Gin SkiZZenbuch von IM Kiedrich Seimig. Als Manuscript gedruckt. Buchdruckern von Rosalia Eger. 107549 Ä^einen lieben Hohenheimer Freunden von Herbst 1857 bis Ostern 1859, insbesondere Franz v. Dodmann auf Bod- mann am Bodensee, Curl Darähaufen ans Blumenau bei Hannover, v. Cederlrorgh Friedrich in Stockholm (Schweden), Duc Friedrich bei Ehristiania in Norwegen, Erk hass Christian in Kiel, Schleswig-Holstein, (Dänemark), Carl Fronst in Trep- tov in Pommern (Preußen), Griston Rnleman auf dem Schaaf- Hof bei Kupferzell, Würtemberg, Ikrath Paul in Heidelberg, Daran Älfred v. Hiller Gärtringen auf Gärtringen in Wür- tembcrg, Hnga Hoch in Niederröblingen, Sachsen-Weimar, Dr. Henkclmann, Agricultur-Director in Friedberg, Hessen- Darmstadt, Heinrich GrafDageneck in Freiburg, Großherzogthum Baden, Otto Kulncki in Posen, Professor in Marymont, Polen, Daran C. v. Lauer Münchhosen in Berlin, Roman Markwalder, Professor in Mettingen, Canton Aargau, (Schweiz), v. Milos) Fran;, erster Professor der Landwirthschast in Marymont, Polen, Leon von der Ropp in Bewern, Curlaud, (Rußland), IV v. Sieminsky Carl in Oesterreich, Krakau, Scholz Eduard in Breßlau, Preußen, Eugen Wichen aufMarienstein bei Göttingen, und Heinrich Fürst v. Woroniecln in Rejowiec, Rußland, widmet dies Merkchen in alter Freundschaft und Zuneigung der Verfasser. Ihr habt mich so ost zur Herausgabe dieses Werkes auf¬ gefordert, daß es wohl an der Zeit ist, diesem Wunsche zu entsprechen — doch sehe ich es selbst mit wie viel Mängeln und Schwächen es belastet ist — aber tu I'ns voulu OeorKk vaiulin ruf' ich Euch zur milderen Beurtheilung und mir zur Beruhigung zu. Ihr werdet, daß in diesem Sinne gebotene, auch in alter Freundschaft aufnehmen, und um andere Kritik ist es mir nicht zu thun, da es als Manuskript gedruckt, eine Weitere Verbreitung durchaus nicht anstrebt. Wenn ihr wollt eine späte Sommerblume unserer Ju¬ gendzeit, die mit ihrem allensalsigen Dufte unsere fetzigen trüben Philistertage erfrischen, erheiteren sollte. v Die Erinnerung an diese entschwundene goldige Jugend¬ zeit mit all' ihrem Freud und Leid, mit der ganzen Poesie der Schönheit, mit all' dem Zauber eines vergangenen glück¬ lichen Traumes lebt wohl hoffentlich in uns allen, die das Schicksal bunt zusammengewürselt, jene Jahre in Hohenheim zu einander oder von einander brachte — eine schwache Belebung jener Zeit ist nun der Zweck dieser lückenhaften Skizzen. Haben sie Euch liebe Freunde nur eine vergnügte Stunde, ein zufriedenes frohes Lächeln bereitet, so ist es für mich die größte Genugthuung, aus einem Landjunker nicht vergebens für ein Paar lange Winterabende eine Schreiberseele gewor¬ den zu sein. Ich kann nur das Motto meiner Novelle „Alte und junge Bursche, ihr Leid und Freud'" hier wiederholen, ehe ich Euch das Resume der Hohenheimer Erlebnisse vorführe: Vl Noch einmal in Erinnerung durchleben Möchs ich die Zeit, die ich mit Euch verlebet. — Noch einmal hoch den Jugendlicher heben EH' mir der Traum der Jugend ganz entschwebet. — War auch unsere Jugend nur ein Traum Sicher, flüchtiger, ach! nur zu früh entschwundener Gefühle, So bleibt uns doch im.jetzigen Philisterthnm, Ein srcundlich heiteres Erinnern An Dich o! liebes altes Hohenheim. Dein wollen wir über Raum und Zeit gedenken And dich immer wieder frisch in unsre Herzen lenke». A'rum traute Müder aus Vfl und Wcfl, aus Süd und Nord, Alt' ihr looo Hohcnheimcr — über Schwaden, über unser Jugend Glück — nur ein Accord. Strobelhof bei Laibach (Illyrien). Jin Frühjahre 1862. Josef Friedrich Seimig. Inhalt. Seite. I. Ein Anfang . . 1 II. Kräfte und Mächte s III. Bälle und Suiten IV. Liebschaften V. Studien und Prüfungen 68 VI. Reisefragmente 89 VII. Das Ende 136 L Ein Insang. Bleibe nicht am Boden heften. Frisch gewagt und frisch hinaus, Kopf und Arm mit heiteren Kräften, Ueberall sind sie zu Haus. Koelke. ZM s ist ein cigenthümliches Gefühl in der Fremde ohne Bekannte zn sein, selbst die Jugend mit ihrem sich über Alles hinwcgsehenden Humor und Leichtsinn kann uns vor solch' unbehaglicher Situation nicht ganz bewahren. Der vom Auslande kommende hoheuheimer Studio, befindet sich meistens in obiger Lage, er kennt noch Niemanden von seiner Umge¬ bung, sucht sich seinen Zeitnberflnß durch Fragen beim Sekretär, durch Borstellungen und Jnterpellirnngen bei Kräften und Mächten der Anstalt bestens anszufüllen und hat troßdem eine recht verfehlte Ansicht von time is mune)-. Ich war mit dem lehtcn Zuge von Heidelberg gekommen und hatte in Stuttgart wegen der großen Menschenmenge in keinem Gast¬ hofe Unterkommen können, wodurch ich bemüssiget war, bei meinem Zug¬ führer für fl. 5 die Nacht zu logiren, es war ein schlechtes Quartier hinter dem Hirschen gelegen. Nächsten Tag wollte man nicht Zurückbleiben, da Alles zn dem Cannstatter Volksfeste (1857) ging, nm nebst diesem Volksfeste auch die beiden Kaiser Napoleon und Alexander zn sehen. Abends kam man wie eine Pflaume gedrückt zurück und konnte sich glück¬ lich fühlen auf Momente Profile und Rosse mehrerer gekrönter Häupter gesehen zn haben. Später des Abends im Hirschen traf ich einen Tiroler, der auch nächsten Tag nach Hohenheim wollte, worauf wir beschlossen morgen 1 2 zusammen hin zn fahren. Ein dicker Miethkntscher, der seine Stallungen und Remisen neben dem Stadtgerichte hatte, führte uns die Wein¬ steig „nauf" was ein sehr langwieriges Werk war, welches nur dadurch in Etwas abgekürzt wurde, das; mau immer wieder die Residenz zu Füßen liegen sieht. Bei Degerloch endlich augclangt genießt man zum letztenmal den Anblick, die Stadt mit ihren von Weingärten rings um¬ schlossenen Hügelketten und weit hinans gegen Ludwigsburg die Ebene hie und da durch Waldparthien oder kleinere Hügel angenehm unter¬ brochen, der Raum der Stadt ist doch eng und daher heiße Sommer darin schwer auszuhalten. Nach einer gnten halben Stunde sieht man, nachdem man Berg und Thal zweimal passirt, Hohenheim vor sich liegen, doch muß ich gestehen, daß der erste Blick vom Birkacher Wäldchen eben nicht so imponirend ist — die Vorderfront bleibt uns verdeckt und da die natürlichen Biegungen des Terrains nicht so stark sind, so sieht cs ans als ob es auf ebener Lage der Filder stünde, während dem man es von Plieniengen betrachtet, sich die Vorderfacadc, der Alp zngekehrt, viel gefälliger macht. Die Vcgränzuug macht überall die rauhe Alp, die man fast der ganzen Ausdehnung nach verfolgen kann. Nachdem man in der „Spciscmcistcrci" ein oder ein Paar Schöpple getrunken hatte, wird man durch George an den Hansmeistcr Mößner gewiesen, dec weitere Auskunft zu crtheilen bereit sei, uns zugleich theil- weise iu den Gang der Hohenheimcr Gebräuche eiuführen werde. Dieser Eher des Hoheuheimer Haus- und Hvfdieustes ist schon seit 1837 in besagter Eigenschaft thätig, gewiß ein guter Posten, wenn ihm seine Schlagschatten auch nicht fehle», besonders gewisse späte Stunden und der Schliefisechscr haben manch Fatales und Grobheiten in Masse, er ist eine echte Schwabennatur, ein ehemaliger langgedicuter Unteroffizier, von dem Alter zwar etwas gebeugt, doch mit seinen buschichteu Augen- braunen den stark melkten Haaren nnd dem tiefen Hansmeisterblick eine für die Hohenheimcr immerhin nicht zn unterschätzende Persönlichkeit. Er war so frenndlich als möglich in seiner Eigenschaft, wies uns zum Sekretär, und blätterte höchst wichtig iu seinem Notizbnche, ob anßer den bestellten Zimmern noch welches übrig wäre, dies war nun für mich nicht der Fall und ich mußte mich in ein kleines Vorwerk Hohcnheim's, in die Garbe vorderhand ciulogircu, was besonders für den Winter nnd dm Besuch der Frühcollege recht unangenehm ist. Abends kamen die nnterdics bekannt gewordenen in der Restauration zusammen nm zu sonpiren, wobei mir der freundliche Mösmer eröffnet, daß während dem Nr. 26 frei geworden wäre, da der bisherige Inhaber ein gewisser Schnster znm Kalbfell geschworen und in ein Iägerbataillon in Stutt¬ gart cintratt — wodurch er mir zu obigem Zimmer aber dem Schafstall gelegen, verhalfen hatte. Ich ließ daher durch deu Abtheilnngsbedicnteu mein Gepäck dahin schaffen, und bedankte mich bestens beim Haus¬ meister, daß ich wenigstens in der Anstalt wohne. Die Unterhaltung jenen Abend drehte sich meistens mn die betref¬ fenden Gcbnrtsörter und Reiseerlebnisse, endlich aber um die Quartiere hier — die von andern oft schon '/r 2ahr früher bestellten „Buden" im Schloße wurden als gnt befunden, viele andere, besonders jene, die das Panorama ans den Düngerhaufen hatten, die sollte das Donnerwetter „regiere", ein schwäbisches Kcrnwort ohne weitere Erlänternng. Hören Sie mal, sagte ein preußischer Markbewohner, meine Nummer ist so Hunds¬ föttisch, daß die Hühnerstülle in manchen Oekonomien comfortabler sind, dies Wort allein sollte schon seinen Gcistesreichthnm docnmentiren. Nebenbei war ein Tisch der Sigle'schcn Restauration von alten Hohenhcimern beseht, die diesen Abend die Lord's repräsentirten, die armen Neulinge waren für sie eigentlich gar nicht vorhanden, es war als ob leblose Gestalten an unserem Tische saßen oder als ob die reinste Luft uns ihren Blicken entziehe, ein Atom oder Zero. Das Beefsteak mit Ei, welches im Nebenzimmer von George serviet wurde, hatte vermöge seines Geruches ein weit größeres Interesse als die ganze neue Clique der Candidaten, so hatte ein badischer Edel¬ mann von R-, der schon das vierte Semester ochste, seinen Mantel an einen Stuhl gehängt, den später ein Neuling nsnrpirte, den Mantel jedoch nebenbei an den Nagel hing. Racknih sah dies, doch wie er sich auf sein Schloßzimmer begab, suchte er vorerst ziemlich unsanft seinen Mantel auf dem besetzten Stuhle und wunderte sich unmenschlich darüber ihn auf den Nagel darneben hängen zu finden. War man später gehörig vorgestcllt, oder hatte gar einen klangvollen Namen, war man liirt mit den Polen oder selbst ein sky, so wurde man sogar eingeladen an dem geschlossenen Drcißigkreuzer-Tische 1' 4 theilnehmen zu können; cine größere Ehre gab es damals gar nicht als bei diesen Lord's als Mitglied ausgenommen zn werden. Bvrnrtheile gab cs hier wie überall, was auch nicht Wunder nehmen kann, wenn man die vielen Verwalters- nnd Pächterspflanzen in Betracht nimmt, ti-es peesentö e tnes pou iiie.-ient-Uls ... zu den Guts- und Neichsrittern, die ihren Namen schon von dem Boden entnahmen, den sie später gewiß ihr Eigen nennen konnten, im III. Semester sagte mir selbst ein Baron, es gebe gegenwärtig so viel Barone in Hohenheim als rothc Hunde im Lande, was wohl als (ein zn starker Vergleich betrachtet werden muß). Nächsten Tag war noch keine Vorlesung oder College, wie es hier genannt wird, daher man mit den bereits bekannt gewordenen die Umgebungen in Augenschein zn nehmen beschloß — wobei die schon in Praxi mehr erfahrenen sich als Führer anfwarfen; zuerst in den Knhstall wo der Chef dieses Departements, ein sehr knnrriger alter Schweizer mit seinen rothen Haaren, schon seit 1838 diesen Posten bekleidend, diesen neuen Zuwachs mit wahrer Verachtung ansah, nnd mit großer Verschwendung die Seele der Landwirthschnft hernmwarf, daß er in einem Strohnimbns mit Amoniakbcimischnngen erschien — natürlich ließ er sich zn keinen Erklärungen herbei, von Krcntznngen oder höheren Erziehnngsresnltaten dieser lieben Simmenthalcr- nnd Dnrhamkindcr bekommen wir vorder¬ hand nichts zu hören; wir begnügten uns also blos dem Nikolaus und seinen Familiengliedern, den Blnmeles und Anncle's der Rose, der Ma¬ thilde, der Sophie nnd Olga n. s. w. unsere Visite zn machen, wobei schauerlich viel Unsinn über Körperbcschaffcnhcit, über Altersklassen n. si w. geschweißt wurde, und nachdem der Fütterung und dem Runkelrüben- schneider noch ein Blick geschenkt wurde, begab sich der ganze Troß in den neben liegenden Schafstall Nr. 1, wo Oberschäfer Kirschbaum seine Residenz hat, eine weitere Beschreibung dieses Helden kann um so mehr unterbleiben als wohl jeder sein Portrait mit dem Hansel nnd Nekar zur Seite, von Kull aus Tübingen gezeichnet, als nvthwcndiges Uebel ihm abkaufen mußte, er war weit herablassender als der Benedict und ließ schon jetzt leise Andeutungen fallen von hoher Bedeutung der Woll- kenntniß und Clafsifikation der Schafherden, die später zu lehren er sich zur angenehmen Pflicht mache, auch Täfelchen mit Garnirnngcn von Schafsgcbisscn behufs der verschiedenen Alter zeigte er vor nnd viele 5 saßen gleich auf und bezahlten selbe — unter uns kanu mau es schon sagen waren oft alle 7 Altersklassen gleich, z. B. den Fetthäuimcln non 2Vr Jahren cntuoinmeu — was ihn natürlich wenig anfocht; bei den Candidaten hingegen gehörte es zu einer stillschweigenden Uebcreinknnft, in seiner Bude nebst diesen Gebissen an der Wand sein Portrait und lange Pfeifen hängen zu haben — ländlich, sittlich. Ihm trug es jähr¬ lich nette Rcvcnüen, worüber sich die 2 Schafknechte nicht wenig ärgerten. Auch das Lesezimmer wurde besticht und den betreffenden Abthei- lungscommandeuren des Innern, Herrn Frei, und des Acnhern und Post¬ wesens, Herrn Nickel, seine Aufwartung gemacht, dieselben um alles Un- nöthige befragt, was sie jedoch uicht ungnädig aufnahmcn, da sie durch lauge Jahre schon auf diese Frage vorbereitet, ja sie vielleicht früher schon wissen ehe sie der neue Oami. ooo. ausspricht. Die Einrichtungen der Stube brauchen eben keine großen Vorbereitungen, nnd alteMöbel zu pachten, zn ziemlichen Preisen pro Semester ist eine Möbelhaudlnng von Stutt¬ gart immer bereit, durch ihren Agenten N. in Hohenheim. Meine Stube nun in dem langen Gang gelegen bedurfte für ihre schiefen Wände keines großen geschmackvollen Meublements; Holz dage¬ gen sehr viel da cs im Winter manches Mäßle in seinem kleinen eisernen Ofen verzehrte, nur spät des Nachmittags hatte ich ein wenig Sonnen¬ schein sonst bloß die düster verschneite Terasse und die Möhl'sche Gcräthe- fabrik mit ihrem ewigen Hämmern vor Augen und respective Ohren. Auch Birkach wurde Nachmittag besehen und ein Camerad besucht, der dort bei Gehrung's einer höchst soliden??! Firma einlogirt war. Gehrung hatte 2 freundliche Töchter, wovon eine in Hohenheim der Kochkunst oblag und Abends von Candidaten der Reihe nach zu Hause und dem schoflen Prinz geleitet wurde; der Chef der Firma, nnd dessen Eheliebstc verkauften derweilen Thee super „Lloeta", Zucker und Kaffee, auch Sardellen ohne Köpc und gewisse cinmarinirte Häringe und Spritzen zu Nutz' nnd Frommen der Umgebung und zu sehr theurcu Preisen. Bon dort gings gegen Scharehauscu zu und dann über verschie¬ dene Schläge nach Plieningen, wo für den Abend von den neuen Cau- didaten „ns de Poscht" ein Commerz angcsagt ward. Hier ging es nun sehr toll her, von den 20 bis 30 Candidaten war der größte Theil 6 Abends in der Verfassung den Himmel für eine Baßgeige anznsehn und allgemeines Schmollis trinken ward vom Präsidenten Schabet, Forstcefendär gegenwärtig, octroirt, viele wußten nächsten Morgen gar nicht mit wem sie Bruderschaft trankeu — doch gab cs wieder Manche die sich seit jenem Abend treu blieben, so B. und W. ans Hannover mit denen ich bis heute in alter Freundschaft verbunden bin und auch noch, was bei solchen Pfylistern gewiß merkwürdig, Briefe wechsle. Andere blieben sich oder vielmehr wie der Wirth zur Post dem Schöpplc, ihre ganze Studienzeit treu, nur wenige hatten überall die richtige Mitte sich erwählt. So gab cs Manche, die mit einer unendlichen Gewissenhaftigkeit ihre Collegieu absaßen, keine Ercursioncn versäumten, alle Stammregister und Hauptbücher sich genau besahen, Krcutzungsresultatc von englischen, arabischen nud inländischen Gestüten in ihre Notizbücher vormcrkteu, dem Viehstall so wie der Schafherde einen täglichen Besuch abstatteten, Durham's nud Ayrschire Schweizer nud deutsche Gebirgs- und Riede- rnngs-Racen den Namen nach kannten, alle möglichen praktischen und ost höchst unpraktischen Ackergeräthe sich zeigen ließen, sich Zeit und Ko¬ sten notirteu, alle neuen Agricnltmchcmischcn nud Siemens Otto tech¬ nischen Werke dnrchochstcn und schließlich nicht mal die Begabung für eine Geiselmeiercistclle hatten, für solche war es natürlich sehr gut, daß die „Alten" vorhergesorgt hatten — ich glaube ihre Notizen nnd Bücher stehn jetzt anno üomini 1862 stark mit Staub bedeckt iu irgend einer vergessenen Ecke. Andere hingegen hatten sich die Praxis schon durch vieljährige Volontär- nnd Elevenstellen zu eigen gemacht, liefen jetzt zur großen Be¬ friedigung des Direktors in Kochstiefcln Tag auf Tag auf die Felder, machten praktische Versuche mit der Seele der Landwirthschaft nnd deren Erzeugern, verstanden hingegen von höheren Wissenschaften nnd der Agri- cnlturchemie, von der Constanz der Racen von */, und Blut, sowie andere termini tvokiiioii auch nicht mal eine blasse Idee und doch stellen sie jetzt ihren Mann, sind reguläre Furchenzieher nnd glückliche Land- wirthe geworden, wie ich von so Manchem hörte und auch theilweise sah — sie legten sich Abends bald zu Bette nnd schnarchten als wenn eine Säge ganze Astknollen dnrcharbeitetc, nächsten Morgen sind sie wieder 7 adrett beim Pflügen, Haidcfcld Rotation Ne. 4 oder 5 gewesen, was bei der Distanz immerhin was sagen will, die erstem dagegen arbeiteten respcctive ochsten an ihren Mannscripten ost über Mitternacht, ja sogar bis Morgens leuchtete die schlechte Lampe von Schöll ans Plieningen düster melancholisch in den botanischen Garten, oder ans gewisse Hansen heraus, und total abgearbeitct fingen sie morgens wieder ihr Absitzen der College an, ihr Wahlsprnch war: Was ich schwarz ans weiß besitze, kann ich getrost nach Hanse tragen, die Nachschrift aber bedachten sie nicht, daß es im Kopfe bedenkend düster anssah bei der Huldigung dieses Motto's. Der Ballast non unnützen Analysen und unpraktischen Ver¬ suchen wird wohl schwerlich je gelichtet werden — ja wie bemerkt, wenn sie früher schon mono^ hatten und andre für sic dachten und arbeiteten, nielleicht eben Praktiker, die mit ihnen die Semester fregncntirten, dann ging cs wohl ohne traurige Versnchsresnltate, sonst aber waren schlimme Lehrgelder zu zahlen, gewiß eine nnabweisliche Conseqnenz ihrer theore¬ tischen Studien. Wenn ich auch jener gedenke, die Lnthcr's Spruch sich zur Nach¬ folge erkoren: „Wer nicht liebt Wein, Weib, Gesang, der bleibt ein Narr sein Lebelang", so geschieht es nur nm einer Sitntation zu erwähnen, die ein solch liederlich Kleeblatt einmal in Plieningen nasführten. Ein Bai- renther, der Tyrvlcr und ein Münchner hatten einmal regulär gekneipt und gebrüllt, von Singen war keine Rede, und als sic schon ganz in höheren Regionen den Rückmarsch antratten, so konnten sic nicht ans dem Dorfe kommen, sie setzten sich also nieder und schrien: „Schnaps, Schnaps du jedlcs Getränk", und später „Hier sitz' ich am Rasen von Veilchen bekränzt", wobei es gewiß höchst kölnisch war, daß sie beim Ab¬ singen letztem Resrain's auf einem Düngerhaufen saßen, von Vcilchen- bekränznng konnte begreiflicherweise nicht die Rede sein, man müßte höchstens die saust zn- und abrieselnde Jauche mit diesen Frühlingsboten vergleichen, was eben auch nur bei diesen Mistjnnkern der Fall gewesen sein konnte, die manchen Semester in Hohenheim vcrbnmcltcn, und so manchen „Batzen" in Wnrtemberg zurück ließen. Als nächsten Morgen Direktor Walz seine erste Vorlesung hielt, war fast das ganze Chor der alten und neuen Caudidaten versammelt, was auch nur damals so zahlreich vertrete» war. Ich sehe nach Walz, 8 an den Katheder gelehnt, mit der rechten Hand sein Manuskript her und hin drehen, wobei er bedeutend hustete, die linke Hand Ivar fast unaus¬ gesetzt bei jeder Kcaftstelle damit beschäftiget sich energisch auf die Schenkel zu klopfeu. Dies war der Anfang der Collegieu, die sich den Winter von 7 bis 9 Uhr Früh so ziemlich gleich blieben, ich werde darüber, so wie über die folgenden Kräfte und Mächte, die uns in die Laudwirthschaft eiuführten, weiter unten berichten; hier bleibt nur zu bemerken, daß im Ganzen den Winter mehr geochst wurde, als in den Sommercursen wo allzuviel andere Abhaltungen vorkammen, natürlich gab es Ball- und Jagdlicbhaber, die auch hier große Ausnahme von der Regel machten, die mit Geld diesen Gelüsten auch nachkommen konnten und Winters wie Sommers Abends und Tags über kneipten, oder in der Stube eine gemüthliche Abeuduuterhaltuug für permanent erklärten — Spiel, Manchen und Trinken — als großen Abscheu betrachteten sie das Ochsen, respective Studireu nach dem Grundsätze: „Biel Wissen macht Kopsweh". LI. Kraste un- Mächte. Von Niemand angefochten Durch's stille Leben gehn. In keinen Kampf verflochten Von fern in's Schlachtgewühl zu sehn. Das dürfte wohl das Beste der irdischen Loose sein. — MMi-ir wollen, Wenn mich bloß skizzenhaft obige Worte als Nicht- schnür nehmend, non der Spitze der Direction bis znm Ende der noch im Ansehen stehenden Kräfte nnd Mächte der Anstalt ein kleines Bild entwerfen, wobei wir mit dem Ches der Anstalt, dem Director beginnen, nnd mit den nntern Departements der Oberlehrer nnd Schäfer, der Magazins- und Geschirrmeistcr, sowie den verschiedenen Assistenten die Reihenfolge schließen. — Wenn ich hierbei an meine frühere Jugend¬ zeit zurückblicke, wo auch ich, wenn auch nicht dem Kalbsfell folgend, doch im Geniechor als Officierspslanze nichts weniger als angenehme Erfahrungen machte; — so kömmt mir mit den Kräften und Mächten einer solch' edlen Truppe als das Geniechor ist, nnd denjenigen von Hohenheim, immer mehr eine gewisse Achnlichkeit vor, natürlich nicht im Sinne des erwählten Standes, die ja himmelweit verschieden sind, sondern in Betreff der Auslegnng von Theorie und Praxis, waren Klosterbrnck au der Thaja, in Mähren gelegen, und Hohenheim im Schwabcnland, sich sehr ähnlich. Hier wie dort gab es anerkannte Träger der einen oder der andern Maxime huldigende Mächte. Als Typen der Theorie konnte hier Dr. Rau nnd Dr. Emil Wolff gelten, während dort die Geniedirectoren, ein Generalmajor Griesinger nnd die ganze Masse von Genicofficiercn, betrachtet werden können, mir für die Praxis, für das Mechanische konnte man den Director Walz Inspektor Hintz anfstcllen, 10 während diesen amolog die Jnsantricofsicierc nnd Bajonetfechter ange¬ sehen werden müssen. Erstere wollten Agricnltnrcheniie nnd Stndinm der Landwirthschaft — sowie höhere Mathematik nnd Fvrtificationsknnde nnd höheren Kurs; letztere tiefes Pflügen, ordentlich Schaffen — oder aber was gewiß bei Kriegen in Betracht kommt, wurde von letztem gepredigt, ordentlich drcinschlagen und mit Bajonet angrcifen. — Eine Verschmelzung beider ist hier wie dort schwer möglich, weil sich die Theoretiker oft weit erhaben dünken über die Praktiker, welche sich wieder, wenn sie des Tages Last nnd Hitze getragen habe» und ordentlich „geschafft" hatten, einen Teufel um die Analhseu nud die daraus gewonnenen Schlüße der Vernunft scherrtcn; die rohen Bauern oder gemeine Svldatcnnatnrcn sagen erstere sind eben ohne höheres Streben — die gelehrten Herren, die alles vermanipnliren sagen letztere oder einem von dem Chor mnß man in Praxis für eine Truppe schon Manches durchsetzen; was besonders bei letztem! Vergleiche durchaus eine verfehlte Ansicht ist, man braucht nur einen besorgten Oberst zu haben, der sich liebevoll seiner Untergebenen annimmt nnd kann versichert sein, daß alle Carccr nnd Sekretäre Hohenheim's inel. Bockmahcr und Schüßler wahre Engeluaturen dagegen sind. Doch nach dieser Abschweifung zu der 1. obersten Macht Dircctor Gustav von Walz, einer imponircndcn Gestalt mit offenen Gesichtszügen, ein rechter Landwirth nach altem Muster, schon stark in den Fünfzigern, doch praktisch über Alles, wann er 2 Uhr Nachmittags seine Ercursionen vom Schloßportal anführte, so schaarte sich die ganze Elite der Praktiker zu ihm, uns nun ging's an ein Demonstrircn wo auch ein 5jähriger Volontär von einer Hannover- oder braunschweigischen Domaine noch viel lernen konnte, — leider waren seine Vortrage und Excnrsionen oft durch die bedeutenden Hnstenanfäll-: unterbrochen, für die er ausdauernde Hei¬ lung bis jetzt nicht fand. Seine Frau war eine gemüthliche, behäbige Dame ans Wangen schon in Ellwangen in die Oeconomie eingeführt, und hätte gewiß angenehme Soiröeabende veranstaltet; aber das Uebcl ihres Gemahls verhinderte dies. Sie hatten eine Tochter in Tübingen verheirathet, von wo sie unsre Bälle besuchte, sic war eine Größe in jeder Beziehung, selbst als Ersatzmann in einem Depotbataillonc konnte sie fnugiren; — dasselbe 11 versprach ihre jüngere Schwester zu werden; hierbei kann ich gewiß nur den Wunsch aller alten Hoheuheiiucr anssprcchen, daß es dem alten Praktischen Herrn nach viele Jahre vergönnt wäre seine Abende gesnnd nnd heiter in der Speisciucisterci bei Bier und der langen Pseife gcmüth- lich zu verbringen, mit den Witz- und geistvollen Kräften der Anstalt; daß er noch manchen Saamen goldbewährtcr Lehre streuen möchte, in seiner Hörer-Seele um noch manche 8 Felderwirthschaft stolz gedeihend, nmtreiben würde- — Die 2. Persönlichkeit, die bei Abwesenheit des Direktors auch dessen Stelle versah, war Oberstndienrath Riecke, zugleich auch Redakteur des hohenhcimer Wochenblattes; ein feines geistreiches Gesicht, natürlich von der Last der Jahre gcbngter Haltung, einem kurzen Halse nnd sehr freundlichen Augen, auch sein Mund konnte beim Lächeln einen höchst gewinnenden Ausdruck annehmcn; er bewohnte einen Thcil des Schloßes, den linken Flügel von Director's Logmcnt mit seiner kleinen sehr liebenswürdigen Fran — sie blickte sonst sehr düster in's Leben hinein, doch verlor sich dies ganz bei näherem Umgänge mit der würdigen Dame. Sie hatten nnr eine Tochter, die natürlich schon längst über den Lebens Mai hinaus war, die wenn auch nicht von Schönheit geplagt, doch gewiß eine praktische nnd geistvolle Hausfrau geworden wäre, wenn sic sich unter die Haube begeben hätte, doch hat sie dies trotz verschiedener Anträge nicht gethan, nnd besaßt sich mit Oelmalerei in ihren Mußestunden, und will ihren Lebensweg einsam gch'n, da sie Vermögen besitzt oder besitzen wird, so kann die Version wohl richtig sein, daß verfehlte Liebe in ihr alle jugendliche Triebe versenkte. Der Herr Papa, ich will damit nicht zu viel sagen aber etwas war er Pendant, ein Drciwinkel ausgezeichneter Mathcmathikcr, nnd da dies Studium von den Forstcandidaten mitgemacht werden mußte, so ver¬ ursachten ihnen oft die Auflösung der mathcmathischcn Probleme trübe Stunden — darüber könnte mau eigene Geschichten schreiben, ich weiß cs vom Gcniechor und dem mathcmathischcn Wiesenbauconrs, wie manche Klippe bloß in den logarithmeu von Vega steckt, ohne der analytischen Mathematik zu gedenken. Jeden Samstag fuhr dieser würdige Nestor in einer alten Plieninger Chaise nach Stuttgart nm Sorge zu tragen für das liebe Wochenblatt, daß cs ordentlich verlegt nnd gedruckt 12 werde bei I. G. Cotta'scher Verlagshaudlung, Stuttgart und Augs¬ burg, 1858. u. s. w. Vor Allein Andern will ich meinem lieben Professor Fleischer jetzt ein Paar Zeilen widmen; derselbe war in seiner Jugend ausübender MlküLviuae voator und ist erst später in Hohenheim Professor der Chemie und Naturwissenschaften geworden; er war von mittlerer Statur und Jahren, und von außerordentlich schneller Gangart, er brachte bis zum unglücklichen Fußbruch in Genua bis zu 13—14 Stunden des Tag's am Marsche zu — was oft zu nicht geringem Leidwesen seiner Mit¬ gesellschaft auch mitgcmacht werden mußte. Er hatte sehr feurige durchdringende Augen, die bis auf der Seele Grund zu lesen schienen, von denncn er bei passenden Gelegenheiten sehr umfassenden Gebrauch zu machen wußte, z. B. im Sommer bei großer Hitze, wenn jemand in der Botanik oder Pflauzenphisologie süß und sanft entschlummerte, so konnte er den Vortrag unterbrechen und sehr eindringlich den Schläfer fizureu und oft so lauge bis ein Nachbar solch' Wissenschaft Hohn sprechenden Träumer unsanft erweckte. Er bewohnte mit seiner Familie die untere rechte Etage des Schloßes — seine Fran eure Schweizerin von Aarau war in manchen Beziehungen fast möchten wir sagen allzuliebenswürdig; besondere Verdienste erwarb sie sich nm schwäbische Fräuleins unter die Haube zu bringen — doch thun dies mitunter auch auderc Damen mit eben solchem Pflichteifer; ferners war sie ganz geeignet mit ihrer imponireuden Gestalt und süß sprechenden Manier sich reguläre Pantoffclritter zn erziehen; 2 hoffnungs¬ volle Söhne waren an nbzehrenden Krankheiten ihr gestorben, und hörte ich erst kürzlich, daß auch der 3. nicht weit besser stehe, dach hatte sie noch eine viel versprechende Tochter, die schon zn meiner Zeit eine Schvhnheit oberen Ranges zu werden versprach; möge ihr vor Allem ihre Gesundheit erhalten bleiben, ohne welche gewiß alle Vorzüge der Erde ein Phantom sind. — Der Professor hatte seine Fenster mit Reben überzogen von der Vitalba lapruska, amerikanische Waldrebe, die eine angenehme Kühle im Sommer in seiner Wohnung verbreiteten, und im Winter hatte der Salon der Frau Professor ein sehr trauliches Aussehen; sic war Bluineuliebhaberin und ein ganzer Flor von Camellicn, Rhodo- dcndron's, Monatroseu und Hyacicnthen erfüllte den Raum und erfreute 13 das Auge sowie die Nase, ihr Spiegel ober dem Staatssopha war mit wirklichem Epheu überzogen, doch hatte ich die obern Parthicn dieses Spiegclseitenschmnckes immer stark im Verdacht, nachgemacht gewesen zu sein; in keinem Salon der hohenheimer Honoratioren ließ es sich bei summender Theemaschine so angenehm plaudern und so süß und duftig, ohne poetische Bedeutung, träumen — wie mir so manches Liebespaar bestätigen wird; besonders die Träger der Namen ans sky und der Nation, die noch nicht verloren ist, waren hier immer zahlreich vertreten, es ist aber auch ein sehr angenehmes Gefühl die Leiden seiner Nation gegen warme mitfühlende Herzen zu klagen, und sich sodann von süßen Lippen Trost und Hoffnung ans die Zukunft znsprechen zu lassen. Uebrigens war auch der Professor eine sehr angenehme Persönlichkeit im Umgänge, von seinen Vorlesungen wollen wir dies weniger behaupten, er wußte lebhaft und geistreich über alle Wissenschaften zu discntiren, und wer Lust und Liebe zu seinen Hanptwissenschaften Botanik und Ge- ognosie hatte, konnte hier ungemein viel lernen — andere wieder hatten immer darüber zu sprechen, er wäre zu viel — Schulmeister gewesen. Mit großer Vorliebe habe ich immer den Vorträgen des Professors Siemens gelauscht, der in jeder Beziehung ein würdiger Vertreter der technischen Wissenschaften war, wie die vielen und dicken Bücher lehren, die er schrieb; oder sich an deren Herausgabe betheiligte, daß im zuwei¬ len ein Kartoffelbicr nicht ganz gelang, daß eine Ruukelrnbeufiltration nicht entsprach, daß wollen wir mehr den assistirenden Mächten diesen echten Rübenhausen in die Schuhe schieben — doch können wir nicht verschweigen, daß ost dieser edle bebrillte Hannovraner bei den Rechnun¬ gen im Hörsaale sich großer Schnitzer zu Schulden kommen ließ, die wieder mehr seinem Geiste zuzuschrcibcn sind-, war er nämlich bei der Er¬ klärung und den Kostenüberschlägen von der Branntweinbrennerei, so flog sein nie rastender Geist znr Nunkclrnbenzuckerfabrication, deren Erträgen u. s. w., wodurch er vom eigentlichen Vorträge nnschnldigerweise ganz abkam — doch sonst war er eine praktische Natnr. Er wohnte sammt Familie neben Rieckc's, und zu seinen Soircon cingcladen zu werden, war ein Vorzug — seine Fran hatte etwas zu staare Augen, wovon sich manche gewiß unnöthig fürchteten, ihre einzige Tochter Siemens Tonny hatte trotz ihrer Jugend, doch im Fache der Licbhaberrolleu schon 14 viel geleistet, trotz ihrer 18 Jahre Ivar sie von schlanker wahrer Hopfen- stangcnstatnr, daher ihr Herzbrechen fast leichter zn benrtheileu war. So arg war cs nnn wohl nicht, obwohl jedes Semester ihr ephemere Lieb¬ haber genug brachte, im Sommer besonders in der Lindenlaubc im Park, wo dieses trisolinm sonpirte, war meistens und immer wieder die hei߬ blütige Nation der sky's stark vertreten; einmal im Jahre wurde auch eine Probe des im Winter selbst gebrauten Kartoffelbieres im Garten vertilgt, bei welcher Gelegenheit cs sich zeigte, daß der Chef der technischen Anstalten oft nngcmein witzig sein kvuutc. Ich lasse hier nur einen Fall folgen; ein anderer Professor erzählte wie stark er immer seinen Studien abgelegen sei, um uns auch zu solch Streben auzusporneu. So habe er einmal einen Ball ein paar Stunden von der Universität besucht, sich hier ganz sterblich in ein Mädchen verliebt, trotzdem wäre er nm 3 Uhr früh ans und davon, um die erste Vorlesung nm 6 Uhr nicht schwänzen zn müssen. Worauf Siemens ihm die lakonische Antwort gab, daß Stndinm wäre wohl darnach gewesen nm es nicht anslassen zu dürfe» — gewiß die vergleichende Anatomie; ein ungeheueres Bravo belohnte die Pointe des Gründers der Böblinger Zuckerfabrik, deren schöne Einrichtungen, nur eine größere Rentabilität zn wünschen übrig ließen. Er verdarb nie einen Scherz nnd war sehr geneigt an einem „Ulk" in der chemisch-technischen Fabrik theilzunehmen. Auch unser Agricnltnrchemiker Dr. Emil Wolff aus Rendsburg gebürtig, war eine beliebte Persönlichkeit so wie eine hübsche Erscheinung dem sein Schmieß — ob er in Kiel von einer Terz oder Quart her¬ rührte, darüber war man unentschieden — sehr Wohl stand, und die Bur- schenhcrzen noch mehr zucignete. Freilich waren seine Vortrüge mehr der theoretische Theil der Wissenschaften, Prap wurde hier weniger gelehrt, daher auch in den Laboratoriums die Praktiker aus Stolz nicht arbei¬ teten, doch waren hingegen die Vorlesungen der or- und anorganischen, sowie der Agricultnrchemic im Sommer fast so stark besucht als dies bei den Director's Betriebslehre und speciellen Pflanzenbau der Fall war, hier Prax dort Theorie, eine richtige Mitte, nnd es konnte nicht fehlen. Des Abends regelmäßig spazierte er mit seiner Frau, einer sehr lieblichen feinen kleinen Dame gen die Garbe zu, und kein Wetter konnte eine Unterbrechung veranlassen, außer cs waren besondere Ereignisse die solch' 15 cnic Promenade nicht Meßen, z. B. die Ankunft eines jungen Wolfs oder einer kleinen Wölfin, die sich auch nach ctasmäßigen Zeiträumen regelmäßig Mieder cinstellten, er hatte seine Wohnung ebenerdig im linken Schloßslügel nnd auch die Hörsääle nnd Laboratorium s waren in der¬ selben Etage. Daß er ein Gegner Liebig's ist, darüber ist soviel ge¬ schrieben und gestritten worden, daß man nicht weiter diesen Gegenstand zu berühren uöthig hat, — zu erwähnen ist nur, daß in nenestcr Zeit Liebig jede Eompetenz über landwirthschaftlichc Chemie in einem Buche twu einem Leipziger Professor abgcsprochen wird — ihm den Heros der Mineralstöffler — wodurch die N stöffler und deren Panierträgcr Wolff, der übrigens dabei die Mincralstoffe durchaus nicht bei Seite gelegt wissen will, eine weitere Aussicht ans den Höhepunkt der Agricnltnrchemic zukömmt. Ihm an Feinheit des Bortrags gleichkommend, ja fast noch über¬ treffend ist Dr. Ludwig Rau, dessen Vater Gchcimrath in Heidelberg und eine berühmte Persönlichkeit ist; er war wie Fleischer in der Jugend Arzt und hat erst später sich der höher» Landwirthschaft gewidmet — doch ist non ihm ans der ersten Zeit über Kinderkrankheiten und Frauen- behandln ng ein sehr zartes Werk geschrieben worden. Er hatte sehr Niel theoretische Kenntnisse, die er lehrte, nnd Praxis lernte er erst recht mit unter Walz nnd Hintz, also konnte er später gewiß ein famoser Land- wirth werden, da seine Frau eine reiche Rheinländerin ihm unterstützend zur Seite steht. Er war der Aristokrat unter dem Lehrkörper nnd seine große Zuvorkommenheit gewann ihm viele Herzen, eine achtjährige Tochter, die mit der Gouvernante des Lagcrkrantz oft Promenaden auf der Terasse machte, hat alle Aussicht eben so fein und zartfühlend zu werden, wie die Eltern es schon jetzt sind- Er konnte höchst anständig gewisse Kapitel der Rind- nnd Schafzucht vortrageu, auch Geräthe-Kunde Ivar ein Lieblingsthema unseres Herrn Rau. Er hatte eigene Equipage, nnd kntschirte zuweilen eigenhändig die zarte Donna nach Stuttgart; seine Abendnnterhaltnngen waren beliebt nnd W. wird es mir bezeugen, wie stark ihm Sängerin und Klaviervirtnosin K. dort gefiel, ein Unglück war es nur bei diesen Soireen, daß Herr Ran oft gar zu viel Candidatcn in seinen etwas beschränkten Raum einlnd, wodurch es kam, daß viele als Wandtapeten einen großen Thcil des Abends gebraucht wurden — 16 ward es endlich gar getanzt, so konnte für den Abend den Hüncrangen kein größeres Pech wiedcrfahrcn, nicht allein das; ein Paar regelmäßig das vorhergehende bei Seite warf nnd respcctivc tratt, auch die tanzenden Er nnd Sic waren bemüssiget sich gegenseitig Proben abznlegen über gute Drnckfähigkcit der Stiefel nnd Tanzschuhe, dabei beeilte sich das Thermometer ans 20" R. zn steigen .... Badehitze im Zimmer. Er hielt viel ans elegante Toilette, und hatten wir z. B- einen Ball um 8 Uhr Abends, und er hielt von 6 bis 7 Uhr Kleinvichzncht, so war er zur selbe» Zeit schon ganz im Ballcostüme, lackirte Stiefel, weißer Kra- vatte und Schwalbeuschwauz, wobei er dcu Abcud besonders zarr die Fingerspitzen erhob nnd senkte ganz schon im Vorgefühle von r> cU-oit, tour No muilm n. s. w. Da er noch in guten Jahren ist, so kann noch viel die Agricnltnr von ihm erwarten, er bewohnte mit Dr. Rneff einen der Seitenflügel des obcrn in Qnaröc gebantcn Hohenhcim's; jenen Trackt, wo Franzisko von Hohenheim, sowieHerzog Earl wohnte nnd starb. Dr. Adolf Rneff, Professor der Thierheilknnde, hat ein sehr wohl- cvnservirtcs gentlcmenlikcs Acnßere, als Thicrarzt hat er mannigfache wcrthvollc Erfahrungen, besondere Vorliebe für Pferde nnd deren Neben- nntzngcn, Ein- nnd Verkauf n- s. w., sowie Kenner aller erdenklichen Mängel von falschem Kautschuk, Ohren bis ans gefärbte Mähnen nnd andere Verjüngnngskünste, er hatte fast jugendlich schlanke Figur, einen kleinen Hcnryqnatre-Bart nnd machte auf den ersten Augenblick den Eindruck eines flotten Lebemannes; war bei Jagden oder Scheibenschießen auf der untern Wiese das Haupt der Arangcnre und besonders mit Aristocraten immer liirt, auch den Orden der Ehrenlegion wußte er bei passenden Gelegenheiten zn tragen, nnd versäumte es nie an Sonntagen im Hotel Hcrrman in Cannstatt sich das Leben nnd Treiben anznsehn; als Vorwnrf wird ihm gemacht, daß er zn wenig sich nm die Candi- baten der nntcrn Rangsclassen von Baron abwärts interessire, was seine kleine Hacken wohl haben mag, doch lebt cs sich eben exquisiter in Reichsritter- nnd Neichsgrafcn-Gesellschaft. Seine Gemahlin eine geistvolle Dame nahm jährlich an Lmbon point zu, nnd ward immer mehr der Gegensatz zu ihrer Schwester, die die Bälle von Stuttgart ans mit ihrer Gegenwart beehrte, so dünn wie ein Spinngewebe, nnd so duftig wie der Acthcr, würde meine vcr- 17 ehrte Freundin Niendorf sogen, war diese zarte Jungfrau gebaut, und hat trotzdem schon manchen schüchternen Jüngling eingetanzt. Der schönste Schmuck von Rneffs wareu ihre 3 liebenswürdige Mädchen, alle noch im zarten Alter, wovon die Jüngste, das Agneschen, die schönste Blume dieses Kranzes zu werden versprach. Ihre Soireen wurden besonders von Pferdeliebhabern und Lord's des Sports besucht, wobei mit fabelhaften Preisen herumgcworfen wurde, was jenes Vollblut oder ^blnt Araber, dieser Kucheurcuter oder jener Revolver gekostet haben sollte, — alles natürlich in höchst unschuldiger Weise — auffitzen lassen kostet ja nichts. — Was die beiden Chefs des Forstdcpartcmcnt's betrifft, so wollen wir als Landwirthe weniger darüber reden, Professor Noerdlinger war gewiß ein tüchtiger Förster oder vielmehr Titular-Oberförster, den seine ölte braune Stute noch recht oft in seine Reviere tragen möchte, seine Bestünde wareu so viel als möglich im guten Staude; kleine Lücken bei Reihcnkulturen zählen hier nicht mit. Der zweite Professor Fischbach war nichts weniger als Philister, der gern ein Auge zudrückte, so lange cs irgend im Bereiche der Möglichkeit lag, auch als Licderkranzmeister nn Vereine mit Cand. theo. Kaufmann, der später, wie ich höre nur zu Niel studirte, daß ihm fast Winnenden ausgenommen hätte, hat er immer dazu bcigetragcn, die Rohheit der deutschen Forstcandidatcn durch Ge- sangcultur niederzudämpfcu, freilich mit oft zweifelhaftem Erfolge, wenn die Landjuukcr, die sich nicht so activ beim Singen, sondern mehr beim Siegle's Ulmer Bier bctheiligtcn, mit den Forstcandidaten gen die Schließ- stunde zuweilen in ein artiges Handgemenge kämmen. Er hatte eine wirklich nette Frau und eine fenrige Schwester, nur im Bezüge auf das Haar natürlich, sein Vater endlich war Hofgärtuer im erotischen Garten. Seine Vorträge über Forstencyclopedie,"dic er nach einem Buche feines Bruders, Försters in Wildbad, vortrug, um auch andern sich nützlich zu machen, war gewiß sehr lehrreich auch für uns Landwirthe, nnr schade, daß seine Collcgien mit andern colidirteu, wodurch es kam, daß sie weniger besticht wurden, als sie es sein sollten. Von den Seeretärcn, diesen Adjutanten der Direktion wollen wir etwas weitläufiger berichten, schon deswegen, da sich während meines Aufenthaltes dort zwei Herren dieser Branche befanden, die die richter- 2 18 liche Gewalt Hohenhcim's in ihren Händen hatten. Der erste davon, der jedoch schon zwei Monate darnach abging, ist gegenwärtig als Ober¬ amtmann in Riedlingen angestellt, hieß Bockmaycr und war eine origi¬ nelle Figur, er war von kleiner gedrungener Statur mit einem, für die Zukunft sehr viel versprechenden Schmerbauche, hatte Locken in Falle und trug eine Brille — doch Schert; bei Seite, er war trohdem immer eine echte jaäex eui-'me Hookonkoimirio Figur, und wie gern er Mu¬ sterung halten mochte über seine Candidaten, war ihm anznsehen — Sitten und Statuten ehren, und Ratioual-Oeconomie lehren, wer konnte es so wie er, singt ein altes Lied von ihm, nnd mit welcher Energie, wie unlieb war es ihm, wenn man sein Colleg schwänzte oder tolles Zeng sprach, davon nnr ein Beispiel, ein gewisser Brackel (russischer Emigrant und später amerikanischer Coupletsänger), wollte ihm über Production und Consumtion mit seinen geistlosen Phrasen ein Loch in den Bauch reden — der Geselle hatte genügend an Bockmayer, den Meister in der National-Occonomie gefunden; seine Wiße endlich waren von zündender nachhaltiger Wirkung — nur bedaure ich die armen Riedlinger am Bußen, wo die Schlchcn blühen nnd die rauhe Alp Wacht hält, er wird sie gewiß arg schuhriegcln. Sein Amtsnachfolger war ein noch junger nnverheiratheter Mann, doch soll er sich derweil eine Gattin zngclegt haben, Namens Schüßler, eine gute aufmerksame Seele, der man es ansah, wie schwer es ihr wurde, wenn er gewisse eindringliche Reden an Jnculpaten halten mußte, der wohl noch jetzt von den Stndio's verehrt seines Amtes walten wird. Es folge nur ein Beispiel seiner Amtswirk¬ samkeit. ... Die komischeste Anklage wurde wider B. W. und D. erhoben, Siegle sagte sie essen doppelte Portionen Fleisch, besonders Dams .... fnttre seinen Magen für 24 Stunden bei der Sechs-Baheu-I'ablo ä' iköte — er könne dabei nicht aufkomm^n, mit dem von ihm gereichten guten — Faarensleisch Ja von dein lieben Garteninspector oder Director Lucas, leßterer Titel war ihm lieber, muß man auch noch ein Wörtchen sagen — er hatte ein kleines Hans gen Birkach zu, nud gewiß eine der liebenswür¬ digsten Familien von Hohenheim, seine Frau eine sehr stattliche Dame, war aus Bayern gebürtig, nnd ein Candidat hatte einmal, wahrscheinlich im Rausche, in dem Postwagen die Keckheit zu Lucas zu sagen, der urit 19 Frau in Fond saß „Aber hören Sie Herr Jnspector ihre Frau hat Race" mau sieht hieraus, wenn man sich auch sehr unästhetischer Ausdrücke be¬ diente, daß sie eine noble Erscheinung war. Er war ganz Pomolog und hat einen großen Ruf — so wie ich ihn immer stark verehrte, und be¬ greife ich bis heut zu Tag nicht die Bengel's, die ihn so oft er mit ein paar Spalicrmodelten, Baumschaareu, Banmzweigeu oder Obststücken in den Hörsaal tratt, mit dem Titel „Banmkratzcr" beehrten. Er war in den pomologischen Wissenschaften immer au sour und kannte fast alle Bänme dem Namen nach an Wuchs und Blatt, was ihm wieder viele, gewiß sehr unrichtig, nicht glauben wollten, tief schmerzte es ihn, als er eine Obstansstellung 1858 in Paris besuchte und dort fand, daß sein Name nicht gekannt ward, dagegen hatte er die Genngthnnng, daß ihn ein Graf in Hohenheim also begrüßte: „Sie sind Herr Lucas — solch ein junger Mann nnd schon einen Weltruf iu der Pomologie". Er hatte eine klangvolle laute Stimme und seine Vorträge hatten immer treue Zuhörer, die während des Aufenthaltes ihm auch ergeben blieben, dem jehigen Herrn Director der pomologischen Anstalt Reutlingen und ver¬ ehrten Freund meiner Wenigkeit. Sollen wir auch die kleinen Geister citireu, ich glaube es wäre besser es zu unterlassen — man käme sonst wahrhaftig in die Lage mit dem Dichter zu sprechen Herr! die ich rief die Geister die werd' ich nun nicht los. Znm Beispiel, Kuriger, vulxo Benedict, Kirschbanm oder Benkeser, oder Herrn Himer brauchte mau nur leise Andeutungen zu geben, die interessante Entbindung von Blümele oder der Rose, einem Merinoschafe oder einer Stute beizuwohuen, so konnte man versichert sein, zu irgend einer späten Stunde aus seinem Bette geholt zu werden, inan kam endlich verdrießlich in den Stall und die Geschichte war meistens vorbei — aber die Hauptsache kam erst naher, roh und kalt wie das Schicksal das pa)'e-; psze« Monsieur, ein paar Sechsbäßner kostete solch' interessante Begebenheit immer, womit man auch meistens genug hatte, mid sich vor weitern Rnfenlassen bei solch' ^oeouokeur Operationen weislich hüthete. Die Beamten der Kanzlei gehören weniger zu den Kräften nnd Mächten Hohcnheim's, natürlich nur in Bezug auf die Candidaten — Oeconomierath Hochstetter war eine liebenswürdige Persönlichkeit, der nur 2' 20 keinen ganz fließenden Vortrag in der Bnchhnltnng hielt, nnd Müchlhänscr sprach schön schwäbisch, was anch nicht Jedcnnann kann. Von Plieningen wurde für unser leiblich nnd geistliches Wohl in gefälliger Weise Sorge getragen, letzteres besorgte Helfer List, der sehr oft im Lesezimmer mit dem Pfarrer non Birkach erschien, seine Sermone bekam ich nicht zu hören, da ich als Katholik den Betsaal nicht besuchte, er soll anch an einer Liebe erkrankt sein, von wo ihm Genesung nicht ward, vielleicht wird die Oelmalerin doch noch mal sich erweichen lassen, es ist ja noch nicht aller Tage Abend, so ist die Version, doch ich glaub's halt nit, die böse Welt spricht nur zu viel. Dr- Kuhn, den ich Gelegenheit hatte in umfassender Weise kennen zu lernen, da er mich bei einer Fnßlnxation — ja man hat los seine Veterinärkuude — bald thcilwcise heilte. Er hat gern gut gelebt nnd hielt, glaub' ich nicht allznstrcnge seine Dnlcinca. Von einer Scene soll¬ ten wir eigentlich schweigen, die sich eines Abends hier zugetragcn haben sollte, als ein hohcnheimcr Vorgänger vor Jahren hier sein Liebchen heiß und warm, dort über dem Duster'sbachc in der Lande bei dem netten Hänschen, umschlungen hielt — der Herr Ehcliebster aber dazn kam — ich glaube die Dame hat das längst hinter sich, so wie so manch neuen Liebeskampf mit andern. Gewohnheit macht eben Leid nnd Freud leicht vergessen. Apotheker Reinhardt hat ebenfalls Hohenheim vieles zu verdanken, er schickte nm doch nicht übersehen zu werden, einem die Rechnung schnell über den Hals — besonders zarte Sehnsucht, süße hoffnungsvolle Krankheiten brachten ihm sein Schäfchen ins Trockene; theilweise noch weiter brachte es die Firma Schöll, bei dem Thee, Zucker, Kaffee nnd and're Lnxnsbcdürfnissc angeschafft wurden, anch Plicningen's Bürger hatten zur Bereicherung dieses in Pansen sprechenden Kaufmanns beige¬ tragen, im Tauschhandel von Kops und ill-ikulium pratense, IVleäioaxa rmtiva u. s. w. Ferners in Thee nnd andern Servicen wurde hier ge¬ macht nnd so mancher hatte lange, lauge hier und bei Nickel ein bedeu¬ tendes Soll im Buche steh'u — wärend sein Haben nirgends registrirt zu werden brauchte. So war ein ehemaliger Freund, der mit mir schon in einem Bataillone des Geniechor's stand, und hier wieder mit wenig Geld nnd viel Behagen Soiree-Abende mit allen Zngehör gab, — doch 21 konnte er hier nicht quittiren, wie er es allenfalls beim Militär ehren- oder schnldenhalber thnn muhte; Jahre lang ward er also noch in Stutt¬ gart internirt, bei Krauß glaub' ich V. Etage, wo man dieses elende Mcn- schengctriebe gen alten Schloß nnd der Stadtpolizci eben wenig sah, und die reinste athmosphärische Lust gratis haben konnte. Um total werden seine Gläubiger wohl nie befriedigt worden sein, daher kann man es den Leuten im Grunde genommen nicht für Uebel nehmen, wenn sie mit be¬ wunderungswürdiger Eile den Lausbuben mit den Conto's auf die betref¬ fenden Nummern entsenden, nm meistens do h noch lange nicht bezahlt zu werden, besonderu Scharfblick entwickeln die beiden sich gleichenden Schneider Birkach's, die Schuster Plicningeu's und die rothc und blonde Waschmamsel, welche alle im Laufe der Jahre sich darin einen ausge¬ dehnten praktischen Scharfblick erworben haben — selbst der Bote weiß iwn verlornen Posten zu berichten und müssen besonders diese untern Kräfte oft von schauderhaften Träumen gequält werden, — wenn sie van schönen Reit- nnd Kothsticfeln, von eleganten neuen Iraks und Beinkleidern, von vielen vielen Waschnnmmern, von geliehenen, doch seit Jahren rückständigenSchmalzfnhrwerkeu träumen, die sie für den reinsten Gotteslohn geliefert haben — gewiß wird ihnen ein dicker Strich im Buche der Gerechtigkeit jenseits nicht fehlen — doch allzuviel wollen wir sie nicht loben, diejenigen die gleich und baar bezahlten, hatten dafür unverschämte Forderungen zu begleichen, so von dem bncklichten Bertsch und dem Gla¬ sermeister, deren Rechnungen ich gleich berichtigte, dafür aber hörende Zinsen mit ausgezeichnet bekam; sie revangircn sich eben bei jenen, die baar und gleich zahlen, für jene die gar nicht zahlen. Eine sehr schlechte Gewohnheit der Egalite, welche abzugcwöhuen wir eben unfern Nachfol¬ gern überlassen müssen. Wir wollen jedoch dieses Kapitel schließen, enthält cs doch, ohne der Phantasie meiner Freunde zu viel zuzumuthen, einen großen Theil des eben nicht angenehmen Kraftergcbnisses, einen zu genauen Pflngmcsser (Hintz) und einige nicht zu unterschätzende Nadelstiche, wir lassen die Wirthschaftsbeamten und Assistenten bei Seite, obwohl Häring nnd der oft beduselte Hahn erwähnenswert!) wäre, besonders letzterer trank gern wit, wo cs auf Regimeutsuukosten geschehen konnte, nnd wollen nur vom Wirthschafts-Jnspcctvr Hintz sprechen, der wirklich als Praktiker die erste 22 Stelle in Hohenheim einnimmt, auch durch vierzigjährige Erfahrun¬ gen dazu befähigt ist, er hatte einen Sohu der den letzten Semester mit uns ochste, derselbe Ivar von hübscher Länge, mit rothen stark geschmierten Haaren, er wollte sie dadurch schwärzer erscheinen lassen, sein Gesicht aber war mit Sommersprossen wie besäet, er hatte viel auf seines Vaters Kenntnisse uns gegenüber gesüudiget und glaubte in seiner Person Theorie und Praxis in jeglicher Vollkommenheit erreicht zu haben — ob er in¬ zwischen irgendwo Director wurde, ist mir uich bekannt geworden — des Menschen und des jungen Hintz Ideale auch nebenbei, sind halt eben um als Oesterreicher zu reden, ihr Himmelreich. III GltUe und Smlrn. Doch deine grünen Epheuranken schlage Erinnerung von Freundschaftshauch durchbebet. Aus meiner Brust in andr'« neu belebet Aus jener Zeit in meine späteste» Tage. MMür die Unterhaltungen sorgten die Studenten selbst je dein finan- AM- ziellen Standpunkte entsprechendem Maßstabe, in Hohenheim selbst war natürlich nicht viel zn dergleichen Extravaganzen gethan, doch war Stuttgart nicht weit, mich München zn Weinachten nnd Ostern leicht erreichbar, endlich aber Cannstadt-Berg nnd die Bäder zn Unterhaltungen in Sonntagen nnd mich während der Woche wie geschaffen, — zwar hatte Hohenheim auch eine Badeanstalt, die mehr einer Pfütze als einer Bade- Anstalt glich; an schwülen Sommerabenden konnte man einem Concerte koxit ksxa roli rek lauschen und wollte man seine Glieder diesem dickflcißigcn, stehenden »o anvertraucn, so tummelten sich in größter Ein¬ tracht die Frösche nnd anderes minder reinliche Geziefer, von den netten Mücken nnd ihren Stichel, gar nicht zu reden, nm die armen unglück¬ lichen „Bene". Den Winter über waren 2 Bälle in Hohenheim, an dem sich der leidigen Standesfrage wegen kaum ein Drittel betheiligten. Der erste davon wurde Ende November und der zweite Anfang Februar gewöhnlich abgehalten; vor allem wurde eine Sitzung von einem provisorischen Comite ausgeschrieben, woran sich zu betheiligen jedem an- 24 heimgestellt wurde, nachdem das provisorische zum definitiven Comitö gewählt wurde, kamen ans die Wählerliste noch 2 Professoren, die auch ohne Austand Konorw eausao bestätiget wurden, die rathend und ver¬ mittelnd mit eingreifen mußten. Bon den Hohenheimcrn hatten sich zu meiner Zeit nur ein Paar hohe Würtembergernamen, dann die ganze Gesellschaft des Dreißigkrenzer-Tisches, sowie einige Preußen, die die Tafel in der Garbe bei dem „Windhunde" hatten, endlich ein Paar Hannovraner und meine Persönlichkeit betheiliget. Das Comitö ward mm stark beschäftiget, und jedem ward ein Depar¬ tement zngcwicscn, der eine hatte für Beleuchtung, der andcrcrc für De- corirung, der dritte für Cotillionsträuschcn und Musik, u. s. w. Sorge zu tragen, worauf das ganze Comitö in pleino paraäo die Direktoren und Professoren einlnd, dabei auch von allcnfalsigen Theater und Concert¬ abenden und Schlittenfahrten leise Andeutungen machten, und sich erge- benst empfahl, mit der Bitte ans dem Kreise der Bekannten recht viele und schöne, war stillschweigende Nebcnbedingnng, Tänzerinnen mitznbringen was huldvollst zugesagt wurde. Der Hanptsall im Schloße wurde mm dckorirt und nebst den dort befindlichen Fahnen, ward die Verzierung meistens von Tanncnreisig besorgt, welches hie nnd da mit ein Paar Gersten- nnd Haberühren und ein Paar Schulischer sempsi- vivon dnrch- flochtcn wurde, außerdem wurden Jagd- und Ackerbancmbleme in Mo¬ dellen und natürlicher Größe zur bedeutungsvollem Weihe des Abends angebracht. Mit großer Verschwendung wurde namentlich das edle Win¬ tergrün der Conifercn angebracht, hier um die Fensterrahmen dort nm eine Blöße bei der Pomona mitleidsvoll zu verdecken, auch die Wände wurden in Quaröcs getheilt nnd mit Tanncnzweigen deren Anfang nnd Ende bezeichnet, der frische harzige Geruch machte sich nicht übel in dem Staube und der Hiße des Abends, natürlich hatten Frik nnd Johann troßdem Punkt II Uhr mit Gartengießkannen die allzu großen Staub¬ wolken noch mehr zu Bodeu zu schlagen gewußt. Was die Beleuchtung anbetrifft so ward schon von früher die Hanptrcgel aufgestellt, die große mittlere Girandole und die Seitenträger mit den Millykerzen so spät als möglich anzuzünden, wurden die Lichter zu Mitternacht gewechselt, so ließ man dann eben so lange brennen bis es dunkel wurde nnd sich die Herr¬ schaften zurückzogen, nachdem nach dem Cotillon oft nach ^Varsowien 25 und mehreren NnLnrka cinf cis oapa Verlangen gespielt wnrdcn nm 3 oder 4 Uhr früh, wo man Siegle'« Punsch erst recht bis 6 oder 7 Uhr alle Ehre anthat. Schon des Abends 5—6 Uhr waren die Zufuhren von Stuttgart zu den betreffenden Professoren im Gange, und wenn man sich die Blühe in dem Durchgang beim Lesezimmer in der Külte zu stehen, nicht ver- drießen lieh, so konnte man einen gewissen Thcil der Stnttgartcr Fiaker mit ihren dampfenden Gäulen anrasseln und in den Wagenecken form¬ lose Gestalten dicht in Mäntel gehüllt sehen, die Blnmencartons auf ihrem Schooße krampfhaft hielten. — Beim Anssteigcn erst sah man oft Damen, die ans großen Füßen lebten, dann wieder mehr oder weniger reizende Waden und bisweilen schmutzige Unterröcke, worüber sich nach Momen¬ ten wieder die Erinoline nnd ein bis hoch hinauf gestickter reiner Untcc- rock mittlcidig senkten, theilweise waren Kopfpnße schon in der Ordnung, nnd nur ein Shawl entzog uns seht die Herrlichkeit; einmal kam cs gar vor, daß ciue Parthie dieser Backfische in ihrem Tauzeifer ohne rechte Toilette nnd ohne Blnmencartons von Reßcnbach abfuhren, was aller¬ dings Pech genannt werden muß. Die Tribüne, wo die Mnsik postirt wurde, sie ward auch mittler¬ weile in einem Omnibus, die in Sommers zu Leiche und den Mineral- bädern fahren, angekommcu; wurde natürlich auf ziemliche Höhenpunkte gebaut, sic ruhte auf Bierfässern, die mit einer Lage kaum '/s Zoll dicken Tauuenbrettern bedeckt war, wodurch es beim Aus- und Abgehcu der Fusion kam, daß bedeutendes Schwanken ersichtlich wurde. Die Umkleidung dieser au sich prosaischen Tribüne ward mit Tan- neureisigcn bewirkt, und von Millhkerzen mit großer Raumersparuiß (?) hie und da erleuchtet; vor dem Dirigenten Wieland war eine kleine Vorrichtung um ei» Papier mit durchbrochenen Lettern hinein zu schieben, welches die Toure» auzeigtc, hinter welchen einsam eine Kerze brannte, was jedoch diese einsame Kerze nicht genirte einmal höchst mdiscret zu¬ erst die Tauuenzweige mit in den Bereich ihrer Flammen zu ziehen und endlich den ganz Feuer und Flamme dirigirendcu Kapellmeister ungezo¬ gener Weise seine Unaussprechlichen fast zu verbrennen; doch wurde es Dank dem energischen Bemühungen des Eomite und anderer nicht tan¬ zenden hoffnungsvollen Jünglinge rasch nnd kräftig gelöscht. 26 Nach diesen Abschweifungen also znr Hauptsache, cs war alles fix und fertig, ordentlich decorirt, ein Lichtmeer ergoß sich ans das dunkle Grün der Zweige und beleuchtete den wieder und zu wiederholtenmalcn gescheuerten Boden, an dem hie und da nur eine Spann sein Dasein un- nöthiger Weise den zarten Fußen cntgegenstreckte. Auch von Schüle, der nebenbei bemerkt eine hübsche Tochter haben soll, per Bnchs- banmstrnnschen mit Jniortcllen gemischt, erworben, die höchst traurig in einer Ecke standen um beim Cotillon verwendet zu werden, Balltüfclchen sainmt Bleistift hielt man in seinen zart behandschuheten Händen (Schmid, Königsstrasse Nr. 8) und so wartete man 7^ Uhr der Dinge, die da kommen sollten. Im Zimmer vom Hanptcingangc hatte sich Sigle mit seinem Büffet niedergelassen, mit exquisiten Speisen und billigen guten Getränken? sowie Punsch durch alle Rubriken von Ananas bis znm Thce oder Lindenpnnsch, sogar Sorbet konnte man nm einen Scchbätzner schlürfen. Und im Zimmer links da war der Zugang für die Professoren, für deren Frauen und die Eingeladenen, stolz wie die Batteriechefs schritten die Comitemitglieder den Hut an den Leib gedrückt und hie und da ein abgerissenes Handschnhknöpfchen von dem Boden anfhebend, sich und ihr Werk bewundernd, ans und ab, schon von weiten! an ihrer Würde er¬ kennbar durch die seidene weiße Schleife oder Rose in dein Knopfloch des Schwalbenschwanzes; wir andern waren wie eine Heerde Schafe vor Sigle's Büffet aufgestellt, in Rotten von 3—4 Mann, oder saßen auf den primitiven Divans, die rings herum liefen, weiße und rothe Figuren, auf echter schlesischer Leinwand. — Endlich fing es an, Schlag ans Schlag rauschten die Damen mit ihren Schützern herein und bald wurden Schrapnels und andere Wurfgeschosse geworfen, was seine voll¬ kommene Richtigkeit in Bezug auf die solchergestalt armirten Batterien hatte, der Augen Blau bedeutet Trene, aber ist höchstens Scchopfünder, doch eines Anges Bräune ist stets dunkel, schwer erstnmber Viernndzwan- zigpfünder. Die schweren oder leichter gezogenen Geschütze occnpirtcn die Re- servepostcn und moqnirten sich über uns arme Landjnnker, hier hatte einer gewiß alte Handschuhe, und jener einen geliehenen zu kleinen Frack, auch waren diese Glanzledcrstieflletcn schon in manchen! Feuer bei Bällen in Magdeburg und Umgebung nud jene Hosen! konnte Herr Papa auch 27 schon getragen haben, so ans liebreiche Weise suchten sich ^arüo ries Dames ihren schweren langweiligen Pasten zn erleichtern, wobei sie nicht ermangelten scharf und bestimmt auf ihre Schutzbefohlenen zu sehen, ob nicht etwa zu lange das Händehalten bei tour äss malns, oder aber tiefe Blicke bei Polonaisen gewechselt wurden, nm daran Ertappte gleich höchst nngenirt zu fragen, ob mau denn wohl ernstliche Absichten habe. Herr Director hatte seine schon vorhin erwähnte Tochter mitgcbracht, die an seiner Seite in schwerer Atlaßrobc zum großen Aerger anderer Damen hiueiurauschte, — vielleicht war es ihr Brautkleid, cs war ja so sinnig mit dem Vergißmeinnicht und Rosen verziert, also gewiß sehr verzeihlich, ein nicht mehr sehr junges Fräulein von Stuttgart, in leichtem Gaze- kleide war als Plänkler in dieser Tiraillenrkette, die den Reigen eröffneten, wozu nach uud nach in kurzen Distanzen das ganze Coutiugent mit an¬ gezogen kam; Fischbachs feurige Schwester uud Fran, bei beiden machten blaue Farben einen harmonischen mildern Eindruck, Madame Rau oa xranä tonus, doch nicht als Tänzerin, kam mit einer Stuttgarterin, die auch in Privatzirkeln sich herbei ließ ihre Elfeustimme hören zu lassen, dabei war sie von starkem untersetzten mittleren Körperbanc, die ihren Flieder höchst unternehmend rings um den spärlichen Haarwuchs gewun¬ den hatte, doch war ihre lb'oreo das Tanzen eben nicht, besonders bei Rundtänzeu hatte jederzeit der Tänzer zu klagen, daß sich diese feder¬ leichte? Last gern tragen ließ uud beim Drängen der Paare konnten ihre niedlichen Füßchen immerhin ziemlich fühlbar werden; besonders er¬ greifend sang sic: „Ach wärest du (trotz alledem was geschehen) mein eigen; wie lieb solltest du mir sein". Dr. Rueff mit den beiden L's am Arm verschwand fast vor den großen Crinolinen in der Mitte, doch hat er das Mögliche gethau, um mit dem Orden der Ehrenlegion im Knopf- loche nicht zn verschwinden, beide tanzten gut und hatten Liebhaber bis zum Rnbicon. „Aber höre", sagt schon „Göthe", „heirathen ist ein böses Wort, hör' ichs, möcht' ich gleich wieder fort", — es half natürlich nichts, daß sie dann zusprachen laßt uns einmal nur nehmen, das andere wird sich dann geben — doch hat sich bis jetzt eine Heirat nicht ergeben, sic hatten Bekanntschaften wie man in Schwaben sagt durch alle Branchen von jungen unternehmenden Lieutenants mit bloßer Gage bis zum Haupt¬ mann aufwärts, vou Kaufleuten bis zn Banquiers, von kleineren Guts- 28 besitzen: bis zu verschuldeten Rittergutsbesitzern, wodurch sie eben sehr bekannt wurden, ob zu ihrem Vortheile, ist eine andere Frage. Die Blonde liebte gegen jede Krentznngsregel schwärmerisch die Blonden, und die Brünette hat sich nicht zu hartherzig gegen brünette Lord's gestellt. — Beide obwohl hübsch, haben die erste Jugend nut ihrem naiven Zauber schon weit hinter sich, doch lassen sic das Plänkeln noch nicht, — es ist eben angeboren und wollen wir darüber nicht raisonnircn. Auch Siemens kam, die lange Tonui hatte zwar ihre Größe dnrch eine immense Crinoline etwas vergessen gemacht, doch sahen die meisten Candidatcn, wie Liliputs gegen sie ans, mit ihr kam eine Psarrerstochtcr, die mich stark an Wildermnth's töchterreiches Pfarrhaus erinnert, welche wegen ihrer großen Füße, nebenbei bemerkt, entwickelten sie auch keine Ambragernche, berüchtigt war; sic soll schon 15 Jahre in Hohenheim fort tanzen, wie man sieht ohne Erfolg, und allcnfalsige Berührung ihres Pedals mit jenem des Tänzers, konnte selbst sehr verwegene Tänzer dazu bringen, den Abend für den Tanz sich znrückznziehen. Willert konnte nicht genug rühmen, welch' großes Gewicht in dieser Figur verborgen wäre. Dr. Wolff hatte Hofdienst bei der Fran, konnte nicht abkommcn, und Riccke, sowie seine Tochter sahen mit wegwerfenden Mienen auf solche Bälle und deren Folgen — vielleicht waren ihre Gefühle weniger gethcilt vor 10—15 Jahren. Oberförster Noerdlingen kam mit einer lieben frischen Waldblnme, rothc allerliebste taxus baoeata in dem Kopf¬ putz, auch mehrere Sommerblumcn, die den Herbst schon nahen fühlten, waren auf dem Balle, und endlich die Professors-Damen, die den Mangel an Tänzerinnen theilwcisc abznhelfcn suchten; was zuweilen gar nicht nöthig war, da sich viele der Studios in einer beobachtenden kritisircnden Stellung befanden und höchst vornehm thaten, — was oft jedoch einen sehr untergeordneten Grund hatte, z. B. ein schlechtes Tanzen, oder der Besitz sehr miserabler Stiefel, endlich auch ans Gesundheitsrücksichten vom Arzte untersagt. .... Ans ein Klatschen mit den Händen des all latus vom Comitö begann die Jntrodnction zur Polonaise, nachdem man früher vorgestellt wurde und sein Balltäfelchen mit Namen chiffrirte, ein genanes Verstehn habe ich nie erzielen können, ob es den aufmerksamen Ohren der Damen besser erging, det weß ick nit, dct aber weh ick, det die xarcko «les damos, 29 so die Ohren spitzten besonders bei Namen, die mit Baron oder Graf begannen, als wenn es gälte die schönste Arie Marlow's zn erlanschen. So kam es, daß die Balltäfelchcn ungefähr folgendermaßen lauteten: die Polka mit der Blonden (bedeutungsvoll), Maznr mit der im blauen Kleide und dem Achrenstrauße im Kopfputze, alles lauteres Gold, — Quadrille mit der Weißen und dem melancholischen Blicke — mir hat er abgeblüht des Lebens Mai, natürlich als Ergänzung — den Walzer mit der Dicksten, ein sehr passendes Wort für eine damalige Tänzerin — Polonaise mit dem ans Aethcr gewobenen zarten Elfengesichte und Eo- tillon mit der Land, thcol. Frau non Plieningen, o weh! solch eine Zusammenstellung, die sehr feiues und noch mehr gröberes Geschütz ent¬ hielt, doch durchaus für einen tüchtigen Feuerwerker erreichbar blieb. Für den ersten Tanz hatte ich das stille Vergißmeinnichtgcsicht ans der Tirailleuerkette des Directors gekapert, und als ich so mit ihr promenirte, ehe der Tanz losging, machte sie charmante Elogen über die Decvratio» und den Saal, der gegen die Silberbnrg ein wahres Palais sei, — ich meinte es gäbe dort wohl ebensolch', wenn nicht nettere Araugcure, worauf sie mich ohne weiters zu dem nächsten Abouementsball engagirte, sie wäre, twu einer Rangsklasse oder vielmehr ihr Papa, der sich so etwas schon erlauben dürfte — wo findet mau liebenswürdiger Naivetät und Uneigennützigkeit mit einander gepaart? Dieser Ball, sowie die fol¬ genden, mit und ohne Concert und Theaterabend nächsten Tag, sanden nun ihren gewohnten bekannten Fortgang, bis zur Panse und dem fol¬ genden Sonpe 12 Uhr Nachts, wo Tische znsammengerückt und was sich finden wollte, auch richtig znsammenfand, nach einem kalten Putten, di¬ versen Kalbs- und Hammelbraten, Hasen und zweifelhaften Rehragonts als festere Unterlage, kam der Schluß mit Punsch und Champagner, sowie Nekarwcine, für die einfacher zahlen wollende». Die Etiqnetten waren an den Flaschen herausfordernd mit Veuve Oligaot, lVloet L cikanäon, Nu« Ir. Cvuiles Luilclisuseu ut lülumonau unä us kuriber — Pleuse mulce sulututions to ull tlre^ clont liuve korxet to )our sineere krienä '1'kooelor v. Ile^munn. Wie also obiger A. nach Blunienan kömmt, war es sein Erstes, den liebenswürdigen Schwestern meines Freundes B., die schöne Wäsche zu zeigen, später bemühte er sich auch sein gesticktes Sacktuch bemerklich zu machen, wobei wir es sehr begreiflich finden, daß die Damen dies Tuch nicht näher untersuchen wollten; da er sich uähmlich stark geuirte, rieb er fortwährend Vie Hände nud wischte sich deu Schweiß von seiner hohen Stirn — cs muß also dicscs mit Schwefelwasserstoff mit NHz ge¬ sättigte Tuch etwas weniger als appetitreihcnd gewesen sein. Nebstbei beim Ofen pvstirt, verbrannte er sich lieber einen unnenbarcn Theil seines Körpers, statt, daß er die in den zitternden Händen haltende Tasse auf einen Nebentisch und sich selbst etwas weggerückt hätte. B. sagte ihm im Scherz, er wolle seine Schwester heiraten, worauf A. später ans Norwegen schrieb, nachdem ihm früher sein Reisegefährte Neumauu in Eölu verschwand, ans bestimmten Gründen natürlich; „Mein Schwester hat sagen, ist das die, der mir haben wollte, ein schönes Kopf" als sie seine colossalcn Gliedmassen ans der Braudseph'scheu Phvtografie bewunderte, gleich dahinter kömmt der Sah vor: „Ich werd' auch noch 47 geh» besuchen einen Colleg iin Frühjahr, daß in Christiani» gebaut wer¬ den sollten," über welches hochdeutsch inan sich nicht wenig ainüsirte, be¬ sonders letzterer Satz, bleibt was das zu hörende und zu errichtende Collcg aubetrifft, etwas dunkel, etwas stark die Phantasie des Lesers spannend. Seine Visitenkarten waren immer Zweideutigkeiten unterworfen, Peter Christian Anker, es hieß bloß CH. A. O! Dn armer, möge Dir der grüne Nascnhügel leicht werden, denn Dn freilich kurz genug unter Deinen Füßen hattest, — jetzt wo sich Niclleicht im kalten Norden im Wonnemonat, Non liebeöollcn Händen, der Nerwitwetcn Gräfin, gepflanzt, ein ganzer Blumenflor auf Deinem Grabhügel befindet, den Schmetter¬ linge umschwärmen; — oder sollte Dein Andenken schon vergessen sein, dort wo mau Dir oder Deinem Rcichthume ehemals so huldigte? Deine Freunde haben Dir gewiß ein treues Andenken bewahrt. Doch hinweg mit so herben, traurigen Rückerinnerungen, „Die Liebe muß sein platonisch" singt der edle feine Lauer, worauf Bruhn, aus Rcuß, Greitz, Schlcitz, Lobeustciu, Ebcrstcin unter Heinrich dem l-XXXVlll. intonirt: „Die Liebe sei nicht zu roh," er hatte ein Paar Attaquen links von der Eberhardstraße hart am Neßeubachc „och be euer Taute" und der Thoralf Moiuichcu sagt mit Autorität, er hat sich dieselbe erworben in München und bei Madame Spatz, hat sie auch bezahlt in Mercnrial- kuren uno Dr. Kohlhaas Visiten „Sic schadet sonst der Gesundheit" was den zarten mädchenhaft schönen Kurz aus Würzburg veranlaßt zu fragen: „Wie so?" Auch kamen in diesen Zimmern oft stille Gespräche vor, nahe den Fenstern, und wir plauderten beim Ofen, freilich passirtc es, daß oft ein Engel oder Polizeiminister Abugosch durch das Zimmer glitt und'man nichts hörte: „Als das Geflüster kluger Myrthen Und der Blumen Athemholen" — Die klugen Myrthen waren Abgeordnete von Schöll und Rein¬ hardt, von den Gaisbvcken und Psriemenschwingcrn Plieningens, von den Schmalzfnhrwerkvermiethern Birkach's, die nur zu oft in gedrückter Stim¬ mung zu Sigle ans ein „Schöpple" herabschlichcn, ohne daß ihr kluges Nüstern etwas genützt hätte. Und die Athcmholenden waren Blumen 48 schon späte Herbstblumen pon G- p. D. K. und anderer solch' lieber Btüuse, vcrblühete Astern nnd Chrysanthemen, die sich des prächtigen Otto Roqnette's Spruch in Rhein-, Wein- nnd Wandermürchen „Wald¬ meister" zur Richtschnur und Nachfolge erwählten: Ohne Geld durch die Welt, Zieh ich froh meinen Weg immer fort. Im Beutel rostet mir kein Geld, Das fliegt wie ich, in alle Welt. — Dem blanken und dem frischen gar, Den gönn' ich gern die Wanderjahr, Das muß mit all' dem Andern, Gleich wieder weiter wandern. Wo mir ein voller Becher winkt, — Den möcht' ich sehn', der mich zwingt, Daß ich das Gotlgeschenke, Nicht voller Freuden tränke. Ich haße was da staubig Nur an das Frische glaub' ich. — LV. Liebschaften. Und wagst Du kühn zu irren. So drückst Du einst mit Lust, — Mag auch der Weg sich wirren, — Erfüllung an die Brust. O. n. WVokglcichkN Geschichten Hut es wohl immer gegeben, daher auch nn- sere Zeit nicht arm daran war, dach will ich nur ein Paar davon erwähnen, die eben mehr in unsrer Loterie passirten, davon waren die Forsibeflissenen ausgeschlossen, und da so manches mir später noch »»vertrant wurde, so muß ich mich als echtes Souutagskiud betrachte», obwohl ich au einem Freitage anno domini 1836 das Licht der Welt erblickte, das, solch' wichtige? solch' fröhliche und traurige Geheimnisse in meinem feinfühlenden Busen ansgeschnttet wurde». Wenn ich jetzt so vor dem weiunmrankteu Fenster an meinem Schreibtische sitze und einen Blick ans die Wand werfe, so sehe ich 15 bis 20 Freunde in Photografien hangen, die alle Frend und Leid in den Hohcnheimer-Tagcn ehrlich mitgetragen haben, — hoch oben prangt Strahlenhenn, ein alter Sünder, etwas abgelebt zwar und »u Zähnemangel gesegnet, doch pignant und von einem vortrefflichen trockenen Wike, wie eine Capernsance, vormals österreichischer Husaren- Officier; dann folgt die Reihe der Norweger, freundlich Helle Gesichter, hier der verstorbene Anker, er hatte rothc Haare und schielte bedeutend, "nd j» seinem Panamahnte war Sommers immer ein Loch gebrannt, denn eine mitleidige Seele, oder vielmehr Cigarre erbarmte sich immer wieder desselben, seine Schwester hatte ihm sehr feine Wäsche gestickt und 4 50 gesandt, welche zu zeigen, ihm ein großer Stolz war, gebraucht hat er sie nie und einen besonderen Abscheu vor IP hat er immer empfunden, so das; der Witz gemacht wurde, man könnte nächstens an irgend einer näher bezeichneten Stelle Tnrnips ansäen; weiter rechts Mvinicheu, ein ganz fescher Kerl, aber einer Stimme wie ein Mädchen, auch als Ennuche hätte er mit seinem Cvmmaudv nicht schlecht gestanden; dann folgt Po¬ len 5 Manu von den fkh's, mit denen ich mich vermöge der Slavenverwaudtschaft fehr gut stand, und das uns Livü wurde sehr gcru gehört, einer davon ist jetzt großer Philister, als Professor der Landwirthschaft in Marhmont, der zweite hatte große Güter in Polen, nah' der preußischen Granze und viel Lieb im Leibe, das Haus der Drei¬ füße in der Königsstraße und den grünen Schalousien hat ihm immer gefallen, ob bloß des Gcldvcrwcchslnugs-Geschäftes halber? weiter zwei sind Gutsbesitzer, beide waren Lieblinge der Damen, und ihre Confö- deratke ohne Tadel; auch der fünfte war ein netter Bursche, und die Briefträgerin weiß von ihm ein Stückchen zu erzählen. Auch zwei Preu¬ ßen seh'u sehr gnädig von den Braudseph'scheu Photograficu, und lächeln huldvoll ihren; Illyrier zu; dann kommen noch ein paar weitere Be¬ kannte Coburg-Gothaer, Curländer, Hamburger und Würtembcrger, end¬ lich hart ober dem Pulte, meine besten Freunde, ein Badenser, der lange schon im Ehejoche ist, doch gewiß darin nicht seufzt, dauu meine beiden Hannovraner Wichen und Barkhanscn, ersterer hat eine ziemlich an¬ spruchslose Stellung, freie Station und 80 Thaler Gehalt auf einem Gute bei Nörten, letzterer ist Administrator ans der hannovrischen Domaine Blumenan, deren Pächter sein Vater ist; daun kömmt der Doctor und Director in Friedberg, der jedoch sehr verdrießlich von der Photografic herabsieht, wir konnten cs nicht glauben, daß er es in Gießen machen ließ, sondern haben ihn vielmehr in Verdacht, sich selbst verewigt zu ha¬ ben, unser lieber „he Donuerschtag," auch der würtemberg'sche Baron Hiller lächelt ebenso gemüthlich von der Photografic, wie er cs immer im Leben that, er hat sich trotz seines etwas durchforsteten Haarwaldes und einiger Zahnlücken sehr Wohl conservirt, besucht gern Kunstreiterinnen, denen er im Vereine mit Offieieren ganze Waschkörbe voller duftiger Blumen offerirt, und der gewiß ein Vnmmcllebcu eomo il kuut führt, da sein Vater starb, und er sein Gut günstig verpachtet hat, er schreibt 51 mir höchst eigenhändig, „Grüß Gott dich Bruder Straubinger," oder aber sein Leibgcdicht: „Jin Wald und auf dec Haide, Bei schönen Mäd¬ chen auch, (man sicht er versteht es,) Da such' ich meine Freude, So ist's bei mir der Brauch." Wir wollen diese Lücken nicht weiter ansfüllen und jetzt auch ohne Nomenclatur weiter berichten, da jeder sein Pvrtrait selbst sich anssnchen soll, nnd cs gewiß Enrcr Hellen Köpfe gar nicht bedarf, nm jede leist Andeutung schon ans den angeneinzigen Blick gleich zu verstehen. Die erste Geschichte wurde in engerem (Zirkel znm Besten gegeben, während die folgenden mir sub rosa Manchem anvcrtrant wurden, im Allgemei¬ nen aber nur den Umrissen nach gekannt ist. Um von der Liebe vor¬ erst zn sprechen, so braucht man darüber gar nicht Michclct's geistreiches Buch gelesen zn haben, obwohl hier die Gefühle bis ans die kleinsten Pünktchen dieses räthsclhaften Fleischklnmpens, (o weh' wie prosaisch!) geschildert werden, man kann ohne dies sehr tief nnd innig lieben, doch gehört ein treues Herz, ein Helles Gcniüth dazu, sonst ist cs eben kalte Kohle, wo man Geld oder Sinncnlnst liebt, aber das Erhabene, Edle bleibt solch einem Philister verschlossen. Bei einer glühenden Kohle, die immer nnd immer wieder glüht, kann das Nennen ihres Namens der Anfangsbuchstabe, den Du immer wieder ans Deine Hefte in räthsclhaften Vcrschnörklnngen anbringst, Dich wie ein electrischer Schlag berühren, wo man Tag nnd Nacht ans eine Realisirnng dieses einzigen liebsten Wunsches sinnt, man zittert vor Wonne, wenn man daran denkt, wie es sich ausnehmcn wird, wenn einmal, vielleicht erst nach langen traurigen Jahren, dieser heiße glühende Wunsch erfüllt wird nnd Marie N. oder Julie P. an Äeincr Seite, durch nichts als den Tod zn trennen, Dir des Lebens Mühe nnd Sorge von der Stirn zn glätten hilft. Ja dann ist es eine echte nnd rechte Liebe, mag dann die Gestalt von hoher oder niederer Statur', schön oder häßlich sein, — sie ist nnd macht Dein Le- bensglück ans; selbst dann noch, wenn ein traurig Geschick euere Le¬ benswege kreuzte, die Erinnerung an süße Augenblicke erhellt immer Dein Dasein, wenn auch trübe sonnenlose Tage Dir nicht ausbleibcn. Freilich sind jene Zeiten lange vorüber, wo cs van innigen Mienen lw>« Amaranthen wimmelte, bei den jetzigen Lieben und Ehen ist Spe¬ kulation fast immer das bewegende Motiv. — Der Egoismus, das Ziel 4' 52 und die Lebensaufgabe jedes mehr oder minder Stanbgebornen, ein den; Menschen angebornes zweifelhaftes Gnt. In Bezug auf die vielen Be¬ kanntschaften Euerseits nicht blost tu Schwaben, sondern der Gcorgestrect und Friedrichsstraße, der Schweidnitzcr und Baagcrgaße, des Wind- nu'ihlcnthores, und jenes kleinen lieben Platzes bei Allee verte in Bezug auf alle jene ersten, zweiten und dritten Etagen werdet ihr wohl mit mir nbercinstinlincn, wenn wir durch Beispiele belehrt, Tugend, eigentlich keine Tugend, nennen können, wenn dieselbe keine Prüfung bestanden hat. Die Tugend ist eigentlich weniger Verdienst, sondern glücklicher Zufall oder die uothwendige Folge einer leiblichen oder geistigen Unvollkommen¬ heit, was beides darauf hinnnskömnit, denn der Leib handelt nach dein Willen des Geistes. Alter, Häßlichkeit oder kaltes Blut sind die natür¬ lichen Wächter der Tugend; Jugend, Schönheit und schnell klopfende Pulse, sowie die alte Witwe Clignot, nach einem Cottillon ihre größten angestammten Feinde- Solche Basen gehören wohl in eine Naritätensammlnng, wie jene von der Ncckarstraße up tüo Noors die Opre . . . besuchte, dieselbe nähte ihm sein Dutzend Hemden, war ziemlich hübsch, und er lauschte immer ihren vergangenen Kämpfen gegen ihre Person, wobei sie iinmer wieder versicherte, sie habe sich nie von Männern angezogen gefühlt, was die Nachbarinnen auch versicherten, ihr Kaffee in Berg oder bei Müller s war ihr Alles, dessen uns unbekannter merkwürdiger Neckar gicng ihr über ihr zweckloses Dasein. — Dabei müssen wir natürlich beifügen, daß das Verhältnis; beider zu den reinsten gehörte, die je unter solchen Umständen florirten, sie beim Fenster neben ihrem Canarienvogel, mit der Aussicht auf Knhn's Fabrik und Kronprinzen-Villa, er immer drei Schritte vom Leib, in achtungsvoller Position, bis das Dutzend Hemden fertig war. Ein Paar hohenheinier Käntzc sind hier ebenfalls zu schildern, welche die Liebe für „dummes Zeng" erklärten, so der Lartvn, der nicht nur erzählte, nein dem man es Nachweisen konnte, daß der nie nach der schöner» Hälfte nuferes Genus ein Ang geworfen hatte, nicht bloß die be¬ kannte Dcgcrlochec Marie, sondern selbst eine anerkannte Mnnchnerbcante hatte ihn nicht gerührt, oder ihn nur annähernd gefallen, auf scinein Gute sah ich vor zwei Jahren, wie er seine Bedienung nur von männlichen Per¬ sonen vornehmen läßt, und immer einen Horrenr von Weibern hat. 53 Die Cigarren sind sein Gott, er läßt sich dieselben von aller Welt znscnden, nnd ans Regalien hat er nach Aroma, Stärke, Güte und Ge¬ schmack, diese abgelagerten Cigarren vcrtheilt, von denen er wieder Mor¬ gens-, Mittags- nnd Abends-Cigarren sich mit feiner Kenntniß answählt, nnd mit solchem Gennß verdampft daß er darüber alles andere in der Welt vergißt; fürchterlich unbegreiflich aber wahr. Ist doch dieses in der Jetztzeit nothwcndigste Nebel so in aller Welt verbreitet, daß sich jeder junge Herr befleißiget, feinen Glimmstcngel im Mnndc zn halten, trotz manchen nicht ansbleibenden Folgen bei derglei¬ chen Helden, die stark offenherziger Natnr an einem unnennbaren Theil ihrer Unanssprechlichen sind. Ein anderer wieder hatte bloß diese Liebeseigenschaft, daß er das Lied ans sich bezog, HO macht älter, Wein nnr verjüngt; die folgende Conseqnenz, Jeder, der trinkt, muß benebelt auch sein, war ihm sehr an¬ genehm, er spürte kann, einen Katzenjammer, Gewohnheit. — — Jeden Abend war er in der Stimmung, wo er nicht wußte, ob er ein Knabe oder ein Mädchen, oder keines von beiden sei, den gestirnten Himmel hielt er für die große Kesselpauke, rechts neben dem Officiersparterre, die im Than glitzernden Spinngewebe für Fallstricke gegen seine Unschuld gerichtet, und schwor im Graben liegend, (bei jenen Fichtcnbcstand in der Nähe Klein-Hohenheim's,) daß dies sein Bett ans Nr. X sei. Wir können diese Fälle nicht schließen, ohne eines Lords zn ge¬ denken, der znm Trifolium der „Antiliebschafter" gehörte, derselbe war der hohen Oromo clo la Oromo Preußens angehörig, hatte keine Leiden¬ schaft und vegitirtc bloß, sann immer wieder über den Satz nach: ist das Leben nicht ein Traum flüchtiger Gefühle? Ausgelaufen bin ich kaunv >wd schon bin ich am Ziele. Er pflegte nnr mit L. von der Garbe ans sein Zimmer-Nr. 71 zn gehen, wo er Tage lang ruhig verschloßen blieb, mich selten Collegia's besuchte, eine recht vcrfelltc trockene Lebensansicht dieses traurigen K. von N. Von beiden Letzten kann man sagen, sic waren rein vegetativer Natur, etwas weniger als Mann nnd doch mehr als Jungfrau. — — — — — — - — — — — — Doch nach diesen Cnriosas zu den angestammten Feinden der Tu¬ gend, ja wer nie gewagt hat, nie verloren, — gewonnen natürlich auch nie: 54 Es werden wohl viele das Leben befragen. Wo liegt die Oase des Glück's und der Ruh'? Nicht ahnend, daß Leiden und langes Entsagen, Auf mühsamen Wege nur führe dazu. D'rum freut Euch ihr, die Ihr entbehrt und gelitten, Ihr schweigenden Jungfrauen und Jünglinge! ?! am Lebensaltar, Die Palme des Glückes, sie wird nur e.-stcitten, Dann beut sie den Frieden des Himmels Euch dar. Die jungen, wenn auch nicht schönen Mistreß, wollen sich jedoch dergleichen Zukunftsblickcn nicht überlassen, sondern ganz obigen nnsern Grundsätzen treu, dem Egoismus und der Einbildung huldigend, sind auch ihre Herzen coustruirt. Je reicher ein junger Manu der sie bccourt, besonders wenn sie vermögenslos sind, desto schneller schlägt ihr Herz; je älter sic aber werden, desto kleinerer Summen bedarf cs, nm das Herz schlagen zu machen; und wenn sic erst anfaugeu, unter das alte Eisen, unter das alte Stammregister als Ansbrakwaare zu gehören, so schlägt das liebe kleine Ding vor Jedem die Ehamade, wenn er nur Etwas vorstcllt, was doch jeder sollte, der sich noch beweiben will. Mit einem Restnuv, die Mädchen werden mit jedem Jahrgang billiger, ganz im Gegensatz zu den jährlich im Werthe steigenden Rheinwein, z. B. Johannisberger von anno 1811; wie mußte ein Mädchen von jenem Jahrgange aussehcn? oder alten abgelagerten Cigarren, die bei uns gut zu finden, etwas schwer hält.- Natürlich gibt es Ausnahmen wie bei jeder Regel, doch Verbin¬ dungen ä la Romeo und Julie sind gewiß leicht in einen Band zu sammeln, so dünn wie Storms „Immenser" ein bischen lieb, ein bischen treu, und ein wenig Falschheit ist alleweil dabei,-wo cs jedoch echte, rechte Lieb ist, — davon hier ein Beispiel, wie es einem meiner lieben Hcrzensbrüdcr erging, den der Tod seiner Brant säst wahnsinnig machte, der jetzt mir den Trost in jenen vergangenen süßen Augenblicken sticht, die ihn mit Recht alle nur kurze Augenblicke des Glückes waren; er hat so recht an sich erfahren die Richtigkeit des alten Liedes: Wo Lieb' ist, da ist auch Leid, Wo keine Lieb', da auch keine Freud. Viel lieber will ich Lieb' haben und Leid tragen, Als ohne Lieb' sein, und kein Leid haben. 55 Schon bald im Anfänge hatte er, was man dort eine Bekannt¬ schaft heißt, und als er mir einmal davon etwas erzählte, meinte ich, es wäre allzulächerlich daran zu denken, da bei ihr von Rang nicht sonder¬ lich die Rede war, sie war Nähterin. — Er wurde mir ernstlich böse, und erst in ein paar Tagen versöhnte er sich so weit mit mir, daß er mich anfforderte, ihn hin zu begleiten, um selbst einzusehen, wie sehr ich ans einer falschen Fährte wäre, wenn ich alle dergleichen Mädchen über einen Kamm schceren wollte, der Augenschein allein werde mich be¬ lehren. — Es war an einem regnerischen Sonntag Nachmittag, und ich weiß es noch, als ob cs heute geschehen wäre, die Trottoirs waren glittschrig, und als man etwas aufwärts von der untern Stadt ging, war es ab¬ seits von den Hauptstraßen fast menschenleer, daß cs mir, wie in einem Dorfe vorkam, vor einem kleinen Giebclhause blieb er stehen, von welchem man die Aussicht auf eine Mergelgrube der Keuperformation hatte, nm das sich ein paar Weingärten auschmiegten, und als er in strömendem Regen lange stehen blieb und hinauf sah, ob sie sich nicht hernieder beuge ruhig, engelmild, was bei diesen! Wetter natürlich nicht der Fall war, mußte ich ihn ans seinen Sinnen anfrntteln, wir stiegen also zwei Treppen hoch, deren Bau schon das hohe Alter anzeigte, anch schwankten diese Schncckenstiegen beim harten Auftreten etwas. — Wie manche Generation ist nicht schon jung mit elastischen, kräftigen Schritten da emporgestiegen, und im Alter wieder langsam und matt hin- anfgcschwankt, ein ewig Kommen und Gehen, diese Alte sah jene jnnge Choristin mit eiligen Säßen der Dachkammer zneilen, und wird nicht viel¬ leicht nach manch tranrigcn Jahren diese lebenslustige Choristin, die jetzt so heiter, „Ach so komm, ach so komm"! trällert, mit eben solch schwachen Schritten langsam hinanftappcn, und wieder einer jungen Dachbewohncrin nachblicken, die jetzt noch lange nich geboren ist, — es ist eben der Lauf der Welt. Vor einer Thur 2. Stock, rechter Hand, machte er halt und »ns das Herein, tratt er ein, mich langsam nach sich ziehend. In dem ersten Stübchen, cs gab deren überhaupt nur 2, stand am Nühetisch ge¬ lehnt Margot, seine Perle und war sehr befangen, als er ohne Weiters einen Zeugen seines Licbcsglückes mitbrachtc, nach der üblichen Vorstellung hatte ich Zeit sie zn betrachten, da er mit ihr sprach, und Mama erst 56 später ans dein Nebenstnbchcn tratt. Ganz von Liebeszauber übergossen war Margot so anzuschn, kaum 17 Jahre alt nnd doch so einzig schön, daß sie getrost mit allen 18 Rangclassen rivnlisiren konnte, — nnd wie¬ der nnr eine Nähterin, neben den andern stolzen und oft sehr dummen Gänseblumen nicht beachtet. Sie war auch nicht so leicht zu erobern, diese kleine liebe Festung, manch" Angriff mußte gemacht, endlich schweres Positionsgeschütz anfgefahrcn werden, bis eine Ucbcrgabe ans Gnade und Ungnade erfolgte. — Die Alte wollte nnr von einer Heirath wissen, nnd N. hatte zngesagt nnd wäre ehrlich gewesen es zu halten, hätte das Geschick es nicht anders bestimmt. Ganz genau konnte ich sic mir an¬ sehen, als sie so vertieft in hochwichtige? Gespräche waren. — Eine mittlere elegante Gestalt, nnd angeborne Grazie zeichneten sic besonders ans, selbst bei K., die sich der kleinsten Füßchen St. rühmte, hatte ich so allerliebste Formen nicht gesehen, (Fischer's Fabrikat hinter der Kirche), die Hände waren feingcformt nnd klein, natürlich ein wenig von Nadel¬ stichen verletzt; bei einer Pflege gewiß altro r-lio Saurma Volzel,. Der Kopf von plastischer Schönheit, mit wunderbaren blauen Ange», die so intensiv leuchten, wenn sic einen ernst fragend anblickte, und dann wie¬ der ungemein freundlich nnd schelmisch sein konnten, wenn sie lächelte, ein hübsches Näschen nnd ein kleiner Mnnd vervollständigten dies har¬ monische Oval. Haare in großer Menge waren von jener mir so be¬ liebten blonden Farbe und die zwei Reihen Zähne weiß nnd ihr Eigen; was man leider jetzt so wenig antrifft. Freilich lächeln die Damen mit eingesetzten Zähnen höchst unbe¬ fangen, doch die Entdeckung irgend eines Stiftes bringt sie nm alle Bor- theilc; Margot war vollkommen fehlerfrei, nnd jetzt als sic ihm den Dank für das von Schicklcr gekaufte Bouquet aussprach, er sich aber denselben durch eiucu Kuß noch besser bezahlt machen wollte; da sah ich wie un¬ gemein trotzig diese allerliebsten leicht geöffneten Lippen sich anfwcrfcn konnten, cs bedurfte eindringlicher Reden meinerseits, um das alte freund¬ liche Lächeln wieder bei ihr hcrvorznrnfen. — Bald darauf tratt auch ihre Mutter herein, sic erzählte viel von ihrem verstorbenen Manne, einem alten Premierlientcnant in Pension, wie Margot von einem Tattenbach, Bataillonscommandenr ans der Taufe gehoben wurde, nnd allerlei vergangenes Leid und Freud, von Kanla's, 57 einem jetzt hohen Jndcngeschlechte, non dee guten alten Zeit nnd dem „Adler" am Markte, welches weit nnd breit als das beste Wirthshänsle berühmt war. Nach einer Stunde wurde uns Thce servirt, Pccco wird es wohl nicht gewesen sein, — da ich die ganze Nacht schwitzte, vermuthc ich eher einen unschuldigen Lindcnblüthcthee, — worauf wir uns bald entfcruteu, mit dem Versprechen, seinerseits, morgen zu kommen, wozu sie recht herz¬ lich lächelte. Dann kam die Weihnacht nnd er bcschecrte, nnd ihm wurde wieder bcscheert, wie dies eine alte, nnd immer wieder neue Geschichte ist; Ge¬ schmack hatte der Bursche gewiß gehabt, und auch Mutterwitz fehlte ihr nicht, natürlich hatte sic keine große Bildung genossen. Chatariueustift war der Anfang und das Ende derselben. — Er dachte immer und immer au seine Margot Krone des Lebens, Glück ohne Ruh' Liebe bist du. und im Jänner, ließ sich die Alte sogar einmal beschwatzen mit in's Theater zu gehn, — als Chrenwächterin — doch twm Parterre wollte sic nichts hören, ans das Paradies, ans den Juche, da wollte sic gehen, nnd so kam cs auch, Die Alte schlief selig schon im ersten Akte, nnd auch unser Liebes¬ paar waren eins ins andere so Ang in Ang versunken, daß sie nicht einmal wußten, wann die Gnadcnarie ans „Robert der Teufel" an die Reihe kam; glückliche Zeit, wie viel waren diese zufriedener, die durch alle gewundenen Treppen, ohne Zahl aufs Paradies stiegen, als der Hohenheimcr in der Frcmdcnloge, der sich nnd sie mit Erklärungen der Oper plagte. Später einmal, ersuchte er mich durch Horschelt eine Karte besorgen zn lassen, zn „Anna von Landskron" und wußte mir oder der Dame gegenüber so wenig Dank, daß er cs für gut fand, mich gar nicht zn bezahlen. Margot jedoch muhte sich diesen Abend, oder ein paar Tage später bei einer Parthie ans die „Solitüdc" verkühlt haben, ohne große Leiden kränkelte sie fort nnd starb April 1858. 58 Ich kann den herzzereissenden Jammer meines Frenndes nicht schil¬ dern, als er in das erblaßte Gesicht sah nnd das gebrochene Ange fort und fort küßte, ja dies liebe, sonst so glänzende Auge war gebrochen, doch umschwebte das liebe Gesicht trotzdem ein mildes sanftes Lächeln anch jetzt noch im Tode. Die Alte, eine geknickte Rose, war total gebro¬ chen nnd mußte trotzdem N. ermahnen sich zn mäßigen; da jetzt wohl nicht mehr zn helfen sei. Ihre Jugendfreundinnen hatten ihr den letzten Liebesdienst erwiesen, sie in ihr weißes Kleid angczogen, ihr blondes Haar zum letztenmale gekämmt, sowie über und über mit Blumen überschüttet. Er wollte nicht in ein Hotel gehn nnd blieb die Nacht über in dem matt erhellten Stübchen. Als inan den Sargdeckel einschranbcn wollte, warf er noch ein paar Nesedazweige ihr zn Füßen, sie hatte den Duft dieser Blumen so überaus geliebt. Selbst Thränen konnte er nicht finden, als er zum Fried- Hofe fuhr, die doch sein Herz erleichtert hätten. Nach einer nicht sehr er¬ baulichen Rede Gcrocks fiel die erste Scholle ans den Sarg, wobei N. sich an mich lehnen mußte nur nicht umzusinken O Margot! meine Perle, soll ich dich denn nie Wiedersehen. Nächsten Tag kam er wieder von Hohenheim ans den Friedhof, hin, wo sein Thenerstes in tiefer undankbarer Erde lag, die uns nie wicdergibt, was sie uns genommen. Er ließ von Hirschstraße Nr. II eine Masse Blumen, natürlich Reseda darunter, hinausschleppen nnd das Grab damit sinnig verzieren. Oftmals spät des Abends war er noch draußen vor dem Tübinger Thore, wo mau vom Monduachtszauber übergossen, nur das Säuseln der Gräser, das Zirpen der Grillen hörte, — er hörte es nicht, er lebte in einer Stunde, die nicht mehr war, umfangen von zwei Mädchcnarmen, die sich längst über einem stillen Herzen geschlossen hatten, ihr liebes Gesichtchen drängte sich an seines, ihre kinderblanen Angen beglückte» ihn, und er durch- träumte entschwundene Stunden, fühlte wieder ihren ersten treuen Hän¬ dedruck, was ihn den Schmerz milder erscheinen ließ. Mit leisen Armen zieht ihn das Sehnen nieder, daß er als Staub, bei ihrem Staube ruhen könnte, befreit von all' dem Schmerz, der ihm das Herz ertödtet nnd ihn der Welt entfremdet. Er war nie mehr recht lustig, und ließ ihr mehr einen Steinblock mit der Inschrift setzen: 59 Margarethe Pauline N., geboren 1842, -j- 1858. Von ihrem treuesten Freunde N. „Hat der Tod uns ja geschieden, Bald vereint uns die Ewigkeit." Drei Jahre darauf reiste ich durch seine Gegend, von der Vcr- sannnlnng in Schwerin zurück, da bat er mich, wenn ich durch Stutt¬ gart käme, wieder bei Schicklcr Blumen für Margot's Grab zu bestel¬ len; er hat nicht gehcirathct und will es nicht thnn; sein Gut hat, um wieder als Ockonoin zu werden, guten Weihenbodcn au der Odernicdc- ruug viele Magdeburger-Morgen Ricselwiesen und ist in Allem ein Wohlstand nicht zn übersehen, doch heiter habe ich ihn 1861 auch nicht gefunden; ihn, einen der fidelsten Häuser twn ehemals; er kann seine Margot nicht vergessen, sie war seine Blume nun, die hinweg ans seinem Leben; sicht er cs kalt und farblos vor sich liegen. Gewiß ein eklatantes Beispiel gegen den Leichtsinn der festigen Männerwelt. Und seht, wie sieht der Hügel aus? wo einst dein Herz so un¬ säglich gelitten, wo dir das alte Lied in den Ohren brauste: Nur diese Stunde Bist du noch mein; Sterben ach! sterben Soll ich allein! Wie jedes andere bedeutungslose Fleckchen Erde, in der großen weiten Welt; achtlos kalt und stumm geht die Menge daran vorüber, — ihre Mutter, die Pflegerin des Grabes, ist ja todt nnd der Geliebte in fremden Laude, — bloß die Sonue bescheint es mit derselben Liebe, und die Sterne blicken gleich tranlich nieder, doch sonst .... zuerst kam der Wind zu diesem Crdhiigkl, der den lose» Staub darauf wehte; danu fiel Regcu von, Hinnnel uud vcrwusch die Ecken, die einst der Gärtner so symetrisch geschaffen hatte. Die fallenden Blätter der Trauerweiden, Eber¬ eschen, Vlutbuchen nnd Syringen von geschmncktcren bevorzugteren Grä¬ bern bedecken es mit einer Schichte, über welche die Kinder laufen, nnd im Winter verschwindet cs vollcnds, vor den immer dichter und dichter fallenden Schneeflocken. Der Frühling erst bringt das zarte Grün, zn dein sich später rothe Nesseln und was wir Unkraut nennen, gesellen, nnd im Herbst 1861, lieber Freund, war es nicht leicht anfznfindeu, schwer 60 von jenen Hügeln zn unterscheiden, die alle gleich geballt nnd gleich be¬ völkert, alsbald verschwinden. Wer denkt daran, wer? wer pflegt es oder wer weiß es, wen der Rasen decket? daß hier ein Leben im Erblühen verwelkte, daß noch soviel von der Znknnft erhofft hatte. Außer Deinem gesetzten Stciublocke erinnert nichts daran, daß 1858 hier noch Immer¬ grün-Malven und Dahlien blühten, daß Rosen ihre Knospen trieben nnd der Duft der Reseda jene eigenthümliche Stimmnng in uns hcrvor- brachte, daß man dies Plätzchen zn den anmnthigsten des Friedhofes zählen konnte, dort draußen vor dem Thore gegen Heßlach nnd den HOfällen zu. — — Die nun folgende Skizze zeigt nns leider das Gegentheil eines treuen Ritters, doch Sünder sind wir alle, und den ersten Stein wollen wir ans Niemanden werfen. Also in Markgrönigcn ist es alter Brauch, daß au jedem 24. Au¬ gust ein Schäfcrlauf stattfindct, wozu viel „Lüt" von aller Orten znsam- mcnströmen. Ans der Station Aßpcrg, wird man von Lcitcrwügen gegen einen Batzen ans Ort nnd Stelle gefahren. Einer von unsere Leut blieb schon 1857 bei einer Wirthstochtcr Namens Minnele hängen, er war reine weg, wie er sagte, — und da sich diese Besuche Sonntags wiederholten; Aßperg ist nicht weit nnd Monrepos in der Nähe, nm an¬ geblich Occonomie stndircn zn können, — so wußte man bald woran man war. „Er nahm das Mädchen bei der Hand, und führte sie in die Lauben," doch an eine Heirat wie Dr. R. glaubte, hat er nie gedacht. Er war einem verliebten Kater nicht unähnlich, Minnele gehörte aber auch zn der verfeinerten Landrace, hatte Kochen und Nähen sogar in Stuttgart, Panliueustraße Nr. 15'/^ lit. gelernt und schrieb nette Briefe, von welchen ein Exemplar auf Nr. 0, in Hohenheim, zn männig- lich Nutz und Frommen affigirt war. Armes Minnele! Sie schrieb immer rascher ausführlicher, er kürzer resignirter, al tine die alte Geschichte. Die Damen Schwabens haben von ihrem Lands- manne Schiller meistens ein poesicreichcs Gemüth geerbt, so schreibt sie ihn: einmal: Was ist Liebe sag? zwei Herzen nnd ein Schlag, zwei Seelen nnd ein Gedanke. Und dies lieber Earl haben wir, obwohl wir nicht ohne uns zn prüfen, in die Ehe treten wollen, — kurz ist der Wahn, lang währt die Rene. Bestimmt wäre cs, daß er ihre Sonne sei, 61 und wußte er wohl selbst, tuns ihr an ihn so mwcrgeßlich (ein etwas starker Paßns) man sieht, sie war sich ihres Sieges bewußt. Darauf schrieb er ihr längere Zeit nicht, machte auch keine Sonn- tagsbesnchc mehr, bis endlich sein letzter Brief an sie abging; darin sagt er, wie wohl ihr Blick im zugcwandt, Blitz und Schlag zugleich gewesen war — wenn er aber bei näherer Beleuchtung die Sache ansche, so würde cs ihr schwer fallen im kalten Norden auszuhaltcn; es gäbe nur ein Schwabenland, mir einen Neckar, — nach diesem Prolog ging er geschickt daraus über, wie jetzt eine Trennung leichter und sie Ersatz in einer besseren Liebe finden würde, wozu er ihr alles Glück der Erde wünsche. „Wir hatten uns lieb, wir hatten uns gerne; Ach! die Zeiten, die liegen uns ferne." Gewiß rann nach Erhalt obiger Zeilen Throne ans Thräue nieder, daß sie der treulose Knabe verlassen habe, -- von dieser lieblichen Blume des Strohgüu's. Auf dem Caunstätter Volksfeste 1858, wie wir uns von der Masse hinauf heben lassen, auf Tribüne ä 18 kr., sehe ich C. verschwinden und Minncle stand neben mir, sie warf noch einen Blick, unter ihrem höchst herausfordernden letzten Versuche anf C-, in dem Schmerz und Täuschung, Resignation und Hoffnung, in unbeschreiblicher Weise vereiniget waren; besonders letztere, nämlich die Hoffnung war nicht ganz aus ihrem fetten Gesichte verschwunden, da sic ans Bekehrung des Sünders hoffte, — doch sie hat ihn hier zum letzten Male gesehen, ein Fvrstrcfercndaer hat sich später dieser Blume angenommen. Abends bei Krauß erzählte er mir schon von einer Dame ans Hcrrenalp, trieb Allotria per Schlüsselloch und mit den Zimmernachbaren und dachte gar nicht an M. von Mark¬ gröningen. Je mehr man diese Skizze betrachtet, desto mehr muß man ihn einen nngalanten Liebhaber nennen, er wollte mir Freundschaft! und Minncle wollte volle hingebendc alles vergessende Liebe, — sie „seine Sonne" brachte ihm ein ganzes Liebesarsenal entgegen. Ich sah den Helden dieser Skizze noch vor kurzer Zeit, doch weiß er von tiefen Schmerzen und gebrochenen Herzen nichts, er ist ausge- lassen lustig, wenn er Minnele's gedenkt. — 62 O Weh! über d!e jetzige verdorbene Welt wurde Tunte Schlüder fugen, eine sonst vortreffliche Dume, in einem Lunde, wo eS heißt „>'un- gusm roti-orsllm." Sie wird wohl oft in ihrem jetzigen Orte Schorn¬ dorf seiner denken , und ihm znrufen: Leb' wehl! Du wurst mein ganzes sonnenvolles Leben, Jetzt ist's vorbei! Nur Nachts durch meinen Traum, Seh' ich Dein dick und roth Gesicht, Mich so freundlich noch beglückend. Hier wäre noch die Affuirc eines meiner Freunde anznführen, der als Verwalter einer Doniuine nicht weit von Bietigheim, mich zmu Taxator seiner Flamme erwählte. Diese Flunuue hatte mit ihrem Bruder, einem netten Kerl, eine Mühle geerbt, wobei nur zu bemerken, daß au diesem Nebenbuche der Enz, cs oft ini Sommer an llO fehlte. Sie machte den Eindruck einer Landpomeranze nud der blieb auch bei nähe¬ rem Kennen, sonst wollte sie noch im Flügelkleide der Unschuld gehen, machte es wenigstens so. Sie hatte Eugen K. nie recht geliebt und eine kleine Eifersucht kam noch dazu, ihn ihr zuwider zu machen. E. hatte 150 fl. Rheinisch nnd freie Station, hinreichend, um genügsamen Anforderungen zu ent¬ sprechen, wo cs Rannt in der kleinsten Hütte ist, für ein glücklich liebend Paar. Bertha jedoch wollte höher hinaus, sie hatte 3000 fl. Mitgift, und sprach viel von genauen Prüfungen der Charaktere, nud schrieb auch über Erfordernisse der einzngeheudeu Verbindung, die nicht befriedigend glückverheißend für die Zukunft wäre. Der Pudels Kern war aber ein anderer, der Verwalter erholte sich Rath's bei ihrer Amme, wo er unter dem Siegel der Verschwiegenheit erfuhr, daß ihn das Laufen zu des Lvwenwirths Töchtern in Bietigheim, die doch gar zu „wäscht" wären, nm ihre ganze Liebe brachte. Sic schrieb ihm einmal von Dürmentingen, wo sic zu Besuch Ivar, „ob das Spröde mit dem Weichen sich vereinige," wobei sie ihn als Harten betrachtete. Der Unglückliche bekam einen kleinen Korb, zwar etwas verblümt, „inan wolle es später sehen," doch immerhin verzuckerte Pille, dabei war bemerkt, daß verschiedene Charak¬ tere, wie schon bemerkt, mit ihren Contrastcn für die Dauer unglücklich werden mußten. 63 Schmerzt die Wunde noch so sehr, Bon der Geliebten kommt sie her, Das sei des Trostes dir genug! Doch war ihm dies nicht genug des Trostes, da er mir berichtete, daß ihm ein gut Geschick erkoren, ein reiches Baste zn Heimchen, die Basten habe bei 5000 st., wodurch er sich bewogen fand, darüber sich zu beruhigen, von Bertha verschmäht zn sein. Jeder Mensch fühlt eben die Liebe anders und erklärt sie sich anders, daher dieses selige Gefühl eines der unerklärlichen Wunder unseres Herrgotts ist. — ül onl)- knov, vve love in vain äl on!^ feil, barovvell, icsi-ewell. Ax, Hgehaltes ans den Feldern am meisten, und in welchen Procente», wie sollen die Fruchtfolgen daher eingerichtet werden, um anssaugende mit den Boden bereichernden Pflanzen in Einklang zu bringen; und über Northeile der Drainage, so wie über harte und weiche ilO seinen Geist leuchten zu lassen. — Bei den Prüfungen, die mündlich nbgehalten wurden, Ende August, war darauf gesehen, bei den Landwirthen heißt dies nur, (die Forstcandidaten mußten schon mehr anfpassen), daß der Herr Professor die Frage mundgerecht machte, Ivar man nicht ein äkftm so ging cs schon, so z. B- bei den sky's, als sic Wolff fragte über die Wirkungen des Cali und Natrons ans den Feldern, sie sprachen darüber im Allge¬ meinen, ohne sich specicll in Einzelnes einznlassen, und sagten schließlich, 79 daß beide nothwendig wären, doch hat man nie erfahren für was, — sie sprachen gebrochen deutsch, nnd waren sichtlich bemüht, einen guten Eindruck aus Oppcl, Reinhardt nnd die ganze Vcrsainmlnng zn machen. Man sagte für Ausländer, die der Sprache nicht vollkommen mächtig hätten diese Herren immerhin etwas? geleistet, nnd die.sky's waren darüber ganz entzückt, sprachen beim Diner ä 30 kr. sehr viel von ihren chemischen Kenntnissen, nnd entwickelten dabei eine viel leichtere, gefälligere Handhabung der deutschen Sprache, als dies im Prnfnngssaal der Fall gewesen war. Was soll ich von Dr. Fleischer seiner Botanik, Gcognosie und Pflauzcnphysvlvgie sagen, ich habe die Hauptsache in den Reise-Frag¬ menten niedcrgclegt, in jenen glücklichen Tagen, wo uns an seiner Seite die Ercnrsioncn so lehrreich verliefen, in jenen heiteren längst verschwun¬ denen Stunden. Die Prüfungsfragcn waren dem angemessen, in der Botanik, wo mau Seubert als Hülfsbnch benützte: Welche Arten von süßen, guten Gräsern sollen ans unseren Wiesen Vorkommen, (Gramineen) und welche säuern, schlechten haben wir zu vertilgen? Wer also sich die Gramineen nnd Carer und Eyberaceen-Artcn gemerkt hatte, oder noch besser, auch in Wirklichkeit kannte, für den war cs gewiß nicht schwierig. Hatte Grašek doch immer bei den betreffenden Linnöschen Elasten sich bemüht anch dieselben in Natura ans dein botanischen, ans dem exotischen Garten, aus Feld nnd Wald uns in den Hörsaal zn bringen. Bei der Pflanzcnphysvlogie war die Bildung des Saanicns zu beschreiben nud anzngeben, wodurch die Keimung desselben verhindert wird. In der Mi¬ neralogie über zwei leichtere Fragen, den Kalk betreffend, (Oaloiumoxiä in Verbindung mit Säuren,) endlich in der Gcognosie, war irgend eine Formation angegeben, nach welcher die umliegenden Boden nnd deren Beschaffenheit gefolgert werden sollte. In der Geognosie wurde überhaupt am wenigsten gelernt, beson¬ ders wenn mau Mineralogie nicht los hatte, man konnte nicht mal Noth- nud Tvdtliegcndes von Tertiären nnd Urgcbirge in der Wirklichkeit un¬ terscheiden, doch die Kenpcr-Formation konnte jeder, was die in den Ver¬ steinerungen cnihaltenen Amonites, Terebratnlas, Nantileeu n. s. w. an¬ belangt, so kam man nicht dazu, es wie Alnviniu nnd Diluvium sich zn merken, ein wohlthätiger Schleier umhüllte meistens die Kenntnisse, da 80 man damit nicht besonders nortratt; zn diesen Stadien gehören mehr Collegien hören als ein halbes Jahr, und Sitzlcder, was die Landjunker nut wenig Ausnahmen, nicht sehr lieben- Die Vorträge Dr. Rieckes und Fischbachs waren, wie schon be¬ zeichnet, wenig besucht, auch nicht obligatorisch, und Nördliugcr trug nur höhere Forstwissenschaften vor, dieses Trifolinui war für Land- öc. we¬ niger vorhanden, obwohl sich in Mehanik bei Riecke nach Dr. Holzniann und in Forstencyclopädie, bei Fischbach, ein Paar den Prüfungen unter¬ warfen. Ihr könnt die Fragen also jetzt beim Lesen dieses beantworten wenn Ihr es früher nicht gelhan habet; Ratzebnrg's Waldvcrderber und Gwinncr's Bnch über Forstcnltnr waren gute Vorbereitungen zn letzterem. Ich frage also ganz bescheiden, kennt Ihr die Gesetze über den freien Fall in der Luft? über die Kräfte des Hebels? und das Marivttische Gesetz? meinerseits rufe ich Euch mit deu sky's zn, im Allgemeinen, iu's Detail wollen wir uns nicht cinlnsscn. Im Eompcndinm der Forst¬ lehre kamen die Fragen zn erörtern, wie groß der Nutzen eines Hoch¬ waldes sei, und wie viel Licht die Buche» in ihren Beständen erfordern, dabei waren ganz kurz mit eingcflvchten die Unterscheidungszeichen zu erwähnen, zwischen einer Trauben- und einer Steineiche. Wobei ein (Land. öc. wahrscheinlich in Uhland's hübsches Lied „D Tannenbanm, wie grün sind deine Blätter" versunken, — wörtlich schrieb: Die Steineiche hat immer grüne Blätter, die Tranbenciche verliert sie im Herbst und bekommt erst Ende April neue Zweige! — ja wäre es doch zu beschrei¬ ben gewesen, eine Tanne und eine Lerche, dann hätte ihm, den alten C., eine gute Note nicht gefehlt. Unser lieber Garteninspector, der Erfinder so vieler Namen in der Obstbanmzncht, der Förderer aller nur möglichen Zwecke, zur Hebung rind Belebung der Pomologie, bei seinem famosen, laut und klaren Bor¬ trage, ist nur zn bedauern, daß so wenige Cand. öc. sich ihn zum Nutzen machten. Einmal machte er eine nette Ercnrsion über Wangen zur Villa des Kronprinzen, wobei wir nur vier Mann hoch mithielten, doch kann ich, als einer jener vier Mann bezeugen, wie unvergeßlich jener Jnniabend war, die prachtvolle Villa in Berg, all' die Blnnien- pracht mit feinem geläutertem Geschmack aufgestellt, war so nus neu, daß ich begreiflich finde, wie sich andere darüber ärgerten, nicht niitge- 81 halten zn haben, »m somchr, als es svnst so unberufenen Gästen schwer wird, mit Hofgärtncr Nenner alles mit Muße zu betrachten nnd zn ge¬ nießen. Selbst in Herrenhansen bei Hannover oder Laeken bei Brüssel gab es nicht so viel und mannigfaches zn bewundern. Namcnkcnntnisse der Obstsorten zn erwerben, war am leichtesten, wenn mau Geschmack am Obst hatte, bei der alten Acpfelfran. Hier konnte man Ananas nnd Mnscateller, Reinetten, Goldpärmcnen nnd Danziger Kautüpfel der Reihe nach kosten, nnd sich die Namcnclatnrcn merken, im Sommer gab es Herz- nnd Knorpelkirschen, und im Winter spät noch Dcchauts- nnd Grnmkowcrbiruen. Ihre Nebenbuhlerin wollte immer besser nnd billiger verkaufen, hatte aber nicht diese Auswahl, es war die wohlgeborne Fran von Benedikt, die mit Stuttgarter Gaishirt- lebirn, mit Zirfandlcr nnd Tramincrtraubcn die alte vergebens nusstechen wollte. Bei den Trauben füllt mir ein, daß Hohenheim an der Gränze der Weincultur liegt, nichts dcstoweniger einen Weingarten bei Kemnath besaß, wo mau lieber praktische Studien bei den sauren Trauben im Ok¬ tober machte, als dem süßen einschmeichelnden Vorträge des Dr. Ran lauschte; auch einen Hopfengarten hatten wir, daß mehr an den Spar¬ gel» bei Siegle erkannt wurde, als in Erhard's Studien darüber; Ta- baksban hingegen war stark besucht. Im Sommcrhalbjahr las Lucas Gemüsebau, und hielt in dem Garten, bald bei seiner Wohnung, bald bei Schäle interessante Demonstrationen; dabei waren immer große Späße mit verbunden, z. B. beim Spargelban wurden die kleinen Hölzchen, die bei den kleinen Pfeifen stehn, ansgerisseu nnd znm großen Gelächter der Umstehenden irgend einem Opfer hinter den Rockkragen gehängt, oder in der Baumschule wurden Zweige, als solche Ehrenzeichen in die Taschen einem Freunde gesteckt, woran man damals so großen Gefallen fand, als wenn man irgend welchen in die Stube schloß, bevor er in's Collcg wollte, der andere fluchte darin, bis ihn eine Stunde später der Bediente anfschloß, nnd der Freund wurde selten anfgefnndcn. A. nnd W. hatten sich dieses Scherzes oft zn erfreuen. Sehr amüsant waren die Winterveredlungen in der Stube von Ibis 2Uhr a ti-om oder ljiratres, mit ein Paar Gartenbnrschen machte man sehr ungeschickt die Vcrcdlnngsarten durch, — das Pfropfen in die Seite (stark bezeichnend), Pfropfen in der ganzen Spalt, das doppelte 6 82 Sattelschäftcn, das Copulireul! (das Ocnlirru Sommers, sowie das Ab- lactircn), und endlich das Veredeln mit dem Gaißfuß. Seine Prüfung war nicht so schwer, welche Obstsorten eignen sich für eine näher angegebene Lage? welche Vorzüge hat das Kaltflüssige vor dein Warmflüssigen, Baum¬ wachs und woraus besteht ersteres, von Lucas erfundenes? Und eine Beant¬ wortung die Anlage einer Baumschule betreffend. Doch ein armer Bengel, der sich nie nm Namen scherte, hat zu aä A. geantwortet: Goldpärmene, Lniken, Grnmkower, die hat er bei Kuriger sich zum Frühstück gekauft und gemerkt, sonst aber hat sein beneidenswertstes? Geständnis; bloß noch den Blauschwnnz-Apfel und den Katzeukopf behalten; vielleicht pflanzt er dagegen jetzt in Thüringen mehr Sorten und kennt sie als wir. Im Ge¬ müsebau hatten wir die Frage: Ucbcr Erbscnban und Spargelcultnr, was sich praktisch zwischen den Zähnen, besonders letzteres viel besser macht, als in langen Auseinanderselmugcu im Hörsaal und zu Papier. Mit den Hohenheimcr-Revieren war auch eine Forstassistenteu-Stellc verbunden, und vorbenanntcs Individuum war zu meiner Zeit ein Herr Straub, der gern bei Sigle und auch bei anderen nicht so isolirt stehen¬ den Wirthshänsern trank, — denn bei Sigle war das Schlechteste doch immer das Beste, weil er der einzige war, in Mergentheim wird es ge¬ wiß besser sein, in Hohenheim aber ist der Witz ganz am Platze gewesen: „Das Essen und das Bier, man fand cs nirgend besser als gerade hier." Straub war gefälliger Natur und Jagdaufängern gern behiilflich, gegen Eassa alles erdenkliche zu verschaffen und zu erlernen, so einmal des Winters postirte er uns am Meiereiseld in Hemden über die Kleidungs¬ stücke als Schneemänner ans, wobei wir in kleinem Umkreise, am meisten aber auf den von 6u«cuta ourogae so heimgesuchten Luzerneschlag manch Häslein todt machen, die armen Hasen, cs war schon ge^en Februar, sic waren so fröhlich, meist ans der Brantschan mit Liebesantrügcn herbei gesprungen, und ihr heißes liebbedürftigcs Herze wurde von Caud. öc. und Forststudirendeu mit kaltem Blei bedient. Er wartete lauge auf eine Förstersstelle, und gewiß hat eine hohe Regierung, von seinem Werthe überzeugt, nicht versäumt, ihm schon längst eine königliche, sehr viel ein¬ tragende Rcvier-Förstcrsstclle zuzuweisen oder zu vcrwilligeu, wie es un Schwnbenland heißt. Im Sommer hatte er einmal im Stuttgarter Stadt¬ wald mit D skh ein Taubenschießeu arrangirt, daß schmählich 83 endete, indem mm den ausgelassenen Tauben sich viele wieder zu Flei¬ schers Theodor, zu Plieningens, Degcrloch's und Birkach's Tauben¬ schlägen ganz unversehrt znrückuerfügten. Er war der Flügel-Adjutant der Forsldirectivu in Hohenheim, und solch einen Flügel-Adjutanten hatte auch die Landwirthschaft nebst dem Sekretär in der Person des Herrn Frei, er soll hohem, edlen Blute entsprossen sein, doch das gehört nicht hieher, war schon ziemlich in Jahren vorgerückt und von einer außer¬ ordentlichen Heiterkeit, mit vielem Humor begabt, endlich die lebendige Ehronik scandalense 25—30 Jahre zurück, er hatte die Bibliothek unter seiner specicllen Aufsicht, und ward der Direktion als zweiter Flügel- Adjutant zugctheilt. In seiner Stube, wenn er sich seinen Kaffee braute, und in Pantoffeln sammt Schlafrock und türkischer Müße aus- und ab- promeuirte, war er so glücklich, wie es irgend ein Sterblicher sein konnte; bei Sigle trank er regelmäßig V» «ns 12 Uhr seinen Schöpplc rothen, nm dann besser diniren zu können, wobei er cs nicht unterließ Madame Sigle in allen Ehren natürlich den Hof zu machen. Ich will nur eine Geschichte erwähnen, wie er sich gewisse alte Hohcnheimer Histvrctten zu merken bemühte, wird diese vor circa 20 Jahren passirte, hinlänglich do- cnmcntircu. -Zu jener Zeit nämlich soll sich ein Hohcnheimer Candidat der Gunst einer Dame zu erfreuen gehabt haben, und zur selbigen Zeit soll deren Gemahl stark von einem Augenleiden befallen gewesen sein; daher cs wohl nicht zu verwundern gewesen war, als er höchst mißmu- thig hinter dem Ofen saß und sich die Binde znrechtrichtete, während nicht weit davon sich die Dame ans den Knien ihres Buhlen schaukelte. Dies wäre mm so fortgegaugcn, bis nut dem Besscrwerden jenes Herrn eine Parth'e auf die Alp angeregt wurde, er wollte sich lieber pflegen und zu Hause bleibeu, sie aber mit ihrem Erwählten machten diese Par- thie mit. — Nun kennt ihr wohl alle ihr alten und neuen Hohenhcimer die Tafeln, die bei jedem Felde am Ende stehn und die betreffende Ro- tationsnnmmer uns anzeigen, also Mciereifcld Nr. 5, oder Chansseefeld Nr. 3 n. s. w., wie sich nun der arme Mann selbigen Abends ahnungs¬ los zu Bette legte, (ich und meine Mitstndirenden haben ihn nie ge¬ kannt), und wahrscheinlich recht innig seiner abwesenden Gemahlin dachte, da fühlte er im Nebenbette ein hartes Holz, das er, da cs ziemlich groß und schwer war, höchst aufmerksam zn betrachten anfing, darauf las er 6' 84 nun „Versuchsfeld." Sein Zorn ninßte gräuzcnlos gewesen sein, als dieses kvhlensaiirc Gasflambeau in seinein Schädel anfging, das hat man wieder, wenn man zu argloser Natur ist, ob cs später zu einem Duelle kam, oder die Sache in Güte bcigclcgt wurde, das erzählt uns der Auf¬ bewahrer der Hoheuheimer Chroniken nicht, und doch wäre es für die Nachwelt sehr interessant, so wie manches was vorderhand ganz sicher dcpouirt auf Nr. 79 in dem engen Sccrctarsgange ruht, von welchem man solch hübsche Aussicht genießt, über Plieningen auf das wogende Fieldermecr, wenn Herr Frei so freundlich dich aws Fenster treten läßt, während er die Abitnricnteu-Zcugnisse schreibt, die meisten wenigstens mit „das Betragen vollkommen den Statuten entsprechend"?! — — Noch ein Studium, wenn auch nicht obligatorisch, wurde uns im Sommerhalbjahr wöchentlich einmal vorgetragen, es war die Bienenzucht, und Oberlehrer Schlipf war die Seele dieses Bortrages und der Eigeu- thümer der Bienenstöcke in jenem Hofe hinter dein Kraukenstalle. Schlipf war schon ein alter Mann und hatte schon zu meiner Zeit an das Pen- siouircn gedacht, anch einen Sohu im Forstfache mit mir zugleich stu- direu, der klein an Gestalt, doch groß an Geist Ivar. Seine Bienenzucht ging ihm über Altes, man mußte-ihn scheu bei dem Vortrage, wenn er beim Staude auf- uud abging und lehrte, seine Zuhörer in allen möglichen Stellungen ans nebenstehendem Wagen, am Boden oder Holzpfeilern gelehnt, saßen nnd standen nud seinen Borten- gen lauschten. „Meine Herren die Beueuzucht ist die Poesie der Laud- wirthschaft," war der stereotype Anfang eines jeden Cnrscs, und die Roth- schwänzchen, wie in die Seele verhaßt, waren sie ihm, diese Feinde seiner „Venen," ein Paar Forstcaudidaten machten sich oft den In; ans besagte Rothschwänzchcn zu knallen, wobei er sich für jeden Schuß besonders bedankte, anch für solche die iu's Blaue vor seinem lieben Bienenstände abgefenert wurden. Ehemals nach Verlast seiner zweiten Frau hat er die Magd ge¬ liebt, doch ist er hier auf einen harten Kopf gestossen, da er sie nicht hcirathen wollte, sie ihn aber durch zweifellose Beweise seiner ehemaligen Liebe zwang 300 fl. zu bezahlen; dies konnte er nie verschmerzen nnd war empört darüber, wenn jemand vorwitziger Weise im Laufe des Ge¬ spräches sich äußerte. „Ja aber hören Sic Herr Oberlehrer, in ihrem 85 Schwabenland wird jeder Jugendstreich zn hart bestraft, 300 st. für eine alte Licbcsslammc ist zu uicl." Ferners hatte er eine gekrönte Preisschrift hcransgegebcn, in welcher viel Schwerst und Pistorins und etwas Schlipf gut amalgamirt erschien; und einen Regemncsser auf dem Düngerhaufen in Hof Nr. Ul angebracht, dessen jährliche Resultate er höchst gewissen¬ haft der Ncdaction des Hohenheimer Blattes, Dr. Riecke, anvcrtraute. Abends war er bei seinen Ackcrbanschnlern in der Wirtschaft des Stoch wobei er strenge überwachte, daß nicht einer dieser uuschuldsvollen (fluchen konnten alle superb) Jünglinge ein Glas Wein trinke, auch „Moscht" ohne Erlaubnis; zn viel zn „trinke," war verboten. Von unseren praktischen Studien und dein Inspektor Hinst, als deren Leiter, wollen wir auch ein Paar Zeilen berichten. Jeden Samstag Nachmittag war praktische Demonstration für die Land, öc., das sich unter 52 Samstagen, natürlich auf 26 oder mehr bloß zn Pflngübnngen erstreckte, mit allen möglichen Pflügen, k und 4 Wcnde- und Schranbepflügen Howard's und anderen, den Hohcnheimcrn Möhl's Fabrikat gar nicht zn sprechen, der ein reicher Kerl war, doch jetzt gestorben ist. Hier kam nur großer Unsinn vor, jene vorbcnannte Acker¬ bauschüler sakramentirtcn von 3 bis 5 Uhr, ohne anfhören, und denen Eand. öc- rann der Schweiß von der Stirn, wenn er am Sterz sich vergebens bemühte eine gerade Furche zu ziehen. Ein paarmal fanden Süeübnngcu aus dem Boden ober dem Schafstall Nr. Ul mit ein oder zwei Händen rechts und links statt, wobei Mancher Simri-Dinkel ver¬ streut wurde, und mau mit dem Säetuchc oder Säekorbe, wie ein Storch gravitätisch ans nud ab stolzirte, doch ist gewiß hier Niemand als Säc- mauu ausgebildet worden, wenn er nicht früher diese Kunst schon ver¬ stand, cs braucht Zeit und Uebnug, nm die Sache in Ordnung „rnnd zu kriegen." Im Sommer gab es ferncrs ans der Schloßwicse Früh 4 Uhr Mähcübnngcn, die weniger beliebt waren, auch ging die Sache nicht so glatt weg; nud gar das Dreschen, in der ehemaligen herzog¬ lichen Reitschule, da hat Mancher nur von ungefähr eins ans seinen wei¬ sen Schädel bekommen. Noch bleibt uns übrig eine Fachwissenschaft zn erwähnen, die Woll¬ classification unter der Directum des OberschäferS Kirschbanm, hier wurden gegen angemessene Entschädigung 4 bis 5 Mann für eine Stunde an- 86 genommen, und der Cours in 12 Stunden beendigt, in welchem Zeit¬ räume man das Wesentliche der Schaf- nnd Woltclassificativn los hatte, man wußte was es bedeutet, „er hat sie," lernte die eingebrannten oder ausgeschnittenen Nummern kennen, wußte was die Beschäftigungen eines armen Probirbockes sind, nnd lernte den Sprung aus der Hand und im Freien kennen; lernte ferners Napoleon nnd Hansel, so wie ihre Nachzucht achten, und konnte so ziemlich Llaeta, Kuperolvota, pi-lma, Koaurula m s- w. Wolle. Auch Bau uud Bewachsenhcit, Stappelbildung hatte man eifrig stndirt, konnte zur Noth einen gut bewachsenen Bock für ein schlecht geschlossenes Vließ eines Schafes zntheilen n. d. nn, schließlich hatten wir 3 Schafe zu classificiren, nnd unsere Kenntnisse nnd Ansichten dar¬ über in einem schriftlichen Aufsätze niederzulcgeu. Dauu hatte Minucle des Schafsprofessors Töchterlein, — sie hatte in der Räheschule in Stutt¬ gart ans die Frage, was ihr Vater der Oberschäfer sei, die Antwort ge¬ geben, er wäre in Hohenheim Schassprofcssor, -- nächsten Tag ein Zeng- niß ausgefertiget, worin cs heißt: N- N. Stndirender an der königlichen Land- und Forst-Academic Hohenheim, derselbe hat bei dem Unterzeichneten Privatstnndcn über Wollkunde gehört, nnd hat sich während dieser Zeit sehr gut betragen, Oie) sehr fleißig nnd vorzüglich gelernt, so daß Herren S. einer Schäferei, sie mag (o!) so fein oder so grob in der Wolle sein, als sie will, (gut gegeben) in jeder Beziehung? vorstcheu kann. Hohenheim am 28. Jänner 1858. hiemit bezeugt: Obcrschäfer Kirschbaum, >». p. Obiger Oberschäfer war überdies etwas poetischer Natur, hatte er in Siegles Thal die Hnrtcu für den Pferch Abends aufgeschlagcn, so meinte er, es wäre eine ungemein romanische Gegend, — das Roman¬ tische in kleiner Verwechslung gebraucht. Die artistische Ausstattung dieses Zeugnisses hatte Minnele mit großer Geschmacksverachtnng übernommen. Einige schlecht gemachte Vergißmeinnicht schlängelten sich wehmütig um krumme Fuchsien nnd aufgeschlossene Rosen, was durch dunkelblaue Win¬ den mit einander in Verbindung stand, und die ganze Herrlichkeit war in Kranzform nm obiges Attest angebracht, wofür, da der Wille so gut war, noch seperat ein Sechsbätzner zugelegt wurde. 87 lieber seine Hcerdcn hinaus wollte jedoch dieser Kirschbauin nichts wissen; wie sehr fand er cs lächerlich, als ich ihm erzählte, daß die Eng¬ länder in den Kautvclonm's Fleisch und Wolle in befriedigender Qnali- nnd Quantität zu erzielen verstanden hatten, — sein praktischer Scharf¬ sinn fühlte sich über Nathusius und Blackwcll und andere anerkannte Schaszüchter, erhaben. Mit dein Refrain, „Mei Kauiiuwollstamm ischt der beseht und der brävscht," brachte er jeden Einwand znm schweigen. — Waren sonach nach all dem oben angeführten, die Studien und Prüfungen vollzogen, so konnte uran ans den hübschen Titel, geprüfter Schafmeistcr Anspruch machen, — während jene, die keine Privatstnnden nahmen, wenn sie zur Lammzeit in den Stall kämmen, von diesem Schaf¬ professor mit kuriosen Blicken gemessen wurden; sagen durfte er natürlich nichts, doch sah man es ihm an, daß er solch unglückselige, seiner Woll- classification Hohn sprechende Candidatenseele dringend ancmpfahl, und zwar mehr der Hölle als dein Himmelreich. Nun hatten wir so ziemlich die ganzen Hohenheimcr Geschichten ein wenig kovuo passircn lassen, jenes Ortes nicht zu vergessen, wo es stand i „In diesem Kanimcrl" „Saft Candidat Wammerl," der genug freundlich anssah, auch mit Allem besser versehen war, als in dergleichen Anstalten wo zweierlei Tuch benamset Profoß, nicht so aufmerksam sei¬ nes Amtes waltet. In diesen, für so viele angenehmen Verhältnisse, floß der erste Jahrgang, der Spätsommer mit der Reise dahin, dann kam das III-, das letzte Semester, wo ein angenehmer Herbst den strengen Winter etwas vergessen machte, und als zu Anfang März 1859 mit dem letzten so traurig wehmnthigen Glockenklange, von Hausmeisters Urschl geläutet, die letzte Vorlesung für uns abgehalten wurde und der Abschied heranrnckte, war so Manchem das Herz schwer; — hatte man doch diesen oder jenen Freund licbgewonnen, der nun für immer von uns scheidet — cs ist dies was eigenes nm solch' Scheiden als Junggeselle, wo man mit raschen Schritten dem chrenwcrthcn Philistcrstande sich nähert. Schon ehe die Prüfungen beendet sind, waren viele nach allen Richtungen der Wind¬ rose hin verreist. Auch ich mit B. und W. machte die letzten Abschieds- Visiten, wobei mich diese Knaben am Arme führten, da meine Luxation das Gehen noch wenig erlaubte, o! du Ball vom 11. Februar 1859, 88 o! du A im Verein mit den glatten eisigen Perronstnfen, Dich werde ich wohl nur mit meinem Tode vergessen können. Bei dem lieben Dr. l, Ran hatte B. in aller Freundschaft noch dafür gesorgt, daß meine nene Angströhrc ruinirt wurde; bei deu Em¬ pfehlungen nämlich, hatte er einen unnennbaren nicht zu verachtenden Thcil seines Körpers, fortwährend auf diesen Cylinder gedrückt, den ich an der Thüre stehend, vergebens vor solch' Annäherungen zn schützen trachtete, — er war nach dieser freundschaftlichen Presse ein veritabler Claquehut, ohne daß ihn der Fabrikant in der Königsstraße ehemals als solchen verkauft hätte. — Hohenheim liegt nun still und öde bis April, wo nene Zugvögel anlangen, die in ein paar Semestern wieder anderem Zuwächse Platz machen, — ein ewig Kommen und Gehe». — Das Zusammenleben durch deu Hohenhcüner Aufenthalt bedingt, hat anfgehört, und mit diesem oder jenem correspondirt mau wohl ein paar mal, immer längere Pansen treten ein, bis man sich ganz ans dem Gesichte verliert. Die täglichen Mühen und Sorgen, z. B. während dem Schreiben dieses werde ich zn traurigen Fällen in die Stallungen abgerufen, das ernste Leben mit all' feinen eisernen Consequenzen läßt einem wenig Zeit übrig an jene Tage zn denken, noch viel weniger an jene lieben Burschen, die sich mit uns gefreut und auch mit uns Studen- tenleid getragen haben. Bei mir und einigen 6 Hohcnheimern ist obiges nun nicht der Fall, es sind schon 3 Jahre seit dem wir uns die Hände drückten, doch die Correspondcnz besteht fort, wenn auch oft Monate vergehen, bis man ein Blatt von solch' Philister erhält, und hoffe ich, daß uns dieses Band auch für's Leben verbinden wird; in alter Freundschaft, in lieber Rück¬ erinnerung auf das Zusammenleben eines der glücklichsten Jahre unseres Daseins. — Hieniit wäre dem Wunsche entsprochen, und die Hohcnheimer Er¬ lebnisse beendet, und will ich nur in Kürze dem B. und W., dem H- und L. den Willen thun und die Reisefragmente folgen lassen. — VI. Ueisefragmente. Wer reisen will. Der schweig fein still, Geh' steten Schritt! Nehm' nichl viel mit, Trett nn nm frühen Morgen Und laß daheim die Sorgen. Philander von Sittewald 1650. U ^ch weiß nicht ob auch für Euch das Wort „Reisen" einen solch' wunderbaren Klang hat, — wie ost und gern denkt man, an einem Orte gefesselt, wenn ich nur über jene Berge hinaus könnte, die meiucu Horizont begrüuzcn — nur hiuaus iu die weite, weite Welt; — wie hat dieser Klang allein die Zauberkraft in sich, ein wundes Gc- müth, eine düstere Stimmung zu heilen. — Wie herrlich muß es sein mit der dampfenden Lvcomotivc dahin zu brausen, über Ländcrstrecken dahin zn eilen, — jetzt durch Ebenen fliegend, daun wieder über Höheuzüge langsam rollend, bis mau jenseits der Alpen, das Ziel und die Sehnsucht der meisten, an ruhig friedliche Seen anlangt, wo Dampsehiffe mit uns weiter ziehen, — oder wenn die jetzt bald zur Mythe gewordenen Postillone uns langsam über den Brenner und Splügen, den St. Gotthard oder Simplom bugsircn, bei finstern Nadelholzwaldungcn, bei alten Ruinen nnd einsamen Klöstern vorbei, hinauf zu, den Fclsparthicn, den Wächtern von Granit, in deren Schluchten das llO braust und schäumt, nud wieder gen Italien zu „wo die Citronen blühen", nach Rom, Neapel, oder Genna, schon im be¬ rauschenden Vorgefühle glücklich, jetzt, wenn der Postillon dnrch 90 einen künstlichen Hieb den beiden Vordcrpferden einen tüchtigen Merks versetzt, dein Srittelganl die Sporen in die Flanken drückt und den Hcmdganl mit dem Peitschenstiel einen starken Klopfer ans den Wiedcr- rist anbringt, Hnrrah! wie fliegen wir dahin! nnd alle Bewe¬ gungen des Postillons, das Ans- und Abhüpfen carikirt sich auf der vom Mondcnschcinc erhellten Straße, oder ans dem vom lieben Son¬ nenlichte beschienenen Wege, ja selbst das Stolpern der Räder über Steine und die vielen Passagiere in der Rotunde, kann uns nicht ans unserer Glückseligkeit reißen. — Es ist ein eigcnthümliches Gefühl, wenn man des Winters Abend dies am Kaminfener vorbcizichen läßt, den treuen Hund zn Füßen, die glühenden Kohlen vor Angen nnd das einförmige Picken der alten Uhr vor Ohren, dieser Uhr, die schon so mancher Generation Stunde auf Stunde auzcigte, nnd wer weiß wem nach Jahren wieder gehören wird, wenn Dein müdes Auge die lehte Stunde darauf vergehen sieht, — es ist dies Gefühl sagen wir, fast angenehmer, als die Reminiszenzen nach einer beendeten Reise, wo uns traurige Erfahrungen nicht erspart bleiben; über schlechte Witterung bei lohnenden Parthien, über unver¬ schämte Hausknechte und grobe Passagiere, der kleinen Krampfanfälle gar nicht zu gedenken, bei möglichst billigen Rechnungen, 15 Silbcrgroschcn Bongie, die man spät vom Theater kommend gar nicht gebrauchte, oder über verbrannte Cotelet's nnd stark gewässerten Schnapswein. Und fühlt man endlich doch, recht weit im Norden oder im Süden, eine gewisse Sehnsucht nach der Hcimath, „wo die Wiege uns stand," „wo die Jugend uns blühte," „wo die Liebe uns war," ob dies nun bald oder in Jahren geschieht, bleibt sich gleich in dieser Zeit, die man hicr durchlebt, per Telegraf durchfliegt, sollte mau eigentlich sagen, wobei wir jedoch nicht den Dampfer-Telegraf meinen, mit dem wir in 5 Stunden von Rotterdam nach Antwerpen fuhren, sondern jene geheimnisvollen Drähte, wo die Depeschen unsichtbar hin- und herjagcn. Unsere erste Reise von Hohenheim war eine kleine Schwarzwald- tour, zn der schon Tags vorher 4 von uns über Eßlingen und die Alp, dem schwäbischen Semmering, nach Ulm fuhren, nm diese Bnndessestnug anznschcn. Aus unserem Hotel, das au der Blau, einem Nebenflüße der Donau gelegen war, machten wir zuerst einen Gang zur Donau, wo 91 ein sehr erfrischend Bad genommen wurde. Achen nnd Illyrien be- thciligten sich daran, doch vom Lcinestrnnde, B. hatte etwas Furcht . . . . . Da es hieraus noch nicht spät am Abende deS 23. Juni 1888 war, wurde nach Ansicht der Fortificatioucu noch ein Bestick dem Münster abgcstattct. Die iuucrn Räume, mit ihren alten Bildern, Fahnen und uom Zahn der Zeit stark hergcnommeue Bcttstühle, boten für uns kein solches Interesse, mehr erfreute uns der Anblick uom Lhnrme, den man nach sehr langem beschwerlichen Steigen ans den Schncckenstiegen erreicht, trotzdem, daß er lange nicht ansgcbaut wurde, so ist die Hohe doch so beträchtlich, daß nur leise das Summen des Volkes zu Füßen hinauf- hallt, nnd hier kann man den monotonen, gewiß viele tausend mal wiederholten Erklärungen des Thürhüters recht angenehm lauschen; Alt- hildesheim hatte dabei viel zum Spaße beigctragen, er horte nämlich schlecht, daher weil er nichts verstand, den offenen Mund, statt der Ohren, als Zuhörer gebrauchte. Die Rnndsicht ist superb, wenn man die Donau zu Füßen als Basis betrachtet, so ist links jener merkwürdige Hügel, wo General Mack etwas weg vom Fort VIil sich ergab, rechts die Eisenbahnbrücke, halb baicrisch, während weiter von Neu-Ulm sich in unermeßlicher Ferne die baicrischc Ebene ansbreitct, mit ihrem Grün ans cultivirte Felder schlie¬ ßen läßt, in der Wirklichkeit nur von ausgedehnten Movrlagern durch¬ zogen ist, mit einem Fernrohre konnte man ganz in der Nähe eine Storchcnfamilic betrachten, nnd den Gesichtskreis schloß, vom Untergänge der Sonne beleuchtet, die Alpcnkctte, die den fernen Bodensee theilwcisc umschließt. Beim Herabgeheu wurde dem Schwerhörcuden, als er bedau¬ erte nicht viel Klappcrgcld, vulxo Kreuzer nnd Batzen zu haben, etwas für ein Trinkgeld gegeben, nun meinte er, es wäre blos für seine Person, während cs für alle bestimmt war, und ehe er es noch ahnte, waren wir verschwunden und ließen ihn mit seinen paar Kreuzern die histo¬ rischen Erklärungen mit dem Küster fortsetzen, seinen Rückzug mußte er für alle mit jenen paar Kreuzern höchst unziemlich, decken, — welche Erwähnung er auch später immer sehr ungnädig nufnahm. Nach einem Gange in die Stadt, begann im Hotel zum Stern das gewöhnliche Kneipen, dem ich nie Geschmack abgewinnen konnte, nnd dann verfügte 92 man sich zu zweien in eine Stube, wobei ich mir nichts daraus machte mit einem notorisch? Somnambulen beim BoUmondscheinc zu liegen. Nach einer nicht zn großen Rechnung ging man nächsten Morgen zu einer Restauration an der Donau gelegen, wo man der weiteren Reise gedachte und die Schwäble ein wenig harangnirte, auch machte sich B. den Spaß, die Brodkrünichcn anfpickenden Finken mit Steinen zu bewerfen, — cs war nun Zeit ans den Bahnhof zn gehen, wo der Zug non Stuttgart mit der Hauptmacht angefahren kam, um weiter gegen Friedrichshafen zu dampfen. Bald waren wir in den Waggon alle versammelt, Professor Fleischer und noch 8 Mann, Schweizer, Polen, Bremenser, welche mit uns gerechnet ohne den Führer zn zählen, eben das Dutzend voll machten. Die Gegend bot hier bis Meckenbeuren oder Ravensburg wenig anziehendes, daher man seine Mitreisenden etwas näher ins Ange nahm, nebst unserem Dutzend war ein weiteres Dutzend Techniker, mit ihrem Führer für eine Rigircise bestimmt, in den Waggon, welche höchst unternehmend ihre Alpenstöcke mit den cinprägnirten Namen Simplon, St. Gotthard, Niger, Rigi n. s. w. hernmzeigtcn, und immer wieder ihre geometrischen Kenntnisse glänzen lassen wollten. Endlich sah inan hinter Meckenbeuren den Bodensee, was ein Drängen auf die lin¬ ken Waggonfenster ohne Gleichen verursachte, und langsam führte uns der Zug in den Hafen, Friedrichshafen, hinein. Man hatte ein paar Stunden Zeit ehe das Dampfboot nach Eonstanz abging, welche man dazu benützte, nm sich den See zn betrachten, (glaublich erscheint cs, daß er für jene die nie das Meer sahen, es für ein solches halten, das wirklich „schwäbische Meer,") und nm im Schwanen ein hartes Rostbcaf mit seinen Kauwerkzeugen zn dnrcharbeiten, wobei 5 bestellten, was einer oder zweie wollten, und erst eine halbe Stunde vor der Abfahrt, das Verlangte erhielten. Unterdessen war das würtcinberg'sche Danipsboot, „König von Wnrtcmberg," zur Abfahrt bereit, und wir alle an Bord, ans eine Flotte hat die Regierung verzichtet, nachdem cs der verstorbene König ehemals ernstlich damit meinte, nnd immer rascher drehten sich die Räder, einen weißen Streifen in den UV Furchen zurücklassend. Wie man so mehr in die Mitte hcranshiclt, da breitete sich auch das Panorama ans, gerade hielten wir ans Constanz ans, „Constanz liegt am Bodensee, Wcr's nicht glaubt, geh' hin nnd seh"! und rechts nach 93 der würtcmbergischen Enclavc war badisches Land, die hübsche Mainau und das rcbenumkränzte Meersburg, links sah inan eincn kleinen weißen Fleck, wa Klein-Venedig oder Lindau gerade gegenüber Bregenz lag, und in gleicher Linie mit Constanz, was wir bald erreichten, lag der Canton Thurgau, der Schweizer-Garten mit den Stationen Rarschach und Romanshorn, So ein Reisender wie Bädeker, der im grünen Bodensee den Silberstreifen des durchziehenden Rhein's entdeckt, ist sehr glücklich und phantasiereich, sonst Niemand kann ihn besonders bemerken. In Lou- stauz mußte man wieder eine Stunde ans den Abgang des Schweizer- bootcs „Rhein" warten, welche Zeit man damit ausfüllte, den alten Rath¬ saal Huß-Rcliquieu und dergleichen historische Daten etwas anfzufrischen. So dampften wir den Untersee herab, bei dem wundervoll gelegenen Areuenberg vorbei, bis man Stein erreicht, wo der Rhein langsam zu fließen beginnt, sein ruhiges Fließen weiß nichts von den reißenden Strömungen denen er cntgcgeneilt. Ans dem Verdecke saßen, die sich immer wieder zusamiucnfiudendeu, „Noch ist Polen nicht verloren," mit den uöthigen Cigarren, für eine ganze Woche versehen, auch Wäsche mußte Pauline, (bei Dietrich in Birkach wohnend), schnellstens besorgen für diese Woche, das ganze Dußeud, das sie befassen, ferners große Stiefel, Regenmantel und manch unnütz Zeng, wahrens wir außer der Bokani- sirbüchse in einer Reisetasche leicht und bequem unser Gepäk unterbrach- teu. Deutschland war immer ruhiger als Polen, und außer ein paar kleineren Cvnflicten, verlief die Reise friedlich. Immer näher Schaffhausen kämmen wir, immer lauter predigte uns der Führer vom Jurakalk, von Gesteinsartcu, — Roth- und Todtliegcudes, — endlich eine Wendung und Schaffhausen, die erste Stadt die man in der Schweiz betreten, liegt vor uns. Bei der Ankunft wurden wir gleich in das schon früher für uns bestellte Gasthaus (Herr Amon), gefahren, und dann ging cs ohne viel Zeitverlust, dem Rheinfall zu. Welchen Klang hat der Rheinfall nicht für so manches Ohr, daß sich Jahre laug darnach sehnt ihn zu sehn, immer wieder vergebens, — und ist man hier so nahe, wie bebt jede Faser, jeder Nerv, dies so lang ersehnte Schauspiel der Natur zu sehn- Für 5 Franks wurden wir ziem¬ lich nahe der Eisenbahnbrückc übergesahren, und von dort, ohne den Rheinfall gesehen zu haben, zum Hotel Laufen geführt, das schnellere 94 Strömen der Wellen, das Rauschen und Dannern, und über dies ein feiner Staubregen non den aufstcigeudcn HO Dünsten, hatte uns schon dafür vorbereitet, und jetzt als wir ihn sehen so gewaltig hcrabstürzend, immer wieder eine Welle die andere begrabend, in derselben Schnelligkeit ohne Rast und Ruhe, es ist ein großartiger unvergeßlicher Anblick, von dem man sich schwer trennt. Doch sorgte der Führer dafür, daß man sich trennen mußte, da man Morgen zeitlich ansbrechcn wollte, nachdem man also ganz von diesem Schauspiel ersüllt, langsam in die Stadt znrückging, hatten kaum das Johanniskraut, die erste Bente der Ercnrsion, in botanischer Hinsicht mehr Interesse, außer dessen Bedeutung in meiner Hcimath, daß mich bewog, sic in meine Herbarium als Andenken des 24. Juni aufznheben. Das frische kühlende Nachtwctter beschleunigte nnsern Rückweg, nachdem wir ans der, dem Falle so nahen Brücke noch einen Eisenbahnconvoi schnell dahin brausen und im Tunell verschwinden sahen, diese kühle Luft aber war durchdrungen von der so berauschenden duftigen Wein- blüthe, deren Geruch selbst dem der Linde an Feinheit nicht Nachsicht, so oft ich Weinblüthendüftc athme, erinnere ich mich immer an den schönen Schaffhansner Abend, an den unvergeßlichen Rheinfall, von dem jetzt nur noch das Rauschen der Wogen und darüber hin das thenre Weber- Hotel zu sehen war. Im Hotel angelangt, gab es den ersten Streit wegen der Zim- mcrnnmmcrn und deren präsumtiven Eigeuthümcrn, Bremen und Achen lagen sich bald in den Haaren und ein paar unschuldige Flaschen und Gläser waren als Dpfer dieses Streites gefallen. Nach einem sehr ange¬ nehmen Abend schlief man gut und ward gestärkt, nächsten Morgen prücisc 5 Uhr von Schaffhansen ans 2 Wagen abgefahren, wobei wieder Polen und der Führer einen in Beschlag nahmen, und wir übrigen uns in dem zweiten vertheilten. Für den Tag war Lenzkirch im badischen Schwarzwalde als Nachtstation bestimmt, die Wagen jedoch nur als an die Grenze an der Wutach gcmicthct, von wo man zu Fuße weiter zu wandern beschloß. Die Fahrt schon brachte manches Interessante mit sich, die hohen dunklen Tannen in ausgezeichneten Bestanden von der Natur so hingestellt, nicht von irgend einem Förster in Reihen gepflanzt, umgaben die Höhen und senkten sich in Thaler, wo auf 95 entblößten Stellen, van kleinen Wiesrändern umschlossen, die bekannten Schwarzwälderhäuschen stehn. In Wntach wurde das Schloß besehe», uud Forelle« mit Butter bestellt, bei deren Ankunft jeder dieselben haben wollte, die doch nur ein einziger bestellte; L. hatte einen harten Kampf zn bestehn, »ergebens dcmonstrirte er die Finger ganz ästhetisch haltend auf sein ausschließliches Recht, sein Gegner F. hat ihm die Forellen ab- gerungen. Nach einem mundenden Marsche, Thal nnd Höhe oftmals pas- firend nnd in Botanik nnd Geognosic machend, erreichten wir spät Abend Lenzkirch, welcher Marktflcck eine große Uhrcnfabrikatiou unterhält. Wegen des eben abgehaltenen Marktes waren alle Quartiere fest beseht, daher es schwer hielt nnterznkommcn, doch die Hauptmacht nahm in einem Zim¬ mer, auf Stroh gelagert, ihr Quartier, während ich, Hannewer nnd Achen ein eigenes Zimmer zu erobern so glücklich waren, kaum wollten wir nach dem Soup« zur Ruhe, als im Nebengebäude ein großer Lärm ent¬ stand, in Neglige hineilen, war das Werk eines Augenblickes, und ohne, daß sich die Zuhörer entsetzt Hütten, waren wir in einem hier auf Gast¬ rollen durchziehenden Theater, also mitgeklatscht nnd mitgejanchzt, daß es dröhnte, doch kann man solche oder noch pignantcre Scencn eben nicht beschreiben, das Erleben derselben hat ihren Reiz, der so oft man nur daran denkt einen lant anflachen läßt. Als wir zurück kämmen hatte sich noch Professor Siemens, mit einem Herrn ans Donaneschingen, für die morgige Parthie urit cingefnndcn, nnd so kam man eigentlich sehr- spät zur Ruhe, obwohl morgen die längste Tour nnd zu dem zn Fuß znrückznlegm beschlossen ward- Kanin lagen wir zn Bette, als mm dem Nebenzimmer, wo die Hauptmacht sich befand, ein Donnerwetter über das andere erging, einem Schwäbeleiu Zeller wurde unter sein Kopfkissen und an anderen Stellen IU> von Bremen gegossen, wodurch der auf diese Art Knltbadende unendlich aufgebracht uud nicht zur Ruhe zu be¬ geben war; endlich wurde Ruhe, die regelmäßigen Athcmznge der Bur¬ schen vermischten sich mit den traurigen Flötentönen irgend eines nn- glücklichcn Liebhabers, kaum 4 Uhr früh nnd frisch, frei nnd fröhlich waren wir alle beim Frühstück, in der großen Schwarzwälderstnbe, was uns besonders erheiterte, Ivar, daß unser Führer F. so freundlich war uns auf seinem Horne herausznblasen, worauf er lant die Worte vor der 96 Stube ertönnen lies;: Auf Kameraden, auf deu Feldberg hinauf, es hat schon 4 Uhr geschlagen. Als wir nach eiliger Toilette gegen diese Spitze des Schwarzwaldes anfbrachcn, wurden wir Anfangs der Steigung gar nicht gewahr, doch als gegen 1t Uhr trotzdem noch 2 Stunden bis zur Spitze des Feldbcrgs waren, so that ein Ansrnhn nöthig, so müde waren wir, die Gegend hatte fast das gleiche Anssehn wie gestern, angenehm durch den Tittisce unterbrochen — die Vegetation wurde je hoher be¬ greiflicher Weise immer kümmerlicher, kleiue Gräser, nekrüppeltes Nadel¬ holz bildeten Hanptbestandtheilc des dürftigen Rasens. Als wir die Spitze des Feldbcrgs erreichten bot sich aber dafür auch ciuc entzückende Aus¬ sicht, wo die Nebeuberge unter den Füßen liegend, nicht mehr die wei¬ tere Rnndficht und was für Rnndsicht versperrten, der „Schau ins Land" und der „Belchen" waren die nächsten Spitzen, besonders ersterer interes- sirte uns, weil an seinem Fuße, das Münstcrthal, unser heutiges Nacht¬ quartier lag, freilich waren bis hin noch 7 Gehstnnden, etwas was we¬ niger zur Erheiterung beitrug. Rechts sah man das liebliche Höllenthal, daß L. so gefiel, daß er allein hinreistc und uns erst in Badenweiler wieder traf, nachdem er in Freiburg Hotelstndicn gemacht hatte- Tief in der badische» Ebene endlich der Rhein, der wie ein kleines Silberband mannigfach verschlungen, hie und da von der Sonne beschienen anfblitze, sowie in duftiger Ferne gleich einer Fata Morgana dieBogesen, zwischen beiden das herrliche Elsaß. Nachdem man sich so an dieser Aussicht gelabt hatte, wurde in der sogenannten Todtenhütte auch für das leibliche Wohl gesorgt, Brod, Butter oder Käse und ein Darmkratzcr oome il tunt, dar¬ auf ging es nun nnnuterbrochcn den Abhang herab, der in den verschie¬ densten Wendungen sich zum Münstcrthal senkt, wobei die Beine noch ermüdender werden, als beim Besteigen einer Anhöhe, eben das ewige Zn- rückhalten, Zurückprallen bedingt eine Abspannung der Fnß-Mnsculatn- reu, welche man eben durchmachen muß, nm die Sache sehr begreiflich zu finden. Auch ein Pochwerk wurde im Tcnfclsgrnnd besucht, dann wieder unausgesetzt sortmarschirt, bis sich eine Ermüdung bei Allen cinstellte und dem Führer für so lange Märsche im Stillen ein Pereat nm's andre ge¬ bracht wurde. Der zweite Professor hatte hier die Fußtour so satt bekom¬ men, daß er gleich nächsten Morgen zur Station Krotzingcn eilte, nm sich wieder in Hohenheim rcstanriren zu können, wir kämmen gegen acht 97 Uhr Abmd in's Mülisterthal au (von Früh 4 Uhr am Marsch), wodurch es sehr begreiflich, daß mau verdrossen und müde ins Gasthaus kam, vou welchem ich uud noch 3 andere wieder in ein anderes hingeführt wnrden, da cs für Alle im ersten zu wenig Raum gab, der „Büchsen- schnßi" den das zweite Hotel vom ersten entfernt war, dehnte sich bis zur '/z Stunde aus, ehe unr¬ einem Gasthof erreichten, um so mehr waren wir überrascht dort gute Forellen zu erhalten, die jene im Abstciggnarticr Nr. I vergebens erwarteten. Für den folgenden Tag, es war ein Sonntag, wurde eine lungere Nachtruhe bewilliget, so daß wir erst gegen 9 Uhr Früh ans den Betten und dann gegen Badenweiler nnfbracheu, daß ein Marsch vou 4—5 Stunden sein sollte, womit die Sonntagstonr beendet wäre. Unterwegs gab es mit der Führerin, die den Namen Kunigunde hatte, großen Spaß, da jeder, der sich ihr näherte als Eduard bezeichnet wurde, so daß es bis Badenweiler gegen X Eduarde gab; die Gegend war hier lieblicher als in den ober« Thcilen des Schwarzwaldcs, das Ange hatte hie und da schon größere Cultnren und besonders größere Rnndsichten als cs in den geschlossenen Thälcrn von gestern gab; auch reife Kirschen wurden gefunden, und Bremen büßte seinen Reisestock ein, Folge eines zu schnellen Rückzuges beim Ertappt werden. Wir kamen in dem herrlichen Badenweiler gerade zurecht nm nach dem Nehmen eines Bades zur ck'koto zu er¬ scheinen, wo sehr feine Damm nicht vergebens manchen — sky ansah, es war nicht ohne diese nun auch von Musik gewürzte Tafel. Nach¬ mittag wurde ein Ritt auf eine benachbarte Höhe gemacht, wobei die langen Beine des Wiüert sich sehr gut machten, und hier die Gegend besehen, der Kerner in seinem letzten Blütheustranß ein würdiges An¬ denken setzte: Der Rebenhügel Heller, sonn'ger Schein Verklart der Waldgebirge dunkle Nacht; Noch tiefer ruht in der Gewölbe Nacht In Städten, Dörfern all' der gold'ne Wein. Land unter mir! sichtbar in Himmels Huld, O Breisgau, Deutschlands bunter Blüthenstrauß! Ich breite betend meine Arme aus: Gott schütze Dich vor Unnatur und Schuld. 7 98 Du aber Kranker! such' den Aufenthalt Hier in der Berge grünen Einsamkeit; Hier heile Dich, wie's wunde Reh sich heilt Am Hellen Barn' im tiefen, tiefen Wald. Noch ein Blick auf diesen schönsten Fleck der Erde, wie ihn so diele nennen nnd herab ging's zur Station Mühlheim, von welcher Stadt, Hebbel singt: „An Mühlen ns der Poscht, tusig Sappcrmost" „Trinkt man hier e Win läuft wie Banmöli" cs ist damit der wirklich aus¬ gezeichnete Markgräfler gemeint, dem wir unsere Honneurs auch schuldi¬ germassen machten. Spät Abends kamen wir mit dem Baslerzug in Freiburg an, wo man trot) L's Empfehlung in einem Hotel schlecht logirte, er wollte dirigircn, da er 2 Tage früher hier übernachtete und für Alles zustand, doch debntirte er sehr schlecht. Morgens wurde der Dom uud das Schloß besehen, dann Tags über unter theilwciscm Regen der Kaiserstnhl besucht, wo man außerordentlich viel Geognosie besonders über vulkanische Gcbirgsformationen lernen konnte und endlich spät Abend mit dem Zuge über Oos nach Baden-Baden gefahren, nicht bald in einem Laude hat man so wie in Baden durch die sich der Länge nach hindnrchziehendcn Bahn von Mannheim bis Basel Gelegenheit schnell auch kleinere Orte zu erreichen, oder aber die Erzeugnisse unseres Ge¬ werbes in benachbarte Städte uud Städtchen abznsetzen, deren es wahr¬ lich nicht fehlt; als Merkwürdigkeit dieses Tages hatte ein gewisser Herr W. in sein Notizbuch geschrieben: „Heut hab ich einen Kopfputz bei den schönen Breisganerinnen gesehen, welcher mich an die Fledermäuse erinnert". Nur die hübschen frischen Gesichter versöhnen in der That mit diesem häßlichen Kopfputz, der mit seinen Seitenflügclu immerhin in der Ferne gesehen, einem fliegenden großen Vogel etwas ähnelt, natürlich muß mau dabei die Phantasie etwas mit cinwirken lassen. In Baden- Baden war das erste, Benazet in den prachtvollen Spielsälen zu besuchen, wobei einige bedeutend Haare lassen mußten, einer davon sogar sein ganzes Reisegeld, es half nichts, daß der Führer uns mit philosophischer Ruhe ersuchte, nur znznsehcn wie andere, nachdem sie fort pointirten und gewannen, endlich alles wieder verloren — es war in der That so, doch will man's eben selbst Prokuren. Später lauschte man den Klängen der 99 Capelle des Regiments Benedeck das in Rastatt lag und kehrte in Ilütal /a Stunde später in den Collegiensaal und kein Schaaren mit den Füßen, kein noch so lautes Gelächter konnte ihn davon abbringen, er ging langsam, gravitätisch seiner Bank zn ohne eine Miene zu verziehen, dieser lauge Storch, die Bciue waren über menschliche Begriffe laug, dieses edle» Bistraun Nebst den waren 5 Polen, die sich so ziemlich wie ein Ei dem andern gleichen — (Woronieffky, Mcushnsky, Sicmiuffy, Knbiffkh und Daßkicviff) — wo¬ von mehrere auch die Schwarzwäldertonr schon mitgcmacht hatte», ein Mcklcnbnrg-SchwcrinerL., dem Niemand wohl wollte, der sich troff dem überall hervordrängte und einem Preußen Bencke von Staatsfnrth bei Magdeburg, der am Rigi erst für kurze Zeit zu uns kam; ersterer der mit B. am Rigi zusammen ging hatte famose rothc Haare und immense geographische Kenntnisse, er hielt den Imxo maxxioro für einen Berg und sagte bestimmt ans, er freue sich eigentlich Genna zn sehen, besonders des adriatischeu !! Meeres wegen. Schon den ersten Abend hatte er sein Gepäck verloren und es mußte darum von Flülen nach dem Zugersee telegrafirt werden — Zeugniß genug für seine praktische Begabung, die geistig war 0, da er jefft in einem Jrrenhause in der Nähe von Laage untergebracht ist. Dies waren die Elemente die einen Sonntag Früh Ende August von Basel gegen Luzern fuhren, und sich au der großartigen wcchsclvollen Scenerie nicht satt sehen konnten, es war auch zu schnell das Vorbeifahrcn bei den hohen Bergen init ihren Burgen, das sanfte Grün der Matten, aus dem uns endlich das Rauschen der Renß bei Emcnbrücke weckte, wo der Zug hielt, da die Bahn nach Luzern damals noch nicht beendet war. Wir fuhren über eine alte Brücke in einer antidilnvianischen Kutsche, in der alles krachte, nach Lnzern ein, wo wir ein paar Stunden warten mußten, bis das Dampfboot nach Wäggis fahr, nm den Rigi zu be¬ steigen, welche Zeit mit einem schlechten Dinö und dem Besuche des „Löwen" ansgcfüllt wurde, auch standen wir Stunde vor der Abfahrt 103 am Bord, um ja nicht zurückgelassen zu werden, und bewunderten den schönen See, der mit so vielen Namen beehrt wird. Eine Masse von Engländern mit ihrem Mnray kamen angcwackclt und wickelten sich bei Sonnenschein höchst fröstelnd in ihre Plaids, wor¬ über wir nicht wenig lachten. Nachdem erstes, zweites nnd drittes Lünten vorbei war, gings mit der „Stadt Luzern" Wäggis zn, rechts sahen wir den PilatnS nnd links Rigi-Knlm nns freundlich entgegen blickend, ans Rigistaffcl hatten wir endlich telegrafirt nnd die Antwort ans Unter¬ kunft war in des Führers Tasche, so daß wir jetzt die 1000 Fnß hohe Nagelflneniasse des Rigi unbesorgter betrachten konnten, da wir versichert waren nicht ans deren nackten Boden übernachten zn müssen; in Wäg¬ gis waren wir kaum gelandet, so wurden wir schon von Trägern nnd Manlthiertreibern umgeben, die wir jedoch alle abwiescn, da der Führer den Weg durch 20maliges Besteigen genau kannte, worauf die¬ selben ans die langsamer vom Dampfschiffe gehenden Engländer stürtztcn nnd dort auch Gnade fanden. Wir machten nns gleich auf den Weg, wobei ein Knabe die Reisetaschen der besser mit Cassa versehenen schleppte, der unterwegs über Baedeker sehr lieblos nrthcilte, da er ihre Finten kannte nnd sie zn Nntz nnd Frommen der Reisenden anfdccktc, so ist sol'ch Kritik sehr begreiflich, hat man diesen Berg bestiegen, den so viele schon beschrieben, daß man bald ans Büchern die größeren Steine am Wege kennt, so fühls, man je mehr man aufwärts kommt die dünnere reinere Lust, was so viele tausend von Touristen jährlich hinziehk, von Vegetation ist nicht viel zn sehen und zuerst kommt man zn einer Lnft nnd Kaltbadcanstalt, nach ^stündigem Marsch nach Rigistaffel nnd in eben solcher Zeit ans Rigi-Knlm, wovon inan die beste Aussicht hat. Wie diese drei Etablissement, eines immer höher als das andere liegen, eben solche Progressionen nehmen merkwürdigerweise auch die Hotclpreise, Kalt- badeanstalt mäßig, Rigistaffcl schon bedeutender nnd Rigi-Knlm befleißt sich die Preise der ersten Hotels der Großstädte in seinen Rechnungen nachznahmcn. Als wir in Rigistaffcl nnlangtcn war cs Abend, nnd die Kälte so bedeutend, daß geheitzt wurde, der Saal ist nett und geräumig nnd Mecklenburg ließ ans dem Piano ein paar Piecen hören, worüber ein paar ältliche Damen ihren Dank durch ein gnädiges Lächeln ihm potirten. 104 Meine Stube theilte ich für die Nacht mit dem Cnrläudcr und hatte also entschieden Pech, da sich dieser liebenswürdige Jüngling die Nacht hindurch wenigstens 25mal erbrach, es war an ein Schlafen nicht zu denken, in der Frühe erst suchte er jene Oerter, die mit 0 und .loi verziert erscheinen, ans, doch im Gewände der Unschuld, dabei verkühlte er sich und mußte sich mit Glühwcintriukcu restauriren, um bald wieder gesund zu werden, ich hatte von einem Plieninger etwas Lavendel in der Tasche, was ich wiederholt unter die Nase hielt, nm nur etwas sich zu helfen, in der Frühe sagte ich ihm, er möge mir die nngcpnhten Stiefel reichen, damit ich über dieses Meer schreiten konnte, worauf ich zu den andern ging, um den Sonnenaufgang auf Rigi-Kulm zu besehen. Unter- großer Betheilignng von Engländern und unter obligatem Tuten der Hirten, hätten wir ihn fast gesehen, doch hatten Wolken zuweilen höchst nnnöthigerweise die Sonne bedeckt, daß in fahlem Tageslichte die Seen, das Land hinein, und die ganze schöne Rundsicht fast wie in einem Nebel erschien, init der Abreise konnte es nichts werden, da ein gewisses Leiden auf einmal die ganze Gesellschaft befiel und nur massenhafte Paqucte von Chocolade Nr. Ill in etwas zur Linderung beitrugen, ein Ort, der sich nicht wohl nennen läßt, war dabei den ganzen Tag so be¬ seht, daß dabei wirkliche Stnrmscenen vorkamen, die Physiognomien waren von erschrecklicher Blässe und solcher Leere, wie es uns noch nie passirte, dabei konnte die beständige Frage, geht es noch nicht besser? einen un¬ gemein ärgern, denn man hat auch zuweilen das Mitleiden nicht gerne, wenn dasselbe an solch' traurige Folgen geknüpft ist, wie hier, da wir dadurch, abgesehen, daß wir ein paar Reisetage cinbüßten, noch für- schweres Geld an einem Plahe hängen blieben, ohne die Gegend und Aussicht näher zn betrachten, da cs bei solch' Elend Niemanden einfiel, Exkursionen machen zn wollen, — höchstens eine Viertelstunde und gleich aber gleich wieder zurück zur Chocolade und ja damals waren wir flotte Bursche gleich einem recht traurigen Rekruten, dcr's Heimweh hat; mit dem Unterschiede, daß wir uns nur weg, weit weg von der Nagelfluemasse wünschten. — So wie alles ans der Welt endet, hatten auch die Leidenstage ans Rigistaffcl ihr Ziel, und ungemein erfreut machten wir uns nach Wäggis zurück, von wo man mit dem Dampfschiff nach Flülen fuhr, ein Pole hatte dabei seinen Reisesack auf 105 dm Dampfer, der nach Luzern ging, gethan, was wieder Unannehmlich¬ keiten verursachte, daß man sich nur darüber tröstete weg zu kommen, all' die historischen Erinnerungen, der Schwur der Männer auf dem Grütli, Teils Capelle, traten seht wieder mit größerem Interesse vor unsere Angen, und von Milen machten wir den Weg nach Ander- matt thcilweise zu Fuß, so großartig sich auch diese Parthic und die Reuß in ihrem kleinen Bette, weiß und grün schimmernd, oft schauder¬ haft tief, die Tcufelebrückc, das Urnerloch nnd das Ensemble ausnimmt, so hat mich der Weg von Chur nach Andeer doch mehr angesprochcn-, der Rhein ist eben wo mau ihn sieht, einzig, außer dort wo er in Saud verläuft, was zu sehn mir später auch noch vergönnt war. Den Abend in Andermatt trafen wir mit Engländern zusammen, den Hauptbcstaud- theil dieser mixsll gilcols machte ein alter Lord mit seiner Lady, nachdem sich die meisten behufs Reinigung der Kleider und des Schuhwerkes in ll)re Zimmer begaben (cs hatte Nachmittag so recht artig geregnet), blieb ich nnd noch ein Pole in der Gaststube, um unseren bisherigen englischen Studien noch neue praktische anznreihen, wobei wir erfuhren, daß unser Englisch dem Teufel taugt, wie man zn sagen liebt, denn von 40 bis 50 Wörtern, die vom Theetisch nicht gesprochen, sondern hcrvorgezischt und geschleudert wurden, verstanden wir kaum die Hälfte, nicht mal immer den Sinn der Rede, wir konnten mit dem Bewußtsein scheiden und darüber träumen, daß wir zwar viel gelernt, doch der Erfolg ein recht problematischer war. — Wie bald sich ein jugendlich Gemüth er¬ holt und über Beschwerlichkeiten hinwegseht, daß sah man nächsten Morgen, als man frisch nnd kräftig, echte Landjnnkernatnrcn, gen Hospitz nnd St. Gotthardt zn wanderten, nachdem man hier die 6600 Fuß hohe Tessin- nnd Rcußqnelle besehen, auch sich oricntirt hatte, wo der Rhein und die Rhone eigentlich entspringen, ging cs Italien zu, wo die Orangen blühen und das zu erreichen unser größter Wunsch war; doch nicht gleich sah mau das Paradies vor sich liegen, wie es so viele meinten, sondern langsam staffclförmig kam man von einer Region in die andere, zuerst noch immer dem Tessin in seinem Laufe folgend, krüppelhaftes Nadelholz, daß sich tiefer bei einer Biegung in Laubholzwaldnugen verwandelte, wieder tiefer Kastanien nnd dann schon dem I-UK» »mxxioro nahe, Feigen und die Rebe. Diese Ucbergängc zu beachten ist von kein gerin- 106 gem Interesse und wird diese Parthic natürlich nm so genußreicher, wenn man sie zu Fuß macht. Am Nachmittage erreichten wir Pirolo wo wir über die Nacht bleiben wollten, besahen das Val Oanarin nnd konnten von Kalk und Urgcbirge viel sehen und hören, auch rvthe Achillea sammeln und unser Auge über die hohen Berge schweifen lassen, die vom Abcndsonncnschein nmglüht, sich wunderbar nusuahmen, die grünen Matten und das Rau¬ schen des Tessin machten einen solchen Eindruck, daß dieser so wie manch anderer Reisetag uns unvergeßlich in freundlicher Erinnerung bleiben wird. Abends hatte sich L., der sich auf Hvspitz versäumte, nicht wenig zu brummen über Vernachlässigung seiner Person von Seite des Führers. In diesem Thcile der italienischen Schweiz wird ein Patois ita¬ lienisch gesprochen, daß sehr wenig an das Florentiner erinnert, doch ver¬ söhnen der schwarzen Augen Gefnnkel mit der Sprache, da Niemand als ich und der Führer italienisch kannten, so war es oft sehr unangenehm in seinen Betrachtungen gestört zu werden, da immer wieder der eine oder der andere Auskunft wollte, was dies oder jenes heiße, in VaiNa besonders wo man nächsten Tag speiste, konnte man kaum ruhig seinen harten Reis hinabkriegcn; dann kam man nach »ollinxona, wo Über- Nacht geblieben wurde, und nächsten Morgen ohne viel die Stadt zu besehen, gings in einem Vettnrino dem lOuxo maxKlore zu, welchen wir in 2 Stunden erreichten, nnd schon früher seinen Spiegel nnd die Gebirge, die ihn cinschließcn, bewunderten. In Max-Mina hatte man bis zur Abfahrt des Dampfbootes Zeit, welches uns nach Jutra führen sollte, wir setzten uns daher ans den Balcon nnd so mancher erzählte Abenteuer von letzten Nächten, so hatte unter andern ein Slave das Malheur mit L. zusammen in einer Stube zu logiren, bei der Nacht, nun es mußte reichlich Mitternacht vorüber sein, — sieht er plötzlich Licht im Zimmer nnd einen Kellner vor dem Bette des L., der ihm ganz kuriose Zeichen Vormacht, worauf L. sich wendet und einen unnennbaren Theil seines Körpers für gewisse Euren jenem Operateur entgegenhalt; diese nnd noch ein paar dergleichen ver¬ trieben uns angenehm die Zeit, bis wir am Bord des „Ticino" von einer Seite des Sees ans die andere dampften, überall Neues sahen nnd uns bis zur Ankunft in Jntra gerade in recht angenehmer Stimmung 107 befanden, die hier auf recht unangenehme Art gestört wurde, kaum ge¬ landet, so war mau gleich zum Paß-Visa für Sardinien gewiesen, wobei es nichts half, daß der Führer für alle einen Hanptpaß besaß, wer den eigenen uuklugerwcisc in dem ersten Ansbrausen zeigte, mußte nebst den Teilbetrag für obigen Hauptpaß noch seperat 2 Franken erlegen. Noch selben Abend fuhr man zur Isnla dalta und «lol maclea, betrachtete das Zimmer wo Napoleon vor der Schlacht von Marengo schlief, sah den Lorbeerbaum, der 207 Jahre alt sein sollte, bewunderte die schöne Bauart, die herrlichen Muschelgrotten. Besonders gefiel mir hier die Einfassung der Blumenbeete, die mit weißen und rothen Sandsteinen sich recht geschmackvoll ansnahm; in das größte Erstaunen brachte es alle als man Rhvdodendrons-Camclicn bnschartig, die im April im Freien blühen und Aloen in üppiger Fülle sah, Tapushecken waren von geübter Gürtncrhand in allen Formen zugcstntzt, hier als niedere Ein¬ fassung, dort einen Laubgang bildend, und die größeren Bäume waren von Ephen umrankt, die sich von einem zum andern zogen, in Arms¬ dicke, ich habe in solcher Stärke Ephen nur am Schloß Heidelberg ge¬ sehen, und wo die Eitrvnen und Orangen blühen, brauchte man nur ein paar Schritte zu gehen, um sich in aller Muße die Sache zn be¬ sehen, diese üppige Vegetation, dazu die laue von den Blüthcndüftcn durchwogte Luft, hatte, verbunden mit dem leisen Anschlägen der Wellen an das Ufer, eine solch' berauschende Wirkung, daß man sich nicht trennen konnte, von diesem Stückchen Erde, wo die Knnst alles gethan hatte um Herz und Ange zu erfreuen, denn selbst die Erde mußte auf die ursprüng¬ lich bloß ans Felsen bestehende Insel gebracht werden. In einer Laube wurde uns Graf Boromev, ein alter aristokratischer Herr oome il kaut gezeigt, und so voll der herrlichen Genüsse fnhr man langsam in seiner Barke nach Jntra zurück. Als wir uns in den unge¬ wohnten zweischläfrigen Betten zur Ruhe begaben, konnte ich Gott nicht genug danken, daß cs Morgen wurde, ich hatte das Unglück wieder mit dem Bistram zusammen einqnartirt zn werden, nnd da mau dort nur eine Decke erhielt, so ward die ganze Nacht nm dieses Zndccknngsmittel gestritten, wer davon mehr für seine Person erhalten sollte, ein ewiges Hin- und Hcrrüttcln. Wir reisten dann morgens mit dem virosoako „U lma- msxno" nach Arona, während welcher Fahrt mau besonders die Statue 108 des ehemaligen Cardinals eovte kui-romeo sieht, der segnend seine Hände über Land und See gebreitet hält, auch den Ansslnß des Tessin bei Sesto-Calcnde konnte man gewahren, ehe man in Arona anlegte. Die Billetansgabc und Bahnhöfe Piemonts lassen wohl nicl zn wünschen übrig, nach umständlichem Wechseln und endlichem Einsteigen in die elenden Waggons gings der Ebene und Genna zu, wobei die größte Festung Alessandria am Tanaro, und Novara berührt wurden, besonders letzteres erweckte alte Erinnerungen an die hier gelieferte Schlacht und an Vater Radetzky, wie rnhig und friedl'ch ruhen nun Freund und Feind nebeneinander, die sich chmals so bemühten einander das Lebens¬ licht ansznblasen, ja das Kriegswerk ist ein recht rauhes,-den Po hatten wir auf einer hübschen Brücke überschritten, die jener Eisenbahn- brücke bei Frankfurt a. Main stark ähnlich sieht. Tertiärs-Gebirge scholl es von den Lippen des Führers, als man den ersten Tunnel der Snp- appcninen durchfuhr, dem sich bei Station Val Madonna und Sera- valle eine ganze artige Anzahl anschlossen, ans den kahlen Höhcnzügen durcheilte man die Gegend, bis sich die Bahn gegen Genna senkte. Schon hie und da durch Felsmasseu anfblitzend sah man das Meer, und als man bald darauf Genua erreichte, so war der erste Anblick so über¬ wältigend, daß die meisten sich nm das Gepäck nicht kümmerten und fortwährend das Meer anstarrten; wir kamen in's ^IbeiKo llei Svilen wo wir in Eile etwas genossen und gleich dem Hafen znciltcn, das ewige Meer, sein rastloses Ans- und Niedcrwogen, das Schlagen der Wellen an die Pfähle und Uferbefestigungen cs ist mit seiner Luft und seinem klaren blauen Himmel wirklich schwer davon zu gehen — eben jetzt bog auch zwischen den beiden Lcnchtthürmen der Dampfer Maria Theresia von Neapel kommend ein, und das Gedränge der Ankommenden bot einen neuen Anhaltspunkt nm länger hier zn verweilen; Abend ging man zusammen, was selten genug vorkam ä la vcmoai-llia, wohin wir uns seit lange schon gefreut hatten, der Anfgaug war schön und die Bouquets die feilgeboten wurden, verbreiteten einen fast betäubenden Geruch, so saßen wir unter Orangen und warteten ganz entzückt von all dem Gesehenen ans unser Soupö, wir bestellten Sardellen frisch in Oel gebraten und das unvermeidliche Neisefnttcr Coteletts oder Beefsteak, da dies jeder in Deutsch dem Kellner znrief, so amüsirten sich diese Kerls 109 dabei göttlich, bis Fleischer ihnen eine eindringliche Rede hielt, deren kurzer Sinn war, daß sie das Donnerwetter regieren solle und er sie nicht wehr besuchen werde, wenn sie vor Deutschen so wenig Regards beobachten würden, was diesen Bengels wohl wenig zu Herzen gegangen war, da die Anstalt auch ohne uns stark besucht wird. Eine 1'oKlwtta viiw 6'^.Mi nach der andern wurde ausgcstochcn und in recht auimirtcr Stimmung unser tm-xo piano erstiegen, wobei sich die meisten zur Ruhe begaben; 3 nicht ein Wort italienisch verstehenden, machten jedoch noch ans eigene Faust einen Rnudgaug in der Stadt, und kehrten in eine sogenannte O-Oeria, eine Kneipe der gemeinsten Art ein, wo sie nach vorher cingczogenen Erkundigungen pano o vino verlangten und auf echt schwäbisch weiter kneipten, am Rebcntisch aßen Matrosen einen vor¬ trefflichen Fisch, wie sie uns nächsten Morgen erzählten und verließen bald darauf die Osteria, unsere 3 Mnscnsöhue riefen auch ihr polare wobei ihnen nebst Wein und Brod auch der Fisch und zwar bedeutend angerechnct wurde. Alles Protcstireu half nichts, der Baron L. soll großes geleistet haben, Sie elende alte Vettel, Sie altes betrügerisches Aas und dergleichen liebevolle Benennungen mehr, er hatte gut reden die Alte verstand es nicht, er und die andern verstanden dagegen besser was sie von Polizei rufen sprach und höchst energisch einen Besen ergriff als sie verduften wollten — kurz das End' vom Liede war, daß sie 20 Francs bezahlten, wovon D. die Hälfte für einen Fisch, den die Matrosen von Vittoiio Lmannelv gcmüthlich verzehrten. Als wir dies erfuhren, kannte man sich halb todt lachen und sehr oft noch wurden sie mit dem Fisch geneckt, wer den Schaden hat, darf für den Spott nicht sorgen, ist schon ein altes Sprichwort. Nächsten Tag war ein Sonntag, und ich weiß es noch als wenn es sicht geschehen wäre, wir gingen in ein paar Kirchen, bewunderten die Schleier der Genneserinnen nnd sichren mit der Bahn ein paar Stationen gegen Nizza nm die Villa I'aliavioini zu besuchen. Schon der erste Anblick derselben ist wirklich entzückend, wenn man ans die dem Bahnhof erhöhet«! Anlagen zngeht, wirklich reizend ist das Ensemble znsammengestellt, die obere Parthie, Park könnte man es nennen, ist von hohen alten Cyprcsscn, Eichen, Buchen, Lärchen und Birken in wohlthnendcr Abwechslung um¬ geben, in dem liefern Thale und den Gartcnaulageu mit ihren Glas- 110 und Treibhäusern Hut die Natur und Kunst glücklich vereiniget, jedem selbst geläuterten Geschmack entsprochen, diese enorme Masse von Blumen mitThuja's bcgränzt, bot dein Ange solch eine harmonische wohlthnende Abwechslung wie ich sie selten sah, von grellen Farbeutöneu bis zu lichten Farbeutinten war hier alles geordnet. Während dort aus den ersten Anblick eine große Mustcrkarte von bunten Blumen einen großen Rasen im Nvndelen einnahm, welche näher betrachtet doch wieder alle einem gewissen Ordnungssinn entsprachen, die Villa allein Ivar so ein¬ gerichtet, daß man hier eine Zeit lang sein Leben verträumen könnte, und gewiß recht angenehm verträumen; die Aussicht von dem oberen Thurme endlich nmranschte jeden Lebensmüden mit neuer Lebenskraft, das blitzende Meer zu Füßen, rechts in wundervoller Färbung die See- alpeu gegen Nizza und links von Genna die Orangen-Haiue und die schöne sich immer mehr verlierende Küste gegen Spezzia zu. Viel Scherz verursachten die bekannten IlOkünste, die man auch in Wilhelmshöhe und an andern Orten trifft, wo a tempu alle mit llO tüchtig übergossen werden, darneben die Grotte wo man von der Sonnenhitze geschützt Kühle und Labung holen konnte, ja diese Villa ist ein Güttersitz und findet man cs begreiflich, daß Millionen deren Einrichtung und Erhaltung kostet. Als man zurück nach Genna fuhr, nahm man bei cloxll I'oxli ein Seebad, daß ungemein erfrischend wirkte, doch war man kaum mit dem Oberkörper ans den Flnthen, so brannte wieder die Sonne gott- sträflich, wie die Schwaben sagen, Niemand zeigte übrigens viel Muth in die Bucht heraus zu schwimmen, selbst dergleichen Renommirer, die den Rhein bei Coblenz und Bonn, Gott weiß cs nur, wie oft überschwommen hatten, blieben in der Nähe des Strandes in ihrem adamitischen Costüme. Nachmittags besuchte man die amerikanische Fregatte Wabasch, die November 1861 Fort Beauregard der Sonderbündler beschoß, und das Erstaunen der Landratten war groß, als sie diese in der Rhede ankernde Festung mit ihren 60 Kanonen näher besahen, das ruhige, cxactc Boll¬ führen der Befehle, die Reinlichkeit in allen selbst unbedeutendsten Räu¬ men, die Maschincnrümne und eleganten Salons und Kajüten, bildeten einen sonderbaren Contrast mit den Einrichtungen der Handelsschiffe. Ein Officicr, der so freundlich war nns herum zu führen, war selbst gefällig genug mein schlechtes Englisch zu verstehen, während ich 111 auch zu jenen Phrasen nickte, die ich nicht ganz verstand, jetzt, wie wir von der Fregatte abfuhrcn, hörte inan den Unke Noocllo, den das Mu- sikchor spielte, nnd allsogleich waren die Zeitungen weggelcgt, die diese Bursche in den freien Sonntagsstunden lasen, nnd ein Tanz wurde im- provisirt, dessen Fortsetzung wir leider nicht sahen- Ain Hafen angelangt theilte sich die Gesellschaft, der eine Theil ging mit dem Führer auf den Strand weiter promenircn um Algcu und andere HOpflanzcn zu sam¬ meln, ein Theil lies; sich später des Abends noch heraus rudern nm Ovnova la 8uporka bei Beleuchtung zn sehen nnd mit einem Dampf¬ schiffe in Collisiou zn kommen, was der Mecklenburger immer später für eine Lebensgefahr erklärt hat, der letzte Theil endlich machte Studien in Straßen, wo sich das anständige mit dem unanständigen bei einbrechen- der Dunkelheit stark verwirrt, worauf man ein Theater nahe ^gua sola besuchte, nachdem man früher Eis mehrere Portionen schlürfte, das ge¬ spielte Ballet befriedigte nicht recht, und ein sky, der oft eine solche Ballerina mit Fiaker Nr. 37 in Stuttgart bis zum Tübinger-Thor nach der Vorstellung führen ließ, fand es viel netter am Neßenbachstrande, es fehlte zwar nicht au Gold nnd Flitterwerk oder gesprungenen Tricots, auch in Sprüngen und Pironctts wurde das menschenmögliche geleistet, doch die Gestalten waren den Deutschen zu wenig stramm, an Feuer in den Blicken war kein Mangel, doch sagte Lüders von Laage, die Basis käme ihm zu schwach und das Holz vorm Hans zu gering vor. Darauf machte man noch einen Gang über I'onta di OaeiKimn, die Strarla valbi, wo die Mamorpaläste dieser stolzen Stadt stehen und kam gcg'en 10 Uhr in sein Quartier, wo man alles in Aufregung fand, da sich un¬ ser verehrter Führer den Fuß gebrochen hatte, so recht in der Ausübung seines Berufes, als er am Strande Pflanzen sammelte, war er verun¬ glückt und durch diesen Fall waren wir alle in nicht geringe Bestürzung versetzt, da wir einer Heerde ohne Hirten stark ähnlich sahen. Wir waren Egoisten genug nm weniger an den Schmerz des Doctors zn denken, als an die verpfuschte Excnrsion, o Gott! wer führt uns auf de» Monte Rosa, war von den meisten der größte Kummer, die ihn auch nicht bestiegen. Vorderhand waren zwei nnd zwei abgeordnet, die den armen Pa¬ tienten immer mit frischen Eisumschlägcn versahen, was der später ein- 112 treffende Doktor verordnete, die Einrichtung lvnrde besorgt und ein paar Tage darnach anch der Dvctor F. iu's Hotel Feder gebracht, wo er besser gepflegt werden konnte; ans dein Boden, der mit einfacher Ziegelverzic- rnng bedeckt war, das, sich für Mosaikarbcit durch die Farbeustellnng brüstete, horte man jeden Schritt nnd der leiseste Laut war ihm so un¬ angenehm, daß cs ihn immer wieder anfregte. Tags über, da wir dadurch zwei Tage länger in Genna zu bleiben beschlossen hatten, aber waren statt den vom Evmito beantragten 2 Wäch¬ ter immer 5 nnd 6 anwesend, wobei meistens darüber leise berathen wnrde, wie und wohin man reisen wollte, bei Nacht freilich waren die zwei Wächter oft mit eiugcschlafcu. So hatte Bistram einmal einen Slaven znr Wache von 12 bis 2 Uhr zu wecken, nur ihn abzulöscu, er tappt in >v. Stock hinauf, findet die Thür nnd rüttelt das Opfer ans dem Schlafe, der arme S., er war von Tagesarbeit hcrgenommen, besinnt sich eine Zeit lang nnd erklärt er wolle nicht wachen, er wäre zu schläfrig, worauf B. ihm die Bettdecke herabzicht und S. in seinem Zorne ein nicht näher zu beschreibendes volles Geschirr ihm in's Gesicht schmeißt, ihn herauswirst nnd die Thür verriegelt, indem er ihm Eckhofls Worte nachrnft: „Gnt, daß er draußen ist"; der arme B- hatte die Nacht 4 Ständen Wache. Nächsten Tag war in meiner Wache mir der Berliner Baron zugetheilt, dem ich die Hülfsleistungen gern überließ, er glaubte nun durch viele EiSnmschläge den Dvctor am schnellsten zu heilen, bis ihn der Patient die Worte znschrie: „Mein lieber Baron ich sehe es viel lieber, wenn ich allein bin, legen Sie das Nöthigc herbei, ich werde cs selbst besorgen, ich bin schon so durchnäßt, daß die ganze Matratze nnd Leintücher von NO triefen und ich mich einer Verkühlung nnnöthigerweise anssetze". Die Polen erklärten noch ein paar Tage hier verweilen zu wollen, uns aber, nachdem ein Wärter ausgenommen wnrde, hielt nichts mehr in Genna zurück, daher verabschiedeten wir uns nnd fuhren zu sechs nach Arona ab, nachdem B. vergebens in der Lomelina eine Reis- pflanze pflücken wollte, so oft er über die Rampe stieg um das nächste Feld zu erreichen, ertönte der fatale Pfiff und da wars vorbei mit Pflanzensammcln. Woronietzky wollte, ich sollte der Sprachkcnntniß wegen mit ihm nach Turin und Mailand, doch mein lieber B. und L. 113 im Vereine mit dem Genfersee interessirtc mich mehr. Noch Mährend der Fnhrt cinf dem Dampfschiffe van Arona nach Jntra spalteten sich die 6 oder 7 Mann in 2 Partheicn, die einen wollten den Monte Rosa troff- dem besteigen, einer reiste ab, nm schnell mons/s wegen über den Splügen nach Hohenheim zn gelangen (Kubiffky), wir aber, ich, Blnmenan, Berliner, Leipziger Plaff nnd von der Nopp beschlossen, den Genfersee zu besuchen, was dec Mecklenburger immer abwehrte, eS Ware besser dem Eomcrsee nnd seiner Reiseroute zu folgen, welchen Projekten er jedoch selbst die Ausführung geben muffte; als der Dampfer so weiter fuhr, kam L., nachdem er sich durch einen Bitteren gestärkt hatte, in seinem Groffoatermantel daher, welch' lcffterer stark den preußischen Wah¬ len glich, er blieb sich durch das Vr Jahrhundert conservativ der Träger unser liebe L. huldigte in seiner Person dein Fortschritt — daher war er in keinem Gleichgelvicht, dieser Familienmantel, zn seinem jetzigen Eigen- thümer. Er räusperte sich, indem er zn Lüders beim Radkasten tratb nnd ihm in energischen Ausdrücken sagte, wir alle wollten ihn nicht zn Begleitern nnd hätten je eher je lieber, daß er von uns verdufte. Ein Mißtrauensvotum ooma II taut, daS der Empfänger durch ein verächt¬ liches Lachen beantwortete, als er in unsere ernsten Gesichter, die dem Redner Beifall gaben, sah. L. hatte früher schon Stimmen für oder gegen Mecklenburg gesammelt; seine donnernde Rede, die nur vom Ge¬ plätscher der DampfschiffSrädcr unterbrochen wurde, schloß er etwas leiser: Der Bengel wird ohncdicff unterwegs in's Spital müssen, welche Andeutung, von uns recht wohl verstanden, ein großes Gelächter hervor- rief- In Jntra angekonimen, wo wir unser Gepäck zurückließen als wir nach Genua zogen, hatte die Wirthiu großes Mitleid, als sic vom Malheur des buan 8lKiioro hörte, wir übernahmen unsere Reisetaschen, bezahlten das Essen und suchten einen kleinen Wagen, der uns gegen Simplou oder nur bis v'uom» ll'ussvla den Abend bringen sollte. Wieder war es Bistram, der eine Scene verursachte, er hatte unter seiner Wäsche, die hier gereinigt wurde, ein Hemd zu wenig gefunden nnd dann erst später bemerkt, daß 2 Damensacktücher mehr darinlagen. Der Kerl machte schauderhafte Gebcrden, fluchte fortwährend ans die alte Hexe und Vettel, ich sollte ihr das übersetzen und das Hemd znrück- fordern, das Hemd, dessen Dutzend er sich erst in Stuttgart machen ließ, 8 114 cs wäre zu unverschämt, sich so betrugen zu Kissen- End' vom Lied, daß sich das Hemd nicht fand, die Wirthin ihm das Essen und Wäsche gratis geben wallte, wobei es ihm dann gewiß leid that, als er merkte, daß er ein Hemd nach Genua mehr mitgenommen hatte und die gute Alte ganz unschuldig daran war. Der Führer des Wagens war zugleich dessen Bescher nnd sehr gesprächig, er führte ein kleines Perspectiv mit, durch das er hie nnd da sah und uns Alles erklären wallte, auch eine alte Frau begegnete er, die er grüßte, indem er sagte, sie wäre vor 25 Jahren seine Geliebte gewesen, was ich den andern übersetzte, die ihr ein donnerndes Hoch znriefcn — leider ohne ihre Sympathie dadurch erringen zu können. Jetzt kamen wir ans die Höhe der Simplonstraße, wo inan den letzten Blick ans den See hatte, wir stiegen ans, nnd konnten uns lange lange nicht von diesem Anblicke trennen, war doch für die meisten, wenn nicht für alle Anwesenden mit Ausnahme unseres Führers dies der letzte Blick, den wir auf Erden auf dicscs letzte Stück¬ chen Italien warfen. Nachgerade fing es auch dunkel zu werden an, auch die Gegend zwischen Felsen ohne jede Vegetation war uns bedeu¬ tungsloser nnd so schlummerte man lnngsam ein, bis man uns in v'uomo