Matter MS Nrnn. Deilage M Laibacher Ieitung. «H^. H3. Erster Jahrgang. Htz. December R8H^. Trübe Tage. 'l^niilcriid ob vcvg.ing'ncn Vlüthcntramncn Stcht in Ncbll ciügcsn'illt dic Flur. Von dcu lahlcn, l'lättcrloslii V^uülni Gcllt dcr hcis'l'l' Schrei dcr Krähe nu!,'. Ach. in dicscü ücl'l'lfallcn Tligni Wärnlt das Hlvz tciü mildcr Soiiii^iischcin! Icdcr strcift cuipor dcir'Mantclfr^cil'il lind schaut siüstcr mid vcrdricßüch d'rl'i», > ^. '< Wer Ahnensaal. Gl'^ähl'.mg ll^'ü Drävllr-Manfrld. lFons. und Kchluß.) ,, «Vcr Freiherr hielt Wort; am nächsten Morgen reiste er ab, kehrte nach einigen Tagen zurück, verließ aber dic Vurg nach wenigen Stuuden wieder, :nn init Bruno Kiusbcrg des Handels einig zu werden, Hugo gab indessen vor, anf Jagden hinaus zu ziehen, dieweil er die Gegenden rings umspäbte, um Nosa's Aufenthalt, eine Spur ihrer Flucht zu entdecken. Es war etwas Gewöhnliches, daß er Tage uud Nächte nicht heimkehrte; die Hoffnung, dic ihn belebte, gab seinen Blicken den Schein der Heiterkeit, und dcr Freiherr zweifelte keinen Augenblick, daß Hugo's Herz verwandelt worden sei. „Als die ersten vier Wochen vorüber waren und dem jnngcn Ritter das Schicksal der Geliebten noch immer fremd war, bat cr von Neuem, ihm noch uicr Wochen zu gönnen, indem er sich zwar viel gefaßter und dic Vrust uicl mehr erleichtert, aber doch noch nicht stark genug fühle, dic Leidenschaft seines Heizens so ganz der Gräfin zu verbergen. In vier Wochen aber werde cr gewiß die Liebe zn N mehr verbergen; des Frcihcrrn ernster, strenger Ton ließ ^ ihn durchaus krinc Verlängerung dcr Frist erwarten, und nicht undeutlich konnte er in seinen Mienen Mißtrauen ! bemerken, ! „AIs uun die letzte Woche herangekommen ^)ar, suchte i dcr hoffnungslose Hugo mit wilder Verzweiflung dic Sorge ! zu vertreiben, dic so gewaltsam an dem Marke seines ! Lebens nagte. Er suchte uicht mehr dic Spur dcr Heiß-j geliebten; — dcn fiüchtigeu Gcmsbock, dcu wildcu Eber ! nur jagte cr mit dem Muthe der Verzweiflung, dcr den ! Tod aufsncht, über steile Felsen und Schwinde, und öfter fand er uur mit Mühe dcu Ausweg aus dein wilden, durch ! das mit Nachbar Vrnno gcpfiogcne Einucrständniß so schr , erweiterten Reviere des Gancs. „Am letzten dcr entscheidenden Tage, als cr wieder zur schrecklichen Jagd hinaus eilte, sprengte er hastiger ^ als je — wie der wilde Jäger — durch dic Wälder über ! Stock und Stein. Sein so gutes, folgsames Roß konnte seinen Uebcrmuth nicht mehr ertragen. So sehr es flog, ' so schnell nnd sicher es sich auch seinem Willen fügte, es mußte doch kräftiger, immer tiefer feine Sporen fühlen; da bäumte es sich, sprang mit furchtbarem Mutbc über ciuen Abgruud hinweg, rannte mit aller Kraft dnrch das tiefste Dickicht immer tiefer in dcn Wald hinein, und schleuderte eudlich, zum Rascu gebracht, dcn betäubten Reiter hinweg. Der blieb in dem M'igcl hängen, sein Blut floß in Strömen über fein bleiches Angesicht herab und bald hatte er das Bewußtsein ganz verloren. „Als das Leben allmälig wiederkehrte, dic Pulse sich zu regen begannen nnd er die Augen aufschlug, da sah cr — wer faßt das Gefühl seiner Seele! <— dcn alten Ulrich nnd die schöne Rosa mit gefalteten Händen betend an seinem Lager. Sic hatten um scinc Genesung znm Allmächtigen gcftcbt, nnd nun sankcn sic mit dcm Ausrufe dcr Frcnde, des Entzückens au seine Vrust. „Ulrich, oem anfgedrnngcncn, furchtbaren Schwüre getreu; hatte die tiefste Wildniß aufgesucht, scineu Aufcnt-< halt zu verbergeu. Eine dürftige Hütte diente ihm zur Wohnung; und dort hatte cr das tobcndc Pferd aufgefangen, die Wunden Hugo's ausgewaschen, heilende Kräuter und Valsam benutzt uud ihn uach sechs langen, qualvollen Stunden dem Leben wiedergegeben. O welche Seligkeit, als Hugo seine Netter erkannte! Wie cin Engel stand Rosa mit Frcndenthränen an seiner Seite; cr fnhltc sich so stark, so gesund in seinem Glücke. Mit jeder Minute schien dic vorige Lebenskraft wiederzukehren, uud aller Kummer ocr Vergangenheit, alle Schmerzen waren vergessen. „„Ich habe meinen Schwur nicht gebrochen"", rief mit feierlichem Tone dcr altc Ulrich — ,,,,dcr Himmel selbst führte dich zurück an Nosa's Vrust!"" „Und mm wurde dic Flucht beschlossen; am dritten ^ Morgen wollten die drei Glücklichen ihren Weg in das stille Asyl ihres ruhigen Glückes antreten. — Ach! wie so schnell wurde ihr schöner Traum vernichtet! — '„Als Hugo am Al'cild vor der bestimmten Flucht mit der Geliebten in traulicher Umarmung uor der Hütte saß, der glückliche Vater mit stillem Entzücken ans die , schöne Nosa, die neu iu dem milden Strablc der Liebe wieder aufblühte, hinsah — da rauschte es durch dcu Wald, und wie von der Hölle Macht daher gezaubert, stand der alte Freiherr, von zwei Reisigen begleitet, vor ihnen. > „„Indeß ich deinen Tod beklage, toller Vubc!""— rief er ^ wüthend aus, „„schwelgst du hier in den Umarmungen deiner Vuhlerin!"" und mit raschem Zug flog das lange Schwert aus der Scheide, uud Rosa's süßes, reines Lcbcu floß mit dem Strome ihres Herzblutes dahin. „Da vermochte Hugo sich nicht länger zu fassen, ^iuu-los ergriff er sciucu scharfen Dolch und zückte ihn mit aller Kraft der Jugend und Verzweiflung auf die Brust ^ des VaterS. „„Halt' ein, mein Sohn!"" rief der alte Ulrich mit zitternder Summe, und fiel ihm in die Arme. „„halt' ein. es ist dein Vater!"" und mit diesen Worten entseelt zu ! seinen Füßen hin. „Die Jäger traten vor, zum Schutze des Frcihcrrn bereitet, der aber donnerte, gefühllos für das furchtbare Unheil, das vor ihm ausgeschüttet lag: „„Verflucht seiest du, der du, deines hohen Stammes spottend, dich einer , gemeinen Dirne in Liebe hingabst! Verflucht ein Jeder , unseres Geschlechts, der, wie du, des alten Stammes imeinqedenk. wcgeu einer niedrigen Magd des Hauses Ruhm uud Mauz vergißt! In Wahnsinn sollen seine Tage hinschleichen. Eis und Gift statt des Blutes durch seine Adern stießen, der Tod mit hundert Augen grinsend aus seinen Blicken schauen und der schlechte Ast verdorren, und wäre er der allerletzte an dem kräftigen Stamme!«" „Bei diesen Worten faßte er Hugo am Arme. der ihm schweigcud folgte. Sprachlos, mit starrcu Vlickcu sehte sich der Unglückliche auf ein Roß und ritt mit stummer Verzweiflung an der Seite des Vaters, der glcichgil-tig mit den Jägern redete. „Kaum augelangt in dem Schlosse, warf eine schwere Krankheit den armen Hugo nieder, uud cutschwaud zwar nach wcnigcu Wochen, aber der helle Geist des Verstandes war entflohen. Keine Svlbc floß mebr über seine bleichen ^ Lippen. Mit freudig lächelnden Blicken sah er oft vor sich hin, breitete sehnsuchtsvoll die Arme aus. als ob er . eine süße. theuere Gestalt begrüßen wollte; —dann schien ein Graucu ihn zu fasscu; er blickte mit furchtbarem Entsetzen auf den Dolch, den er in seinem Gürtel trug. zog ihn rasch und zückte ihn gegen die Luft; — doch bald ! ließ er den Arm wieder kraftlos sinken, weinte heftig, ergriff die Harfe, wehmüthige und immer wehmüthigere Töne ihr entlockend, bis er ermattet und erschöpft in Schlummer sank. — Nach einem langen Jahre fand man ihn im ewigen Todesschlummer — die milde Trösterin in z seinen Armen." — > Schon während des Erzählens der schrecklichen Er^ ! schciuuug des rauben Vaters warcu Iduua's Waugeu ! immer blässer geworren; 0m Ende der Erzäl'luug brach ! cin Strom von Thränen aus ihren schönen Augen. Sie zitterte heftig, die Knie wankten, die Füße trugen sie kaum. z Sigmar führte sic an ibr Zimmer. Mit schwacher Stimme ! bat sie ihn. es dem Vater zu verschweigen, daß sic eben die Geschichte des bleichen Ritters erzählt habe, und ihn mit der Versicherung zu beruhigen, daß uur cin leichter Kopfschmerz sic bewogen, früher zur Ruhe zu gehen. Schweigend hatte Sigmar die Erzählung des unglücklichen Hugo augchört, uud schon dcr Namc Hugo, derselbe-, dcn cr in dem Myrtcnstamme eingcgrabcn fand, hatte alle seine Siuue umnebelt. „Woher", fragte cr sich selber, „woher diese Bewegung, die sic so mächtig crsaßtc? War» um ergriff die Bcgebcubeit. die sich vor Jahrhunderten zugetragen, die sic wohl schon oft gehört uud selbst erzählt l'attc, noch so heftig ibr Gemüth?" Er sehnte sich nach Ruhe; an Leib uud Seele war cr ermattet. Es schien ihm, als ob dcr bleiche Ritter lebte, mit ihm rinhcrwai'.dlc und mit geheimen Fäden Iduna's. ja selbst des alten Grafen Schicksal umsponnen hatte. Dieses Gefühl machte ihm bange; er floh aus dem Schlosse in's Freie, und wie eine vcrfolgcudc Gestalt stand Hugo's Geschichte vor seiner Seele. Als Sigmar zurückgekehrt war, fand cr dcn Grafen verstimmt; die Nachricht von Idnna's Ucbclbcfinden betrübte il)n. un» cr schien dic Ursache zu ahnen. „War sic lange im Ahnensaalc'." fragte cr düster. Sigmar konnte es nicht verneinen. Unter ziemlich einsilbigen Gesprächen verging dic Abendzeit, uud frühe trennten sic sich, um zur Ruhe zu gehen. Allein dic gchoffte Nnhe wollte nicht in Sigmar's Seele zurückkebren; bange, bald Wchmuth erweckende, bald schreckcnvollc Gestalten wandelten durch seine Vrnst. Bald sab cr dcn bleichen Ritter vor sich mit dem Ausdrucke dcs höchsteu Schmerzes, deu verstörten, Leid erzählenden Zügen; bald die liebliche Nosa, wie sic blutend dort lag unter deu schwesterlichen Blumen, in dem todtcnblasseu Antlitz noch die glühcuoc. unendliche Liebe. Dann trat ibm Iduna wieder cntgcgcn, dic cbcn so glühend, eben so innig an Hugo zr. hängen schien. Dic milden, zarten Gestalten Rosa's — Iduna's — sic zerschmolzen iu Eins vor seinen Blicken; immer dnnklcr und immer heller doch wurde es in scincr Scclc: Nosa, Rosa selbst sucht iu Iduna's Gestalt dcn längst Vcrlorcncn anf Erden; sic sucht idn mit stiller, rastloser Sehnsucht, will ihu hiuübcr führcn iu das süße Land. wo sie schon die schönste Flur sich auserkoren für ihrcr Licbe seligen Anfcnthalt; — sic sucht idu und lauscht den Tönen scincr Harfe, die sic immer näher und näher klingen hört. bis-------- Kalte Schauer rieselten durch das Mark sciucr Gebeine; Harfeukläugc töutcn in fchwebendcn. sehnsüchtigen Akkorden ans dem Abncnsaalc herüber. Mit gedehntem Schlage hallte dic Glocke Eins durch dcn ödcu Hofraum; — dic Nacht war hcll. dcr Mon) beleuchtete dic Gegend und dic Todtcnstille ringsumher wurdc uur durch jenc Klänge unterbrochen. In dcn lciscn, milden Tönen zitterte bald klagende Wchmutb. bald klangen einzelne Akkorde wie des, Sturmes Brausen durch dic schöne, stille Nacht; nun bebten sic ganz nabc an seinen Ohren, nun schienen sic aus weiter Ferne herüber zu schweben. Er konnte nicht wcilcn; hastig sprang cr empor und auf dcn Gang hinaus. Deutlicher kamcu dic Klänge vom Ahncnsaale her. Mit bangen, bebenden Schritten erreichte cr ihn; die Tbür stand halb geöffnet, cr trat cin. Himmcl, welch cin Anblick! — Eine schöne Mädchengcstalt in schneeweißem Gewände kniete vor dem Bilde, dic töncndc Harfe lag iu ihren Armen, das Haupt war emporgehoben zu dem bleichen Ritter, dcr im Mondcnglanze hcll crlcuchtct stand und zu lächcln. zu sprechen schien. Wolken umzogen > dcn Mond; es wurde dunkler; noch konnte Sigmar crkcn-! nen, wie sich das Mädchen aufrichtete, die Arme sehn- snchtsvoll dcm Nittcr entgegen breitete und dann das thräncnnassc Angesicht schluchzend verhüllte. Nnn brach eine dichte Finsterniß herein — die Gestalt war vcrschwnn-dcn, sein Auge sah nichts mehr, kein Laut, als seines Athems Wehen, drang an sein Ohr — still wie im Grabe. vor und hinter ihm. Sigmar blieb einige Augenblicke wie erstarrt an der Stelle, dann wandte er sich und schlich wie in einer Sin-ucsbctäubung in scin Gemach. Er wollte Alles für einen Traum erklären; doch zu nahe noch fühlte er die kalte Hand der Wirklichkeit an seinem Herzen, als daß er diesen Gedanken festhalten konnte. — Als der Morgen so hell nnd freundlich in feine Fenster hineinblickte, da wurde es ruhiger in seiner Brnst; cr vermochte bedächtiger die Begebenheiten der Nacht zu überlegen. Die Erscheinung konnte nnr Idnna gewesen scin — oder Nosa! Das Letztere zn denken, sträubte scin Haar empor uud machte die Pulse stocken — das Erstere zu glauben, war nickt minder furchtbar und übcrstig fast cbcn so sel)r die Grenzen der Wahrscheinlichkeit. Wie sollte Idnna, dieses verständige, geistvolle Mädchen, das so klar in ihrer Umgebung dastand, mit schwärmerischer, thörichter Licbc und Sehnsucht an dem Biloc eines Jünglings hängen, der Jahrhunderte schon im Grabe moderte? Und wenn sic es wirklich war, wie sie als ein theueres Ideal uur jenen Jüngling ihrem Herzen verwandt fühlte, warum , diese unheimliche Stuudc der Mitternacht? Und doch — doch! diese Blässe und das glühende Noth, das bei jeder Erwähnnng des Bildes wechselnd ihre Wangen übergoß; die beiße, mit Thränen besiegelte Theilnahme bei der ! Erzählung jener Geschichte — selbst der Name, den er in dcs Baumes Nindc fand —. Iduna mußte es gewesen sein! So drängte cm Schreckensgedanke den andern; er fühlte, daß jede Hoffnung seiner Brust entfremdet sei, und ging mit möglichster Fassung zn dem alten Grafen. Idnna war schon dort. Sie war freundlich wie gewöhnlich; doch je mebr Sigmar sie in's Auge faßte, je mehr er ihr Benehmen beobachtete, desto deutlicher wurde ihm die Weh- > mnth, die sich unter dem Lächeln verbarg. „Sie liebt", bekauutc sich der arme Sigmar mit blutendem Herzen, „dcs bleichen Harfners rührende Ge- ^ stalt; die Leiden seines schönen, reinen Lebens — das Alles von zarter Jugend an oft und wieder gesehen nnd gehört, mochte den unglückseligen Eindrnek in ihrer gcsühl-vollcn Seele gemacht habcn; für mich bleibt nichts übrig, als sie zu fliehen, nnd in weiter Ferne die Ruhe zu suchen, die hier mir sonst für ewig uutergingc." — Briefe, die cr diesen Morgen erhielt, machten seine Rückkehr wüuscheuöwcrtl)' cr benutzte dicsc Gelcgcuhcit, seinen festen Entschluß zu vollbringen, nnd so schwer es dcm vollen Herzen auch ward — er nahm Abschied von dem Orte seiner Schmerzen, nnd doch seines einzigen Glückes. Väterlich umarmte ihn der gütige Greis; wie eine treue Schwester reichte ihn* Idnna thränenden Angcs die Hand, die cr cm seine Lippen, an sein Herz drückte, und mit den Worten: „möchte sie doch recht glücklich werden". verhüllte cr das Gesicht__und war getrennt von ihr — vielleicht auf ewig. — Als der Wagen so dahin rollte, des Schlosses hohc Zinnen immer mehr und mcbr hinter ihm versanken, da kam es ihm vor, als ob mit ihnen sein ganzes Glück, «illc die Hoffnungen eines jnngcn Lebens zn Grunde gegangen wären, uud als er in weiter Ferne zurückblickte And nur uoch die höchsten Sterne auf dem stolzen Paläste ^ zu ihm herüber blickten, da empfand er jenes düstere, drückende, unheimliche Gefühl, das sich bci seiner Hinreise in demselben Anblicke als trübe Abnung in dcm Herzen geregt hatte, nnn in den Schmerzen ausgesprochen, die an der Blüthe seines Lebens nagten. Als Sigmar ::ach einer traurigen Ncise wicocr heim« gekehrt war. hoffnnngslos anf der alten Stelle stand, die cr vor wcnigen Tagen, ninganlclt von dicscr süßcn Lebensgefährtin, verlassen hatte — da konnte cr sich der Thränen nicht erwehren. Doch sic linderten nicht seine Leiden. Mit jeder Stunde wnrdc ihn, sein Aufcnlhalt mehr znwider; die Stadt konnte ihm keine Freuden geben, nnd die Einsamkeit des Landlebens zu fliehen, ricth ihm die Vernunft. Er cnt» fchloß sich daher zur wcitcrn Reise. Er wollte die Schweiz und Italien durchziehen, damit vielleicht die helleren Strahlen des Südens die dunklen Wolken zerstreuten, die sich um das, soust so stille, heitere Gemüth gelagert batten. An einem heitern Morgen lrat Sigmar die Ncise an.— Nur mit Mübc konnte cr den tiefen Hummer seiues Herzens bannen — immer senkten sich die Blicke wieder trauernd nieder, die einen Augenblick mit süßem Entzücken auf den schönen Kreisen der Natnr verweilt hatten; es schien, als ob die schönen, herrlichen, blüthenreichcn Flnren, der klare Himmel, dic Früblingsoüfte, die ihn umwehten, die Stimmen der Vögel, die ihn umsänselten, seine stillen Schmerzen nnr uoch mehr crweckeu wollten. Iduna's Bild schwebte ewig vor seiner Seele, nnd immer mit der trauernden Gestalt, für ihn ein fremdes, unerreichbar fernes — Wesen. So waien zwei Monden vergangen; das schöne Bilderbuch der Schweiz hatte er fast nnr durchblättert — er hatte Italiens Grenze betreten. Dic schöne Sehnsucht seiner frü» hercn Zeit nach dcm Lande der Kunst lebte bci dcm Eintritt allda fühlbar in seiner Seele wieder auf, und als cr sich in Noms Mcnin'n befand, d»-: war es mit Eiuemmnle, als ob cin guter Genius die bange, schwere Last ein wenig lüftete, die se wieder fand, sah cr siel» in seiner Wohnnng. umgeben von Acrztcn, dic sorgsam auf sciucn Athemzug zn lauschen ! schienen. Er fühlte sich sehr schwach, nur unzusammenhängend vermochte cr zn ocnkcn. lind wie eines längst ! vergangenen Traumes gedachte cr jener Begebenheit im ! Schlosse dcs Grafcn. Er wollte mehrere Male davon >n > sprechen anfangcn, doch schnell suchte man il>n von diesen ! Gegenständen abzuleiten, erklärte sie als Bilder seiner kranken Phantasie, und bat ibn endlich sogar, nic an diese bösen Träume zurückzudenken. Sigmar fand viele theilnehmendc Wesen, die ihn zu ^ erheitern bemüht waren; es gelang ihnen, und wirklich fühlte cr von Tag zu Tag scinc Kräftc, ja scinc ganzc Scclc, die innncr wie im Schlummer gelegen war. wieder erwachen. Doch mit der wicdcrkcl'rcndcn Kraft kehrte auch die Erinnerung an alles Vergangene lebhaft zurück. Er fühlte wodl. daß er nicht bloß geträumt, daß es viclmchr der erste Grund seiner Krankheit gewesen; doch verscheuchte er mit ernstlichem Willen jedes Zurücksinncn, weil er deut« lich empfand, wie sehr die Nückerinncrung ihn erschüttere und wie nothwendig dcreu Vergessenheit zu seiner Genesung sei. Der geschickte Arzt, der so ganz von Allem, was in der Seele des Krankeu vorgegangen war, unterrichtet zu sein schien, fürchtete ciuzig noch die Gcmüthsbcwegnngcn. welche die Erinnerung an die furchtbarsten Ereignisse seines Lebens nothwendig in ihm hervorbringen konnten, und drang Sigmar ein feierliches Versprechen ab, höchst selten der Vergangenheit zu gedenken, und nicht früher als nach zwei Jahren dic Auflösung der Geschichte zu erforschen, die ihm durchaus bis dahin ein Räthsel bleibm müsse. Nur das ließ er ihn wissen, daß Iduna wirklich todt sei, damit nicht etwa mit eitlen Hoffnungen aufs Neue seine Seele erfüllt werde. Er battc Sigmar's Gemüth an der rechten Stelle erfaßt. Er blickte oft noch mit Wchmnth zurück anf das Gcliebtcstc dieser Erde, das nun im kühlen Grabe schlum> mcrtc; doch bedeckte er es dann beruhigter mit dem Lci-chensteine, den er zuvor mit seinen Thränen benetzt hatte. ^ Diese Thränen, dic er seiner schönsten Hoffnung nachweinte, sie bewegten nnr mild seine Seele, nnd riefen den ^ Trost für ein besseres Leben in ihr wach. Dcs bleichen ! Ritters Gestalt wollte sich ihm entgegenstellen, doch er verscheuchte sie, dachte nur an dic Verklärte und crleich- ' tertc seine Vrnst mit dcm Ausrufe: «Sie ist dort! sie ist glücklich!" — Der Winter war indessen herangerückt, dic Stadt belebte sich wieder, dic geselligen Vergnügungen verkürzten die langen Abende dieser Jahreszeit, und Sigmar uahm an dicscn Festen, als ein Mittel sich zu zerstreuen, gern Antheil. Er war selten allein, und vermochte auch so viel übcr sich, dic Einsamkeit nicht zu suchen. — In der Tliat wirkte dic Zerstreuung wohltätig auf scinc Gesnnd' hcit. und als der Frühling gekommen war, konnte er seinen, durch den Tod seines Amtmannes und durch seine ^ Krankheit etwas verwirrten Geschäften wieder mit voller ! Thätigkeit vorstehen nnd sic in Ordnung bringen. Er ^ verließ dic Stadt. Der Arzt. welcher sein innigster Frcuud , geworden war. stand ibm trcn znr Seite; sein Verstand, seine muntere Lannc wnrdcn dem ernsten Sigmar zn lieben Gefährten, und jcpt erst fühlte er es so ganz. wie klng Icncr auf sein Gemüth einzuwirken wußte. Dicsc! Thätigkeit, mit der er nun selbst dic Verwaltung seiner! Güter besorgte, und die ihm eigentlich dnrch scin ganzes ^ Leben fremd gcwcsen war. gab seinen Sinnen eine andere ^ Richtung; er'fand in ihr ein unendliches Vergnügen und eine unversiegbare Quelle von Zcrstrennngcn. Oft, recht oft dachte er noch an Iduna; doch war es nicht mehr jene leidenschaftliche Trauer, die sonst seinc Seele durch« bebte, soudcrn cs war das zarte, unaussprechliche Gefühl milder Sehnsucht, das uns erfaßt, wenn wir in stiller. lauer Mondnacht empor zum gestirnten Himmel schauen. ^- Der uncrklärbare Znsammcnhang mit dcr Geschichte ^ des bleichen Ritters weckte zwar in.anchen Wunsch dcr Neu- ! gicrde in seinem Herzen, doch sein gegebenes Wort drängte ^ ihn auch schnell wieder in seinen fest verschlossenen Auf- ! enthalt zurück. — So wechselten Frühling mit Sommer, ! , Herbst mit Winter; Sigmar begnügte sich. seinc freund-> licheu Nachbarn zu besuchen, ibrc willkommenen BcsnckeD < zu empfangen; scin ländlicher Aufenthalt war il'in lieb' geworden, er kehrte nicht in dic Stadt zurück. Zwei Jahre waren ihm bei dieser Lebensweise ziem« , Uch schnell entschwnndcn, als es eines Abends an Sigmar's Thüre pochte und ein Greis mit granem. gcbcngten Haupte eintrat. Vcinc Züge schicueu ihm wohlbekannt, er faßte ihn tiefer in'sAuge. und siehe da, jcncr trcnc. alte Diener des Grafen Bergen war cs. dcr ihm vor fünf Jahren j zuerst im Schlosse bcgcgnctc. ^ Es ^ist ein wunderbar ergreifendes Gefühl, das sich ^ in der Seele dcs Menschen als Schmerz oder Wonne regt, einen treuen Zeugen jener Stnndcn zn erblicken, wo , wir nns freuten oder betrübten! Es ist das lebende Dcnk° ! mal dcr Vergangenheit nno rnst sie mächtiger znrück, als ! der Baum, dcr einst seligen Augenblicken seinen Scbatten schlitzend bot. odcr ein Vilo. das theuere Züge wiedergibt. — ^o fühlte auch Sigmar sich mächtig dnrch den Anblick dlc,cs Grciscs ergriffen. Er hatte Iduna als Kind auf ,einen Armen gewiegt, an ihrcn kindischen Spielen Tl'eil genommen, als Iuugfrau sie bcschüm nnd'verehrt; Sigmar ,ank mit einem Ausdrucke dcr innigsten Rührung an leine Brust. „Treuer Frcnnd eines Hanscs. in dem meine, ersten schönen Hoffnuugcn für das Leben aufkeimten!" rief er aus, „so lebst du noch! Vielleicht der Einzige von Allen", —„dcr Einzige!" fiel der Greis mit zitternder Stimme in die Ncdc, „bis zum letzten Augenblicke Zeuge dcr Trauer, so wic ich auch einst ein Zeuge so mancher schönen Freude war. — Sie waren es, dcr gewiß den innigsten Antheil an dieser Familie nahm nnd cs bald mit dein Leben gebüßt hätten! — Dic traurigen Begeben» heitm, dic sich wie Glieder cincr Kcttc aneinander reihten, werden Ihnen znm Thcil fremd, znm Theil uncrklärbar sein. Fühlen sic sich stark genug, alle dic Leiden anzuhören, dic mit unermüdlicher Vcharrlichkcit dic Unglücklichen verfolgten — nnn. so will ich den schwachen Trost mit in mein Grab nehmen, daß noch ein Mensch lebt, der seine Thränen der Theilnahme mit den meinigen vereinigt." — »Ich bin gefaßt", erwiederte Sigmar, alle seinc Kraft znsammcnnch-mcnd. und niit bebendem, öfter von Thränen unterbrochenem Vortrag begann dcr Greis: „Graf Bergen hatte Iduua als eiue fünfjährige arme Waise aufgenommen, mit väterlicher Zärtlichkeit aufgezogen und nicht minder gepflegt, als den einzigen Sohn Hugo, einen hoffnungsvollen, blühenden Knaben. Man hatte es bald vergessen, daß Iduna eine Fremde sei. und der Graf Bergen freute sich dcr Innigkeit, mit welcher die beiden Kinder aneinander hingen. So wuchsen sic anf; Hugo frisch und stark, wie eine junge Eiche, wic cine Rosc, zart und schön, das Fräulein. ' „Dic kindischen Spiele uud Zärtlichkeiten ibrcr ersten Jugend übergingen bald in dic wärmeren Gefühle dcr Liede, und so verging, wie in schönen Träumen, dic crstc Zeit ihres Jünglingsalters. Der alte Graf, gewohnt, scit ihrer Kino« heit an sie froh und herzlich beisammen zn fchen. verfiel nie anf dcn Gedankcn, daß jcne Empfindnngcn anderer Art. als dic dcr Geschwisterliebe sein könnten. So saßen Hugo und Iduna oft stundenlang im schönen Parke. Ein Rasensikuntcr einem dichtbelaubten Myrtcnbaume war ihr Licblingsplätz-chcu geworden. Dort freuten sic sich ibrcr schönen Tage. wanden Kränze ans dcn Myrtcnrcisern, schmückten dcn Baum mit Blumen und gruben ihre Namen in scinc Zweige. Eines Tagcs blätterte dcr Graf in scincm Wucnbnchc und rief da« durch cinc Geschichte der Vorzeit in scin Gedächtniß zurück. die er wohl oft in scincm Lcbcn gehört und erzählt hatte, die i ibm jedoch seit längerer Zeit nicht erinnerlich geworden war. Es war dic Geschichte cincs seiner Ahnen, der anf seinen Sohn, welcher in Liebe für ein armes, unadeligcs Mädchen i entbrannt war. cincn gräßlichen Finch lastete, als er seiner Liebe, der Vcmühuug des ranhcn Vaters, sic zn vernichten, ! ungeachtet, nicht entsagen wolüc. ! „Wie cin Blitzstrahl, ^ihr ihm der Gedanke dnrch dic , Seele, zn sorgen, daß Hngo's Ncignng für das Fräulein ^ sich nicht znr Liebe gestalten könnte, nnd nnn erst wnrdc er ! aufmcrksanl auf ihre Schritte. Er überzeugte sich ball), daß ^ seine Bcfürchtnngcn gegründet gewesen. Dic Sorge, daß ^ jener schreckliche Fluch in Erfüllung gehen könnte, erfaßte uun sein ganzes Gemüth, nnd zwar nm so mehr, als auch jener Unglückliche Hngo hieß, und dic Züge des jungen Grafen dic sprechendste Achnlichkcit mit jenen hatten, welche vor Jahrhunderten der Wahnsinn entstellte, wie cin im Saale hängendes Vild. das von jeher nnr der bleiche Harfner benannt ward, bewies. Der Graf verdoppelte seine Anfmerk« samkcit, und dic beiden Liebenden, nicht gewohnt sich zu verstellen, gestanden bald offen ihre Gefühle. Der Graf erblaßte. Vatcrlicbc und quälcude Vorurthcile kämpften in seiner Seele - letztere blieben Sieger. „Er erzählte ihnen dic Geschichte dcs bleichen Harfners, dic bisher von Mnnd zn Mund durch dic Glieder der Familie gekommen war. Er bat, er beschwor seinen Sohn, eine Liebe aufzugeben, die die Tage seines Lebens vergiften müßlc; ersuchte ihm zn beweisen, daß nicht Mangel an Zärt> ^, lichkcit. kein bloßes Vorunhcil ihm znr Pflicht mache, sich dieser ^ Leidenschaft zn widcrsctzcu, sondern daß cbcu seinc Liebe zn Hngo und Iduna es sei, die ihn den schrecklichen Gedanken nicht tragen ließe. Beide ihrem Verderben zueilen zn sehen. „Der alte Graf hielt es für nöthig, seinen Sohn anf Reisen zu schicken, in der Hoffnung, dnrch den Nciz uencr Gegenstände, durch den Zauber der Zerstreuung cinc Liebe zu todten, dic er als dic unglücklichste erkannte. Hngo mnßtc also hinaus iu dic weite Welt. Die Fröhlichkeit, die ^ sonst in dcm Hansc herrschte, war entschwunden, nnd düsterer Ernst trat an ihre Stelle. Der altc Graf fürchtete, die ' Erinnerungen der Liebe in dem Herzen des'' Fräuleins zu . wecken, dic er durch dic Zeit gänzlich zn verscheuchen hoffte, und vermied ängstlich jedcs Wort, welches jene Erinncruu- l qen herbeiziebcn könnte. Er sprach nie mehr ein Wort von Hngo. Er verbot es dem Fräulein, den Namen anszusprc« chcn, so lange sie nnr cinc Spur jener höhern Ncignng in ibrcm Hcrzcn fände, nnd der Graf und das Fränlcin er- ^ blaßten, ^venn der Zufall cin Gespräch, das sich auf Hugo bezog, herbeiführte, uud wäre es auch nur die Geschichte des ! blcichcu Ritters im Ahucusaale. Der jnngc Graf schrieb oft scincm Vater; doch alle Briefe sprachen nur von fcincr inni- ' gen, dnrch Zeit nnd Entfernung nicht ucrtilgbarcn Liebe für > das Fräulein. Dcr altc Graf hatte es bisher mit Stillschweigen übcrgangcn und dcs Fräuleins nur im Vorübergehen erwähnt' als aber Hngo immer dringender und heißer von ^ seiner Liebe sprach, nnd dcr Graf seinen Zweck vereitelt sah. da hielt er es für nothwendig, seinem Sohne eine kalte Strenge entgegen zn setzen. Er bcfab! ihm daher, in seinen Vricfcu des Fränleins nie wieder zn erwähnen, ihr Bild mit ' Gewalt aus seinem Herzen zn verbannen - er fügte hinzu, :vic cs uicht Harte sei, sondern die gegründete Furcht, das Unglück, das jener nnheilschwangerc Fluch schleichend ourch Jahrhunderte herbeiführte, erfüllt zu sehcu. Graf Hugo beschwor ihn, dieß strenge Gebot, das ihm dcn letzten Trost ^ seiner Licbc ranbc, zu vernichten, cr könnc nnd wcrdc cs nicht unterlassen, dcr Geliebten in seinen Vriefcn zu gedenken. ^ «Dcr Vater fühlte sich tief erschüttert dnrch dic treue Liebe seines Sohnes; doch vergebens bemühte sich seine, Zärtlichkeit für beide Liebende, jenes traurige Vorurthcil aus scincr Vrnst zn drängen; cr weinte, rang vcrzwcif-luugsvoll die Hände, fiehttc zn Gott nm Abwendung des Unheils, aber ucrbarrtc dann nnr noch fester bei scincr ticf gcwnrzcltcn Einbildung. Um diese Zeit war cs, als dcr Graf Sic, mein Herr, in sein Schloß cinlnd uud Sic in Kurzem auch daselbst crschicuen. Er glaubte ciuc Neigung für das Fräulein bei Ihnen bemerkt zn haben, und sowohl dic persönliche Achtung, dic cr gcgcn Sic hegte, als auch dic Hoffnung, daß es Ihncn gelingen dürfte, Hngo's Bild ans Idnna's Herzen zu verscheuchen, erweckten wirklich einige Heiterkeit in scincr gramcrfüllten Vrnst. Es muß bemerkt werden, daß des Fräuleins stiller, rnhigcr Charakter nnd dic Gcwalt, die sic dcm cigcncn Hcrzcn anthat, dcn Augen ihrcs Wohlthäters cine Licbc zu verbergen, dic so lief und fest mit glühenden Farben in ihrem Bnsen gezeichnet war, und dic cr verlöscht zn haben wünschte, scinc Hoffnungen bestärkten. Ihr plötzlicher Abschied ans seinem Hause, dessen Grund cr wohl adnte, verscheuchte dicscu Glauben bald wieder uud machte ihn znglcich fester lind härter in seinem Entschlüsse. Er sann auf andcrc Mittcl nnd fand endlich cin grausames, das seinem wcichcn, wahrhaft gnten Herzen wohl schweren Kummer aufbürdete, wohl manche herbe Thräne seinem Angc erpreßte, aber als das letzte Mittcl zu scincm Zwecke ihm dennoch annehmbar schien, daß das Fräulein selbst an Hugo schriebe: wie sic sich zwar der Innigkeit erfreue, dic cr für sie in den Vriefcn an seinen Vater — wclchc dic Unglückliche doch nic gesehen — aus-sprcchc. doch daß sic sich zugleich verpflichtet fühle, ihm Aufrichtigkeit entgegen zu scncn, und zu gestehen, daß sie seine Licbc nicht mit gleichem Fcncr crwicocrn könnc; daß sic sich überzeugt habe. wic das Gefühl, wclchcs ihrc Brüll bcwcgtc, nnr jcne natürliche Anhänglichkeit sci. dic in ihrer gemein» schaftliehcn Orzichuug und in dcr Anerkennung seines Wclthcs bcrnhe; sic ihn daher bitte, dcm Wunsche seines Vaters nachzugeben und scinc Empfindungen, dic sic doch nic crwicdcrn könnte, zn ändern." „Und Idnna." ml Sigmar hastig in dic Rede, „Idnna vermochte cs, jcnc snrclnbarcn Zeilen zu schreiben?" „Sic that cs." fnbr dcr Altc fort, „sic that es mit thränenden Augen, mit zitternder Hand. Dcr strenge Begriff von Dankbarkeit, dic sic ihrcm Pftcgcvater schuldig zu scin glaubtc. licßcu das Schwerste, fast Unmögliche vollbringen. Sie sah mit einem Fcdcrzuge dic schönste Hoffnung ihres Lebens vernichtet, und glanbtc so dic schwere Scbnld ihrer Dankbarkeit zn bezahlen. Dcr Brief wurde abgesandt; cs vergingen Tage, Wochen — keine Antwort erschien. Wir erfuhren endlich, daß Hugo seinen bisherigen Aufenthalts» ort verlasscu habr, doch Nicmaud wußtc, wohin. Nach zwei Monatcn ungefähr kam cin Brief dcs knrzcu Inhalts: „Mein Vatcr! Ich wußtc, was Sic fürchteten, was Sie hofften. Idnna ist mir heilig, abcr abgeschieden in einem Himmel, den ich nie erreichen werde. Seien Sic uubckümmcrt nm mein Schicksal, ich lcbc. denn ich atdmc noch. Ich will kcinc Antwort: — mcin Aufenthaltsort soll Ihncn fremd blcibcn. Frei von jcdcr Leidenschaft schcn wir nns cinst wicdcr. Der bleiche Ritter." „Mit Beruhigung für einen Augenblick, mit Besorg-nisscn für dcn nächstcn erfüllten dcn Grafen diese Zeilen. Nnr ich crfnhr ihrcn Inhalt. Dcr Graf hattc beschlossen, diese Zeit abzuwarteu; doch als sich Wochen an Wochen reihten und kcinc Knndc erschicn. da vermochte cr dic immer wache Sorge seines Herzens nicht länger zn unterdrücken. Er schrieb allen Bekannten nach allcn Theilen Europa's; keiner wußte eine Spnr des jungen Grafen zu bezeichnen, j Endlich kain eine dunkle Nachricht, daß nian Hugo. in seine ! altcrthümliche Ritterklcidnng gehüllt, in den südlichen Ge« gcndcn Italien's erkannt zn haben glaube, doch mit bleicher, ^ entstellter Miene und — das Licht seines Geistes mit der Nacht des Wahnsinns vertauscht. Diese Nachricht ergriff ^ heftig des Grafen Gemüth! — Er sah dcn gräßlichen Finch ' erfüllt, dcn einzigen Sohn unglücklich gemacht — durch > seine Strenge in Wahnsinn versunken! Und doch — wie ! groß ist die Macht der Vorurtheile — cr erkannte nicht, daß seine Härte natürlicherweise diese Folgen herbeigeführt haben könnte- cr war vielmehr übcrzcngt. daß es nnr der Flnch seines Ahnherrn sei, der in Erfüllung gehen mußte, ^ da Hugo seine Liebe zu dem unadeligen Mädchen nicht z aufgeben wollte. Rastlos quälte ihn der Gedanke, daß cr ^ diese Liebe nicht unterdrückte, als sie noch im Keimen war' ^ daß cr selbst ihr Nahrung gab und unbcdachtsam sich eincr ^ Neigung freute, die ihm als Gcschwistcr.Zärtlichkcit so schön erschien; daß cr somit das Unglück des einzigen, vielgeliebten ^ Sohnes selbst herbeigeführt habe. „Dieser schwere Kummer bleichte sichtbar seine Haare' todtcnblaß war scin Antlitz, rotbgcwcint jeden Morgen das Auge nach der schlaflosen, schmerzlichen Nacht! — Anch ! Iduna schien eine wandelnde Leiche, — doch nein! eine I Heilige, die ihr reines, leidcrfüUtes Leben Gott geweiht ! und dcn frommen Blick nach jenseits gehoben, ihrer Auf- ! lösuug mit Trost und Hoffnung entgegensieht. Ich sah ibre ^ Angcn selten thränenfeucht, -- sie tröstete mit Engelsliebc dcn tiefgebeugten Vater und sprach ibm Mntb zn in seinen , Leiden. Nnr des Nachts hörte ich zuweilen die Klänge ihrer z Harfe aus dem Mncnsaalc wübcr klingen, und'da fiel wohl manche Tbränc in dcn «erhallenden Ton «Der Graf beschloß eudlich. seinen Sohn anzusuchen ^ und Alles aufzubieten, seine verwirrten Ideen wieder in ! Ordnung zn bringen. Begleitet von seinem.-Kammerdiener ^ und dem Hausärzte trat der Graf die Ncisc an; doch kanm ^ hatte er Italien's Grenze erreicht, so überfiel seinen, durch i mehrjährige Leiden sehr entkräfteten Körper eine Schwäche. ! die ihn nicht weiter leisen ließ. Die Kraftlosigkeit vermehrte , sich mit jcdcr Stunde, schwächer mit jedem Tage ging der ^ Puls, nud nach dem Zeiträume von ciner Woche hattc cr zu schlagen aufgehört. — Als der letzte Augenblick heran« ^ rückte, schicu ein wichtiger Gedanke in des Grafen Seele > zn erwachen. „Fort — führt ilm zn Iduna," begann er > schwer athmend — wollte weiter sprechen — doch der Atbcm ! war seiner Brust mit dicseu Worten anf immcr entflohen. „Der Kammerdiener Georg, ein trcner. redlicher Mann. befolgte gcwincnhaft des Herrn letzten Vefehl. Er ging an ' die Quelle jener uuglückscligcn Nachricht uud erfuhr dort, -daß sich Hugo nun iu Neapel aufhalten soll. Er eiltc dahin ! und war so glücklich, deu jungen Grafen bald zu entdecken. ! Man kannte ihn unter dem Namen des wahnsinnigen Deutschen, und sprach mit Theilnahme von dem Unglücklichen, des,en stiller Wahnsinn Niemanden beleidigte, und der. wo cr hinkam, das innigste Mitleid erweckte. „Man beschrieb den gewöhnlichen Aufenthaltsort dcs lungcn Grafen. In dem düsteren Schatten eines dunklen Waldes fand ilm Georg mit schwarzen, alten ritterlichen Kleidern angethan, eine weiße Schärpe um die Schultern ! geschlungen, das Haupt mit einem schwarzen Barett, über ! welches »ich eine breite, wciüc Feder schwang, bedeckt. Er "rannte dcn alten Diener seines Vaters. „Willst du mich ""ch Hause führen", rief cr freudig aus; doch bald wurden M:ic Zuge wicocr ernst, und cr fuhr fort: «Nein, nicht nach dem bangcu. finstern Schlosse, wo der Sohn den Dolch gegen die Brust des Vaters zückt — und die arme Rosa blu« tcnd zu sciuen Füßen liegt! — Sieh. Alter, warum hast du mich nic die Harfe gelehrt? — jetzt könnte ich auch spielen — spielen — wohl auch Thränen hätte ich. wenn du mich die Harfe gelehrt hättest! — Doch hörst du — Iduna schlägt sie — hörst du. wie die Töne herüber schallen?— Ach! wie schön wcrdc ich ciuschlummcrn, wenn dcr Tod mir zum Lcßten-malc diese Klänge herüberbringt!" „Der alte Georg glaubte zu vcrgcbcn vor Schmerz über den traurigen Znstand, in dcm cr seinen geliebten jnngen Herrn fand. Sie gingen in ihre Wohnung. Graf Hugo ward freundlich nud liebreich gegen den Diener. Er hatte delle Angenblickc, wo cr eifrig und sehnsuchtsvoll uach Iduna forschte. Georg sagte: rr solle mit ihm nach Deutschland ziehen und sie wiedersehen; „das darf nicht sein", erwiederte dcr Graf. wieder znrückgcsnnkcn in seinen Wahnsinn — »das darf nicht scin! -—Siehst Du, ich könnte wahnwitzig werden, wenn ich sie wiedersähe; — denn glaube mir. licbcu müßte ich sie dann — und lieben — lieben — doch das verstehst dn nicht!" „Nach mehreren Wochen gelang es doch oen Vemühun. gcn Georgs und des Arztes, dcn unglücklichen Grafen zur Heimkehr zu bewegen. Der Gedanke, Iduna's Harfentöne so ganz nabe wieder zn hören, tbat das Meiste zu diesem Entschlüsse. „Ich will sie gewiß nicht lieben", versicherte cr oft ängstlich seinen beiden Gcfährten — „nur die süßen, milden Klänge will ich hb'rcn. daß sie sanfter mir das Herz bewegen, als dcr Stnrm.cher darin und im Kopfe saust." Vertraulich daun sich nähernd, flüsterte cr ihnen zu: „Scht, ich incintc oft die Töne aus der Ferne zu hörcn; doch ich mochte mich getäuscht haben, cs waren wohl nnr die Lüftc, die. durch dcn Wald hersäuselnd, mit meiner wcißcn Feder spielten." — Endlich langten sie uach ciner traurigen Neisc in dcm gräflichen Schlosse an. Idnna war vorbereitet auf Allcs. was sie sehen sollte. Die beiden Begleiter fürchteten das erste Wiedersehen für Hngo's Gemüth; doch sie irrten. Ruhig, doch freundlich lä'cbelnd blickte er das Fräulein an. „Du bist bleicher, als du m Italien warst" — begann cr, sie wehmüthig betrachtend; — „du zogst überall mit mir — in Thälern und auf Acrgcu. in dcr Fclsenschlucht und im mächtigen'W^lde standest du mir zur Scite — abcr blühend — roscnroth!"— O! mein Herr. lassen Sie mich nicht die Tage, die Wochen beschreiben, wo jedc Stunde Kummer, jcdcr Augenblick neue Sorgen brachte! — Hugo's Gemüth blieb, aller angewandten Mittel obugeachtet. vcr> finstert. und der Gedanke, dcr das Licht seines Verstandes verlöscht hatte: „Iduna lcbt nicht für dich!" — blieb festgewurzelt in seinem Gebirne. Er nabte sich dcr Geliebten nur mit Ehrfurcht und Scheu, blickte sie oft stundenlang schweigend an und schien am glücklichsten zu scin, wenn sie Akkorde anf der Harfe griff. Ein Strom von Thränen stürzte da:m über scinc Wangen, und mit dem Ausrufe: „Schön — o schön! Heilige Jungfrau, nimm mich auf!" — sank er zu ihren Füßen. „Daß Iduna durch vicle Leiden, die um so heftiger ihr» Brust durchbrannten, als sie ganz stille und verborgen vor Jedermann darin loderten, ohnehin scholl ermattet, diesen hoffnungslosen Zustand nicht lange ertragen konnte, war wobl zu vermuthen. Kaum dreiviertel Jahre lang sah sie Hugo's Leiden — und als cines Abends die Sonne hinter den Hügeln niedersank, senkte das Fräulein ihre Augcu^ und ihr Leben war mit der scheidenden Sonne untergegangen!" Nach ciucr langen Pause fuhr cr fort: „ Graf Huge blieb unerschüttert bei dem Anblicke dcr Leiche. Sie schläft, sagte