer Ansatz auch beim Erläutern von Archivalien sowie Mitmach- und Bastelstationen. Bisher haben das Bayerische Hauptstaatsarchiv und das Museumspädagogische Zentrum zweimal anlässlich von großen Ausstellungen des Bayerischen Hauptstaatsarchivs Veranstaltungen im Archiv für Grundschulkinder mit Eltern, Großeltern oder sonstiger Begleitung angeboten. Bei der Ausstellung „WaldGeschichten. Forst und Jagd in Bayern 811-2011" bestand der archivische Anteil an einer kindgerechten einstündigen Führung durch die Ausstellung, bevor die Kinder in den Englischen Garten wechselten, um dort verschiedene Baumsorten kennenzulernen. Die Archivarin schilderte bei der Ausstellungsführung unter anderem die Jagd und das Aussehen und die Nutzung des Waldes in der Vergangenheit und beantwortete Fragen der Kinder. 2012 wurde die Ausstellung „100 Jahre Bayerischer Gemeindetag - 1000 Jahre gemeindliche Selbstverwaltung" zum Anlass für eine Aktion im Ausstellungsraum des Bayerischen Hauptstaatsarchiv genommen, die den Titel „Wir sind gewappnet! Mit Brief und Siegel, mit Feuer und Schwert" trug. Bei einer Führung durch die Ausstellung wurden den Kindern Aufgaben der Gemeinden und Städte geschildert. In einer Werkstattstation bastelten sie danach Siegel und Wappen. Spielerisch wurde dabei vermittelt, wie der Kaiser früher Urkunden besiegelte. Die Kinder sahen sich die Wappen der Ratsherren von Iphofen an, ebenso eine Feuerspritze und erfuhren, dass Gemeinden für das Feuerlöschen und für Trinkwasser sorgen müssen. Sie durften Siegelnachbildungen anfassen und entwarfen abschließend ihr eigenes Wappen und falteten und versiegelten einen Brief14. An dem Beispiel wird deutlich, dass man selbst ein eher sprödes ^ema wie die Entwicklung und die Aufgaben der Gemeinden gegen den Strich bürsten kann, um eine kindgerechte Aktion damit zu verknüpfen, in der Anschauen, Fragen, Anfassen und Selbermachen enthalten waren. Bei beiden Aktionen zeigte sich, dass mit entsprechenden Engagement und guter fachlicher Beratung über Methoden und Inhalt das Interesse und die Begeisterung der Kinder (und ihrer Begleitung) schnell geweckt werden können. Die Staatlichen Archive Bayerns werden diesen Weg als eine neue Möglichkeit weiter verfolgen. Insgesamt ist zu beobachten, dass in Bayern und insbesondere in München das Interesse der Schulen an Führungen durch Archivausstellungen deutlich abgenommen hat. Weil die Entwicklung bereits vor über einem Jahrzehnt einsetzte, kann die Einführung des achtklassigen Gymnasiums in Bayern nicht der Grund dafür sein, sondern nur ein zusätzlicher Faktor, der zu einem weiteren Sinken der Zahl der Ausstellungsführungen für Schulklassen geführt hat, was im übrigen auch ein Sinken der Ausstellungsbesucherzahl insgesamt bewirkte. Hintergrund könnte sein, dass Gymnasien neben den oben geschilderten institutionalisierten Kontakten (Projekt „Archiv und Schule", W- und P-Seminar) keinen weiteren oder nur einen zeitlich sehr begrenzten Freiraum für Besuche außer Haus hat, da ja die Zeit für die Hin- und Rückfahrt während der Unterrichtsstunden als Zeitverlust gelten muss. Dies könnte auch der Hintergrund dafür sein, dass wir die Erfahrung machen mussten, dass Ministerialbe-auftrage für Gymnasien die Weiterleitung von Werbematerial für Archivausstellungen an die ihm nachgeordneten Schulen mit der Begründung abgelehnt haben, das Ausstellungsthema sei nicht lehrplanrelevant. Dabei konnte gerade am Beispiel der Zusammenarbeit mit dem MPZ gezeigt werden, dass bei der Nutzung von Archivausstellungen durch Schulen nicht die Lehrplankonformität des Gesamtthemas von Bedeutung ist, sondern die von Teilaspekten, weil der Ausstellungsinhalt sowieso nur exemplarisch in die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern einfließen kann. Zusammenfassend kann festgehalten werden: - Die Zusammenarbeit der Staatlichen Archive Bayerns mit Jugendlichen nutzt die vorhandenen Strukturen und Erfahrungen der Schulen, insbesondere der Gymnasien. Den bisher seltenen Kontakt zu Real- und Mittelschulen gilt es zu intensivieren. Ein erster Zugriff könnte die Lehrerfortbildung sein, wie dies seit langem bei den Lehrkräften der Gymnasien üblich ist. - Es erwies sich als sinnvoll, bei der Arbeit mit Kindern bis zu zehn Jahren auf die Erfahrungen bewährter Institutionen wie dem Museumspädagogischen Zentrum in München zurückzugreifen, weil nicht vorausgesetzt werden kann, dass Archivarinnen und Archivare das erforderliche pädagogische und didaktische Rüstzeug besitzen. 14. Edeltraud Weber, Familienaktionen des Bayerischen Hauptstaatsarchiv zusammen mit dem Museumspädagogischen Zentrum in München (MPZ), „Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns", 62(2012), pp. 9-10. Christian KRUSE: Wo die Vergangenheit spricht: Kinder und Jugendliche in Archiven, 153-161 - Die Staatlichen Archive Bayerns verfügen aus verschiedenen Gründen über keine Archivpädagog(inn)enstelle, anders als andere Archivverwaltungen und Archive in Deutschland. Sie können aber deren Erfahrungen nutzen, die sich auch im Arbeitskreis „Archivpädagogik und Historische Bildungsarbeit" des Verbandes Deutscher Archivarinnen und Archivare (VdA) und in archivpädagogischen Tagungen niederschlagen15. SUMMARY For decades, archives have been a place of learning for schools. Cooperation with archives is therefore highly recommended for schools seeking to offer diversified history education that is close to the sources. Because archives have an enormous advantage: the past speaks directly to the pupils through the documents stored in the archives and the specific individual cases that may be examined there. Obviously, these documents generally need to be set into their historical context and explained. But here too archivists are the right people to talk to since they not only have historical knowledge, but also special knowledge ranging from auxiliary sciences in history through to skills in dealing with documents; from the history of administration and public authorities through to knowledge of the disintegration of paper and the various methods used to prevent this. In Bavaria, cooperation with young people has so far been focused on working with pupils from the middle and higher classes in grammar schools, less frequently with secondary modern and comprehensive schools. They received guided tours to exhibitions whose subject matter matched the teaching plan. Above all, however, selected archived material was exhibited and explained in the course of guided tours through the archives' storage areas. The workshops carrying out restoration work attracted particular interest. As part of the "Archive and School" project, (1999-2011), schoolteachers, advised by archivists, developed teaching units closely linked to the historical sources and made available them to all schools. The project ended with the reform of the sixth-form in the grammar schools as a result of which the cooperation of archives with schools was transferred to two different types of seminar; initial experiences resulting from this change are now available. In addition to this, for several years we have been trying to interest even children in events held in archives. In this context, cooperation with the Museum Pedagogical Centre, which has many years of experience in this area, has proved to be extremely valuable. Submitting date: 05.04.2013 Acceptance date: 24.04.2013 15. Vergleiche hierzu: www.vda.archiv.net/arbeitskreise/archivpaedagogik-und-historische-bildungsarbeit.html und www.archivpaedagogen.de (last visit on 2013 June 13).