Hinsichtlich der vom Ministerrathe beschlossenen, und von Seiner Ma¬ jestät genehmigten Einführung mehrerer mildernden Bestimmungen des Strafgesetzes. "..—— -—. Da mehrere Bestimmungen des derzeit bestehenden Strafgesetzbuches über Verbre¬ chen und schwere Polizei-Ucbertretungen vom 5. September 1605 der Gesittung und Bildungs¬ stufe der Volker des österreichischen Kaiserstaates, so wie den Einrichtungen eines konstitutio¬ nellen Staates in keiner Weise mehr entsprechen, so Haven Seine Majestät über einen Antrag des Justiz-Ministers und nach Einvernehmung Ihres Ministerrathes mit allerhöchster Entschlie¬ ßung vom 22. Mai vorläufig, und bis zur Kundmachung eines im constitutionellen Wege ab¬ zufassenden und zu sanctiomrenden neuen Strafgesetzbuches, die nachstehenden Abänderungen an den bestehenden Strafgesetzen zu verordnen beschlossen: I. Die in den 17, lit. K und 6, 19, 20, und dem zweiten Absätze des §. 22 des I. Theiles, und in dem §. 8, lit. o, 15, 16, 19, lit. » und o, und tz. 21 des II Theiles des genannten Strafgesetzbuches enthaltenen Vorschriften werden außer Wirksamkeit gesetzt. Es darf daher von jetzt an wegen Verbrechen keine Verurtheilung: ») zur Ausstellung auf der Schandbühne; b) zur Züchtigung mit Stock- oder Ruthenstrcichen; o) zur Brandmarkung; und eben so wenig wegen schwerer Polizei-Ucbertrctungen, 6) zur körperlichen Züchtigung, oder e) zur öffentlichen Ausstellung im Kreise mehr erfolgen. II- In den Fallen, für welche eine dieser Strafarten in den Gesetzen als Verschär¬ fung angedroht ist, ist entweder die Hauptstrafe innerhalb der gesetzlichen Schranken verhält- nißmäßig strenger zu bestimmen, oder derselben eine andere gesetzlich zulässige Verschärfungsart hinzuzufügen. In soferne die körperliche Züchtigung für schwere Polizei - Uebertretungen als Haupt¬ strafe festgesetzt wäre, ist dieselbe unter Anwendung des §. 23 II Theiles des Strafgesetzbu¬ ches in Arreststrafe, mit Rücksicht auf den Nahrungsstand des Sträflings, abzuändern. III- Körperliche Züchtigung ist künft gpn auch als Disciplinar-Strafe wider Beschul¬ digte und Sträflinge nicht mehr zu verhangen, sondern es sind anstatt derselben die übrigen in den Gesetzen festgesetzten Maßregeln in Anwendung zu bringen. IV. Die in dem § 272 des I Theiles . des Strafgesetzbuches vorgesehene häusliche Durchsuchung wegen Verdacht eines Verbrechens darf in Zukunft nicht mehr von den Orga¬ nen der isicherheitsbehörde nach ihrem eigenen Ermessen, sondern nur auf Grundlage eines förmlichen Beschlusses des Criminal-Gerichres, von dessen Abgeordneten, oder von der zur. That- bestandscrhebung gesetzlich berufenen, jedoch zu diesem Aete durch das Criminal-Gcricht eigcnds zu ermächtigenden Behörde vorgenommcn werden. Dieser Beschluß des Crimmal- Gerichtes ist bei Collegial - Gerichten von dem Colle¬ gium, bei Einzelngerichten aber von dem Inquirenten nach Maßgabe der hinsichtlich der per¬ sönlichen Verhaftungen mit dem Hof-Decrete vom 19. September 1826 Nr. 2220 der Justiz- Gesetzsammlung, festgesetzten Vorschrift zu fassen, dem betroffenen Wohnungsinhaber bei Vor¬ nahme der Hausdurchsuchung in schriftlicher Ausfertigung vorzuweisen, und sammt der genauen Nachweisung der gesetzlichen Rechrfertigungsgründe den Acten beizuschließen. V. Die Vorschrift des §. 306 I. Theiles des Strafgesetzbuches, wornach die Unter¬ suchung der eines Verbrechens rechtlich beschuldigten Personen auf freiem Fuße nur dann statt¬ finden kann, wenn die Beschuldigung ein Verbrechen betrifft, welches nach dem Gesetze höch¬ stens eine einjährige Kerkerstrafe nach sich ziehen könnte, ist in Zukunft allgemein in jenem ge¬ linderen Sinne anzuwenden, welche ihr ohnehin bisher schon von verschiedenen Auslegern zuer¬ kannt worben ist. Hiernach ist die Verschonung des Beschuldigten mit dem Verhafte, wenn die übrigen Erfordernisse des §. 306 vorhanden sind , auch auf jene Fälle auszudehnen, wo zwar im Gesetze die Kerkcrstrafe im Allgemeinen bis auf fünf Jahre ausgemessen, allein nach der Beschaffenheit der Umstände als wahrscheinlich vorauszusehen ist, daß dieselbe nach Ma߬ gabe der 48 und 49 vermöge überwiegender Milderungsumstände oder aus Rücksicht für die schuldlose Familie des Beschuldigten bis auf ein Jahr herabgesetzt werden dürfte. VI. In Beziehung auf die Einrichtung der Untersuchungs-Gefängnisse, so ipie der Strafanstalten für die wegen Verbrechen Verhafteten sind zwar vor der Hand die bestehenden Vorschriften aufrecht zu halten, allein es ist den Verhafteten, zumal den erst nur im Untersu¬ chungs-Gefängnisse befindlichen Beschuldigten, in der alseitigen Behandlungsart, jede durch Hu¬ manität und anständige Begegnung empfohlene Erleichterung zuzuwenden, die nur immer mit der Vorschrift des Gesetzes, mit der Sicherheit der Anhaltung und dem Zwecke der Strafe ver¬ träglich ist. Insbesondere soll aber ») bei der Absonderung der Verhafteten nach bestimmten Catcgorien, nebst den ohnehin schon vorgeschricbencn Rücksichten, auch auf die Art der ihnen zur Last gelegten Verbre¬ chen, sowie auf ihre Bildungsstufe angemessener Bedacht genommen werden; ferner b) den Verhafteten, eben mit Rücksicht auf ihre Bildungsstufe, kein Hinderniß in der Zu¬ weisung angemessener Lectüre, sowie von Schreibmaterialien in den Weg gelegt und hiernach auch, mit einstweiliger Aufhebung der, Wirksamkeit des §. 318 I. Theiles des Strafgesetzbuches, unter den erforderlichen Vorsichten die Erlaubniß gewährt werden, in den Morgen- und Abendstunden Licht zu brennen. Vir. Die Bestimmungen der 363, 364 und des zweiten Absatzes des §. 365 des I. Theiles des Strafgesetzbuches werden dahin abgeändert, daß in den drei dort angegebenen Fällen, wenn nämlich der eines Verbrechens Beschuldigte sich bei dem. Verhöre sinnenverwirrt stellt, oder auf die an ihn gestellten Fragen keine Antwort gibt, oder lügt, durchaus keine Dis- ciplinar-Strafe mehr in Anwendung kommen darf. Der Untersuchungsrichter hat in diesen Fäl¬ len nach der Schlußanordnung des §. 563 die Belehrung des Obergerichtes anzusuchen. Endlich werden VIllI Die §§. 433 und 434 des I. Theiles dahin abgeändert, daß wegen der dort aufgezählten Verbrechen die pon den Criminal-Gerichten erster Instanz gefällten Strafurtheile vor ihrer Bekanntmachung in Zukunft nur dann dem Criminal-Obergerichte vorzulegen sind, wenn dadurch auf eine Strafe in der Dauer von mindestens sechs Monaten erkannt wird. Hierdurch soll also den wegen minder strafbaren Handlungen abgeurtheilten Verbre¬ chern die Erleichterung zugehen, daß die von der Vorlegung der Urtheile an das Obergericht untrennbare Verzögerung in der Beendigung des Straf-Protestes bei solchen Srrafurtheilen entfallen soll, wo vermöge der Kürze der Strafdauer eben jene Verzögerung der Verurtheilten nicht selten empfindlicher als die verwirkte Strafe selbst treffen würbe. — Das ihm nach dem Strafgesetze gegen derlei Urtheile zustehende Recht des Recurses soll aber hierdurch in keiner Weise verkürzt werden. Wegen Aufhebung der Strafe der Anhaltung zur öffentlichen Arbeit für Verbrechen, und zur öffentlichen Gemeindearbelt wegen schwerer Polizei-Uebertretung, erläßt das Justiz- Ministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern unter Einem den geeigneten, Auftrag an die berufenen Behörden um unverzügliche Berichterstattung darüber, welche Hin¬ dernisse der sogleichen Abschaffung auch dieser Strafe etwa in der einen oder anderen Provinz nicht bloß verknögL W BeLLränkLbeit der Gefängnisse, sondern vor Allem aus Rücksicht für H>ie Gesundheit selbMnHHeyIehen, und wie diese Hindernisse ungesäumt be¬ seitigt werden können. Weitere von dem Mmisterrathe wohl ebenfalls höchst wünschenswerth erkannte Ab- änderunM an Un bestehenden Strafgesetzen, welche nämlich über die Grenze einer bloßen Ab- sHaAükMö Härten hinausgehen, indem sie gleichzeitig durch neue gesetzliche Bestimmungen erft-tzt^werVrn^müßten, sind dem Reichstage vorzubehalten. Laibach am 6, Juli 1848. Leopold Graf v. Welsersbeimb, Landes-Gouverneur. Andreas Graf v. Hohenwart, k. k. Hofrath. V Karl Freiherr v. Flödnigg, k. k. Gubernialrath.