Wozu soll die evangelische Kirche die ihr durch Gottes Gnade bescherte friedliche Lage benützen? Predigt Uber ApliLtrlgrHichte S, A, gehalten am hreiHmihevijHmSett des Augsburger Religionssriedens den 23. September I8S3 Von / «i-, evangelischem Pfarrer in Laibach. Zum Beste» deS evangelische» KirchenfondeS in Laibach. Laibach. Vrnck von Zg»P o. Licinmayr i» Fever Hamberg. )r< ^nir/L 'ü< Ür/! ^^r>'L 'ir-^ch'k/'j HitthÄ skr »3^057^!, .i-' ^chch^sU-i'AiijK ^Nnade sei mit Euch und Friede von Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Der für das heutige dreihundertjährige Jubelfest des in Augsburg geschlossenen Religionsfriedens von der h. Kirchen¬ behörde zu unserer Erbauung vorgeschriebene Text steht aus¬ geschrieben in der Apostelgeschichte K. 9, V. 31, wo die Worte also lauten: Apostelgeschichte N, S I: »So hotte nun die Gcineiue Frieden durch ganz Judäa und Galiläa und Samaria, und bauet« sich «ud wandelte in der Furcht des Herrn und ward erfüllet mit Trost des heilige» Geistes « Drei Jubelfeste sind es, m. Fr., welche die evangelische Kirche Deutschlands mit Beziehung auf die Geschichte der Reformation in jedem Jahrhundert begeht. Das erste der¬ selben in diesem Jahrhundert wurde von unseren Vätern zum Andenken an den Beginn der Kirchenverbesserung gefeiert; mehr als ein Menschenalter ist seitdem vergangen und es sind wohl nur Wenige unter uns, welche sich dieses, durch die in manchen deutschen Ländern damals zuerst vollzogene Vereini¬ gung der beiden evangelischen Confessionen ewig denkwürdigen und reich gesegneten, auch im österreichischen Kaiserstaate ge¬ feierten Festes erinnern. Das zweite, vor nunmehr bereits einem Vierteljahrhundert gefeierte Jubelfest bezog sich auf die * 4 Uebergabe jener Denkschrift, welche diejenigen deutschen Für¬ sten, die der durch Luther begonnenen Reformation anhingen, auf dem glänzenden Reichstage zu Augsburg dem Kaiser überreichten, und in welcher sie kurz die Grundlehren ihres christlichen Glaubens bekannten. Dieses den Mittelpunkt der deutschen Reformation betreffende Fest ist aus unseren Gedan¬ ken noch nicht gleich jenem ersten verschwunden. Heute nun, Geliebte, bei dem dritten Jubelfeste unserer Kirche, erinnern wir uns an den Schluß jenes großen Reformationswcrkes, an den Friedensschluß, welcher im Jahre 1555 zu Augsburg zwischen den Anhängern der evangelischen und der katholischen Kirche aufgerichtet ward und bis auf unsere Zeiten die Grund¬ lage des Verhältnisses beider Kirchen zu einander in Deutsch¬ land geblieben ist. Man pflegt bisweilen zu sagen, es gäbe nichts Neues unter der Sonne, und das hat auch einige Wahrheit, denn trotz aller Veränderungen der Zeit, der Umstände, der Ver¬ hältnisse ist der innere Kern der Ereignisse sich doch oft im höchsten Grade ähnlich. Wir lernen dieß auch heute aus einer genaueren Betrachtung unseres Textes und einer Ver¬ gleichung der demselben zu Grunde liegenden Geschichte mit den Ereignissen im 16. Jahrhunderte vor und nach dem Augsburgischen Religionsfrieden und mit der gegenwärtigen Lage der evangelischen Kirche in unserem Vaterlande, aus welcher sich ergiebt, daß die Worte unseres Textes auch für uns ihre volle Bedeutung haben. — Euch Allen ist wohlbe¬ kannt, wie die christliche Religionsgemeinschaft von ihrem Entstehen an durch die Obersten des jüdischen Volkes, die Hohenpriester, Schriftgelehrtcn und Pharisäer verfolgt wurde. Den Herrn hatten sie getödtet, den Hirten geschlagen und die Schafe zerstreut;. die Jünger waren von ihnen verfolgt und gefangen, gestraft und gemißhandelt worden um ihres Glaubens und der Predigt des Evangeliums willen, und bald mußte der erste Märtyrer des neuen Bundes die Stand¬ haftigkeit seines Bekenntnisses mit seinem Blute besiegeln. 5 Unter allen Jenen, die mit äußerer Gewalt die neue Lehre unterdrücken wollten, zeichnete sich aber durch geistige Bil¬ dung wie durch Eifer um das väterliche Gesetz des alten Bundes Keiner mehr aus, als der Jüngling Saulus, welcher, nicht zufrieden mit Drohen und Morden wider die Jünger des Herrn in Jerusalem zu schnauben, sich noch von der Landesregierung Vollmacht geben ließ, um auch außerhalb der Hauptstadt die Christen als Abtrünnige vom alten Glau¬ ben der Väter und als Ketzer zu verfolgen. Als aber der himmlische Glanz der Herrlichkeit des Herrn die Seele dieses wüthcndsten Verfolgers erleuchtet und durch Finsterniß zum Licht geführt, als ihm die Stimme des Herrn zugerufen hatte: »Saul, Saul, was verfolgst du mich? Es wird dir schwer werden wider den Stachel zu locken!« Als so aus dem christenfeindlichen Saulus ein gläubiger Paulus geworden war, der mit derselben Gluth des Herzens die neue Lehre bekannte und lehrte, welche er vorher gehaßt und verfolgt hatte, »da hatte nun die Gemeine Frieden durch ganz Judäa und Galiläa, und Samaria.« — Aehnlich war es vor drei¬ hundert Jahren. Durch die eben so kräftigen, als frommen Bemühungen jener großen Männer: Luther und Melanckthon, Zwingli und Calvin war die so lange ersehnte Verbesserung der Kirche in's Leben getreten, aber es fehlte diesen Männern so wenig als ihrem Werke an Feinden, welche sie vom ersten Anfang an verfolgten und mit äußerer Gewalt unterdrücken zu können vermeinten. Nicht lange, so verwandelte sich der Kampf der Geister in blutigen, greuelvollen Kampf der Waf¬ fen, schrecklicher Bürgerkrieg verheerte das deutsche Land, um so schrecklicher als der Eifer religiöser Ueberzeugung die Käm¬ pfenden erhitzte und die Hand zum Schwert führte; aber auch um so trauriger, als es hier nicht Juden und Heiden waren, welche miteinander stritten und kämpften, sondern inner¬ halb des Christenthums, der Religion der Liebe und des Friedens, der Bruderkrieg emporloderte. Nach mancherlei Wechselfällen der Ereignisse kam endlich das Ende des Greuels; 6 auf dem Reichstage zu Augsburg ward am 25 September 1555 ein Frieden geschlossen, durch welchen den Anhängern des Augsbnrgischcn Glaubensbekenntnisses nicht nur die glei¬ chen staatlichen Rechte wie den der römisch-katholischen Kirche zugethanen, sondern auch volle Freiheit der Ausübung ihres Glaubens zuerkannt wurde. Unabhängigkeit von der Gerichts¬ barkeit der katholischen Kirche, ungestörte Verwendung der eingezogenen Kirchengüter zu kirchlichen und anderen frommen Zwecken, kurz, alle Rechte einer unabhängigen und selbststän¬ digen Religionsgemeinschaft wurden den Anhängern der Augs- burgischcn Confession ausbedungen, und festgesetzt, daß es künftig jedem Neichsstande freistehen solle, zu der einen oder der andern christlichen Kirche sich zu bekennen, und daß beide Parteien fernerhin nur in friedlicher und freundlicher Weise über ihre Religionsstreitigkeiten sich vergleichen sollten. »So hatte nun die evangelische Kirche Frieden« im deutschen Reiche. — Aber dennoch waren in jenem Augsburgischcn Re¬ ligionsfrieden einige Punkte unerledigt geblieben, wovon die Übeln Nachwirkungen nur zu bald sich zeigten. Einmal waren die Evangelischen helvetischer Confession bei demselben über¬ haupt nicht berücksichtigt, und dann war für den Schutz evangelischer Unterthancn katholischer Reichsstände nicht hinrei¬ chend gesorgt worden; auch hatte man über einige andere Fragen sich nicht verständigen können. So kam es, daß etwa 60 Jahre nach dem genannten Friedensschluß auf's Neue ein großer, noch weit schrecklicherer Krieg Deutschland 30 Jahre lang verheerte, bis endlich ein neuer Friede, in welchen auch die Reformirten ausgenommen wurden, dem erschöpften Lande und Volke für immer Ruhe von Religionskämpfen brachte. Leider blieben die Evangelischen der österreichischen Staaten auch von diesem Frieden ausgeschlossen, daher mehr oder weniger den Verfolgungen derer ausgesetzt, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatten, durch alle möglichen Mittel die evangelische Kirche zu bekämpfen und auszurotten. Auch unter diesen, ost harten Leiden blieben die Evangelischen treue r Unterthanen ihrer angestammten Fürsten, deren Einer endlich dieser Noch ein Ende machte. Unter der glorreichen Regierung Kaiser Josefs des tt. erhielten im vorigen Jahrhunderte die Protestanten in Oesterreich die Erlaubniß ihren evangelischen Glauben ungefährdet zu bekennen. Die drückenden Bedingun¬ gen, unter welchen diese Erlaubnisi ertheilt ward, wurden jedoch durch die Gnade Sr. Majestät unseres jetzt regierenden Kaisers vor einigen Jahren auch noch aufgehoben. Die evan¬ gelische Kirche in Oesterreich wurde aus einer geduldeten eine berechtigte, und wir, die wir heute uns dieser glücklichen Lage erfreuen und dieses Jubelfest feiern können, was unser» Vorältern im vergangenen Jahrhunderte nicht verstatter war, wir sagen mit Dank und Freude: »So hatte denn die Ge¬ meinde Frieden.« Und das fragen wir nun an dem heutigen Tage auf Grund unseres Textes: Wozu soll die evangelische Kirche die ihr durch Gottes Gnade bescherte friedliche Lage benützen? I. Wenn nach langen schweren Leiden eines Krieges endlich das holde Wort: »Friede« erklingt, da hat aller Kampf und Streit ein Ende. Feinde sind versöhnt, Groll und Hader- Hören auf, die in bitterer Zwietracht sich trennten, reichen sich die Hände und zum stillen Glück des heimischen Herdes keh¬ ren die Kämpfer zurück. Die Waffen werden auf die Seite gelegt und es gilt nun zu bauen, das Haus zu bauen, den Acker zu bebauen. So ist's auch im Kampfe der Geister, und auf die eben gestellte Frage: wozu soll die evangelische Kirche die ihr durch Gottes Gnade bescherte friedliche Lage beuützen? antworten wir daher zuerst mit unserem Texte: sich zu bauen. Während des Krieges, das wisit Ihr ja Alle, bauet man nicht, weder Häuser, noch Felder. Die Ungewißheit 8 der nächsten Zukunft verhindert die Menschen an der Ausfüh¬ rung derartiger Vorhaben, nnd die Völker, deren Kräfte durch den Krieg in Anspruch genommen sind, unterlassen selbst die nöthigsten Arbeiten in Haus und Feld zu besorgen, und richten ihre Blicke und Gedanken, ihre Bestrebungen und Anstrengungen nur darauf, wie die Macht des Feindes zer¬ stört und überwunden werde. Kampf ist wesentlich Zerstören, Friede ist Aufbauen, das Zerstörte Wiederherstcllen. Dasselbe gilt vom geistigen Kampfe. Wenn aber eine kirchliche Ge¬ meinschaft die Anerkennung der andern sich erworben hat und so in einen Zustand äußern Friedens gelangt ist, dann wendet sie ihre Sorge und Lhätigkeit auf den Auf- und Ausbau ihres Innern Hauses. Da gilt es die Schäden all¬ mählich auszubessern, das Fehlende langsam zu ersetzen, das Schlechtere mit Besserm zu vertauschen. In dieser Weise hat auch unsere evangelische Kirche bei der äußerlich friedli¬ chen Lage, die ihr durch Gottes Gnade jetzt zu Theil gewor¬ den ist, die Aufgabe: ihre Lehre des christlichen Glaubens aus der Liefe des göttlichen Wortes immer besser darzustellen, ihre innere kirchliche Verfassung zu ordnen, die äußere Form ihrer Gottesdienste zu regeln, ihre armen und vereinzelten Glieder zu stärken und zu unterstützen, für christliche Pflege der Armen und Elenden, Verlassenen und Verwahrlosten zu sorgen, Boten des Evangeliums zu den Völkern der Finster¬ niß zu senden, ferner ihre eigenen Lehr-, Gesang- und Gebet¬ bücher zu vervollkommnen, die darin etwa entdeckten schad¬ haften Seiten auszubcssern und in die große Vielheit derselben eine größere Einheit zu bringen, wie überhaupt bei der durch die Verschiedenheit des Bekenntnisses und der Kirchenverwal¬ tungen herbeigeführten Mannigfaltigkeit und Spaltung der Zusammengehörigkeit und Einheit der evangelischen Kirche Anerkennung und Geltung zu erwerben. Und doch wäre diese Lhätigkeit, wenn auch keine äußere, nach Außen gerichtete, noch immer eine äußerliche, welche mehr nur die For¬ men ihres Daseins und Wirkens beträfe. Darum hat die 9 evangelische Kirche in ihrer jetzigen friedlichen Lage noch viel mehr die Aufgabe: den in ihr so vielfach erstorbenen Glau¬ ben neu zu beleben, die religiöse Gleichgiltigkeit zu bekämpfen, den überhandnehmcnden Weltsinn auf das Eine, das Noth thut, hinzuweisen, die flache und dabei sich selbst doch so überhebende und vergötternde Verstandesbildung unserer Zeit mit der Einfalt des Evangeliums zu beschämen, allen mühse¬ ligen und beladenen, allen verirrten und verstockten Herzen Jesum Christum als den alleinigen Retter auS dem Werder- den zu predigen, diesen Glauben an den Heiland und seine Erlösung in den Lebenswandel ihrer Mitglieder immer mehr einzuführen, ein in gute» Werken fruchtbares Glaubensleben zu begründen, und so zu bauen am Reiche Gottes auf Er¬ den. Ist nun zwar dieß alles stets und zu allen Zeiten die Aufgabe der evangelischen Kirche, so hat ihr doch Gott durch ihre gegenwärtige Lage mehr als je Gelegenheit, Möglichkeit und Aufforderung dazu geboten, und sie muß daher diese Zeit redlich benützen und treulich daran arbeiten sich zu bauen. Die Aufgaben und Pflichten der Gesammthcit sind auch die jedes einzelnen Gliedes derselben. So soll denn jeder evangelische Christ die friedliche Lage seiner Kirche ebenfalls dazu benützen in ihr sich zu bauen, zu arbeiten an seiner Erbauung, an seinem Wachsthum in christlicher Erkenntniß, Tugend und Zufriedenheit. Ihr, Geliebte, habt in der jetzi¬ gen Zeit nicht weniger als die gesummte Kirchengemeinschaft, welcher Ihr angehört, die ernste Pflicht mitzuwirken für das Wohl der Gesammtheit, besonders aber dadurch, daß Ihr an Eurer eigenen geistigen und sittlichen Vervollkommnung ge¬ wissenhaft und ununterbrochen arbeitet. Erst die gegenwärtige günstige Stellung unserer Religionsgemeinschaft hat es Euch möglich gemacht eine Kirche zu bauen, so bauet nun eifrig Euch in ihr und durch sie. Wachset in der Erkenntniß, daß Ihr immer mehr sehet o welch' eine Tiefe des Reichthums; lernet immer fleißiger von Euerm Herrn, denn er lst sanft- 10 müthig und von Herzen demüthig; belebet Euern Glauben, daß er immer bessere Früchte bringe; über Alles aber ziehet au die Liebe, welche da ist das Band der Vollkommenheit. Wenn jedoch Einer oder der Andere vom Kampfe nicht lassen könnte, der kämpfe nicht mehr gegen äußere Feinde, sondern in sich selber und mit sich selber, mit den inncrn Feinden, welche, noch so oft überwunden, doch stets auf's Neue unfern ernstesten Kampf erfordern und auch dem Friedliebendsten keine Ruhe lassen. Die glückliche Lage unserer Kirche gestattet ihren Gliedern diesen innern Kampf der Heiligung mit desto stärkerer Kraft durchzukämpfen, aber sie will uno soll nicht dazu dienen, daß wir uns in innere Ruhe und Sicherheit versenken, und den alten Wandel in der Sünde des natür¬ lichen Menschen fortführen. II. Im Gegentheil. Das Beispiel der ersten Christenge¬ meinde, welches uns unser Text vorhält, belehrt uns vielmehr, daß die evangelische Kirche die ihr durch Gottes Gnade ver¬ liehene friedliche Lage dazu benützen soll zu wandeln in der Furcht des Herrn. Ihr versteht von selbst, m. Fr., daß die evangelische Kirche nichts Anderes ist, als die Gesellschaft derer, die sich zu den Grundsätzen und Lehren des Evangeliums bekennen, in deren Mitte das Wort Gottes lauter und rein gepredigt wird und die Sacramente nach Christi Einsetzung verwaltet werden. So ist es denn nun die Aufgabe dieser ganzen Ge¬ sellschaft, d. h. aller ihrer einzelnen Mitglieder, zu wandeln gemäß ihrem Bekenntniß, gemäß den Lehren und Vorschriften des Wortes GotteS, in Gottesfurcht und christlicher Lugend. Krieg und Frieden erzeugen und fordern andere Tugen¬ den, das will sagen, unter verschiedenen Verhältnissen erlan¬ gen verschiedene Lugenden eine hervorragende Entwicklung und Bedeutung. Unerschrockenheit, Geistesgegenwart, Muth, Tapferkeit, Selbstaufopferung, schnelle Auffassung, Ruhe und Klarheit des Geistes werden hauptsächlich in Zeiten ernsten Kampfes erfordert und geschäht; in Feiedenszciten dagegen gedeihen Ackerbau, Gewerbe und Handel; Wissenschaften und Künste entwickeln ihre schönste Blüthe, des Menschen rastlos erfinderischer Geist erzeugt immer neue Vervollkommnungen deS vorhandenen Nützlichen und Schönen, Arbeitsamkeit und Fleiß, Beharrlichkeit und Ausdauer, Erfindungsgabe und Nachdenken, tiefe Erforschung der Natur und schaffendes Stre¬ ben des Künstlers, Bürgersinn und Bürgcrtugend finden Anerkennung und Lohn. Und wie im bürgerlichen, zeigt sich die gleiche Erschei¬ nung im kirchlichen Leben. Wenn in Zeiten des Streites und der Kämpfe auch so manche Erscheinung an den Tag tritt, welche mit den Pflichten wahrer Frömmigkeit nicht in Einklang steht, so entfaltet dagegen die friedliche Lage einer Kirche die Tugenden ihrer Glieder in so reinerem Glanze. Daß alle ihre Mitglieder nicht allein das Rechte und Gute erkennen, sondern auch ihr Wollen und Streben darauf richten, daß ihr Glaube nicht allein mit den Lippen bekannt, sondern auch aus den Werken erkannt und gepriesen werde, daß der Glaube zum Glaubenslebcn und der ganze Lebenswandel zu einem reinen, dem Herrn wohlgefälligen Gottesdienst sich um¬ gestalte, daß Tugend und Sittlichkeit immer mehr sich verbrei¬ ten, daß Recht und Unrecht immer gewissenhafter nach Gottes heiligem Willen erkannt, geübt und gemieden werden, kurz, daß Alle immer mehr wandeln in der Furcht des Herrn, dafür zu sorgen ist bei der gegenwärtigen friedlichen Lage doppelte Pflicht der evangelischen Kirche. Hierbei gilt es ohne Partei¬ sucht oder Parteifurcht, ohne vorgefaßte Meinung oder Abnei¬ gung allein das Gebot Gottes und das Beispiel des Herrn zum Muster und Maßstab zu nehmen. Daher darf die Lugend nicht nach menschlichen Satzungen geübt und beurtheilt werden; würde sie daran gebunden, so hörte sie nach den Begriffen unserer evangelischen Kirche auf christliche Tugend zu sein. Auch Rang und Reichthum, Alter und Geschlecht machen hierin 12 keinen Unterschied, sondern bei Allen ohne Ausnahme muß die evangelische Kirche den gleichen Wandel in Gottesfurcht for¬ dern und zu verwirklichen suchen. So ist es denn die Aufgabe Aller und jedes Einzelnen unter Euch, in dieser für uns so glücklichen äußern Lage auch um so mehr Allem nachzustreben, was züchtig, gerecht, was lieblich, was keusch ist, jedem Lob, jeder Lugend, auf daß wir ein ruhiges und stilles Leben führen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Wenn es in Zeiten wilden Streites und heißer Aufregung viel leichter möglich ist, daß so manche Pflichten übersehen und versäumt, so manche Lugenden vernachlässigt und verletzt werden, so darf dieß in Zeiten des Friedens um so weniger der Fall sein. Da muß vielmehr Jeder in treuer Erfüllung aller seiner häuslichen und geselligen, bürgerlichen und kirchlichen Pflichten das höchste Ziel seines Ringens und Strebens erblicken. Dahin strebe also ein Jeder aus Liebe und Gehorsam gegen Gott, daß er dessen Gebote immer treuer befolge, daß er in allen Beziehungen zu seinen Mitmenschen die von unserer Religion geforderten Tu¬ genden immer vollkommener erfülle, gegen Gatten oder Gattin, Eltern oder Kinder, Lehrer oder Schüler, Herrschaften oder Dienstboten, Vorgesetzte oder Untergebene. Das, Geliebte, ist die rechte Benützung der durch Gottes Gnade unserer theuern evangelischen Kirche verliehenen fried¬ lichen Lage, daß Alle insgcsammt und Jeder für sich unab¬ lässig und ernstlich sich bemühen, daß der Lebenswandel der evangelischen Christen, daß unser Aller Lebenswandel immer mehr in Frömmigkeit und Gehorsam gegen Gott geführt, daß er immer mehr ein Wandel in der Furcht des Herrn werde, auf daß wir sonst nicht als unnütze Knechte und schlechte Haushälter über Gottes Gaben erfunden werden. Hl Zuletzt, m. Fr., giebt uns unser heutiger Text auf die Frage: wozu soll die evangelische Kirche die ihr durch Gottes Gnade bescherte friedliche Lage benützen? noch eine dritte Ant- 13 wort, welche es als eine vorzügliche Aufgabe unserer Kirche in dieser Zeit bezeichnet erfüllet zu werden mit Trost des heiligen Geistes, was mit dem sich Bauen und Wandeln in der Furcht des Herrn in genauester Verbindung steht. Zwar kann es im ersten Augenblick scheinen, als ob diese Aufgabe für unsere Kirche unerfüllbar sei, da es ja nicht von ihr abhänge, sondern eine freie Gabe der göttlichen Gnade sei, ob und wie weit der heilige Geist sie beleben, durchdringen und erfüllen wolle. Merket aber wohl, es heißt auch nicht in un- serm Texte und ich sagte nicht: es sei Aufgabe der evangeli¬ schen Kirche sich mit Trost des heiligen Geistes zu erfüllen, sondern: mit demselben erfüllet zu werden, womit schon ausgedrückt ist, daß die Kirche sich hierbei nicht thätig und gebend, sondern lediglich empfangend verhält. Nun aber ist die Ausgießung des göttlichen Geistes und seines Trostes an gewisse Bedingungen geknüpft; der Tröster, der heilige Geist kommt nur zu denen und erfüllet nur diejenigen Menschenher¬ zen oder Gemeinschaften, welche von einem wahren Glauben an Jesum Christum lebendig durchdrungen sind. Dieß ist da¬ her die Aufgabe der evangelischen Kirche, daß sie in allen ihren Gliedern die Empfänglichkeit für den Trost des heiligen Geistes nährt und pflegt, indem sic dieselben durch Ausbreitung des Glaubens dafür bereitet, so wie, daß sie allen ihren Gliedern reichlich die Mittel darbietet, durch welche der heilige Geist auf den Menschengeist wirken und ihn mit seinem Trost beseligen will. Darum ist cs Pflicht der evangelischen Kirche auch in ihrer friedlichen Lage nicht nachzulassen das Wort Gottes zu predigen und zu treiben, denn Alle, die diesem Wort recht zuhören, empfangen den Trost des heiligen Geistes. Ihr selbst habt es gewiß schon manchmal an Euch erfahren, welch' Trost aus dem Worte Gottes guillt und das geängstete und kummer¬ volle Herz mit himmlischer Ruhe beseligt, wenn Ihr es gelesen oder predigen gehört habt. Ist es aber Pflicht der Kirche das Wort Gottes immer mehr zu verbreiten, desgleichen die Sakra¬ mente treu zu verwalten und das Gebet zu pflegen, so ist es 14 andrerseits Pflicht jedes Einzelnen, sich fleißig dieser Mittel zu bedienen. Wie ost haben evangelische Christen in schweren Zeiten ihrer Kirche darnach geseufzt sich durch gemeinsame Gottcsverehrung, durch Predigt des Wortes Gottes, Gesang, Gebet und Feier des heiligen Abendmahles zu stärken und z« trösten! Nun aber, da Gottes Gnade unserer Kirche Frieden beschert und uns die Möglichkeit gegeben hat unser Ver¬ langen zu befriedigen, nun sollte auch Jeder mit Dank gegen Gott reichlich davon Gebrauch machen und diese Wohlthat dank¬ bar benützen. Wenn schon das einsame, stille Gebet eine so reiche Quelle der Kraft, des Trostes, des Friedens für den Beter ist, wie viel mehr muß da nicht ein inniges, herzliches Ge¬ bet in Gemeinschaft mit andächtigen Brüdern ein Mittel sein erfüllt zu werden mit Trost des heiligen Geistes? Und welch' Segen strömt aus einer würdigen Feier des heiligen Abend¬ mahls in des bußfertigen und gläubigen Christen Herz! Wie fühlt er sich dadurch bei der Gewißheit der Vergebung seiner Sünden mit überirdischem Tröste erquickt, daß die Sprache zu arm ist den Reichthum dieser Beseligung zu schildern! — Wohlan, die evangelische Kirche hat ihre Aufgabe in dieser Zeit erkannt, sie mahnt und ladet Euch zu den Schätzen des Gotteswortes, zu den Seligkeiten des Abendmahles. So thut Ihr nun das Eure um erfüllet zu werden mit Trost des hei¬ ligen Geistes. In ihm hat die evangelische Kirche ihr höch¬ stes Gut gesunden. Demnach kann es zuletzt nicht ihre Auf¬ gabe sein die günstigen Zeiten dazu zu benützen sich zeit¬ liche Schätze zu erwerben und zu sammeln; sic soll nicht nach irdischen Gütern und weltlicher Pracht streben, sondern sie ver¬ langt allein nach jenem himmlischen Gut, nach der Fülle des göttlichen Geistes, daß er mit seinem Trost, mit seiner Kraft immer mehr sie erfülle, die da ist der Leib, dessen Haupt Jesus Christus und dessen Geist der heilige Geist ist. Lieben Freunde! Je besser und je gewissenhafter die evan¬ gelische Kirche und alle ihre Mitglieder die gegenwärtige fried¬ liche Lage derselben dazu benützen erfüllet zu werden mit 15 Trost des heiligen Geistes, so wie zu wandeln in der Furcht des Herrn und sich zu bauen, desto mehr wird dieser äußere Friede in den noch bessern innern Frieden sich verwandeln, den unser Herr, der rechte Friedens¬ fürst, seinen Jüngern gegeben hat. Wenn hierzu das heutige Fest unserer Kirche beiträgt, dann wird dieses Jubelfest erst ein rechtes Friedensfest sein, nicht bloß für die Zeit, sondern auch für die Ewigkeit. — Mit solchem Sinne feiern wir denn heute das Gedächtniß jenes Augsburgischcn Religionsfriedens. Galt derselbe zunächst auch nur einem Theile der evangelischen Kirche, so genießen wir doch jetzt Alle der gleichen Segnungen, so haben wir doch Alle die gleiche Aufgabe in der Benützung der friedlichen Lage, welche Gottes Gnade unserer theuern evangelischen Kirche be¬ schert hat. Darum lasset uns denn auch nachher noch zum Schluß unfern Dank und unsere Bitten in dem gleichen Gebet mit unfern Glaubensgenossen, in dessen Worten unsere evan¬ gelischen Vorfahren in andern Ländern es schon vor hundert Jahren gethan haben, vor den Thron des allmächtigen Gottes bringen, welcher unsere Feier segnen wolle an unserer Kirche und an unS Allen. Amen. . .-viw', niitznüL Wni^ ,Dr-ft ni' D« r,j« «!!i>Lirrr4 ,chr>L ;,7ftnu ftrF kd:rr, m-2n-ft ,i6 .:n -!<.>'-! rckjn ,i ''5i-''? -ch,i ^ni^s.2,G Lv. -)n-!,i n«^ '«'ii rimiV m?ch! ,2r.sftM -chi^'/>i2 E :» t,i!7?. ii,< !!,. ^'7, iNÄ!,