MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICOLOGICAL ANNUAL XL UDK 821.131.1-94"1781/1782" Vjera Kataliniè Abteilung für die Geschichte der kroatischen Musik, Kroatische Akademie der Wissenschaften und Künste, Zagreb Oddelek za zgodovino hrvaške glasbe, Hrvaška akademija znanosti in umetnosti, Zagreb Luka Sorkoèevics Wiener Tagebuch (1781-1782) Dunajski dnevnik Luka Sorkoèevièa (1781-1782) Zusammenfassung Povzetek Luka Sorkoèeviè (auch Sorgo; Dubrovnik/Ragusa, 1734-1789), ein Mitglied der Patrizierfamilie, in Dubrovnik und Rom ausgebildet und musikalisch begabter Komponist und Diplomat, besuchte Wien als Gesandter an den Hof. Von September bis Ende Dezember 1781, führte er ein Tagebuch (heute im Staatsarchiv in Dubrovnik aufbewahrt) wo er seine dortige Begegnungen, diplomatische Aktivitäten und Privatbesuche ausführlich beschrieb. Die mit Musik verbundenen Ereignisse fehlen nicht: er wohnte den Opernvorstellungen bei, wo die Werke von Philidor, Gluck u. A. dargestellt wurden, beschreibt Konzertbesuche, äußert sich zu Sänger und anderen Solisten; er kontaktierte mit P. Metas-tasio, Ch. W. Gluck und J. Haydn, er beschrieb verschiedene Hofbälle (Hausball, Kammerfest, große Feste mit Masken, Feuerwerk und Tanz), die Adeligen die er dort traf und die Tänze die getanzt wurden: Menuett, Quadrille, Contredanse und Walzer. Seine Bemerkungen über das Musikleben in Wien - auf der Rückreise auch in Graz, Ljubljana und Ri-jeka -, stellen eine wertvolle zeitgenössische Quelle dar, die aus der Hand eines kultivierten und gebildeten Mannes stammen. Wenn man in Archiven und Sammlungen im Binnenland und im Küstengebiet Kroatiens Musikalien des 18. Jahrhunderts erforscht, gelangt man zur allgemeinen Schlußfolgerung, daß in Sammlungen aus Nordkroatien und Slawonien (kroatisches Binnenland) nebst Kompositionen einheimischer Autoren vorwiegend Werke mitteleuropäischer Komponisten - sowohl Kompositionen der Angehörigen der Wiener Schule als auch jene deutscher und tschechischer Autoren - erhalten sind. Seltener stoßen wir auf einzelne Werke italienischer Autoren, wobei es sich gewöhnlich 187 Luka Sorkoèeviè (prav tako: Sorgo; Dubrovnik, 1734-1789), potomec plemiške družine, izobražen v Dubrovniku in Rimu, nadarjen skladatelj in diplomat, je deloval na dunajskem dvoru kot poslanec dubrovniške republike. Od septembra 1781 do zaèetka januarja 1782 je pisal dnevnik (danes v Državnem arhivu v Dubrovniku), v katerem je izèrpno opisal svoja tamkajšnja sreèanja, diplomatske aktivnosti in privatne obiske. Tako ni obšel niti dogodkov, povezanih z glasbo: prisostvoval je opernim predstavam, kjer so izvajali dela Philidorja, Glucka idr., opisal je obiske koncertov, pevce in druge soliste, imel je stike s P. Metastasiom, Ch. W. Gluckom in J. Havdnom, opisal je razliène dvorne slovesnosti (Hausball, Kammerfest, velike slovesnosti v maskah z ognjemetom in plesi) in plemièe, ki jih je tam sreèeval, ter plese, ki so jih plesali: me-nuet, kvadriljo, contradanse in valèek. Njegove opazke o glasbenem življenju na Dunaju - na po-vratku domov tudi v Gradcu, Ljubljani in Reki -predstavljajo dragocen sodoben vir izpod peresa kultiviranega in izobraženega èloveka. MUZIKOLOŠKI ZBORNIK » MUSICOLOGICAL ANNUAL XL um Kompositionen mitteleuropäischer Provenienz handelt. Umgekehrt ist es wiederum im Küstengebiet Kroatiens, wo Werke deutsch-österreichischer und tschechischer Provenienz eher selten vorkommen; ihren Weg in die heutigen Archive haben sie über verschiedene italienische Länder gefunden. Eine solche Situation ist keineswegs ungewöhnlich, wenn man von der bekannten Sachlage ausgeht, in welche diese zwei Hälften Kroatiens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts geraten waren. Eine einigermaßen andere Situation finden wir in Dubrovnik vor, das als selbständige Republik direkte Handelsbeziehungen, politische und zum Teil kulturelle Verbindungen pflegt, die sich nicht nur auf die nächsten Nachbarn von der westlichen bzw. italienischen Adriaküste, sondern auch auf anderswo lebende Partner erstrecken. In Dubrovnik existierten zur Zeit der Republik bzw. bis 1808 Botschaften vieler Länder; gleichermaßen hatte die Dubrovniker Republik in den meisten europäischen Ländern 64 Botschafter oder Gesandte ähnlichen Ranges. Ebenfalls ist es bekannt, dass politische Verbindungen oft zu Privatbeziehungen erhoben wurden, wie es beispielsweise mit dem französischen Konsuln Charles Bruere Desrivaux der Fall war; später wurde er in dieser Stadt seßhaft, und sein Sohn Marc bediente sich seines Nachnamens auch in der kroatisierten Form: Brueroviè. Der Dubrovniker Senat entsandte in die diplomatische Mission erfahrene und bewährte Adelige, die sich durch ihren Dienst im Kleinen Rat bereits bewiesen haben; einige von ihnen hatten schon einmal oder mehrmals das Fürstenamt inne (der Fürst wurde jeden Monat neu gewählt!). Eine dieser bewährten Personen war Luka Sorkoèeviè (1734-1789). Einer Patrizierfamilie abstammend, in Dubrovnik und Rom ausgebildet und musikalisch begabt, besaß er wie viele seiner Mitbürger profunde und vielfältige Kenntnisse in diversen Wissensbereichen, gab jedoch die kreative Beschäftigung mit der Musik sehr früh auf, so dass die meisten seiner Kompositionen (Symphonien, Kammermusik) bis in die 70er Jahre des 18. Jahrhunderts entstanden sind, weil er sich ab dieser Zeit der Ausübung staatlicher Amtsgeschäfte zu widmen pflegte. Bereits ab 1763 erledigte er zahlreiche Geschäfte im Interesse der Republik auf dem Gebiet der Verwaltung und Justiz, der Administration und Diplomatie. Eine seiner Aufgaben bestand auch darin, eine heikle diplomatische Mission am französischen Hof bezüglich eines seewirtschaftlichen Missverständnisses zwischen Dubrovnik und Paris zu meistern. Er lehnte diese Aufgabe ab, obgleich er nach der Konfliktbeilegung 1776 unter den diesbezüglichen Vertrag mit Frankreich ebenfalls seine Unterschrift geleistet hatte (DEMO-VIÈ, 187-190). Nach dem Tod Maria Theresias am 29. 11. 1780 beschloss der Dubrovniker Senat, einen Gesandten an den Hof nach Wien zu entsenden. Offensichtlich existierte dort keine ständige Gesandtschaft. Die Diplomaten wurden bei Bedarf dorthin entsandt; um die Angelegenheiten der Dubrovniker Republik in Wien kümmerte sich ständig ein gewisser Abbate Ayali. Einer der Dubrovniker Gesandten in den 70er Jahren war auch Franjo Ranjina (Francesco Ragnina), welcher später an den russischen Kaiserhof nach Sankt Petersburg entsandt wurde. Manchen Persönlichkeiten aus dem Bekanntenkreis Ranjinas wird auch Luka Sorkoèeviè als gewählter Vertreter des Dubrovniker Senats nach seiner Ankunft in Wien begegnen. 188 MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICOLOGICAL ANNUAL XL An seinem neuen Standort kam Sorkoèeviè im September 1781 an. Während dieses Aufenthalts führte er reichlich Tagebuch, so dass wir demzufolge alle in Wien erworbenen Erfahrungen des Diplomaten, gleichzeitig aber mehrere, in erster Linie mit Politik und Diplomatie, des weiteren auch mit der Kultur und Musik sowie mit dem gesellschaftlichen Leben zusammenhängende Ereignisse verfolgen und dadurch einen Einblick in manche mit dem Privatleben des Komponisten verbundene Ereignisse gewinnen können. Das Tagebuch wurde im Staatsarchiv in Dubrovnik gefunden; dem Manuskript fehlen das erste und das letzte Blatt, wodurch uns einige Einzelheiten seiner Reise nach Wien und der Rückkehr nach Dubrovnik vorenthalten sind. Die Bedeutung dieses Tagebuchs für die Musik wurde zuerst von Miho Demo-viè hervorgehoben. In seinem Buch Glazba iglazbenici u Dubrovaèkoj Republici od polovine XVII. doprvog desetljeèa XIX. stoljeèa (Musik und Musiker in der Dubrovni-ker Republik seit Mitte des 17. bis zum ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts) führte er oberflächlich manche wichtigeren Einzelheiten aus den Aufzeichnungen Sorkoèevics an, ohne auf deren Interpretation tiefer einzugehen. Bei dieser Gelegenheit wurde eine Phase der unlängst begonnenen systematischen Forschung präsentiert; das Ergebnis einer solchen Forschungsarbeit sollte die vollständige Aufarbeitung aller für die Musik wichtigen Abschnitte - bei Bedarf sogar des ganzen Tagebuchs (einschließlich der Transliteration der schwer lesbaren, in italienischer Sprache verfassten Handschrift, deren Übersetzung ins Kroatische sowie Erstellung von Kommentaren bezüglich aller darin vorkommenden Personen, Werke, Einrichtungen und Ereignisse). Sorkoèeviè verbrachte in Wien vier Monate. Auf dem Rückweg hielt er sich 2-3 Tage in Graz und Ljubljana und etwa drei Wochen lang in Rijeka auf. Sorkoèevics Aufenthalt in Wien ist vordergründig auf diplomatische Aktivitäten ausgerichtet. Themen wie der Konflikt zwischen Russland und der Türkei (ein für Dubrovnik besonders wichtiges Thema), die Geheimreise des Kaisers nach Polen, österreichische Aktionen in Bayern - all das waren ständige Gesprächsgegenstände. Geselliges Beisammensein mit Botschaftern (insbesondere mit jenen Spaniens und Frankreichs), mit Generälen (»General Burcausen«, »General Testi Goriziano«, »general dArgle« und mit anderen Adeligen, die hohe Staatsämter bekleideten (»Principe Kaunitz«, Carl Lichtenstein, Baron Schönborn, »Principe Colloredo«, Baron Sperger usw.) sowie mit ausländischen Adeligen (polnische Adelige namens Radzwil u. a.) und nicht zuletzt auch mit Kaiser Joseph IL war regelmäßig, manche Begegnungen sogar alltäglich, bei Mittag- und Abendessen und aus vielen feierlichen Anlässen in der Kirche, im Theater und am Hof. Einige Personen aus dieser Gesellschaft kannte er aus früheren Zeiten und betrachtete sie gar als Freunde. Als »Mio amico« erwähnt er den General Burckhausen, einen gewissen »Conte Ottermann«, den er 1759 in Italien kennen lernte (als er in Rom und Neapel weilte), besonders jedoch Sigismund Zois, den er bei der Rückkehr aus Wien am 4. Jänner 1782 in Ljubljana besuchte. Abgesehen von üblichen diplomatischen Aktivitäten und protokollarischen Begegnungen, war Sorkoèeviè an vielen kulturellen Veranstaltungen interessiert, besichtigte sehr oft viele Wiener Sehenswürdigkeiten und brachte seine Beobachtungen im Tagebuch zum Ausdruck. Sein besonderes Interesse galt großen Kunstsammlungen 189 MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICOLOGICAL ANNUAL XL (beispielsweise im Palais Lichtenstein, im Kunsthistorischen Museum, Schatzkammer - »tesoro della corte«), Schlössern und Parkanlagen (Schönbrunn, Laxenburg). Ebenfalls besuchte er die Militärakademie und beschrieb das Bildungssystem; an der Taubstummenschule wurde er von der Unterrichtsweise der deutschen und italienischen Sprache, der Mathematik und des Religionsunterrichts fasziniert, wobei er einige im Unterricht vorkommende Beispiele im Tagebuch vermerkte. Mit Interesse verfolgte er die Erklärungen des Barons Born, der damals im Naturwissenschaftlichen Museum die Mineraliensammlung und die Sammlung mit botanischen Seltenheiten leitete. Des Weiteren besichtigte er die Festungen am Simmering und verfolgte Militärübungen. Seine Aufmerksamkeit galt selbstverständlich auch dem Theater und der Musik, denn es mangelte keineswegs an Gelegenheiten, sich mit der Wiener Musikproduktion vertraut zu machen. Während dieser vier Monate war er mehrere Male im Theater. Zur ersten Vorstellung, welcher er in Wien beiwohnte (6. 10. 1781), notierte er nur folgendes:»... sono passato poi a finire la sera al teatro francese, in cui anno dato l'opera die Tom Jones, Musica di Fillidoro.« Es handelt sich um eine Oper, die im Sinne der Buffonisten von Francois-Andre Danican Philidor (1726-1795) vertont wurde; uraufgeführt wurde sie 1765 in der Pariser Comedie-Italienne; ein Jahr später wurde sie revidiert (RUSHTON). Etwa einen Monat später (am 12. 11.) sah er im selben Theater »un Operetta intrecciata dalla compagnia La nascita del Delfino«. Von welchem Werk die Rede ist, bleibt unbekannt; Sorkoèeviè betrachtete es offensichtlich als nicht notwendig, über dieses Werk Näheres zu berichten. Zweimal war er auch im Nationaltheater. Am 11. Oktober notierte er, dass er aus Schönbrunn zurückkehrte, wo er einen ganzen Tag zubrachte: »verso sera all'opera Nazionale intitolata la Schiava: li Bernasconi, Adelspair(?) e Fischeri sono li attori, che si distinguono per la voce e le maniere...«. Unter dem Titel La Schiava kursierte in Wien eine Oper Nicolo Piccinnis, die in Italien als Gli stravaganti, ossia La Schiava riconosciuta (aus dem Jahr 1764) weitaus bekannter ist; in der Titelrolle trat die berühmte deutsche Sängerin Antonia Bernasconi (1741-1803?) auf. Einer Einladung Glucks Folge leistend, kam sie 1781 aus London nach Wien und sang im Burgtheater in drei Opern Glucks, die zu Ehren des russischen Großherzogs Paul inszeniert wurden. (Großherzog Paul hielt sich in Wien zur gleichen Zeit wie Sorkoèeviè auf [MÜNSTER]). Offenbar trat sie außer in Opern von Gluck auch in anderen Rollen auf, so auch in der erwähnten Oper Piccinnis. Abermals hörte sie Sorkoèeviè am 3.12.1781 in Glucks Alceste und lobte ihren Vortrag. Ihr Partner in Alceste, ein gewisser Adelspair oder Adelspir, welcher den Admeto spielte, sang auch in Piccinnis La Schiava-, bisher war es nicht möglich, nähere Daten zu seiner Person ausfindig zu machen. Die dritte Person in La Schiava, die laut Sorkoèeviè von einem Fischeri gesungen wurde, könnte der deutsche Baß Ludwig Fischer (1745-1825) sein, der von 1780 bis 1783 im Hoftheater sang und Mozarts ersten Osmin in der Entführung aus dem Serailkreierte, während er in La Schiava die Baßrolle des Asdrubale sang (WÜRTZ - CORNEILSON). Der Besuch im Nationaltheater und die Aufführung der Oper Lphigenie auf Tauris vom 11. 1. - es handelt sich wahrscheinlich um die Oper von Gluck, die in der deutschen Fassung am 23. 10. zum ersten Mal dem Wiener Publikum vorgestellt wurde - 190 MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICOLOGICAL ANNUAL XL wird im Tagebuch im Licht des Gedränges im Zuschauerraum wegen der Anwesenheit der kaiserlichen Familie gesehen. Sorkoèeviè ging nicht nur ins Operntheater, er besuchte auch Konzerte. Vermerkt wurde der Besuch bei zwei Akademien. Die eine fand bei Baron Born statt (7. 12.), als Borns 14-jährige Tochter Cembalo spielte; gesungen hat dabei eine gewisse »la miglior dilettante di canto Rab«. Die zweite Akademie wurde veranstaltet am 28. 12. im »teatro presso la Porta d'Italia, detto Francese, dove la Todi, Virtuosa Portoghese... ed un Napoletano ha dato un' Accademia con Adambergh.« »La Todi« war eine portu-gisische Mezzosopranistin mit dem Vornamen Luisa (1753-1833), die ihren großen Ruhm während ihrer Auftritte im Rahmen der Pariser Concert Spirituel 1778 erwarb und im nachhinein noch einige Jahre lang in der Schweiz, in Italien, Deutschland und Österreich konzertierte (STEVENSON - DE BRITO). Der Name eines aus Neapel stammenden Musikers lässt sich aus den Notizen nicht erschließen; Adambergh hingegen ist ein deutscher Tenor namens Josef Valentin Adamberger (1740/743-1804), welcher sich ab 1780 bis 1783 dem Wiener Nationaltheater anschloss und die Wiener Schauspielerin Marie Anne Jacquet heiratete. Mozart schrieb für ihn unter anderem die Rolle des Belmonte in der Entführung aus dem Serail (1782) (BAUMAN -CORNEIL-SON). »Teatro presso la Porta d'Italia, detto Francese« ist eigentlich das Kärntnertortheater, wie man es in der Ankündigung des Konzerts in der Wiener Zeitung lesen kann (vgl. MORROW: 250). * Sorkoèeviè war auch darum bemüht, mit Musikern und Komponisten sowie mit anderen namhaften Künstlern in Kontakt zu treten. Einer der ersten Besuche dieser Art führte ihn in Begleitung eines italienischen Musikers zu Christoph Willibald Gluck (8. 10.). Von der Begegnung mit Gluck schreibt Sorkoèeviè nicht viel, hebt jedoch hervor, dass »il povero Gluk fu' attaccato nel mese di Maggio passato da un colpo d'hypoplesia«. Das war Glucks zweiter Infarkt, dessen Folge ein partiell gelähmter Arm war (RUSHTON), sodaß wir »lediglich auf seine Genesung hoffen können«. Indessen spart er keineswegs mit dem Lob für seine musikalischen Werke, insbesondere für die Revolutionierung der Musik, in welcher mit Hilfe der einfachsten Ausdrucksmittel und durch eine außergewöhnliche Expressivi-tät große Leidenschaften zum Ausdruck gebracht werden können. Er begegnete Gluck auch am 2. 12. bei Kaunitz. Die Begeisterung hinsichtlich seiner Musik äußerte er ebenfalls bei der Aufführung der Alceste (3. 12.). Er meint, Gluck sei einer der größten musikalischen Genies, der »colle famose sue opere d'Ifigenija, Alceste, Orfeo, e sopra tutto Armida« sowohl im Musiktheater als auch bei musizierenden Künstlern eine echte Revolution entfachte; er erwähnt auch zwispältige Gefühle, die sich im Hinblick auf diese Komposition in Frankreich bemerkbar machten (»DI Francia e Parigi ne parle con tempesto«, 8. 9.)- Eine Persönlichkeit, die Sorkoèeviès Verehrung in besonderer Weise verdient, ist der berühmte Dichter und Librettist Pietro Metastasio (1698-1782), der Sorkoèeviè am 12. Oktober einen Besuch abstattete. »Buon vecchio Metastasio« war damals 83; 1 Registriert wurde das Konzert in: MORROW, im Verzeichnis öffentlicher Konzerte im Anhang (Appendix one; 250) als »28 Dec K(ärntnertortheater); Mme Tody (Todi) - singer / aria - Adamberger / WZ (Wiener Zeitung) 12. Jan 82«. 191 MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICOLOGICAL ANNUAL XL seine Werke waren in Dubrovnik wohl bekannt. Sorkoèeviè sparte gar nicht mit Komplimenten und sagte ihm sogar, er habe schon viele Briefe von seinem Bruder Miho und von seinen Freunden aus Dubrovnik erhalten und sei ersucht worden, ihnen seine Werke zu besorgen. Metastasio parierte ebenfalls mit Komplimenten und bezog sich auf große Talente und das Erbe Dubrovniks. Er hob hervor, die Dubrovniker sollten deswegen besonders geschätzt werden. Zwei Tage später begab sich Sorkoèeviè zu einem Besuch bei Metastasio und traf bei dieser Gelegenheit bei ihm eine gewisse junge Dame namens Martinenz, Metastasios Schutzbefohlene, die »e' cantato superiormente una delle cantate compostte oppostta dell Ab.e e da lei messe in Musica«. Nach gegebenen Angaben war es unmöglich zu definieren, welche Kantate es war, für welche der alte Librettist den Text, und die österreichische Komponistin und Sängerin Marianne Martinez, die Musik verfaßte (WESSELY). Ab wann Sorkoèeviès Bekanntschaft mit Joseph Haynd existiert, lässt sich aus dem Tagebuch nicht erschließen. Die einzige Begegnung, die Sorkoèeviè beschreibt, bekräftigt die Annahme, dass eine freundliche Beziehung zwischen ihnen bereits früher bestanden hatte. Haydn stattete ihm nämlich einen Besuch am Stephanietag (26. 12.) ab. Er zeigte ihm dabei seine sechs neuen Streichquartette, die er im Abonnement um je einen Fiorin pro Quartett zu verkaufen pflegte. Wahrscheinlich handelt es sich um die Quartette Op. 33, »Russische Quartette« genannt (WEBSTER -FEDER: 231). In einem freundlichen Gespräch öffnete Haydn seine Seele und klagte über die Unmöglichkeit seines Wirkens am Wiener Hof wegen der Abneigung, die der Kaiser im Hinblick auf ihn und seine Musik fühlt. Und dann sagt Haydn: »La gran Duchesse mi fece venire nell' appartemento e l'Imp[erator]e se e' tostto levato, e sortito dalle stanze.« Haydn meint, der Grund könnte in der Beziehung des Kaisers zu Esterhazy liegen. Esterhazy - so Haydn - versucht immer wider, den Kaiser systematisch zu meiden. Als er einmal ein feierliches Fest veranstalten oder sich in der Nähe des Kaisers mindestens hätte verbeugen sollen, verreiste der Graf mit seiner Frau Gemahlin nach Frankreich und würde erst Anfang Jänner nächstes Jahr zurückkehren. Über Haydns Musik gibt es hier von Sorkoèeviè keinerlei Äußerungen. Gemeinsam mit Herrn Varesi besuchte Sorkoèeviè »le due sorelle Aversburgher che sonano superioramente bene il cembalo, e per la p[ri]ma volta ho vistto eseguire sonate seritte a quatro mani, cioe per due persone, che sonano nello stesso tempo all' istessa tastiera.« (20. 11.). Die Eintragung bezieht sich auf zwei Schwestern, Franziska und Marianne, Töchter Josef Leopold von Auenbruggers aus Graz, den Maria Theresia wegen seiner Verdienste auf dem Gebiet der Medizin 1768 in den Adelsstand erhoben hatte. Als Musikliebhaber veranstaltete er oft in seinem Wiener Haus Kammerkonzerte. Die beiden Töchter, als ausgezeichnete Pianistinnen und Musikkennerinnen bekannt, wurden von J. Haydn besonders geschätzt. Er widmete ihnen 1780 einige Sonaten (Nr. 13 und 35-39) (Steirisches Musiklexikon-. 19-20). Am 20. 11. besuchte Sorkoèeviè schließlich den Musikliebhaber Baron von Bain, der jahrelang in Italien im Dienst war (möglicherweise kannten sie sich von dorrt), wo er einer ausgezeichneten Cembalistin begegnete, deren Vater Violinist war. Des Weiteren suchte er die dänische Sängerin Olivieri auf, die gerade zu jener Zeit als Sängerin im Theater engagiert war. Frau Olivieri war Gattin eines maltesischen Leutnants, in 192 MUZIKOLOŠKI ZBORNIK » MUSICOLOGICAL ANNUAL XL russischen Diensten. Noch aus seiner russischen Dienstzeit hatte dieser den bereits erwähnten Franjo Ragnina gekannt. Von ausgezeichneten Sängern und Spielern nicht selten umgeben, äußert Sorkoèeviè gelegentlich auch seine Meinung bezüglich ihrer interpretativen Fähigkeiten. Im Hinblick auf häufige Aufenthalte in Italien, was anscheinend mit dem gründlichen Kennen der dort herrschenden musikalischen Zustände verbunden ist, stellt er fest, dass »quanto il suonar di cembalo e' piu universale, e superiore tra Te-deschi, altretanto gli Italiani li superano sul canto« und betont im Zusammenhang mit der Sängerin namens Rab (7. 12.):»... la Rab che posse (?) eccelente in Vienna, sarebbe molto mediocre in Italia.« Im Advent und in der Weihnachtszeit gab es oft Gelegenheit zu Feierlichkeiten, die regelmäßig mit Tanz und Abendessen verbunden waren. Obgleich der Kaiser, wie Sorkoèeviè schreibt, darum bemüht war, das Zeremoniell zu reduzieren, stieß man immer wieder auf Gelegenheiten dieser Art, sei es am kaiserlichen Hof oder in Palästen der Wiener Aristokraten und Gesandten. Sorkoèeviè beschreibt u. a. »il piu grande ed il piu magnifico spetacolo, che posse imaginarii nel suo genere, ed inter-essare la curiosita'» - den großen Ball in Schönbrunn (26. 11.), wo sich Gruppen kostümierter Tänzer in ihren Volkstrachten und mit Masken versammelten, darunter besonders viele Repräsentanten des Adels höchsten Ranges. Nach der Aufführung einer Komposition von Gluck wurde der Tanz durch ein prächtiges Bankett unterbrochen und konnte dann nach dieser Zäsur bis in die Morgenstunden fortgesetzt werden. Gegebenenfalls wurde Sorkoèeviè auch zu Feierlichkeiten kleineren Um-fangs eingeladen, wie beispielsweise zu »ballo privato a Corte intitolato Ausbai« (4. 12.) oder »ballo privato con cena, detto Camerfest« (18. 12.), wo meistens gewöhnliche Tänze wie Menuett, aber auch der Contredanse und Quadrille getanzt wurden. Besondere Aufmerksamkeit gilt jedoch den mit dem Walzertanzen verbundenen Angaben, insbesondere vom Hinweis ausgehend, der Walzer sei nicht von Prinzessi-nen, sondern von »Gästen zweiten Ranges« getanzt worden: »La festta e' stata assai brillante, e comodo perche assai gente senza essere di trappo(?), e scelta gioventu' per il ballo. Le giovani Principesse, ed il solo Figlio del Duca die Wurtemberg tra Principi anno ballato persecuramente(P) con tutti da Minue, Contradanze, e Quadrig-li, alia riserva da Valse, ne quali non ho vedute entrene le Principesse...« Man muss bedenken, dass der Walzer zu jener Zeit allmählich an Popularität gewinnt, dass er zunehmend aus niedrigeren Schichten in die Tanzsäle des Adels vordringt und das dort übliche Menuett und später auch andere Tanzformen wie Kontertanz in den Hintergrund treten lässt. Dieser Tanz wird immer mehr als »Ländler«, »Deutscher Tanz«» usw. bezeichnet; als Walzer erscheint er in Publikationen der Artaria aus den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts (LAMB). Daher stellt dieses frühe Erwähnen des Walzer-tanzens am Hof eine für die musikalisch-soziale Sphäre wichtige Tatsache dar. Die Rückreise aus Wien beschreibt Sorkoèeviè eher karg: er reiste mit einer Kutsche, die an etwa zehn Raststätten Halt machte. Einige Stunden hielt er sich in Ljubljana auf. Etwas länger weilte er in Graz und Rijeka. In Graz sah er an einem Abend eine italienische Opera buffa, und am Silvestertag wohnte er einem großen Empfang beim Grafen Brainer bei, wo eine große Schar schöner Damen versammelt war. Einige 193 MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICOLOGICAL ANNUAL XL dieser Damen lernte er bereits in Wien kennen. Tagsüber besichtigte er die Stadt und genoss die Berglandschaft mit der Festung oberhalb der Stadt. Der Aufenthalt in Rijeka dauerte ungefähr drei Wochen. Wahrscheinlich reiste er von Rijeka nach Dubrovnik mit dem Schiff, was sich wegen des schlechten Wetters und infolge selten vorhandener Transportmöglichkeiten ziemlich verzögerte. Die Zeit wusste er im Beisammensein mit vielen namhaften und »sehr kultivierten Personen« (»console Barcich«, »vicegovernatore Paolo Almasy de Ileday« u. a.) zu verbringen; die mit dem Musikleben verbundenen Erlebnisse in Rijeka waren sehr intensiv, so dass sie wegen einiger Eigenheiten als Gegenstand weiterer Forschungen gelten werden. Dieser überaus reichhaltige Aufenthalt außerhalb der Mauern seiner Heimatstadt Dubrovnik übte keinen wesentlichen Einfluss auf Sorkoèevics musikalischen Geschmack aus. Mit dem Komponieren befasste er sich nicht mehr; die während dieser Reise erworbenen Erfahrungen haben ihm nach der Rückkehr beim Ausüben amtlicher Aufgaben im Dienst der Republik anscheinend viel geholfen. Das gilt besonders für seine Aufgaben im Amt des für Theaterveranstaltungen in der Stadt zuständigen Kommissärs (ab 1787), gleichermaßen auch im familiären Kreis, wo er eine eigenartige Privatakademie zu kreieren versuchte. Mit großer Wahrscheinlichkeit lässt sich freilich annehmen, dass er aus Wien viele handschriftliche und gedruckte Musikalien mit nach Hause brachte. Im Franziskanerkloster in Dubrovnik werden einige solcher Kompositionen aufbewahrt: eine vollständige Partitur sowie Abschnitte von Glucks Orfeo wie auch Abschnitte aus der Alceste und Iphigenie in Aulis. Obgleich es sich nicht in allen Fällen um Sorkoèevics Wiener Akquisitionen handelt, wurden sie wahrscheinlich während früherer Italienaufenthalte besorgt. Mit seiner Hand wurde gewiss die Cavatina »Che faro' senza Euridice« abgeschrieben; sie wurde seiner Tochter Marina gewidmet (»Per la Sig.r Marina Sorgo«). Erhalten wurde auch eine ganze Reihe von Kompositionen Haydns, was Sorkoèevics musikalischen Geschmack und Interesse anschaulich macht. Die derzeit vor sich gehende systematische Musikalienerforschung im Franziskanerkloster in Dubrovnik wird möglicherweise noch manche Unterlagen ans Tageslicht bringen, die aus dieser Verbindung zwischen dem mediterranen Süden Kroatiens und dem mitteleuropäischen Wien hervorgehen. Aus diesen Aufzeichnungen erfahren wir viele Details über Begebenheiten und Personen, die mit Wien (viel weniger jedoch mit Rijeka) verbunden sind. Vieles erfahren wir aber auch über die Eigenheiten des Tagebuchschreibers (Luka Sorkoèeviè), über seine Einstellungen, nicht zuletzt auch über sein gesundheitliches Befinden. Sorkoèeviè erscheint in diesen Aufzeichnungen als ein kultivierter, gebildeter Mann, der auf Grund seiner vielen Qualitäten und wegen seines offensichtlich angenehmen Naturells in den höchsten diplomatischen Kreisen aufrichtige Verehrung genossen hatte. Quellennachweis Luka Sorkoèeviè: Memorie 1781-1782 (mss., Hrvatski državni arhiv - Dubrovnik) 194 MUZIKOLOŠKI ZBORNIK » MUSICOLOGICAL ANNUAL XL Literatur ***: Auenbrugger, Josef Leopold Edler von, Steirisches Musiklexikon, Wolfgang SUP-PAN (hrsg.), Akademische Druck- u. Verlagsanstalt, Graz 1962-66, 19-20. BAUMAN, Thomas - Paul CORNEILSON: Adamberger, (Josef) Valentin, NGrove, Bd. 1, 134-5.^ DEMO VIÈ, Miho: Glazba i glazbenici u Dubrovaèkoj Republici od polovine XVII. do prvog desetljeèa XIX. stoljeca, JAZU, Zagreb 1989, 187-190. LAMB, Andrew: Waltz, NGrove, Bd. 27, 72-78. LIBBY, Dennis -Julian RUSHTON: Piccinni, (Vito) Niccolö [Nicola] (Marcello Antonio Giacomo), NGrove, Bd. 8, 708-14. MORROW, Mary Sue: Concert Life in Haydn's Vienna: Aspects of a Developing Musical and Social Institution, Pendragon Press, Stuyvesant, NY1988. MÜNSTER, Robert: Bernasconi [Wagele], Antonia, NGrove, Bd. 3, 433. NEVILLE, Don: Metastasio, Pietro, NGrove, Bd. 16, 510-20. RUSHTON, Julian: Gluck, Christoph Willibald, Ritter von, NGrove, Bd. 10, 24-58. RUSHTON, Julian: Philidor, Francois-Andre Danican, NGrove, Bd. 19, 560-63. STEVENSON, Robert - Manuel Carlos DE BRITO: Todi [nee Aguiar], Luisa [Luiza] (Rosa), NGrove, Bd. 25, 540. WEBSTER, James - Georg FEDER: Haydn, (Franz) Josef, NGrove, Bd. 11, 171-271. (231) WESSELY, Helene: Martinez, Marianne, NGrove, Bd. 15, 918. WÜRTZ, Roland - Paul CORNEILSON: Fischer, Johann Ignaz (Karl) Ludwig, NGrove, Bd8, 899. 195 MUZIKOLOŠKI ZBORNIK • MUSICOLOGICAL ANNUAL XL ft * II KM 4-&»/^&P:&, nj^*^/^'f:f: &**?L¦ fei».. 4**«! k' . :' ft"7 **•** Aus dem Tagebuch von Luka Sorkoèeviè: am 26. Dezember 1781. besuchte ihn Josef Haydn. Die Beschreibung ist in der Marginale zugeschrieben. 196