^ ZUM Mutzen mü> Vergnügen. Freywg, den i3. September 1622. Ein Reiseabenteuer. Fortsetzung). «^ch war äußerst hypochondrisch. Es schien als wollten die Stunden nie voriiber kriechen. Selbst das Pickern der Wanduhr ward mir lastig; als endlich die Stille des Hauses durch ei» Klingeln unterbrochen ward. Kurz Nachher hörte ich die Stimme eines Kellners: „der fette Herr in Nro. i3 will sein Frühstück haben. Thee und Butterbrot mit Schinken und Eyern; die Eyer nicht zu hart." —In einer Lage, wie die meinige, wirb /eder Vorfall wichtig. Hier geigte sich mir ein Gegenstand zum Nachdenken und volle Beschäftigung für meine Einbildungskraft. Ich habe einen Hang in mir, mir Bilder vorzuwählen, und fand jetzt Materialien genug, womit ich zu Werke gehen konnte. Hatte msn von dem Gaste bli ß ^ls dem Herrn in Nro. i3 gesprochen, so wür« ,de er mil gleichgültig absieden seyn ; aber, „der fette Herr!" — Selbst der Nahme hatte etwas Mahlerisches >n sich. Er mahlre mir ein Bild; er verkörperte die Person meinem Seelenauge und meine Einbildungskraft that das Übrige. — Er war fett, und folglich, «ller Wahrscheinlichkeit nach älllich. Da er so spät und in seinem Zimmer frühstückte, so mußte er ein Mann s'yn, der es sich wohl seyn liesi und nicht nöthig hatt«, üüh auf^u^ehen; ohne Zweifel ein runder, blühender, md es blieb «ine kurze Zeit lang stille; ohne Zweifel machte er sei« nen Thee. Gleich aber kam ein heftiges Klingeln; und ehe noch jemond hinauf kommen tonnte, ein noch heft tizeres Klingeln. ,,Mein Gott! welch ein zorniger, alter Herr!" Der Kellner kam mit rothem Gesichte herunter. Die Butter war ranzig, die Eyer zu hart, der Schinken zu gesalzen; — der fette Herr war augenscheinlich delicat in seinem Essen; einer von denen, welche effen und murren, den Kellner beständig auf den Beinen halten, und mit dem Gesinde in beständigem Kriege leben. — Die Wirthinn gerieth in Hitze. Sie war ein munteres, vnbuhltes Weibchen, etwas zan« tisch, ein wenig leichtfertig und ziemlich hübsch; sie hatte einen Esel von einem Manne, so wie sie Zänkerinnen zi, haben pflegen. Sie zantte das Gesinde tüchtig durch, dasi es so ein schlechtes Frühstück hinaufgeschickt, sagte aber nicht ein Wort gegen den fetten Herrn; wbraus ich deutlich sah, daß er ein Mann von Gewicht seyn mußte, der sich laut machen und den Dienstbochen in einem Landgasthofe Mühe machen durft te. Andere Eyer, Schinken, Brot und Butter wur, den hinaufgeschickt. Dieß schien gefälliger aufgenommen worden zu seyn; wenigstens hörte ich keine wei, tere Klage. — Ich war noch nicht lange im Gastzim« mer auf- und abgegangen, als es aufs Neue klingelte. Gleich darauf gab es Bewegung im Hause — der fette Herr verlangte dieTimes - oder Chronicle - Zeitungen. Ich erklärt« ihn demnach für einen Whig; oder vielmehr, ba er sich so herrisch zeigte, wo er eine Gelegenheit hatte, so vermuthete ich, er wäre ein Radikal. Hunt, hatte man mir gesagt, sey ein ssarkerMann; „wer weiß," dachte ich, „vielleicht ist's Hunt selbst?" Meine Neugierde erwachte, und ich fragte den Kellner, wer der fette Herr sey, der all diesen Lärm machte, niemand aber schien seinen Nahmen zu wissen. Die Wirthe vielbesuchter Wirthshauser bekümmern sich selten um die Nahmen oder Geschäfte ihrer Gäste. Die Farbe eines Rockes, die Gestalt oder Größe einer Person, ist hinlänglich, um einen Reiscnahmen herzugeben. Da heißt's entweder der lange Herr, der kleine Herr, oder der Herr im schwarzen, oder der Herr im braunen Rocke; oder, wie im jetzigen Falle, der fette Herr. Eine auswies« Weise ein Mahl bestimmte Venennung, entspricht allen Bedürfnissen und macht alles weitere Fragen entbehrlich. — Regen — Regen — Regen! unbarmherziger, unaufhörlicher Regen ! Man kann kei« nen Fuß vor die Thüre setzen, und im Hanse weder Beschäftigung noch Unterhaltung, — Nach einiger Zeit hört« ich jemand über mir gehen. Es war in des fetten Herrn Zimmer. Offenbar war eS ein starker Mann nach der Schwere seines Schrittes; und ein alter Mann, da er solche krachende Sohlen trug. „Ohne Zweifel," dachte ich, „ist's irgend ein alter vierschrötiger Bursche, der jetzt nach dem Frühstück sich seine regelmäßige Bewegung macht." Jetzt las ich alle die Ankündigungen von Postwagen und Gasthöfen, drüber dem Kamin stacken, durch. Das Lady's Magazine war mir zum Eckel geworden; da ich also gar nichts zu thun wußte, so ging ich wieder in mein Zimmer hinauf. Ich war noch nicht lange darinnen, als ich in einem nahen Zimmer ein Gekreisch vernahm. Eine Thüre öffnete sich und ward hefug zugeschlagen; ein Stubenmädchen, dessen rothes, munteres Gesicht mir vorher aufgefallen war, schoß mit heftiger Eile die Treppe hinab. Der fene Herr hatt« sich Freyheiten gegen sie erlaubt. — Dieß sandte ein ganzes Heer meiner frühern Folgerungen mit einem Mahl zum Henker. Dieser unbekannte konnte kein alter Her, seyn; denn alte Herren pflegen dieStubenmädchen nich! so zudringlich zu behandeln. Er konnte auch nicht ein junger Herr seyn ; denn junge Herren pflegen nicht einen solchen Zorn zu erregen. Es muß ein Mann von mittlern Jahren und noch dazu entsetzlich häßlich sey», sonst würde das Madchen seine Freyheit nicht so hoch genommen haben. Ich muß gestehen, ich wußte mich nicht zurecht zu finden. — ^ In ein Paar Minuten hörte ich die Stimme nm-lier Wirthinn. Ich sah sie mit glühendem Gesicht, fliegender Mütze und beweglicher Zunge keifend die Treppe herauf eilen. „Sie wolle kein solches Ecandal in ihrel« Hause dulden, sie sey gut dafür! Wenn Herren viel Geld verzehrten, so hatten sie doch dazu kein Recht. Sl« wolle keine ihrer Mägde an der Arbeit so behandeln lassen, nein, gewiß nicht!" — Da ich Zankerey h"!^ besonders mit Weibern, und vor allem mit hübsch^ Weibern, so schlich ich wieder in mein Zimmer zw'»" und lehnte die Thüre an, aber meine N«ugierde w<>r zu sehr angeregt, daß ich mich hätte desHorchens e»^ halten können. Die Wirthinn zog kühn gegen bes F^' deS Citadelle, die sie im Sturm betrat; die Thüre sch^ß sich hinter ihr, und ein Paar Augenblicke lang vernäh ich ihre Stimme laut unb stürmisch. Dann wurde!' allmahlig leiser'; dann folgte ein Gelächter; dann h^" ich nichts mehr. Nach einer kurzen Zeit kam die Wirthinn Ml't ^ nem sonderbaren kacheln auf dem Gesichte aus der Sl be und setzte ihre Mütze zurecht, die sich etwas versH^ ben hatte. Als sie die Treppe hinunter kam, frag^ ' ihr Mann, was es gäbe: „O nichts," erwiederte ^/ „da< Mädchen ist eine Närrinn." — Ich wußte """ gar nicht, was ich aus diesem unbegreiflichen Ma" machen sollce, der ein gutmüthiges ^tiibemnädche»'^ zubringen und eine zänkische Wirthinn mit lachel"^ Gesichte zu entlassen vermochte. So konnte er doch t"" so alt, so mürrisch oder häßlich seyn. — Ich "^ . nun sein Gemählde aufs neu? anfangen und ihn g"'" verschieden mahlen. Ich erklärte ihn mm für eine" ^ fettin Herren, die man sich vor den Thüren der L^' Wirthshäuser herumtreiben sieht. Durstige, lustige ^ ^ der mit farbigen Halstüchern, zu deren Dicke oas' l ^ etwas mitgeholfen hat. Männer, die die Well gesehe ' die an's WirthKhausleben gewöhnt, alle die Schelm« ^ - streiche der Wirthe verstehen und mit ben Wegen s"" ' i>«r Bierschenker bekannt sind. Verschwender in einem kleinen Maßstabe; die sich mit weniger als einer Gui» Nee lustig machen können ; die Kellner aNe beym Nah' wen nennen, die Mögde necken, mit der Wirthinn am Schenktisch schwatzen und über einem Schoppen Wein °ber einem Glas Wein und Wasser nach dem Mittagen he» Redner machen. (Der Besl)luß folgt). Die drey Töchter Gretry's. Der berühmte Componist Gretry erzählt in seiner Selbstbiographie auch dieß: „Unter den verschiedenen ^reigmssen meines Lebens hat Folgendes den tiefsten und erschütterndsten Eindruck auf mich gemacht. Meine drey Töchter/ damahls in ihrem »5., 1,6. und 17. Le< bensjahre, befanden sich auf einer Winter-Soiree bey einer mir befreundeten Dame. Als ich nach beendigter Vorstellung im italienischen Theater in denGefellschafts-!c»al trat, um meine Töchter abzuhohlen, fand ich sie ^nzend, durch die Grazie ihrer Bewegungen Aller blicke auf sich ziehend, und ihre Mutter berauscht von den Huldigungen, welche ihnen zu Theil wurden. Nicht fern von wir, im Hintergründe des Salons, stand ein Mann von finsterem Äußern, der mit ernsten unverwandten Blicken meine Kinder betrachtete. Das allge« weine Interesse, welches sie durch ihr anmuthiges We-sen und durch ihren gefalligen Anstand erweckten, schien 'hn inchl zu berühren; ^t geraumer Zeit sehe ich ihnen zu, denn es mögen ^°hl jetzt zwey Stunden seyn, baß sie unausgesetzt .^"zen; bemerken Sie wohl, welcher Beyfall ihnen von allen Seiten gezollt wirb? Wie sie von Iugendglanz U"d Liebreitz strahlen?" Mein Vaterherz klopfte bey diesen Worten vor« ^lttzücten, ich war im Begriff, mich zu verrathen, ^ der Unbekannte mit laconischer Kälte hinzufügte: «In drey Jahren, mein Herr, wird keines von diesen Mädchen mehr am Leben seyn." — TXr prophetische Ton, mit dem er diese Worte aussprach, machte mich erbeben. Hierauf entfernte sich der Fremde; ich wollte ihm folgen, aber wie fest gebannt konnte ich nicht von der Stelle. Vergeblich erkundigte ich mich bey mehreren Per« sonen uach seinem Nahmen; man wußte nur so viel, daß er ein Schüler Lavaters sey. Der Entsetzlich« hatte nur zu wahr gesprochen; drey Jahre später hatte ich keine Kinder mehr! C. Philippi. Nachträgliche Bekanntmachung eines vortreffliche« ErfolgcS nach der Anwendung des kalten Wassers im Scharlachsieber ^). Nachdem die 11jährige Tochter des Herrn Groß-händleU Reivlinger, Nahmens Carolina, wohnhaft am rothen Thlnm Nro. 4^2, durch die kalten Waschungen/ wie unter dem 20. Iu!p (S. Illyr. Blatt vom »6. Au<-gust, Nro. 55) öffentlich angezeigt worden ist, vom Scharlachsieber ganz und oolMändig genesen war, wurde am ü. Iuip ihre lojahrige Schwester Catharin» mit dem Scharlachsieber, und schon am dritten Tage der Krankheit mit dem heftigsten, ohne Unterlaß 6 Stunden anhaltenden Convulsionen befallen, die nach schneller Zurückcretung tes Aufschlages auf die Hirn-gebilde erfolgten. Bey diesen Erscheinungen erreichte, nach dem Unheil« der anwcsenben Ärzte, die bevorstehende Todesgefahr den höchsten Grad. Da,ed»ch noch einige Anzeige zur Anwendung des kalten Wassers vorhanden war, so wurde beschlossen, auch diese Patientinn, wie ihre Schwester, zu behandeln. Ich ließ daher die Fenster öffnen, die warme Bedeckung ablegen, unH ihr, wahrend den Convulsionen, drei) Mahl den Kopf mit Wasser vom Brunnen, übergießen und den ganzen Körper mit so außerordentlich gutem Erfolge wiederhohld waschen, daß nach 24 Stunden der Eintrnt in die Re-convalescenz nicht mehr zu verkennen war. Sie genaß vollkommen, wie ihre Schwester (welche beyde aus der Famile ausschließlich der strengen kalten Methode unterworfen morden sind) zur grüßten Freude ihrer Älter», *j Intell. Blatt der Wiener Zeitung vom Z.SeMmkc. ohne allen bösen Folgen, unb befindet sich noch bis jetzt in dem bellen Gesundheitszustände. Möchte die bedeutende Anzahl solcher Thatsachen auf das Publi-cum bald allgemeinen Eindruck machen! Wien den 25. August ,622. Anton Fr ölich, k. k.wirkl. Hofmedicus. Blumen-Kalender. Die Sammetblume. Der kleine indianische Tagetes mit gefüllten Blumen — auch die französische Sammecblume genannt. — Die größte aufrechtstehende afrikanische Sammetblume, mit einer blaffen, einfachen/gelben Blume. Man hat verschiedeneAband^rutigen von der ersten Gattung , größere/ kleinere, e^fache und s-hattirte, welches von ihrer Cultur entsteht. — Von der zweyten Eortt hat man: 1) die schwefelgelben mit einfachen, gefüllten und röhrichten Blumen. 2) Die duntelgelbe, ebenfalls mit einfachen und gefüllten röhrichten Blumen. 5) Die pomeranzengelbe mit einfachen, gefüllten und röhrichten Blumen. H) Die mittlere afrikanische mit pomeranzengelben Blumen. 5) Die wohlriechende afrikanische Goldblume. — Alle diese Abänderungen verändern sich in derFolge der Zeit wieder. Da es jährige Pssanzen sind, so zieht man sie alle Frühjahre aus ihrem Samen , welchen man Anfangs April auf ein nicht ganz frisches angelegtes, oder nur maßig warmes Mistbeet aussäet. Wenn die Pflanzen die Hohe von dr?y Zoll erreicht haben, so werden sie auf ein kaltes Mistbeet versetzt, wo sie Schatten haben müssen, dann aber gewohnt man sie nach und nach an freye Luft, und versetzt sie ungefähr im May ins Freye, entweder in Töpfe oder auf Rabatten. Bey dem Versetzen musi m^n sehen, dasi bey dem Ausheben der Pflanzen er>vas Erde an den Wurzeln bleibe. M i s c e l l e n. In Hattersheim, zwischen Frankfurt und Mainz, hatt« die lange Dürre fühlbaren Wassermangel verur< sacht, denn salnwtliche Brunnen singen an zu versiegen. Es wurde demnach ein Sachverständiger beaufcragt, iitst in ihren Grundtiefen zu untersuchen. Als er in dem einen!bleser Brunnen bis auf dessen Boden h^ abgestiegen war, stürzte plötzlich das ganze MKuerwerk über ihn zusammen. Die örtliche C,oi!behörbe, der Schultheiß, in der Meinung, oaß d-°ch jeder Versuch der Hülfe vergebens seyn würde, indem der Mann uN< feh bar allem Anscheine nach zerschmettert ftyn müßte, wollte, bevor er die erforderlichen Vernietungen jU Hinwegraumung des Schuttes träfe, bey dem nassa'^ fch«n Amte weitereVerhaltnnqsbefchle einhohlen. Ied<^ auf di? dringende Dazwischenkunft des Geistlichen, n'a^ te man sich sofort an daiWerk. Nachdem man 52 GtllN' den ununterbrochen fortgearbeitet, und jede Hoffl'U ^ oer möglichen Rettung des Verunglückten beynahe aus" gegeben hatte, vernahm man endlich ein leises GeM mer. Und wie groß wsr das Erstaunen Aller, als üia diesen, nach Himuegräumung eines großen Stelltt / der sich zwischen den Wanden des Brunnens elngetlew'N und eine solche Lage angenommen hatte, daß er die na^ stürzenden Stücke aufhielt, vollkommen unversehrt k" blickte. Man kann sich wohl vorstellen, daß die laNZ^ Entbehrung aller Nahrung und die a„BgestandeneA"Z den Verschütteten aufs äußerste entkräftet hatten. ^ doch erhohlte er sich bald wieder, und sein mehr atsz^" tägiger Aufenthalt in jener unterirdischen Gruft sä>^' stiller Gesundheit keinen weitern Schaden zugefügt» haben. (5 h a r a d e. (Iweysylbig). (^Z schlägt die erste die Äuaclein nieder, Das Herzchen klopft ihr unter dem Mieder, Die Schaam die blühenden Wangen ihr küss"' Wenn ihr die Erste als Erste begrüßet. Die Zweyte pranget auf Florens Altar, Sie schmückt die Stirne, sie zieret das Haar, Sie lockt den Dichter, sie winkt dem Heldei" Doch muß sie oft auch Vergäncsiickkeit melo"'» DaZ Ganze härmet die Erste hin^b, Wenn ihr die Liebe das Ganze nicht gab. Auflösung der dreysyl^igen Charade in Nro. ^ ' Glückselig. Gedruckt bey Ignaz Alvy « E 0 len von Klcinmayr.