^ tS« Mittwoch den 12. Hlovember 1879. XVIII. Jahrgailg^ D?e „Marburger Zeitung" erscheint jeden Sonntag, Mittwoch und Freitag. Preise — für Marburg ganzjährig 6 fl., halbjährig 3 fl., vierteljährig 1 fl. 50 kr.; für Zustellung ins Haus monatlich 10 kr. — mit Postversendung: ganzjährig 8 fl., halbjährig 4 kl., vierteljährig 2 fl. JnsertionSgebiihr 8 kr. per Zeile. GlcichMgt Abrüstung drr Großmüchte? Marburg, 11. November. Zu Neapel hat a»n 26. Oktober eine feierliche jsundgebung gegen den bewaffneten Frle» den Europa's staltgefunden in Verbindung mit dem Vorschlage an die Negierungkn, behufs Ermäßigung der Heereslasten eine gleichznlige und verhältnibmäßige Abrllstung vorzunehmen. Dieser Vorschlag ist sehr gut gemeint, aber praktisch werthlos. Wenn eine solche Forderung an die Regierung herantritt, so wird jede für sich „im Prik^up" geneigt sein, zu enlsprechen; allein jede wird zugleich im Hinblicke aus die anderen in der Nsistung sorsfshren und wie sich die Eine dreht Uttd windet, so wird auch die Andere diesem Beispiele folgen — um so leichter und lieber, wenn von ihrem Parlamente kein Druck ausgeübt, kein zwingeicher Beschlub ge^ fabt wird. Soll der bewaffnete Frieden ein Eitde nehmen, so muß ein Milttärstaat sich entschlieben, ohne Rttckficht auf die anderen den Anfang zu machen. Ein Militärstaat tnuß nur aus Rücksicht aus seine Lage vorgehen, um sich selbst zu retten. Eine That von solcher Bedentuilg. wie die Weltgeschichte tvohl kaum eine zweite kennt, mltßle die Geister entfesseln und wäre die Fahne aufgerollt mit dem Zeichen des Sieges und der Erlösung fiir Alle. Das stehende Heer wurde auch nicht gleichzeitig und verhültnchmävig in allen Staaten elngesühtt, aber nachdem Frankreich eintnal begannen, nach dem Friedensschluße nicht alle Söldner zu entlassen, wähnten auch die Nach^ barstaaten, während des Friedens noch Truppen holten zu müssen. Der Eine ljberi?ot den Anderen und heute starU das christliche und gesittete Europa in Waffen; eS verzehren vie stehenden Heere das beNe, das letzte Mark der Völker unv sind Massenverarmung, politische S e u i i c e t o tt. Eine Varijtr Vrschichtk. Von Feodor Wehl. itzortseßung.) Briese und Zeilungükorrespondenzen aus dieser letzteren Staot meldeten bald darnach, daß man täglich eine schöne und elgeante Darne in der Freistunde der Slrästinge nach dem Lager kommen unv dort viel mit einem in Eisen gtschlossenen jungen Maiine verkehren sehe, der wegen eines Raubmordes zu lebens» länglicher Galcerenstrase verurtheilt sei. Man schUverte aus das Rührendste die zarte Sorgfalt und Liebe, oie sie dem Verbrecher beweise, und uuteilieb dabei nie zu bedauern, das; ein Heroismus so seltener Art keinem wlirdigeren Gegenstände aewidmet sei. Da die Pariser Journale, durch solche und ähnliche Lritfe angeregt, sich veranlaßt sahen, dle Sache ihrem Veihältnisse nach zu schildern, so kam es btild, daß die ganze Welt über den Hergang in Kcnnlniß gesetzt und davon unterrichtet war, daß der Slräflmg Niemand anders, als der ehemalige Gras Lnckner, und die Dame die schöne und geistreiche Baronin Lagrange sei. Zersetzung und Verwesung das schreckliche, allgemeine Loos. Von allen Versassungsstaatell hat keiner so viele, so dringende Ursachen, das stehende Heer aufzuheben, wie Oesterreich. In keinem Verfassungsstaate ist die Bevölkerung so überzeugt, daß sie unter der HeereSdlirde erliegen mutz, wie in Oesterreich und kein Volk hat eine so günstige Gelegenheit, durch seine Vertretung gegen den bewafsneten Frieden zu entscheiden, wie das österreichische jetzt anläßlich der Verhandlung über das Wehrgesetz. Wenn unser Adgeordnetenhaus will, so gibt es für uns kein stet)endes Heer und wenn Oesterreich will, so muß Ungarn ihm Gefolgschaft leisten. Und wenn beide dieses befreiende Werk vollbringen, dann ist der Bann gebrot^en, der so schwer, wie kein Anderer, auf Europa liegt. Franz Wiesthaler. Zur Zeschichte des Taijes. Die Regierung scheint sich zu der lleb-r-zeugung bekehrt zu heben, daß die Bewilligung des Wehrst an des auf zehn Jahre doch eine Mehrheit von zwei Dritteln ersordert; denn die Halbamtlichen mühen sich, diese Mehr-heit zu gewinnen. Da die Anhängerschaft des Ministerruma im Abgeordnetenh^mse eine solche Mehrheit nicht bilvet. so wird versucht, in den Reihen der VerfassungSpartei Stimmen zu werden. Starker Schneefall und Frost haben den Vau der Baraken nächst Plevlje eingestellt. Ein Theil der Besatzung — und zwar ein ganzes BUa.llon — wird bei Boljanitz in Zelten ul,ter>iebracht. Die Mannschaft, die während des Tages nut Straßenbau s^ch beschastigt, liegt bei der Nacht auf nassem Grund. Auch dlese leiden stir des Vateilandes Ruhm und Größe — nlch: wahr, Ihr Genossen der L'ktu-patlons- und Annexionsparter?! Der russischeThronfolger hat eine Reise nach Berlin und Wien angetreten, nachdem er feierlich seine deutschfeindliche Haltung abgeschworen. An der Spree und an der Donau wird der Bußfahrer offene Arme ftnden. Der Albanesische Bund hat sich zu einer Kundgebung entschlossen, die seine Stimmung gegen Montenegro ul»d Oesterreich-llngarn außer Zweifel stellt. Fünfzehn Abgesandte dieses Bundes verlangen in Konstantinopel, die Pforte soll Maßregeln treffen, um einem Zusammenstoße mit Montenegro und Oesterreich-Ungarn vorzubeugen; sei letzterer unvermeidlich, dann stehen zweimalhunderttausend Albanier bereit, sich lieber zu schlagen, als unterzugehen. Abdul Hamid ist genölhigt, um schnöden Geldes willen, s:ine g.lie'vten Panzerschiffs zu verklopfen. Viertausend Mann verstärken die Besatzung am Goldenen Horn wegen der getreuen Untertlianen und vier Parteien sind es, welche dort um die Herrschaft raufen. Allah ist groß und Mahomed sein Prophet. Vermischte Rachrichteu. (Schule. Wundererklärung.) In einer Anadenfchtile zu London wurde zwischen dem Religionslehrer und einem Knaben folgendes Gespräch geführt: Pfarrer: „Was ist ein Wunder ?" — Knabe: „Weiß es nicht." — Pfarrer: „Wenn eininal die Sonne mitte»; in der Nacht scheinen würde, was würdest Du sagen, daß dies sel?'^ — Knabe: „Der Ä!ond." — Pfarrer: „Aber, wenn Dir gesagt wrirde, daß es die Sonne sei, n>ie rvtirdest Du das nennen?" — Knabe: „Eine Lüge." — Pfarrer: „Ich aber sage nieinals eine Lüge. Sttze nun voraus, daß ich Dir sagen würde, dav es die Sonne sei, was würdest Du dai.n dei'ken?" — Kiiade ^nach einigem Zögern): „Daß Euer Chrwürden nicht ganz nüchtern seien!" (Neu-Oester reich. Zollwesen) AuS Sarajevo wlrv der „Vornadl-Zertung" geschrie« Eiiie Menge Poeten griffen den Stoff aus und machten Novellen unv Gedichte daraus. Auch George Sanv fall davon zu einem ihrem bester, Romane veranlaßt worden sein. Alles dies und Anderes hinderte aber nicht, daß man schlichlich de« seltsamen Paares vergaß und seine Aus-merkfalnkeit andein Geschichten unv Tagesereignissen zuwies. Im Jahre lÄ'^7 wenigstens gad es ohne Zweifel gewiß nur noch sehr wenige, die sich jener Mitlheilungen und der Persorren, von denen sie handelten, erinnerten. Deniroch war es gerade um jene Zeit, als dieselben plötzlich wiedcr in Vordergrund zu treten de« gannen. Dcr Fürst von Venevent nämlich, der noch während des (^raf Lucfner'schen Prozesses seinen Vater an cii^ein Schlagflusse plötzlich uird unerwartet vetloren, war. nachdein er seine reiche Erbschaft in Italien angetreten Ui,d einige Jahre im Orient aus Reisen gewesen, nach Paris zu-rlickgekehlt, wo er in der Nue du Bas ein grotzes Hotel bezogen und ein ansehiilicheS Haus zu macheii begoni.en hatte. Natt^rlich, wie sich von selbst versteht, rvaren die jriiheren Genossen aus dem Luckncr'fchen Kreise wieder an ihn herangetreten, doch auffallender Weise nicht so zuvorkommend und in der früheren Vertr-ulich-keit aufgenommcir wotden. Man fand inr Ge-gentheil sogar, daß er diesen ehemaligen Katne- raden lustiger Tage geflissentlich nnd wenigstens, so viel es ohne Anstoß zu erregen möglich war, aus detn Wege ging. Die große Well und vie Leute der Gtsellichast konnten, da der Fürst vorsichtig verfuhr nnd die im Geheinr Gemie-veiten bei seinen Ballen und großen Diners noch regelinäßig einzuladen pflegte, den Widerwillen gegen diese ehtdem so geflissentlich aufgesuchten Freunde weniger bemerken, als es tiei diesen s'^lbst der Fall ivar, die nch nus seiner Intimität gedrängt sehenv, gar wohl zu ihrem Aerger tnne wurven. daß sie an Ansehen und Gunst aus das Merklrckne dei ihm verloren. Ain ^^teisten erdoßt darüber war ein gewisser Evinond de Lavalle. ein Wüstling höchsten Graves, ader sonst ein Meiisch von Gnst und weichetn Herzen. Dieser hatle, um hinter die llrsüche der Abneigung zu kominen, welche der Fürst von V.'nlvei't gegen ihn und seine gutkn Fr.unde z'i Tage legte, sich mit gutern Geschick 2n den alten Kammerdiener zu machen gewußt, welchen jener gleich nach der Erbschaft seine» Vaters zugleich tn seine Dienste genommen. Dreser Kammerdiener, ein ächter Italiener, war ein äußerst listiger tind verschlagener Mensch, der den größten Einfluß auf seinen Herrn ausübte. Da er, wie die meisten Italiener, aber zugleich auch Eitelkeit und einen fast lächerlichen Ehrgeiz besaß, so liebte er es mit dieser Herr- ben: „Einer der Wiener Wirthe, die uns das Leben hier etwas erträglicher machen sollen, hat die undankbare Idee gehabt, eine Menge österreichischer Cigarren zu schmuggeln — aus österreichische Cigarren ist nämlich in „Neu-Oesterreich" ein hoher Zoll gesetzt — und die Eigarrensendung wurde aufgefangen. Der Wirth ist dafür zu einer Gesällsstrase von mehr als 30.000 fl. verurtheilt worden. Ob er die zahlen wird, wissen die Gölter. Aber bezeichnend ist die Geschichte fllr die Konfusion, welche bei uns durch die neue „Erwerbung" geschaffen worden ist." (Der Erfinder der Stahlfeder.) Das „Echo der Gegenwart" liefert den Nachweis, daß die Ehre, die Stahlfedern erfunden zu haben, Aachen gebührt. In der vom Aachener Bürgermeisterei-Schreiber Johann Janssen 1748 velfahten .Historischen Chronik", welche sich als Manuskript in der Staatsbibliothek zu Aachen btftndet, heißt es nämlich: „Eben umb den Kongrebversamlung habe ich auch alhier ohn Mich zu rühmen Neuere federen ersunden. Es konte veyleicht fein daß Mir der liebe Godt diese erfindung Nicht ungefähr hätte laßen im sinn kommen Mitt diese Meine stahlene federen zu Machen, deweil alle undt Jede alhier ver-tamlele HH. Gesandten davon die Eiste und Mehreste gekaufft haben, hoffentlich den zu kunffligen frieden zu damit zu beschreiben und dauerhaft wirdt sein wie diese Meine stahlme federen, das der liebe godt will geben, dan der verderblichen Krieg hat lang genug gewährt, weilen aber der j,itzo alles wohl zum fried aus« sieht hat man auch Hoffnung, daß er lang dauern soll, eben wie der harter stahl, damitt er beschrieben wirdt. Vergleiche federen hatt Niemandt nie gesehen Noch von gehohrt, wie diese meine Erfindung ist, allein man muß sie rein und sauber Von rost »lnv Dinten halten, fo bleiben sie viel jähr zum Schreiben guth, ja wan auch Einer 20 reis papir damitt würde beschreiben Mitt eine feder, so wahr die leste linie beschrieben wie die Erste, sonder waß an die feder zu Verandern, sogar sie seindt in allen Ecken der Weldt hingeschickt woiden als eine rahre sach. als nach Spanien. Frankreich, En-gelandt, Hollandt, gans teutschlandt. Es werden deren von anderen gewiß nach gemacht werden, allein ich bin doch derjenigen, der sie am Ersten erfunden und gemacht hat, auch in Eine große Menge verkauft außer und binnen landts das Elück Nor 9 Märk aix oder Ein schilling specie und waß ich nur Hab kunnen Machen ist Mir abgehohlt worden." (Eisenbahn-Dienst. Verwendung der Frauen.) Das Handelsministerium hat den Eisenbahn-Nerwaltungen milgetheilt, daß Frauen von Bahnwächtern lilos zur Bedienung der Schranken, und zwar bis zu einer Entfernung schasten über seinen Herrn zu prunken und von dem vornehmen Umgange desselben sich eine gewisse Aufmerksamkeit widmen zu lasscn. Aus diesem Grunde kam es denn nun auch, daß die angelegentliche Mühe, die s^ch Eomond vpn Lavalle gab, ihn für sich geneigt und gestimmt zu machen, wirklich «inen hohen Grad von Zuneigung sür diesen in ihm entstehen machte. Er ließ sich i)ern die Plaudereien dieses Kavaliers gefallen und war erfreut, wenn er ihm irgendwie dienen und sich in Folge dessen gelegentlich etwas gegen ihn, wie öS in der Volkssprache heißt, herausnehmen konnte. Nachdem dieses Vcrhältniß Jahr und Tag gedauert, kanl Edmond von Lavalle einmal am Morgen im Hotel des Fürsten vor, um sich nach dessen Vlfiuden zu erkundigen. Da er den Herrn des Hauses nicht vorfand, den Kammerdiener aber in sehr gesprächiger Laune traf, so ließ er sich mit diesem in eine launige Plauderei ein, in deren Verlauf er ihm auch von einem Scherze erzählte, den er sich mit einigen Freunden machen wollte, und zu dem er mehrerer anonymer und mit fremder Hand geschriebener Billete bedurfte. Der zu allen Intriguen und Hinterstecke-reien stets bereite Italiener stellte sich ihm hier sogleich zu Dienst und warf, um seine Fähigkeit dafür zu beweisen, verschiedene Schriftstücke mit von höchstens 200 Metern vom Wächterhause, sodann des Nachts nur auf minder frequentirten Strecken verwendet werden dürfen. (Aus Verficherun gskreisen.) Bei den Verwaltungen unserer Versicherungs-Gesellschaften hat die Nede, welche der Reichsraths-Abgeordnete Dr. Roser gelegentlich der ersten Lesung seines Antrages auf gesetzliche Regelung des Versicherungswesens hielt, eine noch immer andauernde Erregung hervorgerufen. Die leitenden Kreise sind eben nicht gesonnen, die in jener Nede vorgebrachten Beschuldigungen ohne weiters über sich ergehen zu lassen und wird beabsichtigt, einen gerneinsamen Schritt beim Abgeordnetenhaute zu unternehmen. Es soll in unzweideutigster Weise dagegen Protest erhoben werden, daß in offener Parlaments-Sitzung gegen die Neellität der Institute und gegen die Solidität der denselben angehörenden Personen Urtheile gesällt werden, rvelche das öffentliche Vertrauen auf dieselben zu untergraben geeignet. Auch in Fachkreisen sehnt man die gesetzliche Regelung des Versicherungswesens, die Kodifiziruug des Affekuranzrechtes seit vielen Jahren herbei, aber um diesen Wunsch zu unterstützen, ist es nicht nothwendig, den moralischen Bankerott der ganzen Branche zu behaupten. In den nächsten T^gen soll nun eine Besprechung von Vertretern der Versicherungsanstalten behufs Anbahnung eines gemeinsamen Vorgehens stattfinden. (Verband der Land wirthe des Abgeordnetenhauses. Zweck.) Dieser Verband stellt sich die Aufgabe, alle auf die Land-wirthschast oder die landwirthschaftliche Industrie unmittelbar bezugnehmenden Vorlagen des Abgeordnetenhauses in. regelmäßigen, sowie auch erforderlichenfalls in außerordentlichen Versammlungen seiner Mitglieder einer fachmännischen Berathung und Beurtheilung zn unterziehen. Eine weitere Aufgabe seiner Thätigkeit findet derselbe in der Erstattung von Initiativ »Vorschlägen, welche innerhalb der vorbezeichneten Kompetenzgrenze gelegen sind und dem einen oder andern der irn Abgeordnetenhause bestehenden politischen Klubs zum BeHufe eventueller Antragstellung im Hause mitgetheilt werden können." ZIlarburger Berichte. Sitzung des Gemeinderathes vom 1v. Nov. Der Bllrgermeister Herr Dr. M. Reiser eröffnet die Sitzung rnit dem Antrage, die Wahl von neun Mitgliedern der Bezirksver-tretung vorzunehrnen und werden folgende Herren gewählt: Dr. Ferdinand Duchatsch, Michael Marko, Johann (Sirstmayr sen., Dr. Matthäus Reiser, Dr. Joses Schmiderer, Anton verstellter Hand aus ein gerade dalist^endes Stück Papier. Edmond von Lavalle ihrn dankend und versprechend, die Sache mit ihm weiter verhandeln zu wollen, steckte mechanisch die ihm gegebene Schriftprobe in die Tasche und empfahl sich. Am Abend desselben Tages, beim Auskleiden, zog Lavalle dieselbe hervor und begann sie, im Bette liegend, rein nur, um noch einen Zeitvertreib zu haben, zu mustern. Bei dieser Musterung blieben seine Blicke, zuerst ihm selbst unbewußt, auf einigen der geschriebenen Worte hängen. Nach und nach, sie ausmerksanrer betrachtend. kam es ihm vor, als ob er sie schon auf irgend einem wichtigen Aktenstücke gesehen, doch konnte er sich durchaus nicht erinnern, auf welchern etwa. Nachdem er lange so vergeblich hin- und hergesonnen, löschte er endlich sein Licht, warf sich aus die Seite und sagte, sich selbst belächelnd: „Ach was! Wahrscheinlich sind es die Einladungen des Fürsten, auf denen ich diese Schrift gesehen l" Mit diesem Machlspruche wollte er seinem Grübeln und Nachdenken ein Ende und die Einleitung zuln Schlase machen. Und wirklich war er auch nahe daran zu eritschlummern, als er plötzlich wie von einer Tarantel gestochen in die Höhe fuhr, irr Eile wieder Licht anzündete und die Schriftzttge auf's Neue in Augenschein Fetz, Jakob Petternel, Dr. Heinrich Lorber und David Hartmann. — Der Herr Bürgermeister verliest nachstehende Interpellation: „Laut Protokoll vom 20. Februar wurde mit dem Konsortiurn Badl eine Vereinbarung getroffen, nach welcher sie sich verpflichteten, bis 15. Mai l. I. auf ihrem Grund und Boden in dem fast ausschließlich eigenen Interesse derart Wassergräben zu ziehen, daß bei anhaltendem Regen nicht allein für ihre Häuser-komplexe, sondern auch sür die städtischen Straßen und Parkanlagen jeder Wassergesahr Ein-hatt gethan wird. Nachdem nun trotz der am 20. Mai stattgefundenen Wasserschäden, bei denen fast sämmt-liche Häuser der Herren Badl im Souterrain unter Wasser gesetzt und die Anlagen zum Theil beschädigt, nur ganz unentsprechend die Verpflichtungen erfüllt wurden, so stellt der Endesgefertigte an den Herrn Bürgermeisler die Frage: ob ihm diese gefahrdrohenden Uebelstände nicht bekannt sind und wenn ja, ob er in dieser Angelegenheit gar nichts zu thun gedenke. Marburg, 10. November 187S. Kokoschinegg." Der Herr Bürgermeister erklärt, diese Interpellation heute schon theilweise beantworten zu können. Nach einer Anzeige von Seiten des Stadtverschönerungs-Vereins habe er dem Konsortium Badl neuerdings Auftrag gegeben, die Verpflichtungen zu' ersüllen. Eingehender werde er in der nächsten Sitzung antworten. Abhilse sei dringend nothwendig. — Herr Dr. Josef Schmiderer berichtet, daß die Kommission für die EcgänzungSwahl des Gemeinderathes gewählt werden müsse und werden von der Sektion die Herren: Franz Bindlechner. Franz Holzer, Karl Flucher und Dr. Schmiderer vorgeschlagen. Herr Franz Holzer bringt zur Kenntniß, daß er als Geschworner nach Cllli gehe und während der Wahl wahrscheinlich abwesend sein werde. Dem Vorschlage der Sektion wird beigestimmt und Herr Friedrich Leyrer zum Stellvertreter des Herrn Holzer gewählt. — Der Herr Pfarrer von St. Magdalena ersucht um eine Unterstützung zur Tilgung der noch auöhastenden Pfarrhofbau-Schulven. Der Abgang beläust sich auf mehr als viertausend Gulden. Da die Ueb>:rschreitung nur vom Bau» sührer und ohne Bewilligung des Konkurrenz-ausschusses verursacht worden, ferner die Gemeinde nicht in der Lage und auch nicht berechtigt sei, zu entsprechen, so beantragt die Sektion durch Herrn Dr. Josef Schmiderer die Abweisung. zu nehmen begann. Kaum hatte er sie einen Augenblick angestarrt, als er aus dem Bette aufspringend, laut ausrief: „Diese Schrift habe ich auf jenem Passe gesehen, den man bei Emil Luckner gefunden!" Durch diese Entdeckung, er wußte eigentlich selbst nicht warum, ganz außer sich gebracht und des Schlases beraudr, setzte er sich, da es zu spät war, noch irgend etwas in der Sache zu unternehmen, in eine Causeuse, sich ein Glas „Brandy and Watter" bereitend und eine Zigarre anzündend. Früh am Morgen, nachdem er ein wenig in seiner aufrechtsitzenden Äi-llung geschlafen, begab er sich zu einern Freunde, der damals mit in dem Luckner'fchen Prozesse als Zeuge ausgerufen gewesen war. Diesem zeigte er. ihrn seine Vermuthungen mittheilend, die Verdacht erweckende Schrift, und da auch er eine Aehu-lichkeit rnit der jenes Passes fand, so verfügten sich beide noch dem Bureau des Assissenhofe», rvo sie den Inspektor des AktenverschlusseS iir'a Vertrauen zogen und in Gemeinschast mit demselben die Register nachschlugerr, die vergilbten Beweisstücke hervorjuchten und ihre Vergleichun-gen anstellten. Das Resultat derselben war so bedeutsam und wichtig, daß der Inspektor es sür nöthig hielt, dem Präsidenten des Kriminalgerichts da- Dieser Antrag wird einhellig zum Beschluß erhobtn. — Dem Gesuche de» Grazer Gemeinderathes an da« Abgeordnetenhaus um Abänderung des Wehrgesetzes hat bekanntlich die hiesige Gemeindevertretung prineipiell schon beigestimmt. Nach dem Antrage der Sektion (Berichterstalter Hcrr Dr. Josef Schmiderer) wird nun auch der Entwurf dieser Petition genehmigt. — Die Resignation des Gemeinderathes Herrn Ludwig Aldensberg wird mit Bedauern zur Kenntniß genommen und soll demselben stlr seine achtjährigen Bemühungen als Mitglied der Gemeindevertretung der Dank ausgesprochen werden. (Berichteistatter Herr Dr. Josef Schmiderer.) — Die gewerbliche Fortbildungs,Schule in Marburg wird von zweihundert Lehrlingen besucht und befinden sich darunter sechzig arme. Dem Gesuche des Auisichtsrathes um eine Unterstützung von 50 fl. zum Ankaufe noth' wendiger Lehrmittel sür dürftige Schüler wird nach dem Antrage des Berichterstatter» Herrn Friedrich Leyrer entsprochen. — Herr Max Baron Rast berichtet über das Offert des Baumeisters Herrn Andreas Tscher-nitschek, betreffend die Erbauung eines Leichkn-zimmers und einer Wohnung für den Todten-gräber im neuen Friedhose zu Pobersch. Der Bewerber ist zu einem Nachlaß von 5V» Perz. bereit und leistet durch sein Guthaben von 364 fl. 30 tr. Sicherheit. Nachdem die Herren: David Hartmann, Lobenwein, Mox Baron Nast, Franz Vindlechner und Dr. M. Neiser das Wort ergriffen, wird dem Antrage der Sektion gemäß diese» Offert angenommen unter der BeÜingung, daß der Bau sofort beginne und längstens bis 1. Mai 1880 vollendet sei. Der Stadtrath wird mit der Änsführung diese» Beschlusses betraut. — Die Gemeinde-Sparkasse war genöthigt, itn Exekutionswege neun Realitäten zu erstehen und ersucht nun um die Zustimmung zur Veräußerung. Die Sektion empfiehlt durch Herrn Julius Psrimer, diese Zustimmung zu ertheilen unter der Bedingung, daß diese Realitäten ohne Verlust sür die Sparkaffe veräußert werden. Herr Dr. Duchatsch beantragt, als Bedingung nur festzusetzen: „mit möglichster Wahrung der Sparkasse-Interessen." Herr Max Baron Nast bekämpft diese Zusatzanträge und könne die Zustimmung an keine Bedingung geknüpft werden; er verlange getrennte Abstimmung. Der Hauptantrag der Sektion wird mit detn Zusätze des Herrn Dr. Duchatfch zum Beschluß erhoben. von Anzeige und zugleich die Beantragung einer Revision des Luckner'schen Prozesse» zu macheu. Utn nicht unnöthigcs Auisehen zu erregen, wurde die Wlederausnohme desselben ganz in der Stille und wie es hich, nur wegen einer nachträglich nöthig gewordenen Negulirung der Thatsachen unternommen. Die Entlastungszeugen siir Gras Luckner mußten sich im Geheimen neuen Verhören unterziehen und hierbei fiel nun gleich, da der Verdacht einmal erregt war, ein ganz andere» und mehr gravirende» Licht als ehedem auf da» Benehmen des Fürsten von Benevent. Zuerst fand man da, daß seine Abwesenheit doch wohl nicht so kurz gewesen, als mail im Trubel des Nachtmahl» vermuthet hatte, dann aber entdeckte man bei genauer Untersuchung jener Netirade. in die sich der Fürst zurückgezogen, daß von dieser, durch Uebersteigung zweier Mauern, leicht ein Ausgang nach der Slrabe zu gewonnen werden konnte. In dieser Untersuchung so weit gekommen, war es nun doch nöthig, in diese Wahrnehmung und die Angelegenheit mit dem Passs wo möglich einigen Zusammenhang zu liringen. Um diese Zeit in Erfahrung bringend, daß der Fürst von Benevent wegen einer Jagd auf einige Tage sein Hotel verlassen, hatte man nichts Eiligeres zu thun, als seinen Kamnierdiener (Heimatkunde. Ein Jagdslreit zwischen Hausenbach und Lembach vor 14S Jahren.) In den Papieren der „Herrschaft Hausenbach" finden wir nachstehenden Bettrag zur Jagd-Geschichte: „Den 31. Juli 1734 hat Herr von Churti letnpach sörster Petschar da» Rohr wegnehmen lassen. Des 3l. Dito ist der Petschgar in die aldn auf die Pürst gegangen, abendts aber Willens sein Nacht Lager bei den Hausenbach Unterthan mit Nams Anz zu nehmen, als Er Petschgar Forstner in der Thür schwellen sü-tzend den nacher Haus khomenbt Wurth Erwartete khomete der hausenbach schreiber. Jager, Und Forstner, Unt nameten Ihm sein Pürst Rohr hinweg; 3n solch hinweg nehmcns khomete d. alte Leponig Purkh Mahrbg. Unter-than, als auch d. alte Anz darzu, welche den schreiber als Jäger gesagt, daß Hausenbach kheine gerechtsambe Einiges Wildlpans aldorih veder alleine Herrschafft Lembach habe, auch Hausenbach niemals zeig khöne alldorth gejagt zu haben, aus welches der Schreiber geandt Worthet: Es werde schon sein Herr dieses aus Machen; d. Herrschofft Lempach Forstner alier auff dieses gleich schlaffen gegang, derer Man bey d. nacht durch d. würthen in Haus heimblich widrumb sein Rohr zugeschükht Und sag lassen Er sollte haimbl geh, welcher aber das Rohr nicht angenoinb, sonders andern Tags gleich zu Mier gekhom, Erzehleth, Und Ich den Herrn v. Chnrthi weg oeS Verübten Spoly gültlich Ersuchet l)abe, welcher Mier auch durch dem schreiber das Nohr widerumb restituirt, die Satisjaction alier doch bis aus Trag d. Sach reservirt habe". (Weindiebe) Beim GrundbesiAer Mi-chael Spolenak in St. Georgen an der Sudbahn haben unbekannte Strolche den Keller erbrochen und fünfzehn Eimer Weinmost gestohlen. (Neue Firma.) In das Handelsregister des Clllier KreiSgerichttS ist die Firina „Matitsch und Plicker, Handel mit Spezereiwaaren in Cilli" — eingetragen worden. Das FirinirungS-recht steht jedem Einzelnen zu. (Be zi rksv ertretun g.) Die Marrt?al>l unck modern LvrrevAssse, ^a^^er'sedes Haus, usbon (Zoläardsitsr Leliöllii. VIleobivk«r»l, , LdovivaSsIv, sovie s ctsut-vntlen Lovinvöll ot'tmals äsr srston Hau^t trsL'or zu erfreuen, die den betreffenden Jnterefsenien direkt ausbezahlt wurden. Voraussichtlich kann bei einem solchen auf der«« Uärvtvn V«»!» gegründeten Unternehmen überall auf eine sehr rege Betheilignng mit Bestimmtheit gerechnet iverd»'», und bitten wir daher, nm alle Auftrage auS führen zn können, uns die Bestellungen baldigst nnd jedenfalls vor dem AIvvrindvi- «l. zukommen zn lassen. k»uknls»» ^ 8imv»» Bank- llud Wtchselgtschüst in Hamburg, Lin» uuä Vlzriiauk aller .^rtsQ LtaatLoliliKatiouen, a l^isvlll^atin-^l^tisu UQ<1 /^vlettenvlvoss. l'.8. Wir danken hierdurch für das unS seither ge schenkte Vertrauen und indem wir bei Beginn der neuen Verloosnng zur Bethelligung einladen, wer den wir uuS auch fernerhin bestreben, durch stets prompte und reelle Bedienung die volle Zufriedenheit unserer geehrten Interessenten zu erlangen. IZ v. Verantwortliche Redaktion, Druck »vd Verlag von »duard Sanschitz iu Marburg. S«Sl«