lsathoöschMiKionsAitschH Herausgegeben von der Songregattoii: Mifstonäre Söhne des heiligsten Herzens Jesu. Preis ganzjährig: Österreich 2'50 8, Deutschland 2 Mark, Italien 8 Stre, Ungar» 2*50 Pengö, Tschechoslowakei 12 öS, Jugoslawien 25 Dinar, Schwerz 2*50 Frunles*. __________________übriges Ausland 2 Woldmark.____________________________ Unser Heiliger Vater Pius XI. hat rote schon früher Papst PiuS X. der Redaktion, den Abonnenten und Wohltätern den Apsst»-lischen Segen ertellt. Für Wohltäter werden täglich heilige Messen gelesen. Mit Empfehlung der hochwürdigsten BSerbirtee von Brixen, Brünn, Graz, Leitmerttz, Linz, Olmütz, Marburg, Trient, Triest und Wien und Druckerlaubnis deS eencToIotem. Left 8 u. 9 August/September 1935 XXXVBI. Jahrgang Misstonsbrief aus Mariatrost. Das im verflossenen Jahre errichtete Schwesternhaus Konnte am 1. Dezember bezogen werden. Am gleichen Tage wurden 40 Schwarze, teils Kinder, teils Erwachsene, durch die heilige Taufe in die Kirche aufgenommen und 50 empfingen zum ersten Male das Brot des Lebens. Kaum war die erhabene Feier zu Ende, als sich auch schon wieder die rauhe Wirklichkeit geltend machte. In dichten Schwärmen zogen die Heuschrecken heran. Trotz des Einsatzes aller Kräfte war es nicht möglich, der Plage Herr zu werden. Auch an den folgenden fünf Tagen bot sich das gleiche Schauspiel. Wohin man blickte, war alles voll von Heuschrecken, auf dem Boden wie in der Luft. Hunderte von Meilen im Umkreis war es nicht besser. Die endliche Beseitigung des Übels ist weniger den behördlichen Vernichtungsmaßnahmen als vielmehr dem Umstande zu danken, daß unter den Vielfraßen eine Seuche ausbrach, die sie millionenweise hinwegrasfte. Unsere Schulen erfreuen sich auch in diesem Jahre eines anhaltend guten Besuches. Unsere Hauptschule wird von 240 Kindern besucht. In den vier Außenschulen empfangen insgesamt 200 Schwarze Unterricht. Anfangs März zählte unsere Negergemeinde 508 Getaufte und 50 Katechu-menen. Planmäßig und zielbewußt widmen sich die südafrikanischen Missionen auch der wirtschaftlichen und sozialen Hebung der einheimischen Bevölkerung. An der Hauptversammlung des katholischen Afrikavereines, die zu Beginn des Jahres in Johannesburg abgehalten wurde, nahmen die Vertreter von nicht weniger als 16 Vikariaten und Präfekturen Eiidafri-kes teil. Die meisten Bischöfe und Präfekten waren persönlich zu der Tagung erschienen. Eine besondere Freude bildete für uns die Ankunft unseres hochwürdigsten Generalsuperiors P. Josef Musar, der im April hier anlangte. Schon seit Wochen hatte man Vorbereitungen zu einem würdigen Empfang getroffen. Als das Auto in die Farm einfuhr, spielte unsere Musikkapelle das Burenmarschlied: „O, bring mich zurück in das alte Transvaal." Die Schulkinder sangen das ins Englische übersetzte Lied: „Gott grüße dich." Dann folgte die Nationalhymne der Schwarzen: „Nkosi. sikelela i Afrika", „Herr, hilf Afrika!" Nach der Begrüßungsansprache dankte der Generalobere den Patres, Brüdern. Schwestern, Lehrern und Kindern in bewegten Worten für den ebenso herzlichen wie schönen Empfang, der seine bescheidenen Erwartungen weit übertroffen hatte. Zuversichtlich hoffen wir, daß die auf mehrere Monate berechnete Anwesenheit des hochwürdigsten Generalobern in der Mis- sion, die er schon aus früherer langjähriger Tätigkeit kennt, unsere Arbeit fördern wird. Froh begrüßten wir auch die beiden Neuangekommenen Brüder Oberstaller und Hirschlein. Wie überall im britischen Weltreiche feierte man im Mai auch hier das 25jährige Regierungsjubiläum des englischen Königs Georg V. In einer festlichen Veranstaltung wurde zunächst den Schulkindern und dann auch den Erwachsenen die Bedeutung des Tages zum Bewußtsein gebracht und ihnen gezeigt, daß die Katholiken der englischen Besitzungen Seiner Majestät für die ungehinderte Freiheit ihrer religiösen Betätigung Dank schuldeten und in der Erfüllung ihrer staatsbürgerlichen Pflichten hinter den Anhängern anderer Bekenntnisse niemals zurückstehen dürften. Daran schlossen sich turnerische und sportliche Wettkämpfe und Spiele. Die Sieger wurden durch Preise ausgezeichnet. Neben den sportlichen Leistungen begegneten die verschiedenen Arten der Volksbelustigung allgemeinem Interesse. Das Erbe der Mutter. Eine Missionserzählung. Nachdruck u-rbot-n. Das Kirchlein des Missionshauses lag im Dämmer des sinkenden Sommertages. Eine kleine Gruppe Fremder stand flüsternd im Hintergründe des Mittelschiffes. Neugierige Blicke glitten umher. Kopsschütteln, Raunen, Lächeln. Nur ein junges Mädchen, das etwas abseits stand, schaute seltsam gefesselt gurrt Altare hin, gurrt kleinen Lichtlein, das in roter Wärme das kleine Goldtürchen in der Altarmitte beleuchtete. Novizinnen in weißen Schleiern gingen lautlos hin und wieder, füllten das Öl des ewigen Lichtes nach, gaben den weihen Blumen neues Wasser, deckten den Altartisch mit duftend weihen Linnen. Wie verkleidete Bräute, die einen heimlich Geliebten umsorgen, dachte Lucia gelben, Eine unerklärliche Bewegung zwang sie, mit ihnen zu knien, wie man vor einem Geheimnis kniet. Vor einem Geheimnis, dem sie zum ersten Male in ihrem Leben begegnete. Ihr Blick ging zu einem Seitenaltare. Das große Bild in der Mitte zeigte einen Sterbenden, einsam und verlassen am Meeresstrande, in der matten Hand ein Kreuz. Die Rechte ruhte auf dem Herzen, die brechenden Augen waren mit unsagbar glückseligem Ausdruck in die Weite gerichtet, wo die Sonne leuchtend in den Schoß der Unendlichkeit sank. Das junge Mädchen war so gebannt, daß es das ärgerliche Flüstern in seinem Rücken nicht hörte. Eine Nonne kam um den Pfeiler am Seitenaltare. Luc/a, ohne sich Rechenschaft über ihr Tun zu geben, stand aus und ging eilig auf sie zu. „Verzeihen Sie, ehrwürdige Frau, wer ist der Mann, der da stirbt?" „Das ist Franz Xaver, der große, heilige Apostel Indiens", sagte die Nonne leise. „Also ein — Missionär der Katholiken?" Lächelnd nickte die Schwester und ging zur Klausurpforte. Lucia sah, daß ihre Begleitung nicht mehr da war, und schritt langsam zum Ausgang. Das kleine Heiligtum kam ihr vor wie eine Welt verborgener Wunder. Es wurde ihr schwer, zu gehen. Die andern standen wartend an der Mauer, die sich rings um den Klostergarten zog. „Endlich! Wir dachten schon, Sie hätten sich mit Haut und Haaren der Nonnenhaube verschrieben", grollte Ernst Herden. In seinem Gesicht wetterleuchtete es. Seine großen, dunklen Augen suchten ihren Seelengrund auszuforschen. Aber, wie immer in solchen Augenblicken, hütete sie ihn wie ein scheues Heiligtum. Sie hob lächelnd den Finger: „Oh, eine Nachtigall!" — „Eine Nachtigall im Klostergarten! Eine Idylle aus dem düstern Mittelalter", sagte ein wenig spöttisch Frau Magda Veltor, Lucias Schwester. Veltor lachte: „Wäre ich Frau Nachtigall, ich wüßte mir bessere Hörer für meine Lieder als die trüben Wesen da drinnen, von denen man nicht weiß, ob sie zu bemitleiden oder zu verachten sind." „Wer? Die Klosterfrauen?" frug Lucia und sah den Sprecher mit ihrem tiefen, blauen Blicke so unverstehend an, daß er verlegen wurde. „Nun ja. Findest du es denn nicht ungemein merkwürdig, das; junge, gesunde Geschöpfe, in einen nürri-sehen Wahn verrannt, sich in so ein lebendiges Grab verkriechen und sich von der schwerschaffenden Mitwelt unterhalten lassen?" Lucia stieg das Rot edler Entrüstung ins Gesicht. „Bist du deiner Sache so sicher, lieber Schwager? Dann sag mir einmal, wer die ersten Lichter der Kultur im dunklen Erdteil angezündet, wer einem versklavten, in eigener Wildheit geknechtetem Volke den Glauben an Liebe und Güte von Gott und Menschen gebracht hat. Was wissen wir in unserm kalten Norden von Heldenseelen, rote diese stillen Frauen es sind? Oh, ich möchte die Nachtigall sein hier in diesen Linden!" — „Dieser kleine Zorn steht Ihnen gut, mein schöner kleiner Anwalt der Gerechtigkeit", sagte Doktor Herden aus verhaltener Bewunderung. „Wie gut, daß auch Sie ein Kind des kühlen Nordens sind, sonst, wer weis;, was passierte." Lucia wich seinem Blick aus und ging schweigend neben ihre Schwester her, der Pension „Villa Louise" zu. Ihr war, als sei der beste Teil ihres Selbst, ihre Seele, in dem stillen Heiligtum Zurückgeblieben. In der Pension angekommen, lies; sie sich mit Müdigkeit entschuldigen und ging früh zur Ruhe. Veltor saß mit seiner Frau und Herden noch lange beisammen. „Ich möchte, wir wären nicht hiehergekommen", sagte Herden und blies aus schwerem Grübeln den Rauch seiner Zigarre in die Luft. „So habe ich Lucia noch nicht gesehen. Die Hälfte all des Meinigen gäbe ich um einen einzigen Blick, wie sie ihn der einfältigen Nonne gab. Aber ich glaube, darauf könnte ich armer.Toggenburger' warten bis zum Untergang unseres Planeten." — „So laß uns morgen unter irgendeinem Vorwände Weiterreisen", riet Veltor. „Bei Lucias Neigung zu Besonderheiten, speziell zu allem Religiösen, ist nur das Sicherste sicher." — „Wir sollten auch das Spotten lassen", sagte Magda nachdenklich. „Liebhabereien, die man einem Menschen versimpelt, erscheinen ihm doppelt schätzenswert." — „Ein Rätsel, das ich niemals löse, diese blauen Augen!" murmelte Herden bitter. „Alles Geist und Herz und Seele, aber nicht für mich." Er sprang auf und ging erregt auf und ab. „Lucia ist das Kind einer ruhelosen Mutter", sagte Magda. „Wo in aller Welt ist das, was sie auf die Dauer befriedigen könnte? Ich ertrage die Unrast in ihren Augen, das Suchen und Hungern in ihrem Blick nicht mehr. Wenn die Liebe dieses Rätsel nicht löst, fürchte ich, wird ihr Schifslein nie zum Landen kommen." Veltor zuckte die Schultern. „Glaubst du, daß sie drunten bei den Nonnen Feuer gefangen haben könnte? Bei ihrer Anlage muß man Königin bei Welt. Am Ostersonntalg routiie die Statue Unserer Lieben Frau, die ihren Platz über- dem Hochaltar der neuen Kathedrale von Port Said erhalten soll, eingeweiht. Es wird die erste Kirche sein, die Maria als „Königin der Welt" geweiht ist. Die Statue stellt die Mutter Gottes dar, wie sie der seligen Katharina Labours erscheint. Empfang unseres hoch-wiirdigsten Eeneralobern in Mariatrost. auf alles gefaßt fein." Herden blieb mit einem Ruck stehen. „Sie war hingerissen, einfach überwältigt von irgendeinem Eindruck. So habe ich sie nie gesehen. Ich war bestürzt. Ich hätte den ganzen Kasten sprengen mögen. Und von dieser Reise hatte ich alles erhofft." Veltor klopfte ihm auf die Schulter: „Gemach, mein Junge, wozu habe ich Recht und Gewalt eines Vormundes? Vielleicht lachst du über Jahr und Tag als Gatte Lucias über deine heutigen Grillen." Herden zuckte die Achseln. Veltor ging hinaus. Da stand Frau Magda auf, ging zu Herden, legte ihm die Hand aus den Arm und sagte beschwörend: „Lassen Sie das Kind! So lieb Sie uns von je gewesen sind und so gerne wir unser Sorgenkind an Ihrer Seite sähen, bitte ich Sie doch, lassen Sie von ihr ab. Ein Edelweiß holen Sie nicht ungestraft von hoher Alp. Es könnte Ihnen an Heimweh sterben." — „Das lassen Sie meine Sorge sein, ist sie erst mein. Mit ihr steigt oder fällt mein Leben. Sie ist mein guter Engel. Geht sie aus meinem Leben — nun, es gibt auch Dämonen . . ." Frau Magda war erschüttert von der düstern Gewalt des Schmerzes in seiner Stimme. Was könnte ein Menschenkind wie Lucia aus diesem Menschen machen, der den Keim zu allem Edlen in sich trug. Wehe, wenn er verkümmerte. Die „Villa Louise" träumte längst im Dunkel der schlafenden Nacht, da lag Lucia noch mit sehnsüchtig offenen Augen wach. Das Erleben dieses Tages hatte ihr Entspannung, Beruhigung von jahrelanger Unrast und Friedlosigkeit gebracht. Aber diese Erfüllung gebar wiederum Unruhe, Heimweh, Kampf. Und diese Unrast war ein Sturm von heiligen Bergen, war der Signalruf eines Königs. Sie fühlte sich selig ergriffen im Banne einer wunderbaren Macht, die unwiderruflich nach ihrem Sein griff. Dieses Bewußtsein hatte sie unklar schon , lange. In einer schicksalhaften Stunde vor zwei Jahren hatte es sich klarer aus jugendlanger Unsicherheit gehoben. Sie hatte im Schreibtisch ihrer Schwester einen alten Brief gefunden, in dem eine ' Verwandte von einer „unglückseligen Frau" schrieb, die „wie ein Irrvogel von einem Horst zum andern flattere und nirgends Ruhe fände, weil sie das heimische Nest verraten habe". Von einem „kleinen Mädchen Luz" schrieb sie, das ihretwegen mutterlos aufwachsen müsse. Das kleine Mädchen war sie. Und von einem alten Priester Wilfried am Rheine schrieb sie, der die argen Schick-salssäden in seiner Hand verspänne. Der Brief hatte sie in Sturm gejagt. Sie hatte Klarheit von Magda verlangt, aber die hatte sie ihr verweigert. Sie hätte nicht das Recht . . . Ihr Mann sei der Vormund. Den hatte sie nicht zu fragen gewagt. Er hatte eine eigen knappe Art, unbequeme Fragen abzutun. Und sie fühlte, hier war eine Klippe, an die würde er sie nicht einmal herankommen lassen. Seit diesem Tage war sie heimatlos in dem warmen Heim ihrer Schwester, die ihr nach dem Tode des kranken, ganz verdü- Schulfeier in Marin tröst bei Gelegenheit des 28-jährigen Rsgierungsjubi-läums des englischen Königs. sterten Vaters eine zweite Mutter war. Seit dieser Zeit war ihr Herz, auf der Suche nach der Mutter, die sie seit Kinder-sahren über den Sternen wähnte. Seitdem lebte sie in einer fremden Welt, in der ein alter Priester von lauter Rätseln Schicksalsfäden spann . . . Manches Rheinkloster hatte sie auf dieser Ferienreise gesehen. An mancher Pforte hatte sie heimlicherweise gepocht und nach einem Priester Wilfried gefragt. An einem war ihr der rechte Bescheid geworden. Drüben, in dem grauen Hause, aus dem das rate Lämpchen in den hohen Buchenwald schimmerte, das sie so seltsam in seinen Bereich gezogen hatte, sollte er sein. Morgen, so Gott will, wird sie ihn sehen. Wenn die anderen es wüßten, warum sie so eigensinnig auf diesem Abstecher vom großen Reiseplan bestanden hat —! Herden, der gute, treue Mensch! Noch in ihren späten Träumen sah sie sich in einem fremden Garten... in fremden, fernen Wäldern... unter wilden, schwarten Kindern... an einsamem Ufer sterbend ... Und eine Nachtigall sang... — Der feine Klang eines Glöckchens weckte sie. Sie sprang aus, kühlte das heiße Gesicht mit Wasser und stand nach kurzem im Klosterkirchlein. Lueia fühlte sich wieder von dem Geheimnis erfaßt, das ihr selig und bang den Atem beklemmte unb sie in die Knie zwang. Ein weißhaariger Priester in merkwürdig farbig-schimmernden Gewändern stand am Fuße des Altars. Sie fühlte sich an Bilder aus dem Alten Testament erinnert. Melchisedech am Altare Jahwes, wie er Brot und Wein opfert. Ein Chor junger Stimmen betete zu feinem Gebete: „Sende aus dein Lieht und deine Wahrheit, sie werden mich führen zu deinem heiligen Berge, in dein Gezelt." „Dort trete ich hin zum Altare Gottes, zum Gotte meiner Iugendfreude." „Dann preise ich dich mit Zitherspiel, o Gott, mein ©ott' Was bist du traurig, meine Seele, was stürmst du so in mir?" „Vertraue auf Gott, ich werde ihn wieder preisen. Er ist mein Heiland und mein Gott." Lueia durchströmte ein niegekanntes Heimatgefühl. Sie schlug die Hände vors Gesicht und überließ sich ganz dem Strom der Empfindungen. Es wurde weiter wechselweise gebetet, gesungen. Sie fühlte sich aus friedvollen Wellen mitgetragen, ohne daß ihr Einzelnes klar geworden wäre. Dazu war alles dem Kind des Nordens zu fremd, Als der Priester ein weißes, geheimnisvolles Brot erhob und alles in lautloser Anbetung zu ihm aufschaute, ging ein Schauer durch sie hin. Es war, als raune eine Stimme ihr ein allmächtiges Geheimnis in die Seele. Wie Fakob zu Bethel fühlte sie sich vom Atem Gottes, nein, von ihm selber angerührt. Kam er auch zu ihr, daß sie mit ihm, um ihn kämpfe? Sie beugte tief ihr Haupt unter der Größe des Augenblickes. Tränen fielen durch ihre Hände, sie merkte es kaum. Der Schwesternchor und die Gemeinde verließen schon die Kapelle, da schrak sie aus sich selber auf und erhob sich hastig. Der Priestergreis kniete auf der letzten Bank in Danksagung. Sie streifte scheu seinen weißen Kopf und das friedliche alte 122 Stern der N eger 15Hi"S n.' 9 ' Gesicht — und stockte. Eine Frage brannte ihr auf den Lippen. Sie ging Zur Kloster-pforte und frug nach P. Wilfried. Der Bruder schloß das SprechZimmer auf und hieß sie eintreten. „Pater Wilfried wird in ein paar Minuten hier sein." Aber da war er schon. Derselbe, der die Messe gefeiert hatte. „Lucia Felden", sagte sie leise. „Ich möchte Sie einmal um etwas fragen. Ich hörte... Ich las in einem Briefe...“ P. Wilfried bot ihr lächelnd einen Stuhl und fetzte sich ihr gegenüber. „Erzählen Sie ganz ruhig", sagte er mit etwas langsamem Tonfall. Er hatte zwanzig Jahre fast nur die barbarische Sprache des wilden Westens gesprochen. Lucia begann zu erzählen, wie sie hieher gekommen fei, was sie hier erlebt habe, von ihrer Heimat, von ihrer Mutter, die sie nur schattenhaft im Erinnern habe als eine Frau, die viel traurig gewesen fei. „Einmal nur habe ich meinen strengen Vater nach ihr gefragt. Er sagte rauh, sie sei in ein fremdes Land gefahren. Als sie gar nicht wiederkam aus dem fremden Lande, bekam ich Heimweh. Ich mochte nicht mehr spielen. Mutter hatte mir so schöne Geschichten erzählt vom Jesuskind in der Hütte zu Nazareth, von Engelchen und Himmelsfchäfchen. Wenn sie mit mir im Walde oder im Garten war, wußte sie von jeder Blume und von jedem Vögelchen eine Geschichte, und immer waren der liebe Gott und die Engelein dabei. Dann betete fie allemal nach dem Vaterunser einen schönen Gruß zur Mutter vom Jesuskind, und dann machten wir ein Kreuz mit der Hand, so wie ich es vorhin in der Kapelle sah. Aber allemal, wenn der Vater dazukam, wurde Mutter bang. Als sie immer nicht wiederkam, fragte ich meine große Schwester Magda nach ihr. Da weinte sie und sagte, Mutter fei tot. Das war sie ja auch für uns. Dann starb mein Vater, und ich zog mit meiner Schwester. Und bann fand ich einen Brief...“ Lucia zog ein Blatt aus der Tasche und reichte es dem Missionär. Sie sah, wie ihm beim Lesen jähes Rot ins Gesicht stieg. Er hustete hie und da rauh, sah sie prüfend an, preßte in gewaltiger Erregung die Kinnbacken aufeinander, trat zum Fenster und blickte lange schweigend in den Klostergarten. — Endlich wandte er sich zu ihr um. Seine Stimme • war rauh vor Ergriffenheit: „Dürfte ich nun den Namen Ihrer Mutter wissen?" — „Gertrud Marten." Der Name fiel wie ein Schicksal. Des Paters Augen wurden feucht und feine Stimme schwankte: „Haben Sie ein Bild von Ihrer Mutter?" Lucia zog ein Kettchen von ihrem Halse und öffnete ein Medaillon. Ein schönes, schmales Frauenantlitz, mit einem schwermütigen und herben Leidenszug um den Mund. Der Missionär atmete tief auf und legte die Hand über Stirn und Augen. „O Gertrud, das bist du?" Nach einer Weile legte er das Bild hin, stützte den Kopf in die Hände, um sich zu sammeln, und sprach verhalten: „Ich will Ihnen etwas erzählen, Kind. Hören Sie gut zu: Ich hatte eine Schwester, dreizehn Jahre jünger als ich, ein liebes, sanftes Geschöpf. Sie wuchs unter der Liebe unserer frommen Mutter auf wie eine Blume in der Sonne. Sie kannte nur eine einzige Liebe — und diese Liebe war der, der unter Lilien weidet. Sie hatte nur eine Sehnsucht, das Brautglück der Gottgeweihten. An den Rosen der Welt ging sie lächelnd vorüber, als blühten sie nur für andere. Froh und wahrhaft daheim war sie nur in der reinen Luft der Altäre. Wie einen köstlichen Schatz trug sie ihre Auserwählung. Ja, höher noch ging ihr Sinn, zum Kreuz und zur Palme der Apostel-jüngerinnen. Da — noch kann ich es heute kaum fassen — brauste in einem Lenz jäh ein Sturm durch friedliches Land. Nein, ein Vulkan muß es gewesen fein. Die Blume, an der wir uns alle gefreut hatten, hielt ihm nicht stand . . ." P. Wilfried schwieg ein paar Augenblicke, von der Erinnerung geschüttelt. „Wie ein Sieger seltener Art kam ein fremder Mann gezogen. Gertrud schaute um von der Pforte des heiligen Zeltes, an dessen Schwelle sie schon stand und lauschte den süßen Klängen nach, die sie aus einer längst überwundenen Welt lockten. Unterdes muß das Öl in ihrer Lampe versiegt fein. Irr und wirr von dem Seltsamen, das ihr wie ein Vulkan Sinne und Seele betäubte, kehrte sie um ■— und zog mit dem Fremden aus unserer sonnigen Heimat zum kalten Norden." Der Missionär ergriff Lucias beide Hände und sagte versagend: „Und du bist nun ihr Kind?" Lucia war wie betäubt. „Ja, ich — ihr Kind," stammelte sie wie im Traum. „0 Gott, wie bist du flut! Wenn mir dich fern von Menschenkindern wäh-nen, bist du ihnen am nächsten", sprach langsam der Greis. Lucia konnte es noch nicht fassen, daß dieser ehrwürdige Priester wirklich der Bruder ihrer Mutter, ihr Oheim sei. An der Klosterpforte ging schrill die Schelle. Ein Laienbruder klopfte und meldete einen Herrn. Da stand er schon hinter dem Bruder in der offenen Tür. Mit einem Blicke überschaute er die Lage. „Mein Herr, können Sie es verantworten, daß die Verwandten dieser Dame sich zu Tode ängstigen um ihren Verbleib? Ich bin ihr Schwager und Vormund, Karl Vel-tor, also für ihr Wohl und Wehe verantwortlich. Ich ersuche Sie dringend, die junge Dame frei zu geben.“ Der Mis--sionär schaute betn jungen Manne furchtlos ins Gesicht und entgegnete ruhig: „Lucia gelben, meine Nichte, bat mich um eine Unterredung und ich gewährte sie ihr, wie ich sie jedem gewähre, der zu mir kommt. Es steht ihr frei, zu kommen und zu gehen, wann sie will." Unglauben, Staunen, Bestürzung stritten auf Veltors Gesicht. „Lucia gelten — Ihre Nichte? Mein Herr, bedenken Sie, was Sie sagen!" Da erblickte er das Medaillon, sah den Priester an, sah Lucia an, wurde bleich und sagte nichts mehr. Lucia griff bittend nach seiner Hand. „Laßt mich hier, ich beschwöre euch. Ich kann nicht wieder hinaus in die unruhige Welt, nie und nimmer." Ein seltsames Lächeln ging über Veltors Gesicht. „Närrisches Kind, was willst du, die Tochter eines streng evangelischen Hauses, in diesem Kerker? Nein, kleine Luz, für das Los einer Magd bist du uns nun doch zu schade. Ich will nicht hoffen, Herr Pater, daß Sie meine Mündel in diesem Sinne beinflußt haben." — „Nein", sagte Lucia, „der liebe Gott rief mich schon lange. Aber ich konnte draußen seine Stimme nicht verstehen. Jetzt weiß ich, was er von mir will. Hier ist griebe. Hier will ich bleiben, und keine Macht der Welt soll mich meinem Herrn entreißen." In Veltors Stirn stiegen Groll und Empörung. „Ich weiß nicht, woher du diese wahnwitzigen Torheiten hast. Eines nur tue ich dir zu wissen; ich bin vor Gott und dem Gesetz dein Vormund und ich werde gegebenen galles meine Rechte zur Geltung bringen. Um fünf Uhr geht unser Zug." Mit einer offiziellen Verbeugung verabschiedete er sich. „Was soll ich tun, mein Vater?" schluchzte Lucia und griff hilfesuchend nach der Hand des Missionärs. „Hat der Herr mich gerufen, um mich wieder hinauszustoßen in die Welt, in der ich gefroren habe, solange ich denken kann?" — „Still, Kind. Ein Erbe, um das Engel die Religionspriifung in einem Außenposten. Das Bild stammt aus betn Gebiet von Nordkatanga. Dort gibt es insgesamt 18.000 Taufbewerber -Männer, Frauen und Kinder — in ganz Bet-gisch-Kongo 865.000! 124 Stern der N eger Heft 8 u. 9 Tropischer Garten am Kongo. Missionäre des Vikariates Ä-t fantu in Belgisch-Kongo halten Rast im kühlen Schlatten einer Riesenstaude. P, Eillet, S. J., der erste links auf dem Bild, hat mit weniger Kosten, als es in Europa geschieht, einen botanischen Garten angelegt; aus diesem stammt unsere Pflanze. Die Je-suitenmissionäre betreuen 113.000 Katholiken in ihren Missionen in der SÄdwestecke des Kongo-gebietes. Menschenkinder beneiden, erringt man nicht kampflos auf flachen Strafzen." Er lächelte. „Bergsteiger find sie samt und sonders, die Gottes find." Wie ein Herold von Kreuz und Sieg, wie ein Kämpfer, den nach heißem Ringen der Siegeslorbeer krönt, stand er da. „Ja, ich kann alles in dem, der mich stärkt!" wiederholte Lucia fast unbewußt das Wort des Größten der Christuskämpfer. „Nun, fo geh und erkämpfe dir dein Glück! Der dir den Anfang gab, gebe auch die Vollendung!" — „Und doch ist mir fo bang. Wenn Sie wüßten, wie ich gedarbt habe mitten im Wohlleben! Wie ich einsam geweint habe nach einem Glücke, nach einem Frieden, nach einer Heimat, die ich nur ahnte, aber nicht kannte! Oh, der Geist meiner Mutter mar es, ich weiß es nun, der sich in mir erlösen wollte. Er hat mich hieher getrieben und hier bleibe ich." — „Wenn es Gottes Wille ist, wirft du es, aber nicht heute. Du bist noch nicht großjährig. Dein Vormund hat noch väterliche Gewalt über dich. Darum geh und warte die Stunde ab, die dich frei macht!" Lucia schlug schmerzlich enttäuscht die Hände vor das Gesicht. „Habe ich hier doppelte Heimat gefunden und soll doch wieder in die Fremde? Warten, noch ein ganzes Jahr?" — „Gemach, kleines Ungestüm!" lächelte P. Wilfried nachsichtig. „Ich weiß einen, der länger gewartet hat als du, obwohl er schon als zwölfjähriger Knabe die Macht über Menschen und Seelen gehabt hätte. Er erhob segnend die Hand über sie: „Gott mit dir bis zur Wiederkehr!" Wie von einem unwirklichen Traum befangen, ging Lucia hinaus in den blühenden Lenz. Im Klostergarten sang wieder die Nachtigall. Frühling sproßte in Baum und Strauch. Durchbruch zum Lichte. Neuwerden im Erdreich und im Menschen. Lucia spürte tief und strömend auch in sich ein seliges Neuwerden, wenn auch die Schleier eben aufgerissener Geheimnisse ihr noch Sinn und Seele verwirrten. Es war ihr zumute, als trete sie in eine fremde Welt, die sie gar nichts anginge. Ihr Herz pochte beklommen, als sie in die Villa „Louise" kam. Die leßte Stunde hatte eine Kluft aufgerissen zwischen ihr und den Ihrigen, zwischen ihr und allem Bisherigen. Ein leiser Schmerz regte sich bei dem Gedanken, die einzige Schwester zu verlieren. Magda war ihr Heimat, Vater und Mutter. Den Zorn des Schwagers fürchtete sie nicht. Ihn würde ihr Schritt nur in seinem Herrentum verwunden, nicht im Herzen. Die Stille in der Villa beunruhigte sie. Sie ging in das Tageszimmer. Im Erker saß ein Mann nachdenklich über einem Buche. Er stand auf und kam auf sie zu, Dr. Herden. Sie wollte zurück, aber er hatte schon ihre Hand in der seinen: „Warum wieder dieses Flüchten, Fräulein Lu- Stern der Neger 125 pest 8 u. y Der Königspalast in Abo-met), Westafrika. cta, als wäre ich ein Räuber?" Lueia war beiroffen von betn Schmerz in seiner Stimme. Sie hatte stets mit Sinn und Gedanken in anderen Welten gelebt und sein ehrliches Werben kaum beachtet. Sie wußte, er war trotz seiner Gleichgültigkeit gegen jede Religion ein edler Mensch, und es tat ihr leid, daß sie ihm weh tun mußte. Sie zog ihre Hand zurück. „Ich dachte, meine Schwester hier zu finden." — „Und sind nun hart enttäuscht." — „Warum deuten Sie alles gleich so ungut?" wich sie aus. „Ich vermute, daß Karl und Magda ausgegangen sind." — „Ja, und Ihnen tut es nun leid, daß ich mich nicht angeschlossen habe. Aber ich dachte, es müsse sehr einsam für Sie sein, in die leere Wohnung zu kommen; darum blieb ich hier. Glücklich, wer auf einen Engel warten darf!" — „Scherz gegen Scherz, und ich halte mich nicht wert, Einheimische Kunst am Königspalast in Abomey. In dem maueramgürteten Abomey, der Hauptstadt von Dahomey, das einen Teil von Französisch-West-afrtla bildet, trägt der Königspalast eine Reihe interessanter Basreliefs, Eines dieser Flachbildwerke zeigt einen Missionär, der zur See seinen Weg nimmt. Als König Zounon von Dahomey 1931 gelegentlich der Kolonialausstellung in Paris weilte, machte er auch der Genevaloberin der Missionsschwestern „il. L. F. von den Aposteln" einen Besuch. Diese Ordens-srauen haben in den letzten 50 Jahren in Dahomey gewirkt und dabei 126 heft ti it. y‘- Stern der Neger daß ein Sohn der Sonne sich wegen eines grauen Falters der Freiheit beraubt." Er griff nach ihren Händen und zog sie näher. Sein schmales, gebräuntes Gesicht stand in tiefer Glut. Seine großen, grauen Augen hingen an ihr. „Lucia, ich habe es bestens mit Ihnen gemeint. Warum verwunden Sie mich?" — „Ich habe Ihnen nie weh tun wollen, Doktor Herden", sagte sie gepreßt. „Ich habe Sie als Freund unserer Familie immer wertgeschätzt. Mehr kann sicf) Ihnen nicht sagen. Sie würden es doch nicht verstehen. Ich habe eine Erfüllung gefunden, nach der ich lange hungerte, und kein Gedanke darf mehr zurückgehen in eine Welt, die mir nichts geben konnte als Leere und Unrast." — „Und die Liebe eines Menschen, dem Sie alles sind, ist Ihnen nichts? Lucia, seit ich Sie kenne, läßt mich Besitz und Genuß und alles, was mir das Leben bietet, kalt. Meine Freunde sagen, Ich sei zum Sonderling geworden. Ja, ich bin es, Ihretwegen, Lucia. Sie können einen besseren Menschen aus mir machen. Ja, Sie können mich die Gebete wieder lehren, die ich auf dem Schoß meiner Mutter sprach und dann vergaß." Ein feines Lächeln fackelte durch Lucias Gesicht. „Gerne, lieber Herden. Wir könnten gleich beginnen. Eine solch gute Gelegenheit fünden wir nicht leicht wieder." Er wandte sich gekränkt ab. „Nun spotten Sie über mich. Das sollte eine Frau niemals tun. Und Sie sagten doch, einer einzigen Seele Licht zu geben, sei ein ganzes Leben wert. Hier ist diese Seele." Lucia wurde todernst, aber sie quälte sich ein Lächeln ab: „Sie suchen mich in der Nede zu fangen, Doktor. S i e stehen ja mitten im hellen Lichte. Sie wollen es nur nicht sehen. Aber Millionen andere sitzen im Finstern. Oh, denen Licht zu bringen — tausend Leben möchte ich darum geben!" — „Sie leuchten mit einem Streichholz in einen nächtlichen Wald. Begeisterung steht so herrlicher Jugend gut, auch wenn sie ins Unmögliche geht. Gut aber, daß Hand und Wort der Reisen über junges Ungestüm wachen: der Sturz aus blauen Wolken würde sonst zu hart sein." —- „Sollen wir nicht ein Ende machen?" sagte Lucia gequält. „Unsere Welten lie- ' gen so fernab voneinander, da führt kein Weg hinüber . . ." — „Aber herüber!" rief Herden flammend. „Ich reiße dich in meine Welt; denn die deine ist Wahn. Du bist noch gar nicht aufgewacht", setzte er milde hinzu. „Meine Liebe wird dich erst erwecken und du wirst lachen über die Grillen . . ." Mit tonlosem Schluchzen sank Lucia aus einen Stuhl und schlug die Hände vor das Gesicht. „Erweisen Sie mir“, stammelte sie bebend, „die einzige Liebe, die ich von Ihnen begehre: lassen Sie mich allein!" Herden griff sich verstört an die Stirn Missionskonvent in Südafrika. Die „Töchter vom hl. Franz von AMi", eine einheimische Schwesternkongregation, deren Gründung auf die deutschen Mariannhiller Missionäre zurückgeht, zählt jetzt 80 Mitglieder. Unser Bild zeigt sie auf einer der Missionsstationen bei der Arbeit des Wassertragens. In ganz Südafrika gibt es 398 einheimische Schwestern. Die Missionsstation Elen Cowie unter betn Botte bet Bapsbi. ■ ; unter der jähen Erkenntnis, die wie ein Gletschersturz über ihn hereinbrach. Ein Sturm durchbrauste ihn in Sekunden, stürzte ihm Welten durcheinander, verschüttete jeden Ausblick, verwirrte ihm Sinn und Seele. Ohne Lucia, die todbleich an der Erkerwand lehnte, anzusehen, sagte er mit tonlos fremder Stimme: „Vergeben Sie mir, Fräulein Felden. Und ein paar Augenblicke dulden Sie mich noch vor Ihren Augen. Ich glaubte, einem hohen Ideal zu dienen, indem ich der gequälten Menschheit helfe. Den Ärmsten sollte meine Kunst und mein Arm und mein Herz gehören, aber dafür brauchte ich eine hochgemute Genossin. Um diese Gefährtin habe ich geworben wie um meinen Himmel. Aber sie ging wie eine Nachtwandlerin über mein treues Werben hinweg. Gott möge es mir verzeihen, daß ich sie mit Gewalt auf meinen Weg zu reißen suchte. Noch einmal, vergeben Sie mir!" Er hielt Lucia die Hand hin. Sie legte ihre zitternde Rechte hinein. Sie wollte sprechen, wollte ihm sagen, wie wert er ihr als Freund und Bruder immer bleiben werde und wie sie sein edles Streben schätze, aber sie brachte nur ein paar zerbrochene Worte heraus: „Gott sei mit Ihnen und mir! Er weiß allein, warum er die Hand auf mich gelegt hat von Kindheit an, ohne daß ich wußte, daß er es war... Er wird auch Ihnen einmal begegnen und dann werden Sie ihn und mich verstehen ..." Ihre Stimme versagte. Sie wandte sich ab. Als sie wieder umschaute, war er fort. Nach einer Stunde noch saß sie reglos im Erkerwinkel und sann ins farbentrunkene Land. Ernst Herden hatte ihr eine Welt aufgerissen, die sie mit ihren Wundern wohl geahnt, aber nicht gekannt hatte, weil die andere, geheimnisvolle sie gebannt hielt. In dieser andern blühten weiße Blumen auf hoher Alp und voll Klippen war der Pfad für jene, die sie erringen wollten. Feuer brannten auf himmelnahen Bergen und rauh und schmal und einsam war der Ausstieg. In der Welt aber, die Doktor Herden ihr wie unter heißem Blitzlicht gegeigt hatte, war alles Freude, Erfüllung, kampfloses Wandern auf ebenen Straßen, beseligtes Geborgensein in warmer Hürde. E i n Gedanke hob sich stärkend und feuchtend aus dem Streit der Geister in ihr: Der Weg, auf dem ein geheimnisvoller Ruf und ein heiliges Muttererde sie führte, konnte doch nicht so dunkel und einsam sein, weil Gott Führer und Licht und Erfüllung war. Würde ein Mensch, und wäre es der edelste und beste, ihr Herz mit seinem unendlichen Hunger und Durste so ausfüllen können wie er? Nach einer Gtunöe hörte sie die Ihren zurückkommen. Ungesehen huschte sie in ihr Zimmer. Bald darauf vernahm sie ein erregtes Sprechen; sie erkannte ihres Schwagers und Herdens Stimme. Es klopfte. „Mach auf, Lucia, ich bin es." Magda kam herein: „Menschenkind, was hast du mit dem Doktor angestellt? Er begegnete uns im Louisenpark, verstört wie ein durchgesallener Primaner." Lucia sah sie gequält an und schmieg. Magda schlang beide Arme um ihren Hals: „Lucia, du bist unser Jüngstes und bist früh ohne Mutter gewesen. Ich habe sie dir sein wollen, wenn ich auch nur sechs Jahre älter bin als du. Niemand soll dich Zwingen, Ernst Herden zu heiraten, wenn du ihn nicht liebst. Es ist mir weh um den treuen Menschen, schon weil unsere Väter wie Brüder waren; aber ich beschwöre dich, laß von diesem unglückseligen Hang Zum Unwirklichen, überweltlichen. Das hat unsere arme Mutter unglücklich gemacht, unsern Vater verbittert, unsere Kindheit verstört, unser Heim verödet, es wird auch dir zum Verhängnis werden." Lucia schob sie sanft, aber entschieden zurück. „Verhängnis, sagst du? Dann muß es schon selige Verhöngnisse geben. Aber — nicht alle fassen es..." Da ließ Magda mutlos von ihr ab. Wenn Lucia diesen seltsam gebannten Blick ins Ungewisse hatte, war die überzeugendste Rede ins Blaue gesprochen. Sie hörten Ernst Herden fortgehen. Fünf Minuten später wurde Lucia zu ihrem Vormund gerufen. Ihre Ruhe ver- blüffte ihn. Er mochte unversehens innewerden, daß er nicht mehr ein Kind, sondern einen reifen, voll entschlußsähigen Menschen vor sich hatte. Er Zwang sich einen unbekümmerten Ton an: „ Was meinst du, kleine Luz, was sich Wichtiges begeben hat? Ja, du machst große Augen, aber es ist wirklich so, Ernst Herden hat in aller Form um deine Hand gebeten." Lucia sah ihn so lange und forschend an, daß er unruhig wurde. „Du bist immer wahr gewesen, Schwager Karl, warum heute zum ersten Male nicht?" — „Wäre etwa ein anderer dir lieber?" schwenkte er unvermittelt ab. Lucia hob abwehrend die Hand. „Ich liebe weder Herden noch einen andern. Laß uns nicht mehr darüber sprechen. Ich wollte dich heute um ganz anderes bitten: Laß mich zu meiner Mutter gehen!" Veltor fuhr zurück. Lucia las in seinem verstörten Blick die Wahrheit. Das machte sie noch sicherer. „Was fällt dir ein?" wich er erregt aus. „Deine Mutter ist tot." — „Für euch, aber nicht für mich", entgegnete Lucia bebend. „Ich bin ihr Kind — und ich will ihr Erbe antreten." — „Ihr Erbe ist für dich und Magda sicher angelegt. Aber so viel, daß du so darauf pochen könntest, ist es nicht." Lucia machte eine erledigende Gebärde. „Du willst mich nicht verstehen, du kannst es nicht. Darum tu’ mir die eine Liebe an und sag mir, wo ich Tor von König Atoars verlassener Hauptstadt Fatehpur Sikri. „Buland Darwasa", die Grobe Pforte, wurde von Kaiser 31 tonI im Jahre 1602 errichtet. 'Ste bildet einen der Eingänge zur berühmten Hauptstadt Fatehpur Šifri, die den indisch-sarazenischen Stil mit am reinsten zum Ausdruck bringt. Am Jnnentor zur Rechten liest man die Inschrift: „Jesus — Ehre seinem Namen! — sprach also: Die Welt -ist eine Brücke. Geh darüber, aber bau kein Haus auf ihr! Wer immer über die Schrecken des letzten Gerichtes nachdenkt, wird ewige Güter erwerben. Die Freuden der Welt sind flüchtig. Benutze also dein Leben, um Gutes zu tun und denk daran: Nichts bleibt übrig von der Welt." Stern der Neger 129 Heft 8 u. 9 meine Mutter finde." Veltor blickte über sie hinweg wie über ein unmündiges Kind. „Ich will deine unsinnige Frage nicht gehört haben. Nur das eine sage ich dir: Ich werde dich vor Torheiten bewahren, die auch in dieser Generation wieder Zwiespalt in eine gefriedete Familie zu bringen drohen und einem edlen Manne Glück und Verstand rauben. Ich habe es deinem ster- benden Vater versprochen. Du hast uns mit echter Frauenlist diesen Reisekurs aufge-zwungen. Aber morgen beginnt unser eigener. Mit bent Frühexpreß geht's , in Gaue, wo man nicht auf Schritt und Tritt vor Klostermauern steht und tückischen Verschwörungen begegnet," — „Gut", sagte Lucia seltsam ruhig und ging. (Schluß folgt.) Religiöse Anschauungen der Bapedi. Von Br. August Cagol. Allgemeines. Die Bapedi haben, wie alle Bantu, eine ausgeprägte religiöse Veranlagung. Jedes wichtige Ereignis in ihrem Leben ist von besonderem religiösem Brauchtum umgeben und begleitet vom Opfer eines Tieres. Ihr Lebenslauf wird beherrscht von ehrfürchtigem Glauben an die Geister ihrer Ahnen und an M o d i m o, den großen Geist, den Schöpfer des Alls. Doch ist die Ehrfurcht vor Modimo so groß, daß sie nicht zu ihm selbst beten, denn nach ihrer Auffassung wäre es unpassend, daß ein gewöhnlicher Mensch sich mittelbar an einen großen Häuptling wende, den er nicht persönlich kennt. Er muß sich eines Freundes, der in der Nähe des großen Mannes wohnt, als Fürsprecher bedienen. Auf gleiche Weise wenden die Bapedi sich an die Geister ihrer Ahnen, die sich in der Nähe des großen Königs der Geisterwelt befinden, damit diese bei ihm Fürsprache einlegen. Der heidnische Mopedi sucht daher gute Beziehungen zu den Geistern seiner Ahnen zu unterhalten oder wiederherzustellen, wenn sie gestört worden sind. Die Idee der Bapedi über das höchste Wesen ist verschwommen und unklar, doch hinreichend, um den Funken der Urofsen-barung erkennen zu lassen. Das höchste Wesen ist mehr ein durch Abwesenheit glänzender Gott, der sich persönlich wenig oder nicht darum kümmert, was im Stamme und auf der Erde überhaupt vor sich geht. Das Wort „Modimo", das die Bapedi attch für jeden ihrer Ahnengeister gebrauchen, ist von den Missionären, Protestanten sowohl als Katholiken, für den „großen Geist", für das höchste Wesen, für Gott angenommen worden. Es bedeutet etwas, das alles Sichtbare durchdrittgt und ihm feine Fähigkeiten verleiht, der Geist, der alles geschaffen. Die Bapedi sind der Ansicht, daß alles in der Welt, jedes Tier, jeder Baum, jeder Hügel, jeder Felsen, kurz, jedes belebte oder leblose Ding, eine Seele habe, ein seines, unsichtbares Etwas in sich trage, das es zu dem mache, was es ist und es befähigt, das zu tun, was es tut. Sie stellen sich vor, daß die Seele nicht nur den Körper durchdringe, sondern auch seine Kleider, seinen Schatten, seinen Namen und alles, was mit ihm in nahe Berührung kommt. Weiter glauben sie an die Möglichkeit, daß eine Seele mehr oder weniger von einer andern Seele aufgesaugt werden könne, und daß es viele geschickte Leute gebe, die das Geheimnis wissen, diese See-len-Aufsaugung zu fördern oder zu hindern, zum Nutzen oder Schaden anderer. Ahnenkult. Der Verkehr mit den Ahnengeistern vollzieht sich durch Opfer, Widmung und Gebet. Fast, jedes Haustier kann als Opfergabe in Betracht kommen, doch ist für einen Hirtenstamm der Ochse das ideale Opfertier. Welches Tier aber immer zur Verwendung kommt, es muß untadelig und für manche Fälle schwarzfarbig sein. Nur gewisse Teile vom Opfertier werden dem Geiste überlassen, den man anfleht, zu kommen und mit seinen Kindern zu essen. Oft wird Rindvieh den Geistern gewidmet und darf dann nicht verkauft oder sonstwie verwendet werden. Geschlachtet wird es erst, wenn die Geister den Wunsch danach durch des Zauberers Mund aus- Indische Architektur für katholische Kirchen. Pater Heras, S. J., aus Trichi-nopoly in Südindien hält Vorträge über die Verwendung des indischen Stils für katholische Bauten. Als Beispiel dient das Modell einer katholischen Kirche im Hindustil. Der Eingang der Kirche wird überragt von einem „gopuram“, einer Art indischer Pyramide, die zugleich als Glockenturm dient. drücken. Man bringt den Geistern auch Bier, Getreide, Milch, Brei und dergleichen zum Opfer. Häufiger als Opfer find Lobpreisungen und Gebete. In Wirklichkeit wird kein Unterschied zwischen ihnen gemacht. Lobnamen und Preisgesänge sind auch im gewöhnlichen Leben allgemein im Gebrauch. Jede wichtige Persönlichkeit hat ihre Cchmeicheltitel. Lob ist der Schlüssel im Munde des Mopedi, der das Herz des Gebers erschließt. Was aber dem Herzen des Mannes von Stand wohltat, als er noch im Fleische wandelte, das gefällt auch dem Geiste des Verstorbenen. So sagt ihm denn sein irdischer Verehrer die altbekannten Lobesnamen vor und fügt dann einfach feine Nöten an. Die Lobgebete werden gewöhnlich gesungen oder singhast gesprochen. Die Ahnengeister geben ihren Willen aus verschiedene Weise kund. Die gewöhnlichste Art sind Träume. Es ist deshalb bei den Bapedi eine beliebte Sitte, sich am Morgen gegenseitig die Träume der Nacht zu erzählen. Es sind aber nicht alle Träuine gleich wichtig. Wenn aber ein toter Verwandter oder ein verstorbener Freund im Im Innern findet sich ein geräumiger Hof nach Art eines Klosterhofes, von Arkaden umgeben und durch die austere Umfassungsmauer abgeschlossen. Ein kleiner offener Portikus unmittelbar beim Eingang bildet die Taufkapelle. Die eigentliche Kirche besteht aus einem allseits offenen großen Pavillon. Der Hochaltar steht unter dem zweiten „gopuram“. Hinter dem Altar befindet sich eine große Statue, die Christus als Lehrer darstellt und int Stil des Buddha von Sarnnth ausgeführt ist. Stern der Neger 131 Heft 8 u. 9 Traume austrat, dann handelt es sich ohne Zweifel um eine Botschaft aus der Geisterwelt. Alsdann wird der Zauberer um Rat und Aufklärung befragt und dem betreffenden Geiste ein Opfer dargebracht. Eine sehr unliebsame Kundgebung der Geister ist die Sendung von Mißgeschick, Stammesunglück, Trockenheit, Viehseuche, Einfall von Heuschreckenschwärmen, persönliche Erkrankung: all das wird dem Eingreifen eines vernachlässigten ober beleidigten Geistes zugeschrieben. Zeitweilig besuchen die Geister ihre alte Erdenheimat in Tiergestalt wieder. Ein großer Häuptling wird sich der Form eines Löwen, eines Leoparden, einer Schlange bedienen. Besessenheit ist eine weitere Art der Mitteilung der Geister. Der Eingeborene steht einem Geistesgestörten voll scheuer Ehrfurcht gegenüber, denn ein Geist äußert sich durch ihn. Die Geister der Verstorbenen nehmen großen Anteil an den Dingen dieser Welt, besonders am Rindvieh. Sie werden zum Mitleid gerührt, wenn die Herden zur Zeit der Dürre nach Wasser brüllen, und sie wenden sich an den großen Geist, daß er Regen auf die Erde sende. Sie kümmern sich zwar nicht um Kleinigkeiten des Alltagslebens, doch sind sie eifersüchtig aus Bewahrung der alten Stammessitten bedacht und lassen die Übertreter ihren Zorn fühlen. Der Tod hat den Charakter der Geister nicht gebessert; wer in dieser Welt selbstsüchtig war, der ist es auch in der andern. Auch haben die Geister ihre sonstigen menschlichen Schwächen bewahrt, durch die man ihnen, wie zu Lebzeiten, beikommen und sie für sich gewinnen kann. Die Bapedi betrachten die Verehrung der Ahnengeister nicht als eine tägliche Pflicht, obwohl manche Leute häufig kleine Opfergaben für sie auslegen und selbst bei jeder Mahlzeit ihrer gedenken. „Man soll den Teufel nicht an die Wand malen, sonst kommt er", ist ein deutsches Sprichwort, das auch bei den Bapedi irrt Gebrauch fein könnte. Wer bei ihnen auf eine Person deutet, flucht ihr dadurch, weil durch das Hindeuten die Aufmerksamkeit der Geisterwelt auf die betreffende Person gelenkt wird. Wer aus Regenwolken zeigt, verjagt sie und bewirkt, daß Trockenheit eintritt. Um keinen Preis darf im Viehkraal ein Loch gegraben werden; das hieße dem Besitzer der Herde sein baldiges Grab bereiten. Die Vorstellung, die diesen Verboten zugrunde liegt, ist die, daß es gefährlich fei, solche Dinge den Geistern gewissermaßen einzuflüstern. Die Welt der Geister scheint der irdischen sehr ähnlich zu sein, allerdings in vervollkommneter Weise. Es wird dort Vieh gehütet, Feldarbeit verrichtet und Korn gerieben; der Jäger schwelgt in wildreichen Iagdgründen, und die Dorfleute kommen am Abend zusammen zu Plauderei, Tanz und Gesang. Zauberer. Der Molaudi, Zauberer oder Medizinmann, ist der Gelehrte, der Priester und Vermittler mit der Geisterwelt. Die geheimnisvollen Zaubermittel, über die er verfügt, bringen ihn in Verkehr mit den Verstorbenen. Er ist der natürliche Verbündete des Häuptlings, bessert Willkür er gewissermaßen die Weihe verleiht. Bis zu den Tagen Sekukunis I. waren diese Zauberdoktoren die Ursache des Todes für manche Unschuldige. Der Häuptling handelte nach ihrem Rate, ohne zu untersuchen, wo das Recht lag; auf diese Weise konnten die Schurken unter ihnen sich mißliebiger Personen entledigen. Heutigen Tages fühlen die Molaudi sich freilich beengt in ihrem Treiben durch die Gegenwart der Polizei, doch werden sie solange nicht aussterben, als der Aberglaube der Bapedi fortlebt. Sie müssen aber zu allerlei Winkelzügen ihre Zuflucht nehmen, um nicht dem strafenden Arme der Gerechtigkeit der Weißen zu verfallen. Kein Eingeborener jedoch würde es wagen, vor dem Gerichte des weißen Mannes gegen den Zauberer auszusagen, der die Macht besitzt, seinen Tod durch außernatürliche Mittel zu veranlassen. Nur Zufällig oder wenn der Schrecken vor dem Molaudi unerträglich wird, kommen dessen Taten auf. Seine Landsleute und selbst gebildete Eingeborene glauben an seine Macht, und ein Zauberer von Ruf wird von nah und fern um Rat gefragt. Seine verborgene Wissenschaft gibt den Kranken Hoffnung aus Genesung, den Her- denbesitzern Schutz vor wilden Tieren, den Bauern Bewahrung vor Trockenheit, Hagelschlag und gefräßigen Vögeln. Der Molaudi versichert auch Jäger und Reisende gegen Unfälle aus der Jagd oder Wanderschaft. Er kann einem Manne, der einen Prozeß gegen seinen Nachbarn führt, zu gutem Erfolge verhelfen. Er weiß Krankheiten festzustellen und zu heilen sowie die Person ausfindig zu machen, welche die Krankheit durch einen bösen Zauber verursacht hat. Letzteres geschieht durch, das „Auswittern von Hexen". Manches unschuldige Opfer büßte schon das Leben ein durch diesen gefährlichen Brauch. Heute wird er strafrechtlich verfolgt. Wo aber kein Kläger ist, da ist kein Richter. Eine Frau starb im Kindbette; das Kind überlebte die Mutter wenige Tage und starb gleichfalls. Der Witwer befragte den Molaudi, der sich anheischig machte, den oder die schuldige „Moloi", d. i. Hexe, aufzuspüren. Des Mannes und seines verstorbenen Weibes Verwandte wurden versayr-melt. Der Zauberer bot dem Manne einen Becher, der Gift enthielt, und versicherte ihm, daß ihn kein Harm träfe, falls er unschuldig sei an den beiden Sterbefällen. Er trank, und es geschah ihm nichts. Dann trank sein Bruder, mit dem gleichen Ergebnis. Hierauf wurde die Mutter der Verstorbenen aufgerufen. Sie nahm den Becher, rührte den übrigen Inhalt desselben aus, trank ihn aus und war innerhalb einer -Stunde eine Leiche. Der Sachverständige des Gerichtes fand, daß sie an Arlenikver-gistung gestorben sei. Da Arsenik unlöslich ist im Wasser, so waren die beiden Männer dem Tode entronnen; die alte Frau aber nahm das ganze Gift. Der Zauberer hatte das Giftpulver auf Schleichwegen zu erhalten gewußt; er wurde zu längerer Kerkerhaft verurteilt. Die Bapedi aber wunderten sich über des weißen Mannes Urteil; es war ihnen durchaus klar, daß die alte Frau eine Hexe war, sonst wäre sie nicht gestorben. In einem andern Falle starb ein junger Mann unter Erscheinungen, die unzweifelhaft auf Schwindsucht deuteten. Ein Zauberdoktor „witterte" eine junge Frau aus, deren böser Geist das Unheil bewirkt hatte. Sie wurde gesteinigt, doch gelang es ihr, zu entkommen und sich zur Kanzlei des Regierungsbeamten zu schleppen, den sie um Schutz anflehte. Der Zauberer wurde vor Gericht geladen. Des Verstorbenen Vater sagte aus, daß der Molaudi nach Auswerfung seiner Zauberknochen gefunden habe, jene Frau hätte durch ihren bösen Geist seinen Sohn veranlaßt, zwei lebende Iltisse zu verschlucken. Diese Hütten sich in seiner Brust festgesetzt und die Blutung der Lunge verursacht. Befragt, ob er eine so unwahrscheinliche Geschichte glaube, erwiderte er: „Ja, denn des Molaudi Knochen sagten so, und sie lügen nicht." Zum Rüstzeug des Medizinmannes gehören die „Zauberknochen". Sie sind eine Sammlung von Sprungbeinen verschiedener kleiner Tiere, von Schildpatteilen, Muschelschalen und Steinen. Der Zauberer wirft sie aus und liest aus der Lage, die sie einnehmeiz, geheime Dinge heraus. Die Molaudi find aber keineswegs alle Heuchler. Viele glauben wirklich selbst an ihre Mittel und noch mehr an die Macht unsichtbarer Kräfte. Sie sind auch nicht alle Toren. Unter ihrer äußerlichen Narretei von Halsketten aus Menschenzähnen, Gürteln von Schlangenhäuten und fratzenhaft bemalten Masken verbirgt sich häufig gute Kenntnis der Naturkräfte und der menschlichen Natur. Beim Häuptling war ein Diebstahl verübt worden. Da der Kraal 25 Mitglieder zählte, war es nicht leicht, den Täter ausfindig zu machen. Der Zauberer stellte alle Bewohner in einer Reihe auf und übergab jedem ein kurzes Holz. Dann forderte er die Leute auf, ihm das Hölzchen am nächsten Morgen zurückzugeben, da er alsdann den Dieb erkennen werde, dessen Holz während der Nacht an Länge zunehmen werde. Als am folgenden Morgen die Leute die Stäbe abgaben, fand sich, daß ein Jüngling den seinen halb abgeschnitten hatte. Dadurch gab er sich selbst als den Dieb zu erkennen. Die Herstellung von Zaubermitteln ist einer der Geschäftszweige des Molaudi. Für alle möglichen Bedürfnisse gibt es Zaubermittel, zur Erhaltung der Gesundheit, zur Gewinnung der Zuneigung, zur Fruchtbarkeit der Felder, zum Gedeihen der Viehherden, zur Benachteiligung der Feinde, zur Erlangung von Kindersegen. Die Zaubermittel haben verschiedene Form: Pulver, die man aufleckt oder in die Haut einreiht; Stücke von Wurzeln, Hörnern, Schalen, Häuten, die um den Hals getragen, an Waffen befestigt, in die Wege gesteckt oder ins Freie gestreut werden. Es ist aber nicht die Form die Hauptsache; das Ding ist nur die Wohnung, in die des Zauberers Macht die Geisterkraft bewogen hat, einzugehen. Bei der Herstellung der Zaubermittel werden gewisse Förmlichkeiten beobachtet. Wenn es sich z. B. darum handelt, den Tod eines Feindes zu bewirken, so wird der Gehaßte beobachtet, bis er einen deutlichen Fußabdruck im Boden hinterläßt. Dann wird die Oberfläche der Fußstapfe sorgfältig abgeschabt und dem Zauberer überbracht. Dieser verfertigt daraus ein rohes Bild des Opfers und nennt es beim Namen. Dann läßt er es durch das Bild eines Löwen oder Leoparden töten oder durch das Bild eines Wagens zerdrücken, oder er mischt unter den Lehm des Bildes gewisse Bllltenteile, wie Distelwolle, die vom Winde weithin über das Land getragen werden. Das Geschick des Opfers aber ist besiegelt; der Löwe oder Leopard wird ihn überfallen oder ein Wagen wird ihn erdrücken oder er wird sich in der Wildnis verirren und dort jämmerlich umkommen. Vergiftungen kamen früher häufig vor. Während Schlangen in hohem Ansehen stehen, werden dagegen Eidechsen und Cha-mäleone als Urheber von Unglück angesehen. Wenn eine Kuh oder ein Ochs auf einem Termitenhügel gesehen wird, so ist ein Unglück zu gewärtigen. Wenn ein Hund ein langgezogenes, heulendes Gebell ausstößt, so wird ein Unglück die betreffende Familie ereilen. Das Fett der Eland-Antilope wird von den Frauen als unschätzbare Medizin angesehen; neugeborene Kinder werden damit gesalbt. Streifen von Elandsfell um dis Hüften getragen, sollen vor einer Totgeburt bewahren. Ebenso wird er eine Frau, die bisher nur Töchter geboren hat, befähigt sein, Mutter eines Sohnes zu werden. Tempelwagen der Hindu. Hunderte von Andächtigen ziehen mit Seilen und Ketten den mächtigen Wagen durch die Straßen einer indischen Stadt. Gilt es doch als verdienstliches Werk, das die Nachlassung aller begangenen Sünden mit sich bringt. — Vor kurzem wurde in Madras mit einem Kostenaufwand von 20.000 Rupien ein neuer TempLlwagen gebaut. Ms er zum erstenmal in der Öffentlichkeit vorgeführt werden sollte, brach er zusammen. Verbote. Die Bapedi haben viele religiöse Verbote, Dinge, die gemieden werden müssen. So darf eine Leiche nicht von Kindern angesehen werden, noch darf sie von Leuten begraben werden, die nicht voll erwachsen sind. Auf einem Grabe darf niemand stehen oder sich setzen, noch darf etwas davon entfernt werden. Die Zahl „sieben" gilt als geheimnisvoll. Leute, die trachten, einen möglichst hohen Brautpreis für eine Tochter herauszuschlagen, begnügen sich lieber mit sechs Stück Vieh, wenn sie nicht acht haben können. Die Mannbarkeitszeremonien sind mit vielen Verboten umgeben. So dürfen die Jünglinge den Fußboden nicht kehren, noch Lehm mischen oder eine Mauer mit Lehm verputzen, noch Maisbrei kochen. Frauen ist es untersagt, das Lager zu betreten ober die Jünglinge auch nur aus der Ferne anzusehen. Es ist verboten, eine Hütte mit Sandalen an den Füßen zu betreten. Keine Frau bars Sandalen anfertigen oder ausbessern; das ist Sache der Männer. Würde eine Frau es tun, so riefe sie auf ihren Mann den Tod herab. Es ist jungen Leuten verboten, Hirn, Eingeweide oder Fett zu essen, Leckerbissen, die den Alten und Zahnlosen vorbehalten sind. Wenn junge Leute diese Dinge genießen, so kommen ihnen vor der Zeit graue Haare. Die Bapedi sind große Liebhaber von Fleisch und verzehren selbst Tiere, die an Seuchen eingegangen sind. Wenn aber ein Tier vom Blitze erschlagen wurde, darf sein Fleisch nicht genossen werden. Ebensowenig darf jemand Totemfleisch essen. Das Totem ist ein Tier, das mit gewissen Personen, Familien und Sippen als in Blutsverwandtschaft stehend betrachtet wird. Das Verbot gilt aber nicht für Personen und Familien, deren Totem das betreffende Tier nicht ist. Wegen Übertretung ihrer religiösen Verbote haben die Bapedi jenseitige Strafen zu gewärtigen. Bei den Sühnegebräuchen scheint der vorherrschende Grundsatz die Einführung eines gegenteilig wirkenden Geistes zu fein; Zauber wird mit Zauber, Geist mit Geist bekämpft. Eine Feuerfackel wird gebraucht zur Reinigung von Leidtragenden wie auch zur Beseitigung von Unreinigkeiten, die nur Feuer hinwegnehmen kann. Da der Blitz das heftigste aller Feuer ist, nimmt der Zauberer zur Reinigung Trauernder einen Splitter von einem Baume, der vom Blitze getroffen wurde, entzündet ihn am Hoffeuer und schwingt ihn um jeden der Leidtragenden. Der Inhalt des Magens eines Ochsen, der den Ahnengeistern geopfert wurde, ist, da er mit der Geisterwelt in Berührung gekommen, gleichfalls ein sehr ehrwürdiger Stoff und ein äußerst wirksames Mittel zur Reinigung von der Übertretung eines Verbotes. Regenzauber. In dem trockenen Klima Südafrikas sind die Niederschläge von der größten Wichtigkeit für das Ge- deihen der Saaten, die das tägliche Brot liefern sollen, und folglich auch für die Wohlfahrt des Stammes. Es besteht ein eigenes Zeremoniell zur Erlangung der befruchtenden Regen, und der Monescha-pula oder Regendoktor, der Macht haben soll über den Blitz und über die Wolken, genießt hohes Ansehen bei den Bapedi. Das Regenmachen ist einer der höchsten Zweige einheimischer Zauberei. Der Regendoktor wird zunächst ein „Regenfeuer" entzünden, das mittels Reibung zweier Hölzer hervorgebracht wird und, durch grüne Laubzweige unterhalten, dichte Rauchwolken erzeugt. Diese sollen einerseits die ersehnten Regenwolken ver-sinnbilden, anderseits wirkliche Regenwolken herbeiziehen. Weiters werden schwarze Ochsen geschlachtet und im Dunkel der Nacht am Grabe des verstorbenen Häuptlings verzehrt. Auch werden große Töpfe Bier über dem Grabe ausgeschüttet. Bei diesen Regenbittgebräuchen merkt man wenig von Gebet. Eine Wolke von dunklem Rauch steigt Tag für Tag aus heiligem Kreise auf. Außer grünen Laub-zweigen sind die Brennstoffe etwa getötete Zwillingskinder, Frühgeburten und eine Reihe tierischer und pflanzlicher Stosse, die vom Zauberer geheimgehalten werden. Der Regentopf aber ist als eine Art Rauchfaß anzusehen und der dichte Qualm als Weihrauch, durch den der Monefchapula „Regen webt", wie der Ausdruck lautet. Wenn die Förmlichkeit ohne die gewünschte Wirkung bleibt, wird der Regendoktor erklären, daß ein Fehler in der Ausführung des Ritus unterlaufen sei, oder daß durch außergewöhnlich verabscheuungswürdige Verbrechen, die innerhalb des Stammes begangen worden sein müssen, die Herzen der königlichen Ahnengeister sich verhärtet und sie sich nicht beim großen Geiste um Erlangung von Regen verwendet hätten. Wenn fernerhin der Regen ausbleibt, greift der Moneschapula zu stärkeren Mitteln. Es wird ein kleines Kind geopfert. Außer den unglücklichen Eltern kümmert sich niemand um das Verschwinden des Kindes, denn sein Schicksal wird von allen leicht erraten. Es ist schwer zu sagen, ob dieser grausame Brauch noch beobachtet wird; doch hört man hin und wieder, daß kleine Kinder auf unerklärliche Weife verschwunden feiert.* Die Erfahrung hat aber die Bapedi belehrt, daß trotz all dieser Mittel Zeiten der Dürre nicht ausbleiben. Das dient ihnen dann zum Beweise, daß ihre Regenmedizin abgestanden, kraftlos oder unrein geworden ist. Es müssen daher belebende Zusätze beigefügt werden, um ihr die volle Wirksamkeit wiederzugeben. Zu diesem Zwecke sind gewisse Körperteile vom Klippspringer, einer Antilopenart, und vom Perlhuhn oder Pavian erforderlich. Um dieser Tiere habhaft zu werden, verkündet der Häuptling eine Regenjagd. Sie ist der Bapedi letztes Mittel und spielt eine wichtige Rolle in ihrem Leben. Die Männer versammeln sich im Hose des Häuptlings. Ein schwarzer Ochse wird geschlachtet, indem man ihm einen Speer in die linke Seite stößt. Von Wichtigkeit ist die Art und Weise seines Zusammenbrechens. Fällt das Tier so, daß seine Beine zur Kraalössnung hinweisen, so ist das eine gute Vorbedeutung: mit seinen Beinen stößt er im Todeskamps alles „Schwarze", d. i. alles Unglück, alle Krankheit, alle Feinde, hinweg. Bricht er in entgegengesetzter Richtung zusammen, so ist allen schwarzen Gewalten der Weg geöffnet. In diesem Falle wird „heilendes Gras", eine bestimmte Grasart, geholt, das getötete Tier damit umgeben, angezündet und das Opfer ausgeräuchert, wodurch der Schaden wieder gutgemacht wird. Rach der Schlachtung des Ochsen greifen die Männer zu Speer, Beil und Wurfkeule und treten die Regenjagd an. Sind je ein Klippspringer und ein Pavian . mit der Wurfkeule erlegt worden, so kehrt man heim. Oft jagt man auch einen kleinen Vogel, Chubäle, d. i. Rotbrust, genannt; dieser wird lebendig eingefangen, da er immer nur kurze Strecken, von Baum zu Baum, fliegt und sehr bald ermüdet. Inzwischen sind die jungen Mädchen mit irdenen Töpfen singend zum Flusse ge- * Im Februar 1932 wurden zu Lydenburg zwei Pedl-Frauen zum Tode durch den Strang verurteilt, weil sie zwei Mädchen im Alter vom drei und fünf Jahren umgebracht hatten, um einem Häuptling bestimmte Teile der Leichen zur Bereitung von Regenmedizin zu Bringen. Wie weit der Zauberer in die Sache verwickelt war, konnte nicht ermittelt werden. zogen und haben Wasser geschöpft. Singend kehren sie mit den gefüllten Krügen zurück. Alsdann bereitet der Moneschapula die Regenmedizin, während die Männer sich an dem inzwischen gekochten Fleisch des geopferten Ochsen gütlich tun. Hat der Zauberer seine Arbeit vollendet, so treten die Mädchen und unmündigen Knaben wieder in Tätigkeit. Sie erscheinen mit kleinen Töpfen, die mit dem Zauberwasser gefüllt werden, das sie singend auf die Felder sprengen. Am Hofe aber geht die Festfeier bis in die späte Nacht hinein; man trinkt, ißt, singt, tanzt und ruft aus voller Kehle nach dem befruchtenden Regen. Birmanische Fürsten unterstützen die katholische Karitas. Der „Sawbwa" von Pawnghwe, das Oberhaupt eines der Eingeborenenstaaten von Ost-Birman, war schon immer mit seiner Gemahlin den katholischen Missionären seines Reiches zugetan. Als kürzlich die Fürstin starb, versprach der Fürst, zu ihrem Andenken in der katholischen Mission Toungoo einen Flügel des neuen Aussätzigenheimes bauen zu lassen. Priester der Auswärtigen Missionen von Mailand wirken dort in Verbindung mit irischen Schulbrüdern und den Nazarethschwestern von Mailand sowie einer Gruppe einheimischer Priester, Brüder und Schwestern. tlrwaldwildnis in Mittel-as riba. Wenn wenige Tage nach einer Regenjagd reichliche Niederschläge fallen, fo steigt das Ansehen des Häuptlings und des Mone-fchapula bedeutend. Kalender. Das Jahr der Bapedi beginnt mit dem Aufgang des Sternes Naka (Horn), Mai—Juni. Wenn das Erscheinen des Sternes zu erwarten ist, verbringen die Männer die Nächte auf den Hügeln, wo Wachtfeuer unterhalten werden. Der Mann, der den Stern Zuerst erblickt, wird während des folgenden Jahres glücklich fein; feine Saaten werden gut gedeihen und fein Vieh sich mehren. Am Tage nach der Erscheinung des Sternes gehen die Zauberer am frühen Morgen an den Fluß und waschen ihre „Knochen", die sie beim Wahrsagen benutzen. Aller Staub des Jahres wird von ihnen abgewaschen und sie werden wieder von kräftiger Wirkung. Alsdann wird gleich ein Auswerfen vorgenommen und die Zukunft vorausgesagt. Wenn die Anzeichen auf ein schlimmes Jahr, auf Hungersnot, Seuchen, Tod und dergleichen Unglücksfälle deuten, wird der Häuptling sogleich benachrichtigt. Die Zauberer bereiten alsbald die Medizin zur Abwendung des Unglücks, die Tokgola genannt wird. Der Häuptling läßt sie von kleinen Knaben längs der Grenze seiner Herrschaft herumtragen und vergraben. Drei oder vier Monate später, d. i. während des Monats „Nako etja Matjenna", etwa September, ersucht der Häuptling die Zauberer, ihre Knochen wieder zu befragen. Wenn diese eine trockene Jahreszeit andeuten, haben die Zauberer weitere Tokgola zu bereiten, mit der auf die gleiche Weise verfahren wird. Nach einigen Wochen geht man an die Vorbereitungen zur Bestellung der Felder, und die Regenbitt-Zeremonien finden statt. Die Monate „Herr des Herzens der Feld-besteller" (Oktober), „der zornigen Schwiegertochter Sommer" (November) und „Glühwürmchen, ich fliege" (Dezember) find der Feldarbeit, betn Pflügen, der Aussaat und dem Behacken der Saat gewidmet. Später ruft der Häuptling die kleinen Knaben zusammen und übergibt ihnen die Medizin zur Bewahrung der Saaten vor allerlei Krankheiten. Der Vorgang heißt „go upa". Die Knaben zünden Feuer auf allen Äckern an und schütten die Medizin hinein. Der einzelne Hausvater darf sein so behandeltes Feld nicht vor Ablauf von zwei Tagen betreten. Während des Monats „Legobije", d. i. Ausdörrung, etwa Januar, wird das Fest der Erstlingsfrüchte gehalten. Am Morgen vor Sonnenaufgang versammeln sich die Leute auf der Ostseite des Häuptlingskraals. Sie setzen sich nieder und erwarten, das Gesicht gegen Osten gekehrt, die Morgenröte. Bald erscheint der Häuptling mit seinem Gefolge und den Zauberern, deren angesehenster ein Gefäß trägt, das einen S) tern D er 'Ji e g e r W8«- Gub aus ben gefährlichsten unb am schwierigsten zu erlegenben Tiere enthält, wie Leoparben, Paviane, Schlangen. Die Vornehmen stellen sich vor bem Volke auf, blicken gleichfalls nach Osten unb erwarten bie aufgehenbe Sonne. Wenn bann bas Tagesgestirn am Gesichtskreis erscheint, kniet ber erste Zauberer nieber unb bietet bem Häuptling bas Gefäß bar. Dieser taucht seine Finger in ben Inhalt, leckt sie ab unb speit gegen bie aufgehenbe Sonne aus. Dann stimmt er ein Lobgebet zu ben Geistern seiner Vorfahren an unb bittet sie um gutes Wetter unb gute Ernte. Das wie-berholt er breimal, unb bie Menge stimmt in ben Gesang ein. Die Mebizin wirb von ben Unterhäuptlingen unter bas Volk verteilt unb mit allen Früchten vermischt, bie reis genug sind, um genossen werben zu können. An biesem Tage mutz jeber von ben Erstlingsfrüchten essen. Am nächsten Tage wirb Mobimo, bem höchsten Wesen, bie Erstlingsfrucht geopfert. Inzwischen ist bei febem Gehöft Bier bereitet unb ein Schaf ober eine Ziege geschlachtet worben. In ber solgenben Nacht wirb gesungen unb getanzt, unb ber Häuptling erscheint inmitten seiner Leute, bie Loblieber auf ihn anstimmen. Währenb bes Monats „Sempe Ke Kutsche", ber Dünnspeise, etwa März, üben bie Vogel-Verscheucherinnen ihre Tätigkeit aus. Es finb Mäbchen, bie mit ber Vogel-Berscheuchungs-Mebizin ausgerüstet finb. Die ersten zwei Tage bars kein Mann sein eigenes Felb betreten. Die wachehaltenben Mäbchen leben währenb bieser Zeit auf ben Äckern. Es ist Sitte, baß sie nach Erfüllung ihrer Ausgabe ganz früh am Morgen ein Bab im Flusse nehmen, ehe sie in ben heimatlichen Kraal zurückkehren. Nach ber Vogelverscheuchung soll ntemanb stehenb aus bem Felde essen, sonbern alle sollen Eine Xräigertaromnne bei Durchquerung eines Flusses i-m Urwald. sich niebersetzen, ehe sie einen Bissen zum Munbe führen. Wenn biese Vorsicht außer acht gelassen wirb, ist Gefahr, baß bie Ver-scheuchungsmebizin wirkungslos bleibt unb bie gefräßigen Vögel alles (Betreibe stehlen. Im Monat „Gib mir nichts, ich bin satt" (April) reifen bie Maiskolben heran. Währenb bes Monats „Hlakola bihlare", b. i. „bie Zukost ist ba" (Mai), wirb geerntet unb bas Erntefest gefeiert. Die Frauen brauen Bier, bas Mafohlo-Bier. Dem Häuptling wirb burch viele Geschenke für bie Art unb Weise gebankt, in ber er bas Jahr „geführt" hat. (Fortsetzung folgt.) Im Banne der 9igiL* Ein Roman aus Kamerun von Hermann ©Master. (Fortsetzung.) „Wie willst du dich wehren gegen den allgewaltigen Ngil?" — „Sieh da!" sagte sie und hielt ihm ihre beiden Handflächen * Der Abdruck erfolgt mit Zustimmung des Verlages Lerder & Co. in Freiburg (Breisgau), Baden. entgegen. Dann schlug sie bie Hände über bem Kopf zusammen, und in ihrer Rechten funkelte ein kleiner, scharsgeschliffener Dolch, den sie im Haar verborgen hatte. „Du siehst, ici)' bin nicht mehr unvorbereitet. Was Misa konnte, wird auch Elesa vermögen." „Du bist ein tapferes Mädchen", sagte Ntonga in ehrlicher Bewunderung. „Doch möchte ich immer noch hoffen, daß der Ngil uns nicht zum Äußersten treibt." — „Und hu?" fragte sie, den Dolch verbergend. „Was hast du heute vor?" — „Ich?" Er zögerte mit der Antwort. Sie würde sich beunruhigen, wenn sie seine Absicht erführe. „Ich werde wohl für einige Tage verreisen müssen. Wenn ich zurückkomme, erzähle ich es dir." Sie fühlte aus seinen Worten heraus, daß er ihr etwas verbarg. „Du begibst dich in Gefahr. Tn das nicht! Ich fürchte für dich", sagte sie. „Ich will der Gefahr vorbeugen und mir Freunde sammeln für den Fall der Not." — „Freunde sind Rauch, Not ist Wind. Aber tu, was dir gut scheint. Gott wird dich schützen." Mime steckte gerade den Kopf zur Tür hinaus und wunderte sich gähnend, daß es schon heller Tag sei. „Gruß!" rief ihm Ntonga zu. „Gruß zurück! Was läufst du so früh schon im Dorf umher? Aha, Elesa ist noch da!" „Zum Scherzen bin ich« nicht gekommen", meinte Ntonga. „Da du meiner spottest", rief Elesa mit verschämtem Lächeln, „biete ich dir keinen Gruß und gehe fort." Damit machte sie kehrt und lief davon. „Da hab' ich was Schönes angerichtet", brummte Mune. „Ja, Ntonga, so sind die Mädchen. Vor mir laufen sie alle davon. Doch komm herein in meine Hütte und laß mich Worte hören ans deiner Weisheit Tiefen .. . Weißt du, nach einem guten Abend fühl' ich mich immer so ausgezeichnet wohl, daß ich ein ganzes Dorf znm Narren halten könnte." — „Weil du im Trinken mäßig bist. Jsanes Kopf wird heute andere Lieder fingen. Doch nun laß den Scherz ein wenig ruhen. Ganz wichtige Dinge will ich mit dir reden." „Ich bin ganz Ohr von oben bis unten", sagte Mune mit einer tiefen Verbeugung. „Es handelt sich um den Ngil." — „Das hör' ich gern. Willst du ihm...?" Eine nicht mißverständliche Handbewegung begleitete die Frage. Ntonga unterbrach ihn. „Ich habe dir schon oft gesagt, daß die Ngil Betrüger, Heuchler und Mörder sind." — „Ich glaube dir; seit dieser Nacht weiß ich es." „Willst du Beweise dafür sehen?" — „Sehen? Mit diesen meinen Singen? Oh, das möcht' ich gern." — „So höre!" In leisem Zwiegespräch entwickelte Ntonga seinen Plan. „Das wird gemacht!" rief Mune fröhlich aus. „Das ist ein Streich, den uns so leicht keiner nachmachen wird. Oh, wenn ich, daran denke, wie die Ngil..." — „Pst! Nicht so laut! Es kann auch schief gehen." — „Es muß gelingen, hörst du? Es muß!" „Ob Pembe mit uns geht?" — „Daran zweifle ich nicht. Wir gehen am besten gleich zu ihm." * Jambascholl war wütend-, als- die beiden Männer gegen Morgen zurückkehrten und ihm gestanden, daß auch ihr Versuch! gegen Ntonga fehlgeschlagen fei. „Dummköpfe seid ihr", brüllte er sie an, „eine Schande eurer Väter und Mütter. Eure Köpfe sind hohle Kalebassen. In die Kalebasse gießt man Wasser, eure Köpfe bleiben leer. -Eure Rede ist wie das Quaken der Frösche, das die Nachtruhe stört. Im Sumpf solltet ihr euch verbergen; das wäre der richtige Ort." Stöhnend warf er sich auf sein hartes Lager. „Hat man euch erkannt?" fragte er nach längerem Schweigen, als sich seine erste Aufregung gelegt hatte. „Nein", lautete die Antwort. „Das tat die Medizin, die ich euch mitgab. Aber erzählt mir, wie alles zugegangen." „Wir taten alles, wie du, großer Ngil, uns geboten hattest. Wir standen verborgen int Unterholz, an dem der Weg zum Strande vorbeiführt. Wie du, o Weiser, vorausgesagt, geschah es auch. Wir sahen die Leute vorn jenseitigen Ufer an uns vorübergehen. Ntonga war nicht bei ihnen. Erst eine Weile später kam er nach. Der Mond schien hell, ich erhob meine Keule zum wuchtigen Streich. Du wirst es mir nicht anrechnen, mächtiger Ngil, wenn gerade in dem Augenblick, als ich den Stock -erhob, um den Streich zu führen..." „Faß dich kurz!" unterbrach Jambascholl. „Die Ungeduld verzehrt mich." „... das Mädchen den Weg hinabstürmte -und..." Viehtransport über einen Wasserlauif im afrikanischen Busch. „Welches Mädchen?" — „Elesa, des Häuptlings Tochter." „Verdammtes Weib! Sie hat einen bösen Geist, der sie führt. Doch ich werde ihn bannen. Ich will mich rächen. Doch weiter, weiter! Was tat das Weib?" — „Sie schrie, und Ntonga wandte sich um, gerade als ich..." „Sah sie dich im Gebüsch stehen?" — „Ich weiß es nicht, großer Ngil." „Konnte sie eine Ahnung von eurer Absicht haben?" — „Ich weiß es nicht, großer Ngil." „Du weißt nichts. So rede doch endlich weiter, schnell! Was tatet ihr dann?" — „Ich sagte dir, mächtiger Ngil, Ntonga habe sich umgedreht, als das Mädchen..." „Weiter, weiter! Das habe ich schon gehört." „Mein Stock war aber schon im Herunterfallen begriffen, als er sich drehte. So traf der Schlag nicht seinen Kopf, sondern nur seine Schulter." Der Erzähler hielt inne. — „Und dann?" fragte Jambascholl. „Ja, dann... dann..." — „Dann seid ihr vor Furcht ausgerissen", ergänzte der Ngil. „Jst's nicht so? Sprich!" „Dann ergriff er sein Messer und..." — „Ihr brachtet eure Rippen in Sicherheit. Ihr Feiglinge!" „. . . und sagte: Höret, ihr Gesandten des Ngil..." „Das sagte er?" Jambascholl richtete sich auf seinem Bette auf. „Er sagte es, großer Ngil. Bringt dem Ngil meinen Gruß, sagte er..." Wild fuhr der Ngil in die Höhe. „Wie? Er wagt es, mich zu höhnen?" „... und fragt ihn, ob ihr die Geister seid, auf deren Unterstützung er immer pocht!" „Mensch, redest du die Wahrheit?" rief Jambascholl. Er stieß den Sprecher vor die Brust, daß er taumelte, faßte ihn bei den Schultern, schüttelte ihn und schrie: „Wach aus, Mensch, wach auf! Ist es wahr, was du gesagt hast?" „Es ist wahr!" bestätigten beide wie aus einem Munde. Da sank die Gestalt Jamba-scholls in sich zusammen. Ein Schrei der Wut rang sich aus seinem Munde. Er streckte die geballten Fäuste gen Himmel und sprach einen furchtbaren Fluch über den Mutigen, der es gewagt, ihn zu verspotten. „Geht hinaus und wartet, bis ich euer bedarf!" Er mußte sich sammeln, allein sein. Die beiden Männer verließen die Hütte,, setzten sich draußen auf einen Baumstamm, der das Wartezimmer des Gewaltigen darstellte, und begannen im Flüsterton miteinander zu reden. „Warum hast du ihn so in Wut gebracht?" sagte der Jüngere. „Du hättest das Ende verschweigen sollen." „Ich war ärgerlich. Er hat uns Feiglinge gescholten. Taten wir nicht, was befohlen war?" „Wir hätten Ntonga ergreifen müssen." „Dann verrieten wir uns. Glaubst du, das Mädchen hätte uns nicht erkannt?" „Wir hatten doch Masken vor dem Gesicht." bietn IHt IW „Man hätte sie uns herabgeristen. Sicherlich waren noch Leute auf dieser Seite des Flusses, die auf Ntonga warteten." „Sie hätten kaum etwas davon gehört." „Das Mädchen würde dafür gesorgt haben, daß sie es hörten." „Und hatten wir nicht unsere Medizin, die vor Entdeckung schützte?" Der andere kicherte leise in sich hinein. „Du glaubst noch daran? Bist du erst eingeweiht in alle Geheimnisse, dann wirst du wissen, was davon zu halten ist. übrigens muß das Mädchen schon vorher von unserer Absicht Kenntnis gehabt haben." „Woher? Durch wen?" — „Weiß ich? Vielleicht hat uns jemand belauscht." „Auf dem Wege haben wir jedenfalls kein Wort davon gesprochen." „Ich werde froh sein, wenn mich der Ngil in Zukunst mit ähnlichen Aufträgen verschont. Dieser Ntonga ist schlauer, als der Ngil meint." „Und stark wie ein wilder Stier." „Und geschmeidig wie eine Schlange und furchtlos wie ... kein anderer." Sie brachen das Gespräch ab und erhoben sich, denn der Ngil trat aus der Hütte. „Du, Mpesa", wandte er sich an den Älteren, „geh ins Dorf und rufe Nyanguakaka, mein Weib. Sage ihr, daß sie Esten bringt, Kastada, soviel sie vorrätig hat. Eile dich, ich will heute noch aufbrechen. Doch sage ihr nichts von der Reise." „Es wird geschehen, wie du befiehlst, großer Ngil", erwiderte Mpesa und machte sich aus den Weg. Iambascholl winkte dem jungen Mann, ihm in die Hütte zu folgen. „Nun, Janga, bereite alles für die Reise. Du wirst mich begleiten. Noch kennst du nicht alle Geheimnisse der Ngil. Du wirst sie jetzt kennen lernen, wenn du würdig bist. Auch Nyanguakaka wird mit uns gehen. Nimm die Tasche dort, nimm geräucherten Fisch und die Affenkeule, die gestern übrig blieb. Der Weg ist weit. Wenn du fertig bist, lege dich schlafen. Wir müssen die versäumte Nachtruhe nachholen." Schon während er sprach, hatte er sich auf seinem Bette ausgestreckt. Der junge Mann vollendete seine Arbeit und legte sich dann ebenfalls zur Ruhe nieder. Es war gegen Mittag, als Mpesa mit Nyan- guakaka ankam. Das Weib schimpfte in allen Tonarten, weil sie das Esten selber heraustragen mußte. Der Neger läßt sich nicht leicht durch ein keifendes Weib außer Fassung bringen. Der Ngil machte sogar ein freundliches Gesicht, um die Entrüstete zu beschwichtigen. Er setzte ihr auseinander, daß er sie als Begleiterin auf der Reife ausersehen habe, und welche Ehre es für sie sei, diesen Vorzug vor den andern Frauen zu genießen. „Du wirst viel Neues sehen auf der Reise, andere Dörfer, andere Menschen, andere Felder." „Was hab' ich davon? Ich habe meine Hütte, mein Feld, meine Krebskörbe im Fluß. Ist das nicht genug? Der Fisch bleibt lieber in seinem Wasser. Wenn die Meerfische in den Fluß kommen, werden sie gefangen. Sagt nicht das Sprichworts Mein Freund ist der Himmel, mein Mann ist die Erde? Den Freund sieht man kurze Zeit, beim Gatten bleibt man immer. Ich bin eine alte Frau, dem Gatten näher als dem Freunde. Das Gehen fällt mir schwer. Wie soll ich die weite Reise bestehen?" „Wir haben Zeit genug und werden kurze Tagemärsche machen. Die Mühe, die du aus dem Wege erträgst, wird reichlich belohnt werden, denn du wirst das Geheimnis der Ngil sehen und kennen lernen." „Wie? Sagtest du nicht, daß kein Weib das Geheimnis der Ngil erfährt, ohne des Todes zu fein?" „So sagte ich; aber die Ngil werden es dir erlauben." „Ich fürchte mich doch." „Das ist unnütz. Die Furcht ist wie das Alpdrücken, das den Atem behindert und den Schlaf stört." Janga hatte unterdessen die von Nyanguakaka mitgebrachten Kastada zu dem übrigen Mundvorrat in einen Tragkorb gepackt. „Wir gehen", sagte der Ngil. „Janga, geh langsam voraus. Wir werden nicht eilen, um Nyanguakaka nicht zu ermüden. Du," wandte er sich an Mpesa, „bewachst das Haus." „Es wird geschehen, wie du sagst, großer Ngil." Die Ngumbaberge kann ein guter Fußgänger in drei Tagen erreichen. Ein Eil- böte noch schneller. Die Kleine Karawane kam aber wegen der alten Frau nur sehr langsam vorwärts. Fambafcholl gab bald die Hoffnung auf, am vierten Tage ins Tal der Ngil zu kommen. Er wollte seinen Schüler die Feierlichkeiten erleben lassen, die dem eigentlichen Totenfest gewöhnlich vorangingen. Diese Absicht war vereitelt. Der Weg führte tagelang durch dichten Urwald. Kein Dorf, kein Haus, kein Mensch war zu sehen. Die Leute, die den Urwald bewohnten, hielten sich der Straße fern, um nicht von Durchreisenden belästigt und bestohlen zu werden. Erst dort, wo der Aufstieg in die Berge begann, kam man zu einem Dorfe, in dem der mächtige Häuptling der Ngumba hauste. Hier war den Händlern, die durchs Land zogen, der Weg verlegt. Ohne Zoll durfte niemand an Biyoka — so hieß das Dorf — vorbei. Der Ngil brauchte freilich nichts zu fürchten. Vor ihm neigte sich selbst Ntunga, der mächtige Häuptling des Ngumbastammes. Bei eintretender Dunkelheit machten die drei Wanderer halt. Janga schlug Palmwedel ab und legte sie auf den Weg. Das war das Lager. Die Frau suchte trockenes Reisig zusammen: denn in der Nacht mußte ein Feuer brennen, um die wilden Tiere zu verscheuchen. Trotz der Medizinen, die der Ngil besaß, ließ er solche Vorsichtsmaßregeln doch nicht außer acht. Janga schlug Stmtzenszene auf den Philippinen. Das.gewöhnliche Transportmittel in der Provinz ist der zweirädrige Karren mit dem Büffel als Vorspann. Der Missionär, der uns das Bild zuschickt, spricht mm dem großen Priestermangel auf den Eilanden. Wohl sind zwei Drittel von den 12 Millionen Bewohnern Katholiken, aber Tausende ohne Seelsorger und so in ihrem Glaubensleben aufs höchste gefährdet. 80 verschiedene Sprachen und Dialekte, die auf den zahlreichen Inseln von einer zerstreut lobenden Bevölkerung gebraucht werden, erschweren die Missionstätigkeit. Feuer und steckte das Reisig in Brand. Das Abendessen war bald bereitet und schnell verzehrt. Dann streckte man sich zur Ruhe auf den Palmwedeln aus. Ein dicker Baumast diente als Kopfkissen. Nyanguakaka hatte die erste Nachtwache. Während die Männer schon bald in tiefem Schlafe lagen, saß sie mit untergeschlagenen Beinen am Feuer, steckte ihre Pfeife in Brand und rauchte. Es war ein ruhiger, dunkler Abend. Leuchtkäfer hüpften gleich glühenden Funken über die Gräser. Nachtfalter umschwärmten das Feuer und versengten sich die dunklen Flügel. Kreischend flog hier und dort ein Nachtvogel durch das Dickicht des Urwalds. Von ferne tönte der Ruf einer Unke. Die alte Frau blickte träumend ins Feuer. Da knackte hinter ihr im Gebiisch ein trockener Ast. Fm Gefühl, daß ein Lebewesen nahe, wollte sie beiseite rücken, um dem Feuerschein beit Weg nach dieser Seite frei zu machen. Da hörte sie sich leise beim Namen rufen. „Bleib sitzen, Nyanguakaka, ich bin dein Freund", sagte jemand in der Sprache der Banoho. „Man führt dich fort; du sollst die Heimat nicht wiedersehen." Eine Pause entstand. Der Sprecher wollte sich überzeugen, ob nicht einer von den Männern wach geworden. Doch ihre ruhigen Atemzüge verrieten, daß sie in tiefem Schlafe lagen. Die Stimme fuhr fort: „Nimm am nächsten Wasser die Blätter des Pfeilkrautes und stecke sie in deinen Gürtel. Wenn ihr diesen Weg verlaßt, wirf kleine Stückchen davon auf die Erde, damit ich dir folgen kann. Ich will deinen Verwandten berichten, wohin sie dich gebracht haben." Das Weib hatte fedes Wort verstanden. Zum Zeichen des Einverständnisses nickte sie mit dem Kopse. Das Rascheln im Grase sagte ihr, daß der Sprecher sich zurückzog. Der Mond ging auf. Nyanguakaka weckte den Ngil und legte sich zur Ruhe. Die Sprechtrommel hatte den Tod des Ngil der Bakoko im ganzen Lande verkündet. Jeder Eingeweihte wußte, was er jetzt zu tun hatte. Am neunten Tage nach dein Tode mußten sich alle im Tale der Ngil versammeln, um der Totenfeier beizuwohnen. Auch dem Volke war diese Bestimmung bekannt. Die wenigsten aber ahnten, daß Menschenopfer dargebracht wurden, uni einen toten Ngil zu ehren. Mit aller Sorgfalt hüteten die Wissenden das finstere Geheimnis. Ihre Opfer wurden mit List fort-gelockt. Gewaltsame Entführung geschah nur dort, wo Entdeckung nicht zu fürchten war. Wenn irgendwer im Dorfe verschwand, wer konnte wissen, wo er geblieben war? Vielleicht hatte ein Leopard ihn überfallen und zerrissen, vielleicht hatte ein abstürzender Ast im Urwald ihn erschlagen. Oft gab der Ngil selbst die Lösung des Rätsels, indem er behauptete, Ngil, der Unsichtbare, habe den Vermißten wegen seiner bösen Taten vernichtet. „Ngil hat ihn getötet", war im Volke ein geflügeltes Wort. Bogles Todesursache war ein besonderer Grund, sein Totenfest mit allem Pomp zu feiern. Der Schüler, den er zu seinem Nachfolger bestimmt und erzogen, hatte sich seiner Aufgabe in rührender Weise entledigt. Er hatte die Leiche mit Kräutersaft gewaschen, der sie vor schneller Verwesung bewahrte. Das Volk mußte der Sitte gemäß in Trauerbezeigungen wetteifern. Die Frauen Tokos hatten sich zum Zeichen der Trauer den Körper mit weißer Tonerde eingerieben. Sie saßen beim Hause, wo der Tote aufgebahrt lag, und erfüllten die Luft mit ihrem Geheul. Eine große Volksmenge wohnte der Überführung der Leiche bei und begleitete sie bis in die Nähe der Ngo-wayang-Dörfer, wo die Ngil der Ngumba sie erwarteten. Dann kehrten alle nach Hause zurück. Nur den fünf Frauen des Verstorbenen ward befohlen, bis zum Grabe des Ngil mitzugehen. Der Leichenzug bewegte sich durch eine finstere Schlucht aufwärts in die Berge hinein. Ein wilder Gebirgsbach brauste ihm in tief eingerissenem Bett entgegen. Schroffe Granitfelsen standen drohend an der Berglehne. Steil aufsteigende Höhen machten den Weg beschwerlich. Das Trauergefolge hielt sich eng beieinander. Man zog durch die Heimat des Gorilla, der mit seinem Gebrüll den einsamen Wanderer erzittern inacht. Die Ngil der Ngumba schritten als Führer voran. Sie waren die obersten der Ngil irrt ganzen Lande. Ihr Einfluß beherrschte das Urwaldgebiet und reichte noch weit darüber hinaus. Zu ihnen kamen die Ngil der umtvohnenden Stämme, um sich Rat zu holen oder neue Zaubermedizinen kennenzulernen. Sie waren tonangebend bei den Versammlungen. Die Ngil bildeten unter sich eine sozusagen internationale Gilde. Sie blieben unzertrennlich verbrüdert, auch wenn ihre Stämme sich befehdeten. Oft gingen die Fäden politischer Verwicklungen von ihren gemeinsamen Beratungen aus. Sie hatten auch eine eigene Sprache, die sonst niemand verstand. Selbst die jungen Männer, die sie als Nachfolger erzogen, wurden darin erst kurz vor der Ausnahme in den Bund unterrichtet. Bei der Aufnahmeprüfung hatten die Ngil der Ngumba eine entscheidende Stimme. Nach etwa anderthalbstündigem Marsche hatte der Trauerzug die letzte Höhe erstiegen. Neugierig schauten die Bakoko-frauen in den engen Talkessel hinab, der plötzlich vor ihnen sich auftat. Drunten lag in tiefstem Schweigen ein kleines Dorf. Kein Mensch, kein Tier war zu sehen. Und doch schienen dort Menschen zu wohnen, denn ein riesiger Haufen Brennholz war auf dem Dorfplatz aufgeschichtet. Die Hnt-ten standen in weitem Kreise dicht am Fuße des Höhenrückens, der das Tal umschloß. In der Mitte war ein mannshohes Gerüst erbaut, das von einem Kranz von Pfählen umgeben war. Guten Appetit! Eine Szene aus dem katholischen Waisenhaus Mien-chih im Innern der chinesischen Provinz Honan. Die Missionäre von Parma arbeiten dort mit den Kanossiailerinnen von Verona und einem Stab chinesischer Priester und Schwestern zusammen. Das war das Tal der Ngil, das sie wie ein Heiligtum bewachten. Wer es betrat, gehörte entweder Zur Gilde, oder — er verließ es nimmer. Die umwohnende Bevölkerung wagte sich nie in die nähere Umgebung des geheimnisvollen Ortes. Dis Furcht vor den Unsichtbaren, mit denen die Ngil verkehrten, hielt jeden Vorwitz in Schranken. Hier hielten die Brüder der Gilde ihre Tagungen ab. Von hier wanderten die großen MediZinen in die Welt hinaus. Hier fand der Ngil feine letzte Ruhestätte. Im Tale angekommen, wurde die Leiche Bogles auf dem hohen Gerüst aufgebahrt. Seine Frauen stimmten die Totenklage an. Sie sangen jedoch nicht lange von den Taten des verstorbenen Ngil, ihr Lied beklagte vielmehr sie selbst, in der Vorahnung des kommenden Trauerspiels, in dem sie die schwerste Nolle würden übernehmen müssen. Am Abend trafen zwei Ngil aus Iaunde ein. Ihre Vertrauten führten die für den toten Ngil bestimmten Opfer gebunden mit sich. Die dem Tode Geweihten waren verhüllt; ein Knebel schloß ihren Mund. Außer den Ngil wußte niemand, wer sie waren oder welcher Sippe sie angehörten. Nun wurden auch die Frauen Bogles gebunden und mit den andern Gefangenen in eine Hütte gesperrt. Ein Vertrauter der Ngil übernahm die Wache. Er stellte ihnen schwere Prügelstrafe in Aussicht, wenn sie es wagen würden, auch nur ein Wort zu reden. Spät in der Nacht kam ein Ngil der Mabea, Zwei der Bulu, einer aus Basa. Als letzte stellten sich zwei Ngil aus Babimbi ein. Sie kamen, als der Morgen des neunten Tages schon graute. Nach üblicher Begrüßung und kurzer Rast begann der erste Teil des Totenfestes, die Weihe der großen Medizinen. Die Ngil der Iaunde hatten mehrere Menschenschädel mitgebracht, um sie von den Ngil der Ngumba weihen zu lassen. Diese wußten die Ehre zu schätzen, die man ihnen dadurch erwies, und suchten deshalb den Zauber, den sie vornahmen, so feierlich wie möglich zu gestalten. Zwei Vertraute schleppten einen riesigen Elefantenschädel herbei, mitten auf den freien Platz, nicht weit von dem Gerüst, auf bern Bogle aufgebahrt lag. Davor wurden die Totenköpfe im Halbkreis niedergelegt. Drei mächtige Holztrommeln kamen dazu. Die Musikanten ergriffen die Klöppel. Die Brüder der Gilde scharten sich zum Tanz. Nur die beiden Ngil der Ngumba fehlten. Sie hatten sich in eine Hütte zurückgezogen, um sich der großen Feier entsprechend zu kleiden. Auf einen Wink des Ältesten begann die Musik. Der Kreis der Ngil bewegte sich in langsamem Tanzschritt um die Schädel und die Totenbahre. Der Vorsänger stimmte einen Wechselgesang an in der Geheini-sprache der Ngil. Die andern sangen den Kehrreim. „Aho, ihr guten Geister des Totenreichs." — „Ah hä, ho iho", antwortete der Chor der Tanzenden. „Höret uns, wir rufen euch, ah hä, ho iho. Kommt und höret die Ngil eures Bundes, ah hä, ho iho. Eure Freunde sind wir, eure Brüder, ah hä, ho iho." Der Tanz wurde lebhafter. Mit jedem Vers wuchs die Begeisterung. Der Ngil der Mabea sprang aus der Reihe vor, erhob seine Stimme und sang: „Zu früh seid ihr, Brüder, von uns geschieden, ah hä, ho iho. Wir bitten euch, bleibt immer bei uns, ah hä, ho iho. Helfet uns und beschützet uns, ah hä, ho iho. Wir bringen euch Gaben und Opfer, ah hä, ho iho." Der Sang war zu Ende, aber immer heftiger schlugen die Trommler auf ihre Instrumente. Die Reihen lockerten sich, der Kreis wurde weiter, die Tänzer brauchten Raum. Einer suchte den andern in Verrenkung der Glieder zu übertreffen. Immer wilder wurde der Tanz der Ngil. Die Begeisterung sprühte aus ihren Augen, die Außenwelt verschwand mehr und mehr aus dem Bereich ihres Bewußtseins, der Gedanke an ihren Zauber erfüllte sie ganz. Sie sahen die beiden Ngil der Ngumba nicht, die im Schmucke ihrer Amtstracht erschienen und sich in ihren Kreis schoben. Sie tanzten, sie rasten weiter in wahnsinnigem Takt. Und doch waren die beiden Ngil des Ansehens wert. Sie trugen ein Gewand aus langen Bastfasern, das mit einem Gürtel über den Hüften befestigt war und bis zu den Knien herabreichte. Hand- und Fußgelenke waren durch Elfenbein- und Messingringe geziert. Jeder hatte sein Totemtier in weißer Farbe aus die Brust gemalt, der eine einen Skorpion, der andere ein Krokodil. Der „Skorpion" trug einen glatten Helm, der aus einer Kürbisfrucht hergestellt und mit einem Kranze roter Papageifedern geschmückt war. Das „Krokodil" hatte eine wirkliche Krokodilshaut so über den Rücken geworfen, daß der geöffnete Rachen des Tieres ihm als Kopfbedeckung diente. Die Gesichter waren weiß bemalt, Ringe um Augen und Kinn, Schlangenlinien auf Stirn und Wangen. Vor dem Elesantenschädel angekommen, verneigten sie sich so tief, daß sie mit den Händen den Boden berührten. Diener trugen gefüllte Kalebassen herbei und stellten sie vor ihnen auf die Erde. Der „Skorpion" ergriff ein Gefäß mit Wasser, hob den zunächst liegenden Totenschädel aus lind wusch ihn, unverständliche Worte murmelnd. Den so gewaschenen Schädel nahm das „Krokodil" und rieb ihn von innen und außen mit Palmöl ein. Das geschah mit sämtlichen Schädeln, die zur Weihe vorgelegt waren. Sobald ein Gefäß leer war, sprang ein Diener herzu und stellte ein volles an seinen Platz. Als die Waschung und Salbung vollendet war, schwiegen die Trommeln. Die Tänzer hielten trtne, schweißtriefend, schwankend. Der Ngil, dessen Totem das Krokodil war, goß Öl in seine Rechte, spritzte es über die Schädel und sprach in feierlichem Ton der Beschwörung: „O ihr Großväter, wenn jemand zu euch kommt, euch Öl spendet und die Bitte spricht, seiner Jagd Erfolg zu geben, so erhöret ihn." Die Umstehenden klatschten in die Hände und riefen: „Jan yan, ja, ja, erhöret ihn!" Nach eingetretener Ruhe fuhr der Ngil fort: „O ihr Großväter, wenn jemand zu euch kommt, euch Öl spendet und die Bitte spricht, seine Farm zu segnen, so erhöret ihn." Wieder folgte das: „Pan yan, erhöret ihn!" „O ihr Großväter," sprach der Ngil weiter, „wenn jemand zu euch kommt, euch Öl spendet und die Bitte spricht, ihn auf seiner Reise zu beschützen, so erhöret ihn." — „Jan yan, erhöret ihn!" Der Ngil warf das Ölgefäß in iveitem Bogen fort. Der „Skorpion" trat einen Schritt vor und rief: „Wenn aber jemand kommt und eine Bitte spricht, aber kein Öl spendet, so erhöret ihn nicht." — „Pan yan, erhöret ihn nicht!" „Und wenn jemand zu euch kommt und euch bittet, einem Ngil zu schaden, so erhöret ihn nicht, auch wenn er zehn Kalebassen Öl spendet." — „Pan, yan, erhöret ihn nicht!" „Und wenn jemand zu euch kommt, euch Öl spendet und die Bitte spricht, ihn von Krankheit oder Verhexung zu befreien, so erhöret ihn nicht, denn das ist Sache der Ngil." — „Aan qcm, so soll es sein, erhöret ihn nicht!" Die Anrufung der Geister war beendet. Die Trommler schlugen von neuem ihren Takt, und weiter ging der Tanz. Auch die Ngil der Ngumba beteiligten sich jetzt daran. Es war bewundernswert, mit welcher Anmut und Geschmeidigkeit, mit welcher Kraft und Ausdauer die schon bejahrten Männer ihre Glieder schwangen. Wohl eine halbe Stunde noch drehte sich der wilde Reigen. Dann zogen sich die Ngil der Ngumba in die Hütte zurück, um sich ihres Schmuckes zu entledigen. Die Trom-meln verstummten. Diener trugen Matten herbei und breiteten sie auf dem Platze aus. Die Tänzer legten sich nieder, um bei Palmwein und dampfenden Pfeifen auszuruhen. Es war schon spät am Nachmittag, als Iambascholl mit Janga und Nyanguakaka im Tale der Ngil anlangte. Die Ngil begrüßten den Genossen aufs freudigste. „Wir haben dich schon gestern erwartet", sagte der „Skorpion", „nun dachten wir, du würdest diesmal nicht kommen." Er redete in der Geheimsprache des Bundes. „Es ging schwer genug", entgegnete Jambascholl, „nur mit Mühe konnte ich die Alte bet, die ich dem toten Ngil geweiht, hieher bringen." Der „Skorpion" wies mit der Hand nach dem Gefängnis. „Dort kannst du wohnen", sagte er zu Nyanguakaka. Müden Schrittes humpelte die Frau in der angegebene» Richtung über den Dorfplatz. Zwei Vertraute folgten ihr. „Euer Häuptling hat gesagt, ich soll in diesem Hause wohnen", erklärte Nyanguakaka dem Wächter, der vor der Tür der Hütte stand. Da wurde sie von hinten gepackt und zu Boden geworfen. Man band ihr Hände und Füße. Sie ließ es geschehen, ohne sich zu widersetzen, ohite auch nur einen Laut der Klage zu äußern. Sie begann das Geheimnis der Ngil zu verstehen. Man trug sie ins Haus und legte sie zu den übrigen Opfern auf den Boden. Nyanguakaka ergab sich still und stumpf in ihr Schicksal. Sie ahnte, daß sie nun sterben müsse. Aber war sie nicht eine alte Frau, die vom Leben nichts mehr erwartete als Mühe und Plage? Konnte sie ilicht jeden Tag sterben? Der Weg nach Hause war so weit, und sie war so müde. War es nicht besser, wenn sie ihn nicht mehr gehen mußte? Ein leises Weinen störte sie in ihrem Sinnen. „Weinst du über den Verstorbenen oder über dein junges Leben?" fragte sie flüsternd. Sie erhielt keine Antwort. Das weinende Mädchen verstand ihre Sprache nicht. Die Alte plapperte fort: „Den Toten sollst du nicht beweinen: ein Ngil verdient es nicht. Beweinst du deine Jugend? Du bleibst nicht lange jung. Das Leben ist eine böse, schwere Last. Ich war auch einst jung und schön. Die jungen Männer schauten mir nach mit bewundernden Blicken. Es ist wie gestern. Aber gestern ist nicht heute. Hast du einen jungen Freund zu Hause gelassen? Tröste dich, es gibt Mädchen genug, die ihm gefallen werden ..." Der Wächter steckte den Kopf zur Tür herein. „Willst du sofort stille sein? Wer spricht, erhält Strafe." Da schwieg sie . . . Iambascholl hatte der Leiche Bogles Trauer bezeigt und Ehre erwiesen. Nun lag er im Kreise der Ngil. trinkend linb rauchend. Einige schliefen auch, um sich für die bevorstehende Feier zu kräftigen. Im Tale dunkelte es früh. Der Himmel war bewölkt und die ins Meer sinkende Sonne färbte die Wolkenränder glühend rot. Aber schnell erstarb der Glanz in einem matten Violett und die ganze Pracht verlor sich in DämMergrau und Dunkelheit. Diener brachten Reisig herbei und steckten es in Brand. Etwa zwei Gtunben nach Sonnenuntergang verkündete die Sprechtrommel, daß es Zeit sei, sich zur Feier zu rüsten. Die Ngil suchten ihre Hütten auf, um ihren Schmuck anzulegen. Die andern bemalten sich. Janga und die Schüler der Iaunde-Ngil sollten heute ihre Probe bestehen, um fortan als eigentliche Ngil zum Bunde zu gehören. Sie malten sich ihr Totem auf die Brust, Janga einen Turako, der eine Iaunde eine Schlange, der andere eine Ratte. Um die Stirn banden sie einen schmalen Bast-streifen. Wieder ertönte die Sprechtrommel. Auf jeder Seite des Gerüstes, auf dein Bügle lag, flammte ein Scheiterhaufen empor. Die Ngil traten aus ihren Hütten. In feierlichem Zuge umschritten sie, einer hinter dem andern, den Katafalk und verneigten sich vor der Leiche. Der Ngil, dessen Totem das Krokodil war, leitete die Feier. Er hatte am Fußende des Leichengerllftes Stellung genommen, legte die Hände als Schalltrichter an den Mund und rief mit starker Stimme: „Großer Ngil der Bakoko, höre mich!" Trommelgerassel und langes Gejohle erfüllte die Luft. Auf den Wink des Großmeisters trat Ruhe ein, eine Stille, in der man den eigenen Herzschlag hören konnte. Es war, als spüre die Versammlung die Nähe des gerufenen Geistes. Das „Krokodil" erhob wieder seine Stimme und sprach: „Großer Ngil der Bakoko, du stehst auf der andern Seite des Weges; aber auch die Gräser neigen sich über den Weg und berühren sich. Wir sehen den Wind nicht, der uns umfächelt; aber wir wissen, daß er da ist. Das Feuer erlischt und der Rauch verfliegt; aber die Kohle glüht unter der Asche fort bis zum nächsten Tag. Dein Leib liegt auf der Bahre, aber dein Geist weilt unter uns. Großer Ngil. wir find gekommen, dich zu besuchen. Sei Freund deinen Freunden und bleibe Feind deinen Feinden. Wir, deine Freunde, verlassen dich nicht. Deine Mörderin packte ein böser Geist, aber Speise und Trank bringen wir dir ins Totenreich." Der Ngil schwieg. Seine Schüler brachten einen Eßnapf, in dem sich Kassada, Ma-kabospinat und Fleisch befand, und eine Kalebasse mit Palmwein. Der Ngil ergriff die Gesäße. Den Eßnapf stellte er vor dem Katafalk auf den Boden nieder, den Inhalt der Kalebasse sprißte er ringsum gegen das Gerüst. Auf seinen Blaß zurückgekehrt, klatschte er in die Hände. Die andern Ngil taten ebenso. Die Trommler begannen ihre Arbeit. Leichte Bewegungen des Oberkörpers und der Arme leiteten den Tanz ein. Der Großmeister gab die Tanzweise an. Beständig im Takte der Trommel sich wiegend, drehte er sich um seine Achse. Die andern taten ebenso. Dann wandte er sich, immer im Tanztakt, nach rechts und schob den Körper langsam vorwärts. Einen Fuß vor den andern setzend, bewegte sich die Reihe in der Runde. Nach und nach wurden die Schritte schneller, die Bewegungen lebendiger, bis der Reigen in wildem Sturm um den Katafalk wogte. Der Großmeister winkte. Die Trommeln schwiegen, die Reihe stand. Der Ngil ergriff von neuem das Wort. „Großer Ngil der Bakoko! Allein bist du ins Sotenreict). gegangen. Du fandest dort deine Freunde, die Ngil; aber sie bedienen dich nicht. Du gehst in dein Haus, es ist kein Weib da. Du schaust in die Küche, sie ist leer. Du siehst deine Felder, sie liegen brach. Du rufst einen Diener, es kommt keiner. Du willst Wasser trinken, und niemand bringt es dir. Du sollst nicht verlassen fein. Wir, deine Freunde, wir bringen dir Frauen und Diener, die dir folgen sollen ins Totenreich." Der Ngil winkte. Während die Trommeln rasselten, wurden die unschuldigen Todesopfer aus dem Gefängnis geholt. Man stellte sie an die Pfähle, die um den Katafalk in die Erde gerammt waren, und band sie daran fest. Drei Frauen waren verhüllt, daß man ihr Gesicht nicht sehen konnte. Am Fußende der Totenbahre fanden sie ihren Platz. Das laute Jammern der Armen wurde übertönt durch den Lärm der Trommeln und das Johlen der Ngil. Auf ein Zeichen des Großmeisters begann der Tanz, wenn man dem Rasen, Toben und Wüten, das nun folgte, diesen Namen noch geben darf. Ein wilder Taumel hatte die Ngil ergriffen. Sie jagten wie die Bestien des Urwaldes um die Opferstätte, gebärdeten sich wie Wahnsinnige, schrien wie Besessene. Es war, als ob die Hölle ihre Pforten geöffnet und eine Schar Teufel losgelassen hätte. Im Scheine des lodernden Feuers erschienen die Gestalten geisterhaft. Die Begeisterung ward zur Raserei. Man bereitete sich vor auf die kommenden Greuel. Endlich winkte der Führer Ruhe. Jetzt sollten die drei Prüflinge zeigen, ob sie würdig und fähig seien, ganze Ngil zu werden. Die „Ratte" kam zuerst an die Reihe. „Jüngling", so hub das „Krokodil" an, „Jüngling, dessen Totem die Ratte ist, bewahre die Geheimnisse der Ngil vor den Menschen, wie die Ratte sich vor ihren Augen verbirgt. Verstehst du mich?" — „Ich verstehe dich, großer Ngil." „Dann kennst du die Sprache der Ngil. Du wirst als ein Ngil nach Hause zurückkehren oder hier sterben. Verstehst btt mich?" — „Ich verstehe dich, großer Ngil." „Willst du ein Ngil werden, gleich uns an Macht und Einfluß bei Geistern und Menschen?" — „Ich will es, großer Ngil." „Nimm dieses Messer und töte das Mädchen, das vor dir steht." Der junge Mann ergriff die Klinge, die der Ngil ihm darreichte, und näherte sich der verhüllten Frauengestalt. Er zögerte. Noch hatte er nie solche Tat vollbracht. Ein angebundenes, wehrloses Weib abzuschlachten, dünkte ihm eine Schande. Der Ngil, der neben ihm stand, ließ ihm keine Zeit zum Nachdenken, sondern schob ihn vorwärts. Noch einen Schritt waren sie von dem laut weinenden Opfer entfernt, da trat der Ngil vor und zog das Tuch herab, mit dem es verhüllt tvar. Ein Schrei des Entsetzens! . . . Der Jüngling wich zurück. Das Mädchen, das vor ihm stand, war . . . seine eigene Schwester . . . „Ahanda, Sohn meiner Mutter, willst du mich töten?" schluchzte sie in der Sprache der Iaunde. „Nie, nie! Das tu' ich nicht!" schrie der arme Mensch. „Vorwärts!" kommandierte der Ngil, „entweder gehorchen oder sterben!" „Sterben, lieber sterben!" Er warf das Messer von sich, stürzte auf die Gefesselte zu, umschlang sie mit seinen Armen und schrie immerfort: „Sterben, sterben, wenn ich dich retten könnte, tausendmal sterben!" „Schafft ihn fort! Bindet ihn an den Pfahl, ein neues Opfer für den Ngil." Die Männer, die den Befehl vollziehen wollten, brachten den Verurteilten nicht von der Stelle. Da trat der „Skorpion" heran, eine kurze Lanze in der Hand. Mit wuchtigem Stoß heftete er zwei Menschenleiber an den Pfahl. Zwei gellende Schreie mischten sich in das Heulen der Ngil und das Dröhnen der Trommeln. Dann wurde es still, unheimlich still. Am Himmel jagten schwarze Wolken, windgepeitscht. Dicke Tropfen fielen wie schwere Tränen zur Erde. In der Ferne grollte der Donner. Janga zitterte, als er an die Reihe kam. Aber die Liebe zum Leben trieb ihn zum Mord. Er schloß die Augen, während er Nyanguakaka den Dolch in die Brust stieß. Das Weib blieb stumm. Iambascholl sah und hörte nichts. Er raste mit den Rasenden. Die „Schlange" wurde Muttermörder und bestand damit ebenfalls die Aufnahms-prllfung. „Eine Schlange habe ich an meinem Busen genährt: jetzt tötet sie mich", schrie das unglückliche Weib, bevor es unter gräßlichen Schmerzen verschied. Nach beendeter Prüfung begann ein neuer Tanz. Die Ngil, ihre Schüler und Vertrauten, alle waren mit Messern bewaffnet. Während der grausige Reigen sich im Takte der Trommeln bewegte, stieß bald dieser, bald jener einem Opfer das Messer in den Arm, in die Brust, in die Seite, wie es eben traf. Das Schmerzgeschrei der Verwundeten wurde übertönt dtirch Trommelwirbel und das Geheul der Ngil. Die Qual dauerte lange, denn die Stiche waren nicht tödlich. Langsam mußten die Opfer verbluten. Nur das jüngste Weib Bogles fand einen schnelleren Tod. Das „Krokodil" schnitt ihr den Hals durch. Man fing das Blut auf und die Mörder wurden Kannibalen. Reisig wurde um die Pfähle gehäuft. Die auflodernden Flammen beleuchteten schmerzlich zuckende, blutüberströmte Körper. Ein Sturmwind fuhr in die Glut, daß die Funken stoben. Die Umstehenden zogen sich vom Feuer zurück. Da zuckte ein Wetterstrahl über dem Wipfel eines Urwaldriesen. Ein kurzer, scharfer Knall folgte. Mitten aus dem Unwetter heraus ertönte ins Tal hinein eine Stimme wie Hörnerschall: „Wehe euch, wehe! Ihr Muttermörder!" Die Worte waren in der Sprache der Iaunde gerufen. Nur wenige verstanden sie. Und doch waren alle von Schrecken erfüllt. Selbst die Ngil, die sich bei jeder Gelegenheit ihres Verkehrs mit der Geister-welt rühmten, erbebten, da sie die Stimme der überirdischen zu hören glaubten. Sie wandten sich an den Großmeister. „Rette uns", riefen sie, „rette uns aus der Gewalt der bösen Geister!" „Geht in eure Hütten, ich werde sie bannen." Ein neuer Blitz flammte auf. Sekundenlang erschien das Tal wie von Feuer Überschüttet. Der Donner machte den Boden erbeben. „Wehe!" so rief die Geisterstimme, doch diesmal von der andern Seite und in der Sprache der Banoho, „wehe euch, wehe! Ihr Gattenmörder!" Iambascholl stürzte zn Bodem Alles rannte in wilder Flucht, sich in den Hütten zu verbergen. Aber die Elemente waren entfesselt und entluden sich in furchtbarer Gewalt. Ins Leuchten der Blitze hinein ertönte zum dritten Male das geheimnisvolle „Wehe!", jetzt in der Sprache der Ngumba: „Wehe euch, wehe! Ihr Menschenmörder!" Gespenstern gleich irrten die verängstigten Agil im Tale umher. Das blendende Blitzlicht ließ sie keinen Ausweg finden. Sie rannten gegeneinander, schrien um Hilfe. Ganze Feuergarben schlenderte der Himmel herab. Und der Donner dröhnte in den Bergen, als stürze das Firmament zersplittert auf die Erde nieder. Dann prasselte ein dichter Regenschauer ins Tal und löschte die letzten Flammen, die an den verkohlten Leichnamen emporzüngelten ... II. „England ist immer der Beschützer der unterdrückten Völker gewesen", sagte Leutnant Brown selbstbewußt, indem er feinen Charles Dickens geräuschvoll zuklappte. Er warf den Kopf in den Nacken und blies den Rauch feiner Zigarette gegen die große Hängelampe hinauf, die in langsamer Schwingung über dem Tisch hin und her zog und die Bewegung des Schiffes kennzeichnete. Leutnant Williams, der jüngste Offizier an Bord des kleinen Kreuzers „Mew", lächelte gezwungen. Um feine Lippen wob sich ein leiser Spott, über die letzten Worte feines älteren Kameraden machte er sich feine eigenen Gedanken. Eine bittere Antwort lag ihm auf der Zunge. „Das würden Sie nicht sagen, hätten Sie bedacht, daß meine Mutter eine Irländerin ist." Er unterdrückte sie. Für politische Auseinandersetzungen war es in den Tropen entschieden zu heiß. Obgleich die Tür offenstand und die Fenster nach Oberdeck geöffnet waren, herrschte in dem Raum eine erdrückende Schwüle. „An den Farbigen hat England genug gesündigt", entgegnete er gelassen. „Aber vergessen Sie nicht, daß es auch in der Antifklavereibewegung allen Kulturnationen vorausgeeilt ist", beharrte Brown. „Schon richtig!" gab Williams zurück. „Aber die Beweggründe waren nicht immer ganz edler Art." „über Beweggründe läßt sich streiten. Doch werden Sie zugeben, daß Männer wie Wilberforce und Pitt, Fox und Grey in ihren Bestrebungen einzig von der hohen Absicht geleitet waren, den versklavten Negern ihre Menschenrechte wieder zu erkämpfen." „Alle Achtung vor diesen Männern. Aber sie bilden nicht die Nation. Nachdem durch den Eifer Buxtons zu Anfang der Dreißigerjahre die Freilassung aller Sklaven in den englischen Kolonien erfolgt war, trat der berechnende Geschäftsmann in den Vordergrund." „Ich verstehe nicht, was Sie damit sagen wollen." „Sehr einfach. Sklaven arbeiten billiget als freie Neger. Man sah bald, daß die englischen Kolonien den Wettbewerb nicht aushalten konnten mit jenen Staaten, in denen die Sklaverei bestehen blieb. Das war der Grund, warum man die den Schwarzen günstige Stimmung im christlichen Europa und in Amerika ausnutzte und die Regierung zu strengem Vorgehen gegen den Sklavenhandel antrieb." „Ob Geschäft oder nicht", sagte Brown mit wegwerfender Handbewegung, „an den Tatsachen ändert das nichts." „Aber ehrlich ist es nicht, wenn man sich als Beschützer der Unterdrückten ausgibt, wo man nur feinen Vorteil im Auge hat." (Fortsetzung folgt.) Eigentümer. Herausgeber und Verleger: Kongregation der Missionäre Söhne des heiligsten verzens Ieiu. USemaUimti. Missionshaus „Maria Fatima", Post Unterpremftätten b. Graz, Stmt. Verantwortlicher Redakteur für Österreich: P. Alois Will-ling, F. 8. C., Generalassistent, Missionshaus „Maria Fatima", Post Unterpremftätten bei Graz; für Deutschland: P. Heinricb Wohnhaas.F. 8. C., Misstonsseminar St. Josef, Ellwangen-Jagft, Württemberg. — Universitäts-Buchdruckerei „Stnria , Graz.