Elfriede Grabner Der hl. Franz Xaver und das Krebswunder Jesuitisch gelenkte Wort- und Bildpropaganda als missionsmotivierte Kreuzmystik Jezuitski reel seje pri misijonskem tlelu poleg pesmi in kateheze posluževal predvsem slik ter učinkovitih motivov na oltarnih slikah in freskah v cerkvah. Avtorica v prispevku obravnava, kako seje pri pospeševanju češčenja jezuitskega svetnika Frančiška Ksaverija motiv njegovega čudeža z rakom širil z legendarnimi, poučnimi in molitvenimi tiski in z grafikami ter našel svoj likovni izraz tudi v cerkvah in kapelah. Aside from songs and catechesis employed in the course of their missionary work the Jesuits also used pictures and effective motifs on altar paintings and chuch frescoes. The author analyzes how the motif of the Jesuit saint Francis Xavier’s miracle with the crab spread through legends, school and prayer books and graphics, but also with the help of paintings in churches and chapels, thus enhancing the worship of this saint. Einer der ersten Orden, der die gegenreformatorische Liedpropaganda und- katechese besonders herausgestellt hat, war die Societas Jesu, der im Jahre 1534 in Paris von Ignatius von Loyola gestiftete und 1540 in Rom durch Papst Paul III. bestätigte Jesuitenorden. Mit seinen zahlreichen Niederlassungen in Italien, Spanien, Portugal, Frankreich, Deutschland und Österreich verfügte dieser mächtigste Missionsorden der Gegenreformation schon wenige Jahrzehnte nach seiner Gründung über eine ausserordentlich grosse Anzahl seiner Kollegien in vielen Provinzen. Diese Stützpunkte im deutschen und niederdeutschen Sprachgebiet verteilten sich auf die vier Provinzen Oberdeutschland, Niederdeutschland, Rhein und Österreich.' Eine der für besonders ' Läszlo Polgar, Bibliography of the History of the Society of Jesus - Bibliographie zur Geschichte der Gesellschaft Jesu. Rom-St. Louis 1967 (Sources and Studies of the History of the Jesuits, 1); Alois Kroess, Geschichte der Böhmischen Provinz der Gesellschaft Jesu, I—II, Wien 1910-193H (Quellen und Forschungen zur Geschichte, Literatur und Sprache Österreichs und seiner Kronlünder und der angrenzenden Gebiete); Bernhard Duhr, Geschichte der Jesuiten in den Landern deutscher Zunge, I—IV, Freiburg i. B. 1907-1929. wichtig gehaltenen Hauptaufgaben der Ordensmitglieder bestand darin, alle Menschen zum Glauben zu führen und die von Häretikern bedrohten Gläubigen vor diesen zu bewahren. Dabei sollte nicht nur die Betreuung der Bildungschicht an den Gymnasien und Akademien bewerkstelligt, sondern auch die Belehrung der Unterschichten durch die Volksmissionen und eine umfangreiche Seelsorgetätigkeit in den Pfarren vorangetrieben werden. Zu diesen jesuitisch gelenkten Initiativen gesellte sich neben Liedpropaganda und Katechese auch die besonders herausgestellte Bildpropaganda, die sich vor allem in den Druckwerken als Kupferstiche und in den Kirchen und Kapellen als eindrucksvolle Bildmotive auf Altarbildern und Freskendarstellungen niederschlug. Auffallend oft ist mir auf so mancher meiner Wanderungen der in seiner Verehrung besonders geförderte und als Ostasien-, Japan- und China-Missionar bekannte Jesuitenheilige Franz Xaver (1506-1552) auf vielen Altarbildern und Fresken in vielen Kirchen meiner österreichischen Heimat begegnet, am häufigsten jedoch in jenen der historischen Untersteiermark, im heutigen Slowenien. Schon um 1715 hat ein vermutlich von Laibacher Malerhand verfertigtes Ölbild, das den sterbenden Franz Xaver in einer armseligen Baumhütte auf der Insel Sancian, heute Zhanjiang, vor China im Jahre 1552 darstellt, in der Kirche zu Straža (damals offiziell Strasse) bei Radmirje nahe Gornji Grad (damals offiziell Oberburg) in Slowenien, Aufstellung gefunden. Durch jesuitisch gelenkte Förderung und das besondere Engagement des Weltpriesters Ahac Steržiner (Achatius Sterschiner) wird dieses Sterbebild zu einem später ganz besonders bekannten Gnadenbild, dessen Verehrung seit 1717 vom Kultzentrum in Straža ausgeht und über den gesamten Ostalpenraum ausstrahlte.2 Unzählige kleine Andachtsbildchen mit dieser Sterbeszene - um 1733 sollen es schon an die 16.000 gewesen sein - tragen den Kult weit über die Grenzen der einstigen Untersteiermark hinaus. Schon 1729 erscheint das später viele Auflagen erlangende Mirakelbuch Steržiners bei den Widmanstetterischen Erben in Graz,1 das viele wunderbare Heilungen und Gebetsehörungen verzeichnet. Dass eine erstaunlich hohe Anzahl von Franz Xaver-Andachtsbüchern gerade in Graz beim Verlag Widmanstetter erschienen war,1 ist kaum verwunderlich. Graz war ja die Residenzstadt der innerösterreichischen Habsburger. Erherzog Karl von Innerösterreich (1540—1590) und sein Sohn Ferdinand, der spätere Kaiser Ferdinand II. (1578-1637) hatten, um den Protestantismus in ihren Ländern auszurotten, die Jesuiten ins Land gerufen, die ihre spanischen Heiligen mir grosser barocker Aufmachung den Bewohnern dieser Länderdreiheit Steiermark, Kärnten und Krain, mit den dazuhörigen Görz und Gradiška, näher bringen sollten. Hier gab es in Görz und in Ljubljana, wie in Klagenfurt und besonders dicht in der Steiermark, Jesuiten-Kollegien zu Graz, gegründet 2 Zar Entstehung und Kultausbreitung vgl.: Gustav Gugitz, Österreichs Gnadenstütten in Kult und Brauch, Band 4: Kärnten und Steiermark. Wien 1956, S. 262-264; Edmund Friess - Gustav Gugitz, Die Franz Xaver-Wallfahrt zu Oberburg. Eine untersteirische Barockkultstätte und die räumliche Reichweite ihres Einflusses, ln: Österreichische Zeitschrift f. Volkskunde, NS. XII, Wien 1958, S. 83-140. 2 Xaverianische / Uhr- und Gnaden-Hu rg / Das ist: Wundervoller Anfang / Vnd/Gleich geseegneter Fortgang /Gantz und gar neuer/Xaverianischer Andacht / Gnaden / und Guttliaten/So sich zu Oberburg in Unter-Steyermarck / bey dem Gnaden-Bild dess Sterbenden / Heiligen / FRANC1SCI XAVF.RIJ/Der Gesellschaft Jesu von 1716/biss 1728 zugetragen / Vnd von / Admodum Rev. D. M. Achatio/Sterschiner, Commissarlo und Vicarto/in Oberburg, als Stiffler und Urheber/diser Andacht in Latein zusammen getragen, nun, /aber in das Teulsche übersetzt, und mit Genehmhai-/ tung der Oberen in Druck hervorgegeben. Grütz bey denen Widmanstätterischen Hrben 1729. 1 Vgl.: Theodor Graff, BIBLIOGRAFFIIA WIDMANSTADIANA 1586-1805. Die Druckwerke der Grazer Offizin Widmanstetter 1586-1805. Graz 1993, (Arbeiten aus der Steiermärkischen Landesbibliothek, 22). 1573, zu Leoben (1613), zu Judenburg (1621) wie zu Marburg a. d. Drau/Maribor (1758). In G raz war es nun besonders der hl. Franz Xaver, dem diese bevorzugte Herausstellung in hohem Masse zuteil wurde, lange schon früher, ehe Ahac Steržiner mit gutem Kennerblick für die Wirkung des Wunderbaren auf die Masse, die Höhe von Straža zur Gründung eines Franz Xaver-Kultortes wählte. Schon 1659 wurde in der Grazer Hof- und Jesuitenkirche vom 1573 gegründeten Jesuitenkollegium aus eine Franz Xaver-Kapelle errichtet, die Franz Carlone d. Ä. (+1684) zugeschrieben wird und in der ein diesen Heiligen darstellendes Altargemälde zu Aufstellung gelangte. Auch tin reicher Freskenschmuck mit Darstellungen aus dem Leben des hl. Franz Xaver wurde in der Folge am Gewölbe angebracht.'’ Von der 1585 zu Graz gegründeten Jesuiten-Universität ging eine sehr intensive Missionsstätigkeit mit Predigten in deutscher, in slowenischer und auch in italienischer Sprache aus. Daneben gab es in dieser alten, mehrsprachigen Länderdreiheit Innerösterreichs auch nachweisbar kulturwirksame Zentren einer ganz besonderen Verehrung für den Jesuiten-Heiligen Franz Xaver. So z. B. zu Leoben in der Obersteiermark, wo neben dem bereits 1613 gegründeten Kollegium die Jesuiten-Kirche St. Xaver geweiht wurde, die auch nach der Ordensauflassung von 1773 bis heute Stadtpfarrkirche verblieb/’ Sicherlich von der Grazer Jesuiten-Niederlassung aus ging die noch im 18. Jahrhundert durch grossen Zulauf erwähnte Verehrung zum Bild des sterbenden Franz Xaver in der alten Pfarrkirche Eggersdorf bei Graz. Von der einstmals gar nicht so unbedeutenden Franz Xaver-Verehrung in der Nähe der steirischen Landeshauptstadt zeugen heute noch einige Kupferstich-Andachtsbildchen aus dem 18. Jahrhundert.7 In besondere Dichte gesellen sich zu den steirischen Franz Xaver-Verehrungsstätten auch jene der historichen Untersteiermark im heutigen Slowenien, wie die schon erwähnte Wallfahrtskirche zu Straža bei Radmirje, nahe Gornji Grad oder die in den letzten Jahren restaurierte, an Altarschnitzwerken und Barockfresken aus dem Franz Xaver-Leben so reiche Franz Xaver-Kapelle zu Olimje bei Podčetrtek. Während nun in den meisten Kultstätten in der bildlichen Darstellung das Sterbebild ties Heiligen in der Baumhütte auf der Insel Sancian die weit grösste Verbreitung erfuhr, treten andere Szenen aus dessen Leben, wie etwa das Kreuz als xaverianisches Heilszeichen, das auf Altarbildern, Stichen und Fresken stark betont wird, weitgehend zurück. Sie werden dann allerdings ab dem Ende des 17. Jahrhunderts wieder häufiger. Olt fällt dabei ein Regen von Kreuzen auf den heiligen Missionar nieder, wie es auch das Altarbild in der reizvollen, 1766 errichteten und mit Fresken von Anton Lerchinger aus Rogatec geschmückten Seitenkapelle des schon 1675 bestehenden Klosterbaues der Pauliner-Mönche zu Olimje bei Podčetrtek (damals offiziell Windisch-Landsberg) •n der historischen Untersteiermark zeigt.8 Als graphische Vorlage dazu kann wohl ein Dehio Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Graz. Bearbeitet von Horst Schweigen. Wien 1979, S. 19. Günther Jontes, Kurt Woisetschlüger, Die ehemalige Jesuiten - und heutige Stadtpfarrkirche zu Leoben. Geschichte und Kunst. Leoben 1987. Vgl.: Elfriede Grabner, Sankt Franciscus Xaverius, ein ■Schutzhaber in der Aderlass-, Zur Entstehung und Verbreitung eines seltenen ikonographischen Motivs in der Andachtsgraphik des 18. Jahrhunderts. In: Österreichische Zeitschrift f. Volkskunde, NS, XLV1, Wien 1992, S. 438, Abb. 1, K Mirko Krašovec, Olimje včeraj in danes. Podčetrtek 1987, S. 13 f. und 34 f. Neuerdings auch ein informativer, deutschsprachiger Übersichtsartikel von Hermann Rinner, Olimje. Neues Kloster in alten Gemäuern. In: Sendbote des hl. Antonius. Padua 1991/3, S. 38-40. eindrucksvoller Kupferstich in Schabkunst von Josef Sebastian Klauber (1700-1768) -er nannte sich stets »Klauber Catholicus« - angenommen werden, der neben der Sterbeszene auch den »Kreuzregen“, im Hintergrund rechts vor einem Schiff mit windgeblähten Segeln auch einen Krebs mit einem zwischen seinen Scheren haltenden Kruzifix zeigt.9 Abb. 1: Ein Krebs bringt dem lil. Franz Xaver das vom Meer verschlungene Kruzifix zurück. Fresko von Anton Lerchinger in der Seitenkapelle zu Olimje, 1766. - Aufl.: E. Grabner Neben der verhältnismässig seltenen Darstellung des Heiligen als »Schutzhaber in der Aderlass«, die im 18. Jahrhundert Verbreitung fand,10 steht jenes aus der xaverianischen Kreuzmystik stammende und aus der Legende bekannte, gerne dargestellte Krebsmotiv. Es handelt sich dabei um eine Darstellung die zeigt, wie ein vom tosenden Meer verschlungenes Kruzifix, das dem Heiligen entglitt, als er es zur Besänftigung eines plötzlich aultretenden Sturmes in die hochgehenden Wellen eintauchte, von einem Meerkrebs, hoch erhoben zwischen seinen Scheren, wieder ans Land gebracht wird. Dieses Motiv fand nicht nur in der Andachtsgraphik bildhaften E. Grabner, wie Anm. 7, Abb. 2. 10 E. Grabner, ebd. Abb. 4-8. Ausdruck," sondern war auch ein beliebtes Thema für Freskanten, wie es etwa in der Xaverius-Seitenkapelle zu Olimje den Besucher bis zum heutigen Tag erfreut. (Abb. 1) In schöner Stuckumrahmung zeigt die Szene im Hintergrund links das auf stürmischen Meereswogen schaukelnde, mit zerissenen Segeln treibende Schiff, über dem sich ein dunkler Himmel breitet. Im Vordergrund rechts erblickt man den Heiligen im schwarzen Habit und braunem Schultermäntelchen, einen langen Kreuzstab unter seinem linken Arm. Ein lichter Nimbus umstrahlt sein Haupt, während helle Kreuzsterne aus den Wolken auf ihn niederfallen. Aus der linken Ecke des schmalen Strandes im Vordergrund nähert sich ein grosser Meerkrebs, der ihm das vom stürmischen Meer verschlungene Kruzifix, aufrecht zwischen seinen Scheren haltend, entgegenträgt. Dankbar ob dieses Wunders blickt der Heilige zum Himmel empor, während seine linke Hand sich bereits dem wiedergebrachten Kruzifix entgegenstreckt. Das auf einem Spruchband am unteren Ende des Freskos von Anton Lerchinger beigegebene Chronogramm lautet: CrVX proIeCta In Mare VoraX DIVo restltVItVr XaVerlo. Die Auflösung des Chronogrammes ergibt das Entstehungsdatum 1766. Eine ähnliche Darstellung, die den Heiligen mit Krebs und Kreuz, das er gerade mit der rechten Hand in Empfang nimmt, zeigt, während hinter ihm ein ob des Wunders erstaunter Begleiter die Hände erhoben hält, schmückt die reizvolle Wallfahrtskirche Vesela gora in Unterkrain. (Abb. 2) Das Fresko wurde 1760 vom Krainer Meister Anton Tušek gemalt. Wesentlich später datiert ein Fresko aus einem Franz Xaverius-Legendenzyklus rund um den Altar des Heiligen in der Franz Xaver-Seitenkapelle der Domkirche zu Maribor. Es zeigt in einem goldumrahmten Medaillon den Heiligen mit drei Gefährten am Meeresstrand, wie sie dem mit dem Kreuz herankommenden Krebs entgegeneilen. Der Heilige trägt hier einen grossen, breitkrempigen Hut, über dem ein glänzender Heiligenschein sichtbar wird, und, wie auf fast allen Bildwerken, den knöchellangen, dunklen Habit der Jesuiten. Das Fresko wurde nach alten Vorbildern vom Furlaner Maler Jakob Brollo im 19- Jahrhundert ausgeführt.12 Fast in der gleichen Stellung, wie auf jenem Freskobild in Vesela gora in Unterkrain zeigt ein weisses Stuckbild den Heiligen mit dem kreuzbringenden Krebs auf der rechten Seite der Jesuitenkirche in Varaždin/Kroatien. Auch hier ergreift Franz Xaver das Kreuz, das ein grosser Krebs ihm gerade überbringt. Das Feinstuckbild hebt sich durch seine weisse Farbe nicht sehr deutlich vor einem blassen blau-rosa-farbigen Hintergrund ab. Dieses Meerwunder, das im Rahmen der jesuitischen Propaganda eine grosse Rolle spielte, wurde auch in vielen Andachtsbildchen und Buchillustrationen im Bereich der von den Jesuiten betriebenen Franz Xaver-Kultstätten dargestellt. So etwa zeigt dieses Motiv auch ein Kupferstich auf Seide vom Augsburger Stecher Josef Anton Schmidt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Er ist bist jetzt anscheinend ein Unikat geblieben und weist auf eine - heute verschwundene - Kärntner Kultstätte in Spittal an der Drau hin.13 11 Der Kupferstich vonj. S. Klauber (wie Anm. 9) zeigt dieses Motiv im Hintergrund ebenso, wie der unsignierte Stich aus Eggersdorf bei Graz, auf dem der Krebs mit dem Kreuz zwischen den Scheren in der Mitte des unteren Bildteiles besonders in den Vordergrund gerückt wird. '■ Vgl. dazu: Emilijan Cevc, O Frančiškovih svetiščih in podobah na Slovenskem. In: Jože Kokalj, Frančišek Ksaver, Ignacijev prijatelj. Ljubljana 1990, S. 152-155 und 166 f. ” Gustav Gugitz, Ein unbekannter Franz-Xaver-Kult in Spittal a. d. Drau, ln: Carinthia I, 148(1958) S, 678-680, Abb. 1. Abb. 2: Das Krebswillitler in der Kirche Vesela gora in Unlerkrain. Fresko von Anton Tušek, 1760. - Aufti.: H. Grabner Die graphischen Vorlagen für dieses Meerwunder-Motiv können vor allem im 17. und 18. Jahrhundert nach der Kanonisation von Franz Xaver (1622) in den zahlreich erschienenen Kupferstichen gesucht werden, die wiederum auf die schriftliche Quelle des Wunderberichtes von l608 zurückgehen. In vielen dieser Darstellungen drängte sich Ausserordentliches und Exotisches auch in den deutschen Raum. So etwa wird auf dem Ingolstädter Kanonisationsfest von 1622, das Franz Xaver als den »christlichen Neptun« feierte, im Schauzug in einem ersten Bild ein Kreuz gezeigt, das von wilden Wogen auf dem Meer herumgeworfen wurde. Aber ein Seekrebs erfasste es und trug es den Gestaden wieder zu. Eine Inschrift dazu besagte: Mare crucem non abstulit, secl abluit.u Auf einem eindrucksvollen Augsburger Kupferstich von Gottfried Bernhard Götz (1708-1774) wird dieses Motiv besonders vielschichtig behandelt. Zu Füssen des Heiligen steigt das Tier aus den Wellen, indem es ein Kruzifix zwischen seinen Scheren hält uns auf dessen Rücken auch ein Kreuz mit zwei Fahnen eingezeichnet ist. Das 11 Sammelblatt des Historischen Vereins in und für Ingolstadt 22 (1897), S. 5. Motiv des Krebses wiederholt sich auf dem gleichen Bild im Sternenhimmel. Die rechte Hand des Heiligen berührt einen Erdglobus. Auch sein Rochett trägt ein grosses Missionskreuz. Die Unterschrift des Bildes führt die biblische Wendung aus dem 2. Baulusbrief an Timotheus: Senno - ut CANCER. 2. Tim. 2(17),''’ was verkürzt für den vollständigen Vers: Et sermo eorum ut cancer serpit - »Ihre Lehre wird um sich fressen wie ein Krebsgeschwür«, steht. Ein ähnlicher, leider stark beschnittener Kupferstich aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stellt den Heiligen ebenfalls mit der Erdkugel und dem aus Wasser steigenden Seekrebs als Weltmissionar bei der Taufe von Indianerknaben dar. Er wird hier als Compendium Prophetarum angesprochen.16 Wie sehr noch um die Mitte des 18. Jahrhunderts das Krebsmotiv bildlich vom Grazer Jesuitenkollegium herausgestellt wurde, kann anhand eines Kupferstiches von Marcus Weinmann (+ um 1770), der sich 1758 in Graz niederliess und bereits ein Jahr später als »Universitäts-Kupferstecher« arbeitete, abgelesen werden.17 (Abb. 3) Die halbfigurige Darstellung des Heiligen in priesterlicher Gewandung mit Chorhemd und Stola, der mit beiden Händen auf eine Öffnung seines Rochetts auf der Brust - wohl auf sein »brennendes« Herz - hinweist, wird von einer lichten Aureole umstrahlt. Über diese öfters dargestellte Gewandöffnung erfährt man aus einem Andachtsbüchlein, dass das Herz des Heiligen »von einer innbrünstigen Liebe gegen Gott dergestalt entzündet«, dass er gezwungen war, »sein Kleid an der Brust zu eröffnen, um damit seinem Eifer Luft zu machen«.18 Er hat auf unserem Stich seine Augen nach oben erhoben, während vor ihm auf einem Tisch ein grosser Krebs das Kreuz zwischen seinen Scheren emporhält. Auch hier hat das Tier, ähnlich wie auf dem Kupferstich von G. B. Götz, auf seinem Rücken ein grosses Kreuz, flankiert von zwei Fahnen, eingezeichnet. Der Stich trägt die Inschrift: S. FRANCISCUS XAVERIVS SOC: I : und ist signiert mit: »M. Weinman Scs. Graecy«.19 Im Einklang mit dieser künstlerischen Formgebung steht die literarische Überlieferung dieses xaverianischen Missionsmotivs. Dazu zählen frühe Legendenlieder, in denen man schon die ersten Ordensheiligen der Jesuiten, Ignatius von Loyola und Franz Xaver, die gemeinsam mit Philipp Neri, Isidor von Madrid und Theresia von Avila am 12. März 1622 kanonisiert wurden, herausstellte. Aus Anlass der Kanonisation erschienen solche Lieder mehrfach im Druck und wurden auch von Jesuitenschülern gesungen. Meistens handelt es sich um Lieder, die mit jeweils zweihundert Versen recht aufwendig gestaltet sind. Einen charakteristischen Beleg bildet etwa schon der erste der Geistlichen Jubel / Oder Frewden-Gesäng. Vom Leben vnd etlichen Wunderwercken dess EI. Valters IGNATII von Loiol / wie auch S. ERANCISCI XAVERII: Beide auss der Societet JESU. Im Thon: Frew dich du llimmel-Königin / Ereiv dich Maria /. h Abb. Tafel 28, Nr. 61 bei: Georg Schreiber, Deutschland und Spanien. Volkskundliche und kulturkundliche Beziehungen. Düsseldorf 1936 (Forschungen zur Volkskunde H. 22/24). Ifl Beschnittener, unsignierter Kupferstich, ohne Inv. Nr. im Steirischen Volkskundemuseum mit der Inschrift: Compendia, (m) Prophetaru. (m) und dem - teils fehlenden - Lukas-Vers, Kap. 7, 16: Proplieta magnus surrexlt in nobls et quta Deus visitavit plebein suam. 17 Marcus Weinmann, Kupferstecher aus Klagenfurt, tätig in Graz und Pressburg, lernte bei Leopold Schmittner (1703-1761), liess sich 1758 in Graz nieder, wo er einen Thesenverlag gründete. Vgl. : Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Kunst, 35. Bd., Leipzig 1942, S. 303. IH Zehen- und neun-tägige /Andacht / Zu dem / Hei. Wunder-Mann h'RANCISCUM / XAVHRIUM / Aus der Gesellschaft JUSU. Tyrnau 1752, S. 103. 17 Landesmuseum Joanneum, Abt. Alte Galerie, Graz, inv. Nr. K. 3945. SlPkanC i. s cv/s jcjvsekvss Sodi: _3ItttffltitnatT Abb. 3 Franz Xaver und der kreuz/ragende Krebs. Kupferstich run Marcus Weinmann, 18. Jh. - Aufn.: Alle Galerie, Graz Das Lied, das zuerst im Kanonisationsjahr 1622 bei Ulrich Rem in derjesuitenresidenz Dillingen, dem -schwäbischen Rom-, herauskam, wurde noch im Jahre 1675 von Sebastian Rauch in München nachgedruckt.20 In diesem vielstrophigen Legendenlied wurde bereits das Krebswunder-Motiv aufgenommen: Vil Todten hiess er aufferstehen / Vil Krumm vnd Lame wider gehen. Den Zorn dess Meers / der Höllen-Port / Hat er offt gstillt mit einem Wort. Er war gereist 200. Meil / Ein Meerkrebs kam in grosser Eyl. Vnd trug das Creutz in seiner Schalen / So ihm ohngfähr ins Wasser gfallen.21 Die Erzählung von dem wiedergebrachten Kruzifix fehlt auch nicht in einem 1633 gedruckten Lied mit dem Eingang: Heiliger Francisci / Liecht der Heydenschafft:22 20 Dietz-Kiidiger Moser, Verkündigung durch Volksgesang. Studien zur Liedpropaganda und - katechese der Gegenreformation, llerlin 1981, S. 182 f. 21 Derselbe, ebd. S. 187 mit zahlreichen einschlägigen Herkunftsverweisen. 22 Hin newes Geistliches Gesang, von deni H. Francisco Xaverio, Der Societet lest) Priester, der Indianer Apostel genant, und Lehrer der Heyden. In seiner aignen heygesetzten Melodey chorweyss lieblich zu singen. München In die wilde Wellen Ein Creutz geworffen hat, Thet das Möhr bald stellen, Kam sicher an das Gstatt, Sein Creutz ivolt er nit lassen, Ein Krebs hats aufgefassen, Er schwimbt daher, Durchs tiejfe Möhr, Bringts Creutz in seiner Scher. Dieses aus der Volküberlieferung vielfach bekannte und vor allem in der Bildpropaganda ausgeschmückte Krebs-Motiv wurde von manchen Jesuiten mit Hartnäckigkeit als historiches Faktum angesehen und verteidigt. Auch die Heiligsprechungsbulle über Franz Xaver nennt neben einer ganzen Reihe anderer auffallender Begebenheiten und Wunder, wie Krankenheilungen, Totenerweckungen, prophetischen Worten, auch dieses Ereignis, dass ein Kruzifix, das dem Heiligen aus der Hand geglitten und ins Meer gefallen sei, bei der Landung von einer Krabbe wiedergebracht worden wäre.23 Dieses Meerwunder erlangte im Rahmen der jesuitischen Propaganda grosse Bedeutung. Es wurde nicht nur, wie eingangs bereits dargelegt, auf Andachtsbildern, sondern auch in vielen von den Jesuiten betreuten Franz Xaver-Kultstätten bildlich dargestellt. Die Episode fehlt allerdings in den ersten Franz Xaver-Biographien von Tursellinus, Ribandeneyra und Lucena.24 Sie wird erst auf Grund einer Zeugenaussage des Francesco Rodriguez aus dem Jahre l608 in einem auch in Deutschland veröffentlichten Jahresbericht der Jesuitenmission auf den Philippinen für dieses Jahr übernommen. Sie geht dann von dort in die Bearbeitung der italienischen Ausgabe der Biographie des Johannes Lucena in der Redaktion des Jesuiten Louis Mansoni (Rom l6l3) über und wird schliesslich von dort in die Akten des Selig- und Heiligsprechungsprozesses übernommen, aus denen sie dann in die Lied- und Andachtsliteratur weiterwandert.25 Die Hauptquelle für die Zuschreibung dieser Krebswunder-Episode bildet die Zeugenaussage des Francesco Rodriguez im Cebü-Prozess von l608 und l6l3, der als junger Mann den Missionar begleitet hatte. Die authentische Abschrift des Rektors des Jesuitenkollegs, F. de Otaza, wird im Archivum Romanum Societatis Jesu aufbewahrt.26 In der Übersetzung hat die Aussage des F. Rodriguez folgenden Wortlaut: »Der Zeuge sagte, er habe auf der Insel Ambueno den P. Mag. Francisco... gekannt... Etwa fünf Monate lang habe er dort mit ihm verkehrt. In dieser Zeit schiffte sich der Zeuge einmal in einer Korakora27 ein mit genannten P. Mag. Francisco und einem Portugiesen...Juan Raposo, und das Schiff war mit Eingeborenen bemannt. Als sie nun (Cornelius Leysser) 1633. Abdruck bei: Philipp Wackernagel, Das Deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts. Leipzig 1864-1877, Bd. V, Nr. 1563. '* Vgl.: Ludwig Koch, S. J., Jesuiten-Lexikon. Die Gesellschaft Jesu einst und jetzt. Paderborn 1944, S. 600 f. '* Horatius Tursellinus, S. J., De Vita h'rancisci Xcwerii. Rom 1594; Petrus Ribandeneyra, S. J., Vita Ignatii Loyalae, Societatis Jesu fundatoris. Neapel 1572; Joam de Lucena, Historia da Vida do Padre Francisco de Xavier. Lissabon 1600. 25 D. - R. Moser, wie Anm. 20, S. 191 f. ’ Vgl.; GeorgSchurhammer, Ein christlicher japanischer Prunkschirm des 17. Jahrhunderts. In: Artibus Asiae 2, 1927, H. 2, S. 94-123. Derselbe, Franz Xaver. Sein Leben uns seine Zeit. 11, 1. Freiburg i. B. 1963, S. 689-694. '7 Malaisches Ruderboot. von einer Insel zur anderen fuhren, überfiel sie ein grosser Sturm, und der P. Mag. Francisco nahm ein Kruzifix vom Hals von der Grösse eines Fingers und tauchte es vom Bord des Schiffes ins Meer und es fiel ihm aus der Hand ins Meer. Darüber zeigte F. Mag. Francisco grosse Betrübnis...Am anderen Tag kamen sie mit demselben Sturm an eine Insel namens Baramula,28 wo das Dorf Thamalo29 ist, das ihr Reiseziel war. Sie fuhren mit genannten Schiff am Lande auf. Von dem Augenblick aber, wo dem P. Mag. Francisco das Kruzifix entfallen war, bis zur Zeit, wo sie auffuhren, waren 24 Stunden vergangen. Sie sprangen sofort ans Land, und P. Mag. Francisco und er, der Zeuge, begannen dem Ufer entlang den Weg zu genannten Dorf zu gehen. Als sie aber so weit gegangen waren, wie von dieser Stadt (Cebü) bis zur Kapelle Nuestra Senora de Guia, was etwa die Hälfte einer Viertelmeile (legua) sein mag, kamen der genannte P. Mag. Francisco und er, der Zeuge, nah am Ufer des Meeres hin. Da kam ein Krebs heraus mit dem genannten Kruzifix, das er in den Scheeren hochhielt, und er, der Zeuge, sah, wie der Krebs wartete, bis er es ihm mit der Hand aus den Scheeren genommen hatte, und sofort kehrte der Krebs ins Meer zurück. Der P. Mag. Francisco aber küsste das Kruzifix und umarmte es, und er kniete, indem er das Kruzifix mit den Händen hielt, die Arme kreuzweise über die Brust gefaltet, etwa eine halbe Stunde lang, und er, der Zeuge, tat dasselbe, und er, der Zeuge, dankte Unserem Herrn vielmals für ein so grosses Wunder. Dann aber setzten sie ihren Weg fort...«30 Diese durch einen Zeugen »beglaubigte« xaverianische Wundergeschichte findet auch bald Eingang in die lateinische Andachtsliteratur des 17. Jahrhunderts. So etwa auch in einen Grazer Widmanstetter-Druck des Jahres 1662, wo die Geschichte in die Betrachtungs-Meditation eingebunden wird: S. Francisce Xaveri, qui cum in Molucis ex Amboina in Baranulam Insulam navigares, ad sedandam sevam maris tempestatem detractam e collo tuo Cruci/ixi imaginem in mare demissam tenuisti, eamque ßuctibus ahreptam, ac deperditam, cum postridie in littore multis inde milliaribus dissito cum socio iterfaceres, a cancro marino aquis egrediente amissam pridie Crucifixi tui iconem chelarum morsibus elevatam tibi referre vidisti, et illam summo gaudio provolutus in genua recepisti;...31 Auch in den späteren Andachtsdrucken dieses Jahrhunderts wird diese Episode immer wieder eingefügt. So wird das Krebswunder auch in eine Meditatio pro septimo die Veneris der Grazer Marianischen Sodalitas Beatae Mariae Virginis natae reginae angelorum aus dem Jahr 1669 übernommen. Probavitque mare duplicem subjectionem, et obedientiam suam, et componendo procellas suas, dum Sanctus Amboino ad Insulam Ballavolam iter faceret, et reddendo Crucifixum, unicum viaticum et apparatum suum, quem admittebatpaupertasXaverij, laborum et affictionum unicum solatium, et robur, dum sequenti tempestatem die prope terram Tamulo dietam 40. millaribus procul a loco tempestatis, et jacturae, ex " Seran. a Tamilau. w Georg Schurhammer, Das Krebswunder Franz Xavers - eine buddhistische Legende? In: Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft 46, Münster 1962, S. 109-121, 208—216, 253-263, lies. 112— 120. 11 PH1LO-XAVERII/ Pietas Hebdomadaria / in S. Patronvm/h'RANCISCUMXAVHRIUM, 1ND1ARUM APOSTO-/ WM, eSOC1HTATE/JESU, adbeatum exhac/mortalivita tmn-/sUvtn/a/Deopereiw