120819 sches Lesebuch sur die I. nnd 2. Claffc sloveni sch - n t r n st n i st l s ch e 1 Mittelschulen kkeoüna in univoeritetns knjlrnies v bjubljsni und verwandter Lehranstalten. Kcrausgestcbm Anton Štritof. Preis, gebunden, 2 X 70 1i, broschiert, 2 X 40 b. -»-—.--°- Wien. Im k a i se rlich - k v n i g lich e n S ch n l b ii ch e r - V e r l n g e. 1897. Deutsches Lesebuch für die 1. und 2. Cluffe slovenisch-utrastuistischer Mittelschulen und verwandter Lehranstalten. Kerausgegeben von An ton Štritof. Preis, Mmndrn, 2 L 70 I>, brvschirrk, 2 K 40 I>. Wien. Am k ai ser li ch -k ö ni g li ch r n S ch u I b ü ch rr-V rr l a g r. 1897. Die in einem k. k. Schulbücher-Verlage herausgegebenen Schulbücher dürfen nur zu dem auf dem Titelblatte angegebenen Preise verkauft -werden. ÄUe Rechte Vorbehalten. 120819 3 1. Im Namen Gottes. Im Namen Gottes fang' ich an. Mir helfe Gott, der helfen kann! Wenn Gott mir hilft, wird alles leicht; Wo Gott nicht hilft, wird nichts erreicht. Drum ist das Beste, was ich kann: Im Namen Gottes fang' ich an. Alter Spruch. Aus Kummer-Brankp-Hofbauer's Lesebuch. 2. Sprüche. 1. Aller Anfang ist schwer. 2. Frisch gewagt, ist halb gewonnen. 3. Übung macht den Meister. 4. Was du heute kannst besorgen. Das verschiebe nicht auf morgen h. 5. „Morgen, morgen, nur nicht heute!" Sprechen immer träge Leute. 3. Der kluge Star. Ein durstiger Star wollte aus einer Wasserflasche trinken; er konnte aber das Wasser darin mit seinem kurzen Schnabel nicht erreichen. Er hackte ins dicke Glas, vermochte es aber nicht zu zerbrechen. Er stemmte sich gegen die Flasche, sie umzuwerfen; aber dazu war er zu schwach. 5 Nach längerem Nachdenken fiel ihm ein, Steinchen zu sammeln und sie in die Flasche zu werfen. Dadurch stieg das Wasser bald so hoch, dass er es erreichen und seinen Durst löschen konnte. Ermüde nicht beim Lernen, so schwer es dir auch wird; durch anhaltenden Fleiß erreicht man das gesteckte Ziel. u> Nach Gleim. i * 4 4. Der sprechende Star. Der alte Jäger Moriz hatte in seiner Stube einen abgerichteten Star, der einige Worte sprechen konnte. Wenn zum Beispiel der Jäger rief: „Stärlein, wo bist du?" so schrie der Star allemal: „Da bin ich!" 5 Des Nachbars kleiner Karl hatte an dem Vogel eine ganz besondere Freude und machte demselben öfters einen Besuch. Als Karl wieder einmal hinkam, war der Jäger eben nicht in der Stube. Karl fieng geschwind den Vogel, steckte ihn in die Tasche und wollte damit sortschleichen. io Allein in eben dem Augenblicke kam der Jäger zur Thüre herein. Er dachte, dem Knaben eine Freude zu machen, und ries wie gewöhnlich: „Stärlein, wo bist du?" — und der Vogel in der Tasche schrie, so laut er konnte: „Da bin ich!" Also kam der Diebstahl an den Tag. Nach Chr. Schmid. 6. Was kostet das Füllen? Ein Wolf traf vonungefähr eine Stute mit ihrem Füllen an. Der Wolf fragte die Stute, ob sie ihm das Füllen nicht verkaufen wolle und um welchen Preis. „O ja," antwortete sie, „ich verkaufe das Füllen. Der Preis steht unter dem Hufe meines rechten Hinterfußes geschrieben. Kannst du lesen, so sieh nach!" „Ich bin ein gelehrter Mann und kann lesen," sprach der Wolf. Die Stute hob den Fuß auf. Der Wolf kam nahe herbei, um die Schrift zu suchen. Da gab ihm die Stute einen solchen Schlag io vor die Stirn, dass ihm die Sinne vergangen und er wie todt zu Boden stel. Grimm. 6. Die Fliege und ihre Jungen. „Kinder," sagte eine alte Fliege zu ihren Jungen, „vor dem Honig, vor dem Wein und vor eineni brennenden Lichte nehmt euch macht!" 5 „Ei," sagte eine junge Fliege, „der Honig ist ja so süß." Sie aß und blieb mit den Füßchen daran hangen. 5 „O," sagte die andere, „der Wein ist ja so gut." Sie nippte, ward berauscht und ertrank im Glase. „Aber das Licht," sagte die dritte, „ist doch so schön und weder Speise noch Trank." Sie flog gegen die Flamme und verbrannte. Wer nicht hören will, muss suhlen. io S chul z e - S t e i n m a n 11 - K iel, Kinderschah. 7. Wie soll es sein? Ein Kindesherz soll sein: Wie die Lilie so rein, Wie der Than so klar. Wie der Spiegel so wahr, Wie der Quell so frisch, Wie die Vöglein im Gebüsch. Kletke. 8. Die faulen Mägde. Eine fleißige Hausmutter weckte ihre zwei Mägde alle Morgen zur Arbeit, sobald der Haushahn krähte. Die Mägde wurden über den Hahn sehr zornig und brachten ihn um, damit sie länger schlafen dürften. Allein die alte Hausmutter, die wenig schlafen konnte und jetzt gar nicht mehr wusste, wie viel Uhr es war, weckte die Mägde 5 von nun an immer noch früher, ja ost schon um Mitternacht. Nach Chr. Schmid. 9. Der Sperling und die Taube. Ein Knabe hatte einen Sperling gefangen und sah dann auf dem Dache eine Taube. „Die ist besser," dachte er, ließ den Spatzen wieder fliegen und stieg auf das Dach, um dafür die Taube zu sangen. Die aber wartete nicht, sondern flog davon. Da saß der Knabe ohne Sperling und ohne Taube traurig auf dem Dache und sagte bei sich: 5 „Besser ein Sperling in der Hand als eine Taube auf dem Dache." Niedergesüß, Deutsches Lesebuch. 6 10. Oer Llau äsr Labn. Linst spraeb der ?kan 2n der Lenne: „Lied einmal, vie boebmütbiZ unä trot^iZ dein Halm einbertritt! Und doeli sa§en die Uenseben niedt: der stolze Labn, sondern nur immer: der stolze kkan." — „Vas maebt," saZte die Lenne, „veil der Nsnseb 5 einen ASZrundeten Ltolz üdersielit. Der Labn ist auf seine 'Uaeb- sambeit, aut seine Nannbeit stolr; aber vorauf du? — auf Landen rmd Ledern!" DsssinZ. 11. Dir Henne und ihre Küchlein. Eine Henne sah in der Luft den Habicht schweben. Da rief sie ihre Küchlein zusammen. Diese sprangen eilig herbei, und die Mutter barg sie unter ihre Flügel; nur eines fehlte noch. Dieses stand am Ufer eines Teiches und sah dem Plätschern der Enten zu. Die Henne s lockte immer ängstlicher; aber das Küchlein ries: „Ich mag nicht kommen, hier ist es schöner als unter deinen Flügeln!" — „Ach, Kind," ries die Mutter, „komm schnell! Siehst du den Habicht über dir?" — Das Küchlein sah empor; aber schon schoss der Habicht herab, fasste es mit seinen Krallen und trug es sort. Vergebens schrie io das Küchlein; der Habicht fraß es auf. Schulze-Steinmanu, Deutsches Lesebüchlem. 12. Was ich liebe. 1. Ich liebe die Blumen, Ich liebe das Spiel, Ich liebe die Schule, Ich liebe gar viel. 2. Ich liebe die Vögel, Sie singen so schön. Ich liebe die Wiesen, Die grünenden Höh'n. 3. Ich liebe das Bächlein, Den Fluss und den See, Die blühenden Bäume, Den glitzernden Schnee. 4. Die Erde, den Himmel, Die Sonne, den Stern; Ich liebe das alles. Ich hab' es so gern. 5. Ich liebe die Menschen, Den fröhlichen Muth: Ich liebe herzinnig. Was schön ist und gut. Staub's Kinderbuch. 7 13. Sprüche. 1. Bete und arbeite! 2. An Gottes Segen ist alles gelegen. 3. Der Mensch denkt, Gott lenkt. 4. Wer auf Gott vertraut, hat wohl gebaut. 5. Mit Gott saug' an, mit Gott hör' auf. Das ist der schönste Lebenslauf. 14. Spulte nicht über Unglückliche! Ein armer Mann, der einen Stelzfuß hatte, gieng durchs Dorf. Da bemerkte ihn eine Schar muthwilliger Knaben. Einer unter ihnen machte sich über ihn lustig uud hinkte ihm nach. Der Mann wandte sich um und schaute wehmüthig auf den Spötter. Dann sagte er zu ihm: „Knabe, ich habe als Soldat fürs Vaterland gestritten; mein s Bein habe ich in der Schlacht durch eine Kngel verloren. Dieser Stelzfuß verdient also deinen Spott nicht." — Diese Worte giengen allen zu Herzen, die Knaben zogen ehrerbietig ihre Mützen, und der Spötter schlich schamroth zur Seite. Schulze-Steinmann, Deutsches Lesebüchlein. Freer ll/ÄAete, Duä/rtts nuct Mat/rnuA«, uac^.' „/e/< öaöe sl-r Aewlsses Duäattel/r L»u Daucte Ae/öAt, etoc/r, rele es öelt/t." lla/^uvAa arrtu outete.' „Das /cost/aue Duäutter», ctas alte Desc/meucten ter'e/teu srae/ü, /er't?t — . 22. Die Erdschivämme oder Pilze. Die Mutter schickte einst die kleine Katharina in den Wald, Schwämme zu suchen, weil sie der Vater sehr gern aß. „Mutter," rief das Mädchen, als es zurückkam, „diesmal hab' ich recht schöne gefunden! Da sieh nur!" sagte sie und öffnete das Körbchen, „sie 10 5 sind alle schön roth wie Scharlach und wie mit weißen Perlen besetzt. Es gab wohl noch von jenen braunen und unansehnlichen, von denen du neulich brachtest; sie waren mir aber zu schlecht, und ich ließ sie stehen." „O du einfältiges, thörichtes Kind!" rief die Mutter erschrocken, w „Diese schönen Schwämme sind trotz Scharlach und Perlen giftige Fliegenschwämme, und wer davon isst, muss sterben. Jene braunen aber, die man Herrenpilze nennt, und die du verschmähtest, gehören, ungeachtet ihres schlechten Aussehens, unter die besten." Chr. Schmid. 23. Dir Nurlle. An einem heißen Sommertage gieng ein Knabe über Feld. Seine Wangen glühten vor Hitze, und er lechzte vor Durst. Da kam er zu einer Quelle, die im Schatten einer Eiche hell wie Silber aus dem Felsen hervorbrach. s Wilhelm, so hieß der Knabe, hatte wohl gehört, dass man nicht trinken solle, wenn man erhitzt ist. Allein er achtete nicht darauf, trank sogleich von dem eiskalten Wasser und sank fast ohnmächtig zur Erde. Mit Mühe kam er nach Hause und verfiel in ein gefähr¬ liches Fieber. i« „Ach," seufzte er auf seinem Krankenbette, „wer hätte es jener Quelle angesehen, dass sie ein so schädliches Gift enthalte!" Allein Wilhelms Vater sprach: „Die reine Quelle ist an deiner Krankheit wohl nicht schuld, sondern einzig deine Unvorsichtigkeit und Unmäßigkeit." Nach Chr. Schmid. 24. Vie Suppe. „Die Mittagssuppe ist doch gar zu mager, ich kann sie nicht essen!" sagte die kleine Gertrud und legte den Löffel weg. „Nun wohl," sagte die Mutter, „ich will dir dafür eine bessere Abendsuppe vorsetzen." 5 Die Mutter gieng hierauf in den Krautgarten, grub Erdäpfel aus, und Gertrud musste, bis die Sonne nntergieng, die Erdäpfel auflesen und in Säcke sammeln. 11 Nachdem beide nach Hause gekommen waren, brachte die Mutter endlich die Abendsuppe. Gertrud kostete sie und sagte: „Das ist freilich eine andere Suppe, die schmeckt besser." Sie aß das ganze 10 Schüsselchen voll aus. Die Mutter aber lächelte und sprach: „Es ist eben die Suppe, die du heute mittags stehen ließest. Jetzt schmeckt sie dir aber besser, weil du den Nachmittag hindurch fleißig gearbeitet hast." Chr. Schmid. 2Z. Sennrrlird. 1. Ihr Matten, lebt wohl, Ihr sonnigen Weiden! Der Senne muss scheiden, Der Sommer ist hin. 2. Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder, Wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen die Lieder, Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu, Wenn die Brünnlein fließen im lieblichen Mai. 3. Ihr Blatten, lebt wohl, Ihr sonnigen Weiden! Der Senne muss scheiden. Der Sommer ist hin. Schiller. 26. Der Esel als Salzträger. Ein Esel war mit Salz beladen. Er kam an einen Bach, strauchelte und fiel ins Wasser. Als er wieder aufstand, fühlte er, dass seine Last nm vieles leichter geworden war; denn ein großer Theil des Salzes war geschmolzen. Das merkte er sich mit Freuden. Als er später wieder des Weges kam und mit Badeschwämmen 5 beladen war, ließ er sich absichtlich in das Wasser nieder, indem er hoffte, dass es mit der Last ebenso gehen würde wie früher. Aber die Schwämme wurden durch das eindriugende Wasser so schwer, dass der Esel nicht wieder aufstehen konnte und unter der Last ertrank. Niedergesäß, Deutsches Lesebuch. 12 ^rn Äü-r^ Ar's»I au/ er/rer» /§töAe üöe7' er/rs» ^7rr, «ue^ c^r'ssss M öesr'tse-t. 2ü«sc^ s^?'«NA 67° rns llasss-', 86/rn«M/e n«e/« r/enr ä'e/,«^enör/c/e r«n<^ /?e/!> <^«nüös7' <^«s Mv^re^s ^Ver'se/« /«^en, cü«s rrrrn eöen/cr^s /Lr- Än r,-er^07'sn rsan. Der" k/rre^sÄ^rc^e ve7'^'e7't, rne^ern er' rrn-ner- rroc^ r»e^7' u> 67'wer'öen rer'/^, ss^öst e/as, ro«s er' se^on rer'7'^^re/r öes«^. /Vno/t lt/etL»s/'. 28. Der Wolf und dos Rammlern. Ein Wolf und ein Lämmlein kamen vonungefähr an einem Bache zusammen, um zu trinken; der Wolf trank oben am Bache, das Lämmlein aber unten. Als der Wolf das Lämmlein erblickte, lief er zu ihm und sprach: „Warum trübst du mir das Wasser, dass ich s nicht trinken kann?" Das Lämmlein antwortete: „Wie kann ich dir das Wasser trüben? trinkst du doch über mir!" — Der Wolf sprach: „Wie, du fluchst mir noch dazu?" Das Lämmlein antwortete: „Ich fluche dir ja nicht!" — Der Wolf aber fprach weiter: „Ja, auch vor sechs Wochen hast du Böses von mir geredet!" Das Lämmlein io antwortete: „Vor sechs Wochen war ich noch gar nicht geboren!" — Wieder schrie der Wolf: „Du hast aber meine Wiesen und Felder abgenagt und verderbt!" — Das Lämmlein antwortete: „Wie ist das möglich? Ich habe ja noch gar keine Zähne!" — „Ei," sprach der Wolf, „du weißt ja eine ganze Menge Ausreden; doch dies alles ts macht dich nicht straflos, du kannst nicht ungefressen bleiben!" Also würgte er das unschuldige Lamm und fraß es. Nach Äsop. 29. Der Wasserkropfen. Ein Tropfen Wasser fiel aus einer Wolke herab ins Weltmeer. „Ach," rief er, „was bin ich unter dieser zahllosen, unübersehlichen Menge? Ein Nichts, fast weniger noch als nichts!" 13 — Eine Muschel hörte dies, thal sich auf und verschlang den bescheidenen Tropfen. In ihr wurde er zu einer unschätzbaren Perle 5 und prangt jetzt in der Krone der persischen Monarchen schöner als alle übrigen Juwelen derselben. Wer seine Niedrigkeit fühlt und gesteht, den pflegt das Schicksal oft hoch zu heben. S chul z e - S t e i n m a n n - K iel, Kinderschatz. 30. Sprüche. 1. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. 2. Nach gethaner Arbeit ist gut ruhen. 3. Müßiggang ist aller Laster Anfang. 4. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. 31. Nrbrit und Nrmuk. Wo die Arbeit zieht ins Haus, Läuft die Armut bald hinaus. Schläft die Arbeit aber ein, Guckt die Armut zum Fenster hinein. R e i n i ck. 32. Gott ist ewig. Der Winter kommt, der Sommer flieht. Die Pflanzen welken und verderben; Zu Staub wird, was hier glüht und blüht, Und Thier' und Menschen müssen sterben; Nur Gott allein bleibt immerdar Und wird sein, wie er ist und war. Lausch. 33. vis dsläsu. Lsgsu. Avei liegen begegneten einander unk einem sebmalen 8tege, der über einen reikendeu Laeb kübrke; äis eine volite binüber, äie anders berüber. „6eb mir aus äem IVege!" sagte ckie eine. „Vas väre mir scbön!" riet äie andere. „6eb än rmrüelr und lass mieb binüber; 5 ieb var Zuerst ank der Lrüebe." 14 „Mas Mit dir sin?" vsrsst/ts dis srsts; „iek bin 8V viol Liter als dn und sollte dir voiekcii? i^imuierinebr!" Ivsine sollte nnobZeben; sodo volite Zuerst kinübor, und iv beide bestunden immer kartiiäckiZor darauk. 8o bum es vom 2anks /um lvampto. 8ie kielten ikre Hörner vorvärts und rannten ^orniZ ASAeneinander. Von dem kektiZen 8toke verloren aber beide das OleiokZeviekt; sie stürmten miteinander über den sekmalen 8tsZ kinab in das roit-londo Massen, aus velekem sie is sieb nur mit ZrolZer ^nstrenAunA ans Ilker retteten. 8o Kökt's den LiZensinniZen und Hartnäckigen. I^lack üriium. 34. Mitleid. Ein Professor saß einmal in seinem Studierzimmer. Da kam ein armer Handwerksbursche zu ihm und bat um eine Gabe. Der Professor sah ihn an und bemerkte, dass er eine ganz zerrissene Hose anhatte. Er gieng nach seinem Kleiderschrank, holte eine ganz neue 5 Hose heraus und schenkte sie dem Burschen. Als nun der Sonntag kam und die Schwester des Professors ihm die Sonntagskleider bringen wollte, fand sie die neue Hose nicht. Da fragte sie: „Lieber Bruder, ich finde deine neue Hose nicht; wohin hast du sie gelegt?" — „Die habe ich einem Handwerksburschen io gegeben," antwortete ihr Bruder. „Ei, warum hast du ihm nicht eine alte Hose geschenkt?" fragte die Schwester. Der Professor erwiderte: „Liebe Schwester, eine alte Hose hatte er schon." Josef Heinrich's Lese- und Sprachbuch. 36. Die bescheidene Nachtigall. Als der liebe Gott die Vögel geschaffen hatte, saßen sie alle um ihn herum. Aber fast keiner war mit dem Kleide zufrieden, das ihm Gott gegeben hatte. Die Gans sprach: „Ich möchte gern grüne Beine haben." Die Ente sprach: „Ich möchte gern einen rochen Kopf 5 haben." Die Lerche sprach: „Ich möchte gern roch, grün und gelb aussehen." Und so hatte jeder Vogel etwas auszusetzen. Nur die Nachtigall war zufrieden und freute sich über ihr graues Kleid. Das 15 gefiel dem lieben Gott, und er sprach daher zur Nachtigall: „Weil du so zufrieden bist, sollst du auch am schönsten singen lernen von allen Vögeln und sollst der Liebling der Menschen werden." — 10 Seitdem lauschen diese voll Freude und Bewunderung der Sängerin des Waldes und nennen sie die Königin unter den Singvögeln. Engel ien. 36. Sprüche. 1. Bescheidenheit das schönste Kleid. 2. Übermuth thut selten gut. 3. Hochmuth kommt vor dem Falle. 4. Thorheit und Stolz wachsen auf einem Holz. 37. Der Distelfink. Als der liebe Gott die Vöglein machte, da gab er ihnen Beine zum Hüpfen, Flügel zum Fliegen und Schnäbel zum Fressen, aber auch zum Singen. Und als sie alle fertig waren und um ihn ber standen, da nahm er einen großen Farbenkasten und malte ihnen bunte Federn. Da kam die Taube an die Reihe und erhielt einen 5 blauen Hals und röthliche Flügel, und der Kanarienvogel wurde so gelb wie eine Citrone, und die Bachstelze wurde grau und bekam einen schwarzen Strich und einen weißen Fleck daneben; und alle Vögel wurden prächtig gefärbt, wie es sich für jeden schickt. Nur einer war übrig geblieben, weil er hinter den andern stand und sich nicht w vordrängen wollte: das war der Distelfink. Als er endlich auch herbei¬ kam, da hatte der liebe Gott alle Farben verbraucht, und es war nichts mehr übrig als die leeren Schälchen. Da weinte das arme Vögelchen, dass es nicht auch ein so buntes Federkleid haben sollte wie die andern. i» Der liebe Gott aber redete ihm zu und sprach: „Sei ruhig! Es ist noch in jedem Schälchen ein klein wenig Farbe zurückgeblieben, die will ich mit dem Pinsel auf deine Federn streichen." Und er that es und malte den Distelfink ein bisschen roth und ein bisschen gelb und ein bisschen schwarz, aus allen Schälchen ein wenig, so dass er 2« der bunteste unter allen Vögeln wurde und dem lieben Gott dankte, dass er ihn so schön gemacht hatte. Curtman. 16 38. Näthsel. Du jagst mich, und ich jage dich, Du kriegst mich nicht, ich kriege dich nicht; Unmöglich kann es geschehen, Dass wir, Bruder und Schwester, uns sehen. S i m r o ck. Dzzr DarievsmoKN /oz/ rn DcHotten er'zrev Dr'cHe u?toi HetvocHtete erne iTt-vörsstauc/e, ctr'e «n ctsnr »röcHsten Dovtenrorzne ezzz^ov?z-«c/zs. D« ssHütte/te e?- z/ezr «nz/ saz/ts.- „Km / H??z/ ckos Ae/ottt n«'v nrcHt, c/os§ c/r'e H/erzre nrectvrA« z§tor«c/e sr'zze so s Avo/?e, ^zväoHtrAS Diro/zt tvÄAt, zDv A?o//e, Hevv/r'cHe Dr'cHöaum aöei' 8v Hter»s, ovmse/rAs ^'vücHts HevvovövizrAt. lUsmr rcH <^re lpe/t evseHa^szr Hätte, so Hätte zzrr'v cter DicHHonm mr't tauteu z// otte/r, Aotz^Aetöe-r scHn-ere» Dirüi'örssen ^zvanAen Müssen. Dos reäre c/onn er'ns Dnac/zt Lr/zzr Uzz.se/zen Aewesen/" io ^aAM Hotte ei' ctreses AssoAt, so ^stet HoeH von c^evz 6?A/et e/es Danin es er'ne Dre/ze/ Hevaö nnct t?'o/ r'Hn so st« vH an/ z/re ^ase, c/ass sr'e ö/ntete. „0 n-e/r/" vre//etLt z^ev U/ann evseHvoeHen, ,,cta Haöe r'oH /nv -ner'ne ^Vasezee/sHert er'nen c/evöen DHrsenstnHev HeHo-nnren. U^enn etress Dr'eHet er'n ^nvörs Aeivesen nzävs, so Hätte iS ev n»> c/re D/ase «ans sevonetseHt." LH?', ä'e/zzzzzz/. 40. Eulenspiegel und der Fuhrmann. Eulenspiegel gieng eines Tages über Feld. Unterwegs begegnete ihm ein Fuhrmann, der auf einer steinigen Straße seine Pferde über die Maßen zum Laufen antrieb. „Kann ich," fragte er im Vorbeijagen, „wohl noch vor Abend s zur Stadt kommen?" Eulenspiegel antwortete: „Ja, wenn Ihr langsam fahret." „Der Mensch ist wohl nicht gescheit," dachte der Fuhrmann und trieb seine Pferde nur noch mehr an. Gegen Abend kam Eulenspiegel auf demselben Wege zurück und io traf denselben Fuhrmann wieder auf der Straße an und zwar in 18 43. Der Specht und die Taube. Der Specht und die Taube flogen eben von einem Besuche zurück, den sie bei dem Pfau gemacht hatten. „Nun, wie hat dir heute der Pfau gefallen?" fragte der Specht. „War er dir nicht auch widrig? Und wie stolz ist er! Ich möchte 5 nur wissen, worauf er sich so viel einbildet! Doch wohl nicht gar aus seine Füße? Hast du nicht bemerkt, wie unförmlich diese sind? — Und auf seine Stimme kann er sich auch nichts zugute thun. Etwas Hässlicheres und Unerträglicheres ist mir noch gar nicht vorgekommen. Habe ich nicht recht?" io Die Taube aber antwortete ganz unbefangen: „Ich gestehe, ich habe auf dieses alles nicht achtgegeben; denn ich musste immer seinen Kopf, die Schönheit seiner Federn und seinen majestätischen Schweif bewundern." So sieht ein edler Mensch an seinem Nächsten immer nur das is Gute und vergisst darüber gern kleine menschliche Gebrechen. Grimm. 44. Der Töwe und die Maus. Eine kleine Maus wagte es einst, über einen schlafenden Löwen Hinwegzulaufen; er erwachte und haschte sie. „O schone meiner!" bat die Zitternde; „denn welche Ehre könnt' es wohl dem starken, tapfern Löwen bringen, wenn er mich ohn- 5 mächtiges Geschöpf zermalmte?" Die Wendung gefiel ihm; großmüthig gab er ihr die Freiheit wieder. Wenige Tage nachher gerieth er in die Netze eines Jägers. Sosehr er sich bemühte, sie zu zerreißen, verwickelte er sich immer stärker darinnen. Sein Brüllen war fürchterlich, der ganze Wald io erbebte, alle übrigen Thiere flohen; nur die Maus eilte herbei, sah ihren Wohlthäter in Gefahr, machte sich schnell an das Garn, zer¬ nagte die Knoten desselben und befreite in kurzer Zeit ihren edel- müthigen Erhalter. Meißner. 19 45. vis Klugs Alans. kius Naus kam au8 iin'6m koebtz und sad sius Kalls. ,,VIm,!" sagt« 816, „liki stslit 6IU6 Kalls. Vis klugsu Nsuselisu! Os, stsllsu sis mit drsi klöl^eksu siusu sskvsrsu Asgsl aukrsslit, umi au siuss dsr klälrielisu stseksu sis sin Ltucimlisn 8psek. Kas nsnnsn 8i6 drum eins Nauskalls. da, vsuu vir Nüuss nieiit klügsr väreu ! 5 VUr VI886N voki. vsuu MAN dsu 8pS6k krssssn vili, klaps! fällt dsr ^isgsl um uud sedlast dsu M8olisr točit. Xsin. nsin, ieli konus 6iirs Ki8t!" „^.bsr," kukr dis Nau8 tort, „riselisn darf mau 8eliou darau. Vom bloksn Iti s sli s» kann dsr 2isgsl uiolit kallsn. kiud ieli riseks in n«.nn aöen setzte //«» serne e/«nre /rna/t entyee/en ?-nc/ L0A c/en ll/antet fteste-' an. 22 2)« c/re E^e ,8'ottns a-r Lrr sc/ier/re» U-rc^ er/ÄZ/tü rnrt r/<-'err 6-'n>ä-'möKc/en <§tra^^err 7Vt«? u/r^ ÄSAe^. //ü/^e ^etLt <^en lü sr'c/t tie/si' irr eien Mantel e»r? — H r/r» crö / c?en i§0Me s«ir/i!en /Ä/'a/^ Mal' MÄo^rAeT' «/s - H o s b a u er, Lesebuch. 6S. ÜMrr Zru äoiciat, cieT- «A/ Uo/^oste» wUT-cie in ei-rei- cinnLie» »MST-se^ens voM T^eincie Äöer^fliien, entwarnst McZ As/anH-e-r Ae»0MMen. Die /eineiiic^err 8'o/ciaten >ra/«me» i^n iü ciie ck/itte, 7-ie^teten ciie öa/onnette i/or urrei e/eöoten ?'/»», 5 sie soAieic^ MM Dauer' M/Ä^7-en. ,. ihm zu rächen, konnte aber niemand finden. Hierauf lief er nach Hause und klagte es der Blutter, wie ein böser Bube sich im Walde versteckt und ihn geschimpft habe. Die Mutter sprach: „Diesmal hast du dich selbst angeklagt. Du hast nichts vernommen als den Wiederhall deiner eigenen Worte. 1- Hättest du ein freundliches Wort in den Wald hineingerusen, so wäre dir auch ein freundliches Wort zurückgekommen." Ehr. Schmid. 76. Ich habe es vergessen. Clara war ein gutes und fleißiges Kind; aber sie war sehr vergesslich. Wenn die Mutter sagte: „Kind, geh' zum Kaufmann und hole Zucker und Kaffee," so sprang das Mädchen gleich fort; sie brachte aber nur den Zucker-, den Kaffee hatte sie gewiss vergessen. Z Wenn Clara in die Schule kam, so fehlte ihr entweder die Feder, oder sie hatte ihr Schreibheft oder gar ihr Lesebuch nicht mit¬ gebracht. Wollte sie zu Hause eine Ausgabe machen, so wusste sie ost nicht, was der Lehrer über dieselbe gesagt hatte. iv Die Reden der Mutter halfen nichts. 33 Einst setzten sich die Kinder zur Jause. Da war für Clara keine Schale aufgestellt, und die Mutter sagte: „Ei, die habe ich vergessen." Clara bekam diesmal keiue Jause. Ein andermal erhielten die Kinder Kuchen, nur Clara erhielt keinen, und die Mutter sagte zu ihr: „Für dich, mein Kind, habe ich is den Kuchen vergessen." So gieng's auch, wenn die Kinder Äpfel bekamen. Clara schämte sich und weinte. Sie sagte zur Mutter: „Liebe Mutter, ich weiß, warum ich wieder nichts bekomme; ich werde mich aber bessern." — Das Mädchen hielt dieses Versprechen und wurde s» nicht mehr wegen Vergesslichkeit bestraft. Nach Franz Hoffmann. 77. Nrmes Bäumchen . . . 1. Armes Bäumchen, dauerst mich: Wie so bald Bist du alt! Deine Blätter senken sich, Sind so bleich, Fallen gleich Von des kalten Windes Weh'u, Und so bloß dann musst du steh'n. 2. Bäumchen, nicht so traurig sei! Kurze Zeit Währt deiu Leid; Geht ein Jahr gar schnell vorbei. Bist nicht todt, Grün und roth Schmückt dich wieder über's Jahr Gottes Finger wunderbar. 78. NätlM. Im Lenz erquick' ich dich, Im Somnier kühl' ich dich, Im Herbst ernähr' ich dich, Im Winter wärm' ich dich. Leseb. für slov. -Utraquist. Mittelsch. Hey- Simrock. 3 34 79. Das vsrlorsris Visrkrsussrstüok. Liu kloinos Nädebou stand auf dor Ltrako und woiiito bittorliob. Da giong oin Herr vorüber. L.ls or das Lind steilen sab, trat er boran und kragto 68, warum es woino. „^.eb," sagt« das Nädobon, „meine Netter will das Nittagmabl kür den Vater s korlnm, und daru sollte ieb kür ein Visrlcrourorstürk etwas beim Kaufmann kolen, und das 6eld Kade ielr verloren." vaboi sullite das kleine Nadebon immer aut der Krdo uwlrer und weinte. l)a gritl der fremde Nann in die Zaseke und spracb: „Lei riibig, mein Kind, lrier lrast du robn Kreurer statt des Viorkrourorstüekes; in dafür kaufe beim Kaufmann, was dir deine Nuttor gobagt bat, und die übrigen Kreuzer bebältst du für dieb." Da ward das kleine Nadebon wieder rubi»-, nabm das ^obnkrourorstüek und dankte böklied. Kaum aber war der Kremde einige Lebritte fortgogangon, r5 so kam ibm das Kind mit freudigem Oosiebt naebgosxrungon und rief: „Hier, lieber Herr, sind die rokn Krouror wieder; ieb babe mein Viorkrourorstüek gefunden." Da freute sieb der Nann, dass das Kind so gut und ebrlieb war. Dann aber griff er noeb einmal in die 'kasebe. gab dem so Kinde einen blanken Lilbergulden und sxraeb: „Du bist ein braves Nädeben. Illeib immer so ebrlieb! Den Lilbergulden aber lege in deine Lparbüebse und bringe deiner Nutter einen Oruk von dem fremden Nanno, der ibn dir gegeben und der sieb über dieb gefreut bat!" I- a u » c le 80. Gokt steht es. Jakob und Anna waren einmal allein zu Hause. Da sagte Jakob zu Anna: „Komm, wir wollen uns etwas Gutes zu essen suchen und es uns recht wohl schmecken lassen!" Anna sprach: „Wenn du mich an einen Ort hinführen kannst, s wo uns niemand sieht, so gehe ich mit dir." „Nun," sagte Jakob, „so komm mit in die Milchkammer, dort wollen wir eine Schüssel voll süßer Milch verzehren." — 35 - Anna erwiderte: „Dort sieht uns der Nachbar, der auf der Gasse Holz spaltet." „So komm mit mir in die Küche," sagte Jakob wieder, „in iv dem Küchenkasten steht ein Topf voll Honig, in diesen wollen wir unser Brot eintnnken." Anna antwortete: „Dort kann uns die Nachbarin sehen, die an ihrem Fenster sitzt und spinnt." „So wollen wir drunten im Keller Äpfel essen," sagte endlich -5 Jakob, „dort ist es so stockfinster, dass uns gewiss niemand sieht." Anna sprach: „O mein lieber Jakob, meinst du denn wirklich, dass uns dort niemand sehe? Weißt du nichts von jenem Auge dort oben, das die Mauern durchdringt und ins Dunkle sieht?" Da schlug Jakob die Augen nieder und sagte: „Du hast recht, 20 liebe Schwester, Gott sieht uns auch da, wo uns kein Meuschenauge sehen kann." Und er nahm sich vor, bei jeder Versuchung zu denken: Gott sieht mich. Nach Ehr. Schmid. 8U Dir Glieder des menschlichen Körpers. Die Glieder des menschlichen Körpers wurden einmal überdrüssig, einander zu dienen, und wollten es nicht mehr thun. Die Füße sagten: „Warum sollen wir allein euch andere alle tragen und fortschleppen? Schasst euch selbst Füße, wenn ihr gehen wollt!" — Die Hände sagten: „Warum sollen wir allein für euch andere arbeiten? Schafft euch selbst Hände, wenn ihr welche braucht!" — Der Mund brummte: „Ich müsste wohl ein großer Narr sein, wenn ich immer für den Magen Speise kauen wollte, damit der nach seiner Bequemlichkeit verdauen möge; schaffe sich selbst einen Mund, wer einen nöthig hat!" — Die Augen fanden es gleichfalls sehr sonderbar, dass sie allein für den 10 ganzen Leib beständig Wache halten und für ihn sehen sollten. Und so sprachen auch alle die übrigen Glieder des Leibes, und eins kündigte dem andern den Dienst auf. Was geschah? — Da die Füße nicht mehr gehen, die Hände nicht mehr arbeiten, der Mund nicht mehr essen, die Augen nicht is mehr sehen wollten: so fieng der ganze Körper in allen seinen Gliedern an zu welken und nach und nach abzusterben. Da sahen sie ein, dass Z* 36 sie lhöricht gehandelt hatten, und wurden einig, dass es künftig nicht wieder geschehen sollte. Da diente wieder ein Glied dem andern, und r<> alle wurden gesund und stark, wie sie vorher gewesen waren. Campe. 82. Sprüche. 1. Eintracht bringt Macht. 2. Friede ernährt, Unsriede verzehrt. 3. Der Klügere gibt nach. 4. Wer Wind säet, wird Sturm ernten. 83. Rprill NpriU Hermann war leichtgläubig und wurde deswegen oft von seinen Kameraden geneckt. Des Nachbars Fritz kam einmal gesprungen und ries: „Hermann, Hermann! Drüben beim Schulhaus haben die Knaben einen großen Schneemann gemacht mit Augen, Nase, Mund und 5 Schnauzbart und haben ihm einen Hut aufgesetzt, eine Tabakspfeife in den Mund und einen Stock in die Hand gegeben." Hermann lachte und sagte: „Das muss hübsch sein." — „Ja, denke nur," sprach der schlimme Fritz, „als der Schneemann fertig war, so fieng er an zu tanzen und grüßte dabei alle Leute mit dem Kopfe. Er tanzt noch immer aus dem Platz vor dem Schulhaus herum. Wenn du ihn sehen willst, so lauf." Und Hermann lief, so schnell er konnte. Es war aber bei dem Schulhaus kein Mensch zu sehen. Er gieng heim und klagte es der Mutter, wie Fritz ihn mit dem Schneemann geneckt habe. Und die Mutter sagte: „O thörichter Knabe! Brauche doch deinen Verstand 15 besser und glaube nicht, was unmöglich ist." Staub's Kinderbuch. 84. Kind und Buch. 1. „Komm her einmal, du liebes Buch; Sie sagen immer, du bist so klug. Mein Vater und Mutter, die wollen gerne, Dass ich was Gutes von dir lerne; Drum will ich dich halten an mein Ohr, Nun sag' mir all' deine Sachen vor. 37 2. Was ist denn das für ein Eigensinn, Und siehst du nicht, dass ich eilig bin? Möchte gern spielen und springen herum. Und du bleibst immer so stumm und dumm? Geh, garstiges Buch, du ärgerst mich, Dort in die Ecke werf' ich dich." H e i). Dirr /tarrersma?»? ArenA mit seinem KoH/re D/ro?/ras üöen ./etst. „Kie/r," s^rnaeH r/en Taten urrten/oeAS, ,. es au/' rrrrct steoH' es er/? .'" — ,,7/i," saAte Thomas, „c/as ist /a rrieHt e/ en U/üH« went, r/ass mau sie/? c/armm düeHe /" De?' Uten /rot? e/as Drsen stit/soHroeiAenci 5 «n/ rrnei soHob es in e/ie 7as^He. /m näeHsterr Don/e nen/carr/te en es <7em KoHmiee/e /rrn eirriAe T^enrriAe nnci /c«n/te /än rtas 6ete/ DrnscHen. 7ter-7« Ar'enAsn werten. Die ? 77/omas etre /etste nen^e/rnt /ratte, reauette siet« eien Taten täe7/st/tct um rrrrci s/rnae^r „Kie^, uerrrr ciu e/rc/r unr ctas //u/'erse,/ er??. ei?rL?A6S??rat hättest öüe/rerr »rröAen, so Hättest etu e/re/r um etie M'nseHe» rricHt sonie/ema/s dücHerr müsse»." 2ü t7/e. §e/,»?ä/. 86. Der Nave und der Fuchs. Ein Rabe saß auf einem Baume und wollte eben einen Käse verzehren, den er in seinem Schnabel hielt. Da schlich der Fuchs herzu, der den Käse gerochen hatte. „Was seh' ich," rief er aus, indem er Bücklinge über Bücklinge machte, „welch ein Glück bringt mir dieser Morgen! Erlaube mir, einen Augenblick dein Gefieder zu s 10 15 5 10 5 38 bewundern. Welch ein Glanz, welch ein Schimmer! Stelle ich mich hierhin, so leuchtet es wie Gold im Sonnenstrahl, hier leuchtet es wie Silber, von hier erscheint es roth wie die Morgenröthe, von hier schillert es in allen Farben des Regenbogens. O herrlicher Vogel! Ja, wenn dn eine ebenso schöne Stimnie hättest, ich würde dich über alle Vögel setzen, kein Thier wäre dir zu vergleichen. Aber wann-" Der Fuchs hatte noch nicht ausgesprochen, so wollte der Rabe singen, öffnete den Schnabel und ließ den Käse fallen. Der Fuchs, der bei allem, was er sagte, nur den Käse im Auge gehabt hatte, erschnappte ihn und ries dann lachend: „Zum Lohne für den Käse will ich dir die Wahrheit sagen. Du bist kohlschwarz und stockdumm; sonst hättest du meinen ungeheuren Lobeserhebungen nicht getraut." S chul z e - S t e iII m n n n - K iel, Kinderschatz. 87. Des Nffen Vorwitz. Ein Mann war hinausgegangen in den Wald und spaltete da einen ungeheuer langen Baum der Länge nach in Scheite. Da bekam er Durst und gieng weg an eine Quelle des Waldes, um zu trinken, und die Axt ließ er zurück bei dem Baume. Aber ein Affe hatte ihm zugesehen von einem Baume herab, und als der Mann weg war, stieg er herunter und wollte es ihm nachmachen. Er setzte sich auf den Baum und führte etliche Streiche darauf, dass das Holz einen großen Spalt bekam. Aber sein Schweif gerieth ihm in den Spalt, und als er die Axt herauszog, klemmte sich das Holz zusammen und hielt ihn so an seinem Schweife gefangen. Da schrie er laut vor Schmerzen, und der Mann sah ihn und rief seine Freunde, dass sie kamen und ihn gefangen nahmen. — So kam der Affe durch seinen Vorwitz um seine Freiheit. Grimm. 88. Der kluge Pudel. Ein Pudel war zum Botendienst abgerichtet. Er musste oft aus der Stadt Tabak, Kaffee, Fleisch uud allerlei holen. Bei solchen Gängen nahm er ein Körbchen ins Maul; in das Körbchen legte sein Herr eine Karte, aus welcher geschrieben stand, was der Hund bringen sollte. 3!) Einst sollte der Pudel Aale holen. In der Stadt gieng er zu der bekannten Händlerin. Diese wickelte ihm die lebendigen Fische in eine Serviette und that sie ins Körbchen. Auf dem Heimwege wurden die Aale im Korb unruhig und fiengen an, die Köpfe aus den Falten des Tuches zu stecken. Der Hund schüttelte das Körbchen tüchtig und 10 knurrte zornig. Nach einiger Zeit wiederholten die Fische ihr Spiel. Der Hund aber stellte das Körbchen nieder und fieng an zu bellen und links und rechts zu beißen, dass alle die Köpfe wieder zurückzogen. Nach kurzer Zeit aber brachen die Fische auf einmal los, zum Korbe heraus und dem nahen Bache zu. Der Pudel aber biss einen nach dem 15 andern todt, legte dann alle wieder ins Körbchen und brachte sie so seinem Herrn. Von dieser Zeit an wollte der Pudel keine Fische mehr holen. Staub's Kinderbuch. 89. Knabe und Hündchen. Knabe. Komm nun, mein Hündchen, zu deinem Herrn, Ordentlich gerade sitzen lern'! Hündchen. Ach, sott ich schon lernen und bin so klein; O, lass es doch noch ein Weilchen sein! Knabe. Nein, Hündchen, es geht am besten früh; s Denn später macht es dir große Müh'. Das Hündchen lernte; bald war's gescheh'», Da könnt' es schon sitzen und aufrecht geh'n, Gelrost in das tiefste Wasser springen lind schnell das Verlor'ne wieder bringen. w Der Knabe sah seine Lust daran. Lernt auch und wurde ein kluger Mann. Hey- 90. Die Sternthaler. Es war einmal ein kleines Mädchen, dem waren Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, dass es kein Kämmerchen »lehr hatte, darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leibe und ein Stückchen Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz 5 — 40 — geschenkt hatte. Es war aber gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, gieng es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld. Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: „Ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so hungrig!" Es reichte ihm 10 das ganze Stückchen Brot und sagte: „Gott segne dir's!" und gieng weiter. Da kam ein Kind, das jammerte und sprach: „Es friert nach so an meinen: Kopfe, schenk' niir etwas, womit ich ihn bedecken kanu!" Da that es seine Mütze ab und gab sie ihm. Und als es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen 15 an und fror; da gab es ihm seines; und noch weiter, da bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich gelangte es in einen Wald, und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte: „Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd so weggeben," und zog sein Hemd ab und gab es auch noch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen aus einnial die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke Thaler, und statt des verschenkten Hemdleins hatte es ein neues an, das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es die Thaler hinein und war 25 reich für sein Lebtag. Brüder Grimm. 91. Säurt Martin. Es war ein kalter Wintertag, der Wind blies über die Heide und trieb die Schneeflocken vor sich her. Da sprengten drei Reiter auf feurigen Rossen durchs Feld; ihre dichten Mäntel schützten sie gegen Wind und Wetter; die Reiter waren frohen Muthes. 5 Da kamen sie an das Thor einer Stadt, vor dem ein Greis in Lumpen gehüllt saß; er streckte ihnen seine zitternden Hände entgegen und flehte sie um ein Almosen an. Ohne den Bettler eines Blickes zu würdigen, jagte der erste Reiter vorüber, ebenso der zweite. Der dritte jedoch hemmte den Lauf io seines Rosses, blickte mitleidig aus den frierenden Alten und sprach: „Silber und Gold hab'ich nicht; was ich aber besitze, um deine Noth zu lindern, das will ich mit dir theilen." Mit diesen Worten ließ er seinen Mantel fallen, zog das Schwert und schnitt ihn mitten durch. Die eine Hälfte reichte er freundlich - 41 - deni Bettler, die andere warf er um seine Schultern und ritt fröhlich seines Weges. Dieser Mann war der heilige Martin. Er stand in römischen Kriegsdiensten und wurde später ein Christ. N i e d e r g e s ä ß. 92. Die Edelsteine. Ein Goldschmied musste für eine vornehme Frau einen prächtigen Schmuck machen, zu dem sie ihm mehrere kostbare Edelsteine gab. Robert, sein Lehrling, hatte an den Hellen, funkelnden Steinen von allen Farben eine große Freude und betrachtete sie sehr oft. Mit einemmale bemerkte der Meister, dass ihm zwei der schönsten 5 Steine fehlten. Er hatte fogleich den Lehrjungen im Verdacht und suchte in dessen Schlafkammer nach. Da fand er die Edelsteine in einem Loche, das sich über einem alten Kasten in der Mauer befand. Robert betheuerte zwar, er habe die Steine nicht gestohlen: allein der Meister züchtigte ihn sehr hart, sagte, dass er das Henken n> verdient habe, und jagte ihn fort. Am andern Tage fehlte wieder ein Stein, und der Goldschmied fand ihn im nämlichen Loche. Nun gab er fleißig acht, wer doch die Edelsteine dahin verstecke. Da kam eine Elster, die der Lehrjunge aufgezogen und zahm gemacht >5 hatte, auf den Arbeitstisch geflogen, nahm einen Edelstein in den Schnabel und trug ihn in das Mauerloch. Der Goldschmied bedauerte es nun herzlich, dass er dem armen, unschuldigen Knaben unrecht gethan habe. Er nahm ihn wieder an, behandelte ihn von nun an sehr gütig und hatte nie mehr so leicht 2» auf jemand einen Argwohn. §hr. Schmid. 93. Wenn am Nbend . . . Wenn am Abend Mann und Kind, Thier und Vogel müde sind, Gott der Herr hat's schon gesehen, Sonne heißt er untergehen, 42 s Schickt die stille Nacht hernieder, Spricht zu ihr: „Nun decke du Alle meine Kinder zu. Bring' zur Ruh' die müden Glieder." Sieh, da kommt die liebe Nacht, «> Wieget uns in Schlaf ganz sacht; Nur der liebe Vater wacht. Hey. 94. Der Schwrinedieb. Eines Abends spät kamen zwei Bärentreiber mit einem Tanz¬ bären in ein Dorf und blieben im Wirtshause über Nacht. Der Wirt hatte eben sein großes Mastschwein verkauft und sperrte den Bären in den leeren Schweinestall. 5 Um Mitternacht kam ein Dieb und wollte das Schwein stehlen. Er wusste von allem, was vorgegangen war, nichts, machte leise die Stallthür auf, gieng hinein und ergriff im Finstern anstatt des Schweines — den Bären. Der Bär fuhr fürchterlich brummend auf, packte mit seinen gewaltigen Tatzen den Dieb und ließ ihn nicht io mehr los. Der unglückliche Mensch schrie vor Schrecken und Schmerz ganz entsetzlich. Alle Leute im Wirtshause erwachten und kamen herbei. Mit vieler Mühe rissen die Bärentreiber den Dieb, blutend und übel zugerichtet, dem grimmigen Thiere aus den Klauen und überlieferten 15 ihn dem Gerichte. Chr. Schmid. 95. Vas LLköLS Rsitpksrci. In einem klarktlieekeu iag väkrend des Kriegs« ein Regiment Husaren im (Zuurtier. Kurt, cler Rosskündier, der zugisiek ein Rossdiek var, studi in äer Kackt den Husaren eines cler sckönsten I'kerde und versteckte es im ^Vuläe. .41s die Husaren kort varen , 5 ritt er mit dem gestokienen I'ierde einer veitenkernten (legend -m, um es dort zu verkanten. Kr kum zu einer 8tudt, vugte sied sedoek nickt kinein, sondern volite uuken daran vorbeireiten. Xis er aber um eine Reke der Stadtmauer Kerum kam, erblickte er uuk einer ^Viese 43 suis Labar vragoimr, dio eben antmngon zu oxoreiorsu. Sobald i» uuu dis vrompsts srblanA, sstzks das vksrd sammk dsm srsebroobsnsu Xurt über dsu LtraLsograbsu, sabloss sieb an Lsib und Olisd dsr IvrisZspksrds au und maelito nael: dem Oowmandowort und dom Prompsksnsoball Ms vswsgungsn und Lcliwsnbun^sll, bald iw vrrck», bald im Oalopp, aut das gsnaussts is wit. Ivurt war vor ^.nASb kasb auksr sieb, bislk sieb am Lattsl- lmopks tost, verlor bsi dsm sebnsllsn Litte den Hut und sebwitzte grolLs Proxksn. Vie Loldatsn absr laebtsn den armen, zitternden Xurt beständig' aus. .41 s das Lxsreisrsu siulbeb vorbei war, umringten ibu 20 Loldatsn und Oküeiere, uucl der Oberst spraeb zu ibm sebr bedenlrlieb: ^vas ist eiu fungss, seböues, vobl abgeriebtetes 8oldatenpterd. 4Vio seid Idr zu dem kkerde gekommen?" Kurt sagte, er bube es gekauft; allein von wem er es gekauft bube, konnte er niebt bestimmt angeben. vr bum iu weitere vuter- 25 suebung, wurde des viebstabls überwiesen und als eiu Ilossdieb bestraft. Obr. Lebmiä. 96. Das gestohlene Pferd. Einem Bauersmanns wurde bei Nacht sein schönstes Pferd aus dem Stalle gestohlen. Er reiste fünfzehn Stunden weit auf einen Pferdemarkt, ein anderes zu kaufen. Aber sieh — unter den feilen Pferden auf dem Markte erblickte er auch sein Pferd. Er ergriff es sogleich bei dem Zügel' und schrie s laut: „Der Gaul ist mein, vor drei Tagen wurde er mir gestohlen!" Der Mann, der das Pferd feil hatte, sagte sehr höflich: „Ihr irrt, lieber Freund. Ich habe das Ross schon über ein Jahr. Es ist nicht Euer Ross, es sieht ihm vielleicht nur gleich." Der Bauer hielt dem Pferde geschwind mit beiden Händen die u> Augen zu und rief: „Nun, wenn ihr den Gaul schon so lange habt, so sagt, auf welchem Auge ist er blind?" Der Mann, der das Pferd wirklich gestohlen, aber noch nicht so genau betrachtet hatte, erschrak. Weil er indes doch etwas sagen musste, so sagte er aufs Gerathewohl: „Auf dem linken Auge." 15 44 „Ihr habt es nicht getroffen/ sagte der Bauer, „auf dem linken Auge ist das Thier nicht blind." „Ach," rief jetzt der Mann, „ich habe mich nur versprochen! Auf dem rechten Auge ist es blind." so Nun deckte der Bauer die Augen des Pferdes wieder auf und rief: „Jetzt ist es klar, dass du ein Dieb und Lügner bist. Da sehet alle her, der Gaul ist gar nicht blind! Ich sragte nur so, um den Diebstahl an den Tag zu bringen." Die Leute, die umherstanden, lachten, klatschten in die Hände 25 und riefen: „Ertappt, ertappt!" Der Rossdieb musste das Pferd wieder zurückgeben und wurde zur verdienten Strafe gezogen. Chr. Schmid. 97. Das gerettete Blümchen. 1. Ich gieng im Walde So für mich hin; Und nichts zu suchen, Das war mein Sinn. 3. Ich wollt' es brechen, Da sagt es fein: „Soll ich zum Welken Gebrochen sein?" 2, Im Schatten sah ich Ein Blümchen stehn. Wie Sterne leuchtend. Wie Äuglein schön. 4. Ich grub's mit allen Den Würzlein aus; Zum Garten trug ich's Am hübschen Haus. 5. Und pflegt' es wieder An stillem Ort —- Nun zweigt cs immer Und blüht so fort. Goethe. 98. Die Pflaumen. Eine Mutter besuchte einmal mit ihren vier Kindern den Gro߬ vater in seinem schönen Garten. Der Großvater brachte auf einem Rebenblatte vier Pflaumen, die gelb wie Gold und so groß wie Eier waren. Er bedauerte, dass ihrer uicht mehr reif seien. „Ihr mögt 5 indes selbst zusehen," sprach er im Scherze, „wie ihr vier Pflaumen unter fünf Personen austheilt, ohne dass in der Rechnung ein Bruch vorkommt." 45 „O, das will ich," sagte Leonore, die älteste Tochter; „nur bitte ich mir aus, dass ich gleich- und ungleichbenannte Zahlen ein wenig untereinander mengen darf." i» Sie nahm die vier Pflaumen und sprach: „Wir zwei Schwestern und eine Pflaume machen zusammen drei; meine zwei Brüder und eine Pflaume machen auch drei; diese zwei Pflaumen und die Mutter sind zusammen abermals drei. So geht alles gerade und ohne Bruch auf." Leonorens Geschwister waren mit dieser Theilung sehr zufrieden, is Die erfreute Mutter aber bestand darauf, jedes der Kinder solle eine Pflaume bekommen, und der Großvater brachte Leonoren noch über¬ dies einen schönen Blumenstrauß. „Denn," sagte er, „Lorchens sinn¬ reiche Rechnung macht ihrem Witze sehr viel, ihrem kindlichen Herzen aber noch mehr Ehre." so Chr. Schmid. 99. Die Rübe. Ein armer Taglöhner hatte in seinem Garten eine ungemein große Rübe gezogen, über die sich jedermann verwunderte. „Ich will sie unserm gnädigen Herrn verehren," sagte er, „denn es freut ihn, wenn man Feld und Garten wohl bestellt." Er trug die Rübe in das Schloss. Der Herr des Schlosses 5 lobte den Fleiß und den guten Willen des Mannes und schenkte ihm drei Ducaten. Ein Bauer ini Dorfe, der sehr reich und sehr geizig war, hörte das und sprach: „Jetzt verehre ich dem gnädigen Herrn auf der Stelle mein großes Kalb. Gibt er für eine lumpige Rübe schon drei Gold- i» stücke, wie viel werde erst ich für ein so schönes Kalb bekommen." Er führte das Kalb an einem Stricke in das Schloss und bat den gnädigen Herrn, es zum Geschenke anzunehmen. Der Herr merkte wohl, warum sich der geizige Bauer so freigebig anstellte, und sagte, er wolle das Kalb nicht. ir Allein der Bauer fuhr fort zu bitten, die geringe Gabe doch nicht zu verschmähen. Endlich sprach der kluge Herr: „Nun wohl; weil Ihr mich denn dazu zwingt, so nehme ich das Geschenk an. Da Ihr aber so besonders freigebig gegen mich seid, so darf ich mich auch nicht karg finden lassen. Ich will Euch daher ein Gegengeschenk so 46 machen, das mich wohl zwei- bis dreimal mehr kostet, als Euer Kalb wert ist." Und mit diesen Worten gab er dem erstaunten und erschrockenen Bauer — die ihm wohlbekannte große Rübe. Chr. Schmid. /?? errrenr Do?/e teöte errrnrat ein ^-raöe,' cte?' sta^t, was Ä-n Ae/ret, rrrrct rvas er La sre^ steetcen konnte, oö/erc^ ei' Musste, ctass ^te^teu er'-re ^ü-rcte ser. M?rmat rra/rnr er errr ^?aar /§tüe^e unAetöse^ten /^at^es. D?!e rerstee^te er, wer? ctre ^ase^e-r sc^on 5 Et Oöst ^/üttt wäre??, arrter eter lUsste. trtere^ ctarau/ öeASAnete Ä?w er'ir /^ameraet, eter sroer Merete rrr etre Ke^roemme rr'tt. kasete se^roanA src/r eter Or'eös/unAö ar?/ cta« anctere /^eret, unet nur? Arsrr/s rotten ^taAen nae^ cter /§6^MSMMe. ck/rtten rin lUasse?" aöe?' /et's ctern /tercte er'n, sre^ Zu tsAen, nnct cter Sterns Dr'eö ^e^ in ^erMter. ^r sc^wa???-??. »war er'-re /r/er'-re Ktrec^e /ort, aöer ar/ er'-rniat /errA er an, ^ammertre^ s:a saureren.- „Äe/t, ^e/t, ro/r rerörerrrre/^ ck)r's Zerrte merrrtsn, er ^aöe sre srrm öestsn, wert ^'a ^a/tss ckUasser nre/rt örenrre. Mrc^tr'e^ Aeta-rA es Änr, sr'o^ «?r c^as k/er L« se^teMsrr, reo er errrrattet tr'sAerr ötr'eb. ^its sern ^ameract 15 r^rs öer'cterr //erc^s mü^saM arrs ctenr Masser Aöörae^t ^atte nn^ -nrt er-rraen ^Vae^öarrr ^eröer'^am, /ancterr sr'e, eiass irrest öto/? ctr'e Nerctsr, sorr^errr aac/r ctr'e //«nt et es ^aöerr ro-r c/er/r ao/ste/östen rrrrct ctacturo^ ^er^ ASworetenen ^at/e Lsr/rsssen rearerr. Mas irrest cterrr rst, ctas ?'Ät?,rs irrest arr, ete-ur es örs-r-rt — SN Me-rrASte-rs ar/ ctsnr (rerorsserr. Fittmar. 101. Räthsel. Das Feuer löscht sonst Wasserflut, Mich setzt Wasser erst in Glut. 102. Fischlein. 1. „Fischlein, Fischlein, du armer Wicht, Schnappe nur ja nach der Angel nicht! S i m r o ck. 47 Geht dir so schnell zum Halse hinein, Reißt dich blutig und macht dir Pein. Siehst du nicht sitzen den Knaben dort? Fischlein, geschwinde schwimme fort!" 2. Fischlein mocht' es wohl besser wissen, Sah nur nach dem fetten Bissen, Meinte, der Knabe mit seiner Schnur Wäre hier so zum Scherze nur. Da schwamm es herbei, da schnappt' es zu. Nun zappelst du, armes Fischlein du. Hcy. 103. Der Zaunkönig. Die Vögel wollten einmal einen König wählen. Sie versammelten also in einem Eichenwalde einen stattlichen Reichstag. Da waren sie alle zugegen, von dem Adler an bis zum Goldhähnchen, und schrien, pfiffen, fangen, schnatterten und schwatzten vom Morgen bis zum Abend, wer unter ihnen König sein sollte. Sie wurden aber lange 5 nicht einig. Nachdem sie sich endlich müde geschrien und geschnattert hatten, kamen sie miteinander überein, dass derjenige unter ihnen König sein sollte, der sich am höchsten in die Lüfte zu schwingen vermöchte. Es wurde also ein Tag zu dem Wettstreit festgesetzt, und zur bestimmten Stunde erhob sich der ganze Haufen in die Luft, w Jeder suchte es dem andern zuvorznthun. Da es aber fast keinem Zweifel unterlag, dass der Adler den Sieg davontragen und König sein werde, so gedachte ihn der Zaun¬ könig durch eine List zu überwinden. Was that er? Er versteckte sich in dem Gefieder des Adlers, ohne dass dieser es merkte. So ließ er n> sich in die Lüfte mit hinauftragen. Als nun der Adler meinte, er habe gesiegt und fei König, da flog der Zaunkönig aus des Adlers Gefieder hervor und über ihn hinauf, so dass alle Vögel ihn als ihren König anerkennen mussten. Weil er aber eine gar so kleine Gestalt hatte, wurde er von allen Vögeln verfolgt und geneckt, so M dass sich der kleine König zuletzt in die Zäune, Gebüsche und Holzstöße verkriechen musste, um nur Ruhe zu haben. Und da treibt er den sein Wesen bis auf den heutigen Tag. Nach Grimm. Aus Niedergesäß, Deutsches Lesebuch. 48 104. Die Fliegen und die Spinnen. Ein junger Prinz sagte öfters: „Wozu hat wohl Gott die Fliegen und Spinnen erschaffen? Dergleichen Ungeziefer nützt ja keinem Menschen etwas. Wenn ich nur könnte, ich würde sie alle von der Erde vertilgen." 5 Einst musste sich der Prinz im Kriege vor dem Feinde flüchten. Ermüdet legte er sich im Walde unter einem Baume nieder und entschlief. Ein feindlicher Soldat schlich mit gezücktem Schwerte auf ihn zu, um ihn zu ermorden. Mein in eben diesem Augenblicke kam eine Fliege und stach den Prinzen so heftig in die Wange, dass er io erwachte. Er sprang aus, zog sein Schwert — und der Soldat entfloh. Der Prinz verbarg sich nun in einer Höhle des Waldes. Eine Spinne spann während der Nacht ihr Netz vor dem Eingänge der Höhle. Am Morgen kamen zwei feindliche Soldaten, die ihn suchten, vor die Höhle. Der Prinz hörte sie miteinander reden. „Sieh," rief 15 der eine, „da hinein wird er sich versteckt haben!" — „Nein," sagte der andere, „da drinnen kann er nicht sein; denn im Hineingehen hätte er ja das Spinngewebe zerreißen müssen." Als die Soldaten fort waren, rief der Prinz gerührt und mit aufgehobenen Händen: „O Gott, wie dank ich dir! Gestern hast du 20 mir durch eine Fliege und heute durch eine Spinne das Leben gerettet. Wie gut ist alles, was du gemacht hast!" Chr. Schmid. 103. Der Fuchs und der Vock. Der Fuchs und der Bock stiegen, um ihren Durst zu löschen, in einen Brunnen hinab. Nachdem beide sattsam sich erquickt hatten, drehte der Bock den Kopf bedenklich nach allen Seiten und schaute, wie er wohl wieder herauskommen möchte. Der Fuchs bemerkte dies 5 und sprach: „Nicht verzagt, Freundchen! Der Fuchs denkt an alles, ich habe schon ein Mittelchen ausgedacht, ein unfehlbares, das uns beiden aus der Klemme hilft. Stelle dich aufrecht — so! Stemme die Vorderfüße an die Wand — gut! Jetzt neige den Kopf und setze die Hörner nach vorne zu fest ein — brav! Nun bildest du mit Rücken io und Hörnern eine schiefe Fläche, über die ich ganz bequem bis fast an den Rand des Brunnens komme. Ein Sprung — und ich bin 49 oben und ziehe dann mit leichter Mühe dich nach. Also festgehalten, Freundchen! Eins, zwei, drei!" — Husch! stand das Füchslein oben und grinste durch die Mündung des Brunnens schadenfroh auf den betrogenen Bock hinab. Anfangs hielt dieser es für Scherz; doch ir nnr zu bald erkannte er, dass es Ernst sei, schrie, jammerte, schalt den Fuchs wortbrüchig, aber umsonst! — „Besäßest du," spottete der Arglistige, „nur halb so viel Verstand als Bart, so wärest du nicht hinabgestiegen, ehe du daran gedacht, wie du wieder hinaufkommen magst." A Ein kluger Mann denkt früher nach, wo etwas hinaus will und wie es enden wird, dann erst unternimmt er es. Seidl. 106. Pferd und Sperling. Sperling. Pferdchen, du hast die Krippe voll; Gibst mir wohl auch einen kleinen Zoll, Ein einziges Körnlein oder zwei; Du wirst noch immer satt dabei. Pferd. Nimm, kecker Vogel, nur immer hin, r Genug ist für mich und dich darin. Und sie aßen zusammen, die zwei. Litt keiner Mangel und Noth dabei. Und als dann der Sommer kam so warm. Da kani auch manch böser Fliegenschwarm; i» Doch der Sperling fieng hundert auf einmal, Da hatte das Pferd nicht Noth und Qual. H-y. ' 107. Das wohlfeile Mittagessen. In einem Landstädtchen kam einst zum Löwenwirt ein wohl¬ gekleideter Gast. Kurz und trotzig verlangte er für sein Geld eine gute Fleischsuppe. Hierauf forderte er auch ein Stück Rindfleisch und ein Gemüse für sein Geld. Der Wirt fragte ganz höflich, ob ihm nicht auch ein Glas Wein beliebe. „O freilich ja," erwiderte der s Gast, „wenn ich einen guten haben kann für niein Geld." Nachdem Leseb. für slov.-utraquist. Müielsch- 50 er sich alles wohl hatte schmecken lassen, zog er einen abgeschliffenen Sechser aus der Tasche und sagte: „Hier, Herr Wirt, ist mein Geld." Der Wirt sagte: „Was soll das heißen? Ihr seid mir ja einen 10 ganzen Thaler schuldig!" Der Gast erwiderte: „Ich habe für keinen Thaler Speise von Euch verlangt, sondern nur für mein Geld. Hier ist mein Geld. Mehr hab' ich nicht. Habt Ihr mir zuviel dafür gegeben, so ist's Eure Schuld." — „Ihr seid ein durchtriebener Schalk," erwiderte der Wirt, „und hättet wohl etwas anderes ver- 15 dient. Aber ich schenke Euch das Mittagessen und hier noch ein Fünfundzwanzigkreuzerstück dazu. Nur seid stille zur Sache und geht zu meinem Nachbar, dem Bärenwirt, und macht es mit ihm ebenso." Das sagte er, weil er mit seinem Nachbar, dem Bärenwirt, aus Brotneid in Unfrieden lebte und einer dem andern jeglichen Schimpf so gern anthat und erwiderte. Aber der schlaue Gast griff lächelnd mit der einen Hand nach dem angebotenen Gelds, mit der andern vor¬ sichtig nach der Thür, wünschte dem Wirt einen guten Abend und sagte: „Bei Eurem Nachbar, dem Herrn Bärenwirt, bin ich schon gewesen, und eben der hat mich zu Euch geschickt und kein anderer." s» Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. e. Nach Hebel. 108. Der Pilger. In einem schönen Schlosse, von dem schon längst kein Stein auf dem andern geblieben ist, lebte einst ein sehr reicher Ritter. Er verwandte sehr viel Geld darauf, sein Schloss recht prächtig auszu¬ zieren, den Armen aber that er wenig Gutes. s Da kam nun einmal ein armer Pilger in das Schloss und bat um Nachtherberge. Der Ritter wies ihn trotzig ab und sprach: „Dieses Schloss ist kein Gasthaus." Der Pilger sagte: „Erlaubt mir nur drei Fragen, so will ich weiter gehen." Der Ritter sprach: „Auf diese Bedingung hin mögt Ihr immer fragen. Ich will Euch gerne io antworten." Der Pilger fragte ihn nun: „Wer wohnte doch wohl vor Euch in diesem Schlosse?" — „Mein Vater," sprach der Ritter. Der Pilger fragte weiter: „Wer wohnte vor Eurem Vater da?" — „Mein Gro߬ vater," antwortete der Ritter. „Und wer wird wohl nach Euch darin 51 wohnen?" fragte der Pilger weiter. Der Ritter sagte: „So Gott will, is mein Sohn." „Nun," sprach der Pilger, „wenn jeder nur seine Zeit in diesem Schlosse wohnt und immer einer dem andern Platz macht — was seid ihr denn anders hier als Gäste? Dieses Schloss ist also wirklich ein Gasthaus. Verwendet daher nicht so viel, dieses Haus so prächtig 2« auszuschmücken, das Euch nur kurze Zeit beherbergt. Thut lieber den Armen Gutes, so baut Ihr Euch eine bleibende Wohnung im Himmel!" Der Ritter nahm diese Worte zu Herzen, behielt den Pilger über Nacht und wurde von dieser Zeit an wohlthätiger gegen die Armen. Die Herrlichkeit der Welt vergeht, s- Nur, was wir Gutes thun, besteht. Chr. Schmid. 109. Seltsamer Spazierritt. Ein Mann ritt auf einen: Esel nach Hause und ließ seinen Buben zu Fuß nebenher laufen. Da kam ein Wanderer entgegen und sagte: „Das ist nicht recht, Vater, dass Ihr reitet. Euren Sohn aber laufen lasst; Ihr habt doch stärkere Glieder." Da stieg der Vater vom Esel herab und ließ den Sohn reiten. — Wieder kam ein s Wandersmann und sagte: „Das ist nicht recht, Bursche, dass du reitest und deinen Vater zu Fuß gehen lässest; du haft jüngere Beine." Da saßen beide auf und ritten eine Strecke. — Ein dritter Wanders¬ mann kam und sagte: „Was ist das für ein Unverstand, zwei Kerle auf einem schwachen Thiere! Sollte man nicht einen Stock nehmen 10 und euch beide hinabjagen?" Da stiegen beide ab und giengen zu Fuß rechts und links von dem Esel. — Es kam aber ein vierter Wandersmann und sagte: „Ihr seid drei curiose Gesellen! Jst's nicht genug, wenn zwei zu Fuße gehen? Geht's nicht leichter, wenn einer von euch reitet?" Da band der Vater dem Esel die vordem Beine is zusammen, und der Sohn band ihm die Hintern Beine zusammen, ste zogen einen starken Baumpfahl durch, der an der Straße stand, und trugen den Esel auf der Achsel heim. So weit kann's kommen, wenn man es allen Leuten recht machen will. Hebel. 4* 52 110. Truthahn und Truthähnchen. 1. „Hört, Kinder, das will ich euch sagen: Ihr musst euch artig betragen. Das Kollern und Zanken schickt sich nicht; Macht gleich auf der Stelle ein freundlich Gesicht; Das Lärmen lasst, das Schrein und Getös; Sonst, Kinder, das merkt, sonst werd' ich bös." 2. Da kam aus den Hof vonungesähr Ein Knabe mit rother Mütze her. Da wurde so bös der Truthahn dort Und lärmte und schrie: „Die Mütze fort!" Der Knabe sprach lachend: „Herr Puterhahn, Was hat dir denn meine Mütze gethan?" Hey. 111. vis golclsns Voss. Lin Oberst Zeigte äeu (Meieren, äie bei ibm speisten, bei Tisebe bino neu6, 8ebr seböns goläene Dose, Laeb einer K'eile sollte er eine vriss Tabak nebmen, suobte in allen Tasoken unä sagte bestürmt: „"lVo ist meine Dose? Leben sie äoeb einmal naeb, .-> meine Herren, ob sie niebt etva einer von Ibn en in Oeäanken eingesteckt babe!" Me stanci cm sogleieb auk unä venäeten äie Tascben um, ebne äass äie Dose 2um Vorsebein kam. Hur cler bäbnrieb blieb in siebtbarer Verlegenbeit sitzen unä sagte: „lob vcenäe meine n> Taseben niebt um; mein vbrenvort, äass ieb äie Dose niebt babe, sei genug." Vie (Meiere giengen koxksebüttelnä auseinanäer, unä seäer bielt ibn kür äen vieb. Mi auäern Kargen lielä ibn cler Oberst ruken unä spraeb: „Vie Voss bat sieb vieäer gekunäsn. Vs var in meiner Tasebs is eine vabt aukgegangen, unä äa bei sie ^vviseben äem butter binab. biun sagen Lie mir aber, varum Lie Ibre Tasebe niebt Zeigen lvollten, vas äoeb alle übrigen Herren (Meiere getban baben?" j ver bäbnrieb spraeb: „Ibnen allein, Herr Oberst, rvill ieb es gern bekennen. Keine Litern sinä arm. leb gebe ibnen äaker 53 EIEN balb6n 8olä uuä 6886 mittUM lliebt8 1Vurw68. ^18 lob boi 2V Ibusu kiiiztzluclsu N'M'Ü6. bottk: leb moiu Uittu86886u litzreits ill äsr Ru8eb6 — wul clu liüttk leb mieli sa 8ebLm6n MÜ886N, V6un boim Umcvrmäön clor 1?L8eIi6 6in 8tuc:I< 8eInvur/68 Lrot uncl oins ^V'ui8t Il6IAU8A6luH6II värsu.". v6r Obsrst 83§t6 Avrübrt: „8i6 8lucl 6M 86br -Mm- 8obu! 25 Oglllit 816 IKr6 Lltvru Ü68tv loicbter uutorstut/tzn ÜÜIMOU, 8o1l6u 8i6 mm tüZIieb bei mir 8p6i86n." Lr luä allo Oklieivre 2u oiimm k68tlie56ll 6u8tmulÜ6 6M, b626UAt6 vor ibusn allvu cli6 IIn8ebu1ä Ü68 biiburiobs uuä Ül)6rr6iebt6 ibm 2UM L65V6I86 86M61' Ilcxäi- ucbtuuA äio A0lä6H6 Vo86 ul8 668eb6nü. ZV lVor 86IN6 Litern liebt uncl ebrt, 18t 6ott unä N6N8eb6u lieb uuä V6i't. 6bI. 8cbmi zu ihrem neuen Schrecken sanden sie das Hofthor verschlossen. Da krochen sie zu den Schweinen in den Stall und brachten die Nacht in Todesängsten zu. Am Morgen kam der Wirt, machte die Stallthür auf, wetzte sein Messer und rief: „Nun, ihr Bürschlein, heraus; eure letzte Stunde ist gekommen!" is Beide Knaben erhoben ein Jammergeschrei und flehten auf den Knien, sie doch nicht zu schlachten. Der Wirt wunderte sich, sie im Schweinstalle zu finden und fragte, warum sie ihn für einen Menschen¬ fresser hielten. Die Knaben sprachen weinend: „Ihr habt ja heute Nacht selbst so gesagt, dass Ihr uns diesen Morgen schlachten wollt." Allein der Wirt rief: „O ihr thörichten Kinder, euch habe ich nicht gemeint. Ich nannte nur nieine zwei Schweinlein, weil ich sie in der Stadt gekauft habe, im Scherze meine zwei Bürschlein aus der Stadt. So geht's aber, wenn man horcht. Da versteht man vieles unrichtig, hat andere 25 leicht in falschem Verdacht, macht sich selbst unnöthige Sorgen, geräth in Angst und zieht sich manchen Verdruss zu." Chr. Schmid. /Don rrrrÄ //ct^tsDr. H man sebn Katt ctnautterr. Das Dästerrr sackte ern LM,- stenn es wan kanAnrA. Da /am sten Dacks aast s^nack .- „Dä.stetn, m/s Aekt's, m/s sekmeekt's — „KckJ arrtrcontste stas Dästerrr, „DanAen rrnst /Dssnmen, rvr'e karrn's er'rrem sta rvokt 5 yekerrt" — mit mtn," s^nacb eten Dacks, ,,rck mrtt Aenrr mr't ctrn tker'ten, ctenrr mr'ck /amrnent ctern." — „Danke sckörr," arrtrcor'tete eten Daše, „rck kann,/a stock nickt mrt stri' an etnens Dr'scke SI-ersen." „D» tknst ^a, a/s ob str'ck /nä,m," saAte werten sten Dacks, iv nsrst stabet tnat en ebner <§ckn?tte naben. ,, /tast st« etenn stetnen 57 Mr'/rte^eD noD >rw/^ «rrAesoAs-r— „Das rvo/a//ei' UDrck." — „0, <7« /ca/rn r'e4 -7r> Hes/e»,- 4omm nu^ r'n nrer'ne DMs," s«Ate <7ei- D«r4s.- ,,<7« Aröt's er/r warmes _/>aA6N. c/as wr7Z r'D ö?'üe7en^'c^ nu7 ci?'/' t^e?7e-r, <7enn <7u ir> ^>rs/ ^'a Msr'n Da-r^sma-rn nnc^ betten." — „Darrte se4ö-r," a?rt- wortete <7er -Drse, „r'D 4«>»r nre/^ mr't <7r'r r'n ernenr Druse wohnen." ^rr/" ernnra^ ArenA's/ „pp'aa/ waa/'^ Dei' /'ue^s se^/rD rve^ -'n serne Dü//,/e nn<7 <7ae^ts.' „Das sD/crne DäsDen/^ Den Derse rröen /»^v/ts n.'eer«-rcZ. „ ! l'«7'sZ cZu sZen-r ss^o» er'/rmaZ M Tsös/rsAe/a^T-, r«rcZ 7's/ZeZs er cZre^ 7/rr'Z ser/rer e/AST/e/r c7ai-«us?" 5 „D«K 7voZ«Z -rrc/tZ, IT,?!«?'/ ^IKer —" /: OsZe7' /«AZeZ rZ/7' ssZ/o/r er-rmaZ -rrtSKMMe/r A-rcZ Z/rsrZZeZ cZrs TZeu/e Aa/rL o^-rs ^rorsZ?" cZ«s -rrs^Z/ ^1Z-«7' —" 7,0, so sc^7/-s7A /rosZ/ A?rcZ öe^aZZe ^'erres Toö 5sr cZr> ssZbsZ/ iv -Oern ^ZsZAsseZZs ^«rrrr vreZZercZ/Z «srrZ-ZrcZ« sZsr/r /rsM/c/ serrr/ cZas MrZZ rsZr, /Zu», rrrs/tZ aös^res^s/r / abs,- «soZ/sT' wer'^Z cZrr es s?'sZ«67-, soZarrAs cZrr r/rrr /ros/« /««sZ/Z öerm O-r/McZ', r/ocZ« -rrsZ/Z er-rmaZ öe»M 7^errr r//rsZ Der'rr /-r/Z/ZesZ/" UerLnes. 136. Dir Grille und der Schmetterling. Eine kleine Grille saß im Grase und sah einen niedlichen Schmetterling auf der Wiese von Blume zu Blume fliegen. Wie sehr beneidete sie den Schmetterling um seine Schönheit und um das herrliche Farbenspiel auf seinen Flügeln! „Ach," seufzte sie, „warum bin ich denn nicht so schön wie er? Warum muss ich ihm in allen s Stücken so weit nachstehen und so ganz unbekannt und verachtet sein?" Da kam über die Wiese daher eine ganze Schar von Kindern, Knaben und Mädchen. „Heida!" schrien sie, als sie den Schmetterling erblickt hatten, „seht doch den schönen Vogel, den müssen wir haben!" Gleich gieng's mit Hüten, Tüchern, Netzen und Händen hinter dem io Schmetterlinge her, der endlich gefangen wurde, sosehr er auch zu entwischen sich bemühte. Ein Knabe brach ihm beim Zugreifen unvor¬ sichtig die Flügel ab, und ein anderer drückte ihm das Köpfchen ein. Die Grille hatte alles mit angesehen. „O, wie gut ist es," sprach sie jetzt, „dass ich unbekannt und im Verborgenen lebe!" i- Nach Löhrs Fabelbuch. 5* - 68 — 137. Einkehr. k. Bei einem Wirte wundermild. Da war ich jüngst zu Gaste; Ein goldner Apfel war sein Schild An einem langen Aste. 2. Es war der gute Apfelbaum, Bei dem ich eingekehret; Mit füßer Kost und frischem Schaum Hat er mich wohl genähret. 3. Es kamen in sein grünes Haus Viel leichtbeschwingte Gäste; Sie sprangen frei und hielten Schmaus Und sangen auf das beste. 4. Ich sand ein Bett zu süßer Ruh Aus weichen, grünen Matten; Der Wirt, er deckte selbst mich zu Mit seinem kühlen Schatten. 5. ginn fragt' ich nach der Schuldigkeit, Da schüttelt' er den Wipfel. Gesegnet sei er allezeit Von der Wurzel bis zum Gipfel! Uhland. 138. Der Fuchs und der Huhn. Ein hungriger Fuchs kam einstmals in ein Dors und fand einen Hahn; zu dem sprach er also: „O mein Herr Hahn, welche schöne Stimme hat dein Herr Vater gehabt! Ich bin zu dir hieher gekommen, dass ich deine Stimme höre. Darum bitt' ich dich, dass du mir 5 laut singest, damit ich höre, ob du eine schönere Stimme habest oder dein Vater." Da schwang der Hahn sein Gefieder, und nut geschlossenen Augen fieng er an, auf das lauteste zu krähen. Indem sprang der Fuchs auf, fieng ihn und trug ihn in den Wald. Als das die Bauern gewahr wurden, liefen sie dem Fuchs nach io und schrien: „Der Fuchs trägt unseren Hahn fort!" Als der Hahn 69 das hörte, sprach er zum Fuchs: „Hörst du, Herr Fuchs, was die groben Bauern sagen? Sprich du zu ihnen: Ich trage meinen Hahn und nicht den euern." Da ließ der Fuchs den Hahn aus dem Maule und sprach: „Ich trage meinen Hahn und nicht den euern." Indem flog der Hahn auf einen Baum und sprach: „Du lügst, Herr Fuchs, ir, du lügst; ich bin der Bauern, nicht dein!" Da schlug der Fuchs sich selbst mit den Pfoten aufs Maul und sprach: „O du böses Maul, wie viel schwätzest du! Wie viel redest du Unnützes ! Hättest du jetzt nicht geredet, so hättest du deinen Braten nicht verloren." so Nach Simrock. 139. Der Fuchs und der Hahn. Ein hungriger Fuchs hörte in einer kalten Winternacht einen Hahn auf einem Baume krähen. Ihn gelüstete es nach dem Schreier; da er aber nicht auf den Baum steigen konnte, besann er sich auf eine List. „Ei, Hahn," rief er unter dem Baume, „wie magst du in einer 5 kalten Winternacht so schön singen?" „Ich verkündige den Tag!" antwortete der Hahn. „Was? den Tag?" fragte der Fuchs mit erkünstelter Verwunderung. „Es ist ja noch finstere Nacht." „Ei, weißt du denn nicht," antwortete der Hahn, „dass wir den w Tag schon zum voraus fühlen und seine Nähe verkünden?" „Das ist ja gar etwas Göttliches!" rief der Fuchs aus, „das können nur Propheten! O Hahn, wie muss ich dich bewundern um deinen Gesang!" Der Hahn krähte zum zweitenmale, und der Fuchs fieng an, w> unter dem Baume herumzutanzen. „Warum tanzest du denn?" fragte der Hahn. Der Fuchs sprach: „Du singst, und ich tanze vor Freuden. O Hahn, du bist der Fürst der Vögel; du fliegst durch die Lüfte; du singst schöner als alle andern Vögel; du sagst sogar künftige Dinge voraus — und ich sollte mich 20 uicht freuen, dass ich einen so weisen Propheten kennen gelernt habe? Vxire ich nur würdig, immer um dich zu sein, du königlicher Vogel, du weiser Prophet! Komm doch herunter, dass ich mich bei meinen Freunden rühmen kann, ich habe das Haupt eines Propheten geküsst!" 70 25 Dem Hahn gefiel das Lob des Schmeichlers so wohl, dass er sogleich herunterflog und ihm das Haupt zum Kusse darbot. Da fasste ihn aber der Fuchs und ries spottend: „Nein, nein, du bist kein Prophet; du hättest sonst gemerkt, was ich wollte!" und damit biss er ihm das Haupt vom Rumpfe. Grimm. 140. Nachgrben stillt de« Krieg. Zwei Fuhrleute begegneten einander in einem Hohlwege, und es war nicht leicht, wie der eine dem andern ausweichen sollte. „Fahre mir aus dem Wege!" rief der eine. — „Ei, so fahre du mir aus dem Wege!" schrie der andere. „Ich will nicht," sagte der eine; s „und ich brauche es nicht," sagte der andere; und weil keiner nach¬ gab, kani es zu einem heftigen Zank und zu Scheltworten. „Höre du," sagte endlich der erste, „jetzt frage ich dich zum letztenmale: Willst du mir aus dem Wege fahren oder nicht? Thust du's nicht, so mache ich's mit dir, wie ich's heute schon mit einem u> gemacht habe." — Das schien dem andern doch eine bedenkliche Drohung. „Nun," sagte er, „so hilf mir wenigstens deinen Wagen ein wenig beiseite schieben; ich habe ja sonst keinen Platz, um mit dem meinen auszuweichen." Das ließ sich der erste gefallen, und in wenigen Minuten war die Ursache des Streites beseitigt. is Ehe sie schieden, fasste sich der, welcher aus dem Wege gefahren war, noch einmal ein Herz und sagte zu dem andern: „Höre, du drohtest, du wolltest es mit mir machen, wie du es heute schon mit einem gemacht hättest; sage mir doch, wie hast du es mit dem gemacht?" — „Ja, denke dir," sagte der andere, „der Grobian 2ü wollte mir nicht aus dem Wege fahren, da — fuhr ich ihm aus dem Wege!" Schulze-Steinmann-Kiel, Kinderschatz. 141. Das Mittagessen im Hof. Ein Bedienter konnte seinem Herrn manchmal gar nichts recht machen und musste für vieles büßen, woran er unschuldig war. So kam einmal der Herr sehr verdrießlich nach Hause und setzte sich zum Mittagessen. Da war die Suppe zu heiß oder zu kalt oder keins von 5 beiden; aber genug, der Herr war verdrießlich. Er fasste daher die 71 Schüssel mit dem, was darin war, und warf sie durch das offene Fenster in den Hof hinab. Was that der Diener? Kurz besonnen, warf er das Fleisch, das er eben auf den Tisch stellen wollte, mir nichts, dir nichts der Suppe nach in den Hof hinab, ebenso das Brot, dann den Wein und endlich das Tischtuch mit allem, was i« darauf war, auch in den Hof hinab. „Verwegener, was soll das sein?" fragte der Herr und fuhr mit drohendem Zorn von dem Sessel auf. Aber der Bediente erwiderte kalt: „Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihre Meinung nicht errathen habe. Ich glaubte nicht anders, als Sie wollten heute im Hofe fpeisen. Die Luft ist so heiter, der ts Himmel so blau, und sehen Sie nur, wie lieblich der Apfelbaum blüht und wie fröhlich die Bienen ihren Mittag halten!" Der Herr erkannte seinen Fehler, heiterte sich im Anblick des schönen Frühlingshimmels auf, lächelte heimlich über den schnellen Einfall seines Aufwärters und dankte ihm im Herzen für die gute 20 Lehre. Diesmal die Suppe hingeworfen und nimmer wieder! Nach Hebel. 142. Eintracht. Ein Vater schied von seinen Söhnen; Doch eh er schied, sucht' er durch ein Symbol Zur Eintracht ihre Herzen zu gewöhnen. „Ich scheide," sprach er, „Söhne, lebet wohl! Jedoch zuvor zerbrecht mir diese Pfeile, s Gebunden, wie sie sind!" — In größter Eile Will jeder den Befehl vollziehen. Jedoch umsonst ist ihr Bemühen. Der Vater löst hierauf das Band, Gibt jedem einen Pfeil besonders in die Hand. m „Zerbrecht mir den!" spricht er mit trüben Blicken, Und schnell war jeder Pfeil in Stücken. „Merkt, Söhne," rief er, „am zerbrochenen Geschoss: Die Eintracht nur macht stark und groß, Die Zwietracht stürzet alles nieder. is Lebt wohl und liebt euch stets als Brüder!" Gellert. 72 143. Dre Tannenzapfen. Herr Sommer gieng an einem heißen Tage spazieren. Als er an einen Berg kam, begegnete ihm eine alte Frau mit einem schweren Korbe auf dem Rücken; sie lehnte sich eben an einen Baum, um ein wenig auszuruhen. „Mütterchen, Mütterchen!" sagte Herr Somnier, 5 „Ihr habt zuviel geladen. Was habt ihr denn in Eurem Korbe?" — „Tannenzapfen, mein lieber Herr," antwortete sie mit einem tiefen Seufzer. Da hob Herr Sommer den Korb und sprach: „Mein Gort," die Hälfte wäre für Euch schon genug!" — „Ach," klagte das Mütterchen, „so wenig Hülse mir nichts. Das würde zu wenig w Geld einbringen, und ich kann den weiten Weg zur Stadt doch nur einmal des Tages unternehmen, und dann nur bei gutem Wetter. Das rührte den Herrn gar sehr, und er sprach zu der Alten: „Ich will Euch Euren Korb doch ein wenig abnehmen." Sie wusste nicht, ob das sein Ernst oder nur sein Scherz war, sie blickte ihn 15 fragend an und zuckte die Achsel. Weil er aber ein so gutmüthiges Gesicht zeigte, so gewährte sie es ihm. Da schlüpfte Herr Sommer schnell unter die Achselbänder, hatte im Nu den Korb auf seinem Rücken und schritt damit so heiter dahin, als habe er sein Lebelang Tragkörbe auf seinen Schultern gehabt. Vor dem Dorfe, wo die Alte so wohnte, nahm Herr Sommer den Korb herunter und drückte ihr obendrein noch ein Stück Geld in die Hand. Sie nahm es unter vielen Danksagungen an; er aber kehrte, ohne von seiner guten That zu reden, heiter und vergnügt zur Stadt zurück. Spieß. 144. Der Ziegenbock. Eine reiche Frau sagte eines Morgens zu ihrer Magd: „Katharina, ich gehe jetzt in die Kirche. Gib auf alles gehörig acht, und wenn du zum Brunnen oder in den Garten gehst, so schließe nur ja die Hausthür zu, damit sich kein Dieb einschleiche. 5 Ich habe dir das schon oft befohlen und erwarte, dass du mir doch endlich einmal gehorchen wirst." Die Frau gieng. Nach einer Weile musste Katharina Wasser holen und ließ richtig wieder alle Thüren offen. „Es ist ja die ganze Straße hinauf und hinab kein Mensch zu sehen," sagte sie und lachte 73 über die allzuängstliche Sorgfalt der Frau. Allein während sie mit io einer andern Magd am Brunnen plauderte, lief ein Ziegenbock in das Haus, stieg die Treppe hinauf und kam in das Zimmer der Hausfrau. Dort Hieng ein großer Spiegel, der bis auf den Boden des Zimmers herabreichte. Der Bock sah sich im Spiegel und meinte, da sei noch ein Bock. Der Bock im Zimmer drohte dem Bock im 15 Spiegel mit den Hörnern; der Bock im Spiegel that auch dasselbe. Da sprang der rechte Bock auf den Bock im Spiegel los und traf — nicht den vermeintlichen Bock, sondern den Spiegel, der sogleich in tausend Stücke zersprang. In demselben Augenblicke kam die Magd mit dem Wasserkübel zur Thür herein, hörte das Klirren der Glas- en scherben, lief eilends ins Zimmer und sah mit Schrecken, was geschehen war. Sie schlug die Hände über dem Kopfe zusammen und trieb den Bock mit vielen Streichen aus dem Hause; allein davon wurde der Spiegel nicht wieder ganz. Als die Frau nach Hause kam, wurde die leichtsinnige, ungehor- 25 same Dienstmagd sogleich entlassen. Schulze-Steinmann-Kiel, Kinderschatz. 146. Die Schwalben rächen sich. Nicht weit von einer großen Pfütze stand ein Haus. Da baute seit mehreren Tagen ein Schwalbeupaar. Sie arbeiteten vom Morgen bis zum Abend, und bald war das Nest fertig. Schon trugen sie Wolle, Heu, Moos nnd andere weiche Sachen hinein, und dann wollten sie Eier legen und brüten. 5 Da kam ein grober Spatz, der lugte ius Nest hinein, und ihm gefiel das Nest. Er setzte sich drauf und dachte: „Bis ich wieder gehe, hat'sZeit." — Da kamen die Schwalben zurück. Wie erschraken fie, als sie den fremden Gast in ihrer Wohnung sanden. Sie baten, er möchte nun wieder hinausgehen. Der Spatz rührte sich nicht. Sie 10 baten noch einmal, aber der Dickkopf regte kein Glied. Jetzt baten sie den Unverschämten gar dringend, er möge ihnen ihr Häuschen nun wieder geben. Der Sperling wich nicht von der Stelle. Da flogen die Schwälbchen zurück und klagten ihr Unglück den Kameraden. Alle betrübten sich mit ihnen und sagten: „Wir wollen is euch rächen." Und in der Luft entstand ein Flattern und Zwitschern. 74 Und Tausende von Schwalben flogen von der Pfütze zum Neste und andere Tausende wieder vom Neste zur Pfütze. Und eine jede brachte einen Schnabel voll und that's an die Öffnung des Nestes. Und sie 20 mauerten fort, bis der Abend kam. Und als der Abend kam, da war das Werk vollbracht. Das Nest war zugemauert, und der Bösewicht musste sein Vergehen mit dem Leben büßen. Schulze-Steinmann, Deutsches Lesebüchlein. 146 Vom LxätÄsin, clas anäsre P'eäsrn lradsn wollte. Loeb vböu uuterm Duell im lustigen bleste sollliek ein armes Lpützleim Dull als es so sW null so lest da sellliek, llatte es auell einen Iraum. Ds sall einen Daum null clarauk viele, viele Vögel. Die llalten goldene Lellnällel uncl varen vunderscllöu, rosenrotll 5 und llimmellllau und glänzten vie der llläslstein. Da sagte mein Lpatzlein: „Du liebe 2eit, vie solläme iell mied! Venn iell tloell auell so reiell unä sellön väre!" lind kaum llatto es die Verte gesproellen, da vurdo sein llederllleld rosenrotll unä llimmellllau, unä sein Lellnällel var eitel 6olä. Da butterte es bin unä ller io unä trug sein Msleiu so lloell, «lass es niemanden mellr sall. lind als es so äallin llüpkts unä nur an sein goldenes Lellnälllein unä lvleiälein äaellts, da auf einmal — zog äer Vogelsteller das llietz zu, unä das Vöglein var gefangen, „llotz tausend! vie sellön bist du," rlek der böse Nensell; „ei, du gsllörst ins Lauer." 15 lind so trug er es naell Dause. Das Lpätzlein aber sak und lllagte: „0, llätt' iell mein graues Ilöelllein noell, säk' iell äoell noell droben im kleinen bleste, vär' iell äoell noell arm und frei!" Vls es so salL und lllagte und veinte, sellau, da fullr es auf einmal za summen und — ervaellte aus seinem festen Lolllaf. so bind es llog llin /um Duell und lugte llineln und sall sein graues Ilöelllein und laellte und laellte und var von Herzen kroll. blacll 8elinlzs-8tsillmaiin, Deutsclies llesellUclllsin. 147. Der Strohmann. Ein Landmann hatte einen schönen Weizenacker. Da kamen die bösen Spatzen und fraßen die halbreifen Körner aus den vollen Ähren. Ta gieng der Mann des Morgens hinaus, um die Spatzen zu schießen; 75 aber als er hinkam, waren sie schon fort; denn die Spatzen stehen sehr früh auf. Jetzt eben saßen sie auf des Nachbars Kirschbaum und 5 zwitscherten lustig. Der Landmann aber sprach bei sich selbst: „Wartet, ich bin doch klüger als ihr." Und als er nach Hause kam, nahm er einen großen Stock, wickelte Stroh darum und machte ihm zwei Arme. Darauf zog er ihm einen alten Rock an, setzte ihm einen Hut auf, gab ihm eine i» Peitsche in die Hand, und der Strohmann schaute gar grimmig drein. Als die Spatzen schlafen gegangen waren, trug der Bauer den Strohmann auf den Weizenacker. Am andern Morgen flogen die Sperlinge aus, um nach ihrem Weizen zu sehen. Aber Huh! da stand schon der Bauer mit der is Peitsche. Da sagte ein alter Spatz: „Wir müssen noch früher auf¬ stehen." Darum kamen sie am folgenden Morgen, als es noch ziemlich dunkel war. Aber siehe! der Bauer war schon wieder im Weizen und drohte mit der Peitsche. Da es so gefährlich aussah, getrauten sie sich nicht herbeizufliegen, sondern lauerten in der Nachbarschaft, ob denn r» der Peitschenmann gar nicht nach Hause gehen würde. Aber er gieng nicht, sie mochten warten, solange sie wollten. Endlich flogen die Spatzen mit hungrigem Magen nach Hause. Nach Curtman. Aus Ku mmcr-Branky-Hofbauers Lesebuch. 148. Thu nichts Böses I 1. Thu nichts Böses, thu es nicht! Weißt du, Gottes Angesicht Schaut vom Himmel auf die Seinen, Auf die Großen, auf die Kleinen, Und die Nacht ist vor ihm Licht. 2. Sind auch Vater, Mutter weit, Er ist bei dir allezeit; Dass du ja kein Unrecht übest Und sein Vaterherz betrübest! Ach, das wär' dir künftig leid! Hey- - 76 - 149. Die Sonnenstrahlen. Die Sonne war aufgegangen und stand mit ihrer schönen, glänzenden Scheibe am Himmel; da schickte sie ihre Strahlen aus, um die Schläfer in dem ganzen Lande zu wecken. Da kam ein Strahl zu der Lerche. Die schlüpfte aus ihreni Neste, flog in die Luft hinauf s und sang: „Liri, liri, li, schön ist's in der Früh". Der zweite Strahl kam zu dem Häslein und weckte es auf. Das rieb sich die Augen nicht lange, sondern sprang aus dem Wald in die Wiese und suchte sich zartes Gras und saftige Kräuter zu seinem Frühstück. iv Und ein dritter Strahl kam an das Hühnerhaus. Da rief der Hahn: „Kikeriki!" und die Hühner flogen von ihrer Stange herab und gackerten in dem Hofe, suchten sich Futter und legten Eier in das Nest. Und ein vierter Strahl kam an den Taubenschlag zu den Täubchen. Sie riefen: „Ruckediku! die Thür ist noch zu." Und als is die Thür aufgemacht war, da flogen sie alle in das Feld und liefen über den Erbsenacker und lasen sich die runden Körner auf. Und ein fünfter Strahl kam zu dem Bienchen. Das kroch aus seinem Bienenkorb hervor, wischte sich die Flügel ab und summte dann über die Blumen und den blühenden Baum hin und trug den 2« Honig nach Hause. Da kam der letzte Strahl au das Bett des Faulenzers und wollte ihn wecken. Allein der stand nicht auf, sondern legte sich auf die andere Seite und schnarchte, während die andern arbeiteten. C u r t m a li. 160. Kaiser Franz Josef als Lebensretter. Von einem Adjutanten begleitet, durchschritt unser Kaiser eines Tages eine gefährliche Gebirgsgegend, den Rettenbachgraben im Salz¬ kammergute. Da glitt eiu vierjähriger Knabe, der Beeren pflückte und einen 5 steilen Abhang erklettert hatte, in die Tiefe hinab. Nur eine vor¬ stehende Baumwurzel rettete das Kind vor dem Sturze in den reißenden Gebirgsbach, der am Grunde der engen Schlucht dahinschießt. Auf das Geschrei des Knaben setzte der Kaiser, der ein gewandter Gebirgsjäger ist, über ein Felsenriff von etwa fünf Meter Breite, 77 erfasste das über dem Abgrunde hängende Kind und ließ es durch w seinen Begleiter in die nächste Mühle bringen, wo sich gerade die Mutter des Knaben, das Weib eines Salzarbeiters, befand. Angst und Freude erfasste die arme Frau, als sie von der großen Gefahr hörte, in welcher ihr Kind geschwebt hatte, und wie es durch die Hand des Landesvaters gerettet worden war. is Als der Kaiser selbst nach wenigen Augenblicken an der Mühle vorüberschritt, stürzte ihm die Frau zu Füßen, nm ihm zu danken; der Kaiser aber ermahnte sie, das Knäblein künftighin nicht wieder einer so großen Gefahr auszusetzen. Nach d'Albo ii. Aus Kum m er- Branky-Hofbauers Lesebuch. 1Z1. Das Vogelnest. Franz fand in einer Hecke des Gartens ein Vogelnest. Da lief er vor Freude zu seinem Vater, nahm ihn mit in den Garten und zeigte es ihm. „Sieh nur, Vater," rief er, „das weiche Nestchen von Moos und mit Wolle ausgefüttert, und darin die drei kleinen, rothgesprenkelten 5 Eierchen! Ich möchte sie gar zu gern heransnehmen und damit spielen. Darf ich's, Vater?" „Nein, lieber Franz," antwortete der Vater, „lass sie nur darin liegen! Du wirst dann noch mehr Freude haben." Franz gehorchte. i» Nach vierzehn Tagen giengen sie zusammen hin zu dem Nestchen. Da lagen anstatt der drei Eier drei kleine nackte Vögelchen darin, die sperrten ihre Schnäbel auf und wollten etwas zu fressen haben. Schnell kam die Mutter der Kleinen, hatte Würmchen im Schnabel und fütterte sie daniit. Das machte dem Franz viel Vergnügen. i- „Siehst du?" sagte der Vater, „hättest du das Nestchen aus¬ genommen, so würdest du jetzt diese Freude nicht haben." Nun besuchte Franz das Nestchen öfter, bis die kleinen Vögel endlich flügge wurden und fortflogen. Im nächsten Frühling kamen die alten Vögel wieder und bauten 20 ihr Nestchen an dem nämlichen Ort, und so hatte der Knabe seine Freude noch manches Jahr. Spieß. — 78 - /.72. /-67- cr/ts KZ-r «Zier' Norrie /«5 im Dunkeln saß und recht betrübt war. Sie fiel ihrer Mutter um den Hals und sagte: „Ach, liebe Mutter, ich habe noch eine große Bitte. Minchen sagte mir neulich, ihr Vater sei so arm und könne ihr nichts geben; erlaubst du mir wohl, dass ich ihr von meinen vielen Geschenken etwas hinübertrage, damit auch sie sich des heutigen Abends freuen könne?" M „Gern, von Herzen gern erlaube ich es dir," sagte die Mutter und küsste das gute Kind. „Suche dir aus, was du willst, und schenke es Minchen." 88 Da nahm Karoline ein schönes Kleidchen und eine niedliche ss Mühe, legte beides in einen Korb, that noch Nüsse, Äpfel und Honig¬ kuchen dazu und eilte damit zu Minchen. Ach, da hättet ihr die Freude sehen sollen, die das arme Mädchen hatte! Karoline gieng fröhlichen Herzens nach Hause und war noch nie so glücklich gewesen wie den Tag. Nach Fr. Hoffmann. 167. Kaiser Josefs Entscheidung. Von einem Goldarbeiter in Wien hatte ein vornehmer Edelmann ein Kästchen mit Juwelen gekauft und es abholen lassen; als er aber den Schmuck bezahlen sollte, leugnete er, das Kästchen empfangen zu haben. Der Goldarbeiter wurde nun klagbar. Aber auch der Richter s konnte den Edelmann zu keinem Geständnisse bringen; der Kläger wurde also abgewiesen. In seiner Noch wandte er sich an den Kaiser Josef. Dieser ließ beide Parteien vor sich kommen, und als der Edelmann bei seinem Leugnen blieb, befahl ihm der Kaiser, sich zu setzen und zu schreiben, was er ihm dictieren würde. Der Kaiser aber 10 dictierte also: „Liebe Frau! Wir sind verrathen, der Kaiser durchschaut alles; gib augenblicklich das bewusste Kästchen dem Überbringer dieses Briefes, dem kaiserlichen Bedienten, sonst sind wir verloren." Der Edelmann zitterte und konnte kaum zu Ende schreiben, und ehe noch der Kaiser den Brief absandte, warf er sich ihn: zu Füßen und is gestand sein Unrecht ein. Der Brief aber wurde abgeschickt, und in einer Stunde hatte der Goldarbeiter sein Eigenthum wieder in Händen. Rudolph. 76K. «nr Lero/is. Mn Äirsck trank ans einem deinen Gemässer nnct erötiokte äarin sein Gitct. „Gnrmakr," ine/ er, ,.etis iVatnr meinte es nickt böse mit mir, weniAstens mit meinem Lox/e nickt/ ll'ie I-räcktiA ist ctas Geweik, äas ikn schmückt/ ZVnr meine Gcksnket 5 Könnten etwas stärker sein, nnct ick wärcie etann an rortrs^ticker Gestatt atten ikkreren trotrbieten." 7nctem er nock cties strack, körte er in cter Gerne ./«Act- Körner ertönen nnct sak sekan äie k/nnete, etie mit Getten an/ 89 r'H-r Luertte/r. H Äöer ttre /s/ttsi' HttrrvöA rr-r<^ tt'e^ ser>re wert Hr/tter srcH. Ostrit /c«»r es rn tteir Ik «/c/: aHes 10 me^em 67° sreH Hres r-rs DreHr'eHt i'etts» vivitts, ött'eö S7> mtt ttem GewerH «rr tte» ^ste» sr-res Kar«-/»es Htt/re/e». Dre //rr-rtte H«me-r ^eröer u»tt 7'rsssn r'H-r Mec^ei'. „^teH." serr/ste e/", rnc^em «7 vesscHiett, ,.reH i/»eMcHtt'cHe-' ^aös tHörr'eHtei'rverse mer'-re ^VeA/rtte /ps /er»tte »ntt mer'-rsn 15 /ür er-re» /serrntt AsH Drittheil zahle ich meine Schulden ab und das übrige Drittheil lege ich auf Zinsen an." Das war dem guten Fürsten ein neues Räthsel. Aber der fröhliche Landmann fuhr fort und sagte: „Ich theile meinen Verdienst mit meinen alten Eltern, die nicht mehr arbeiten können, und mit meinen Kindern, die es erst lernen müssen; jenen vergelte ich is die Liebe, die sie mir in meiner Kindheit erwiesen haben, und von diesen hoffe ich, dass sie mich einst in meinem Alter auch nicht verlassen werden." War das nicht artig gesagt und noch schöner und edler gedacht und gehandelt? Der Fürst belohnte die Rechtschaffenheit des wackern Mannes eo und sorgte für seine Söhne. Der Segen, den dem Landmanne seine sterbenden Eltern gaben, wurde ihm im Alter von seinen dankbaren Kindern durch Liebe und Unterstützung reichlich entrichtet. Hebel. 178. Der Vär als Spielkamerad. Es war in einem kleinen Landstädtchen. Drunten in der Wirts¬ stube saß der Bärenführer und verzehrte sein kärgliches Abendbrot; draußen im Hofe stand der Bär, an die Holzlege angebunden, der arme Petz, der keiner Seele etwas zuleid that, obgleich er grimmig genug aussah. Oben im Erkerzimmer spielten bei Hellem Mondschein s drei kleine Kinder, das älteste war höchstens sechs Jahre alt, das jüngste nicht mehr als zwei. Da kam es klatsch! klatsch! die Treppe herauf; wer konnte es fein? Die Thüre sprang auf es war der Bär, der große, zottige Petz! Es war ihm langweilig geworden, drunten so einsam zu stehen, er hatte den Strick abgerissen und nun i» den Weg die Treppe hinauf gefunden. Die Kinder waren so erschrocken über das große, zottige Thier, dass jedes in einen Winkel kroch, aber er fand sie alle drei, beschnüffelte sie mit der Schnauze, that ihnen jedoch nichts. „Das ist sicher ein großer Hund," dachten sie, krochen wieder hervor und streichelten ihn. Er legte sich auf den Fußboden, is - 94 — der kleinste Knabe wälzte sich über ihn und spielte Versteck, indem er sein goldlockiges Köpfchen in seinem dicken, schwarzen Pelze verbarg. Nun holte der älteste Knabe seine Trommel, schlug darauf, dass es dröhnte, und der Bär erhob sich auf seine beiden Hinterfüße und 20 begann zu tanzen, dass es eine Freude war. Jeder von den Knaben nahm sein Gewehr, der Bär bekam auch eines, und er hielt es ordentlich sest; es war ein prächtiger Spielkamerad, den sie bekommen hatten. Und nun hieß es: „Eins, zwei, eins, zwei!" — Da griff etwas an die Thür, sie gieng auf, es war die Mutter der Knaben. 25 Ihr solltet sie gesehen haben, gesehen ihren lautlosen Schreck, das kreideweiße Antlitz, den halboffenen Mund, die stieren Augen! Aber der kleinste der Knaben nickte ganz vergnügt und rief laut in seiner Sprache: „Wir spielen Soldaten!" — Und dann kam der Bären¬ führer. Nach Andersen. 176. Sk. Leonhard. Wo jetzt in Kärnten St. Leonhard liegt, weidete vor Jahr¬ hunderten ein Hirte seine Rinder. Eines Tages bei Sonnenuntergang sah er einen Schleier, der sich vom blauen Himmel auf die Erde herabließ. Als er am anderen Morgen sein Vieh wieder dort weidete, 5 grub eines seiner Thiere an derselben Stelle, wo sich der Schleier herabgelassen hatte, ein Loch, und plötzlich sprudelte eine klare Quelle hervor, aus welcher das Thier von nun an täglich trank. Es zeigte, nachdem es getrunken hatte, immer eine besondere Lebhaftigkeit. Dem Hirten fiel dieses auf, und er ahnte eine Wunderkraft. Weil er immer io einen leidenden Fuß hatte, so benutzte er diese Gelegenheit, trank und badete sich einigemal. Der Fuß wurde gesund, und aus Dankbarkeit wählte der Hirt jene Stelle als Betört. Eines Tages bemerkte er zwischen den Ästen einer uralten Buche ein halbverwittertes Bild. Er zeigte es dem 15 Pfarrer an; der erkannte das Bild des heil. Leonhard und schloss es in die Kirche ein. Allein das Bild kam immer wieder auf die Buche zurück, bis man an dem Orte eine Kapelle erbaute; und als ein ungarischer Graf, der schon mehrere Jahre blind war, durch das Waschen mit diesem Wasser sehend wurde, so baute er dem 20 heil. Leonhard aus Dankbarkeit eine Kirche. Daher stammt auch der Name des Ortes. Vernaleken. 95 177. Bescheidenheit hegt. 1. Die Lerche singt, der Kuckuck schreit, Krieg führt die ganze Welt. Es fängt nun an ein großer Streit In Wald und Wies' und Feld. 2. Die Blumen streiten heftiglich, Wer wohl die schönste sei; Und nur die Rose denkt für sich: „Das ist mir einerlei." 3. Und auch die Vögel streiten sich Um ihren Sang und Schall. „Was aber soll das kümmern mich?" So sagt die Nachtigall. 4. Da mischet sich der Frühling drein. „Was," spricht er, „soll der Krieg? Der Nachtigall und Ros' allein Gebürt der Preis und Sieg." 5. So lasst uns wie die Rose sein Und wie die Nachtigall; Bescheid'ne Herzen, schön und rein. Die siegen überall. Hoffmann v. Fallersleben. 178. Die drei Freunde. Ein Mann hatte drei Freunde. Zwei derselben liebte er sehr, der dritte war ihm gleichgiltig, obgleich es dieser am redlichsten mit chm meinte. Einst ward er vor Gericht gefordert, wo er unschuldig, aber hart verklagt war. „Wer unter euch," sprach er, „will mit mir gehen und für mich zeugen? Denn ich bin hart verklagt worden, und s der König zürnet." Der erste feiner Freunde entschuldigte sich sogleich, dass er nicht "E ihm gehen könne wegen anderer Geschäfte. Der zweite begleitete ibn bis zur Thür des Richthauses; da wandte er sich und gieng Zurück aus Furcht vor dem zornigen Richter. Der dritte, auf den er u> 7 - 96 - am wenigsten gebaut hatte, gieng hinein, redete für ihn und zeugte von seiner Unschuld so freudig, dass der Richter ihn losließ und beschenkte. Drei Freunde hat der Mensch in dieser Welt; wie betragen sie 15 sich in der Stunde des Todes, wenn ihn Gott vor Gericht fordert? Tas Geld, sein bester Freund, verlässt ihn zuerst und geht nicht mit ihm. Seine Verwandten und Freunde begleiten ihn bis zur Thür des Grabes und kehren wieder in ihre Häuser. Der dritte, den er im Leben am meisten vergaß, sind seine wohlthätigen Werke. Sie allein so begleiten ihn bis zum Throne des Richters; sie gehen voran, sprechen für ihn und finden Barmherzigkeit und Gnade. Herder. 179. Kaiser Fran; und sein Enkel. s Am 18. August 1834 waren die Großeltern unseres geliebten Kaisers, Franzi, und Karolina Augusta, in dem schönen Parke von Laxenburg, wo sie sich an dem kindlichen Spiele ihres Enkels Franz Joses, der seinen vierten Geburtstag feierte, erfreuten. 5 Der kleine Prinz saß in einem Gartensaal, umgeben von Spiel¬ sachen, die ihm zum Festtage beschert worden waren. Am Eingänge stand eine Schildwache. Der Mann warf zuweilen einen Blick inniger Theilnahme auf das spielende Kind. Aber auch der Knabe schien an dem Soldaten Gefallen zu finden, denn er betrachtete ihn öfter auf- io merksam. Plötzlich unterbrach er sein Spiel und fragte den Großvater: „Nicht wahr, der Mann da ist recht arm?" „Woher vermuthest du das, mein liebes Kind?" entgegnete der Monarch. „Nun, weil er Wache stehen muss." is „Mein Kind, das müssen auch reiche Leute, selbst kaiserliche Prinzen; aber bei dem Manne hast du es errathen, er ist arm. Drum geh zu ihm und gib ihm diese Banknote!" Das ließ sich der Prinz nicht zweimal sagen; er lies zu dem Soldaten und hielt ihm die Banknote freudig hin: „Da, armer so Mann, das schenkt dir der gute Großpapa." Die Schildwachen haben aber strenge Vorschriften, und der Posten schüttelte ernsten Gesichtes den Kops. 97 Der Prinz blickte verlegen bald auf die Schildwache, bald ans den Großvater. Dieser betrachtete mit Wohlgefallen das reizende Bild und sagte dann lächelnd: „Steck' ihm das Geld in die Patrontasche; » in die Hand darf er es nicht nehmen." Der kleine Prinz versuchte es; da aber die Patrontasche zu hoch Hieng, konnte er selbst mit ausgestreckten Armen sie nicht erreichen und stand wieder rathlos. Da näherte sich der Kaiser, hob den Enkel empor, die Kaiserin ss half den Teckel der Patrontasche öffnen, und der kleine Prinz steckte jubelnd die Banknote hinein. Dann begab er sich wieder zu seinen Spielsachen nnd rief vergnügt: „Nicht wahr, Großvater, jetzt wird der Soldat nicht mehr arm sein?" „Wir wollen's schon machen," antwortete der Kaiser, über das -n gute Herz seines Enkels erfreut. Am andern Tage forderte der Kaiser Auskunft über das Ver¬ halten des Infanteristen. Da diese höchst vortheilhast lautete, sorgte der Kaiser für die Zukunft des Mannes. Nach Bermann. Aus Kummer-Branky-Hofbaners Lesebuch. ISO. vsr Lsel tmä äis ärei Lrücler. Lin armer Lauer besät» niebts als einen Lsel, der ibm treulieb diente und ibm in an eben Lroseben verdienen ball. ^ls lier Nanu llllllto. dass er bald 8terben werde, riet er seine drei 8öbne an sein Lett nnd spraeb: „leb kann eueb keine Lrbsebatt dinterlu8seu ul8 meinen Lsel: nenn ibr ibn gut bebandelt, wird 5 6r eneli ullen dienen können, beute dem einen, morgen dem andern, übermorgen dem dritten. Leid verträglieb untereinander und billig gegen das Vieb!" —Der Vuter starb, über die Lübne ^erguken seiner Lrmalinung. Der ältere duebte: Oestern but der noeb in meines Vuter8 LtuII gekressen, morgen wird er bei u> ineinem Lrnder Len genug Kriegen; beute kann er wobl einmal obne Lutter arbeiten. 80 musste das arme ll'kier viernndrwanriig stunden bungern. .^ni andern Lorgen bolts ibn der Zweite, und . der Lsel sebon matt vor Lunger war nnd niebt mebr reebt ^ort wollte, so meinte der bartber^ige Uenscb: „Lu kauler Lsel iL hast gewiss Zuviel bei meinem Lrnder gekressen, desbalb willst 0eseb. für slov. -Utraquist- Mittelsch- " 98 cin melit marsebisrsu. Mu Znt. so magst cin denn boi wir tastov, dass dir dis Irägbeit vergebt!" Lm dritten Bags war der bi sei scbon balbtodt vor liiunger; absr der jüngste Lrudsr, der ibn 20 diesen lag rin benutzen batte, waebte es nicbt besser als seine Brüder und sucbte düreb Brügel 2u ersetzen, was au Butter keblte. voeb länger konnte es das geplagte Bbier niobt ausbaiten. Bbe der vierte Norgen anbraeb, lag der Bsel vor der leeren Krippe und war todt. 2S Kun batten die Brüder gar viebts und rankten sieb nur daruw, wer sekuld an dem lode des Bsels gewesen sei. Der Bsel wurde aber von dem Xanke niebt lebendig und dis Brüder ebensowenig dadurob reieb. Ourtmaa. 181. Der Regenschirm der Kaiserin. s Eines Tages ergieng sich die Kaiserin Elisabeth ihrer Gewohnheit gemäß ohne jede Begleitung in den herrlichen Anlagen des kaiserlichen Lustschlosses Miramar! Da fieng es plötzlich an zu regnen und bald darauf in Strömen zu gießen. Die Kaiserin, die sich anfangs durch den Regen in ihre« Spaziergange nicht beirren ließ, fnchte endlich vor der Unbill des Wetters Schutz in einem der Grottengänge des Parkes. Als si- eintrat, bemerkte sie, dass in demselben Gange ein kleines Schulmädchen bereits Unterstand gesucht hatte. Das Kind wollte sich vor der vor- io nehmen Frau, die es nicht kannte, anfangs schüchtern verstecken. M aber die hohe Frau das Kind freundlich ansprach, wurde das Mädchen bald zutraulich und stand auf die Fragen der Kaiserin tapfer Rede und Antwort. Da es aber gar nicht aufhören wollte zu regnen, sagte die is Kleine ängstlich, es werde wohl besser sein, nach Hause zu gehen, da die Eltern über ihr langes Ausbleiben leicht in Sorge gerathen könnten. Da sprach die Kaiserin: „Da hast du ganz recht, mein Kindl man darf seinen Eltern niemals Sorge machen, und weil du so artig bist, werde ich dich selbst mit meinem Schirme nach Hause begleiten. 20 Und so geschah es. Die Kaiserin begleitete das glückliche Kind im strömenden Regen bis zum Bahnhofe, in dessen Nähe die Klein- zu Hause war. Dort angekommen, reichte die Kaiserin ihrem Schub' 99 ling den Schirm mit den Worten: „So, den behalte, damit du für- alle Fälle einen Schirm hast; denn man trifft nicht immer Leute, die einen nach Hause begleiten." »; Überglücklich eilte das Mädchen in sein Heim und erzählte, was ihm begegnet war; als aber die Eltern auf den Bahnhof eilten, um der unbekannten, vornehmen Frau zu danken, war diese nicht mehr da; allein die Bahnbeamten wussten ihnen zu sagen, dass es die Kaiserin gewesen war. Zv Der Regenschirm der Kaiserin aber wird in der Familie wie ein Heiligthum aufbewahrt. Nach Thomas. Aus Kummer-Branky-Hofbauers Lesebuch. 182. Die Schatzgräber. Ein Winzer, der am Tode lag. Rief seine Kinder her und sprach: „In unserm Weinberg liegt ein Schatz; Grabt nur darnach!" — „An welchem Platz?" Schrie alles laut den Vater an. 5 „Grabt nur!" O weh! da starb der Mann. Kaunr war der Greis zu Grab gebracht, So grub man nach aus Leibesmacht; Mit Hacke, Karst und Spaten ward Der Weinberg um und um gescharrt. 10 Da war kein Kloß, der ruhig blieb. Man warf die Erde gar durchs Sieb Und zog die Rechen kreuz und quer Nach jedem Steinchen hin und her. Allein da ward kein Schatz verspürt, is Und jeder hielt sich angeführt. Doch kaum erschien das nächste Jahr, So nahm man mit Erstaunen wahr, Dass jede Rebe dreifach trug. Da wurden erst die Söhne klug Und gruben nun jahrein, jahraus Des Schatzes immer mehr heraus. Bürger. 7 * 101 184. Der Hahn, der Hund und der Fuchs. Ein Hund und ein Hahn schlossen Freundschaft und wanderten zusammen in die Fremde. Eines Abends konnten sie kein Haus erreichen und mussten im Walde übernachten. Da sah der Hund eine hohle Eiche, worin für ihn eine vortreffliche Schlafkammer war. „Hier wollen wir bleiben/' sagte er zu seinem Kameraden. „Ist mir auch recht/' sagte der 5 Hahn, „aber ich schlafe gern in der Höhe." Damit flog er auf einen Ast, wünschte dem andern gute Nacht und setzte sich zum Schlafen. Als es nun Tag werden wollte, fieng der Hahn, an zu krähen; denn er dachte: Es ist bald Zeit zum Weiterreisen. — Das Kikeriki hatte der Fuchs gehört, dessen Wohnung nicht weit davon war, und u> schnell war er da, um den Hahn zu fangen. Denn ihr wisst ja, dass der Fuchs ein Hühnerdieb ist. Da er aber den Hahn so hoch sitzen sah, dachte er: Den muss man durch gute Wörtlein herunterlocken; denn so hoch kann ich nicht klettern. Gut; mein Füchslein macht sich ganz höflich herbei und spricht: „Ei, guten Morgen, lieber Herr Vetter! Wie kommen Sie hieher? Ich habe Sie gar zu lange nicht gesehen. Aber Sie haben sich da eine gar unbequeme Wohnung gewählt, und wie es scheint, haben Sie auch noch nichts gefrühstückt. Wenn es Ihnen gefällig ist, mit in mein Haus zu kommen, so werde ich Ihnen mit ganz frischgebackenem Brote aufwarten." 2» Der Hahn kannte aber den alten Schelm und hütete sich wohl hinunterzufliegen. „Ei," sagte er, „wenn Sie ein Vetter von mir sind, so werde ich recht gern mit Ihnen frühstücken; aber ich habe noch einen Reisegefährten, der hat die Thür zugeschlossen. Wollen Sie so gefällig sein, diesen zu wecken, so können wir gleich miteinander gehen. n Der Fuchs, welcher meinte, er könne noch einen zweiten Hahn erwischen, lief schnell nach der Öffnung, wo der Hund lag. Dieser war aber wach und hatte alles angehört, was der Fuchs gesprochen hatte, und freute sich, den alten Betrüger jetzt strafen zu können. Ehe der Fuchs es sich versah, sprang der Hund hervor, packte ihn an der au Eehle und biss ihn todt. Dann rief er seinen Freund vom Baume herunter und sagte: "Wenn du allein gewesen wärest, so hätte dieser Bösewicht dich um¬ gebracht. Aber lass uns eilen, dass wir aus dem Walde kommen!" Yurtman. 102 78ö>. Kr« k/t-«,^et-ee«->r>-ee/n^ t-e llUr. ^.M Keönn«-' t§62 önae^ Sösn tt'ren etn ^no^es ttnAtree/ ^snet-r. K-'e Donau üöen/tretete -/ne Z/en, renct «tte t-'i/'e-' AeteAenM /§tacttt^erte 80M-6 eten DuKtsn stancten unten krassen. Dre 2lten86/e»r mussten meistens Än /t«ö unct >rex /ttemmee-öeeentkU-tto/baeeees /.esetme/r. 186. Der alte Mantel. Einige Soldaten kamen zur Zeit des Krieges in ein Dorf und verlangten einen Wegweiser. Ein armer Taglöhner sollte mit ihnen gehen. Es war sehr kalt, und es schneite und wehte entsetzlich. Er bst die Bauern flehentlich, ihm einen Mantel zu leihen. Allein sie gaben 5 ihm kein Gehör. Nur ein fremder, alter Mann, der durch den Krieg aus seiner Heimat vertrieben worden war und in dem Dorfe fÄ 103 kümmerlich als Schmiedsknecht nährte, erbarmte sich des Tagwerkers und gab ihm seinen alten Mantel. . Die Soldaten zogen fort, und sieh! am späten Abend kam ein junger, schöner Officier in prächtiger Uniform und mit einem Ordens- 10 kreuz an der Brust in das Dorf geritten und ließ sich zu dem alten Manne führen, der dem Wegweiser den Mantel geliehen hatte. Der gutherzige Greis that, als er den Officier erblickte, einen lauten Schrei. „O Gott, das ist ja mein Sohn Rudolf!" rief er, eilte auf ihn zu und umfasste ihn mit beiden Armen. ir Rudolf hatte vor mehreren Jahren Soldat werden müssen und war wegen seiner vorzüglichen Geistesgaben, wegen seiner Recht¬ schaffenheit und Tapferkeit Officier geworden. Er hörte nichts mehr von seinem Vater, der vormals in einem angesehenen Marktflecken Schmiedemeister gewesen war. Allein der Sohn hatte den alten 2» Mantel erkannt und aus der Erzählung des Wegweisers sich über¬ zeugt, dass sein Vater nunmehr in diesem Dorfe sich aufhalte. Vater und Sohn weinten vor Freuden, und alle Leute, die umherstanden, weinten mit. Rudolf blieb die ganze Nacht bei seinem Vater, unterredete sich mit ihm bis an den frühen Morgen, gab ihm, 2L bevor er weiterritt, viel Geld und versprach, ferner für ihn zu sorgen. Die Leute aber sagten: „Weil der alte Mann so barmherzig war, so hat sich auch Gott seiner erbarmt und ihn seinen Sohn wieder finden lassen, der ihn aus aller Noch errettete." Chr. Schmid. 187. Die Singvögel. Ein freundliches Dörfchen war von einem ganzen Walde frucht¬ barer Bäume umgeben. Die Bäume blühten und dufteten im Frühlinge auf das lieblichste; im Herbste aber waren alle Zweige reichlich mit Äpfeln, Birnen und Zwetschken beladen. Auf den Ästen der Bäume und in den Hecken umher nisteten 5 "nd sangen allerlei muntere Vögel. Die Eltern ermahnten ihre Kinder öfter und sagten: „Thut doch diesen Vögelchen nichts zuleid und rührt ihre Nester nicht an; denn das würde dem lieben Gott, der die Blumen kleidet und die Vögel nährt, sehr missfallen. Auch uns zulieb gab Gott den Blumen die schönen Farben und die erquickenden Wohl- w grrüche und den Vögeln den lieblichen Gesang." - 104 - Allein einige böse Buben siengen an, die Nester auszunehmen und zu zerstören. Die Vögel wurden dadurch verscheucht und zogen nach und nach ganz aus der Gegend hinweg. Man hörte in den in Gärten und auf der Flur kein Vögelein mehr singen. Alles war ganz still und traurig. Die Bosheit dieser Buben hatte aber noch eine andere traurige Folge. Die schädlichen Raupen, die sonst von den Vögeln hinweg- gefangen wurden, nahmen überhand und fraßen Blätter und Blüten A> ab. Die Bäume standen kahl da wie mitten im Winter, und die bösen Buben, die sonst köstliches Obst ini Überstusse zu verzehren hatten, bekamen nicht einen Apfel mehr zu essen. Chr. Schmid. 188. Das Grab. 1. Das Grab ist tief und stille. Und schauderhaft sein Rand; Es deckt mit schwarzer Hülle Ein unbekanntes Land. 2. Das Lied der Nachtigallen Tönt nicht in seinem Schoß; Der Freundschaft Rosen fallen Nur aus des Hügels Moos. 3. Verlass'ne Bräute ringen Umsonst die Hände wund. Der Waisen Klagen dringen Nicht in der Tiefe Grund. 4. Doch sonst an keinen. Orte Wohnt die ersehnte Ruh': Nur durch die dunkle Pforte Geht man der Heimat zu. 5. Das arme Herz, hienieden Von manchem Sturm bewegt. Erlangt den wahren Frieden, Nur wo es nicht mehr schlägt. Salis. 189. Der Hase und der Fuchs. Ein Hase und ein Fuchs reisten beide miteinander. Es war Winterszeit; es grünte kein Kraut, und auf dem Felde kroch weder Maus noch Laus. „Das ist ein hungriges Wetter," sprach der Fuchs zum Hafen, „mir schrumpfen alle Gedärme zusammen." — „I" 5 wohl/ antwortete der Hase; „es ist überall Dürrhof, und ich möchte meine eigenen Löffel fressen, wenn ich damit ins Maul reichen könnte." 105 So trabten sie hungrig miteinander fort. Da sahen sie von weitem ein Bauernmädchen kommen, das trug eineu Handkorb, und aus dem Korbe kam dem Fuchse und dem Hasen ein angenehmer Geruch entgegen, der Geruch von frischen Semmeln. i« „Weißt du was?" sprach der Fuchs zum Hasen, „lege dich hin der Länge nach auf den Schnee und stelle dich todt! Das Mädchen wird seinen Korb hinstellen und dich aufheben wollen; derweil erwisch ich den Semmelkorb, trag' ihn fort, und wir speisen dann den duftigen Leckerbissen miteinander." 15 Gesagt, gethan. Der Hase fiel hin, streckte alle Viere von sich, zuckte nicht und muckte nicht und stellte sich mausetodt. Der Fuchs aber duckte sich hinter eine Windwehe von Schnee. Das Mädchen kam heran, und wie es den Hasen liegen sah, rief es aus: „Armes Häslern, bist gewiss erfroren! Ich will dich M ein bisschen wärmen; vielleicht wirst du wieder lebendig." Es stellte richtig den Korb hin und wollte den Hasen aufheben. Jetzt schlüpfte der Fuchs hinter der Windwehe hervor, nahm den Semmelkorb zwischen die Zähne, und fort ging's damit ins weite Feld hinaus. Der Hase aber, der Schelm, schlug mit seinen Hinter- 25 süßen auf den Schnee, dass das arme Bauernmädchen erschrak und ihm mit offenem Munde nachfchaute, wie er dem Fuchse nachlief. Dieser aber stand gar nicht still und machte keine Miene, die Semmeln mit dem Hasen zu theilen, sondern lief, und der Hase ihm nach, bis sie beide keinen Athem mehr hatten. Da standen sie mit einemmale vor einem Teiche. Der Hase sagte zum Fuchs: „Wie wäre es, wenn wir uns eine kleine Mahlzeit Fische verschafften? Wir haben dann Weißbrot und Fische wie vornehme Leute. Hänge deinen Schwanz ein wenig ins Wasser, so werden die Fische, die jetzt auch nicht viel zu beißen haben, sich daran hängen, und dann speisen wir as sie. Aber du musst schnell machen, sonst friert der Teich zu. Das schien dem Fuchs nicht schlecht. Er gieng hin an den Teich, der eben zufrieren wollte, und Hieng seinen langen Schwanz hinein; und eine kleine Weile — so war der Schwanz des Fuchses sest eingefroren, und der Fuchs konnte nicht von der 'Stelle. 40 Da nahm der Hase den Semmelkorb, fraß die Semmeln vor den Augen des Fuchses ganz gemächlich eine nach der andern, machte ein lustiges Männchen und sagte: „Warte nur, bis es aufthaut. 106 warte nur bis ins Frühjahr, dann kommst du wieder los!" Sprach's 45 und lief davon. Der Fuchs aber bellte ihm nach wie ein böser Hund an der Kette. Nach Grimm und Bechstein. 190. Die Bärenhaut. Zwei Jägerburschen hatten von einem großen, starken Bären gehört, der sich im Walde aufhalten sollte, und freuten sich schon im voraus über den schönen Pelz, den sie ihm abziehen wollten. „Wenn ich den Bären schieße," sagte der eine, „so lass' ich mir aus ! 5 seinem Pelz einen Mantel machen, der soll mich im Winter hübsch warm halten." — „Nein," sagte der andere, „ich schieße den Bären und verkaufe den Pelz. Der Kürschner zahlt mir zehn Thaler dafür, die sollen mir schön in dem Beutel klingen." Unterdessen war es Zeit geworden, in den Wald zu gehen. Als io sie aber so allein darin waren und von ferne den Tritt des Bären hörten, da wurde es ihnen doch ein wenig bange. Als er nun gar näher kam und ein schreckliches Brummen hören ließ, da warf der, welcher den Pelz des Bären verkaufen wollte, seine Flinte weg und kletterte so schnell als möglich auf einen Baum. Der andere aber, is der sich nun doch auch nicht zu bleiben getraute, konnte sich nicht mehr. flüchten. Zum Glück fiel ihm ein, dass die Bären keine todten Menschen anrühren. Er warf sich also auf den Boden, hielt den Athem an und streckte sich hin, als wenn er todt wäre. Der Bär kam grimmig auf ihn zu; als er aber sah, dass dieser kein Glied 2» rührte, glaubte er, der Mensch wäre todt. Er beroch ihn also ein wenig, und als er gar keinen Athem merkte, lief er weiter, ohne dem Burschen ein Leid zu thun. Als nun der Bär weit genug fort war, erholten sich die beiden Jägerburschen von ihrem Schreck; der eine stieg vom Baume herunter, der andere stand vom Boden auf. 25 Da fragte der, welcher von oben zugesehen hatte: „Hör' einmal, was hat dir denn der Bär ins Ohr gesagt?" — „Ja," sagte der andere, „alles hab' ich nicht verstanden; aber eins hat er mir deutlich ins rechte Ohr gesagt, nämlich: Man darf die Haut des Bären nicht eher verkaufen, bevor man den Bären hat/ Und in das linke zn Ohr hat er mir gesagt: Mer seinen Freund in der Noch im Stiche lässt, der ist ein schlechter Kerl/" Curtman. 107 191. Kaiser Rudolf als kluger Richter. Rudolf sah es gern, wenn jedermann bei ihm Zutritt suchte und ihm mittheilte, was er auf dem Herzen hatte. Einst brachte ihm ein Kaufmann folgende Klage vor: Er war bei einem Gastwirt eingekehrt und hatte diesem einen ledernen Geld¬ beutel mit einer bedeutenden Summe zur Aufbewahrung übergeben. 5 Als der Kaufmann bei feiner Abreise das Geld zurückhaben wollte, leugnete der betrügerische Wirt den Empfang desselben. Und nnn bat der Kaufmann, der Kaiser möge ihm zu seinem Eigenthume wieder verhelfen. Rudolf erfuhr, dass unter den Personen, die an demselben Tage bei ihm ihre Aufwartung machen wollten, auch der Wirt w sich befinde; darauf baute er seinen klugen Plan. Er ließ den Kaufmann einstweilen abtreten und sich bereit halten, wenn er gerufen würde. Als der Wirt erschien, erkundigte sich Rudolf mit großer Freundlichkeit nach dessen Familie und Gewerbe und sprach dabei scheinbar ganz ohne Absicht: „Ihr habt einen schönen Hut! Wollt i5 Ihr nicht mit meinem tauschen?" Der Wirt war stolz darauf, des Kaisers Hut zu tragen, und willigte sogleich ein. Rudolf setzte den neuen Hut mit Wohlgefallen auf und trat einen Augenblick aus dem Zimmer. Draußen rief er einen Bürger herbei und übergab ihm den Hut, indem er sagte: „Geht schnell zur Frau des Wirtes und sagt, ihr ro Mann verlange unverzüglich den ledernen Beutel sammt dem Gelde des Kaufmannes, und zum Wahrzeichen sende er ihr seinen Hut." Die Frau gab arglos das Geld her, und der Bürger brachte es dem Kaiser, der es zu sich steckte und den Kaufmann herbei¬ rief. Dieser trug seine Klage in Gegenwart des Wirtes nochmals 25 vor, und als jener hartnäckig leugnete, zog Rudolf den Beutel Plötzlich aus der Tasche; der Wirt wurde seines Betruges überführt und zu einer bedeutenden Strafe verurtheilt. Hauff. 192. Sprüche. 1. Fürchte Gott, thue recht, scheue niemand. 2. Ehrlich währt am längsten. 3. Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. 4. Unrecht Gut gedeiht nicht. Z. Gut Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen. 108 193. Die Sage vom Plattensee. Am Ufer des Plattensees lebte vor langer Zeit eine Bäuerin, die eine ausgezeichnet schöne Ziegenherde besaß; keine andere in der ganzen Umgebung trug so schöne Haare, keine gab so gute Milch als diese. Das kani daher, dass sie eine Wiese am Ufer des Sees 5 besaß, aus welcher ein Kraut wuchs, das den Ziegen diese Schönheit verlieh. Die Bäuerin war aber auch stolz aus ihre Herde und behauptete stets, es gebe im ganzen Lande keine schönere als die ihrige. Um aber Gewissheit darüber zu erlangen, gieng sie zu einer Hexe und befragte sie. Die Hexe antwortete, es gebe nur eine Herde, welche die w ihrige an Schönheit übertreffe. „Diese Herde," sprach sie, „hat sogar goldene Klauen und gehört einem Mädchen, das mit ihr noch heute in diese Gegend kommen wird. Und zwar wird sie auf deiner Wiese am See ihre Herde weiden lassen." Darüber war die Bäuerin so ausgebracht, dass sie beschloss, w das Mädchen ums Leben zu bringen und sich der Herde zu bemächtigen. Am andern Morgen gieng sie hinaus zu der Wiese, welche auf der Landzunge war, die tief in den See hineinragte; da sah sie die Herde mit den goldenen Klauen nahe am Ufer weiden und das in Ziegen- 2<> selle gekleidete Mädchen auf der äußersten Spitze der Landzunge stehen. Von Habgier und Eifersucht getrieben, Holle sie jetzt schnell ihren Pflug, bespannte ihn mit vier Ochsen und begann, zwischen dem Mädchen und der Herde eine tiefe Furche zu pflügen. Als sich darauf ein Sturm erhob, wollte das Mädchen zurückeilen, aber das eindringeude 2., Wasser versperrte ihr den Weg und überflutete die Wiese, so dass sie iu den Wellen mnkam. Nun wollte die böse Bäuerin die Herde wegtreiben, aber die Ziegen liefen, wie sie den Tod ihrer Herrin sahen, unaufhaltsam in den See ihr nach, so dass alle ertranken. 3" Alsobald versank auch die ganze Wiese, und das Wasser schlug über der Bäuerin zusammen. Noch heutzutage findet man an den Ufern des Sees viele kleine Muscheln, welche die Form von Ziegenklauen haben; das sind die versteinerten Hufe der Herde. 109 In stürmischen finstern Nächten sieht man die böse Bäuerin z» hinter einem glühenden Pfluge, vor welchen vier Ochsen mit feurigen Augen gespannt sind, die Wellen des Sees pflügen. Und das muss sie bis zum jüngsten Tage thun, zur Strafe für ihre Mifsethat. Vernalekeii. 194. Räthfel. 1. Von Perlen baut sich eine Brücke Hoch über einen grauen See; Sie baut sich auf im Augenblicke, Und schwindelnd steigt sie in die Höh'. 2. Der höchsten Schiffe höchste Masten Ziehn unter ihrem Bogen hin; Sie selber trug noch keine Lasten Und scheint, wie du ihr nahst, zu fliehn. 3. Sie wird erst mit dem Strom und schwindet. Sowie des Wassers Flut versiegt. So sprich, wo sich die Brücke findet, Und wer sie künstlich hat gefügt? Schiller. 198. Wie Till Eulrnspirgel denen zu Magdeburg eine feine Portion gab. Till Eulen spiegel kam einst nach Magdeburg und trieb daselbst viel Gaukeleien, wovon sein Name zuerst bekannt wurde, dass Ulan von ihm zu sagen wusste. Da ward er von den vornehmsten Bürgern ausgefordert, er solle ihnen ein recht abenteuerliches Stück Zeigen. Eulenspiegel war dazu bereit und erklärte, er wolle auf dem 5 Rathhause von der Dachlaube herabfliegen, und machte ein Geschrei in der Stadt, dass sich jung und alt auf dem Markt versammelten, um solches zu sehen. Da stand Eulenspiegel auf dem Rathhaus und bewegte die Arme, als ob er fliegen wollte. Die Leute sperrten Augen und Mänler auf w uud meinten, er werde herabfliegen. Eulenspiegel lachte und sprach: "Ich nieinte, es wäre kein Narr mehr in der Welt als ich; nun sehe 110 ich aber wohl, dass hier schier die ganze Stadt voll Narren ist. Und wenn ihr mir alle sagtet, dass ihr fliegen könntet, ich glaubte es nicht is Ich bin doch weder eine Gans noch sonst ein Vogel; so hab' ich keine Flügel, und ohne Federn kann niemand fliegen. Darum seht ihr wohl offenbar, dass es erlogen ist." Hiemit lief er von der Laube und ließ das Volk stehen, das theils fluchte, theils lachte. „Das ist ein Schalksnarr," sprachen sie; „dennoch hat er wahr gesagt." Häßler. 196. duclas. ^ls dudas noek ein Knabe vor, scksnkte sein Vater ibm Mill seinen Oesckwistern federn ein Lanin eben, dem einen ein beigen- bäumeken, dem andern ein Nandelbäumeken, äena dritten ein Ölbäumeken, unä empkakl äen Kindern, sie reckt rm p liegen. Vas 5 tkalen sie denn auck: sie kackten den Loden ank. Meten das Unkraut aus, lasen die Raupen ab, begossen sie rväkrend der Dürre mit Nasser. lind so Kiengen dann die Läumcken im Derbste voll der sekönsten Drückte, und die Kinder freuten siek auk den lag, wo diese reik sein würden. io „Dun," kragte der Vater, „was wollt ikr denn mit eurem Obste macken?" Da antwortete die sankt« Danna: „Vater, ick sammle meine Leigen in ein Körbeken, und feden Norgen, venu wir krükstüeken, bringe ick mein Körbeken auk den lisek. Dann nimmst du eine, die Nutter eine, feder von meinen Lrüdern eine, is und ick eine. Ick Kaks ausgsreednst, dass meine Leigen auk diese ^rt aekt läge lang ausreieken." Das geüel dem Vater wokl; und er kragte Katk an uw seine Nandeln. „Line Dandvoll will ick mir riurückbekalten," sagte dieser, „und es damit macken wie Danna, dis übrigen aber will so mir Lrudsr dudas abkauken. Lr sagt, das Oeld sei besser als die Nandeln." „Abkauken? kragte der Vater erstaunt, „woker nimmst du das Oeld daru, dudas? — „Li," antwortete dieser, „ick verkaufe meine Oliven an den Kaukmann, da bekomme ick Oeld; dann 25 kauke ick dem Lrudsr Datkan seine Nandeln ab, die verkante ick wieder an die Kinder in unserer 8ckule, da bekomme ick 111 Weil mobr 6oid. lind neun ied das ftzdos llabr so maebo, so wordo ieb rnieb sein, bis ieb Zroü bin." „0 dudas, dudas sagto der Vater, „Zib aebt, dass das 6sid dieb niebt ungiüekbeb maebt. V'er als Lind sebon mit soinsn 3« Lamsraden Handel treibt, der wird als iVlann seine Vrennds und seine Lbre verbandeln." bind so ist es aueb mit dudas Zenan^en. Lurtman. 197. Der Wolf und der Mensch. Der Fuchs erzählte einmal dem Wolf von der Stärke des Menschen; kein Thier könnte ihm widerstehen, und sie müssten List gebrauchen, um sich vor ihm zu erhalten. Da antwortete der Wolf: „Wenn ich nur einmal einen Menschen zu sehen bekäme, ich wollte doch auf ihn losgehen." — „Dazu kann ich dir helfen," sprach der 5 Fuchs, „komm nur morgen früh zu mir, so will ich dir einen zeigen." Der Wolf stellte sich frühzeitig ein, und der Fuchs brachte ihn hinaus auf den Weg, den der Jäger alle Tage gieng. Zuerst kam ein alter abgedankter Soldat. „Ist das ein Mensch?" fragte der Wolf. „Nein," antwortete der Fuchs, „das ist einer gewesen." Darnach kani w ein kleiner Knabe, der zur Schule wollte. „Ist das ein Mensch?" — „Nein, das will erst einer werden." Endlich kam der Jäger, die Doppelflinte auf dem Rücken und den Hirschfänger an der Seite. Da sprach der Fuchs zum Wolf: „Siehst du, dort kommt ein Mensch, auf den musst du losgehen; ich aber will mich fort in meine Höhle i- machen." Der Wolf gieng nun auf den Menschen los. Der Jäger sprach, als er ihn erblickte: „Es ist schade, dass ich keine Kugel geladen habe," legte an und schoss dem Wolfe das Schrot ins Gesicht. Der Wolf verzog das Gesicht gewaltig, doch ließ er sich nicht schrecken und gieng M vorwärts. Da gab ihm der Jäger die zweite Ladung. Der Wolf verbiss den Schmerz und rückte dem Jäger zu Leibe. Da zog dieser seinen blanken Hirschfänger und gab ihm links und rechts ein paar Hiebe, dass er, über und über blutend, mit Geheul zu dem Fuchs zurücklief. ?- „Nun, Bruder Wolf," sprach der Fuchs, „wie bist du mit dem Menschen fertig geworden?" — „Ach," antwortete der Wolf, „so 112 hab' ich mir die Stärke des Menschen nicht vorgestellt. Erst nahm er einen Stock von der Schulter und blies hinein; da flog mir etwas -D ins Gesicht, das hat mich ganz entsetzlich gekitzelt. Darnach pustete er noch einmal in den Stock; da flog mir's um die Nase wie Blitz und Hagelwetter. Und als ich ganz nahe war, da zog er eine blanke Rippe aus dem Leib; damit hat er so auf mich losgeschlagen, dass ich beinah todt wäre liegen geblieben." 35 „Siehst du," sprach der Fuchs, „was für ein Prahlhans du bist !" j Brüder Grimm. 198. Die Wolfsgrube. In dem Lande, wo es Wölfe gibt, war einmal ein recht großer und dreister. Wenn ein Schäfer im Walde hütete, so war auch gewiss ein Schaf verloren: der Wolf hatte es gestohlen und verzehrt. Er ? wurde zuletzt so dreist, dass er wohl gar des Abends ins Dorf kam, 5 um ein Schaf oder ein Kalb zu holen. Die Schäfer und die Jäger hatten sehr lange auf den gierigen Räuber Jagd gemacht, aber er war immer glücklich entkommen. In dem Dorfe wohnte eine Frau, die einen kleinen Grasfleck vor demselben besaß. Dahin brachte sie jeden Morgen ihre einzige s io Ziege; des Abends holte sie dieselbe wieder, melkte sie und trank mit ihren Kindern die Milch. Eines Tages war die Frau nicht weit von dem Orte, wo die Ziege graste; da hörte sie kläglich schreien. Tie Frau blickte dahin, und siehe — der unverschämte Wolf hatte sich am lichten Tage zum Dorf 15 gewagt, hatte die Ziege gepackt und lief nun damit in den Wald. Die arme Frau weinte und schrie: „Der Wolf! der Wolf!" — Die Leute kamen auch und sahen, wie er im Walde verschwand; aber niemand konnte ihn aufhalten, um ihm die Ziege zu entreißen und den Räuber todtzuschlagen. Auch die Jäger, die sich gleich mit en geladenen Flinten aufmachten, suchten im Walde lange vergeblich und kehrten endlich unverrichteter Sache heim. „Gebt euch zufrieden," sprachen sie zu den versammelten Leuten, „den Wolf wollen wir mit List fangen, und dann soll er die Ziege bezahlen mit seinem Pelze!" Eine gute Bauernfrau meinte: „Bis dahin will ich der armen Frau L5 jeden Abend einen Topf voll Milch geben!" Sie hielt Wort, und die Jäger hielten auch Wort. — 113 - Bald darauf giengen die Jäger hinaus in den Wald, gruben dort ein tiefes Loch und legten dann ganz dünne Stangen, die leicht brechen, und trockenes Reisig darüber, breiteten dürres Laub darauf aus und legten ein großes Stück Fleisch von einem Schas, welches eben gestorben 3» war, auf das Laub. Nun giengen sie fort und sagten: „Wir haben dem Wolf eine Fallgrube gemacht, darin wird er sich schon fangen." Als es Nacht war, gieng der Wolf aus seinem Versteck und wollte wieder etwas zu fressen suchen. Da stand er auf einmal still, hob seine Nase und roch und roch. Er gieng dahin, wo der Geruch 35. herkam, und bald war er der Falle ganz nahe, die ihm die Jäger gestellt hatten. Da sah er ein großes Stück Fleisch. „Das ist ein schöner Bissen für dich!" dachte er und machte einen tüchtigen Sprung auf das Fleisch. Aber knack! die Decke brach, und — der Wolf lag in dem tiefen Loche; er konnte nicht wieder heraus, er war gefangen. 40 Tags daraus kamen schon sehr früh die Jager und viele Leute zur Wolfsgrube, um zu sehen, ob sie den Ziegenräuber gefangen hätten. Da lag er. Sie tödteten ihn, zogen ihm das Fell ab und schenkten es der armen Frau. Diese trug es in die Stadt, verkaufte es, und für das Geld bekam sie eine andere Ziege. »:> Jetzt war Ruhe in der ganzen Gegend. Nach Hille. 199. Versuchung. 1. Gar emsig bei den Büchern Ein Knabe sitzt im Kämmerlein; Da lacht herein durchs Fenster Der lust'ge, blanke Sonnenschein Und spricht: „Lieb Kind, du sitzest hier? Komm doch heraus und spiel' bei mir!" Den Knaben stört es nicht. Zum Sonnenschein er spricht: „Erst lass mich fertig sein!" 2. Der Knabe schreibet weiter; Da kommt ein lustig Vögelein, Das picket an die Scheiben Und schaut so schlau zu ihm herein. Leseb. für slov.-utraquist. MUelsch. 114 Es ruft: „Komm mit! der Wald ist grün, Der Himmel ist blau, die Blumen blühn!" Den Knaben stört es nicht. Zum Vogel kurz er spricht: „Erst lass mich fertig sein!" 3. Der Knabe schreibt und schreibet; Da guckt der Apfelbaum herein Und rauscht mit seinen Blättern Und spricht: „Wer wird so fleißig sein? Schau meine Äpfel! Diese Nacht Hab ich für dich sie reif gemacht!" Den Knaben stört es nicht. Zum Apfelbaum er spricht: „Erst lass mich fertig sein." 4. Da endlich ist er fertig; Schnell packt er seine Bücher ein Und läuft hinaus zum Garten; Juchhe! Wie lacht der Sonnenschein! Das Bäumchen wirft ihm Äpfel zu, Der Vogel singt und nickt ihm zu; Der Knabe springt vor Lust Und jauchzt aus voller Brust; Jetzt kann er lustig sein! Rein ick. 200. Das seltsame Rerept. Es ist sonst kein großer Spaß dabei, wenn man ein Recept >» die Apotheke tragen muss; aber vor langen Jahren war es doch einmal ein Spaß. Da hielt ein Mann von einem entlegenen Host eines Tages mit einem Wagen und zwei Stieren vor der Stadtapotheke s still, lud sorgsam eine große, tannene Stubenthür ab und trug !» hinein. Der Apotheker machte große Augen und sagte. „Was wollt Ihr da, guter Freund, mit Eurer Stubenthür? Der Schreiner wohnt um zwei Häuser weiter links." Da sagte der Mann, der Doctor st> bei seiner kranken Frau gewesen und habe ihr ein Tränklein verordne» in wollen; aber im ganzen Hause sei keine Feder, keine Tinte und kein 115 Papier gewesen, nur eine Kreide. Da habe der Herr Doctor das Recept an die Stubenthttr geschrieben, und nun solle der Herr Apotheker so gut sein und das Tränklein kochen. Nun, wenn es nur gutgethan hat. Wohl dem, der sich in der Noch zu helfen weiß! i- Hebel. 201. Kaiser Josef als Nrzk. Kaiser Josef war ein weiser und wohlthätiger Monarch, wie jedermann weiß; aber nicht alle Leute wissen, dass er einmal der Doctor gewesen ist und eine arme Frau curiert hat. Eine arme kranke Frau sagte zu ihrem Büblein: „Kind, hol' mir einen Doctor, sonst kann ich's nimmer aushalten vor Schmerzen." 5 Das Büblein lief zum ersten Doctor und zum zweiten; aber keiner wollte kommen, denn in Wien kostet ein Gang zu einen: Patienten einen Gulden, und der arme Knabe hatte nichts als Thränen, die wohl im Himmel für gute Münze gelten, aber nicht bei allen Leuten auf der Erde. Als er aber zum dritten Doctor auf dem Wege war, io fuhr langsam der Kaiser in einer offenen Kutsche an ihm vorbei. Der Knabe hielt ihn wohl für einen reichen Herrn, aber er wusste nicht, dass es der Kaiser war, und dachte: Ich will's versuchen. „Gnädiger Herr," sagte er, „wolltet Ihr mir nicht einen Gulden schenken? Seid so barmherzig!" Der Kaiser dachte: Der macht's kurz und denkt, 15 wenn ich den Gulden auf einmal bekomme, so brauch' ich nicht sechzigmal um den Kreuzer zu betteln. „Thut's denn ein Zwanziger nicht auch?" fragte der Kaiser. Das Büblein sagte: „Nein" und erzählte ihm, wozu er das Geld nöthig habe. Also gab ihm der Kaiser den Gulden und ließ sich genau sagen, wie seine Mutter heiße und so nw sie wohne. Während das Büblein zum dritten Doctor sprang und die kranke Frau daheim betete, der liebe Gott wolle sie doch nicht verlassen, fuhr der Kaiser zu ihrer Wohnung und verhüllte sich ein wenig in seinen Mantel, dass man ihn nicht leicht erkennen konnte. Als er -s aber zu der kranken Frau in ihr Stüblein kam, worin es recht leer und betrübt aussah, meinte sie, es sei der Doctor, und erzählte ihm ihren Umstand, und wie sie noch so arm dabei sei und sich nicht pflegen könne. Der Kaiser sagte: „Ich will Euch denn jetzt ein Recept 8* 116 3ü verschreiben." Und sie sagte ihm, wo des Knaben Schreibzeug sei Also schrieb er das Recept und belehrte die Frau, in welche Apotheke sie es schicken müsse, wenn das Kind heimkomme, und legte es aus den Tisch. Als er aber kaum eine Minute fort war, kam der rechte Doctor 35 auch. Die Fran verwunderte sich nicht wenig, als sie hörte, es sei auch der Doctor, und entschuldigte sich, es sei schon einer da gewest« und habe ihr etwas verordnet, und sie habe nur auf ihr Büblei« gewartet. Als aber der Doctor das Recept in die Hand nahm und sehen wollte, wer bei ihr gewesen sei und was für einen Trank oder 40 was für Pillen er ihr verordnet habe, erstaunte er auch nicht wenig und sagte zu ihr: „Frau, Ihr seid einem guten Arzte in die Hände gefallen: denn er hat Euch fünfundzwanzig Ducaten verordnet, beim ZahlanN zu erheben; und darunter steht „Josef". Kennt Ihr ihn? Eine solche Arznei hätte ich Euch nicht verschreiben können!" Da ihat die Frau 45 einen Blick gegen den Himmel und konnte nichts sagen vor Dankbarkeit und Rührung. Und das Geld wurde hernach richtig und ohne Anstand von dem Zahlamte ausbezahlt. Der Doctor aber verordnete ihr eine Mixtur. Und durch die gute Arznei und durch die gute Pflege, die sie sich jetzt verschaffen konnte, stand sie in wenigen Tagen wieder 50 auf gesunden Beinen. Also hat der Doctor die kranke Frau curiert und der Kaiser die arme. Nach Hebel. 202. Das Storchnrst. Auf dem Strohdache eines alten, ehrwürdigen Bauernhauses, das von frommen Bauersleuten bewohnt wurde, erblickte man stets in den ersten Tagen des Frühjahres ein schneeweißes Storchenpaar. Sie saßen dann da und klapperten, gleichsam als bewillkommneten sie s den alten lieben Ort, wo sie so manches Störchlein ausgezogen hatten. An einem schwülen Sommertage, als fast das ganze Dorf aus¬ gewandert war, um das Getreide zu mähen, und meist nur die wachsamen Hunde um die ihnen anvertrauten Wohnungen schlichen: da erscholl auf einmal vom hohen Kirchthurme herab der dumpfe Ton w der Sturmglocke, und das Feuerhorn verkündete durch seine kurzen Stöße den beschäftigten Landleuten die Gefahr. „Feuer! Feuer! 117 ertönte es bald aller Orten, und in allen Gassen sah inan gleich darauf die ängstlichen Dorfbewohner rennen. Ach, dasselbe Haus, um dessen Giebel schon so mancher Sturm getobt hatte, das man im frommen Aberglauben für bewahrt und beglückt hielt wegen der darauf 15 nistenden Störche, um dessen Giebel wirbelt jetzt eine rothe Flammen¬ säule ! Schon stürzen die Balken ein, und kaum rettet man das Eigen¬ tum der schwer getroffenen Bewohner. Auf einmal sieht man eine Störchin von der Wiese herüber¬ fliegen. Es ist die Mutter der Kleinen, die auch schon in ihrem Neste en von Feuersglut und Rauchwolken umgeben sind. Mehreremale kreiset sie ängstlich um die Qualm- und Glutmassen. Endlich durchdringt sie dieselben, und bald darauf erscheint sie, ein Junges im Schnabel, und legt dieses am Fuße eines Baumes unweit der rettenden Bauern nieder. Dann erhebt sie sich wieder, dringt von neuem in die immer es stärker werdende Glut und kommt abermals, ihr zweites Kindlein im Schnabel, mit versengtem Gefieder zurück. Rasch legt sie es zu dem zuerst Geretteten, und unaufhaltsam bahnt sie sich zum drittenmale den Weg durch Rauch und Feuer, um auch die übrige Brut zu retten. — — Vergebens erwartet man sie zurück: sie hatte neben oo den beiden letzten ihrer Jungen den Tod in den Flammen gefunden. Ein mitleidiger Bauer nahm sich der beiden geretteten Störchlein au, fütterte sie auf, und noch lange nachher sah man die beiden gezähmten Sumpfvögel auf dem Hofe des Landmannes zwischen dem Federvieh klappernd einherschreiten. Schulze-Steinman»-Kiel, Kinderschatz. 203. Das Wasserhuhn. Eine Taube hatte ihr Nest auf einem hohen Baume gebaut und brütete daselbst ihre Eier aus. Sobald aber die Jungen flügge waren, baui immer ein Fuchs und drohte ihr, er werde hinaufkommen und sse mit den Jungen aufzehren, wenn sie ihm dieselben nicht gutwillig gebe. So brachte er sie immer dahin, dass sie ihre Jungen selbst 5 berabwarf, damit nur sie selbst sicher sein könnte. Einst saß sie auf ihrem Neste und brütete traurig auf ihren Eiern. Da kam ein Wasserhuhn, das im nahen Schilfe sein Nest hatte und sich von dem Samen der Wasserpflanzen und allerlei Gewürm — 118 - io nährte. Dieses fragte die Taube, warum sie so traurig wäre, da ft doch ihre Jungen bei sich habe. „Ach!" antwortete die Taube, „was können mich meine Jungen sreuen? Sobald ich sie ausgebrütet habe, kommt ja immer der Fuchs und droht mir, bis ich sie hinabwerfe." 15 Da sprach das Wasserhuhn: „Kennst du den betrügerischen Fuchs noch nicht? Lass ihn nur drohen, soviel er will, und behalt' dem Jungen. Denn er kann doch sicher nicht ans deinen hohen Baum zu deinem Neste. Lass dich nur nicht von ihm schrecken!" Das merkte sich die Taube, und als der Fuchs kani und ihr A> wieder ihre Jungen abdrohen wollte, sagte sie ganz gelassen: „Ja, ft, wenn du Lust hast, mich und meine Jungen zu fressen, so komm nm herauf!" Und so höhnte sie ihn lange. Endlich fragte er sie, wer ihr gerathen habe, es so zu machen. Die Taube sagte es ihm und zeigte ihm auch die Wohnung des Wasserhuhns, das er gleich aufsuchte, 2- um ein Gespräch mit ihm anzufangen. „Ei," fragte er, „du bist hier 3« 35 4» 45 ja dem Winde und dem Weiter ausgesetzt; wie machst du es den», wenn der Wind geht?" „Wenn der Wind geht?" sagte das Wasserhuhn. „Ei, kommt er von der rechten Seite, so wende ich mein Haupt gegen die linke; kommt er von der linken, so wende ich es gegen die rechte Seite. „Das ist wohl gut," sagte der Fuchs, „aber wie machst dnS, wenn es von allen Seiten her stürmt?" — „O, auch dann HM keine Noch," antwortete das Wasserhuhn, „dann stecke ich meine« Kopf unter den Flügel." Da hob der Fuchs an: „O, selig seid ihr Vögel vor allen ander« Geschöpfen! Ihr flieget zwischen Himmel und Erde, und das so schnell wie andere Geschöpfe unmöglich laufen können. Und dazu habt ift noch die Gnade, dass ihr eure Häupter zur Zeit des Sturmes unte> den Fittichen verbergen könnt. Das dünkt mir aber beinahe unmöglich Wie kannst du denn deinen Hals so Herumbeugen? Wie machst d> das wohl? Zeige mir das doch einmal!" Das Wasserhuhn wollte es jetzt dem Fuchse zeigen und stecke seinen Kopf unter den Flügel. Diesen Augenblick hatte der FuH erwartet. Er erhaschte jetzt den unvorsichtigen Vogel und verzehr ihn, indem er sagte: „Andern hast du rathen können, dir selbst abe nicht." GrimM. 119 204. Das Wiesenspieheug. Im Elsaß auf der Burg Niedeck, die an einem hohen Berge bei einem Wasserfall liegt, waren die Ritter vorzeiten große Riesen. Einmal gieng das Riesenfräulein hinab ins Thal, wollte sehen, wie es da nuten wäre, und kani bis fast nach Haslach auf ein vor dem Wald gelegenes Ackerfeld, das gerade von den Bauern bestellt ward, s Es blieb vor Verwunderung stehen und schaute den Pflug, die Pferde und die Leute an, das ihr alles etwas Neues war. „Ei," sprach sie und gieng herzu, „das nehm' ich mir mit." Da kniete sie zur Erde nieder, spreitete ihre Schürze aus, strich mit der Hand über das Feld, fieug alles zusammen und that's hinein. Nun lief sie ganz vergnügt nach Haus, u> den Felsen hinaufspringend; wo der Berg so jäh ist, dass ein Mensch mühsam klettern muss, da that sie einen Schritt und war droben. Der Ritter saß gerad am Tisch, als sie eintrat. „Ei, mein Kind," sprach er, „was bringst du da? Die Freude schaut dir ja aus den Augen heraus." Sie machte geschwind ihre Schürze auf und ir ließ ihn hineinblicken. „Was hast du so Zappeliges darin?" — „Ei, Vater, gar zu artiges Spielding! So was Schönes hab' ich mein Lebtag noch nicht gehabt." Darauf nahni sie eines nach dem andern heraus und stellte es auf den Tisch: den Pflug, die Bauern mit ihren Pferden, lief herum, schaute es an, lachte und schlug vor Freude in 20 die Hände, wie sich das kleine Wesen darauf hin- und herbewegte. Der Vater aber sprach: „Kind, das ist kein Spielzeug, da hast du was Schönes angestiftet! Geh nur gleich und trag's wieder hinab ms Thal!" Das Fräulein weinte, es half aber nichts. „Mir ist der Bauer kein Spielzeug," sagte der Ritter ernsthastig, „ich leid's nicht, 25 dass du mir murrst: kram' alles sachte wieder ein und trag's an den nämlichen Platz, wo du's genommen hast. Baut der Bauer nicht sein Ackerfeld, so haben wir Riesen auf unserm Felsenneft Nichts zu leben." Brüder Grimm. 205. Das Riesenspielreug. 1. Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt, Die Höhe, wo vorzeiten die Burg der Riesen stand; Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer; Du fragest nach den Riesen, du findest sie nicht mehr. 120 2. Einst kam das Riesenfräulein aus jener Burg hervor, Ergieng sich sonder Wartung und spielend vor dem Thor Und stieg hinab den Abhang bis in das Thal hinein, Neugierig zu erkunden, wie's unten möchte sein. 3. Mit wen'gen raschen Schritten durchkreuzte sie den Wald, Erreichte gegen Haslach das Land der Menschen bald, Und Städte dort und Dörfer und das bestellte Feld Erschienen ihren Augen gar eine fremde Welt. 4. Wie jetzt zu ihren Füßen sie spähend niederschaut, Bemerkt sie einen Bauer, der seinen Acker baut; Es kriecht das kleine Wesen einher so sonderbar, Es glitzert in der Sonne der Pflug so blank und klar. 5. „Ei, artig Spielding!" ruft sie, „das nehm' ich mit nach Haus." Sie kniet nieder, spreitet behend ihr Tüchlein aus Und feget mit den Händen, was da sich alles regt, Zuhaufen in das Tüchlein, das sie zusammenschlägt, 6. Und eilt mit freud'gen Sprüngen — man weiß, wie Kinder sind — Zur Burg hinan und suchet den Vater auf geschwind: „Ei, Vater, lieber Vater, ein Spielding wunderschön! So Allerliebstes sah ich noch nie auf unfern Höhn." 7. Der Alte saß am Tische und trank den kühlen Wein, Er schaut sie an behaglich, er fragt das Töchterlein: „Was Zappeliges bringst du in deinem Tuch herbei? Du hüpfest ja vor Freuden; lass sehen, was es sei!" 8. Sie spreitet aus das Tüchlein und fängt behutsam an, Den Bauer aufzustellen, den Pflug und das Gespann; Wie alles auf dem Tische sie zierlich aufgebaut. So klatscht sie in die Hände und springt und jubelt laut. l>. Der Alte wird gar ernsthaft und wiegt sein Haupt und spricht: „Was hast du angerichtet? Das ist kein Spielzeug nicht! Wo du es hergenommen, da trag es wieder hin! Der Bauer ist kein Spielzeug; was kommt dir in den Sinn? 121 10. Sollst gleich und ohne Murren erfüllen mein Gebot; Denn wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brot; Es sprießt der Stamm der Riesen aus Bauernmark hervor; Ter Bauer ist kein Spielzeug, da sei uns Gott davor!" 11. Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt, Die Höhe, wo vorzeiten die Burg der Riesen stand; Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer. Und fragst du nach den Riesen, du findest sie nicht mehr. Chamisso. 206. Der treue Huncl. kbsu Easts der Dkörtusr dis Dlügsl des Ltadttbores. Du ersebien sin Dsissndsr aut eins ui blanksn Lebimmel, vor ibm sprang munter ein koblsekwarrer ?udsl und bsllts laut vor Ungeduld und Dreude. Der Reisende war sin Kaukmann. Da sein ^'og ibn okt dureb unsicbere Osgsndsu kübrte, so ptlsgts er stets 5 oin Daar gute Distolsn arn 8attsl 2U baben und ssinsn treuen p o 11 mit^unebmen. Dieser war ibin überdies dureb seins kurr- ^eiligen Lprünge ein angenebmer Oesellsebakter, und er bätts lieber ein sollönss Stüek 6sld als dies kluge Ibier verloren. Dnd cloeb sollte er selbst dureb einen unglücklieben Irrtbum der w vorder desselben werden. Bitten in einem 'Walde, dureb den die Dandstrake kübrts, bong der Hund plötrdieb an ^u bellen und sab kortwäbrend ru seinem Herrn binauk. Der Derr wandte das Dkerd um, aber or bemerkte niebts. Der Hund kubr kort 2» bellen, wart sieb n> ovdlieb vor das Dksrd, bellte lauter, lärmte immer bektiger, so b^ss sein Derr auk den Oedanken kam, der arme ^poll wäre toll geworden. Der Ilsitsrsmann moebte mit den Kennreieben bor Dollbeit niebt wobl bekannt sein. In seiner tilgst grill er naeb einer Distole und drückte sie ab auk den Hund, ^poll A> surrte nieder und sein Derr ritt traurig davon. Im näebsten Dorle, wo er anbielt, sein Dksrd ^u küttern, bonisrirttz er auk einmal, dass ibm sein Nantelsaek keblte. ^.eb ^«tt, daebte er, sollte der Hund sieb deswegen so ungeberdig 122 25 gs8ts1lt linden! Obus 2U ^vZsru, siits sr mit ckisssr äüstörn ^bnuuZ kort, tünck äis Stolls, vo sr cisu klcmck llisäsrA68cli088M imtts, sali ubsr 8siu6n ^.xoll iiielit msbr, 8ouäsrn dlvk sinoa grolLsn Llutüselr uuck sius blutigo Spur cksu 'AsZ Zurück. Lr kolgts ssnsr Spur unck k-cucl dulci cksn Uuntsluuelc uiul nsbsu itnn so — clsll stsrdsucksu ^poll. Ous un glück! iebs Dkisr srkunuts sslukü Herrn, kroeli ibm entgegen unck starb. 8clcul2s-8tsininÄLii-XisI, Xinäerseluctr. 207. Die Nmrisen. Die Ameisen sind ein gar sinniges Thiervölklein. Ein berühmter Mann, namens Franklin, erzählt uns folgende wahre Thatsache, die er selbst beobachtet und ausgeschrieben hat. Er hatte vonungefähr ein irdenes Gefäß mit Sirup in einem 5 Schranke stehen. Eine Menge Ameisen waren hineingeschlichen und verzehrten diesen Sirup; denn sie lieben besonders Süßigkeiten. Sobald er dies wahrnähm, schüttelte er sie heraus und band den Tops mit einem dicken Faden an einen Nagel, den er mitten in die Decke des Zimmers schlug, so dass das Gefäß an der Schnur herunterhieng. 10 Zufällig war eiue einzige Ameise darin zurückgeblieben. Diese fraß sich satt. Da sie aber weg wollte, befand sie sich in einer nicht geringen Verlegenheit. Sie lief lange unten am Boden des Gefäßes und fast überall herum, allein vergebens. Endlich fand sie doch nach vielen Versuchen den rechten Weg an dem Stricke hinauf bis an die Decke. is Nachdem sie diese erreicht hatte, lief sie längs derselben hin und ft weiter die Wand hinunter bis auf den Boden. Kaum war eine halbe Stunde verflossen, so zog ein ganzer Schwarm Ameisen die Decke hinauf und gerade auf die Schnur zu. An dieser krochen sie weiter in das Geschirr und fiengen wieder an zu fressen. 20 Dies setzten sie so lange fort, als noch etwas vom Sirup da war. Indes lief der eine Haufen am Stricke hinauf und der andere hinunter, und dies währte den ganzen Tag. Wunderbar allerdings und doch wahr! Oken. 123 208. Ein abscheulicher Mensch unter ehrlichen Leuten. Em gewisser Prinz gieng einmal auf eine Galeere, nm die Elenden zu sehen, die daselbst wegen ihrer bösen Thaten an Ketten gelegt waren. Es jammerte ihn, dass er so viele Menschen erblickte, die nur halb mit elenden Lumpen bekleidet waren und Tag und Nacht schwere Ruder führen mussten. Er nahm sich also vor, wenigstens s einem davon die Freiheit zu schenken. Damit er aber doch auch erführe, wer unter diesen vielen Schurken noch der ehrlichste sei und die Freiheit am ersten verdiene, so fragte er einen nach dem andern, warum man ihn denn hieher gebracht hätte. 10 Da gieng es an ein Lamentieren und Wehklagen. Jeder sagte, er sei ein ehrlicher, unschuldiger Mensch, sei aber durch böse Leute bei der Obrigkeit verleumdet worden, die ihn auf eine höchst ungerechte Art hieher hätten bringen lassen. Und jeder bat, der Prinz möchte sich doch seiner erbarmen und ihm die Freiheit schenken. 15 Endlich kam der Prinz auch zu einem jungen, zerlumpten Menschen und fragte ihn: „Was hast du denn gethan, dass man dich hieher gebracht hat?" „Gnädiger Herr!" antwortete er, „ich bi ein abscheulich gott¬ loser Mensch. Ich habe meinem Vater nicht gehorchen wollen, bin 20 ihm davongelaufen, habe ein schlechtes Leben geführt, habe gestohlen und die Leute betrogen; ich müsste ein paar Stunden haben, wenn ich alle bösen Streiche erzählen wollte, die ich mein Lebenlang begangen habe. Gern will ich meine Strafe leiden, denn ich weiß, dass ich sie verdient habe." 25 Da lächelte der Prinz und sagte: „Wie kommt denn so ein abscheulicher Mensch unter diese ehrlichen Leute? Geschwind, macht ihm die Ketten los und jagt ihn fort, dass er nicht etwa diese ehrlichen Leute auch anstecke!" Sogleich wurde ihm die Kette abgenommen und er in Freiheit Zo gesetzt. Vermuthlich wird er sich von dieser Zeit an gebessert haben. Denn auch bei einem Bösewicht ist noch Hoffnung auf Besserung da, wenn er seine Vergehungen bereut und nicht leugnet. Salzmann. — 124 - 209. Die Nnke. Em armer Holzhauer sollte Weiden fällen, die dicht am Rande eines tiefen Flusses standen. Gleich beim ersten Baume that er einen Fehlhieb, die Axt glitt vom Stiele und fiel ins Wasser. „Ich unglück¬ licher Mann," rief er aus, „womit soll ich nun für meine hungrigen s Kinder Brot verdienen!" und weinte bitterlich; denn wiedersuchen konnte er sie nicht, so tief und reißend war der Strom. Als er noch so stand und mit Thränen in den Augen auf die Stelle sah, wo seine Axt untergegangen war: da rauschte plötzlich das Wasser, ein Greis mit langem, weißem Barte und himmelblauen Augen kam bis an die w Brust empor und fragte mitleidig: „Was weinst du? Ich habe deinen Jammer gehört, rede!" — „Meine Axt," stammelte der Holzhauer, „meine Axt! meine armen Kinder! womit soll ich nun Brot schaffen!" und wies aufs Wasser und war sehr erschrocken. „Hier unten? fragte der Wassermann, „sei rnhig, die wird sich finden." Er tauchte is unter und hob eine glänzende silberne Axt aus dem Wasser empor. „Ist das deine?" fragte er. „Ach nein!" jammerte der Holzhauer, „das ist nicht die rechte." Da tauchte schnell der Greis zum zweiten- male unter, und langsam schob er eine goldene Axt aus dem Wasser, die blitzte im Sonnenschein wie ein Spiegel. „Das ist wohl die en rechte?" — „Nein, ach nein!" schluchzte der Holzharter. Da tauchte der Greis zum drittenmale unter und hob die eiserne Axt empor. Als die der arme Mann sah, ries er voll Freude: „Das ist meine, das ist die rechte!" Da sprach der Greis: „Weil du so ehrlich bist trotz deiner Armut, so sollst du alle drei haben," und warf ihm die 2s eiserne sammt der silbernen und goldenen ans User und verschwand. Hoch erfreut rannte der Holzhauer nach Haus und erzählte, wie es ihm ergangen sei; von seiner Ehrlichkeit aber sagte er kein Wort. Da lief in aller Eile ein anderer Holzhauer an den Fluss, warf mit Willen seine Axt hinein und jammerte und wehklagte laut M um dieselbe. Der Greis brachte sogleich eine goldene hervor und fragte: „Ist das deine?" — „Ach ja!" rief er vergnügt und wollte schon danach greifen, als Axt und Wassermann im Nu verschwand. Er weinte nun alles Ernstes und wäre gern zufrieden gewesen, wenn ihm der Greis nur die rechte wieder gebracht hätte; aber es war zu 35 spät. Das hatte er von seiner Unredlichkeit. S chul z e - S t e i n ni a n n - K i e l, Kinderschatz. 125 210. Strohhalm, Kohle und Wohne. In einem Dorfe wohnte eine arme alte Frau; die hatte ein Gericht Bohnen zusammengebracht und wollte sie kochen. Sie machte also auf ihrem Herde ein Feuer zurecht, und damit es desto schneller brennen sollte, zündete sie es mit einer Handvoll Stroh an. Als sie die Bohnen in den Topf schüttete, entfiel ihr unbemerkt eine, die auf 5 dem Boden neben einen Strohhalm zu liegen kam; bald darnach sprang auch eine glühende Kohle vom Herde zu den beiden herab. Da fieng der Strohhalm an und sprach: „Liebe Freunde, von wannen kommt ihr her?" Die Kohle antwortete: „Ich bin zu gutem Glück dem Feuer entsprungen; und hätte ich das nicht mit Gewalt io durchgesetzt, so war mir der Tod gewiss, ich wäre zur Asche verbrannt." Die Bohne sagte: „Ich bin auch noch mit heiler Haut davongekommen; aber hätte mich die Alte in den Topf gebracht, ich wäre ohne Barm¬ herzigkeit zu Brei gekocht worden wie meine Kameraden." — „Wäre mir denn ein besseres Schicksal zutheil geworden?" sprach das Stroh, is „alle meine Brüder hat die Alte in Feuer und Rauch aufgehen lassen; sechzig hat sie auf einmal gepackt und ums Leben gebracht. Glücklicher¬ weise bin ich ihr zwischen den Fingern durchgeschlüpft." — „Was sollen wir aber nun anfangen?" sprach die Kohle. „Ich meine," antwortete die Bohne, „weil wir so glücklich dem Tode entronnen sind, so wollen A> wir als gute Gesellen zusammenhalten, und damit uns hier nicht wieder ein neues Unglück ereilt, gemeinschaftlich auswandern und in ein fremdes Land ziehen." Der Vorschlag gefiel den beiden andern, und sie machten sich miteinander auf den Weg. Bald aber kamen sie an einen kleinen rs Bach, und da keine Brücke oder Steg da war, so wussten sie nicht, wie sie hinüber kommen sollten. Der Strohhalm fand guten Rath und sprach: „Ich will mich querüber legen, so könnt ihr auf mir wie auf einer Brücke hinübergehen." Der Strohhalm streckte sich also von einem Ufer zum andern, und die Kohle, die von hitziger Natur 3« war, trippelte auch ganz keck auf die neugebaute Brücke. Als sie aber in die Mitte gekommen war und unter sich das Wasser rauschen hörte, war ihr doch angst; sie blieb stehen und getraute sich nicht weiter. Der Strohhalm aber fieng an zu brennen, zerbrach in zwei Stücke und fiel in den Bach; die Kohle rutschte nach, zischte, wie sie 35. 126 ins Wasser kam, und gab den Geist auf. Die Bohne, die vorsichtiger¬ weise noch auf den: Ufer zurückgeblieben war, musste über die Geschichte lachen, konnte nicht aufhören und lachte so gewaltig, dass sie zerplatzte. Nun war es ebenfalls um sie geschehen, wenn nicht zu gutem Glück 4« ein Schneider, der auf der Wanderschaft war, sich an dem Bache ausgeruht hätte. Weil er ein mitleidiges Herz hatte, so holte er Nadel und Zwirn heraus und nähte sie zusammen. Die Bohne bedankte sich bei ihm aufs schönste; aber da er schwarzen Zwirn gebraucht hatte, so haben seit der Zeit alle Bohnen eine schwarze Naht. Brüder Grimm. 211. Das arme Vöglein. 1. Ein Vogel rüst im Walde, Ich weiß es wohl, wonach: Er will ein Häuschen haben. Ein grünes, laubig Dach. 2. Er rufet alle Tage Und flattert hin und her, Und in deni ganzen Walde Hört keiner sein Begehr. 3. Und endlich hört's der Frühling, Der Freund der ganzen Welt, Der gibt dem armen Vöglein Ein schattig Laubgezelt. 4. Wer singt im hohen Baume So froh vom grünen Ast? Das thut das arme Vöglein Aus seinem Laubpalast. 5. Es singet Dank dem Frühling, Für das, was er beschied, Und singt, solang es weilet, Ihm jeden Tag ein Lied. Hoffmann von Fallersleben. 127 2/s. 6>cr/ Dr/Doi/ vvrr «Eci cisn Dnis«t Dinst nitt i/na/ Dncio/ non F/aösönnA, nasirnrais cientsc^s»' /isrrr/ mit seinen Dienenn ar/ ciis -/«Asi. ^./s er' M srne -In i:am, aiiern »nit seinem, F/enci, irsnte sr» ein /iiöe/ciein ieiin.Aen. Dn nitt ciem Tone -rac/, nm L» er/airnen, »nas cias mane. D» Farrci si' einen Dniesten mit cie»' i-6ii»A6N IDLALsFnnnA nnsi sr nem S Cessne-", cien mit ciem Diseiciein icrrrtete. 6nc/ /rncio/ stisA non seine-n F/enci, kniete niecien nnci beLMAts ciem ^eiiiAen /^acnamente seins lene/l'UNA. Dnn man es «rr einem IDässentern, nnci cien Dniesten steiits cias D/«D »nit cie »n -liien^eii/sten neöen sie/r, ^enA «rr, seine Ke^n^e anSLNLie^en, nnci rooiite cinneL -Fen DaeL 10 waten, cien seirn anr/ese^rnoiien rean nnci -Fen DteA /ontr/enisserr ^atts. De,- Dna/ /-'«Ate -Fen Dniesten, reosn en Des t^ne. Den Dniesten antmontete.- „DD tnaAe -Fen Deii> -Fes Dennn «n einem Äschen, -Fen in sc/rrnenen Dnan^/reit irec/t, n n si si« ic/r an -Fies Ukassen icomme, ist -Fen iitsA Lenstönt. D iss mnss ie/, /incinneD 15 Waten, -Famit cien Dnan/ce Astnöstet rsensie. Da i-is/^i 6na/ Duc/si/ -Fen Dniestsn mit ciem irosi-rer-ncirAsten ä'acnamsni an/ sein F/enci sitsen nn-F LN -Fem Dnan^sn neiten, ciamit en r-ici-t ^ensänmt reencis. Dn seiöst öestieA cias F/enci -Fes Dienens, cien öaici irsnir eir/ei'on-nrsn man, nnci nitt -Fem IITsi-Frsenic naci-. 20 ^is nnn cien Dnissten n iecien ^eimAe^ommen man, önac^ts seiöst ciem Dna/en Dn-Foi/ cias F/enci LnnncL. Da s/rnacir cien 6nc/.- „Das woiie Dstt nimmen, -Fass iei« / miecien cias F/enci öestsiAe, meic^es meinen Fiennn nnci t^ciroF/sn AstnaAen ^ati H siit /irr' es nie^t /nn Dne^ öe^aitsn, so micimet es rrnm Dienste -5 Lottes,' -Fenn ie^ ^aös es ciem AeAeöen, non ciem ie^ -§eeie nnci ^eiö nnci Dirne nnci . Lncioi/s ,8'oirn, ^liirnes/rt, enirieit ciie östenneicirisc^sn Darrcie, S5 128 gerne ^ac^ommen reAr'erten von nun an rn Oskerr'erc?«. ä'o rÄ ! /?n,e/o// von A»bsört7-A cenc/r tke v KarEvater rrnse-ves ^arser- ^anses o-eworcken. ,' ^Vae/r 75c/ruai. 213. Maria Theresia in der Militär-Erziehungsanstalt in Wiener-Neustadt. Die Kaiserin Maria Theresia besuchte einst die von ihr gegründete Militärschule in Wiener-Neustadt, in welcher noch heute Osficiere herangebildet werden. Sie fragte bei dieser Gelegenheit den Vorsteher, mit welchem 5 von den Zöglingen er am besten zufrieden sei. „Eure Majestät," antwortete dieser, „ich kann über keinen Klage führen; jeder beträgt sich so, dass man gute Erwartungen haben kann. Doch sollte ich einen vorzugsweise nennen, so muss ich sagen, dass Vukasovie, der Sohn eines alten Officiers aus io Dalmatien, der bravste ist." Dieses bezeugten auch die anwesenden Lehrer, und der Fechtmeister erklärte noch besonders, dass dieser Cadet im Fechten seinen Mann suche. „Bravo, junger Dalmatiner!" rief die Monarchin; „aber ich möchte Ihn fechten sehen; nehm' Er einmal das Rapier!" is So bescheiden und schüchtern der junge Vukasovie vorher vor der Monarchin gestanden war, so feurig trat er mit dem Rapier hervor, als wenn ihn auf einmal ein kriegerischer Geist belebte. Er nahm eine feste Stellung, machte mit mehreren der Geübtesten einige Gänge und trug über alle den Sieg davon. Bescheiden trat er so wieder in seine Reihe zurück und fühlte sich glücklich, in Gegenwart der allgeliebten Monarchin eine Probe seiner Geschicklichkeit abgelegt und sich dadurch empfohlen zu haben. Die Kaiserin lächelte ihm Beifall zu und schenkte ihm zwölf Ducaten. Nach einigen Tagen kam die erhabene Frau wieder in das 25 Cadettenhaus und fragte gleich nach dem jungen Vukasovie. Dieser wurde gerufen; er erschien zitternd, mit zur Erde gesenktem Blicke und sehr verlegen. Lächelnd fragte ihn die herzensgute Kaiserin: „Warum bestürzt, wackerer Fechter? Befürchtet Er vielleicht, dass ich Rechnung so über die Ducaten fordere? Wie hat Er die Ducaten verwendet?" 129 Vukasovie wurde verlegener und blieb schweigsam. „Spreche Er die Wahrheit," sagte die Kaiserin etwas ernster; „wo hat Er das Geld?" „Eure Majestät!" antwortete der Knabe mit bebender Stimme, „ich — ich habe es — meinem Vater geschickt." Eine Thräne trat z» ihm ins Auge. „Wer ist denn Sein Vater?" „Mein Vater war Lieutenant in Eurer Majestät Diensten; er ist verabschiedet und lebt nun sehr kümmerlich in Dalmatien. Ich glaubte, von Eurer Majestät Gnade keinen bessern Gebrauch 4» machen zu können, als wenn ich meinen armen, alten Vater unterstützte." „Braver Junge!" versetzte die gute Monarchin, indem sie ihm auf die Schulter klopfte; „nehm' Er Tinte, Feder und Papier und schreib' Er!" 4s Der Cadet gehorchte, und die Kaiserin dictierte ihm folgenden Brief : „Lieber Vater! Den Brief, den ich Ihnen hier schreibe, dictiert mir die Kaiserin. Meine Aufführung, mein Fleiß und besonders die 50 kindliche Liebe zu meinem guten Vater haben der Kaiserin so wohl gefallen, dass Sie von dieser Stunde an eine jährliche Pension von zweihundert Gulden bekommen werden, und dass ich soeben wieder ein Geschenk von vierundzwanzig Ducaten erhalten habe." ss Der Cadet fiel der guten Fürstin zu Füßen. Thränen der Rührung und des Dankes glänzten in seinen Augen; er versprach, durch Fleiß und Eifer sich dieser Gnade würdig zu machen und sich so auszubilden, dass er einst der Monarchin und dem Vaterlande wichtige Dienste leisten könne. 00 Der Cadet hat Wort gehalten. Vukasovie trat als Officier Mm Regimente und zeichnete sich durch Kenntnisse, Diensteifer und Tapferkeit so sehr aus, dass er von Stufe zu Stufe bis zum Feldmarschall-Lieutenant stieg. Nach Petiscus. Aus Kummer-Branky-Hofbauers Lesebuch. ^eseb. für slov. -Utraquist. Mittelsch. 9 130 214. Der Frühling. Der schöne Frühling ist wiedergekommen. Nun scheint die Helle Sonne wärmer, und die Bäume des Waldes werden grün. Wohin ich blicke, sehe ich bunte Blumen. Die Vögel im Walde singen ihr munteres Lied und bauen künstliche Nester. Der Landmanu besäet s wieder den Acker. In dieser schönsten Zeit des Jahres spielen wir Kinder gar gern draußen im Schatten der Bäume oder auf blumigen Wiesen. Wir brauchen dann nicht mehr Handschuhe von Pelz, wie wir sie im Winter hatten; denn die liebe Sonne scheint warm genug. O, wie w schön ist der Frühling! Wir wollen unserni Vater ini Himmel danken, der ihn zur Freude der Menschen geschaffen hat. Kellner. 218. Der Frühling. Es war Frühling geworden; die Sonne hatte den Schnee von den Bergen weggeschienen, die grünen Grasspitzen kamen aus den welken Halmen hervor, die Knospen der Bäume brachen auf und ließen schon die jungen Blättchen durchscheinen; da wachte das s Bienchen aus seinem tiefen Schlafe auf, worin es den ganzen Winter gelegen hatte. Es rieb sich die Augen und weckte seine Kameraden, und sie öffneten die Thür und sahen, ob das Eis und der Schnee und der Nordwind fortgegangen wären. Und siehe, es war überall Heller und warmer Sonnenschein. Da schlüpften sie heraus aus dem i» Bienenkorb, putzten ihre Flügel ab und probierten wieder zu fliegen. Sie kamen zum Apfelbaum und fragten: „Hast du nichts für die hungrigen Bienchen? Wir haben den ganzen Winter nichts gegessen." Der Apfelbaum sagte: „Nein, ihr kommt zu früh zu mir; meine Blüten stecken noch in der Knospe, und sonst habe ich nichts. Geht 15 hin zur Kirsche!" Da flogen sie zu dem Kirschbaum und sagten: „Lieber Kirschbaum, hast du keine Blüten für uns hungrige Bienen?" Der Kirschbaum antwortete: „Kommt morgen wieder, heute sind meine Blüten noch alle geschlossen. Wenn sie offen sind, sollt ihr willkommen sein'/ Da flogen sie zu der Tulpe, die hatte zwar eine große, farbige A> Blume, aber es war weder Wohlgeruch noch Süßigkeit darin, die Bienchen konnten keinen Honig darin finden. Da wollten sie schon 131 wieder traurig und hungrig nach Hause zurückgehen, als sie ein dunkelblaues Blümchen an der Hecke stehen sahen. Es war das Veilchen; das wartete ganz bescheiden, bis die Bienchen kamen, dann aber öffnete es ihnen seinen Kelch; der war voll Wohlgeruch und ss voll Süßigkeit, und die Bienchen sättigten sich und brachten noch Honig mit nach Hause. burtman. 216. Frühlingsbotschsft. 1. „Kuckuck! kuckuck!" ruft's aus dem Wald. Lasset uns singen, Tanzen und springen, Frühling, Frühling wird es nun bald! 2. Kuckuck, Kuckuck lässt nicht sein Schrei'n: „Komm in die Felder, Wiesen und Wälder, Frühling, Frühling, stelle dich ein!" 3. Kuckuck, Kuckuck, trefflicher Held! Was du gesungen. Ist dir gelungen: Winter, Winter räumet das Feld. Hoffmann v. Fallersleben. 217. Leutseligkeit des Erzherzogs Franz Karl. Es war am 18. August des Jahres 1830, als in Wien plötzlich Kanonenschüsse gehört wurden. Sie verkündeten den Bewohnern der Hauptstadt, dass dem Erzherzog Franz Karl in Schönbrunn ein Sohn geboren worden sei. Es war dies unser geliebter Kaiser Franz Josef. ° Alsbald entstand eine freudige Bewegung unter der Bevölkerung Wiens. Aus allen Häusern eilten die Leute auf die Straße, um ihrer Freude Ausdruck zu geben. Insbesondere in der Nähe der kaiserlichen Burg wogte das Volk auf und nieder. Auch die Schuljugend fehlte bei diesem freudigen Anlasse nicht. Sie hatte kurz vorher die Schule io verlassen und wusste bald, was die Kanonenschüsse bedeuteten. 9» 132 Noch umstanden Tausende von Kindern und Erwachsenen die Hofburg, als plötzlich ein Hoswagen sichtbar wurde. Darin saß der glückliche Vater, Erzherzog Franz Karl. Er war in der Burg gewesen, um seinem Vater, dem Kaiser Franz, persönlich von dem srohen Ereignisse Kunde zu geben. Kaum war der Wagen sichtbar, als die Wiener ihn umringten. Durch lauten Zuruf gaben sie ihre Freude zu erkennen, und nach allen Seiten freundlich dankend, fuhr der Erzherzog durch die wogende Menschenmenge. Die Erwachsenen wichen ehrfurchts- M voll zurück; doch die Schuljugend lief rechts und links neben dem Wagen einher, und mit hochgeschwungenen Mützen gab auch sie ihrer Freude Ausdruck. Dies rührte den Erzherzog aufs tiefste. In seiner gewohnten, gewinnenden Weise erwiderte er die Zurufe der Kinder. Da viele unter ihnen von ihrer Begleitung nicht abstanden, fürchtete 25 er, sie könnten an ihrer Gesundheit Schaden nehmen. Er rief daher dem Kutscher zu: „Fahr doch nicht so schnell, sonst laufen sich die armen Kinder noch die Lungensucht an den Hals." So fuhr er eine weite Strecke langsamen Schrittes durch die Gassen, umgeben von einer Schar jubelnder Kinder. Es war ein M herzerhebender Anblick, der den betheiligten Kindern lebenslang im Gedächtnisse blieb. Auch die Erwachsenen, welche das seltene Schauspiel von ferne beobachtet hatten, waren voll des Lobes über die Milde und Menschenfreundlichkeit, welche der Vater unseres geliebten Kaisers dadurch neuerdings bewiesen hatte. K u m m e r - Br a n k y - H o s b a uer, Lesebuch. 218. Der Nbend. Es wird Abend; die Sonne sinkt an den Rand des Himmels; die Wolken in ihrer Nähe färben sich roth. Die Hitze hat aufgehört, es weht ein kühles Lüftchen, über dem Wasser erhebt sich Nebel, das Gras wird von dem Thau befeuchtet. In der Luft spielen Mücken in - zahllosen Schwärmen, die Vögel in den Büschen singen ihr letztes Lied, die Bienen kehren zu ihren Stöcken zurück, und alle schicken sich an zu schlafen. Desto munterer quaken die Frösche in den Pfützen, die Maikäfer schwirren, Fledermäuse flattern umher, und Glühwürmchen leuchten in der Dämmerung. Die Arbeiter sind vom Felde zurück- gekehrt und die Viehherden von der Weide. Alles ist müde und sehnt 133 sich nach Ruhe. Aber Menschen und Thiere sind auch hungrig und warten auf ihr Abendbrot. Die rauchenden Schornsteine und die heim¬ kehrenden Wagen mit Futter zeigen, dass dafür gesorgt wird. Bald werden alle satt sein und sich dem Schlafe überlassen. Curtman. 219. Freiherr von Münchhausen erzählt einige Abenteuer. I. Auf meiner Reise nach Russland ritt ich einst im tiefen Winter, dis mich Nacht und Dunkelheit überfielen. Nirgends war ein Dorf zu hören noch zu sehen. Das ganze Land lag unter Schnee, und ich wusste weder Weg noch Steg. Des Reitens müde, stieg ich endlich ab und band mein Pserd 5 an eine Art von spitzigem Baumstumpf, der über dem Schnee hervor- ragte. Zur Sicherheit nahm ich meine Pistolen unter den Arm, legte mich nicht weit davon in den Schnee nieder und that ein so gesundes Schläfchen, dass mir die Augen nicht eher wieder aufgiengen, als bis es Heller, lichter Tag war. Wie groß war aber mein Erstaunen, als io ich fand, dass ich mitten in einem Dorfe auf einem Kirchhofe lag! Mein Pferd war anfänglich nirgends zu sehen; doch hörte ich's bald darauf irgendwo über mir wiehern. Als ich nun emporsah, so wurde ich gewahr, dass es an den Wetterhahn des Kirchthurms gebunden war. Das Dorf war nämlich die Nacht über ganz zugeschneit gewesen; das i; Wetter hatte sich auf einmal umgesetzt; ich war im Schlaf nach und nach, sowie der Schnee zusammengeschmolzen war, ganz sanft herab¬ gesunken; und was ich in der Dunkelheit für den Stumpf eines Bäumchens, der über dem Schnee hervorragte, gehalten und daran mein Pferd gebunden hatte, das war das Kreuz oder der Wetterhahn 20 des Kirchthurmes gewesen. Ohne mich nun lange zu bedenken, -nahm ich eine von meinen Pistolen, schoss nach dem Halfter, kam glücklich auf diese Art wieder zu meinem Pferde und verfolgte meine Reise. II. Als ich Russland wieder verließ, herrschte über ganz Europa ein außerordentlich strenger Winter. Ich reiste mit der Post. Als sich's nun fügte, dass wir an einen engen, hohlen Weg zwischen hohen — 134 - Dornhecken kamen, so erinnerte ich den Postillon, mit seinem Horn 5 ein Zeichen zu geben, damit wir in diesem engen Passe nicht etwa gegen ein anderes, entgegenkommendes Fuhrwerk sestfahren möchten. Er setzte an und blies aus Leibeskräften in das Horn; aber alle seine Bemühungen waren umsonst, nicht ein einziger Ton kam heraus, was uns ganz unerklärlich schien. Bald stieß zu unserm Unglück eine i« andere, uns entgegenkommende Kutsche auf uns, vor welcher nun schlechterdings nicht vorbeizukommen war. Da sprang ich aus meinem Wagen und spannte zuerst die Pferde aus. Hierauf nahm ich den Wagen sammt den vier Rädern und allen Packereien auf meine Schultern und sprang damit über Erdwand und Hecke, ungefähr neun i- Fuß hoch, auf das Feld hinüber. In Rücksicht auf die Schwere der Kutsche war dies eben keine Kleinigkeit. Durch einen andern Rück¬ sprung gelangte ich, nachdem die fremde Kutsche vorüber war, wieder in den Weg. Darauf eilte ich zurück zu unseren Pferden, nahm unter jeden Arm eins und holte sie auf die vorige Art, nämlich durch einen 2« zweimaligen Sprung hinüber und herüber, gleichfalls herbei, ließ wieder anspannen und gelangte glücklich zur Herberge. — Nun hört, ihr Herren, was geschah! Auf einmal gieng's: Tereng! tereng! teng! teng! Wir machten große Augen und fanden nun auf einmal die Ursache, warum der Postillon sein Horn nicht hatte blasen können. 25 Die Töne waren in dem Horn festgesroren und kamen nun, sowie sie nach und nach aufthauten, hell und klar zu nicht geringer Ehre des Fuhrmanns heraus; denn die ehrliche Haut unterhielt uns nun eine ziemliche Zeit lang mit den herrlichsten Melodien, ohne den Mund an das Horn zu bringen. Mit dem Abendliede: „Nun ruhen alle 3» Wälder" endigte dieser Thauspass. III. Ein andersmal stieß mir in einem ansehnlichen Walde von Russland ein wunderschöner schwarzer Fuchs auf. Es wäre jammer¬ schade gewesen, seinen kostbaren Pelz mit einem Kugel- oder Schrot- schusse zu durchlöchern. Herr Reineke stand dicht bei einem Baume. 5 Augenblicklich zog ich meine Kugel aus dem Laufe, lud dafür einen tüchtigen Brettnagel in mein Gewehr, feuerte und traf so künstlich, dass ich seinen Schwanz fest an den Baum nagelte. Nun gieng ich ruhig zu ihm, nahm mein Weidmesser, gab ihm einen Kreuzschnitt 135 übers Gesicht, griff nach einer Peitsche und karbatschte ihn so artig aus seinem schönen Pelze heraus, dass es eine wahre Lust und ein in rechtes Wunder zu sehen war. IV. So leicht und fertig ich im Springen war, so war es auch mein Pferd. Weder Gräben noch Zäune hielten mich jemals ab, überall den geradesten Weg zu reiten. Einst setzte ich darauf hinter eineni Hasen her, der querfeldein über die Heerstraße lief. Eine Kutsche mit zwei schönen Damen fuhr diesen Weg gerade zwischen mir und deni s Hasen vorbei. Mein Gaul setzte so schnell und ohne Anstoß mitten durch die offenen Fenster der Kutsche hindurch, dass ich kaum Zeit halte, meinen Hut abzuziehen und die Damen wegen dieser Freiheit unterthänigst um Verzeihung zu bitten. V. Wir belagerten, ich weiß nicht niehr welche Stadt, und dem Feldmarschall war ganz erstaunlich viel an genauer Kundschaft gelegen, wie die Sachen in der Festung stünden. Es schien äußerst schwer, ja fast unmöglich, durch alle Vorposten, Wachen und Festungswerke hineinzugelangen; auch war eben kein tüchtiges Subject vorhanden, s wodurch man so etwas glücklich auszurichten hätte hoffen können. Vor Muth und Diensteifer fast ein wenig allzu rasch, stellte ich mich neben eine der größten Kanonen, die soeben nach der Festung abgefeuert ward, sprang ini Hui auf die Kugel in der Absicht, mich in die Festung hineintragen zu lassen. Als ich aber Halbwegs durch die Luft in geritten war, stiegen mir allerlei nicht unerhebliche Bedenklichkeiten ?n Kopfe. „Hm!" dachte ich, „hinein kommst du nun wohl, allein wie hernach wieder heraus? Und wie kann's dir in der Festung ergehen? Man wird dich sogleich als Spion erkennen und an den nächsten ^lgen hängen." Nach diesen und ähnlichen Betrachtungen entschloss ich mich kurz, nahm die glückliche Gelegenheit wahr, als eine Kanonenkugel aus der Festung einige Schritte weit von mir vorüber nach unserm Lager flog, sprang von der meinigen auf diese hinüber und kam, zwar unverrichteter Sache, jedoch wohlbehalten bei den lieben Unserigen 2» wieder an. Nach Bürger. 136 220. Der kluge Richter. Ein reicher Mann im Morgenlande hatte eine beträchtliche Geldsumme, welche in ein Tuch eingenäht war, aus Unvorsichtigkeit verloren. Er machte seinen Verlust bekannt und bot, wie man zu thun pflegt, dem ehrlichen Finder eine Belohnung, und zwar von 7. hundert Gulden an. Da kam bald ein guter und ehrlicher Mann dahergegangen. „Dein Geld habe ich gefunden. Dies wird's wohl sein. Also nimm dein Eigenthum zurück!" So sprach er mit dem heitern Blick eines ehrlichen Mannes und eines guten Gewissens, und das war schön. Der andere machte auch ein fröhliches Gesicht, aber io nur weil er sein verlorenes Geld wieder hatte. Denn wie es um seine Ehrlichkeit aussah, das wird sich bald zeigen. Er zählte das Geld und dachte unterdessen geschwind nach, wie er den treuen Finder um die versprochene Belohnung bringen könnte. „Guter Freund, sprach er hierauf, „es waren eigentlich achthundert Gulden in dem u. Tuch eingenäht, ich finde aber nur noch siebenhundert Gulden. Ihr werdet also wohl eine Naht aufgetrennt und Eure hundert Gulden Belohnung schon herausgenommen haben. Da habt Ihr wohl daran gethan. Ich danke Euch." Das war nicht schön. Aber wir sind auch noch nicht zu Ende. Ehrlich währt am längsten, und Unrecht schlägt M seinen eigenen Herrn. Der ehrliche Finder, dem es weniger um die hundert Gulden als um seine unbescholtene Rechtschaffenheit zu thun war, versicherte, dass er das Päcklein so gefunden habe, wie er es bringe, und es so bringe, wie er es gefunden habe. Am Ende kamen sie vor den 25 Richter. Beide bestanden auch hier noch auf ihrer Behauptung: der eine, dass achthundert Gulden seien eingenäht gewesen, der andere, dass er von dem Gefundenen nichts genommen und das Päcklein nicht versehrt habe. Da war guter Rath theuer. Aber der kluge Richter, der die M Ehrlichkeit des einen und die schlechte Gesinnung des andern i>" voraus zu kennen schien, griff die Sache so an: er ließ sich von beiden über das, was sie aussagten, eine feste und feierliche Versicherung geben und that hierauf folgenden Ausspruch: „Demnach, wenn der eine von euch achthundert Gulden verloren, der andere aber nur ein n Päcklein mit siebenhundert Gulden gefunden hat, so kann auch das 137 Geld des letzter« nicht das nämliche sein, worauf der erstere ein Recht hat. Du, ehrlicher Freund, nimmst also das Geld, welches du gefunden hast, wieder zurück und behältst es in guter Verwahrung, bis der kommt, welcher nur siebenhundert Gulden verloren hat. Und dir da weiß ich keinen Rath, als du geduldest dich, bis derjenige sich meldet, -ro der deine achthundert Gulden findet." So sprach der Richter, und dabei blieb es. Hebel. 221. Die drei Brüder. Es war ein Mann, der hatte drei Söhne und weiter nichts im Vermögen als das Haus, worin er wohnte. Nun hätte jeder der Söhne gern nach dem Tode des Vaters das -Haus gehabt; dem Vater war aber einer so lieb wie der andere. Da wusste er gar nicht, wie er's ansangen sollte, dass er keinem zu nahe trete. Verkaufen wollte s er das Haus auch nicht, weil's von seinen Voreltern war, sonst hätte er das Geld unter sie getheilt. Da fiel ihm endlich ein Rath ein, und er sprach zu seinen Söhnen: „Geht in die Welt und versucht euch, und jeder lerne ein Handwerk! Wenn ihr dann wiederkommt, soll derjenige das Haus haben, der das beste Meisterstück macht." 10 Die Söhne waren damit zufrieden, und der älteste wollte ein Hufschmied, der zweite ein Barbier, der dritte aber ein Fechtmeister werden. Daraus bestimmten sie eine Zeit, wann sie wieder daheim zusammenkommen wollten, und zogen fort. Es traf sich auch, dass jeder einen tüchtigen Meister fand, wo 15 er was Rechtschaffenes lernte. Der Schmied musste des Königs Pferde beschlagen und dachte: Nun kann dir's nicht fehlen, du bekommst das Haus. Der Barbier rasierte lauter vornehme Herren und meinte auch, das Haus wäre schon sein. Der Fechtmeister bekam manchen Hieb, biss aber die Zähne zusammen und ließ sich's nicht verdrießen, denn 20 er dachte bei sich: Fürchtest du dich vor einem Hiebe, so kriegst du das Haus nimmermehr. Als nun die gesetzte Zeit um war, kamen sie bei ihrem Vater wieder zusammen; sie wussten aber nicht, wie sie die beste Gelegen¬ heit finden sollten, ihre Kunst zu zeigen, saßen beisammen und rath- 25 Wagten. Wie sie so saßen, kam auf einmal ein Hase übers Feld dahergelaufen. „Ei," sagte der Barbier, „der kommt wie gerufen," 138 nahm Becken und Seife, schäumte, bis der Hase in die Nähe kam, dann seifte er ihn in vollem Lause ein und rasierte ihm auch im 3» vollen Laufe sein Stutzbärtchen, und dabei schnitt er ihn nicht und that ihm an keinem Haare weh. „Das gefällt mir," sagte der Vater, „wenn sich die anderen nicht gewaltig anstrengen, so ist das Haus dein." Es währte nicht lange, so kam ein Herr in einem Wagen dahergefahren in vollem Jagen. „Nun sollt Ihr sehen, Vater, was 35 ich kann!" sprach der Hufschmied, sprang dem Wagen nach, riss dem Pferde, das in einemfort jagte, die vier Hufeisen ab und schlug ihm auch im Jagen vier neue wieder an. „Du bist ein ganzer Kerl," sprach der Vater, „du machst deine Sache so gut wie dein Bruder; ich weiß nicht, wem ich das Haus geben soll." Da sprach der dritte: io „Vater, lasst auch mich einmal meine Kunst zeigen!" und weil es anfieng zu regnen, zog er seinen Degen und schwenkte ihn in Kreuz¬ hieben über seinem Kopfe, dass kein Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen stärker ward und endlich so stark, als ob man mit Kannen vom Himmel gösse, schwang er den Degen immer schneller und blieb 45 so trocken, als säße er unter Dach und Fach. Wie der Vater das sah, erstaunte er und sprach: „Du hast das beste Meisterstück gemacht, das Haus ist dein." Die beiden anderen Brüder waren damit zufrieden, wie sie vorher gelobt hatten. Weil sie einander so lieb hatten, blieben sie alle 5» drei zusammen im Hause und trieben ihr Handwerk; und da sie so gut ausgelernt hatten und so geschickt waren, verdienten sie viel Geld. So lebten sie vergnügt bis in ihr Alter zusammen. Nach den Brüdern Grimm. 222. Schützrnlied. 1. Mit dem Pfeil, dem Bogen Durch Gebirg und Thal Kommt der Schütz gezogen Früh im Morgenstrahl. 2. Wie im Reich der Lüfte König ist der Weih, Durch Gebirg und Klüfte Herrscht der Schütze frei. 3. Ihm gehört das Weite; Was sein Pfeil erreicht. Das ist seine Beute, Was da fleugt und kreucht. Schiller. 139 223. Der "Wolf uncl cler iLuOlis. Der 'Wolf batte den Lucks bei sieb, und vas der lVolf volite, das musste der Lucks tkun, veil er der sekväckere var, und der lurbs väre gerne des Herrn los gevesen. Ls trug siek ru, dass sie beide durek den lVald giengen, v klettert er von Felsen zu Felsen, springt über die furchtbarsten Abgründe und eilt vorwärts, als habe er Flügel, da es die Rettung seines lieben Sohnes gilt. Endlich kommt er am Ziele seiner Wünsche an und hört schon in der Ferne die Stimme des geraubten Lieblings. „Er lebt noch," «s ruft er aus, „Gott sei gelobt und gedankt!" Bald vernimmt er, wie bas Kind mit den jungen Vögeln spricht und streitet, und noch einige Augenblicke, so hält er es geschützt in seinen Armen. — „Verruchter Aäuber!" ruft er, „jetzt könnte ich Gleiches mit Gleichem vergelten, bir in deiner Abwesenheit deine Kinder rauben oder sie am gegen- 7» uberliegenden Felsen zerschmettern. Aber ich kann's nicht, ich will's nicht; meine Freude ist zu groß, da Gott mir mein liebes Kind wendig und wohlbehalten wieder geschenkt hat." Leseb. für slov.-utraquist. Mittelsch. 10 146 So entfernt er sich, sein Kind im Arme, geht mit dem sichern 7s Schritt der Bergbewohner denselben gefährlichen Weg zurück und erscheint eine Stunde später im heimatlichen Dorfe. Erstaunt strömt ihm jung und alt entgegen, um das Wunder der Rettung zu schauen und dem lieben Gott mit ihm gemeinschaftlich zu danken. Schulze-Steinmann-Kiel, Kinderschatz. 227. Der Edelfalk. G u st a v s Vater und Mutter waren schon längst gestorben, und der Kleine wurde bei seiner Tante erzogen, die sich leider nur wenig um ihn bekümmern konnte. Sie war nämlich eine arme Frau, die sich durch Waschen und Nähen außer dem Hause nur kümmerlich ernährte. s Nun kannte Gustav kein größeres Vergnügen, als zur Zeit, wo die Vögel im Walde ihre Nester bauen und Eier legen, den Wald von frühmorgens bis zum späten Abend zu durchstreifen, Nester zu suchen und die Eier herauszunehnien. Kein Baum war ihm zu hoch, er erkletterte ihn, kein Felsen zu steil, er klomm hinan, wenn ein in Nest seine Begierde reizte. Oft kam er von solchen Ausflügen mit zerrissenen Kleidern nach Hause. Die Tante schalt ihn dann aus und verbot ihm ein sür allemal, wieder in den Wald zu gehen. Aber wer nicht gehorchte, war unser Gustav. Kaum war die Tante ihrem Geschäfte nachgegangen, so lief er wieder wie ein Wetter in den is Wald hinein und suchte Nester nach wie vor. Die erbeuteten Eier verkaufte er, und das Geld wurde vernascht. Aber der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht, und wer nicht hören will, muss fühlen. Gustav marschierte eines Tages trotz des strengen Verbotes der ro Tante in den Wald. Er hatte etwa vor einer Woche in einer Fels¬ spalte das Nest eines Edelfalken entdeckt, war den Felsen hinan- geklommen und hatte statt der Eier halbflügge Junge im Neste gefunden. „Die will ich erst noch wachsen lassen, bis sie hinlänglich groß geworden sind," hatte er zu sich gesagt, „später bekomme ich rs wohl sür jeden Falken einen Thaler." Heute wollte er nun die jungen Raubvögel holen. Keck erstieg er, keine Gefahr achtend, den Felsen, erreichte das Nest, fand die jungen Falken gerade groß genug und war im Begriffe, sich ih^ 147 zu bemächtigen. Da kam unverhofft der alte Falke schreiend und kreischend herangeflogen, bemerkte die Gefahr, welche seine Jungen so bedrohte, flog wüthend auf Gustav los, packte mit seinen Krallen dessen Schultern und hieb mit dem Schnabel nach seinem Gesichte. Er verwundete den Knaben stark, riss ihm ein Auge aus und ließ nicht eher von ihm ab, bis Gustav die Flucht ergriff. Seine Wunden heilten nur langsam, sein Auge war dahin, und Z- er blieb entstellt sein Lebenlang. Da war er endlich klug geworden und ließ die Vogelnester in Ruhe. Franz Hoffmann. ASS. D«« M'/e«rrrreksterA seru Mätter-cke-r Ker-, »6ott Ar-üt? ^rrek/" so s/rrockt er- rrrret sonst nr'okts -nekr-. 10* 148 ck«s ck/Menc^en no^ ^usk: ,,ck/e?« n»rc^ sin^t a» ckes ZnnseHen ^2. Mre se^n «rrc^ ck'e Konus seru AnKrtr: nenönannt. Das ck/uttena-AA' ?'^u c^oo^ A^er'e/r sn^crunt. 229. Der Fuchs und der Krebs. Em Krebs kroch aus seinem Bache hervor auf das grüne Gras einer Wiese, wo er sich gütlich that. Da kam ein Fuchs daher, sah den Krebs langsam kriechen und sprach spöttisch zu ihm: „Herr Krebs, wie geht Ihr doch so gemächlich? Wer nahm Euch Eure 5 Schnelligkeit? Oder wann gedenkt Ihr über die Wiese zu kommen? Aus Eurem Gange merke ich wohl, dass Ihr besser hinterrücks als vorwärts gehen könnt!" Der Krebs war nicht dumm, er antwortete alsobald dem Fuchs: „Herr Fuchs, Ihr kennt meine Natur nicht. Ich bin edel und wert, w ich bin schneller und leichter und lause rascher als Ihr und Eure Art, und wer mir das nicht gönnt, den möge der Kuckuck holen. Herr Fuchs, wollt Ihr mit mir eine Wette lausen? Ich setze gleich ein Pfund zum Pfände." „Nichts wäre mir lieber," sprach der Fuchs; „wollt Ihr von n> Bern nach Basel laufen oder von Bremen nach Brabant?" „O nein," sprach der Krebs, „das Ziel wäre zu fern! Ich dächte, wir liefen eine halbe oder eine ganze Meile miteinander, das wird uns beiden nicht zuviel sein!" „Eine Meile, eine Meile!" schrie der Fuchs eifrig, und der so Krebs begann wieder: „Ich gebe Euch einen hübschen Vorsprung; ohne dass Ihr den annehmet, mag ich gar nicht lausen." „Und wie soll der Vorsprung beschaffen sein?" fragte der Fuchs neugierig. Der Krebs antwortete: „Gerade eine Fuchslänge soll er beschaffen sein. Ihr tretet vor mich, und ich trete hinter Euch, dass 25 Eure Hinterfüße an meinen Kopf stoßen, und wenn ich sage: ,Nun wohl hin!^ — so fangen wir an zu laufen." Dem Fuchs gefiel die Rede wohl; er sagte: „Ich gehorche Euch in allen Stücken." Und da kehrte er dem Krebse sein Hintertheil zu mit dem großen und starken haarigen Schwänze, in den schlug 149 der Krebs seine Scheren, ohne dass der Fuchs es merkte, und rief: so „Nun wohl hin!" Und da lief der Fuchs, wie er in seinem Leben noch nicht gelaufen war, dass ihm die Füße schmerzten. Und als das Ziel erreicht war, so drehte er sich geschwind herum und schrie: „Wo ist nun der dumme Krebs? Wo seid Ihr? Ihr säumt gar zu lange!" Der Krebs aber, der dem Ziele jetzt näher stand als der Fuchs, rief ss hinter ihm: „Herr Fuchs! Was will diese Rede sagen? Warum seid Ihr so langsam? Ich stehe schon eine hübsche Weile hier und warte auf Euch! Warum kommt Ihr so saumselig?" Der Fuchs erschrak ordentlich und sprach: „Euch muss der Kuckuck hergebracht haben!" zahlte seine Wette, zog den Schwanz 40 ein und strich von dannen. Bechstein. 230. Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel. Es war einmal an einem Sonntagsmorgen in der Herbstzeit, just als der Buchweizen blühte. Die Sonne war golden am Himmel aufgegangen, der Morgenwind gieng frisch über die Stoppeln, die Lerchen sangen in der Luft, die Bienen summten in dem Buchweizen, und die Leute giengen in ihren Sonntagskleidern in die Kirche; kurz, s alles war vergnügt und der Igel auch. Dieser stand vor seiner Thür, hatte die Arme übereinander geschlagen, guckte dabei in den Morgenwind hinaus, trällerte ein Liedchen vor sich hin, so gut und so schlecht, als es nun eben am lieben Sonntagsmorgen ein Igel zu singen vermag. Indem er nun 10 uoch so halbleise vor sich hin sang, fiel ihm auf einmal ein, er könne wohl, während seine Frau die Kinder wüsche und anzöge, ein bisschen im Felde spazieren und dabei sich umsehen, wie seine Steckrüben ständen. Die Steckrüben waren das Nächste bei seinem Hause, und er pflegte mit seiner Familie davon zu essen, deshalb sah er sie denn is auch als die seinigen an. Der Igel machte die Hausthür hinter sich M und schlug den Weg nach dem Felde ein. Er war noch nicht sehr weit vom Hause und wollte just um den Schlehenbusch, der da vor dem Felde steht, hinaufschlendern, als ihm der Hase begegnete, der in ähnlichen Geschäften ausgegangen so war, nämlich um seinen Kohl zu besehen. Als der Igel des Hasen ansichtig wurde, bot er ihm einen freundlichen guten Morgen. Der iso Hase aber, der nach seiner Weise ein gar vornehmer Herr war und überaus hochfahrend dazu, antwortete nichts auf des Igels Gruß, s» sondern sagte zu ihm, wobei er eine gewaltig höhnische Miene annahm: „Wie kommt es denn, dass du schon bei so frühen: Morgen im Felde herumläufst?" — „Ich gehe spazieren," sagte der Igel. „Spazieren?" lachte der Hase, „mich dünkt, du könntest deine Beine auch wohl zu besseren Dingen gebrauchen." Diese Anwort verdross den Igel über 3« alle Maßen; denn alles kann er vertragen, aber auf seine Beine lässt er nichts kommen, eben weil sie von Natur schief sind. „Du bildest dir wohl ein," sagte nun der Igel, „dass du mit deinen Beinen mehr ausrichten kannst?" — „Das denk' ich," sagte der Hase. „Nun, es käme auf einen Versuch an," meinte der Igel, „ich wette: wenn wir 35 laufen, ich komme dir zuvor." — „Das ist zum Lachen, du mit deinen schiefen Beinen!" sagte der Hase, „aber meinetwegen mag es sein, wenn du so übergroße Lust hast. Was gilt die Wette?" — „Ein Goldstück und eine Flasche Brantwein," sagte der Igel. „Angenommen," sprach der Hase, „schlag ein, und dann kann's 4v gleich losgehen." — „Nein, so große Eile hat es nicht," meinte der Igel, „ich bin noch ganz nüchtern; erst will ich nach Hause gehen und ein bisschen frühstücken. In einer halben Stunde bin ich auf dem Platze." Darauf gieng der Igel, denn der Hase war es zufrieden. Unterwegs dachte der Igel bei sich: Der Hase verlässt sich aus 45 seine langen Beine, aber ich will ihn schon kriegen. Er dünkt sich zwar ein vornehmer Herr zu sein, ist aber doch ein dummer Kerl, und bezahlen muss er doch. Als nun der Igel zu Hause ankam, sagte er zu seiner Frau: „Zieh dich eilig an; du musst mit ins Feld hinaus." — „Was gibt es denn?" sagte die Frau. „Ich habe mit 5« dem Hasen um ein Goldstück und eine Flasche Brantwein gewettet; ich will mit ihm um die Wette laufen, und da sollst du dabei sein?" — „O mein Gott, mein Mann!" schrie des Igels Frau, „bist du nicht klug, hast du den Verstand verloren? Wie kannst du mit dem Hasen um die Wette laufen wollen?" — „Sei still, Weib," sagte der 55 Igel, „das ist meine Sache. Zieh dich an und dann komm mit!" Was wollte des Igels Frau machen? Sie musste wohl folgen, sie mochte wollen oder nicht. Als sie nun miteinander unterwegs waren, sprach der Igel zu seiner Frau also: „Nun paff' auf, was ich dir fagen werde. Sieh, 151 auf dem langen Acker dort wollen wir unfern Wettlauf machen. Der «o Hase läuft nämlich in der einen Furche und ich in der andern, und von oben fangen wir an zu laufen. Nun hast du weiter nichts zu thun, als du stellst dich hier unten in die Furche, und wenn der Hase auf der andern Seite ankommt, so rufst du ihm entgegen: Ich bin schon da!" «5 Damit waren sie beim Acker angelangt; der Igel wies seiner Frau den Platz an und gieng nun den Acker hinauf. Als er oben ankam, war der Hase schon da. „Kann es losgehen?" sagte der Hase. „Ja wohl," erwiderte der Igel. Und damit stellte sich jeder in seine Furche. Der Hase zählte: „Eins, zwei, drei!" und los gieng es wie 7« ein Sturmwind den Acker hinunter. Der Igel aber lief nur ungefähr drei Schritte, dann duckte er sich in die Furche nieder und blieb ruhig sitzen. Als nun der Hase im vollen Laufe unten ankam, rief ihm des Igels Frau entgegen: „Ich bin schon da!" Der Hase stutzte und rs verwunderte sich nicht wenig. Er meinte nicht anders, es wäre der Igel selbst, der ihm das zuriefe; denn bekanntlich sieht des Igels Frau gerade so aus wie ihr Mann. Der Hase aber meinte: „Das geht nicht nnt rechten Dingen zu/ Er rief: „Noch einmal gelaufen, wieder herum!" Und fort gieng so es wieder wie der Sturmwind, so dass ihm die Ohren am Kopfe flogen. Des Igels Frau aber blieb ruhig auf dem Platze. Als nun der Hase oben ankam, rief ihm der Igel entgegen: „Ich bin schon da!" Der Hase aber, ganz außer sich vor Eifer, schrie: „Nochmals gelaufen, wieder herum!" — „Mir recht," antwortete der Igel, ss „meinetwegen so oft, als du Lust hast." So lief der Hase dreiund- siebzigmal, und der Igel hielt es immer mit ihm aus. Jedesmal, wenn der Hase unten oder oben ankam, sagte der Igel oder seine Frau: „Ich bin schon da!" Zum vierundsiebzigstenmale aber kam der Hase nicht mehr zu oo Ende. Mitten auf dem Felde stürzte er zur Erde und blieb todt auf dem Platze. Der Igel aber nahm sein gewonnenes Goldstück und die Flasche Brantwein, rief seine Frau aus der Furche ab, und beide giengen vergnügt nach Hanse. Bechstein. 152 — 231. Die Voten des Todes. Vor alten Zeiten wanderte einmal ein Riese auf der großen Landstraße; da sprang ihm plötzlich ein unbekannter Mann entgegen und rief: „Halt! keinen Schritt weiter!" — „Was?" sprach der Riese, „du Wicht, den ich zwischen den Fingern zerdrücken kann, du 5 willst mir den Weg vertreten? Wer bist du, dass du so keck reden darfst?" — „Ich bin der Tod," erwiderte der andere; „mir widersteht niemand, und auch du musst meineu Befehlen gehorchen." Der Riese aber weigerte sich und fieng au, mit dem Tode zu ringeu. Es war ein langer, heftiger Kampf; zuletzt aber behielt der Riese die Ober- w Hand und schlug den Tod mit seiner Faust nieder, dass er neben einem Steine zusammensank. Der Riese gieng seiner Wege, und der Tod lag da besiegt und war kraftlos, dass er sich nicht wieder erheben konnte. „Was soll daraus werden," sprach er, „wenn ich da in der Ecke liegen bleibe? Es stirbt niemand mehr auf der Welt, und sie wird u> so mit Menschen angefüllt werden, dass sie nicht mehr Platz haben, nebeneinander zu stehen." Indem kam ein junger Mensch des Weges, frisch und gesund, sang ein Lied und warf seine Augen hin und her. Als er den halb Ohnmächtigen erblickte, gieng er mitleidig herzu, richtete ihn auf, M flößte ihm aus seiner Flasche einen stärkenden Trank ein und wartete, bis er wieder zu Kräften kam. „Weißt du auch," fragte der Fremde, indem er sich ausrichtete, „wer ich bin, und wem du wieder auf die Beine geholfen hast?" — „Nein," antwortete der Jüngling, „ich kenne dich nicht." — „Ich bin der Tod," sprach er, „ich verschone es niemand und kann auch mit dir keine Ausnahme machen. Damit du aber siehst, dass ich dankbar bin, so verspreche ich dir, dass ich dich nicht unversehens überfallen, sondern dir erst meine Boten senden will, bevor ich komme und dich abhole." — „Wohlan," sprach der Jüngling, „immer ein Gewinn, dass ich weiß, wann du kommst, und so lange »» wenigstens sicher vor dir bin!" Dann zog er weiter, war lustig und guter Dinge und lebte in den Tag hinein. Allein Jugend und Gesundheit hielten nicht lange aus; es kamen Krankheiten und Schmerzen, die ihn plagten. „Sterben werde ich nicht," sprach er zu sich selbst, „denn der Tod sendet erst seine Boten; ich wollte nur, s; die bösen Tage der Krankheit wären vorüber." 153 Sobald er sich gesund fühlte, fieng er wieder an, in Freuden zu leben. Da klopfte ihm eines Tages jemand auf die Schulter; er¬ blickte sich um, und der Tod stand hinter ihni und sprach: „Folge mir; die Stunde deines Abschiedes von der Welt ist gekommen!" — „Wie?" antwortete der Mensch, „willst du dein Wort brechen? 4« Hast du mir nicht versprochen, dass du mir, bevor du selbst kämest, deine Boten senden wolltest? Ich habe keinen gesehen." „Schweig!" erwiderte der Tod; „habe ich dir nicht einen Boten über den andern geschickt? Kam nicht das Fieber, stieß dich an, rüttelte dich und warf dich nieder? Hat der Schwindel dir nicht den 45 Kopf betäubt? Zwickte dich nicht die Gicht an allen Gliedern? Brauste dir's nicht in den Ohren? Nagte nicht der Zahnschmerz in deinen Backen? Ward dir's nicht dunkel vor den Augen? Über das alles, hat nicht mein leiblicher Bruder, der Schlaf, dich jeden Abend an mich erinnert? Lagst du nicht in der Nacht, als wärest du schon üo gestorben?" — Der Mensch wusste nichts zu erwidern, ergab sich in sein Geschick und gieng mit dem Tode fort. Bruder Grimm. 232. Die Wichtelmännrr. Es war ein Schuster ohne seine Schuld so arm geworden, dass ihm endlich nichts mehr übrig blieb als Leder zu einem einzigen Paar Schuhe. Nun schnitt er am Abend die Schuhe zu, die wollte er den nächsten Morgen in Arbeit nehmen; und weil er ein gutes Gewissen hatte, so legte er sich ruhig zu Bett, befahl sich dem lieben Gott und 5 schlief ein. Morgens, nachdem er sein Gebet verrichtet hatte und sich Mr Arbeit niedersetzen wollte, da standen die beiden Schuhe ganz sertig auf seinem Tisch. Er verwunderte sich und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er nahm die Schuhe in die Hand, um sie näher M betrachten; sie waren so sauber gearbeitet, dass kein Stich daran 10 falsch war, gerade als wenn es ein Meisterstück sein sollte. Bald darauf irat auch schon ein Käufer ein, und weil ihm die Schuhe so gut gefielen, so bezahlte er mehr als gewöhnlich dafür, und der Schuster konnte von dem Gelds Leder zu zwei Paar Schuhen erhandeln. Er schnitt sie abends zu und wollte den nächsten Morgen mit 15 srischem Muth an die Arbeit gehen; aber er brauchte es nicht, denn 154 als er aufstand, waren sie schon fertig, und es blieben auch nicht die Käufer aus, die ihm so viel Geld gaben, dass er Leder zu vier Paar Schuhen einkausen konnte. Er fand frühmorgens auch die vier Paar 20 fertig. Und so gieng's immerfort: was er abends zuschnitt, das war am Morgen verarbeitet, also dass er bald wieder sein ehrliches Aus¬ kommen hatte und endlich ein wohlhabender Mann ward. Nun geschah es eines Abends nicht lange vor Weihnachten, als der Mann wieder zugeschnitten hatte, dass er vor dem Schlafengehen 25 zu seiner Frau sprach: „Wie wär's, wenn wir diese Nacht aufblieben, um zu sehen, wer uns so hilfreiche Hand leistet?" Die Frau war's zufrieden und steckte ein Licht an; darauf verbargen sie sich in den Stubenecken hinter den Kleidern, die da aufgehängt waren, und gaben acht. Als es Mitternacht war, da kamen zwei kleine, niedliche, nackte so Männlein, setzten sich vor des Schusters Tisch, nahmen alle zugeschnittene Arbeit zu sich und fiengen an, mit ihren Fingerlein so behend und schnell zu stechen, zu nähen, zu klopfen, dass der Schuster vor Ver¬ wunderung die Augen nicht abwenden konnte. Sie ließen nicht nach, bis alles zu Ende gebracht war und fertig auf dem Tische stand, 35 dann sprangen sie schnell fort. Am andern Morgen sprach die Frau: „Die kleinen Männer haben uns reich gemacht, wir müssen uns doch dankbar dafür bezeigen. Sie laufen so herum, haben nichts am Leib und müssen frieren. Weißt du was? Ich will Hemdlein, Rock, Wams und Höslein für 40 sie nähen, auch jedem ein Paar Strümpfe stricken; mach' du jedem ein Paar Schühlein dazu!" Der Mann sprach: „Das bin ich wohl zufrieden." Und wie sie abends alles fertig hatten, legten sie die Geschenke statt der zugeschnittenen Arbeit zusammen auf den Tisch und versteckten sich dann, um mitanzusehen, wie sich die Männlein 45 dazu anstellen würden. Um Mitternacht kamen sie hereingesprungen und wollten sick- gleich an die Arbeit machen; als sie aber kein zugeschnittenes Leder, sondern die niedlichen Kleidungsstücke fanden, verwunderten sie sich erst, dann aber zeigten sie eine gewaltige Freude. Mit der größten 50 Geschwindigkeit zogen sie sich an, strichen die schönen Kleider ani Leib und sangen: „Sind wir nicht Knaben, glatt und fein? Was sollen wir länger Schuster sein!" 155 Dann hüpften und tanzten sie und sprangen über Stühle und Bänke. Endlich tanzten sie zur Thüre hinaus. Von nun an kamen sie ss nicht wieder; dem Schuster aber gieng es wohl, solang er lebte, und es gluckte ihm alles, was er unternahm. Brüder Grimm. 233. Das Wahrsten und die Stricknadeln. Es war einmal eine arme Frau, die gieng in den Wald, uni Holz zu lesen. Als sie mit ihrer Bürde auf dem Rückwege war, sah sie ein schwarzweißes Kätzchen hinter einem Zaune liegen; es schrie jämmerlich und war ganz abgemagert. Man konnte leicht sehen, dass es krank war, denn sein Fellchen war nicht glatt und glänzte nicht, s Die arme Frau streichelte es mitleidig, nahm es auf in ihre Schürze und trug es nach Hause. An der Hausthüre sprangen ihre beiden Kinder auf sie zu, und wie sie sahen, dass die Mutter etwas in ihrer Schürze trug, freuten sie sich; denn sie dachten, es würden süße Beeren aus dem Walde sein. Als sie aber in die Schürze hineinguckten 10 und das schwarzweiße Kätzchen sahen, freuten sie sich noch mehr und wollten es gleich haben. Die mitleidige Frau gab es aber nicht her; denn ihr war bange, die Kinder könnten es quälen; sie legte es zu Hause auf alte, weiche Kleider und gab ihm warme Milch zu trinken. Das that dem Kätzchen sehr wohl, es labte sich, wurde ganz munter 15 und leckte sein struppiges Fellchen mit der kleinen, rochen Zunge so lange, bis es wieder glatt und glänzend geworden war. Nun freuten sich die Kinder schon darauf, mit ihm zu spielen, aber hui! auf einmal war es fort und verschwunden, und keiner wusste, wo es hingekommen sein könnte. 20 Nach einiger Zeit gieng die arme Frau wieder in den Wald, und als sie mit ihrer Bürde Holz auf dem Rückwege wieder an den Zaun kam, wo das kranke Kätzchen gelegen war, stand auf derselben Stelle eine ganz vornehme Dame, in weißen Atlas gekleidet, der mit schwarzem Sammt verbrämt war; alles an ihr glänzte, besonders die 25 kohlschwarzen Augen, mit denen sie der armen Frau zuwinkte. Die Frau blieb stehen, und vor Verlegenheit rollte sie ihre Schürze. Als ihr die vornehme Dame nun aber auch mit der Hand winkte, trat sie näher, und, sieh da! die Dame warf ihr mit einemmal fünf Strick¬ nadeln in die Schürze, dann war sie weg. »0 156 Die arme Frau wusste nicht recht, was sie denken sollte; als ein Geschenk däuchte sie diese absonderliche Gabe doch gar zu gering. Sie gieng heim und legte die fünf Stricknadeln auf den Tisch, indem sie dachte: „Ja, hätte ich Garn oder Geld, mir Garn zu kaufen, Z5 dann wären die Nadeln gut; denn Strümpfe könnten wir alle wohl brauchen!" Als die Frau am nächsten Morgen ihr Lager verließ, that sie vor Erstaunen einen Freudenschrei; denn neben den Nadeln lag ein Paar fertig gestrickter Strümpfe auf dem Tisch; sie wunderte sich über alle 40 Maßen, und am nächsten Abend legte sie die Nadeln wieder auf den Tisch, und am Morgen daraus lagen neue Strümpfe da. Jetzt merkte sie, dass das Kätzchen eine verwandelte Fee gewesen war, die ihr zum Lohne für ihr Mitleid diese fleißigen Nadeln beschert hatte, und ließ dieselben nun jede Nacht stricken, bis sie und die Kinder genug hatten. 45 Dann verkaufte sie Strümpfe und bekam dafür Geld genug, so dass keine Noch mehr ins Haus kam und sie mit ihren Kindern glücklich war bis an ihr seliges Ende. B e chst ei n. 234. Kaiser Fran; Josef in der Schule. In demselben Jahre, als Erzherzog Karl den herrlichen Sieg bei Aspern erfocht, fanden auch im Süden unsers Vaterlandes gegen die Franzosen heiße Kämpfe statt. Insbesondere zwei Männer haben sich dort durch ihren heldenmüthigen Kampf für das Vaterland hohen 5 Ruhm erworben, die Hauptleute Hermann und Hensel. Ein einfaches Denkmal bezeichnet dem Wanderer die Stätte, wo beide mit ihren Kameraden gefallen sind. Einst unternahm unser erhabener Kaiser Franz Josef eine Reise dahin, nm dieses Denkmal zu besichtigen. Dabei besuchte er auch io das kleine Dorf P redil, welches sich unweit des Denkmales befindet. War das eine Freude und ein Jubel, als der Kaiser dort ankam! Die armen Leute hatten ihre Hütten mit Fähnlein und Reisig geziert, die Kinder standen vor dem Schulhause und sangen mit Heller Stimme das herrliche Lied: „Gott erhalte!" i5 Nachdem der Kaiser an mehrere Personen leutselige Fragen gerichtet hatte, trat er in das kleine Schulhaus, um dort einer Prüfung beizuwohnen. Da fiel ihm ein kleiner, aufgeweckter Junge auf, der 157 durch seine gescheiten Antworten alle übrigen übertraf. Der Kaiser ließ den Knaben aus der Bank treten und fragte ihn: „Wie heißest du?" „Franz." — „Wer ist dein Vater?" — „Er ist Bergmann." — 20 „Willst du auch ein Bergmann werden?" — „Nein, ich möchte am liebsten Soldat sein und auch so brav kämpfen wie die Helden, die da unten ein Denkmal haben." Diese Anwort gefiel dem Kaiser. Er erkundigte sich bei dem Lehrer um die nähern Verhältnisse der Familie. Als er hörte, dass 25 der Knabe arm, aber sehr fleißig und brav sei, ließ er sich den Namen des Kleinen aufschreiben. Dann verließ er die Schule. Da kani die Weihnachtszeit. Die hohen Berge um das Dörflein herum waren dicht mit Schnee bedeckt. Die Post musste oft mehrere Pferde vorspannen, um die steile Straße befahren zu können. Am 30 heiligen Abend bewegte sich der Postwagen gleichfalls langsam die Straße hinauf. Lustig klang das Lied des Postillons durch das stille Dörfchen. Auf einmal hielt der Postwagen an. Der Postillon sprang vom Kutschbocke und lud eine große Schachtel ab. Sie war vielfach versiegelt und trug in jedem der Siegel den kaiserlichen Adler. Sie 35 war für den braven Franz bestimmt. Als dieser mit zitternden Händen den Deckel abhob, fand er eine Menge Spielsachen, Bilderbücher und Soldaten darin, außerdem auch einen Brief, in welchem geschrieben stand, dass der Kaiser selbst dem bravsten Knaben des kleinen Gebirgsdorfes dieses Christgeschenk 40 sende. Man kann sich leicht denken, welchen Jubel diese kaiserliche Spende im ganzen Dorse hervorrief! Alles segnete den guten Kaiser, und zahlreiche Gebete stiegen zum Himmel empor für das Wohlergehen des gnädigen Monarchen. Franz hat dieses Weihnachtsgeschenk nie vergessen. Er lernte von nun an noch fleißiger als vordem. Nachdem er die Dorfschule verlassen hatte, kam er in eine Militärschule, wo er sich durch Fleiß und gutes Betragen vor allen Kameraden auszeichnete und zu einem tüchtigen Officier herangebildet wurde. Kummer-Branky-Hofbauer, Lesebuch. 158 236. Die Jahreszeiten. 1. Frühlingszeit, schönste Zeit, Die uns Gott der Herr verleiht! Weckt die Blümlein aus der Erde, Gras und Kräuter für die Herde, Lässt die jungen Lämmer springen. Lässt die lieben Vöglein singen. Menschen, eures Gottes denkt, Der euch so den Frühling schenkt! 2. Sommerzeit, heiße Zeit! Sonne brennt wohl weit und breit; Aber Gott schickt milden Regen, Schüttet alles Feld voll Segen, Schenkt dem Schnitter volle Ähren, Brots genug, uns all' zu nähren, Menschen, merkt es: Gott ist gut, Dass er so am Sommer thut! 3. Herbsteszeit, reiche Zeit! Gott hat Segen ausgestreut. Dass sich alle Bäume neigen Mit den fruchtbeladnen Zweigen; Schaut nun her mit Vaterblicken, Wie sich alle dran erquicken. Menschen, nehmt die Gaben gern, Aber ehret auch den Herrn! 4. Winterzeit, kalte Zeit! Aber Gott schenkt warmes Kleid, Dichten Schnee der kahlen Erde, Warmes Wollenfell der Herde, Federn weich den Vögelscharen, Dass sie keine Noth erfahren; Menschen, Haus und Herd auch euch! Lobt ihn, der so gnadenreich! Hey. 159 236. Die Mühle. Mein Weg führte mich am Fuße eines waldigen Hügels durch eine blumige Wiesenflur. Ich verfolgte den Bach, der sich in mancherlei Windungen durch dichtes Erlengebüsch dahinschlängelte. Da plötzlich vernahm ich ein Geräusch wie das Brausen eines Wasserfalles. Der Weg bog um den Hügel herum, und vor mir lag mitten im Gebüsch s die Mühle. In ein eng gemauertes Bett eingeschnürt, beschleunigte der Bach seinen Lauf, und rauschend stürzte sein Wasser auf die Schaufeln eines gewaltigen Rades, das sich in schnellen Kreisen lustig drehte. Aus der Mühle aber erscholl lautes Geklapper der Mehlkasten und dumpfes Tönen der Mühlsteine. Auf dem Hofe war ein buntbewegtes n> Leben der Enten, Hühner und Tauben, die sich an reichlich gestreutem Futterkorn gütlich thaten. Vor der Mühle hielten Bauernknechte mit schwer beladenen Eseln; mehlbestaubte Müllerburscheu halsen die Frucht¬ säcke abladen. In der Thüre des Hauses aber stand der Müller und schaute, zufrieden lächelnd, auf den sonnigen Hof und die geräumigen is Scheunen und Ställe, welche die Mühle umgaben. Zu seinen Füßen lag ein zottiger Hund und schlief. Bu s ch m a n n. 237. Heldenmuth. „Herr Capitän," sagte Maxwell, der Steuermann, „Herr Capitän, mir kommt's vor, als röche ich Feuer; aber ich kann nicht finden, wo es ist." Der Capitän zieht den Athem an sich und riecht's auch ; aber bald ist's ihm wieder, als wär' es nichts, bald riecht er's wieder. Er sucht alles durch und kann nichts finden. Aber mit der 5 Zeit wird der Brandgeruch ärger, und endlich in der Nacht, da schon das ganze Dampfschiff voll des angsterregenden Qualmes ist, ruft er: „Maxwell, ich hab's gefunden; die Flammen brechen bei dem Rade durch!" „Dann wende ich das Schiff dem Ufer zu," rief dieser entgegen, io denn er erkannte deutlich die furchtbare Gefahr. Aber er fasste sich. Als er sich allein sieht, blickt er zum Himmel auf und betet: „O all¬ mächtiger Gott, verleihe mir Stärke, jetzt treulich meine Pflicht zu erfüllen, und werde du selbst Tröster meiner Witwe und Vater meiner acht Waisen!" is 160 Darauf stehl er unbeweglich am Steuerruder, das Angesicht der nächsten Landspitze zugekehrt, und das Schiss stiegt daraus los wie ein Pseil. Die Matrosen wenden alle ihre Kräfte an, das Feuer zu dämpfen: aber die Wuth der Flammen wächst mit jeder Minute und treidt die en Maschine mit graufenerregender Gewalt, und das Schiff schießt durch die Wellen hin wie ein Sturmvogel. Alle Reisenden hatten sich auf dem Vordertheile zusammengedrängt; denn der gewaltige Luftzua ließ keinen Rauch dorthin kommen, sondern trieb denselben rückwärts. Du stand nur der arme Maxwell an seinem Steuerruder in dem erstick nden 25 Qualme. Der Capitän und die Matrosen thaten zwar, was sie konnten, um den Hintern Theil des Schiffes mit Wasser zu begießen; aber das that dem milchenden Brande keinen Einhalt. Schon fängt der Boden unter Maxwells Füßen an, sich zu entzünden; aber der Brave M weicht nicht von seinem Posten; denn in seiner Hand liegt jetzt das Leben von achtzig Personen. Immer geradehin nach dem Lande sieht sein Blick, immer gleich fest hält seine Hand das Ruder. Die Leute am Ufer sehen das brennende Schiff und richten Feuerzeichen auf, um den Unglücklichen zu zeigen, wo sie landen sotten. 35 Maxwell versteht's; er ist in größter Gefahr zu verbrennen, aber er bleibt. So fturmschnell das Schiff dahinsaust, er möchte ihm noch Flügel dazu geben; denn er merkt, es kann kaum einige Almuten mehr dauern, so sinkt es; und jetzt — jetzt ist's daran-da rückt er sein Steuerruder, und — rutsch, rutsch! — da sitzt das brennende Schiff auf dem Sande. Alle werden gerettet, und Maxwell wird auch ans Land getragen; aber wie sieht er aus! Seine Kleider fallen ihm wie Zunder vom Leibe, feine Füße sind verbrannt. Gott segnete die Hand des Arztes, und nach wenigen Wochen konnte Maxwell das Bett wieder verlassen. Er, der so viele Menschen 45 gerettet hatte, wurde auch den Seinen erhalten. Stern. 238. Das Thranrnkrüglein. Es war einmal eine Mutter und ein Kind, und die Mutter hatte das Kind, ihr einziges, lieb von ganzem Herzen und konnte ohne das Kind nicht leben und nicht sein. Aber da sandte der Herr eine große Krankheit, die wüthete unter den Kindern und erfasste 161 auch jenes Kind, dass es auf sein Lager sank und zum Tod erkrankte, s Drei Tage und drei Nächte wachte, weinte und betete die Mutter bei ihrem geliebten Kinde, aber es starb. Da erfasste die Mutter, die nun allein war auf der ganzen Gotteserde, ein gewaltiger und namenloser Schmerz, und sie aß nicht und trank nicht und weinte, weinte wieder drei Tage und drei Nächte lang ohne Aufhören und u> rief nach ihrem Kinde. Wie sie nun so voll tiefen Leides in der dritten Nacht saß an der Stelle, wo ihr Kind gestorben war, thränenmüde und schmerzens¬ matt bis zur Ohnmacht, da gieng die Thür auf, und die Mutter schrak zusammen, denn vor ihr stand ihr gestorbenes Kind. Das war is ein seliges Engelein geworden und lächelte süß wie die Unschuld und schön wie in Verklärung. Es trug aber in seinen Händchen ein Krüglein, das war schier übervoll. Und das Kind sprach: „O lieb Mütterlein, weine nicht mehr um mich! Siehe, in diesem Krüglein sind deine Thränen, die du um mich vergossen hast; der Engel der so Trauer hat sie in dieses Gefäß gesammelt. Wenn du nur noch eine Thräne um mich weinest, so wird das Krüglein überfließen, und ich werde dann im Grabe keine Ruhe haben. Darum, o lieb Mütterlein, weine nicht mehr um dein Kind; denn dein Kind ist wohl aufgehoben, ist glücklich, und Engel sind seine Gespielen." 25 Damit verschwand das todte Kind, und die Mutter weinte hinfort keine Thräne mehr, um des Kindes Grabesruhe und Himmels¬ frieden nicht zu stören. Bech stein. 239. ^Vis Illll LuIöiiLxlsgsI clis Lrsnksn In sineru Lxitals Zssunck ing-okts. Linst kam Luten spiegel naeb Mrnberg und seblug groiZe örieke an dis Kirebtburen. Darin gab er sieb kür einen berübwten ^rrt in allen Kranklieiten aus. Mn Ovaren eben viele Kranke in dem neuen Lxitale, und Feuerloch, das dem eines Kochofens gleicht. Über dem Feuer befindet sich ein großer Wasserkessel, der ringsum verschlossen ist. Dort wird Dampf entwickelt, der die Locomotive in Bewegung setzt. Der Mann, der sie leitet, heißt Locomotivführer. Er kann den Dampf durch eine Pfeife heranslassen, die oben am Kessel an- n> gebracht ist; das gellt so laut, dass es in den Ohren saust. Manchmal muss eine Locomotive dreißig und noch mehr Wagen ziehen mit schweren Gütern und Hunderten von Personen. Nun wollen wir uns an der Casse Fahrkarten nehmen und in einen Waggon des Zuges steigen. Aber fürchtet euch nicht, wenn wir durch M den Tunnel fahren; so nennt man einen durch einen Berg gegrabenen Stollen, durch den der Eisenbahnzug seinen Weg nimmt. Eine Zeitlang fährt man da ganz im Finstern. Umso größer ist nachher die Freude, wenn der Zug aus dem Tunnel herauskommt und es auf einmal wieder hell wird. Nach Feix und Jung. Aus Kummer-Branky-Hofbaners Lesebuch. 253. Eine Geschichte von Rübezahl. Eines Tages sonnte sich Rübezahl, der schelmische Geist des Riesengebirges, an der Hecke seines Gartens. Da kam ein Weiblein daher und erregte durch ihren sonderbaren Aufzug seine Aufmerksamkeit. Sie hatte ein Kind auf dem Arme, eines trug sie auf dem Rücken, eines leitete sie an der Hand, und ein etwas größerer Knabe trug 5 einen leeren Korb nebst einem Rechen; denn sie wollte eine Last Laub fürs Vieh laden. Lesed. für slov.-utraquist. Mittelsch- 12 178 Eine Mutter, dachte Rübezahl, ist doch wahrlich ein gutes Geschöpf! Schleppt sich da mit vier Kindern, wartet dabei ihres Berufes ohne in Murren und wird sich noch mit der Bürde des Korbes belasten müssen! Diese Betrachtung versetzte ihn in eine gutmüthige Stimmung, und er war geneigt, sich mit der Frau in eine Unterredung einzulassen Die Frau setzte ihre Kinder auf den Rasen und streifte Laub von den Büschen; indessen wurde den Kleinen die Zeit lang, und sie is fiengen an, heftig zu schreien. Alsbald verließ die Mutter ihr Geschäft, spielte und tändelte mit den Kindern, wiegte sie in Schlaf und gieng wieder an ihre Arbeit. Bald darauf stäche« die Mücken die kleinen Schläfer, und sie fiengen ihren Gesang von neuem an; die Mutter wurde darüber nicht ungeduldig, sie lief ins Holz, pflückte Erdbeeren 20 und Himbeeren und brachte sie den Kindern. Allein der Schreier, der vorher auf der Mutter Rücken ritt, wollte sich durchaus nicht befriedigen lassen, war ein eigensinniger, störriger Junge, der die Erdbeeren, die ihm die liebreiche Mutter darreichte, von sich warf und dazu schrie, als wenn er gespießt wäre. Darüber riss ihr doch endlich die Geduld: 25 „Rübezahl," rief sie, „komm und hole den Schreier!" Augenblicks erschien Rübezahl in Köhlergestalt, trat zum Weibe und sprach: „Hier bin ich, was ist dein Begehr?" Die Frau gerieth über die Erscheinung in großen Schrecken; da sie aber ein herzhaftes Weib war, sammelte sie sich bald und fasste Muth. „Ich ries dich ro nur," sprach sie, „meine Kinder schweigen zu machen; nun sie ruhig sind, bedarf ich deiner nicht. Habe Dank für deinen guten Willen!" „Weißt du auch," entgegnete Rübezahl, „dass man mich hier nicht ungestraft ruft? Ich halte dich beim Worte, gib mir deinen Schreier!" Darauf streckte er die rußige Hand nach dem Knaben aus. 35 Wie eine Gluckhenne mit dem stärkeren Feinde einen ungleichen Kampf beginnt, so fiel das Weib dem schwarzen Köhler wüthend in den Bart und rief: „Das Herz musst du mir erst aus dem Leibe reißen, ehe du mir mein Kind raubst!" Eines so muthvollen Angriffes hatte sich Rübezahl nicht versehen; 40 lachend wich er zurück. Das Weib, das sich bald beruhigt fühlte, raffte nun das Laub in den Korb und band oben daraus den kleinen Schreier. Weil aber die Bürde allzuschwer war, hals ihr Rübezahl den Korb ausnehmen. Darauf gieng sie ihres Weges. 179 Je weiter sie gieng, desto schwerer wurde der Korb, so dass sie 45 unter der Last schier erlag und alle zehn Schritte ausschnaufen musste. Das schien ihr nicht mit rechten Dingen zuzugehen; sie wähnte, Rübezahl habe ihr einen Possen gespielt und Steine unter das Laub gelegt; darum setzte sie den Korb auf den nächsten Rand und stürzte ihn um. Doch es fielen nur Laubblätter heraus und keine Steine. Also so füllte sie ihn wieder zur Hälfte und raffte noch so viel Laub ins Vortuch, als sie darin fassen konnte; aber bald wurde ihr die Last von neuem zu schwer, und sie musste nochmals ausleeren. Die rüstige Frau hatte gar oft Graslasten heimgetragen, doch solche Mattigkeit noch nie gefühlt. Dessenungeachtet besorgte sie bei ihrer Heimkunft den Haushalt, warf ss den Ziegen und den jungen Zicklein das Laub vor, gab den Kindern das Abendbrot, brachte sie in den Schlaf, betete ihr Abendgebet und schlief fröhlich ein. Die Morgenröthe weckte das geschäftige Weib zu ihrem Tage¬ werke aus dem gesunden Schlafe. Sie gieng zuerst mit dem Melkfasse ao ihrer Gewohnheit nach zum Ziegenstalle. Welch ein schreckenvoller Anblick! Das gute Hausthier, die alte Ziege, lag da, starr und steif, hatte alle Viere von sich gestreckt und war verschieden; die Zicklein aber verdrehten die Augen grässlich im Kopfe, streckten die Zunge weit heraus, und gewaltsame Zuckungen verriethen, dass sie der Tod «5 ebenfalls schüttelte. So ein Unglücksfall war der guten Frau noch nicht begegnet, seitdem sie wirtschaftete; ganz betäubt vom Schrecken sank sie auf ein Bündlein Stroh hin, hielt die Schürze vor den Augen und seufzte tief: „Ich unglückliches Weib, was fang' ich an?" Wie sie die Augen aufschlug, lag vor ihren Füßen ein Blättlein, 7» das schimmerte und blinkte so hell und hochgelb wie gediegenes Gold; sie hob es auf, besah's, und es war schwer wie Gold. Rasch sprang sie auf, lief damit zu ihrer Nachbarin und zeigte ihr den Fund. Diese erkannte das Blatt für reines Gold und zählte ihr dafür fünf Gulden dar auf den Tisch. Vergessen war nun alles Herzeleid. Solchen Schatz rs M Barschaft hatte das arme Weib noch nicht in ihrem Besitze gehabt. Sie lief zum Bäcker und kaufte Brot und Semmeln. Wie zappelten die Kleinen der fröhlichen Mutter entgegen, da sie hereintrat und ihnen das Frühstück austheilte! Sie überließ sich ganz der mütterlichen Freude, die hungrige Kinderschar zu sättigen, und nun war ihre nächste Sorge, 8« das todte Vieh beiseite zu schaffen. Aber ihr Erstaunen gieng über 12 * 180 alles, als sie vonungefähr in den Futtertrog sah und einen ganzen Hausen goldener Blätter darin erblickte. Daher schärfte sie geschwind das Küchenmesser, öffnete den Ziegenleichnam und fand im Magen 8S einen Klumpen Gold, so groß wie ein Apfel, und so auch nach Ver¬ hältnis in den Magen der Zicklein. Nun war das Weib mit den Kindern vor Noch geborgen. Nach Musäus. 254. Die Hausthiere. Franz ist bei einem Bauersmann gewesen, der hat ihm seinen Hof gezeigt. Hören wir, was Franz erzählt! Dicht am Thore stand eine Hütte, in der lag der große Haus¬ hund. Die Sonne schien ihm ins Gesicht; darum blinzelte er mit s den Augen. Manchmal schnappte er nach den Fliegen, die seinen Futtertrog umschwärmten. Bei Tage muss er ein wenig schlafen ; denn er wacht die ganze Nacht. Der Packan ist ein gar treuer Wächter. Still auf dem Boden lag die Katze. Plötzlich spitzte sie die Ohren und ringelte den Schweif; dann machte sie einen Sprung, und 10 richtig hatte sie die Maus erwischt. Nun führte mich der Bauer in den Stall. Da standen Kühe, Kälber und Ochsen; wir waren im Rinderstatt. Der Bauer sagte: „Da sind meine Milchkühe und da meine Zugochsen. Draußen auf dem Felde sind die Pferde, die ziehen den Pflug. Der Esel, der is träge Gesell, hat einen Sack Korn in die Mühle tragen müssen. Kommt er heim, so soll er einen Leckerbissen haben; ich habe ihm Disteln vom Felde mitgebracht. Jetzt komm zum zweiten Stalle! Dort sind meine Schafe. Ans der weichen Wolle, die sie tragen, wird der Tuchmacher feines Tuch so weben, und der Schneider soll dir einen schönen Rock daraus machen. Die Schafe sind gar nützliche Thiere. Da im Garten siehst du die genäschige Ziege. Sie würde lieber auf den Bergen umhersteigen und im Walde ihre Nahrung suchen. Hier muss ich sie mit einem langen Stricke an einen Pflock binden. 25 Wenn ich sie frei gehen ließe, würde sie meine jungen Obstbäume verderben. Hörst du es in dem niedrigen Stalle schnaufen und grunzen - Das sind die Mastschweine. Mit ihren Rüsseln wühlen sie im 181 Schmutz, und die großen, hängenden Ohren verdecken beinahe ihre Augen. Sie sehen gar unsauber aus, und doch wird uns der Schweine- 30 braten wohlschmecken. Ihre Borsten wird der Bürstenbinder zu Bürsten verwenden." „Kikeriki!" rief es lustig. Das war der Haushahn. Er stand auf einen Düngerhaufen und streckte den Hals mit den glänzenden Federn gar stolz in die Höhe. Dann nickte er mit dem Kopfe, auf dem as er den rochen Kamm wie eine Krone trug. Gern hätte ich ein paar Federn aus seinem Schwänze gehabt; aber die lässt sich der Hahn nicht nehmen. „Gluck, Gluck!" rief ängstlich die alte Henne. Da kamen die Küchlein herbei und krochen unter die Flügel der Mutter. 4» Gänse und Enten, große und kleine, schwammen auf dem Teiche umher; sie tauchten kopfunter ins Wasser und reckten ihre Beinchen in die Höhe. Der Truthahn im Hof kollerte, der Pfau schrie. Was für schöne Federn sah ich in seinem Schwänze, als er ein Rad schlug! -rs Aber seine Stimme klingt doch gar nicht schön. Auf hoher Säule stand das Taubenhaus. Friedlich flogen die zierlichen Tauben aus und ein. Als die Sonne untergieng, kamen die Knechte mit den Pferden vom Felde. Der Bauer hob mich auf den großen Rappen, und auf so dem ritt ich in den Stall. Ku m m e r - Br a n k y - H o fb a uer, Lesebuch. 255. Insä eines ^rrnen. 1. letz bin so gar ein armer Kann I7nä gebe Zan2 allein; leb möetzte svobl nur einmal noetz Reetzt trotzen Nutkes sein. 2. In meiner lieben Litern Haus ^Var ietz ein trotzes Kincl; Der bittre Lummer ist wein Tkeil, 8eit sie begraben sincl. 182 3. vor Releju Karton seli' iek klüku, led sok' die goldno Saat; Nein ist dor unkruektkaro ^iVoZ, Den LorZ' und Nüko trat. 4. voek weil' iek Zero mit stillem 4Vok In krokor klonsekon Lekwarm lind wünseko jodom Zuton lag 8o korzlick und so warm. 8. 0 reieker 6ott! Du liokost cloek Liekt KSN2 miek freudenleer! Lin sülZsr Irost für alle 4Volt LrAoüt siek Kimmelker. 6. kloek steift in jedem vörlloin ja Vein koilig Ilans empor; Vie OrZol nnd der (lkorgosanA Lrtönot jedem Okr. 7. Loek leuektet Lonne, klond und Ltern 8o liekevoll auek mir, lind wenn die ^kondZloeko kallt, va red' iek, lleim, mit dir. 8. Linst öklnet jedem Outen siek Vein Koker Lroudonsaal; Dann komm' auek iek im Leierkleid lind setze miek ans Nakl. IlNIanä. 286. Hans im Glück. Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient, da sprach er zu ihm: „Herr, meine Zeit ist herum, nun wollt' ich gern wieder heim zu meiner Mutter, gebt mir meinen Lohn." Der Herr antwortete: „Du hast mir treu und ehrlich gedient; wie der Dienst war, so soll s der Lohn sein," und gab ihm ein Stück Gold, das so groß als Hansens Kops war. Hans zog sein Tüchlein aus der Tasche, wickelte den Klumpen hinein, setzte ihn auf die Schulter und machte sich aus den Weg nach Haus. 183 Wie er so dahingieng und immer ein Bein vor das andere setzte, kam ihm ein Reiter in die Augen, der frisch und fröhlich auf einem u> muntern Pferde vorbeitrabte. „Ach," sprach Hans ganz laut, „was ist das Reiten ein schönes Ding! Da sitzt einer wie auf einem Stuhl, stößt sich an keinen Stein, spart die Schuhe und kommt fort, er weiß nicht wie." Der Reiter, der das gehört hatte, rief ihm zu: „Ei, Hans, warum läufst du auch zu Fuß?" — „Ich muss ja wohl," i.-> antwortete er, „da habe ich einen Klumpen Heimzutragen; es ist zwar Gold, aber ich kann den Kopf dabei nicht grad halten, auch drückt mir's auf die Schulter." — „Weißt du was," sagte der Reiter und hielt an, „wir wollen tauschen: ich gebe dir mein Pferd und du gibst mir deinen Klumpen." — „Von Herzen gern," sprach Hans, 20 „aber ich sage Euch, Ihr müsst Euch damit schleppen." Der Reiter stieg ab, nahm das Gold und half dem Hans hinauf, gab ihm die Zügel fest in die Hände und sprach: „Wenn's nun recht geschwind gehen soll, so musst du mit der Zunge schnalzen und hopp, hopp! rufen." Hans war feelenfroh, als er auf dem Pferde saß und so frank rs und frei dahinritt. Über ein Weilchen fiel's ihm ein, es sollte noch schneller gehen, und er fieng an, mit der Zunge zu schnalzen und hopp, hopp I zu rufen. Das Pferd setzte sich in starken Trab, und ehe fich's Hans versah, war er abgeworfen und lag in einem Graben, der die Äcker von der Landstraße trennte. Das Pferd wäre auch so durchgegangen, wenn es nicht ein Bauer aufgehalten hätte, der des Weges kam und eine Kuh vor sich her trieb. Hans suchte seine Glieder Zusammen und machte sich wieder auf die Beine. Er war aber verdrießlich und sprach zu dem Bauer: „Es ist ein schlechter Spass, das Reiten, zumal wenn mau auf so eine Mähre geräth wie diese, :u. die stößt und einen herabwirft, dass man den Hals brechen kann; ich setze mich nun und nimmer wieder auf. Da lob' ich mir Eure Kuh; da kann einer mit Gemächlichkeit hinterher gehen und hat obendrein seine Milch, Butter und Käse jeden Tag gewiss. Was gäb' ich drum, wenn ich so eine Kuh hätte!" — „Nun," sprach der Bauer, „geschieht w Euch ein so großer Gefallen, so will ich Euch wohl die Kuh für das Pferd vertauschen." Hans willigte mit tausend Freuden ein, der Bauer fchwang sich auf's Pferd und ritt eilig davon. Hans trieb seine Kuh ruhig vor sich her und bedachte den glücklichen Handel. „Hab' ich nur ein Stück Brot, und daran wird 45 184 mir's doch nicht fehlen, so kann ich, sooft mir's beliebt, Butter und Käse dazu essen; hab' ich Durst, so melke ich meine Kuh und trinke Milch. Herz, was verlangst du mehr?" Als er zu einem Wirtshaus kam, machte er halt, aß in der großen Freude alles, was er bei sich 5« hatte, sein Mittag- und Abendbrot rein auf und ließ sich für seine letzten paar Heller ein halbes Glas Bier einschenken. Dann trieb er seine Kuh weiter, immer nach dem Dorfe seiner Mutter zu. Die Hitze wurde aber drückender, je näher der Mittag kam, und Hans befand sich in einer Heide, die wohl noch eine Stunde dauerte. Da wurde sr es ihm ganz heiß, so dass ihm vor Durst die Zunge am Gaumen klebte. „Dem Ding ist zu helfen," dachte Hans, „jetzt will ich meine Kuh melken und mich an der Milch laben." Er band sie an einen dürren Baum, und da er keinen Eimer hatte, so stellte er seine Ledermütze unter; aber wie er sich auch bemühte, es kam kein Tropfen e,a Milch zum Vorschein. Und weil er sich ungeschickt dabei anstellte, so gab ihm das ungeduldige Thier endlich mit einem der Hinterfüße einen solchen Schlag vor den Kopf, dass er zu Boden taumelte und eine Zeitlang sich gar nicht besinnen konnte, wo er war. Glücklicher¬ weise kam gerade ein Metzger des Weges, der auf einem Schubkarren e.L ein junges Schwein liegen hatte. „Was sind das für Streiche!" rief er und half dem arnien Hans auf. Hans erzählte, was vorgefallen war. Der Metzger reichte ihm die Flasche und sprach: „Da trinkt einmal und erholt Euch! Die Kuh will wohl keine Milch geben! Das ist ein altes Thier, das höchstens noch zum Ziehen taugt oder 7« zum Schlachten." — „Ei, ei," sprach Hans und strich sich die Haare über den Kopf, „wer hätte das gedacht! Es ist freilich gut, wenn nran so ein Thier fürs Haus abschlachten kann, was gibt's für Fleisch Aber ich mache niir aus dem Kuhfleisch nicht viel, es ist mir nicht saftig genug. Ja, wer so ein junges Schwein hätte! Das schmeckt 7.-, anders, dabei noch die Würste!" — „Hört, Hans!" sprach da der Metzger, „Euch zuliebe will ich tauschen und will Euch das Schwein für die Kuh lassen." — „Gott lohn' Euch Eure Freundschaft!" sprach Hans, übergab ihm die Kuh und ließ sich das Schweinchen vow Karren losmachen und den Strick, woran es gebunden war, in die Hand geben. Hans zog weiter und überdachte, wie ihm doch alles nach Wunsch gienge; begegnete ihm ja eine Verdrießlichkeit, so würde sie doch 185 gleich wieder gut gemacht. Es gesellte sich darnach ein Bursche zu ihm, der trug eine schöne, weiße Gans unter dem Arme. Sie wünschten einander einen guten Tag und Hans fieng an, ihm von seinem Glück 85 zu erzählen, und wie er immer so vortheilhaft getauscht hätte. Der Bursche erzählte ihm, dass er die Gans zu einem Kindstaufschmause bringe. „Hebt einmal/ suhr er fort und packte sie bei den Flügeln, „wie schwer sie ist! Die ist aber auch acht Wochen lang genudelt worden. Wer in den Braten beißt, muss sich das Fett von beiden so Seiten abwischen." — „Ja," sprach Hans und wog sie mit der einen Hand, „die hat ihr Gewicht, aber mein Schwein ist auch keine Sau." Indessen sah sich der Bursche nach allen Seiten ganz bedenklich um, schüttelte auch wohl mit dem Kopfe. „Hört," fieng er daraus an, „mit Eurem Schwein mag's nicht ganz richtig sein. In dem Dorfe, 05 durch das ich gekommen bin, ist eben dem Bürgermeister eins aus dem Stall gestohlen worden. Ich fürchte, ich fürchte, Ihr habt's da in der Hand. Sie haben Leute ausgeschickt, und es wäre ein schlimmer Handel, wenn sie Euch mit dem Schweine erwischten: das geringste ist, dass Ihr ins finstere Loch gesteckt werdet." Den, guten Hans wo ward bang. „Ach Gott," sprach er, „helft mir aus der Noch! Ihr wisst hier herum bessern Bescheid; nehmt mein Schwein da und laset mir Eure Gans!" — „Ich muss schon etwas aufs Spiel setzen," antwortete der Bursche, „aber ich will doch nicht schuld sein, dass Ihr ins Unglück gerathet." Er nahm also das Seil in die Hand und w5 trieb das Schwein schnell auf einem Seitenwege fort; der gute Hans aber gieng, seiner Sorgen entledigt, mit der Gans unter dem Arme der Heimat zu. „Wenn ich's recht überlege," sprach er zu sich selbst, „habe ich noch Vortheil bei dem Tausche: erstlich den guten Braten, hernach die Menge von Fett, die herausträuseln wird, das gibt no Gänsefettbrot auf ein Vierteljahr; und endlich die schönen, weißen Federn, die lass' ich mir in mein Kopfkissen stopfen, und darauf will ich wohl ungewiegt einschlafen. Was wird meine Mutter für eine Freude haben!" Als er durch das letzte Dorf gekommen war, stand da ein »5 Scherenschleifer mit feinem Karren/ sein Rad schnurrte, und er sang dazu: „Ich schleife die Schere und drehe geschwind Und hänge mein Mäntelchen nach dem Wind. 186 iso Hans blieb stehen und sah ihm zu; endlich redete er ihn an und sprach: „Euch geht's wohl, weil Ihr so lustig bei Eurem Schleifen seid." — „Ja," antwortete der Scherenschleifer, „das Handwerk hat einen goldenen Boden. Ein rechter Schleifer ist ein Mann, der, sooft er in die Tasche greift, auch Geld darin findet. Aber wo habt iss Ihr die schöne Gans gekauft?" — „Die hab' ich nicht gekauft, sondern für mein Schwein eingetauscht." — „Und das Schwein?" — „Das hab' ich für eine Kuh gekriegt." — „Und die Kuh?" — „Die hab' ich für ein Pferd bekommen." — „Und das Pferd?" — „Dafür hab' ich einen Klumpen Gold, so groß als mein Kopf, gegeben." — iso „Und das Gold?" — „Ei, das war mein Lohn für sieben Jahre Dienst." — „Ihr habt Euch jederzeit zu helfen gewusst," sprach der Schleifer; „könnt Jhr's nun dahin bringen, dass Ihr das Geld in der Tasche springen hört, wenn Ihr aufsteht, so habt Ihr Euer Glück gemacht." — „Wie soll ich das anfangen?" sprach Hans. „Ihr müsst 135 ein Schleifer werden wie ich; dazu gehört eigentlich nichts als ein Wetzstein, das andere findet sich schon von selbst. Da hab' ich einen, der ist zwar ein wenig schadhaft, dafür sollt Ihr mir aber auch weiter nichts als Eure Gans geben; wollt Ihr das?" — „Wie könnt Ihr noch fragen," antwortete Hans, „ich werde ja zum glücklichsten uv Menschen auf Erden; habe ich Geld, sooft ich in die Tasche greise, was brauche ich da länger zu sorgen?" reichte ihm die Gans hin und nahm den Wetzstein in Empfang. „Nun," sprach der Schleifer und hob einen gewöhnlichen schweren Feldstein, der neben ihm lag, auf, „da habt Ihr noch einen tüchtigen Stein dazu, auf dem sich's 145 gut schlagen lässt und Ihr Eure Nägel gerade klopfen könnt. Nehmt ihn und hebt ihn ordentlich auf." Hans lud die Steine auf und gieng mit vergnügtem Herzen weiter; seine Augen leuchteten vor Freude. „Ich muss in einer Glückshaut geboren sein," rief er aus, „alles, was ich wünsche, trifit i5» nur ein wie einem Sonntagskind!" Indessen, weil er seit Tages¬ anbruch auf den Beinen gewesen war, begann er müde zu werden; auch plagte ihn der Hunger, da er allen Vorrath auf einmal in der Freude über die erhaltene Kuh aufgezehrt hatte. Er konnte endlich nur mit Mühe weitergehen und musste jeden Augenblick Haltmachen, 155 dabei drückten ihn die Steine ganz erbärmlich. Da konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, wie gut es wäre, wenn er sie gerade jetzt 187 nicht zu tragen brauchte. Wie eine Schnecke kam er zu einem Feld¬ brunnen geschlichen, wollte da ruhen und sich mit einem frischen Trunk laben: damit er aber die Steine im Niedersitzen nicht beschädigte, legte er sie bedächtig neben sich auf den Rand des Brunnens. Darauf im setzte er sich nieder und wollte sich zum Trinken bücken: da versah er's, stieß ein klein wenig an, und beide Steine plumpten hinab. Hans sprang, als er sie mit seinen Augen in die Tiefe hatte versinken sehen, vor Freuden auf, kniete dann nieder und dankte Gott mit Thränen in den Augen, dass er ihm auch diese Gnade erwiesen und 165 ihn auf eine so gute Art, und ohne dass er sich einen Vorwurf zu machen brauchte, von den schweren Steinen befreit hätte, die ihm allein noch hinderlich gewesen wären. „So glücklich wie ich," rief er aus, „gibt es keinen Menschen unter der Sonne!" Mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang er nun fort, bis er daheim bei seiner 170 Mutter war. Brüder Grimm. 287. Der brave Bauersmann. In dem schönen Lande Italien liegt an dem Flusse Etsch eine Stadt, die heißt Verona. Über den Fluss führte vor Jahren eine schöne Brücke, auf deren mittelstem Pfeiler ein Häuschen stand. In diesem Häuschen lebte ein Mann, der den Brückenzoll von Vorüber¬ gehenden oder -fahrenden einnahm und deswegen von den Leuten s kurzweg der Zöllner genannt wurde. In einem strengen Winter war der Etschfluss dick zugefroren, und weil plötzlich starkes Thauwetter eintrat, so schmolz der Schnee 'n den Gebirgen, und Ströme Wassers stürzten herab und schwellten den Fluss so sehr an, dass er die Eisdecke zerbrach, ehe man sich w dessen versah. Das Eis schwamm in mächtigen Stücken gegen die Brücke und riß, ehe der Zöllner mit Frau und Kindern flüchten konnte, hüben und drüben die Brückenbogen nieder, so dass er nirgends Mehr einen Ausweg fand. Das Eis drang immer zerstörender und gewaltiger heran, zertrümmerte nach und nach das übrige feste i- Gemäuer der Brücke, und nach wenigen Stunden war nichts mehr davon übrig als der einzige Pfeiler, auf dem des Zöllners Häuschen stund. Der Unglückliche, der seinen eigenen und seiner ganzen Familie Tod vor Augen sah, jammerte händeringend nach Hilfe. Aber obwohl 188 so viele Menschen an beiden Ufern des Flusses standen und auch Nachen zur Hand waren, so hatte doch niemand den Muth, den Kahn durch die rollenden Eisschollen zu zwingen, um den verzweifelnden Zöllner mit feiner Familie zu erretten. Ein reicher Graf sprengte heran, hielt einen mit Gold gefüllten S5 Beutel in die Höhe und rief: „Dies zur Belohnung dem, der es wagt, die unglückliche Familie des Zöllners zu retten!" Die umstehende Menge vernahm die Worte des edlen Grafen; aber keiner fand sich, das Wagestück zu versuchen, so lockend auch der Preis in den Ohren erklang. so Schon gab man alle Hoffnung für die Bedrängten auf; da schritt ein schlichter Landmann durch die Menge an das Ufer, löste einen Nachen, sprang hinein und zwängte mit starkem Arme und hohem Muthe den Kahn durch das krachende Eis und durch die rauschenden Wogen. Mit bangem Herzen schaute ihm die Menge nach, 35 mit bangem Herzen erwartete der Zöllner seinen Retter. Glücklich kam dieser an; aber der Nachen war zu klein, die ganze Familie zu fassen. Und dreimal wiederholte der Landmann sein kühnes Beginnen, dreimal fuhr er an den Pfeiler und wieder zurück und ruhte nicht, bis ihm die edle That ganz gelungen war. Die Geretteten überhäuften ihn mit Danksagungen und der Graf überreichte ihm den Beutel mit Goldstücken. Aber diesen wies der Landmann zurück. „Nicht für Geld," sagte er, „habe ich mein Leben gewagt' Schenkt es dem armen Zöllner, der all sein Hab und Gut verloren hat. 45 Ohne eine Antwort abzuwarten, zertheilte er die Menge der Umstehenden und verschwand in der Ferne. Lauter Beifallsruf folgte ihm nach. Sein Name ist nicht bekannt geworden, aber der liebe Gott im Himmel kennt ihn und wird den schlichten Landmann segnen st* 50 seinen Edelmuth. Franz Hoffmann. 288. Das Raupennest. Henriette machte einmal des Abends mit ihrer Mutter einen Spaziergang in das Feld. Sie war von ihr dazu gewöhnt, alles mit Aufmerksamkeit zu betrachten, was um sie her war. Dieses that he 189 auch jetzt. Auf einmal blieb sie stehen und rief: „Mutter, Mutter, komm geschwind her und sieh, was das ist!" 5 Die Mutter kam, und siehe, da war ein Nesselbusch, der ganz mit Raupen bedeckt war — lauter hässliche, schwarze Thiere mit stachlichtem Rücken und grünen Streifen zwischen den Stacheln. „Soll ich die Raupen todttreten?" fragte Henriette. — „Nein," sagte die Mutter, „denn, wie du siehst, nähren sie sich von den Nesseln und 10 sind also nicht schädlich. Wenn sie aber an einem Kirschbaume oder auf einer anderen nützlichen Pflanze säßen, dann dürftest du sie als schädliche Thiere todttreten. Höre, wie du dir mit diesen Thierchen eine recht große Freude machen kannst. Nimm sie mit nach Hause und füttere sie!" is „Ach ja," sagte Henriette, „das will ich thun." — Sie griff hastig zu, zog aber sogleich schreiend ihre Hand zurück, denn sie hatte nicht bedacht, dass die Nesseln brennen. „Kannst du denn die Nesseln nicht-abreißen, ohne dass sie dich brennen?" fragte die Mutter. Jetzt besann sich Henriette, zog das Schnupftuch aus der Tasche, nuckelte 2« es um die Hand und riß nun behutsam die Nesseln ab. Freudig trug sie die Raupen nach Hause, steckte sie mit den Nesseln in ein großes Glas, das ihr die Mutter dazu gab, und" band ein Papier darüber. „Aber willst du denn, dass deine Raupen ersticken sollen?" fragte die Mutter. — „Nein, das will ich nicht," antwortete Henriette. — „Nun, 25 so musst du kleine Löcher in das Papier stechen, damit frische Luft in das Glas kommt." — Dies that Henriette und hatte ihre Freude daran M sehen, wie die Raupen ein Blatt nach dem andern abfraßen. Als am andern Tage Henriette ihr Frühstück verzehrt hatte, fragte die Mutter: „Hast du denn auch an die Raupen gedacht und so ihnen ihr Frühstück gegeben?" — „O," sagte Henriette, „die Raupen haben noch das ganze Glas voll Nesseln." „Aber sieh sie an, sagte die Mutter, „ob sie nicht ganz vertrocknet sind. Dürre Nesseln können doch die armen Thiere nicht fressen. Da du die Gäste einmal angenommen hast, so ist es auch deine Pflicht, ihnen alle Tage frische Zs Aesseln zu holen und sie gut zu ernähren; denn sie selbst können es nun nicht mehr, da ihnen die Freiheit genommen ist." — Dies merkte sich Henriette und vergaß ihre kleinen Gäste nicht weiter. Fünf Tage hatte sie ihnen nun reichlich Futter gegeben und' fröhlich zugesehen, wie sie es verzehrten. Am sechsten Tage wollte sie 40 190 ihnen auch Futter geben; aber, o Wunder! da sie das Papier weg¬ nehmen wollte, hatten sich alle Raupen darangehängt. Mit den Hinterfüßen saßen sie theils am Papier, theils am Glase so fest, als ob sie angeleimt wären. Geschwind lief Henriette zur Mutter und 45 zeigte ihr die aufgehängten Raupen. Besorglich fragte sie: „Aber was fehlt ihnen denn, liebe Mutter? Ich habe sie alle Tage so reichlich gefüttert, und nun werden sie mir doch sterben." — „Sei ruhig," antwortete die Mutter, „sie werden nicht sterben, sondern dir noch viele Freude machen. Lass sie nur ungestört hängen." — Das that so Henriette und machte ganz behutsam das Glas wieder zu. Kaum war sie am folgenden Tage aus dem Bette, so lief sie nach deni Glase, und siehe, da gab es schon wieder etwas Neues. Die Raupen waren verschwunden, und nun hiengen lauter länglichrunde Püppchen da mit einer kleinen Krone auf dem Kopfe. Sie lebten und bewegten sich hin 55 und her. Henriette machte große Augen, schlug die Hände zusammen und wusste nicht, was sie dazu sagen solle. Endlich rief sie: „Mutter, Mutter, komm geschwind herbei und sieh, was aus meinen Raupen geworden ist!" — „Habe ich dir nicht gesagt," antwortete die Mutter, „dass sie dir noch viele Freude machen würden? Betrachte sie nur «o genau; sie haben ihre Häute abgestreift, die du hier hängen siehst, und haben sich verwandelt in Dinger, die man Puppen nennt. Lass sie nur hängen und sieh alle Tage nach dem Glase; vielleicht erblickst du etwas, das dir noch mehr Freude macht!" Henriette vergaß nicht, alle Tage nach dem Glase zu sehen; «5 aber ihrer Ungeduld währte es zu lange, ehe sie wieder eine Ver¬ änderung bemerkte, und beinahe hatte sie schon alle Hoffnung aus¬ gegeben. Einige Wochen waren schon vergangen, als Henriette auch einmal wieder nach ihrem Glase sah, und was erblickte sie? Da war alles in dem Glase voll schöner, bunter Schmetterlinge. „Ach, 7» sieh doch, liebste Mutter," rief sie, „was in meinem Glase ist!" Lächelnd kam die Mutter, und als nun beide genauer zusahen, erblickten sie ein neues Wunder. Ein Schmetterling, der in einer Puppe steckte, drückte mit seinen zarten Füßchen die Puppe voneinander und kroch heraus. Seine Flügel waren ganz klein und zusammengerollt 75 wie ein Stück Papier. Er lief geschwind am Glase hinauf und hängte sich an das Papier. Die Flügel wuchsen fast sichtlich, und nach einer Viertelstunde hiengen sie vollkommen da. So gieng es nun den ganzen 191 Vormittag. Immer ein Schmetterling nach dem andern kroch aus seiner Puppe heraus. Nach Tische waren sie alle ausgekrochen. „Nun kannst du dir noch eine Freude machen," sagte die Mutter. „Stelle 8« das Glas in den Garten, mache es auf und gib den Schmetterlingen die Freiheit." Dies that Henriette und freute sich unbeschreiblich, als sie sah, wie die Schmetterlinge herausflatterten und von einem Baume zum andern flogen. — Wenn sie hernach im Garten nmhergieng und einen braunen Schmetterling mit schwarzen Flecken sah, freute sie sich 85 allemal und dachte: du bist gewiss auch aus meinem Glase! Salzmaini. 289. Der geheilte Patient. Reiche Leute haben trotz ihres Vermögens doch manchmal allerlei Lasten und Krankheiten auszustehen, von denen der arme Mann nichts weiß; denn es gibt Krankheiten, die nicht in der Luft stecken, sondern in den vollen Schüsseln und Gläsern und in den weichen Sesseln und seidenen Betten. Dies lehrt uns folgende Geschichte von einem 5 reichen Amsterdamer. Den ganzen Vormittag saß er im Lehnsessel und rauchte Tabak, wenn er nicht zu träge war, oder sah müßig zum Fenster hinaus, aß aber zu Mittag doch wie ein Drescher, und die Nachbarn sagten manchmal: „Weht's draußen, oder schnauft der Nachbar so?" — io Den ganzen Nachmittag aß und trank er ebenso, bald etwas Kaltes, bald etwas Warmes, ohne Hunger und Appetit, aus lauter Lange¬ weile, bis an den Abend, so dass man bei ihm nicht recht sagen konnte, wo das Mittagessen aufhörte und das Abendessen anfieng. Nach dem Nachtmahle legte er sich ins Bett und war so müde, als 15 wenn er den ganzen Tag Steine abgeladen oder Holz gespalten hätte. Davon bekam er zuletzt einen dicken Leib, der so unbeholfen war wie M voller Sack. Das Essen wollte ihm nicht mehr schmecken; er konnte nicht recht schlafen, und er war lange Zeit, wie es manchmal geht, nicht recht gesund und nicht recht krank. Wenn man aber ihn 20 selber hörte, so hatte er 365 Krankheiten, nämlich jeden Tag eine andere. Alle Ärzte, die in Amsterdam waren, mussten ihm rächen. Er verschluckte ganze Flaschen voll Mixturen und ganze Schachteln Pulver und Pillen, und man nannte ihn zuletzt scherzweise nur die Zweibeinige Apotheke. Aber alle Arzneien halfen ihm nichts; denn er 25 192 befolgte nicht, was ihm die Ärzte anriethen und befahlen, sondern sagte: „Wozu bin ich ein reicher Mann, wenn ich wie ein Hund leben soll? und der Doctor will mich für mein Geld nicht gesund machen!" Endlich hörte er von einem Arzte, der hundert Stunden entfernt 3« wohnte, aber so geschickt wäre, dass die Kranken gesund würden, wenn er sie nur recht anschaue, und der Tod gienge ihm aus dem Wege, wo er sich sehen ließe. Zu diesem Arzte fasste der Mann ein Zutrauen und schrieb ihm über seine Krankheit. Der Arzt merkte bald, was ihm fehle, nämlich nicht Arznei, 3» sondern Mäßigkeit und Bewegung, und sagte: „Wart', dich will ich bald geheilt haben!" Deshalb schrieb er ihm ein Brieflein folgenden Inhaltes: „Guter Freund! Ihr habt eine schlimme Krankheit; doch wird Euch noch zu helfen sein, wenn Ihr folgen wollt. Ihr habt ein böses Thier im Bauche, einen Lindwurm mit sieben Mäulern. 4» Mit dem Lindwurm muss ich selber reden, und Ihr müsst zu mir kommen. Aber zunächst dürft Ihr weder fahren noch reiten, sondern müsst auf des Schusters Rappen zu mir kommen; sonst schüttelt Ihr den Lindwurm, und er beißt Euch die Eingeweide durch, sieben Därme auf einmal. Sodann dürft Ihr nicht mehr essen als zweimal 45 des Tages einen Teller voll Gemüse, mittags ein Bratwürstlein dazu und abends ein Ei, und am Morgen ein Fleischsüppchen mit Schnitt¬ lauch darauf. Was Ihr mehr esset, davon wird nur der Lindwurm größer, also dass er Euch die Leber erdrückt, und der Schneider hat Euch dann nimmer viel anzumessen, wohl aber der Schreiner. Dies 5« ist mein Rath, und wenn Ihr mir nicht folgt, so hört Ihr im andern Frühjahr den Kuckuck nimmer schreien. Thut, was Ihr wollt! Als der Patient diesen Brief gelesen hatte, ließ er sich sogleich den andern Morgen die Stiefel wichsen und machte sich auf den Weg, wie ihm der Doctor besohlen hatte. Den ersten Tag gieng es 55 so langsam, dass wohl eine Schnecke sein Vorreiter hätte sein können, und wer ihn grüßte, dem dankte er nicht, und wo ein Würmchen auf der Erde kroch, das zertrat er. Aber schon am zweiten und aM dritten Morgen kam es ihm vor, als wenn die Vögel schon lange nicht so lieblich gesungen hätten wie heute, und der Thau schien W «n so frisch und die Kornblumen im Felde so blau, und alle Leute, die ihm begegneten, sahen so freundlich aus, und er auch; und alle Morgen, wenn er aus der Herberge gieng, war's schöner, und er 193 gieng leichter und munterer dahin. Und als er am achtzehnten Tage in der Stadt des Arztes ankam und den andern Morgen aufstand, war es ihm so wohl, dass er sagte: „Ich hätte zu keiner ungelegeneren ss Zeit gesund werden können als jetzt, wo ich zum Doctor soll." Als er zum Arzte kani, nahm ihn dieser bei der Hand und sagte: „Jetzt erzählt mir noch einmal von Grund aus, was Euch fehlt!" Da sagte er: „Herr Doctor, mir fehlt gottlob nichts; nnd wenn Ihr so gesund seid wie ich, so soll mich's freuen." Der Arzt 7« sagte: „Das hat Euch ein guter Geist gerathen, dass Ihr meinen Rath befolgtet. Der Lindwurm ist jetzt abgestanden. Aber Ihr habt noch Eier von ihm im Leibe; daher musst Ihr wieder zu Fuß heim- gehen und daheim fleißig Holz sägen und nicht mehr essen, als Euch der Hunger ermahnt, damit die Eier nicht ausschlüpfen; dann könnt 75 Ihr ein alter Mann werden —" und lächelte dazu. Aber der reiche Fremdling sagte: „Herr Doctor, Ihr seid ein seiner Kauz, ich versteh' Euch wohl!" Und er folgte dem Rache und lebte 87 Jahre, 4 Monate nnd 10 Tage so gesund wie ein Fisch im Wasser. 8« Nach Hebel. 260. Zufriedenheit. 1. Was frag' ich viel nach Geld und Gut, Wenn ich zufrieden bin! Gibt Gott mir nur gesundes Blut, So hab' ich frohen Sinn Und sing' aus dankbarem Gemüth Mein Morgen- und mein Abendlied. 2. So mancher schwimmt in Überfluss, Hat Haus und Hof und Geld Und ist doch immer voll Verdruss Und freut sich nicht der Welt. Je mehr er hat, je mehr er will; Nie schweigen seine Klagen still. 3. Da heißt die Welt ein Jammerthal Und dünkt mir doch so schön, Hat Freuden ohne Maß und Zahl, Lässt keinen leer ansgehn. Leseb. fiir slov.-utraqinst. Mittelsch- 194 Das Käferlein, das Vögelein Darf sich ja auch des Maien sreun. 4. Und uns zuliebe schmücken ja Sich Wiese, Berg und Wald, Und Vögel singen fern und nah, Dass alles wiederhallt. Bei Arbeit singt die Lerch' uns zu. Die Nachtigall bei süßer Ruh. 5. Und wenn die goldne Sonn' aufgeht Und golden wird die Welt Und alles in der Blüte steht Und Ähren trägt das Feld, Dann denk' ich: „Alle diese Pracht Hat Gott zu meiner Lust gemacht!" 6. Dann preis' ich Gott und lob' ich Gott Und schweb' in hohem Muth Und denk': „Es ist ein lieber Gott Und meint's mit Menschen gut! Drum will ich immer dankbar sein Und mich der Güte Gottes freun." Miller. 261. Sprüche. 1. Zufriedenheit ist der größte Reichthum. 2. Strecke dich nach der Decke. 3. Wer den Heller nicht ehrt, Ist des Thalers nicht wert. 262. Frau Holle. Eine Witwe hatte zwei Töchter, davon war die eine schön und fleißig, die andere hässlich und faul. Sie hatte aber die hässliche und faule, weil sie ihre rechte Tochter war, viel lieber, und die andere musste alle Arbeit im Hause thun. Das arme Mädchen musste sich s täglich aus die große Straße neben einen Brunnen setzen und musste so viel spinnen, dass ihm das Blut aus den Fingern sprang. 195 Nun trug es sich zu, dass die Spule einmal ganz blutig war; da bückte es sich damit in den Brunnen und wollte sie abwaschen; sie sprang ihm aber aus der Hand und fiel hinab. Es weinte, lief zur Stiefmutter und erzählte ihr das Unglück. Sie schalt es heftig 10 und war so unbarmherzig, dass sie sprach: „Hast du die Spule hinunterfallen lassen, so hol' sie auch wieder herauf!" Da gieng das Mädchen zu dem Brunnen zurück und wusste nicht, was es anfangen sollte, lind in seiner Herzensangst sprang es in den Brunnen hinein, nm die Spule zu holen. Es verlor die Besinnung, und als es erwachte i» und zu sich selber kam, war es auf einer schönen Wiese; da schien die Sonne und waren viel tausend Blumen. Auf dieser Wiese gieng es fort und kam zu einem Backofen, der war voller Brot; das Brot aber rief: „Ach, zieh mich heraus, zieh mich heraus, sonst verbrenn' ich; ich bin schon längst ausgebacken!" so Da trat es mit dem Brotschieber herzu und holte alles heraus. Danach gieng es weiter und kam zn einem Baum, der Hieng voll Äpfel und rief ihm zu: „Ach, schüttle mich, schüttle mich, wir Äpfel sind alle miteinander reis!" Da schüttelte es den Baum, dass die Äpfel fielen, Äs regneten sie, und schüttelte so lange, bis keiner mehr oben war; r.> und als es alle in einen Hausen zusammengelegt hatte, gieng es auf dem Pfade weiter. Endlich kam es zu einem kleinen Hause, daraus guckte eine alte Frau; weil sie aber so große Zähne hatte, ward ihm angst, und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief ihm nach: »Was fürchtest du dich, liebes Kind? Bleib bei mir; wenn du alle so Arbeit im Hause ordentlich thun willst, so soll dir's gut gehen; nur musst du achtgeben, dass du mein Bett sorgsam machst und fleißig aufschüttelst, dass die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt; ich bin die Frau Holle!" Weil die Alte ihm so gut zusprach, so fasste sich das Mädchen ein Herz, willigte ein und begab sich in »-> ihren Dienst. Es that auch alles zu ihrer Zufriedenheit und schüttelte ihr das Bett immer gewaltig auf, dass die Federn wie Schneeflocken umherflogen; dafür hatte es auch ein gutes Leben bei ihr, kein böses Wort und alle Tage Gesottenes und Gebratenes. Nun war es eine Zeitlang bei der Frau Holle; da ward es w iwurig und wusste anfangs selbst nicht, was ihm fehlte. Endlich Merkte es, dass es Heimweh war; und obgleich es ihm hier viel tausendmal besser war als zu Hause, so hatte es doch ein Verlangen 13* - 196 dahin. Endlich sagte es zu ihr: „Ich habe Heimweh bekommen, und 4s wenn es mir auch noch so gut hier unten geht, so kann ich doch nicht länger bleiben, ich muss wieder hinauf zu den Meinigen." Die Frau Holle sagte: „Es gefällt mir, dass du wieder nach Haus verlangst, und weil du mir so treu gedient hast, so will ich dich selbst wieder hinaufbringen." Sie nahm es daraus bei der Hand und führte es vor so ein großes Thor. Das Thor ward aufgethan, und wie das Mädchen gerade darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen, und alles Gold blieb an ihm hängen, so dass es über und über davon bedeckt war. „Tas sollst du haben, weil du fleißig gewesen bist," sprach die Fran Holle und gab ihm auch die Spule wieder, die ihm in den Brunnen ss gefallen war. Darauf ward das Thor verschlossen, und das Mädchen befand sich oben auf der Welt, nicht weit von seiner Mutter Hause, und als es in den Hof kam, saß der Hahn aus dem Brunnen und rief: „Kikeriki, unsere goldene Jungfrau ist wieder hie!" Da gieng es hinein zu seiner Mutter, und weil es so mit Gold bedeckt ankam, «a ward es von ihr und der Schwester ganz gut ausgenommen. Das Mädchen erzählte alles, was ihm begegnet war; und als die Mutter hörte, auf welche Art es zu dem großen Reichthmne gekommen war, wollte sie der anderen hässlichen und faulen Tochter gerne dasselbe Glück verschaffen. Sie musste sich an den Brunnen os setzen und spinnen; und damit ihre Spule blutig ward, stach sie sich in die Finger und stieß die Hand in die Dornhecke. Dann warf sie die Spule in den Brunnen und sprang selber hinein. Sie kam wie die andere auf die schöne Wiese und gieng auf demselben Pfade weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brot wieder: ro „Ach, zieh mich heraus, zieh mich heraus, sonst verbrenn' ich; ich bin schonlängstausgebacken!" Die Faule aber antwortete: „Da hält' ich Lust, mich schmutzig zu machen; bleib sitzen, bis du schwarz wirst!" und gieng fort. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief: „Ach, schüttle mich, schüttle mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif!" 75 Sie antwortete aber: „Du kommst mir recht, es könnte mir einer auf den Kopf fallen!" und gieng weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam, fürchtete sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zähnen schon gehört hatte, und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tage that sie sich Gewalt an, war fleißig und folgte der Frau Holle, wenn so sie ihr etwas sagte: denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr 197 schenken werde. Am zweiten Tage aber fieng sie schon an zu faulenzen; am dritten noch mehr, da wollte sie morgens gar nicht aufstehen. Sie machte auch der Frau Holle das Bett nicht, wie sich's gebürte, und schüttelte es nicht, dass die Federn aufflogen. Des war die Frau Holle bald müde und sagte ihr den Dienst auf. Damit war die Faule 8L wohl zufrieden und meinte, nun werde der Goldregen kommen. Die Frau Holle führte sie auch zu dem Thor; als sie aber darunterstand, ward statt des Goldes ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet. „Das ist zur Belohnung deiner Dienste!" sagte die Frau Holle und schloss das Thor zu. So kam die Faule heim und war ganz mit Pech so bedeckt, und als sie der Hahn auf dem Brunnen sah, rief er: „Kikeriki, unsere schmutzige Jungfrau ist wieder hie!" Das Pech blieb aber an ihr hängen und wollte, solange sie lebte, nicht abgehen. Brüder Grimm. 263. Die Kreuzspinne. „Kinder, heute habe ich ein wunderbares Kunstwerk im Garten gesehen und auch die Bekanntschaft der Künstlerin gemacht. Kommt und folgt mir, denn es gibt etwas zu lernen!" Neugierig folgte mir das kleine, wilde Heer. Als wir im Garten waren, rief ich: „Nun sucht! Wer das Kunstwerk zuerst entdeckt, 5 erhält eine Belohnung." Die Kinder zerstreuten sich nach allen Seiten, suchten und suchten, kehrten aber unverrichteter Sache zurück. Da führte ich sie zu zwei nahe beieinander stehenden Obstbäumeu, Zwischen denen eine große Kreuzspinne ihr kunstvolles Netz aus¬ gespannt hatte. „Hier habt ihr das Kunstwerk, und in der Mitte io derselben seht ihr die Künstlerin sitzen," sagte ich, auf die Kreuz¬ spinne deutend. „Pfui! eine hässliche Spinne," rief das kleine Ännchen. „Nun, hässlich ist sie wohl nicht," entgegnete ich; „seht nur, wie schön ihr röthlichbrauner Leib mit weißen Punkten geschmückt ist, is und wie die zierliche Zeichnung ein Kreuz bildet!" „Aber sie ist giftig!" rief die Kleine wieder; „vor den giftigen Thieren fürchte ich mich." — „Du irrst, liebes Kind," belehrte ich die Spinnenfeindin, „in unseren Ländern gibt es nicht eine einzige giftige Spinne. Freilich kann sie mit ihren Beißzangen dich beißen, so und der Biss schmerzt wohl auch ein wenig, aber nicht mehr als ein 198 Nadelstich und hat nicht die geringsten Folgen." — „Es gibt aber doch auch eine giftige Spinne," sagte Fritz, der seine Schulweisheit gern auskramte. Zs „Weißt du auch, wo diese lebt?" fragte ich. „Auf der Insel Curcwao," war die Antwort; „sie sieht dunkelbraun aus und lebt unter der Erde; sie ist so giftig, dass man an ihrem Bisse sterben kann." „Da hast du wohl recht," entgegnete ich; „aber da wir hier und nicht auf den Antillen leben, haben wir uns vor keiner Spinne so zu fürchten. — Seht euch unsere Künstlerin und ihr Netz genau an! Wer unter euch vermag es, ohne Lineal und Zirkel ein so regelrechtes Netz auch nur zu zeichnen? Jeder Faden für sich ist wieder ein Kunstwerk; die stärkeren Fäden sind aus mehreren Tausenden feiner Fäden zusammengesponnen." Zs „Woher nimmt denn die Spinne die Seide zum Spinnen? sragte wieder das kleine Ännchen. „Seide?" lachte Fritz, „das wär' mir schöne Seide! Das ist ein zäher, klebriger Stoff, den die Spinne in ihrem dicken Hinterleibe trägt und aus den Spinnwarzen am Hinterleibe, an denen kleine Röhrchen sitzen, ausdrückt oder ausspritzt. 4« Die einzelnen Fädchen sind so fein, dass man sie ohne Vergrößerungs¬ glas gar nicht wahrnehmen kann, man kann mit bloßem Auge nur den zusammengesponnenen Faden erkennen." „Du hast dein Pensum gut gelernt," sagte ich und versprach den Kindern, den Spinnapparat der Künstlerin unter dem Mikroskope 4s zu zeigen. „Die Spinne," fuhr ich fort, „hat am Kopfe acht Augen, von denen vier in der Mitte und zwei auf jeder Seite sitzen, die wir aber nur als kleine schwarze Punkte wahrnehmen können/ Hierauf machte ich sie noch auf die hornartigen, fein zugespitzten und beweglichen Fangklauen aufmerksam, die wie die Giftzähne der s« Schlangen vorn eine kleine Öffnung haben und aus denen, wenn die Spinne ihren Raub packt, ein Saft fließt, der aber nur auf die kleineren Jnsecten als Gift wirkt. „Und jetzt," rief ich, „fangt mir eine Fliege, aber drückt sie nicht todt!" Es dauerte nicht lange, so kehrten die Kinder mit gefangenen ss Fliegen zurück; sie waren ins Haus geeilt, wo deren genug an den Fenstern summten. „Wer hat die größte gefangen?" fragte ich, und das war natürlich Fritz, der sich eine große Schmeißfliege auserlesen hatte. 199 „Nun merkt auf!" rief ich, nachdem ich den Brummer an den Flügeln gefasst hatte, „jetzt wollen wir unsere Künstlerin füttern." «« Ich warf die Fliege in das Netz: im Nu eilte die Spinne aus der Mitte herbei, packte den Brummer, wie er auch zappeln mochte, ver¬ wirrte ihn in die Fäden und sog dann behaglich ihren Raub aus. Die Kinder wollten nun noch mehr Fliegen in das Netz werfen; dem aber wehrte ich, denn die Spinne hatte an ihrem Brummer «s genug. „Lasst uns das Netz schonen," sagte ich, „die Spinne kann uns noch gute Dienste leisten, denn sie ist auch eine treffliche Wetter¬ prophetin. Wenn sie ihr Netz so groß gewebt hat wie hier, können wir auf gutes Wetter rechnen; putzt sie geschäftig an ihrem Netz, so soll Schwüle und Windstille folgen; fängt sie an, die Fäden einzu- 7« ziehen, so nimmt man an, dass es einen windigen Tag gibt; verkriecht sie sich aber in einen Winkel, dann wollen wir fein zu Hause bleiben, denn es könnte uns leicht ein Regen tüchtig auswaschen. — Merkt nur auf unsere Prophetin: sie sagt das Wetter sichrer voraus als ein Wetterglas." Reinhold. 264. Rothkäppchen. Es war einmal eine kleine, süße Dirne, die hatte jedermann lieb, der sie nur ansah, am allerliebsten aber die Großmutter, die wusste gar nicht, was sie alles dem Kinde geben sollte. Einmal schenkte sie ihm ein Käppchen von rothem Sammet, und weil ihni das so wohl stand und es nichts anderes mehr tragen wollte, hieß es nur das 5 Rothkäppchen. Da sagte einmal seine Mutter zu ihm: „Komm, Roth- käppchen, da hast du ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein, bring s der Großmutter hinaus; sie ist krank und schwach und wird sich daran laben. Geh aber ordentlich und lauf nicht vom Weg ab, sonst fällst du und zerbrichst das Glas, dann hat die kranke Großmutter nichts, w Sei auch hübsch artig, guck' nicht gleich in allen Ecken herum, wenn du in die Stube kommst, und vergiss nicht, ,Guten Morgen zu sagen. Rothkäppchen sagte: „Ich will schon alles gut ausrichten und gab der Mutter die Hand darauf. Die Großmutter aber wohnte draußen im Walde, eine halbe is Stunde von, Dorf. Wie nun Rothkäppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf. Rothkäppchen aber wusste nicht, was das für ein böses 200 Thier war, und fürchtete sich nicht vor ihm. „Guten Tag, Roth- käppchen," sprach er. „Schönen Dank, Wolf." — „Wo hinaus so so früh, Rothkäppchen?" — „Zur Großmutter." — „Was trägst du da unter der Schürze?" — „Kuchen nnd Wein. Gestern haben wir gebacken, da soll sich die kranke, schwache Großmutter etwas zugute thun und sich damit stärken." — „Rothkäppchen, wo wohnt deine Großmutter?" — „Noch eine gute Viertelstunde weiter im Wald, es unter den drei großen Eichbäumen, da steht ihr Haus, unten sind die Nusshecken, das wirst du ja wissen," sagte Rothkäppchen. Der Wolf dachte bei sich: „Das junge, zarte Mädchen, das ist ein fetter Bissen, der wird noch besser schmecken als die Alte; du musst es listig anfangen, damit du beide erschnappst." Da gieng er ein Weilchen Zv neben Rothkäppchen her, dann sprach er: „Rothkäppchen, sieh einmal die schönen Blumen, die ringsumher stehen; warum guckst du dich nicht um? Ich glaube, du hörst gar nicht, wie die Vöglein so lieblich singen? Du gehst ja für dich hin, als wenn du zur Schule giengest, nnd es ist so lustig hier draußen in dem Wald." 35 Rothkäppchen schlug die Augen auf, und als es sah, wie die Sonnenstrahlen durch die Bäume hin- und herhüpften und alles voll schöner Blumen stand, dachte es: „Wenn ich der Großmutter einen frischen Strauß mitbringe, wird er ihr Freude machen; es ist so früh am Tage, dass ich doch zur rechten Zeit ankomme," sprang in den 4v Wald und suchte Blumen. Und wenn es eine gebrochen hatte, meinte es, weiter hinaus stünde eine noch schönere, und lief danach und lief immer tiefer in den Wald hinein. Der Wolf aber gieng geradenwegs nach dem Hause der Gro߬ mutter und klopfte an die Thüre. — „Wer ist draußen?" — „Roth- 45 käppchen, das bringt Kuchen und Wein, mach' auf!" — „Drück' nur auf die Klinke," rief die Großmutter, „ich bin zu schwach und kann nicht aufstehen." Der Wolf drückte auf die Klinke, trat hinein und gieng, ohne ein Wort zu sprechen, gerade an das Bett der Großmutter und verschluckte sie. Da nahm er ihre Kleider, that sie an, setzte ihre 5« Haube auf, legte sich in ihr Bett und zog die Vorhänge vor. Rothkäppchen aber war derweil nach den Blumen gelaufen, und als es so viel hatte, dass es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Großmutter wieder ein, und es machte sich auf den Weg zu ihr. Es wunderte sich, dass die Thüre offen stavd, und wie es in die Stube — 201 - trat, so kam es ihm so seltsam darin vor, dass es dachte: „Ei, du 55 mein Gott, wie ängstlich wird mir's heut zumuthe, und ich bin sonst so gerne bei der Großmutter!" Es sprach: „Guten Morgen!" bekam aber keine Antwort. Darauf gieng es zum Bett und zog die Vorhänge zurück. Da lag die Großmutter und hatte die Haube tief ins Gesicht gezogen und sah so wunderlich aus: „Ei, Großmutter, was hast du «0 für große Ohren!" — „Dass ich dich besser hören kann." — „Ei, Großmutter, was hast du für große Hände?" — „Dass ich dich besser packen kann." — „Aber, Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul!" — „Dass ich dich besser fressen kann." Und wie der Wolf das gesagt hatte, that er einen Satz aus dem «5 Bett auf das arme Rothkäppchen und verschlang es. Wie der Wolf sein Gelüst gestillt hatte, legte er sich wieder ins Bett, schlief ein und fieng an zu schnarchen. Der Jäger gieng eben vorbei und dachte bei sich: „Wie kann die alte Frau so schnarchen? du musst einmal nachsehen, ob ihr etwas fehlt." Da trat er in die w Stube, und wie er vor das Bett kam, so lag der Wolf darin. „Finde ich dich endlich, alter Graukopf," sagte er, „ich habe dich lange gesucht. Nun wollte er seine Büchse anlegen, da fiel ihm ein, der Wolf könnte die Großmutter gefressen haben, und sie wäre noch zu retten, er schoss nicht, sondern nahm eine Schere und fieng an, dem schlafenden Wolfe 75 den Bauch aufzuschneiden. Wie er ein paar Schnitte gethan hatte, da sah er das rothe Käppchen leuchten, und noch ein paar Schnitte, da sprang das Mädchen heraus und rief: „Ach, wie war ich erschrocken, wie war's so dunkel in dem Leibe des Wolfes! lind dann kam die Ate Großmutter auch noch lebendig heraus und konnte kaum athmen. so Nothkäppchen aber holte geschwind große Steine, damit füllten sie dem Wolfe den Leib, und wie er aufwachte, wollte er aufspringen, aber die Steine waren so schwer, dass er gleich niedersank und sich todtfiel. Da waren alle drei vergnügt. Der Jäger nahm den Pelz vom Wolf, die Großmutter aß den Kuchen und den Wein, den Rothkäppchen sz gebracht hatte, und erholte sich wieder, Rothkäppchen aber dachte: „Du willst dein Lebtag nicht wieder allein vom Wege ab in den Wald laufen, wenn dir's die Mutter verboten hat." Brüder Grimm. 202 265. Lis (Zuslls. .vlk 6 rt war aus der Ltadt zu seinem Onkel auks kand gekommen. Las Lork, in welebem der Onkel wobnte, lag m sinem kkale, dureb das sieb sin groker Laeb in vielen Bindungen zog; mebrere bolzerne 8tege und eins steinerne LrUeke kübrteu s über denselben. Von der LrUeke berab sab Sibert okt in das belle 'VVasser, woinn visis Liseblein idr 8pisl trieben. Albert kätte gern geseben, voller der Laeb komme, uvä auk seins Litte unternabm der Onkel mit ikm sins anderung nn clem Laebe aukwärts. m ,,^uk welekor 8eits des Laebes liegt mein Klaus, auk äer reckten ocler cler linken?" kragte ilm cler Onkel, 6a sie über die Krücke giengen. „.kuk cler recktenantwortete Albert. „8teken wir auk einer Lrüeke un6 geben clem Iranke (les Wassers naeb, clanu c5 baden wir zur reebten Land das rscbto Oker und zur linken Land das links. 0, das babs ieb sebon gelernt!" .-Vuk dem ^Vegs dureb das Lork lisk Albert dsn Laeb nickt aus dsn rVngen. Klier sab er eine Läneriv Nasser seböpken und mit einer OieLkanne dis KVäsebe auk dem Rasenxlatze am Lacke s« bsksuebten. Dort wieder sab er Nadebsn KVasser zum Legieüen der ölumsn und Küebengewäebse in einen Karten tragen. .letzt vernabm er das laute lvlappern sinsr Nüble, und als sis an dieser vorbeigiengen, bstracbtete er das groke Wasserrad, über das ein abgeleiteter ^rm des Laebes rausckte. Line Ltreeke weiter 25 oben wurden sie von einem körmlicben Platzregen überrascbt, der Uber das Laeb eines kleinen Hauses berkam; es wurde nämliek binter dem 8xritzenbäusebsn die Kemeindespritze versnobt. ^.m obern Lnde des vorkes tbsilte sieb das Lbal. Lier Kess der Laeb aus zwei kleinern Läeben zusammen. Die beiden so 8paziergäuger dielten sieb an das stärkere Läeblein und scblugen eine östlicbe Liektung ein. Lier lag binter dem letzten Lauern- banse ein Leicb. „La ist dis Quelle!" riek Albert aus, als er den keieb erbliekte. Lr daebts nämlieb, die (Quelle eines Lacbes müsse ein groLer l^asservorratb sein. Der Onkel zeigte ikm — 203 - aber vom Damm aus das Läeklein, das ^viseben Lebilk und 35 Linsen in den veieb boss. Kun giengen die beiden vom ^Vege ab üb ei' eine keuebte ^Vieso, die von dem Läeblein durebsebnitten war. Hinter der ^Viess bob sieb der Loden und wurde trockener. Liier wuebsen Ltraoeber, Lromdser- und llimbeerbeeken. Vas wandern wurde 4» Dt^t kür die beiden immer besebwerlieber. 8ie stiegen einen bewaldeten ^bbang binan. Zuweilen mussten sie über velsen- stüelre klettern und Zuletzt in einer engen Lpalte emxorklimmen. väubg benetzte sie das Läeblein, das bier einige LVasserkälle bildete, mit seinem Lprübregen. Kaeb mübevollem Lteigen ge- 45 langten sie auk eine vlaebe, die älbert als eine kleine lloebebene erklärte. Vinter dieser boeb gelegenen vläebe gieng es steil ^u einem Oipksl empor. „Nüssen wir aueb da noeb binauk?" kragte Albert, der sebon etwas müde geworden war. „LVir werden unser -liel so uoeb auk dieser 8tuke erreicben," tröstete der Onkel; „dis (juelle entspringt bier auk der verrasse des Lerges." vnd riebtig, dort, vo sieb an den bintern Rand der Ltuke der oberste Vkeil des Lerges ansetrte, kam aus dem Oestein das klare Nasser bervor. ^n seiner ^usgangsstelle sammelte es sieb in einer kleinen .>.> Vertiekung des Lodens, die mit LIumen und Kräutern umgeben var. Vas war der Ursprung des Laebleins, die gesuebte Quelle. „iVeb, ist die klein!" riek Albert verwundert aus; „die könnte man ja mit einem breitkrempigen vute verdecken, und das ^Vässerlein, das aus ibr tliel.lt, vermöebte ieb mit meinem c>» lulle aukxubalten. Lind denn alle (Zuellen so klein?" „Vie meisten Ouellen, die ieb kenne," sagte der Onkel, »sind niebt gröl.»er; doob babe ieb aueb einige geseken, aus denen gleieb ein starker Laeb bervorkowmt. Vs ist mit den Läeben eben wie mit den Nenseben. Vie meisten müssen von «5 kleinem ankangen; aber wenn sie nur im vauke des Ledens »Iles öuratbe kalten, so bringen sie es okt ebensoweit wie jene, die gleieb groll angekangen baden." L r n s t. 204 L 266. Das Bächlein. Du Bächlein, silberhell und klar. Du eilst vorüber immerdar" Am Ufer steh' ich, sinn' und sinn': Wo kommst du her? Wo gehst du hin? — „Ich komm' aus dunkler Felsen Schoß, Mein Lauf geht über Blum' und Moos; Auf meinem Spiegel schwebt so mild Des blauen Himmels freundlich Bild. Drum hab' ich frohen Kindersinn, Es treibt mich fort, weiß nicht wohin; Der mich gerufen aus dem Stein, Der, denk' ich, wird mein Führer fein/' Rudolphi- 267. Dornröschen. Vorzeiten war ein König und eine Königin, die bekamen ein so schönes Mädchen, dass der König vor Freude sich nicht zu fassen wusste und ein großes Fest veranstaltete. Er lud nicht bloß seine Verwandten, Freunde und Bekannten, sondern auch die weisen Frauen s dazu ein, damit sie dem Kinde hold und gewogen wären. Es waren ihrer dreizehn in seinem Reiche; weil er aber nur zwölf goldene Teller hatte, von welchen sie essen sollten, so musste eine von ihnen daheim bleiben. Das Fest ward mit aller Pracht gefeiert, und als es zu Ende war, beschenkten die weisen Frauen das Kind mit ihren Wundergaben: i» die eine mit Tugend, die andere mit Schönheit, die dritte mit ReichthuM, und so mit allem, was auf der Welt zu wünschen ist. Als elf ihre Wünsche eben gethan hatten, trat plötzlich die dreizehnte herein. Sie wollte sich dafür rächen, dass sie nicht eingeladen war, und ohne jemand zu grüßen oder nur anzusehen, rief sie mit lauter Stimme' is „Die Königstochter soll sich in ihrem fünfzehnten Lebensjahre an einer Spindel stechen und todt hinfallen." Und ohne ein Wort weiter zu sprechen, kehrte sie sich um und verließ den Saal. Alle waren erschrocken, da trat die zwölfte hervor, die ihren Wunsch noch übrig hatte, und weil sie den bösen Spruch nicht aufheben, sondern nur ihn milderst 205 konnte, so sagte sie: „Es soll aber kein Tod sein, sondern ein hundert- 2» jähriger tiefer Schlaf, in welchen die Königstochter fällt." Der König, der sein liebes Kind vor dem Unglück gern bewahren wollte, ließ den Befehl ausgehen, dass alle Spindeln im ganzen König¬ reiche verbrannt werden sollten. An dem Mädchen aber wurden die Gaben der weisen Frauen sämmtlich erfüllt; denn es war so schön, 25 sittsam, freundlich und verständig, dass es jedermann, der es ansah, lieb haben musste. Es geschah, dass an dem Tage, wo es gerade fünfzehn Jahre alt ward, der König und die Königin nicht zu Hause waren und das Mädchen ganz allein im Schlosse zurückblieb. Da gieng es allerorten 3» herum, besah Stuben und Kammern, wie es Lust hatte, und kam endlich auch an einen alten Thurm. Es stieg die enge Wendeltreppe hinauf und gelangte zu einer kleinen Thür. In dem Schlosse steckte ein verrosteter Schlüssel, und als es ihn umdrehte, sprang die Thür auf, und in einem kleinen Stübchen da saß eine alte Frau mit einer 3r Spindel und spann emsig ihren Flachs. „Guten Tag, du altes Mütterchen," sprach die Königstochter, „was machst du da?" — „Ich spinne," sagte die Alte und nickte mit dem Kopf. „Was ist das für ein Ding, das so lustig herumspringt?" sprach das Mädchen, nahm die Spindel und wollte auch spinnen. Kaum hatte sie aber die Spindel 4» angerührt, so gieng der Zauberspruch in Erfüllung, und sie stach sich damit in den Finger. In dem Augenblicke aber, wo sie den Stich empfand, fiel sie auf das Bett nieder, das da stand, und lag in einem tiefen Schlaf, sind dieser Schlaf verbreitete sich über das ganze Schloss: der König 45 und die Königin, die eben heimgekommen und in den Saal getreten waren, fiengen an einzuschlafen und der ganze Hofstaat mit ihnen. Da schliefen auch die Pferde im Stall, die Hunde im Hofe, die Tauben auf dem Dache, die Fliegen an der Wand, ja das Feuer, das ans dem Herde flackerte, ward still und schlief ein, und der Braten hörte 50 auf zu brodeln, und der Koch, der den Küchenjungen, weil er etwas versehen hatte, an den Haaren ziehen wollte, ließ ihn los und schlief. Und der Wind legte sich, und auf den Bäumen vor dem Schlosse regte sich kein Blättchen mehr. Rings um das Schloss aber begann eine Dornenhecke zu wachsen, ss die jedes Jahr höher ward und endlich das ganze Schloss umzog und 206 darüber hinaus wuchs, dass gar nichts mehr davon zu sehen war, selbst nicht die Fahne auf dem Dache. Es gieng aber die Sage im Lande von dem schönen schlafenden Dornröschen, denn so ward die «o Königstochter genannt, also dass von Zeit zu Zeit Königssöhne kamen und durch die Hecke in das Schloss dringen wollten. Es war ihnen aber nicht möglich, denn die Dornen hielten fest zusammen, als hätten sie Hände, und die Jünglinge blieben darin hängen, konnten sich nicht wieder losmachen und starben eines jämmerlichen Todes. «5 Nach langen, langen Jahren kam wieder einmal ein Königssohn in das Land und hörte, wie ein alter Mann von der Dornhecke erzählte, es sollte ein Schloss dahinter stehen, in welchem eine wunder¬ schöne Königstochter, Dornröschen genannt, schon seit hundert Jahren schliefe, und mit ihr schliefe der König und die Königin und der 7« ganze Hofstaat. Er wusste auch von seinem Großvater, dass schon viele Königssöhne gekommen wären und versucht hätten, durch die Dornhecke zu dringen; aber sie wären darin hängen geblieben und eines traurigen Todes gestorben. Da sprach der Jüngling: „Ich fürchte mich nicht, ich will hinaus und das schöne Dornröschen sehen! 75 Der gute Alte mochte ihm abrathen, wie er wollte, er hörte nicht auf seine Worte. Nun waren aber gerade die hundert Jahre verflossen, und der Tag war gekommen, wo Dornröschen wieder erwachen sollte. Ms der Königssohn sich der Dornhecke näherte, waren es lauter große, schöne 8« Blumen; die thaten sich von selbst auseinander und ließen ihn unbe¬ schädigt hindurch, und hinter ihm thaten sie sich wieder als eine Hecke zusammen. Im Schlosshofe sah er die Pferde und die scheckigen Jagd¬ hunde liegen und schlafen, auf dem Dache saßen die Tauben und hatten das Köpfchen unter den Flügel gesteckt. Und als er ins Haus 85 kam, schliefen die Fliegen an der Wand, der Koch in der Küche hielt noch die Hand, als wollte er den Jungen anpacken, und die Magd saß vor dem schwarzen Huhn, das gerupft werden sollte. Da gieng er weiter und sah im Saale den ganzen Hofstaat liegen und schlafen, und oben bei dem Throne lag der König und die Königin. Da gieng so er noch weiter, und alles war so still, dass einer seinen Athem hören konnte, und endlich kam er zu dem Thurme und öffnete die Thüre zu der kleinen Stube, in welcher Dornröschen schlief. Da lag es und war so schön, dass er die Augen nicht abwenden konnte, und er bückte 207 sich und gab ihm einen Kuss. Wie er es mit dem Kuss berührt hatte, schlug Dornröschen die Augen auf, erwachte und blickte ihn ganz w freundlich an. Da giengen sie zusammen herab, und der König erwachte und die Königin und der ganze Hofstaat und sahen einander mit großen Augen an. Und die Pferde im Hofe standen auf und rüttelten sich; die Jagdhunde sprangen und wedelten; die Tauben auf dem Dache zogen das Köpfchen unterm Flügel hervor, sahen umher und wo flogen ins Feld; die Fliegen an den Wänden krochen weiter; das Feuer in der Küche erhob sich, flackerte und kochte das Essen; der Braten sieng wieder an zu brodeln; und der Koch gab dem Jungen eine Ohrfeige, dass er schrie; und die Magd rupfte das Huhn fertig. Und da wurde die Hochzeit des Königssohnes mit dem Dorn- w- röschen in aller Pracht gefeiert, und sie lebten vergnügt bis an ihr Ende. Brüder Grimm. 268. Der Nordwind. Der Nordwind gieng einmal spazieren; da er aber ein wilder Geselle war, so trieb er allerlei Unfug. Als er in den Garten kam, da zauste er die Rose an den Haaren, der Lilie knickte er den Stengel, brach die reifen Aprikosen ab und warf die Birnen in den Koth. Im Felde trieb er es noch ärger. Da blies er die Ähren in 5 den Staub, schüttelte die unreifen Äpfel ab, riss die Blätter von den Zweigen und streute sie in der Lust umher, ja einen alten, schwachen Baum stürzte er ganz um, dass die Wurzeln in der Höhe standen. Da giengen die Leute klagen zu dem Windkönige, der in seinem Luftschlosse die Winde nach Belieben gefangen hält oder loslässt, io Und sie erzählten ihm, was der wüste Nordwind angerichtet hatte, und wie der Garten und das Feld trauerten über das Leid, das er ihnen zugefügt hätte. Da ließ der König den Nordwind kommen und fragte ihn, ob es wahr sei, was die Leute klagten. Er konnte es nicht leugnen, denn der zerstörte Garten und das zerstörte Feld i'< lugen vor aller Augen. Da fragte der König: „Warum hast du das gethan?" Der Nordwind antwortete: „Ei, ich habe es nicht böse gemeint; ich wollte spielen mit der Rose und mit der Lilie und der Aprikose und mit den übrigen. Ich habe nicht gedacht, dass es ihnen weh thun würde." Da sagte der König: „Wenn du ein so grober ro 208 Spieler bist, dann darf ich dich nicht mehr hinauslassen. Den ganzen Sommer über muss ich dich eingesperrt halten; im Winter, wenn es keine Blnmen, keine Blätter und Früchte mehr gibt, dann magst du hinausgehen und spielen. Ich sehe, du passest nur für das Eis Ls und den Schnee, aber nicht für Blumen und Früchte/' Curtm an. 269. Der Winter. Jni Winter ruht die Erde und sammelt neue Kräfte für den künftigen Frühling. Sie macht es wie der Mensch. Auch dieser legt sich ani Abend zur Ruhe und schläft während der Nacht. Gestärkt erwacht er dann am Morgen. s Die Bäume haben jetzt ihren Schmuck verloren und stehen entlaubt da; die Blumen sind verblüht; das Gras der Wiesen ist verwelkt, und alles ist still. Kein Singvogel lässt mehr seine Lieder erschallen, und kein Hirte treibt seine Herde mehr ins Freie. 10 Kalt, sehr kalt ist es oft während des Winters, und die Leute hüllen sich tiefer in Kleider und Pelze. Jetzt kann man den Ofen nicht entbehren. Man heizt fleißig ein, dass es in der Stube warm werde. Manche armen Leute haben aber weder Holz noch Kleidung und müssen daher frieren. Könnte ich is ihnen doch helfen! Das Wasser gefriert vor Kälte und verwandelt sich in Eis. Flüsse und Teiche sind im Winter gar oft mit Eis bedeckt. Schnee fällt und bedeckt die Felder, die Straßen und Dächer. Unter dem Schnee wächst aber die junge Wintersaat empor, da sie durch ihn so vor der Kälte geschützt wird. Auch der Winter bietet uns Kindern viele Freuden. Wir fahren auf Schlitten, gleiten mit Schlittschuhen auf dem glatten Eise dahin oder machen bei etwas milderem Wetter einen Schneemann. Während der langen Winterabende bleiben die Kinder zu Hause, ss Sie spielen oder lesen in nützlichen Büchern. Auch das schöne Weihnachtsfest wird im Winter gefeiert. Kellner. 209 270. Der Grimm des Minters. Der Winter hatte sich einmal vorgenommen, alle Menschen und alle Thiere auf der Erde auszurotten. Deshalb kam er mit einer so grimmigen Kälte, dass alle Flüsse und alle Seen mit dickem Eise belegt wurden. Das ganze Feld war von tiefem Schnee bedeckt, und die Fensterscheiben waren jeden Morgen mit so dicken Eisblumen 5 überzogen, dass sie den ganzen Tag nicht aufthauen konnten. Allein der Winter hatte sich doch ein wenig verrechnet. Zwar gieng es den armen Vögeln gar übel, weil sie wegen des hohen Schnees draußen nichts zu fressen fanden; allein sie kamen in die Städte und Dörfer, und es streute ihnen gar manches mitleidige io Kind einige Körnchen und Brotkrümchen hin, so dass die meisten am Leben blieben. Auch waren schon vorher große Scharen von Zug¬ vögeln in wärmere Länder gewandert, wo der Winter nicht viel aus¬ richten kann. Auch die übrigen Thiere erfroren nicht. Der liebe Gott hatte ihnen einen dickern Pelz wachsen lassen, und die Hasen und Rehe scharrten sich einiges Kraut und einige Knospen unter dem Schnee heraus, so dass sie zwar ein wenig Hunger litten, aber doch nicht umkamen. Die Hausthiere aber standen in warmen Ställen, deren Thüren und Fenster mit Stroh verwahrt waren. Und da ihnen alle Tage Heu und Hafer in die Krippe gebracht wurde, so hielten 20 sie es aus und kamen nicht um. Die Menschen aber hatten sich Öfen verfertigt und machten Feuer hinein. Je ärger es der Winter mit seinem Froste machte, desto mehr Holz und Torf und Steinkohlen brannten sie in den Öfen. Und wenn schon das Trinkwasser in die Wohnstube gebracht 25 werden musste, damit es nicht zn einem Eisklumpen wurde, und obgleich hier und da einem ein Finger oder gar die Nase erfror, so blieben doch die Menschen am Leben. Da merkte der Winter, dass er nicht Kraft genug besaß, die Thiere zu vertilgen und ebensowenig die Menschen, weil diese Vernunft M genug haben, um sich vor dem Grimm des Winters zu schützen. Er ließ nach, und die Sonne besiegte ihn alle Tage mehr, und bald sangen die Vögel wieder, und die Wiesen wurden grün. C u r t m a n. Leseb. für slov.-utraquist. Miitelsch. 14 210 S7D Dr« Dr» DrrrDee D'eZ/ src^ er» Daae Dr«»c/e.' Ds reae er» Drrc/e/ rr»c/ ser» <§o^». De?' ^'»»Ae, »ame»s 7Ä.»/a/o», ^er^ereZ- c/em /Zeeee/ren ma»e^e ä/rrnc/s. s D? Ao»»/e Za»se», llae/re sZe/r», De» äc/rre/rZ«?-''» sr'D», r'»s 11^«ssee AD» /e»c/ «//es Freses a»s e/e?» 6/e»»c/e. De?- se^/arre /-«/L, c/es -/äAevs D/rrc/, Vpav 7>6^7'e7' »»sses D«»D Aeroese», i« D?«/ «Zresee /ee»Ze so c/ese^ror»c/ D./s M«»e7ee D»aöe Zrarrm c/as Dese». — Dr'»sZ ^e/ c/em KZerrre» -7»»Zcer' ero, Ds -nvss/e »oD vre/ /er D/e e ser», De» a/Z s» Drrrc/ oe/e/reZ M M«e?rerr. >-'> Deev D'Z«»»ev ««v sons/ er» A»/es Ire/r, Dve/« s er» e Deevse/ra/Z 20A r'7» me Dr« so/e/re» /«oc/«s/»^rev/e» ä'ae/tö» ,' D» /corrrrie /r/o// e/«s Darrs beroae^err. Dev Drrabe -rrmm/ r?«/r vov c/re Darrc/ A> Dnc/ ste/// r'/»r arr/vec^/ a» c/re II"«»«/,' D//er-r c/ev Durrc/ /c«/// rmrrrev rvrec/ev ^Irr/ serrre Dovc/sv/rr/Ze rrrec/ev. L/cr» vr«/et c/err Dvo/esso» Dvr/s, Due/r c/ev evse^op/et serrrerr ll^r/L / 2L D-rrso-rs/, es ror// r/rr» Trre^/ r/e/rnAe», De» a//err -8e/m/ev sr« besror-rAerr. „Dre/Zere^t,^ s^eac/r />rDe, ,/«?'/// c/ev >§/oe^." Dr' /roZ/ c/err ä'koe^, Marr ^«'Lr/e/t <8e/r»rrr've» Doc^ ö/er/rt ev s/er/'ev a/s er» Doc:/', .1" D»c/ e»c//rc/« /«»«/t e v arr r» Mrrrverr. „ Has reo/Zt r^v?" SP- ae/r c/er' avme Dvo/r/", „Dr' roevc/et Merrrerr Ararrerr Do^r/ DoD rrr'mMer'Me^v s»M Doe/ov se^/aAerr. DeD, reevc/ek c/rrve^ Mer» Ders^rre/ k/r«A, De Drnc/ev, Zevrre/ ^'e/s/ Aerrr«A, De /evrrt »re/r/s Me/re rrr aZ/e» 7aAe» /" 7/eLe/- 211 272. Sneewittchen. Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel herab, da saß eine Königin am Fenster, das einen Rahmen von schwarzem Ebenholz hatte, und nähte. Und wie sie so nähte und nach dem Schnee anfblickte, stach sie sich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. 5 Und weil das Rothe im weißen Schnee so schön aussah, dachte sie bei sich: „Hält' ich ein Kind, so weiß wie Schnee, so roth wie Blut und so schwarz wie das Holz an dem Rahmen!" Bald darauf bekam sie ein Töchterlein, das war so weiß wie Schnee, so roth wie Blut und so schwarzhaarig wie Ebenholz, und ward darum das S n ee- w wit tch e n (Schneeweißchen) genannt. Und wie das Kind geboren war, starb die Königin. Über ein Jahr nahm sich der König eine andere Gemahlin. Es war eine schöne Frau; aber sie war stolz und übermüthig und konnte nicht leiden, dass sie an Schönheit von jemand übertroffen werden 15 sollte. Sie hatte einen wunderbaren Spiegel; wenn sie vor den trat und sich darin beschaute, sprach sie: „Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die schönste im ganzen Land?" und der Spiegel antwortete: ro „Frau Königin, Ihr seid die schönste im Land." Da war sie zufrieden; denn sie wusste, dass der Spiegel die Wahrheit sagte. Sneewittchen aber wuchs heran und wurde immer schöner, und als es sieben Jahre alt war, war es so schön wie der klare -.-> Tag und schöner als die Königin selbst. Als diese einmal, ihren Spiegel fragte: „Spieglein, Spieglein au der Wand, Wer ist die schönste im ganzen Land?" io antwortete er: "io „Frau Königin, Ihr seid die schönste hier. Aber Sneewittchen ist tausendmal schöner als Ihr. Da erschrak die Königin und ward gelb und grün vor Neid. Von der Stunde an kehrte sich ihr das Herz im Leibe herum, wenn sie Sneewittchen erblickte; so hasste sie das Mädchen. Und der Neid »5 14* 212 und Hochmuth wuchsen wie ein Unkraut in ihrem Herzen immer höher, dass sie Tag und Nacht keine Ruhe mehr hatte. Da rief sie einen Jäger und sprach: „Bring das Kind hinaus in den Wald, ich will es nicht mehr vor meinen Augen sehen. Du sollst es tödten und mir 4« Lunge und Leber zum Wahrzeichen mitbringen." Der Jäger gehorchte und führte es hinaus, und als er den Hirschfänger gezogen hatte und Sneewittchens unschuldiges Herz durchbohren wollte, fieng es an zu weinen und sprach: „Ach, lieber Jäger, lass mir mein Leben; ich will in den wilden Wald laufen und nimmermehr wieder Heimkommen. 45 Und weil es so schön war, hatte der Jäger Mitleid und sprach: „So lauf hin, du armes Kind." „Die wilden Thiere werden dich bald gefressen haben," dachte er, und doch war es ihm, als wäre ein Stein von seinem Herzen gewälzt, weil er es nicht zu tödten brauchte. Und als gerade ein junger Frischling daher gesprungen kam, stach er ihn 5v ab, nahm Lunge und Leber heraus und brachte sie als Wahrzeichen der Königin mit. Der Koch musste sie in Salz kochen, und das boshafte Weib aß sie aus und meinte, sie hätte Sneewittchens Lunge und Leber gegessen. Nun war das arme Kind in dem großen Wald mutterseelenallein, 55 und es ward ihm so angst, dass es alle Blätter an den Bäumen ansah und nicht wusste, wie es sich helfen sollte. Da fieng es au zu lausen und lief über die spitzen Steine und durch die Dornen, und die wilden Thiere sprangen an ihm vorbei, aber sie thaten ihm nichts- Es lief, so lange nur die Füße noch fort konnten, bis es bald Abend ao werden wollte; da sah es ein kleines Häuschen und gieng hinein, uni auszuruhen. In dem Häuschen war alles klein, aber so zierlich und reinlich, dass es nicht zu sagen ist. Da stand ein weißgedecktes Tischler» mit sieben kleinen Tellern, jedes Tellerlein mit seinem Löffelein, ferner sieben Messerlein und Gäblein und sieben Becherlein. An der Wand 65 waren sieben Bettlein nebeneinander aufgestellt und schneeweiße Lein¬ tücher darüber gedeckt. Weil Sneewittchen so hungrig und dursüg war, aß es von jedem Tellerlein ein wenig Gemüse und Brot und trank aus jedem Becherlein einen Tropfen Wein; denn es wollte nicht einem allein alles wegnehmen. Hernach legte es sich, weil es 1" 7« müde war, in ein Bettchen, aber keins passte; das eine war zu lang' das andere zu kurz, bis endlich das siebente recht war: und darr» blieb es liegen, befahl sich Gott und schlief ein. 213 Als es ganz dunkel geworden war, kamen die Herren von dem Häuslein, das waren die sieben Zwerge, die in den Bergen nach Erz hackten und gruben. Sie zündeten ihre Lichtlein an, und wie es nun rs hell im Häuslein ward, sahen sie, dass jemand darin gewesen war; denn es stand nicht alles so in der Ordnung, wie sie es verlassen hatten. Der erste sprach: „Wer hat aus meinem Stühlchen gesessen?" Der zweite: „Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?" Der dritte: „Wer hat von meinem Brötchen genommen?" Der vierte: „Wer hat 8« von meinem Gemüschen gegessen?" Der fünfte: „Wer hat mit meinem Gäbelchen gestochen?" Der sechste: „Wer hat mit meinem Messerchen geschnitten?" Der siebente: „Wer hat aus meinem Becherlein getrunken?" Dann sah sich der erste uni und sah, dass auf seinem Bett eine kleine Eindrückung war; da sprach er: „Wer hat in meinem Bettchen 8s getreten?" Die andern kamen gelaufen und riefen: „In meinem hat auch jemand gelegen." Als aber der siebente in sein Bett sah, erblickte er Sneewittchen, das lag darin und schlief. Nun rief er die andern; die kanien herbeigelaufen und schrien vor Verwunderung, holten ihre sieben Lichtlein und beleuchteten Sneewittchen. „Ei, du mein Gott! so ei, du mein Gott!" riefen sie, „was ist das Kind so schön!" und hatten so große Freude, dass sie es nicht aufweckten, sondern im Bettlein fortschlafen ließen. Der siebente Zwerg aber schlief bei seinen Gesellen, bei jedem eine Stunde, da war die Nacht herum. Als es Morgen war, erwachte Sneewittchen, und wie es die sieben ss Zwerge sah, erschrak es. Sie waren aber freundlich und fragten: „Wie heißt du?" — „Ich heiße Sneewittchen," antwortete es. „Wie bist du m unser Haus gekommen?" sprachen weiter die Zwerge. Da erzählte es ihnen, dass seine Stiefmutter es Hütte wollen umbringen lassen; der Jäger hätte ihm aber das Leben geschenkt, und da wäre es den wo ganzen Tag gelaufen, bis es endlich ihr Häuslein gefunden hätte. Die Zwerge sprachen: „Willst du unfern Haushalt versehen, kochen, betten, waschen, nähen »nd stricken, und willst du alles ordentlich und reinlich halten, so kannst du bei uns bleiben, und es soll dir an nichts fehlen." --„Ja," sagte Sneewittchen, „von Herzen gern," und blieb bei ihnen, u» Es hielt ihnen das Haus in Ordnung: morgens gierigen sie in die Berge und suchten Erz und Gold, abends kanien sie wieder, und da Musste ihr Essen bereit sein. Den Tag über war das Mädchen allein; da warnten es die guten Zwerglein und sprachen: „Hüte dich vor 214 iio deiner Stiefmutter, die wird bald wissen, dass du hier bist; lass je niemand herein." Die Königin aber dachte, nachdem sie Sneewittchens Lunge und Leber gegessen zu haben glaubte, nicht anders als, sie wäre wieder die die erste und allerschönste, trat vor den Spiegel und sprach: ns „Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die schönste im ganzen Land?" Da antwortete der Spiegel: „Frau Königin, Ihr seid die schönste hier. Aber Sneewittchen über den Bergen iso Bei den sieben Zwergen Ist noch tausendmal schöner als Ihr." Da erschrak sie, denn sie wusste, dass der Spiegel keine Unwahrheit sprach, und merkte, dass der Jäger sie betrogen hatte und Sneewittchen noch am Leben war. Und da sann und sann sie aufs neue, wie sie es iss umbringen wollte; denn solange sie nicht die schönste war im ganzen Land, ließ ihr der Neid keine Ruhe. Und als sie sich endlich etwas ausgedacht hatte, färbte sie sich das Gesicht und kleidete sich wie eine alte Krämerin und war ganz unkenntlich. In dieser Gestalt gieng sie über die sieben Berge zu den sieben Zwergen, klopfte an die Thüre iso und rief: „Schöne Ware seil! feil!" Sneewittchen guckte zum Fenster heraus und rief: „Guten Tag, liebe Frau, was habt Ihr zu verkaufen- — „Gute Ware, schöne Ware," antwortete sie, „Schnürriemen in allen Farben," und holte einen hervor, der aus bunter Seide geflochten war. „Die ehrliche Frau kann ich hereinlassen," dachte Sneewittchen, riegelte 135 die Thüre auf und kaufte sich den hübschen Schnürriemen. „Kind, sprach die Alte, „wie du aussiehst! Komm, ich will dich einmal ordentlich schnüren!" Sneewittchen hatte kein Arg, stellte sich vor sie und ließ sich mit dem neuen Schnürriemen schnüren; aber die Alte schnürte geschwind und schnürte so fest, dass dem Sneewittchen der iw Athem vergieng und es für todt hinfiel. „Nun bist du die schönste gewesen!" sprach sie und eilte hinaus. Nicht lange darauf, zur Abendzeit, kamen die sieben Zwerge nach Haus; aber wie erschraken sie, als sie ihr liebes Sneewittchen aus der Erde liegen sahen; und es regte und bewegte sich nicht, als wäre es 145 todt. Sie hoben es in die Höhe, und weil sie sahen, dass es zu fest geschnürt war, schnitten sie den Schnürriemen entzwei; da fieng es 215 an, ein wenig zu athmen, und ward nach und nach wieder lebendig. Als die Zwerge hörten, was geschehen war, sprachen sie: „Die alte Krämerfrau war niemand als die gottlose Königin; hüte dich und lass keinen Menschen herein, wenn wir nicht bei dir sind. wo Als aber das böse Weib nach Hause gekommen war, gieng es vor den Spiegel und fragte: „Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die schönste im ganzen Land?" Da antwortete er wie sonst: 155 „Frau Königin, Ihr seid die schönste hier. Aber Sneewittchen über den Bergen Bei den sieben Zwergen Ist noch tausendmal schöner als Ihr." Als sie das hörte, lief ihr alles Blut zum Herzen, so erschrak iaa sie; denn sie sah wohl, dass Sneewittchen wieder lebendig geworden war. „Nun aber," sprach sie, „will ich etwas aussinuen, das dich zugrunde richten soll," und mit Hexenkünsten, die sie verstand, machte sie einen giftigen Kamm. Dann verkleidete sie sich und nahm die Gestalt eines andern alten Weibes an. So gieng sie hin über die sieben Berge zu den sieben Zwergen, klopfte an die Thüre und rief: „Gute Ware feil! feil!" Sneewittchen schaute heraus und sprach: „Geht nur weiter, ich darf niemand hereinlasfen." — „Das Ansehen wird dir doch erlaubt sein," sprach die Alte, zog den giftigen Kamm heraus und hielt ihn in die Höhe. Da gefiel er dem Kinde so gut, iw dass es sich bethören ließ und die Thüre öffnete. Als sie des Kaufes einig waren, sprach die Alte: „Nun will ich dich einmal ordentlich kämmen." Das arme Sneewittchen dachte an nichts und ließ die Alte gewähren; aber kaum hatte sie den Kamm in die Haare gesteckt, als das Gift darin wirkte und das Mädchen ohne Besinnung niederste!. 175 „Du Ausbund von Schönheit," sprach das boshafte Weib, „jetzt ist's um dich geschehen," und gieng fort. Zum Glück aber war es bald Abend, wo die sieben Zwerglein nach Hause kamen. Als sie Sneewittchen wie todt auf der Erde liegen sahen, hatten sie gleich die Stiefmutter in Verdacht, suchten nach und fanden den giftigen Kamm, und kaum iw hatten sie ihn herausgezogen, so kam Sneewittchen wieder zu sich und erzählte, was vorgegangen war. Da warnten sie es noch einmal, auf seiner Hut zu sein und niemand die Thüre zu öffnen. 216 Die Königin stellte sich daheim vor den Spiegel und sprach: i8L „Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die schönste im ganzen Land?" Da antwortete er wie vorher: „Frau Königin, Ihr seid die schönste hier, Aber Sneewittchen über den Bergen iso Bei den sieben Zwergen Ist doch noch tausendmal schöner als Ihr." Als sie den Spiegel so reden hörte, zitterte und bebte sie vor Zorn. „Sneewittchen soll sterben," rief sie, „und wenn es mein eigenes Leben kostet." Darauf gieng sie in eine ganz verborgene, einsame iss Kammer, wo niemand hinkam, und machte da einen giftigen, giftigen Apfel. Äußerlich sah er schön aus, weiß mit rothen Backen, dass jeder, der ihn erblickte, Lust darnach bekam; aber wer ein Stückchen davon aß, der musste sterben. Als der Apfel fertig war, färbte sie sich das Gesicht und verkleidete sich in eine Bauersfrau, und so gieng sie über 2oo die sieben Berge zu den sieben Zwergen. Sie klopfte an, Sneewittchen streckte den Kopf zum Fenster heraus und sprach: „Ich darf keinen Menschen einlassen, die sieben Zwerge haben mir's verboten." — „Mir auch recht," antwortete die Bäuerin, „meine Äpfel will ich schon los werden. Da, einen will ich dir schenken." — „Nein," sprach Los Sneewittchen, „ich darf nichts annehmen." — „Fürchtest du dich vor Gift?" sprach die Alte, „siehst du, da schneide ich den Apfel in zwei Theile; den rothen Backen iss du, den weißen will ich essen." Der Apfel war aber so künstlich gemacht, dass der rothe Backen allein vergiftet war. Sneewittchen gelüstete es nach dem schönen Apfel, und 2i0 als es sah, dass die Bäuerin davon aß, so konnte es nicht länger widerstehen, streckte die Hand hinaus und nahm die giftige Hülste. Kaum aber hatte es einen Bissen davon im Munde, so siel es todt zur Erde nieder. Da betrachtete es die Königin mit grausigen Blicken und lachte überlaut und sprach: „Weiß wie Schnee, roth wie Blut, schwarz wie 2i5 Ebenholz! Diesmal können dich die Zwerge nicht wieder erwecken. Und als sie daheim den Spiegel befragte: „Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die schönste im ganzen Land?" so antwortete er endlich: 22" „Fran Königin, Ihr seid die schönste im Land." 217 Da hatte ihr neidisches Herz Ruhe, so gut ein neidisches Herz Ruhe haben kann. Wie die Zwerglein abends nach Hause kamen, fanden sie Snee¬ wittchen auf der Erde liegen, und es gieng kein Athem mehr aus seinen! Munde, und es war todt. Sie hoben es auf, suchten, ob sie 225 was Giftiges fänden, schnürten es auf, kämmten ihm die Haare, wuschen es mit Wasser und Wein, aber es half alles nichts; das liebe Kind war todt und blieb todt. Sie legten es auf eine Bahre und setzten sich alle sieben daran und beweinten es und weinten drei Tage lang. Da wollten sie es begraben; aber es sah noch so frisch 220 aus wie ein lebender Mensch und hatte noch seine schönen rochen Backen. Sie sprachen: „Das können wir nicht in die schwarze Erde versenken/' und ließen einen durchsichtigen Sarg von Glas machen, dass man es von allen Seiten sehen konnte, legten es hinein und schrieben mit goldenen Buchstaben seinen Namen darauf, und dass es eine 235 Königstochter wäre. Dann setzten sie den Sarg hinaus auf den Berg, und einer von ihnen blieb immer dabei und bewachte ihn. Und die Thiere kamen auch und beweinten Sneewittchen, erst eine Eule, dann ein Rabe, zuletzt ein Täubchen. Nun lag Sneewittchen lange, lange Zeit in dem Sarg nnd 2,0 verweste nicht, sondern sah aus, als wenn es schliefe, denn es war noch so weiß wie Schnee, so roth wie Blut und so schwarzhaarig wie Ebenholz. Es geschah aber, dass ein Königssohn in den Wald gerieth und zu dem Zwerghaus kam, um da zu übernachten. Er sah auf dem Berge den Sarg und das schöne Sneewittchen darin nnd 2» las, was mit goldenen Buchstaben darauf geschrieben war. Da sprach er zu den Zwergen: „Lasst mir den Sarg, ich will euch geben, was ihr dafür haben wollt." Aber die Zwerge antworteten: „Wir geben ihn nicht um alles Gold in der Welt." Da sprach er: „So schenkt Mir ihn, denn ich kann nicht leben, ohne Sneewittchen zu sehen, ich will 250 ks ehren und hochhalten wie mein Liebstes." Wie er so sprach, empfanden die guten Zwerglein Mitleid mit ihm und gaben ihm den Sarg. Der Königssohn ließ ihn nun von seinen Dienern auf den Schultern forttragen. Da geschah es, dass sie über einen Strauch stolperten, und von dem Schütteln fuhr der giftige Apfelgrütz, den 25s Sneewittchen abgebissen hatte, aus deni Halse. Und nicht lange, so öffnete es die Augen, hob den Deckel vom Sarg in die Höhe und 218 richtete sich auf und war wieder lebendig. „Ach Gott, wo bin ich?" rief es. Der Königssohn sagte vor Freude: „Du bist bei mir," und eso erzählte, was sich zugetragen hatte, und sprach: „Ich habe dich lieber als alles auf der Welt; komm mit mir in meines Vaters Schloss, du sollst meine Gemahlin werden." Da war ihm Sneewittchen gut und gieng mit ihm, und ihre Hochzeit war mit großer Pracht und Herrlichkeit angeordnet. 265 Zu dem Feste wurde aber auch Sneewittchens gottlose Stiefmutter eingeladen. Wie sie sich nun mit schönen Kleidern angethan hatte, trat sie vor den Spiegel und sprach: „Spieglein, Spieglein an der Wand, Wer ist die schönste im ganzen Land?" sw Der Spiegel antwortete: „Frau Königin, Ihr seid die schönste hier. Aber die junge Königin ist tausendmal schöner als Ihr." Da stieß das böse Weib einen Fluch aus, und es ward ihr so angst, so angst, dass sie sich nicht zu fassen wusste. Sie wollte zuerst L75 gar nicht auf die Hochzeit kommen; doch ließ es ihr keine Ruhe, sie musste fort und die junge Königin sehen. Und wie sie hineintrat, erkannte sie Sneewittchen, und vor Angst und Schrecken stand sie da und konnte sich nicht regen. Aber es waren schon eiserne Pantoffeln über Kohlenfeuer gestellt und wurden jetzt mit Zangen hereingetragen 280 und vor sie hingestellt. Da musste sie in die rothglühenden Schuhe treten und so lange tanzen, bis sie todt zur Erde fiel. Brüder Grimm. 27Z. Gsushakzn und Hennr. Das Kind schläft noch ruhig im Bette, da ist der Haushahn schon munter. Er weckt die Hennen mit lautem Krähen. Dann spaziert er selber zuerst heraus, schlägt mit den Flügeln, ruft laut sein Kikeriki! und wünscht daniit allen Leuten im Hause einen guten Morgen. s Findet der Hahn ein Körnchen, einen Wurm oder ein Käferchen, so frisst er es nicht etwa gleich selber; er ruft seine Hennen herbei und gibt es ihnen. Erst wenn sie alle versorgt sind, denkt er auch an seinen eigenen Schnabel. Kommt ein fremder Hahn vom Hofe des Nachbars herzu und w will den Hausfrieden stören, so geht der Haushahn muthig und tapfer 219 auf ihn los. Er bekämpft ihn mit Flügelschlägen, Sporen- und Schnabelhieben und achtet es nicht, wenn er selber dabei Federn lassen muss oder ihm der Kamm blutig gehackt wird. Er ist ein wackerer Herr, der die Seinen gegen den Feind zu vertheidigen weiß nnd sein Hausrecht gehörig gebraucht. is Die Henne besorgt ihre Geschäfte ebenfalls pünktlich, wie sich's gehört. Sie möchte gern Küchlein ausbrüten und großziehen, darum sucht sie in aller Stille das Nest auf und legt ein Ei. Nachher verkündet sie es mit lautem Freudengeschrei aller Welt. Lässt ihr die Hausfrau die Eier, bis das Nest voll ist, so setzt sich die Henne darauf. 2« Sie brütet auf den Eiern drei Wochen lang Tag und Nacht und nimmt sich kaum Zeit zum Fressen. Die Küchlein führt sie in den warmen Sonnenschein und lehrt sie die Erde aufkratzen und Körnchen suchen. Kommt des Nachbars große Katze auf den Hof, nm Küchlein wegzuhaschen, so sträubt die 25 Henne die Federn und fährt zornig auf den Feind los. Sie hackt tapfer auf die Katze ein, bis diese die Flucht ergreift. Sobald es am Abend kühl wird, nimmt die Henne ihre Kindlein alle unter ihre Flügel und wärmt sie nnd schützt sie bis an den Morgen. -2« Wagner. 274. Die Bremer Stadtmusikanterr. Es hatte ein Mann einen Esel, der schon lange Jahre die Säcke unverdrossen zur Mühle getragen hatte, dessen Kräfte aber nun zu Ende gierigen, so dass er zur Arbeit immer untauglicher ward. Da dachte der Herr daran, ihn aus dem Futter zu schaffen; aber der Esel merkte, dass kein guter Wind wehte, lief fort und machte sich auf 5 den Weg nach Bremen; dort, meinte er, könnte er ja Stadtmusikant werden. Als er ein Weilchen fortgegangen war, fand er einen Jagdhund auf dem Wege liegen, der keuchte wie einer, der sich müde gelaufen hat. „Nun, was keuchst du so, Packan?" fragte der Esel. „Ach," sagte 1» der Hund, „weil ich alt bin und jeden Tag schwächer werde und auf der Jagd nicht mehr fortkann, hat mich mein Herr todtschlagen wollen, da hab' ich Reißaus genommen; aber womit soll ich nun mein Brot verdienen?" - „Weißt du was?" sprach der Esel, „ich gehe nach 220 15 Bremen und werde dort Stadtmusikant, geh mit und lass dich auch bei der Musik annehmen! Ich spiele die Laute, und du schlägst die Pauken." Der Hund war's zufrieden und sie giengen weiter. Es dauerte nicht lange, so saß da eine Katze an dem Weg und machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. „Nun, was ist dir in so die Quere gekommen, alter Bartputzer?" sprach der Esel. „Wer kann da lustig sein, wenn's einem an den Kragen geht?" antwortete die Katze; „weil ich nun zu Jahren komme, meine Zähne stumpf werden und ich lieber hinter dem Ofen sitze und spinne, als nach den Mäusen herumjage, hat mich meine Fran ersäufen wollen; ich habe mich zwar 25 noch fortgemacht, aber nun ist guter Rath theuer. Wo soll ich hin? — „Geh mit uns nach Bremen, du verstehst dich doch auf die Nacht¬ musik, da kannst du ein Stadtmusikant werden!" Die Katze hielt das für gut und gieng mit. Darauf kamen die drei Landesflüchtigen an einem Hof vorbei, so da saß auf dem Thor der Haushahn und schrie aus Leibeskräften. „Du schreist einem durch Mark und Bein," sprach der Esel, „was hast du vor?" — „Da hab' ich gutes Wetter prophezeit," sprach der Hahn, „weil unserer lieben Frau Tag ist, wo sie dem Christkindlein die Hemdchen gewaschen hat und sie trocknen will; aber weil morgen S5 zum Sonntag Gäste kommen, so hat die Hausfrau doch kein Erbarmen und hat der Köchin gesagt, sie wolle mich morgen in der Suppe essen, und ich soll mir heute Abend den Kopf abschneiden lassen. Nun schrei' ich aus vollem Hals, solange ich noch kann." — „Ei was, du Rothkopf," sagte der Esel, „zieh lieber mit uns fort nach 40 Bremen, etwas Besseres als den Tod findest du überall; du hast eine gute Stimme, und wenn wir zusammen mnsicieren, so muss es eine Art haben." Der Hahn ließ sich den Vorschlag gefallen, und sie giengen alle vier zusammen fort. Sie konnten aber die Stadt Brenien in einem Tage nicht erreichen 45 und kamen abends in einen Wald, wo sie übernachten wollten. Der Esel und der Hund legten sich unter einen großen Baum, die Katze und der Hahn machten sich in die Äste, der Hahn aber flog bis in die Spitze, wo es am sichersten für ihn war. Ehe er einschlief, sah er sich noch einmal nach allen vier Winden um; da däuchte ihn, er sehe 50 in der Ferne ein Fünkchen brennen, und er rief seinen Gesellen zu, es müsse nicht gar weit ein Haus sein, denn es scheine ein Licht. Da 221 sprach der Esel: „So müssen wir uns aufmachen und noch hingehen, denn hier ist die Herberge schlecht." Der Hund meinte, ein paar Knochen und etwas Fleisch dran thäten ihm auch gut. Nun machten sie sich auf den Weg nach der Gegend, wo das Licht war, und sahen ss es bald Heller schimmern, und es ward immer größer, bis sie vor ein hell erleuchtetes Räuberhaus kamen. Der Esel als der größte näherte sich dem Fenster und schaute hinein. „Was siehst dn, Grauschimmel?" fragte der Hahn. „Was ich sehe?" antwortete der Esel, „einen gedeckten Tisch mit schönem Essen und Trinken, und Räuber sitzen daran und «o lassen es sich wohl sein." — „Das wäre was für uns," sprach der Hahn. „Ja, ja, ach, wären wir da!" sagte der Esel. Da rathschlagten die Thiere, wie sie es anfangen müssten, nm die Räuber hinaus- zujagen, und fanden endlich ein Mittel. Der Esel musste sich mit den Vorderfüßen auf das Fenster stellen, der Hund auf des Esels Rücken 65 springen, die Katze auf den Hund klettern, und endlich flog der Hahn hinauf und setzte sich der Katze auf den Kopf. Wie dies geschehen war, siengen sie auf ein Zeichen insgesammt an, ihre Musik zu machen: der Esel schrie, der Hund bellte, die Katze miaute, und der Hahn krähte; dann stürzten sie durch das Fenster in die Stube hinein, dass ro die Scheiben klirrend niederfielen. Die Räuber fuhren bei dem entsetz¬ lichen Geschrei in die Höhe, meinten nicht anders, als ein Gespenst käme herein, und flohen in größter Furcht in den Wald hinaus. Nun setzten sich die vier Gesellen an den Tisch, nahmen mit dem vorlieb, was übriggeblieben war, und aßen, als, wenn sie vier Wochen 75 hungern sollten. Als die vier Spielleute fertig waren, löschten sie das Licht aus und suchten sich eine Schlasstätte, jeder nach seiner Natur und Bequemlichkeit. Der Esel legte sich auf den Mist, der Hund hinter die Thüre, die Katze auf den Herd und in die warme Asche, und der so Hahn setzte sich auf den Hahnenbalken, und weil sie müde waren von ihrem langen Weg, schliefen sie auch bald ein. Als Mitternacht vorbei war und die Räuber von weiten: sahen, dass kein Licht mehr im Hau'se brannte, auch alles ruhig schien, sprach der Hauptmann: „Wir hätten uns doch nicht sollen ins Bockshorn 85 jagen lassen" und hieß einen hingehen und das Haus untersuchen. Der Abgeschickte fand alles still, gieng in die Küche, wollte ein Licht anzünden, und weil er die glühenden, feurigen Augen der Katze für 222 lebendige Kohlen ansah, hielt er ein Schwefelhölzchen daran, dass es !>o Feuer fangen sollte. Aber die Katze verstand keinen Spass, sprang ihm ins Gesicht und spie und kratzte. Da erschrak er gewaltig, lief und wollte zur Hinterthüre hinaus, aber der Hund, der da lag, sprang aus und biss ihn ins Bein; und als er über den Hof an dem Miste vorbeirannte, gab ihni der Esel noch einen tüchtigen Schlag mit dem »s Hinterfuß; der Hahn aber, der vom Lärmen aus dem Schlaf geweckt und munter geworden war, rief vom Balken herab: „Kikeriki! Da lies der Räuber, was er konnte, zu seinem Hauptmann zurück und sprach: „Ach, in dem Haus sitzt eine gräuliche Hexe, die hat mich angehaucht und mir mit ihren langen Fingern das Gesicht zerkratzt; wo und vor der Thür steht ein Mann mit einem Messer, der hat mich ins Bein gestochen; und aus dem Hof liegt ein schwarzes Nngethüm, das hat mit einer Holzkeule aus mich losgeschlagen; und oben auf dem Dache sitzt der Richter, der rief: ,Bringt mir den Schelm her h Da machte ich, dass ich fortkam." Von nun an getrauten sich die los Räuber nicht weiter in das Haus; den vier Bremer Musikanten gefiel's aber so wohl darin, dass sie nicht wieder herauswollten. Brüder Grimm. 278. Mein Vaterland. 1. Mein Vaterland, mein Österreich, Du Land an Kraft und Ehren reich, Wie schloss ich tief ins Herz dich ein. Wie bin ich stolz, dein Sohn zu sein! Wenn Gott vom Himmel spräch zu mir: „Welch Land der Welt erwählst du dir?" Ich säumte nicht und sagte gleich: „Mein Vaterland, mein Österreich!" 2. Mein Österreich, mein Vaterland, Wo Schönes sich zum Guten fand: Der Alpen Schnee, des Meeres Blau, Der Saaten Gold, der Wiesen Thau, Der Berge Schatz, der Reben Saft, Der Frauen Fleiß, der Männer Kraft; Wo ist das Land wie du so reich. Mein Vaterland, mein Österreich? 223 3. Mein Österreich, mein Vaterland, Sag' an, was dich so fest verband! Du zählst der Völker mancherlei Und bist doch eins in Lieb' und Treu' Und bist doch eins in That und Wort! „Vereinte Kraft — das ist mein Hort." Drum, Brüder, reicht euch all die Hand: Heil Öst'reich, unserm Vaterland! Wurth. 276. Die Hauskahr. Habt ihr die schöne, weiße Katze gesehen dort oben auf dem Dache? Sie sitzt schon eine Viertelstunde im warmen Sonnenschein und putzt ihr weiches Fell, indem sie sich am ganzen Körper mit ihrer kleinen, rauhen Zunge beleckt. Doch jetzt erhebt sie sich und steigt in das Fenster. Gewiss hat die kleine Näscherin Hunger und - sucht sich in der Speisekammer ein Töpfchen Milch oder eine Wurst. Man kann ihr aber doch nicht böse sein. Mit den Sammt-- pfötchen tritt sie sehr behutsam auf; sie schmiegt sich an dich, macht einen großen Buckel und schnurrt behaglich, wenn du ihr ein wenig das Fell streichelst. Nur darfst du sie nicht unsanft berühren oder i« necken. Das bestraft sie gleich. Sieh, hier an den Pfötchen sind sehr spitze, krumme Krallen. Beim Gehen werden dieselben in passende Scheiden zurückgezogen, im Kampfe und beim Klettern streckt sie dieselben hervor. Wie eifrig die alte Katze beim Mäusefangen ist, kannst du jeden is Abend beobachten. Stundenlang sitzt sie vor dem Mauseloch und wartet, bis ein unvorsichtiges Mäuschen sich herauswagt. Im Nu hat sie es im Sprunge erhascht. Oft spielt sie noch eine Zeitlang mit der armen Maus, lässt sie wieder laufen und hascht sie nochmals. Du könntest dich über das possierliche Spiel freuen, wenn dich nicht 20 das Mäuschen dauern müsste, das gewiss viel Angst leidet. Du darfst ihm aber nicht helfen; denn es hat im Hause schon vielen Schaden angerichtet mit seinen scharfen Zähnen, und der Vater hat die Katze zum Mäusefangen in das Haus gebracht. Die Katze liebt ihre Jungen sehr. Die jungen Kätzchen können 2.. anfangs nicht sehen; die alte bewacht sie daher sorgfältig und verbirgt 224 sie auch vor dem Kater; denn dieser fräße sie auf, wenn er sie fände. Nach neun Tagen öffnen die Jungen ihre Augen. Im Lichte siehst du den Augenstern der Katzen zu einem schmalen Spalte sich verengen; 30 im Dunkeln erweitert er sich und wird fast kreisförmig. Rothe. 277. Das Paar Pantoffel. Zu Bagdad lebte ein alter Kaufmann, namens Abu Kasein, des¬ wegen seines Geizes sehr berüchtigt war. Seines Reichthums ungeachtet waren seine Kleider nur Flicken und Lappen, sein Turban ein grobes Tuch, dessen Farbe man nicht mehr unterscheiden konnte. Unter s allen seinen Kleidungsstücken aber erregten seine Pantoffel die größte Aufmerksamkeit. Mit großen Nägeln waren ihre Sohlen beschlagen, das Oberleder bestand aus so vielen Stücken als irgendein Bettler¬ mantel; denn in den zehn Jahren, seitdem sie Pantoffel waren, hatten die geschicktesten Schuhflicker von Bagdad alle ihre Kunst erschöpft, io diese Stücke zusammenzuhalten. Davon waren sie so schwer geworden, dass, wenn man etwas recht Plumpes beschreiben wollte, man die Pantoffel des Kasem nannte. Als dieser Kaufmann einst auf dem großen Markte der Stadt spazieren gieng, that man ihm den Vorschlag, einen ansehnlichen ^5 Vorrath von Krystallgeräthen zu kaufen. Er schloss den Kauf sehr glücklich. Einige Tage nachher erfuhr er, dass ein verunglückter Salbenhändler nur noch Rosenwaffer zu verkaufen habe und sehr, in Verlegenheit sei. Er machte sich das Unglück dieses armen Mannes zunutze, kaufte ihm sein Rosenwaffer für die Hälfte des Wertes ab so und war über diesen Kauf sehr erfreut. Es ist die Gewohnheit der morgenländischen Kaufleute, die einen glücklichen Handel gemacht haben, ein Freudenfest zu geben. Dies that aber unser Geiziger nicht. Er fand es zuträglicher, einmal auch etwas an seinen Körper zu wenden, und so gieng er ins Bad, das er feit langer Zeit nicht mehr besucht 25 hatte, weil er sich vor der Ausgabe fürchtete, die dadurch nöthig wurde. Indem er nun in das Badehaus kam, sagte einer seiner Bekannten, es wäre doch endlich einmal Zeit, seine Pantoffel abzu¬ danken und sich ein Paar neue zu kaufen. „Daran denke ich fchou lange," antwortete Kasem; „wenn ich sie aber recht betrachte, so sind 225 sie doch so schlecht nicht, dass sie nicht noch Dienste thun könnten." so Damit begab er sich ins Bad. Während er sich badete, kam auch der Kadi von Bagdad dahin, und weil Kasem eher fertig war als der Richter, gieng er zuerst in das Zimmer, wo man sich ankleidete. Er zog seine Kleider an und wollte nun wieder in seine Pantoffel treten, aber ein anderes Paar Zs stand da, wo die seinigen gestanden hatten, und unser Geizhals über¬ redete sich gern, dass dies neue Paar wohl ein Geschenk des Freundes sein könne, der ihn vorher erinnert hatte, sich ein Paar neue zu kaufen. Flugs zog er sie an und gieng voll Freude aus dem Bade. Unglücklicherweise aber waren es die Pantoffel des Kadi. Als 40 sich dieser nun gebadet hatte und seine Pantoffel begehrte, so sanden sie seine Sclaven nicht, wohl aber ein schlechtes Paar andere, die an eine andere Stelle verschoben waren, und die man sogleich für Kasems Pantoffel erkannte. Eilig lief der Thürhüter hinter ihm her und führte ihn, als auf dem Diebstahle ertappt, zurück zum Kadi. Dieser, über 45 die unverschämte Dreistigkeit des alten Geizhalses ergrimmt, hörte seine Verteidigung gar nicht einmal an, sondern ließ ihn sogleich ins Gesängnis werfen. Um nicht wie ein Dieb mit öffentlicher Schande bestraft zu werden, musste er nach orientalischer Art reichlich zahlen. Hundert Paar Pantoffel hätte er für die Summe kaufen können, die so er erlegen musste. Sobald er nach Hause gelangte, nahm er Rache an den Urhebern seines Verlustes. Zornig warf er die Pantoffel in den Tigris, der unter semeni Fenster vorbeifloss, damit sie ihm nie mehr zn Gesichte kämen. Aber das Schicksal wollte es anders. ss Wenige Tage nachher zogen Fischer ihr Netz auf und fanden es ungewöhnlich schwer. Sie glaubten schon einen Schatz an den Tag zu bringen. Statt dessen aber fanden sie die Pantoffel Kasems, die noch dazu mit ihren Nägeln das Netz so zerrissen hatten, dass sie lange daran flicken mussten. Voll Unwillen gegen Kasem und seine Pantoffel oo warfen sie diese gerade in seine offenen Fenster. Aber in eben diesem Zimmer standen unglücklicherweise alle die Krystallflaschen, voll von dem schönen Roseuwasser, das er gekauft hatte; und als nun die schweren, mit Nägeln beschlagenen Pantoffeln auf dieselben geworfen wurden, so wurde der Krystall zertrümmert, und das herrliche Rosen- ss wasser floss auf den Boden. Leseb. für slov. -Utraquist. Mimisch. 226 L>!an stelle sich Kasern vor, als er ins Zimmer trat und die Zerstörung erblickte. „Verwünschte Pantoffel!" rief er aus, „ihr sollt mir ferner keinen Schaden anrichten!" Sofort nahm er eine Schaufel 7« und lief mit ihnerr in den Garten. Hastig grub er ein Loch, um seine Pantoffel darin zu vergraben. Als er aber damit beschäftigt war, sah einer seiner Nachbarn, mit dem er seit langer Zeit in Feindschaft lebte, zum Fenster hinaus und bemerkte das hastige Graben Kasems. Unverzüglich lief er zum Statthalter und meldete ihm insgeheim, dass 75 Kasem in seinem Garten einen großen Schatz gefunden habe. Es war umsonst, dass Kasem betheuerte, er habe nichts gefunden, sondern vielmehr etwas hineingelegt, nämlich seine Pantoffel. Vergebens grub er sie wieder aus und legte sie selbst vor Gericht als Beweis vor: der Statthalter glaubte, dass Kasem den gefundenen Schatz 8« verheimlichen wolle, und dieser musste sich abermals mit einer großen Summe lösen. Voll Verzweiflung gieng er vom Statthalter weg, seine theuern Pantoffel in der Hand, und verwünschte sie von ganzem Herzen. „Warum," sprach er, „soll ich sie noch mir zum Schimpf in den 85 Händen tragen?" Mit diesen Worten warf er sie, nicht weit von des Statthalters Palast, in eine Wasserleitung. „Nun werde ich," sprach er, „doch weiter von euch nichts hören, nachdem ihr mich so viel gekostet habt." Aber die Pantoffel wurden gerade in die verschlämmte Röhre der Wasserleitung hineingetrieben. Nur noch dieses Zusatzes s« bedurfte es. Nach einigen Stunden stand der Fluss still, die Wasser traten über, und sogar des Statthalters Gewölbe ward überschwemmt. Überall war Angst und Verwirrung, und die Brunnenmeister wurden zur Verantwortung gezogen. Diese untersuchten die Wasserleitung, und zu ihrem Glücke fanden sie die Pantoffel in dem von ihnen vermach- «s lässigten Schlamme und hatten sich damit genug gerechtfertigt. Der Herr der Pantoffel ward in Haft genommen, und weil dies eine bos¬ hafte Rache gegen den Statthalter schien, so musste er mit einer noch größeren Geldstrafe, als die beiden vorigen waren, büßen. Seine Pantoffel aber wurden ihm sorgfältig wiedergegeben." 100 „Was soll ich nun mit euch thun," sprach Kasem, „ihr ver¬ wünschten Pantoffel? Allen Elementen habe ich euch gegeben, und ihr kommt immer mit größerem Verluste für mich wieder; jetzt ist mir nur noch eins übrig, die Flamme soll euch verzehren." 227 „Weil ihr aber," fuhr er fort und wog sie in feinen Händen, „so ganz mit Schlamm erfüllt und mit Wasser getränkt seid, so muss ich ws euch noch das Sonnenlicht gönnen und euch auf meinem Dache trocknen; denn euch in mein Haus zu bringen, werde ich mich wohl hüten." Mit diesen Worten stieg er auf das platte Dach seines Hauses und legte sie daselbst nieder. Aber das Unglück hatte noch nicht auf¬ gehört, ihn zu verfolgen; ja der letzte Streich, der ihm aufbehalten 110 war, war der grausamste von allen. Ein Hund seines Nachbars ward die Pantoffel gewahr. Er sprang von dem Dache seines Herrn auf das Dach Kasems und spielte mit ihnen, indem er sie umherzerrte. So hatte er den einen bis an den Rand des Daches geschleppt und es bedurfte nur noch einer kleinen Berührung, da fiel der schwere 11- Pantoffel einer Frau, welche eben unter dem Hause vorbeigieng und ein Kind trug, gerade auf den Kopf. Sie fiel selbst nieder, und das Kind stürzte aus ihren Armen auf die Steine. Ihr Mann brachte seine Klage vor den Richter, und Kaseni musste härter büßen, als er je gebüßt hatte; denn sein unvorsichtiger Pantoffel hatte beinahe zwei E Menschen erschlagen. Als ihm dies Urtheil verkündigt ward, sprach Kasem mit einer Ernsthaftigkeit, die den Kadi selbst zum Lachen brachte: „Richter der Gerechtigkeit, alles will ich geben und leiden, wozu Ihr mich verdammt habt; nur erbitte ich mir auch den Schutz der Gerechtigkeit gegen die unversöhnlichen Feinde, welche die Ursache 12- all meines Kummers und Unglücks bis aus diese Stunde waren. Es sind diese armseligen Pantoffel. Sie haben mich in Armut und Schimpf, ja in Lebensgefahr gebracht, und wer weiß, was sie noch im Schilde führen? Sei gerecht, 0 edler Kadi, und fasse einen Schluss ab, dass alles Unglück, welches ohne Zweifel noch diese iso Werkzeuge der bösen Geister anrichten werden, nicht mir, sondern ihnen zugerechnet werde." Der Richter konnte ihm seine Bitte nicht versagen. Er behielt die unglücklichen Störer der öffentlichen und häuslichen Ruhe bei sich. Dem Alten aber gab er die Lehre, dass die rechte Sparsamkeit nur 13- in der richtigen Anwendung des Geldes, nicht aber in dem Zusammen¬ scharren desselben bestehe. Liebeskind. t5 * 228 278. Der Svmmer. Im Sommer scheint die Sonne heißer als im Frühling. Tie vielen Blumen, das Gemüse in den Gärten und alles auf dem Felde schmachtet dann oft nach Regen. Alles bedarf der Erquickung. Da verdunkelt sich der Himmel, Blitze blenden das Auge, der 5 Donner rollt, und ein wohlthätiger Regen erfrischt die durstigen Bäume und Kräuter. Aber die Hitze wird noch größer; es röthet sich die Kirsche, und das Getreide reift. Die Stachelbeere reift mit der Johannesbeere; die Kinder pflücken sie jubelnd ab und löschen damit ihren Durst. Das io Gras auf den Wiesen ist hoch genug gewachsen, dass es mit der Sense gemäht werden kann; die Sonne trocknet es zu Heu, und der Landmann bringt es als Wintervorrath in seine Scheune. Nach und nach wird das Laub der Bäume dunkler, das Korn wird gelb, und der Schnitter wetzt seine Sichel, um es zu schneiden. 15 Bald liegt es abgeschnitten da, und der Bauer fährt es nach Hause, um es zu dreschen. Wie gütig ist der Sommer! Er schenkt den Kindern süße Früchte, und durch seine Wärme reift das unentbehrliche Getreide! Nach Kellner. 279. Das Tamm im Walde. Mein Weg führte mich in der heißen Mittagsstunde durch die kühlen Schatten eines luftigen Buchenwaldes. Unter den Bäumen wuchs kein Gesträuch und kein Gebüsch; der Boden war mit langen Gräsern und mit reinlichem Moose bewachsen; nur den Fußpfad 5 entlang bildeten dichte Haselstauden eine Art von Verzäunung. Ich wollte eben um eine Krümmung des Weges biegen, da begegnete mir ein niedliches Lamm, dessen Wolle in das weiße Licht der Sonne getaucht zu sein schien. Das Thierchen kam in eiligen Schritten gelaufen, und seine Augen machten sehr ängstliche Blicke, io Um den Hals trug es ein rothes Band. Es sah mich furchtsam an und sprang dann rasch über die untern Zweige der Stauden an mir vorüber. „Ach," dachte ich, „du hast dich gewiss von deiner Herde verirrt; wüsste ich nur den Aufenthalt derselben, auf meinen Schultern 229 wollte ich dich wieder zum Hirten tragen; so aber niöge dich der Trieb deiner Natur auf den rechten Weg führen!" 15 Das gute Lämmlein war kaum aus meinen Augen, da kam ein großer Fleischerhund herangetrabt; die rothe Zunge Hieng ihm aus den, Munde. Hinter ihm her kam der Metzger selbst; er hatte ein Strickchen in der linken Hand und fragte mich, ob mir nicht ein Lamm begegnet sei. Bones Lesebuch. 20 280. Vas Gewitter. Wenn es im Sommer längere Zeit heiß gewesen ist, so entsteht gewöhnlich ein Gewitter. Dicke, schwarze Wolken steigen auf und breiten sich am Himmel aus. Man hört von ferne den Donner rollen. Es erhebt sich von Zeit zu Zeit ein leiser Wind, der immer heftiger wird, Staub aufjagt und dann plötzlich wieder nachlässt. Indessen s kommt der Donner immer näher; es fallen Regentropfen. Gezackte Blitze fahren durch die Luft, immer häufiger und immer kürzer vor den Donnerschlägen. Wenn Blitz und Donner fast zu gleicher Zeit erfolgen, so ist das Gewitter ganz nahe; fährt der Blitz in einen Gegenstand auf der Erde, so sagt man: es schlägt ein. In der Nacht, n> wo man den Blitz besser sieht, und wo oft der ganze Himmel ein Feuer zu sein scheint, sind die Gewitter am furchtbarsten. Beim Gewitter soll man in die Mitte der Stube treten; man kann die Thüre oder ein Fenster offen lassen, doch darf kein Luftzug entstehen. Im Freien soll man nicht unter hohen Bäumen Schutz suchen, weil 1- der Blitz gern in hohe Gegenstände einschlägt. Die Gewitter reinigen und kühlen die Luft und erquicken Menschen, Thiere und Pflanzen. Lanckhard. 281. Heimkehr des Hirten. 1. Noch glänzt der letzte Abendschein, Da treibt der Hirt die Herde ein, Der Knabe singt, das Mädchen lacht. Der Hund nach allen Seiten wacht. 2. So ziehn sie froh dem Dorfe zu. Rings liegt die Welt in stiller Ruh', Und überm Berge klar und rein Hebt sich der Mond mit Hellem Schein. 230 3. Da spricht der Knabe: „Vater, schau, Gleicht nicht der Himmel einer Au? Draus gehn wie unsre Schafe dort Die Wolken auch von Ort zu Ort." 4. Der Vater spricht: „Hast recht, mein Kind; Die treibt als Hund der Abendwind, Und dass sich keins davon verirrt. Wacht dort der Mond, der gute Hirt!" 5. So sprechen sie noch vieles mehr; Drauf kommt vom Dorf die Mutter her; Das Kindlein, ihr ans Herz gedrückt, Das lacht, wie es die Herd' erblickt. 6. Doch als den Vater es gewahrt, Da jauchzt es recht nach Kindesart Und streckt die Arme nach ihm aus, Und alle gehn vergnügt nach Haus. 7. Dort essen sie ihr Abendbrot Und denken nicht an Sorg' und Noth Und danken Gott und gehn zur Ruh' Und schlafen süß dem Morgen zu. R e i n i ck. 282. vis ^3,bs1 vorn Hs dis Hiiere naeb dem Lündsnkalls der ersten Nenseben das karadies verlasssn mussten unä mit diesen in veindsebakt gsratben varen, Logen äis vildestsu unck bösesten unter ibneu, cker vöve, der viger, der V7vlk, der Lar und niedrere andere, 5 in die Wälder und vinöden und lebten dort vom Raube und Nords, indem sie die sebväsberen vbiers verfolgten und auk- kraken. Vie meisten von diesen Loben daber in die entlegensten Leblupkvinbsl und blieben in kortväbrsnder ^ngst und 8odeu, vie 2um Beispiel die vir sebe, die Vasen und Rebe; aber die m sanfteren und treundlieberen vbiere, dis Oebsen, dis Lobaks, die vunde und noeb viele andere, vollten gern vieder einen Herrn babsv, der vis der Nenseb tür sis sorgen und sie püsgen wöebte. 231 8is bielten äesbalb einen großen Batb unä beseblosseu snäliek, äen Men äa^u /u erwäklen, weil äieser äem Nenseben sm Lbuliebsten war; äenn er batte ein sebr ernstes unä weises is Desiekt, gieng autreebt aut 2wei Beinen unä war mit menseklieden Bänäen verseben, mit äenen er gesebiekt ^u bantieren wusste. Damit 6i sieb nun /u einem 80 boben ^mte erst wobl vorbereite, sebiekten sie ibn aut einige 2eit in «Hs Mbe äer Benseben, äamit er von äiesen allerlei Künste erlerne unä sie 2a äen Bbieren dann mittbeileu könne. Der ^6'0 war aueb sogleieb äaru bereit unä gieng bin. wo ^äam unä Bva mit ibren Kinäern wobnten. Dort setzte er siel: aut einen ^ptelbaum unä 8ab äem Meiden äer Neoseben r:u. Ker ibn äa 80 mit 8einer wiebtigen Kiene sit/en 8ab, musste 25 äenken: „Menn äer's niebt lernt, 80 lernt's keiner." In äer er8ten Koebe war 8eine ^utgabe, äen Neoseben 68 ab^useben, wie 8ie ibre Dutten bauten; äeun äie Ibieie wollten aueb vor äer bösen Kitterung gesebüt^t sein. Da 8ab er von 8eivem Baume berunter, wie ^äam ein 3» Beil nabm, äawit gegen äie Bäume seblug, bis 8ie umbelen, wie er äiese äsnn ruireebtbaekte unä aus äen Balken unä btosteo eine seböne Bütte ^usammenstellte. Baum batte äer ^tte äas alles nur ein klein wenig beobaebtet, so sxraob er tür sieb: „Bobo! wenn's weiter niebts ist, äas will 35 ieb aueb sobon maeben!" unä list xu äen Mieren Zurück. Dort angekommen, riet er sie alle Zusammen unä simaeb: „Kommt, kommt! jet^t sollt ibr in mir äen ersten Baumeister von äer Kelt seben!" Damit nabm er äen ersten besten Knüttel unä bieb wie närriseb gegen alle Bäume, reebts unä links, kreux 40 unä quer, äass äie Bbiere ibm aus äem Kege listen. Mer äie Bäume blieben alle rubig sieben unä rübrten sieb niebt, unä äie Miere laebten ibn aus. Das ärgerte äen ^tten, unä er sebnitt ibnen grimmige Desiebter. ^ber bei sieb selber äaebte er: „Bass sie nur laeben! 45 leb bin äoeb klüger als sie, unä wenn ieb erst Berr bin, sollen sie's sebon tüblen." In äer Zweiten Koebe wollte er lernen äas belä bestellen, äenn es gebraeb äen Mieren an Butter. 232 5» Da sab 6r von seinem Apfelbaume, vis ^dam einen späten nalw, ibn gegen äen Loden stemmte, mit der Land tücbtig dagegen drückte nnd in den Loden biueingrub. ^ueb ssb er dm später einen Leute! sied um den Leib binden, voraus er allerlei Körner in die aukgegrabene Lrde vark, damit bündig 55 daraus das Oetreide emporvaebss. Der ^iie daebte: „Lab! das ist Leine Kunst, das vollen vir scbon maeben!" lind veil er reckt scblau sein vollte, stabl er dem Mam beimlieb den spaten und den Oetreidesaek veg und lief damit ?u seinen Lbieren Zurück. 6« „Kommt, kommt!" riet er ibnen entgegen, „jet^t sollt ibr einmal seben, vas ieb kür ein ^.ckersmann bin!" Daun nabm er den spaten, stemmte ibn gegen die Lrde und drückte mit der Land aus Leibeskräkten dagegen. äker statt ibn mit dem Liseir naeb unten rm balten, bielt er ibn umgekebrt, das Unterste naeb «5 oben, und vie er nun so mit aller Oevalt dagegeudrüekte, sebnitt er sieb an der sebarken sekneide die gan^e Land ent^vei, dass er laut auksebrie und den spaten vegvark. (Lüeklieberveise var ein Lund in der Labe, der leckte ibm die 'tVunde aus, so dass der sebmer^ bald vorübergieng. 7« La spraeb er: „ä.eb vas! das dumme (Laben ist Lebensaebe; die Lauptsaebe ist das säen!" so nabm er denn den Letreide- beutel, und veil niebts webr darin var, füllte er kleine steineben und sand binein, band ibn um den Leib, gieug mit viebtiger Niens und gevaltigem Liker bin und ber und auf und nieder 75 und streute den sand naeb allen Leiten um sieb ber und im Liker selbst den Lbieren ins Lssicbt. Laebdem diese sieb aber die ^ugen ausgevisebt, merkten sie vobl, dass der veise Lerr ^ekersmann ibnen eitel sand in die ^ugeu gestreut, aus dem sein Lebtag kein Lutter vaebsen könnte. La 80 sebüttelten sie bedenkliob den Kopf und kebrten ibm den Lücken. In der dritten Nmebe nabm der /iks sieb vor, das Koebeu 2u lernen; denn es Leng an, kalt ?u verden. und er glaubte, venn er den Lbieren erst eine varms suppe bereitet bätte, könnten sie ibn gar niebt mebr entbebren. 85 La sab er, vie ^dam trockenes Leisig ^usamwentrug, aus seiner Lütte einen Lrand bolte und das Leisig damit an^ündete; 233 äLiAuk bieng Bva einen irdenen Kesseltopf über dem Keuer auf, tkat den Kolil binein, und naeb einer Stunde war die Luppe fertig. „llloko!" spraeb der Ms, „das ist aueb keine Hexerei!" sprang vorn Baume, riss einen brennenden Span aus dem Keuer, 90 und ebe ^.dam ibru nacksstxen konnte, war er damit über alle Berge gesprungen. »Outen Appetit!" riek er den Edieren sebon aus der Kerne entgegen. „Heute sollt ibr etwas ru essen bekommen, wonaeb ibr alle Bkotsn lecken werdet! Heda, ibr Hunde, bolt mir raseb ss trockene Reiser Zusammen, da werdet ibr etwas erleben!" Oie Hunde apportierten scbnoll das Reisig, der Me steckte den Brand binein, und die Klamme llaokerte und prasselte lustig in die Bukt. Bald aber lieB das Keuer naeb. „Vas wollen wir sebon bekommen," riet der Ms und blies mit vollen Lacken in 100 die Mcbe, dass die Kunken ibm und den Unsren in den Lev Logen und die Baars verbrannten. „Lebadet uicbts," riek er, „keine Krsud' ebne Leid! Habt nur Oeduld; binde gut, alles gut!" Darauf bolte er ein grolZes Battiebblatt, bieng es an 2wei Stäben über dem Keuer auk, seböpkte mit der boblen Band Nasser ms Lus dem näebsten Baebe binein und wart in dieses Lrennesseln und allerlei Unkraut, was gerade am Wege stand. „Vas wird uns sebmeeken!" riek er den Bunden 2u, denen sebon das Wasser vor Appetit aus dem Nauls lisk, Mer kaum batte er's gesagt, so sebrumpkte das Battiebblatt vor aller Mgen 110 Zusammen, die künftige Suppe lief ins Keuer und lösebte es aus, und mit dem Rocken war's kür immer vorbei. va beugen die Bkiere sebr an mi brummen, besonders die Oeksen, und keiner wollte mebr von der Weisbeit des Men etwas wissen. Der aber spraeb: „Sebämt eueb, ibr Bkiere! Wer ii; wird denn gleiek den Nutb verlieren! Bsrnsu wir es niebt, so lsrnen es unsre Rinder. Mer die müssen gsbörig bebandslt und da^u erlogen werden, vaber will ieb vor allen Dingen ,jet?t erst bis RindererAsbung von den Nenseben lernen. Vas wollte den Ocbsen gar niebt in den Sinn, und sie iro brummten noek viel mebr als mivor: aber die Kkerde und Bunde, die sebon mebr Lust am Lernen batten, fanden den Vorseblag uiebt so übel. Sie überredeten da?u aueb die anderen Kbiere, - 234 — unči in der vierten liVoeke suk der ^.Ze wieder aut seinem iL5 Luume. Oben sekrien die kleinen Kinder der Dva uncl weinten. dass es niekt zum ^nkoren war. On Knin die Nutter keraus, wiekelte sie in ein Kuek, legte sie in einen runden Korb, und wie sie diesen mit dem Kuke unstiek, dass er siek Inn und der vielte, 13« wurden die Kinclereken gunz still und selilieten ein. Oie grökeren Kinder über küsste sie, wenn sie urtig, und züektigte sie mit 8ek1äg6n, wenn sie unfolgsam waren. Kaum Kutte der ^lle das geseken, so spruek er: „Ous Kivdererzieken verstell' iek jetzt uns dein Orunde; oder dszu 13Z gekört auek ein kuek. wie die Nenseken du Kuben." >Veil nun gerade ein solekes in der Oäke unk dein Apfelbaume /um Trocknen aufgeküngt war, so stukl er es Keimliek weg, kund es dünn «ne eine Oakns un einen 8toek und kam damit jubelnd zu den Okieren Zurück. no „Kun bringt mir einmal eure sümmtlieken Kinder kerkei, sie sollen in einer 8tunde erzogen sein!" 8o riet er den Okieren entgegen. Diese kruekten denn eilig- alle ikre jungen Kälber, Küken, Dümmer, /iekelekev, Oündeken und Kützeken und noed viele, viele junge Okisreken, eines immer niedlieker uls dus 145 andere. Oie Kälber sekrien, die Küken wiekerten, die Dämmer blökten, die 2iekeleken meekerten, die Oündeken winselten, die Kützeken miauten, vor allen aber sekrien und quiekten die jungen Kerkeleken am meisten. 150 „Ikr 8ekreikäls6 sollt sekon stik werden!" sprued der nukm aut einmal seeks Kerkei, die am ärgsten sekrien, legte sie ins Onek, seknürte es Zusammen, wie man ein Lündel Hüsede seknürt, und legte dus ganze Kaek in das Dank aut einen sekwankenden Luumast. Ouruuk sprang er selbst aut den 8taww 155 und stiek mit dem Kuke an den ^st, um ikn bin und Ker ru wiegen. Kber — klutsek! — lugen die seeks 8pantorkel mit ilireiv I'ueke aut der Drde und waren mäusekenstill. „8ekt ikr," spruek der ^ke, „ukmäkkek komm' iek sekon dakintsr. letzt uker vik ick mein Neisterstüek waeken un euren älteren Kindern, 6u iso werdet ikr lkespeet vor mir bekommen!" 235 Xmi litzlZ 61' allo (litz jungen Tbi6i'6 uw sieb 561' in 6IU6N Lrsi's kreten. Drst bstraektete er sie lange mit gelebrter unä wiebtiger Niens, äann g'ieng er diu unä küsste uwl leekte siu l^äes vou ibnsu wit seiueu garstigen kippen auts aUer^ärtliebste; ^ulet^t aber spraeb er: „kasst auk, setrt kommt äie Dauxtsaebe!" i65 mul bei ciieseu Sorten beite er mit seiueu breitem ellenlangen ^rmen aus, soweit er uur konnte, uuä tbsiite naeb ulten Leiten Obrkeigen aus, äass äie kbiercben laut brüllten uu Denn das Vermögen, schaden zu können, erweckt, fürchte ich, die Lust, schaden zu wollen; und es ist besser Unrecht leiden als Unrecht thun." Zeus segnete das fromme Schaf, und es vergaß von Stund' an zu klagen. Lessing. 287. Euklid von Megara. Des jungen Euklid es Vaterstadt war Megara; doch hielt er sich lieber in Athen auf, um daselbst von dem weisen So krat es Lehren der Weisheit zu hören. Einst aber wurden die Athener den Bewohnern von Megara feind und ließen daher bekannt machen, dass der erste Megaräer, der sich wieder in Athen werde ertappen lassen, sein Leben s verlieren sollte. Das war nun eine recht traurige Nachricht für den jungen Euklides; denn gar zu gern hätte er den weisen Sokrates ferner gehört, aber seinen Kopf daran zu wagen, das war ihm doch auch bedenklich. Endlich aber siegte doch die Lust und Liebe zur Weisheit w über die Liebe zum Leben. Er beschloss, sich an das Verbot nicht zu kehren, sondern sich alle Abende heimlich in die Stadt Athen zu schleichen. Alle Abende gegen Sonnenuntergang zog er Weiberkleider an und gieng in diesem Aufzuge von Megara nach Athen, was ein Weg von wenigstens zwei Meilen war. Sobald er in Athen angekommen is war, begab er sich nach dem Hause des Sokrates und brachte einige Stunden der Nacht bei ihm zu, und noch ehe der Tag anbrach, gieng er wieder nach seiner Vaterstadt zurück. So wagte dieser edle lern¬ begierige Jüngling alle Tage sein Leben und ließ sich einen täglichen Gang von vier Meilen nicht verdrießen, um von Sokrates zu lernen, 20 weise und gut zu werden. Campe. 240 288. Der Faule. 1. „Heute nach der Schule gehen, Da so schönes Wetter ist? Nein! Wozu denn immer lernen. Was man später doch vergisst? 2. Doch die Zeit wird lang mir werden, Und wie bring' ich sie herum? — Spitz, komm her! ich will dich lehren. Hund, du bist mir viel zu dumm! 3. Andre Hund' in deinen, Alter- Können dienen. Schildwach' stehn, Können tanzen, apportieren. Aus Befehl ins Wasser gehn. 4. Ja, du denkst, es geht so weiter, Wie du's sonst getrieben hast. Nein, mein Spitz, jetzt heißt es lernen. Hier! Komm her! Und ausgepasst! 5. So — nun stell' dich in die Ecke! Hoch! den Kops zu mir gericht't! — Pfötchen geben! — So! — noch einmal! Sonst gibt's Schläge! — Willst du nicht ? 6. Was? du knurrst? Du willst nicht lernen! Seht mir doch den faulen Wicht! Wer nichts lernt, verdienet Strafe, Kennst du diese Regel nicht?" — 7. Horch! — Wer kommt?--Es ist der Vater! Streng ruft er dem Knaben zu: „Wer nichts lernt, verdienet Strafe! Sprich! und was verdienest du?" Reinick. 241 SB9. rrrr/ /NOrr/as. /n H-/»a/rtS «?// /s>' /»se/ KrU'e» /e/te-r swer -/ö»A/t»As, Damo» »»/ D/r»tr«s. D/r»/r«s /e/ /er' /em Dä»ste/r Dr'o»r/s r» //»A»a/s »»/ rc»»/s s»m /'s/« »«/'»/-//er/t. D»»c/ se/» /,'rtte» s/'/?'e/ es erMAe /üAe />r's/ »m «»eo» »ac/ D«»se »erse» »»/ /»/»Aön/e /a»cr/re»a»Ae/6A6»/e/e» /» 0»/»?^»^ ö»r'»Ae» 2« /cS»»s». 5 ä/»e/r/ /rese»' ^e/ ste//e s?c/ ser» />s»»/ Damo» «/s /-»»Ae r/»/ rca»/e7/e a» Äe//e /es /V«r»/-'as r'»s 6e/«»A»rs. Der- /«A. a» rce/c/s-» /as //-//er/ a»SAe/ü/»t rce»/e» so//e, »a/te /esa-r, »n/ »oc/ /r'e/§ sre/r D/rr/ras »re// se/e». Kc/o» /a/e/s »ra» /lamo», /ass e» er »e so //o>r'c//e //»sr/sc/a// er»- i<> ASAa»Ae» ser' »»/ sre/ «a/ /re /Verre ser»es />err»/es vsi/asse» /abe. //e» /lamo» ve»/»«»/« /es/ ar«/' /as r/m eo» D/r»/ras AeA-e/e»e ll^o-'/ rr»/ er'//«»/«, e» res»/« »o» /resem 6/a»/e» »re// /asss», se//s/ rve»» e» /»-' ser»e» />err»/ s/e»/e» müsse. Dre ä/»»/s /car», -ce/c/e »o» Dro»r/,s s»» l^o/Zsre/ttNA /es i.°> Do/es»-'//sr'Zs/es/Aes/eZZ/ rea». /'e/o» re»»/«» /re A»s/a//e» -/e/ro/e», /e» //»»r/e» a» ,Äe//e /es D»/-erc/erre» Lrrm //re/Z/r/a/s Lrr /»/»e». /» /reser» e1»Ae»//re/s s/»r-r/e //rr»/ras, /e» /»»e/ »»r-o»/«»- Asse/rs»e D»er Leseb. für slov.-utraquist. Mittelsch. t < 258 Die Folge hat gezeigt, wie wahr Solon gesprochen hatte. Um dieselbe Zeit lebte Cyrus, der sich schon manche Länder unter¬ worfen hatte. Mit ihm gerieth Krösus in einen Krieg, hatte aber dabei ein Unglück ums andere. Sein Heer wurde geschlagen, seine ru Residenz eingenommen, und er selbst fiel den Feinden in die Hände. Er verlor nicht nur alle seine Schätze, sondern wurde auch von dem übermüthigen Sieger verurtheilt, auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden. Der Holzstoß war bereits errichtet, und das Feuer wurde angelegt; da erkannte Krösus, wie wahr Solon gesprochen hatte, und 45 rief, wie die Sage berichtet, bedeutungsvoll aus: „O Solon! Solon! Solon!" Cyrus, der nahe am Scheiterhaufen stand und diese Worte hörte, ließ sogleich anhalten und fragte, was dieser Ausruf bedeute. Krösus erzählte seine Unterredung mit Solon und fügte hinzu, er erkenne nun, dass niemand vor dem Tode vollkommen 5» glücklich zu preisen sei. Der glückliche Sieger wurde durch die Erzählung gerührt; er befahl, dem Krösus sogleich die Bande zu lösen, und schenkte ihm nicht nur das Leben, sondern nahm ihn auch als Freund und Rathgeber an seinen Hof. Beide lebten fortan vereint, bis auch Cprus die Unbeständigkeit des Glückes erfuhr und 55 in einem Kriege getödtet wurde. Scheinpflug. 299. Die Lpg-rtansr In IksrinopzrlL. 8ekner unä langsam kam äie Lersermaokt kerangerogeu, okno Nääerstanä /n ünäen, bis ?um Lngpasse von Dkerwopzäa, äer in «las Hör? von Lrieekenlanä tükrt. Lier, no äas Noor von äor oinou und äas stoilo Ötagebirge von äor anäeren 8eite nur 5 einen sekmalen 8teg gelassen kabsu, kiolt, äor spartaniseke König Leoniäas mit 300 8partiaton unä einigen verbünäeten Truppen. Xorx o s laekte überlaut, als or körto, äass äisses Läulleiu seins Lunäerttausenäe auLukalten geäeuke unä sieb xum Kampfe nie 2U einem Teste sekmüoke. Lr sekielrte Loten bin mit äem LeteKI, w ibm sotort äie Bakken aus^ulietern. „Komm unä bole sie!" nar äio Xntnort. Unä als äeu 6rieeben gesagt nuräe, äer Teiuäe seien so viele, äass ikre ?keile äie 8onne verünsteru nüräen, erniäerto ein 8partauer kalt: „Desto besser, so neräen nir im 8ekatten keekten." 259 Noeb zögerte Xerxes in it dem Angriff. konnte es sieb iö niekt als möglieb äenken, äass äiese Rsnävoll Nenseken virkbeb iViäsrstanä leisten vüräen; so liess er ibnen äeun vier tage iLtzit /ur Resiunung; vielleiebt — so meinte er — vüräen sie von selbst umkebren unä abzieben. Dann aber liess or soino Xsiaten gegen äen Koklveg losstürmen. Hior stanäen äie Driseben, 2« äiebt geseblossen, Nann an Naun, in äer Rinken äen 8ebilä baltenä, vas einer ebernon Nauer glieb, von äer äio Rfsile äer Barbaren klirrend zurückbogen; mit äer Reebten streckten sio einen kValä langer Ranzen vor sied bin. 8c!iar aut 8eliar stürmte beran unä suebte äeu Nrää /u äurcbbreeben: aber immer vvuräon 25 sie über äie Reieben äer Iirrigen zurückgen-orlen. Xerxes liess ,jetzt äie tapfersten seines Heeres, äie „unsterbliebe 8ebar" genannt, vorrücken. Xueb sie fielen. Lein I'erser moetäe mebr äen XngriR vagen. 2u veilen gebrauebten äie 8partaner eine Kriegslist unä lioben; äie persiseben Leiter varen binterärein; 30 aber plötzlieb vanäten sieb äie tapfer» unä staeben Löss unä Nann nieäer. Xerxes sprang oft von seinem 8it/e auf, venn er seine besten Krieger fallen sab; er vütbets unä tobte unä liess seine 8ebsren mit Oeisseln in äen Hoblveg xeitseben, vo ibr sieberes 6rab bereitet var. klier väre violleielrt sebon äie ganze 35 persisebe Nacbt an äer taxferkeit von ein paar bunäert bei äen - mutbigen 6rieeben gesebeitert, väre nickt ein Verrätber gsvesen — klxbi altes ist sein Käme — äer äem persiseben Reläberrn einen gebeimen kussplää über äas (kebirge entdeckte. Xun seblieben sieb äie I'erser in aller 8tille an äem Berg 40 binauf, überstiegen äie absebüssigen Höben unä beten äen ver- ratbonen Orieeben in äeu Rücken. Diese seben ibren unvermeiä- lieben toä vor Xugen, aber sie vollen äas Reben aueb tbeuer verkaufen. kVütben ä stür/en sie sieb in äie keinäe, äie vis (kras unter äer 8ense äes 8ebnitters unter ibren 8treiebeu fallen. Xis §s äie Ran/en äer 8partaner /erbroeben sinä, geben sie mit ibren kurzen 8cbvortsrn äen k'einäen zuleibe. Da fällt Reoniäas im klanägemenge, naebäem er beläenmütbig gekämpft, unä mit ibm viele tüebtige 8psrtaner; über seinem Reiebnam entstebt ein grosses Oeäränge äer kerser unä kaceäämonior. bis äie Orieeben 5« ibn äureb ibre tapkerkeit fortbringen unä äreimal äie I'erser in 17 * 260 äio Kluebt 8oblagou. Xbor mm äriu»ou von ailob Loiton äio Koiuäo auk äas immor kloiuor voräouäo Orioobouboor oiu, uuä äio lapkorstou mü88ou äor Öbormaebt orboZou. S5 Von souou 300 Lxartauoru starbou Mo äou üoiäoutoä, bis auk oiuou, Xri8toäomu8. viosor var boi oiuom anäoru Lpartauor, uamou8 K u r v t u 8. äor vogou oiuor sobbuimou Vugoukraukboit von boouiäas kortgosobickt voräou var. ^18 sio lllm börton, äa88 äio korsor übor äou Borg »oMNAou soiou. koräorto Kursus 8oiilo «« küstuuZ, loZto 8io au uuä bokabl 8oiuom Oiouor, ibn uaeb äom Kampkpiatxo xu kübrou. Hior auZokommou, stürxto or sieb in äou koiuäliebou Hauken uuä varä orseblagou; Xristoäomus abor rottoto soiu bobou äureb äio Kiuebt. Doob in 8parta orkiärtou ibn aiio Lürgor kür obrlos, koiuor spraeb mobr mit ibm, koiuor äurkto «s ibm om Kouor auxüuäou. 8olebo Lebmaeb vormoebto or uiebt xu ortra^ou; or xoZ uaebbor io äio Leblaebt boi klatää uilä biolt sieb äa 80 tapkor, äa?8 or soiuo Lebmaeb mit äom 3?oäo Iö8ebts. LoIoborZostalt var äor Kampf äor Orioebou boi IbormoxM im äuli 480 v. Obr. Kaeb äor Lebiaebt bosab Xorxo8 äio boicd- 7« namo, uilä ais mau äou Koiebuam ä08 Koouiäa8 Zokuuäon, 1io6 or äomsolbou äou Kopf absebuoiäou uuä ibu aebmaebvoli ans Kroux «eblaZou viäor Litto uuä üoebt. Dio Orioebou abor liolLou naedbor au äor LtoIIo, vo Koouiäaa gokallou var, oiuou 8toinoruou b-övou uuä oiuo Oollb8äuio orriebtou, volebo äio Iu8ekrikt träZt: 75 „^Vauäoror, kommst äu naeb Lxarta, vorbüuäi^o äortou, äu babo8t IIu8 bior liouou uo8obu. vio äa8 6osotx 08 bokabl!" 6 r u b e. 300. Demosthenes. Demosthenes war der größte Redner unter den Griechen. Er hatte seinen Vater verloren, als er kaum sieben Jahre alt war. Als Knabe hörte er einst einen Redner und war ganz entzückt von der schönen Rede. Er fasste sogleich den Entschluss, auch einmal ein solcher 5 Redner zu werden. Von der Zeit an nahm er an keinem Spiele mehr theil, sondern verwandte alle Zeit auf Lesen, Schreiben und Sprechen. Als er nun erwachsen war und eine schöne Rede ausgearbeitet hatte, hielt er diese vor dem versammelten Volke. Aber er wurde ausgepfifsen, und alle Mühe schien vergeblich gewesen zu sein. Betrübt 261 schlich er nach Hause. Ein Freund aber ermunterte ihn zu einem w zweiten Versuche. Diesmal arbeitete er viel sorgfältiger und übte die Rede geläufiger ein. Aber ach! er wurde wieder ausgelacht; das Gesicht in seinen Mantel hüllend, gieng er wie vernichtet nach Hause. Darauf besuchte ihn ein anderer Freund und machte ihn aufmerksani auf seine Fehler beim Reden. is Demosthenes hatte aber als Redner drei Hauptfehler: erstlich sprach er zu leise, weil er eine schwache Brust hatte; dann sprach er undeutlich, denn einige Laute konnte er gar nicht hervorbringen, z. B. das R; endlich hatte er die üble Gewohnheit, dass er mit der Achsel zuckte, sooft er einen Satz ausgesprochen hatte. ro Wie sollte er aber solchen Gebrechen abhelfen? Demosthenes verzweifelte nicht. Was der Mensch will, das kann er. — Um seine Brust zu stärken, gieng er täglich die steilsten Berge hinan; oder er trat an das Ufer des Meeres, wo die Wogen ein großes Gebraust machten, und suchte mit seiner Stimme das Getöse zu übertönen. 25 Um das R und einige andere Laute herauszubringen und der Zunge die rechte Lage zu geben, legte er kleine Steine unter die Zunge, und so sprach er. Das hässliche Achselzucken sich abzugewöhnen, hängte er ein Schwert über der zuckenden Achsel auf, das ihn jedesmal verwundete, wenn er in die Höhe fuhr. Dann ließ er sich die Haare s» kurz abschereu, damit er eine Zeitlang gar nicht ausgehen durfte, sondern alle Zeit auf seine Kunst verwenden musste. Nach solchen Vorbereitungen trat er endlich wieder auf und hielt eine so schöne Rede, dass das athenische Volk ganz entzückt war und seinen Ohren nicht trauen wollte. Demosthenes wurde nun mit Zs Lob und Beifallsbezeugungen überschüttet; dadurch aufgemuntert, fuhr er nur noch emsiger fort, an seiner rednerischen Ausbildung zu arbeiten. Oft hat er mehr gewirkt als der beste Feldherr. 301. Sprüche. 1. Wer ausharrt bis zum Ende, wird gekrönt. 2. Der Wille macht den Menschen groß und klein. tz. Die Tauben fliegen einem nicht gebraten ins Maul. 4. Muth verloren, alles verloren. 5. Ende gut, alles gut. 262 302. Nus dem Tebrn Nlrxandvrs des Grohen. Einer der merkwürdigsten Männer der alten Geschichte ist Alexander der Große, König von Makedonien. Aus seinem Leben werden uns viele anmuthige und lehrreiche Geschichten erzählt, von denen hier einige folgen mögen. I. s Alexander hatte ein Pferd, das ihm über alles lieb war und dem er wegen der eigenthümlichen Gestalt seines Kopfes den Namen Bucephalus, d. h. Ochsenkopf, gegeben hatte. Auf folgende Weise war er in den Besitz desselben gekommen. Alexander war ein Jüngling von etwa siebzehn Jahre, als seinem Vater Philipp ein wildes u> Pferd um einen ungeheueren Preis angeboten wurde. Das Pferd war schön, von der edelsten Art, von herrlicher Geschmeidigkeit der Glieder; nur einen Fehler hatte es an sich, nämlich den, dass es keinen Reiter aussitzen ließ. Die geschicktesten Stallmeister des Königs versuchten ihre Kunst vergebens an ihm. Unmuthig befahl der König endlich, es 15 wegzuführen, da es doch kein Mensch brauchen könne. Da bat Alexander seinen Vater, auch ihm einen Versuch zu erlauben. Er hatte nämlich bemerkt, dass das Pferd vor seinem eigenen Schatten sich fürchte. Er ergriff es nun am Zügel, führte es gegen die Sonne, streichelte es eine Zeitlang, ließ dann unvermerkt seinen Mantel fallen und M schwang sich rasch hinauf. Blitzschnell flog das Pferd mit seinem Reiter davon, und mit Staunen und Zittern blickten alle dem jungen^ Alexander nach. Als sie aber sahen, dass er wieder umlenkte und das Ross nach Willkür bald links, bald rechts tummelte, da jubelten alle, und mit Freudenthränen rief der König aus, indem er den lächelnden 2- Jüngling umarmte: „Lieber Sohn, suche dir ein anderes Königreich, Makedonien ist für dich zu klein!" — Von da an war Bucephalus der unzertrennliche Begleiter Alexanders auf allen seinen Zügen, und Alexander ritt es in allen Schlachten. II. In dem großen ruhmreichen Kriege, den Alexander mit den su Persern führte, kam er einst bei großer Hitze, ganz mit Staub und Schweiß bedeckt, am Flusse Cydnus an. Das klare, frische Wasser und die schattige Einfassung des Stromes luden den König zum Baden 263 ein. Aber kaum war er hineingestiegen, als die unerwartete Kälte desselben ihn fieberhaft erschütterte. Er musste herausgetragen werden, und man zitterte für sein Leben. Die Ärzte gaben ihn in schmerzlicher »5 Bewegung verloren, und der Unmuth des Königs, sich hier im schönsten Laufe seiner Siege so widrig aufgehalten zu sehen, vermehrte noch die Krankheit. Und gerade jetzt erscholl die Nachricht, Darius —so hieß der Perserkönig — sei mit einer zahllosen Armee im Anmarsche, ja er könne vielleicht in wenigen Tagen schon da sein. In dieser Noch 40 entschloss sich sein treuer Arzt, Philippus, ein gefährliches, aber entscheidendes Mittel zu wagen. Er versprach dem Könige, ihm einen Trank zu bereiten, und gieng fort. Alexander wartete mit Unruhe auf den Trank, als ein Eilbote von seinem Freunde Parm en io ankam mit einem Briefe des Inhaltes: „Traue dem Arzte Philippus nicht! 4s Darius soll ihn mit vielem Golde bestochen und ihm seine eigene Tochter zur Ehe versprochen haben." Alexander legte den Brief zusammen und steckte ihn stillschweigend unter sein Kopfkissen. Der Arzt trat herein mit einer so ruhigen, edlen Miene, dass Alexander alles feige Misstrauen sogleich verbannte. Indem er mit der Linken 5» den Becher an den Mund setzte, überreichte er ihm mit der Rechten den Brief. Der König trank, der Arzt las. Voller Unwillen über die boshafte Anschuldigung warf dieser den Brief auf die Erde und betheuerte seine Unschuld. „Ich weiß es ja, ich kenne dich ja," sprach Alexander, „darum habe ich dir ja auch getraut. Beruhige dich, nicht -v, mich; der Ausgang wird dich rechtfertigen." Wirklich brachte die Arznei allmählich wieder neues Leben in den Kranken, und nach wenigen Tagen zeigte er sich seinen Soldaten wieder, die ihn niit Jubelgeschrei empfiengen und dem treuen Arzte mit Händedrücken und Lobpreisungen dankten. 6<> III. Es war einst bei einem festlichen Mahle, als, wie schon öfter, die Schmeichler Alexanders Thateu bis in den Himmel erhoben. Das empörte seinen Freund Klitus, einen Macedonier, der einst dem Alexander das Leben gerettet hatte. Der Wein hatte ihn erhitzt, er sprang auf und schrie laut: Alexander habe seine Thaten nicht allein 05 verrichtet, die Macedonier hätten das Meiste gethan. Philippus, den Vater Alexanders, erhob er weit über seinen Sohn, der schon lange 26L nicht mehr leben würde, wenn er nicht gewesen wäre. Diese Reden erzürnten den König aufs äußerste; nur um so heftiger schrie Klitus. 7« Man brachte ihn weg, weil man den König glühend vor Zorn auf¬ stehen sah. Aber Klitus war so unbändig, dass er durch eine andere Thür wieder in den Saal kam und aufs neue Schimpfworte gegen Alexander ausstieß. Da hielt sich dieser nicht länger. Durch seine Adern schoss kochend das Blut; glühend sprang er auf, riss einer 75 Wache die Lanze weg und stach den Klitus nieder. Aber kaum war dies geschehen, so war's, als ob Rausch, Zorn und Wuth von ihm geflohen wären. Starr blickte er eine Zeitlang auf die verathmende Leiche; mit einem durchdringenden Geschrei warf er sich auf den gemordeten Freund, umklammerte ihn mit seinen Armen, benetzte ihn mit seinen 8<> Thränen, rief ihn verzweiflungsvoll bei seinem Namen, als wolle er ihn wider ins Leben zurückrufen. Drei Tage lang wollte er weder essen noch trinken; in dumpfem Schmerz stöhnte er nur den Namen Klitus. Nur die Tröstungen seiner Freunde und der Drang der Geschäfte konnten ihn allmählich wieder beruhigen. Nach Schulze-Steinmann-Kiel, Kinderschatz. 303. Der Afrikanische Rechtssxruch. Alexander von Macedonien kam einst in eine entlegene, goldreiche Provinz von Afrika; die Einwohner giengen ihm entgegen und brachten ihm Schalen dar, voll goldener Äpfel und Früchte. „Esst ihr diese Früchte bei euch!" sprach Alexander; „ich bin nicht gekommen, eure 5 Reichthümer zu sehen, sondern von euren Sitten zu lernen." Da führten sie ihn auf den Markt, wo der König Gericht hielt. Eben trat ein Bürger vor und sprach: „Ich kaufte, o König, von diesem Manne einen Sack voll Spreu und habe einen ansehnlichen Schatz in ihm gefunden. Die Spreu ist mein, aber nicht das Gold; w und dieser Mann will es nicht wieder nehmen. Sprich ihm zu, o König; denn es ist das Seine." Und sein Gegner, auch ein Bürger des Ortes, antwortete: „Du sürchtest dich, etwas Unrechtes zu behalten, und ich sollte mich nicht fürchten, ein solches von dir zu nehmen? Ich habe dir den Sack verkauft i5 nebst allem, was drinnen ist; behalte das Deine! Sprich ihm zu, o König!" 265 Der König fragte den ersten, ob er einen Sohn habe. Er ant¬ wortete: „Ja." Er fragte den andern, ob er eine Tochter habe, und bekam „Ja" zur Antwort. „Wohlan!" sprach der König, „ihr seid beide rechtschaffene Leute; verheiratet eure Kinder untereinander und 2» gebt ihnen den gefundenen Schatz zur Hochzeitsgabe! Das ist meine Entscheidung." Alexander erstaunte, da er diesen Ausspruch hörte. „Habe ich unrecht gerichtet," sprach der König des fernen Landes, „dass du also erstaunest?" — „Mit Nichten!" antwortete Alexander; „aber in 25 unserm Lande würde man anders richten." — „Und wie denn?" fragte der afrikanische König. „Beide Streitende," sprach Alexander, „verlören ihre Häupter, und der Schatz käme in die Hände des Königs." Da schlug der König die Hände zusammen und sprach: „Scheint denn bei euch auch die Sonne? und lässt der Himmel noch auf euch so regnen?" Alexander antwortete: „Ja." — „So muss es," fuhr er fort, „der unschuldigen Thiere wegen sein, die in eurem Lande leben; denn über solche Menschen sollte keine Sonne scheinen, kein Himmel regnen." Herder. 304. Der Sperling. Wer hat wohl noch keinen Spatzen gesehen? Das wäre mir ein merkwürdiger Mensch! — Der Spatz gehört zu den Gassenbuben unter den Vögeln. Er sieht auch gerade so aus. In seinem dicken Kopfe stecken ein Paar rohe, freche Augen, denen man sogleich ansieht, dass er sich um keinen Menschen bekümmert, und dass es ihm einerlei sei, 5 was man von ihm denke. Zu seinem dicken Kopfe passt ganz sein plumper Schnabel und sein freches Geschrei. Er gibt sich nicht die geringste Mühe, anständig zu sprechen, sondern schreit in den Tag hinein, wie es ihm in die Gurgel kommt. Der Anzug passt ganz zu seinem Wesen. Gewöhnlich trägt er 10 eine grobe, graue Jacke, auf welcher man nicht leicht Schmutzflecken sehen kann; darum treibt er sich auch daniit auf dem Miste, im Kothe, in Lachen und auf den Feldern herum. Händel hat er mit seinen Kameraden alle Augenblicke, und dabei gibt es ein Geschrei, dass man es im ganzen Dorfe hört. — Vor den Menschen hat er nicht die 15 geringste Scheu und Achtung. Er drängt sich überall herbei und macht 266 sem Nest, ohne dich lange nm Erlaubnis zu fragen, zwischen den Laden und das Fenster deines Zimmers und blickt frech hinein und sieht zu, womit du dich beschäftigst. Bei seiner Unverschämtheit treibt 2» er die Schwalbe aus ihrem Neste und legt seine gesprenkelten Eier hinein. Jeder Platz ist ihm zu seinem Neste recht, ein Palast oder eine Strohhütte; und zu dem Bau desselben kann er alles gebrauchen: alte Lumpen und seidene alte Läppchen, Papierstreifen, kurze und lange Hälmchen, Fäden und Federn, alles weiß er zu benützen. es Unglaublich ist seine Gefräßigkeit. Wann siehst du einen Spatzen nicht fressen? Lecker ist er aber nicht, er frisst alles, was ihm vor den Schnabel kommt, und verdaut so herrlich und leicht, dass er von Magendrücken und Leibschmerzennichts weiß. Überall hat er seine Augen, wo es etwas zu fressen oder zu naschen gibt. Hält ein Fuhrmann Z» mit seinen Pferden vor einem Wirtshause und bringt der Hausknecht den Futtertrog, so ist auch der Spatz schon da und holt sich sein Theil Hafer. Kommt die Köchin mit einem Teller voll Brot, das sie mühsam in zierliche, viereckige Stückchen geschnitten hat, oder mit andern Leckerbissen, um damit ihre lieben Hühner zu füttern, so lässt der 35 Spatz gewiss nicht auf sich warten. Jagt sie ihn weg, so fliegt er kaum einen Schritt beiseit, und man merkt ihm nicht die geringste Verlegenheit an. Kaum hat sie deu Rücken gewendet, so ist er wieder da, und indem er aus Leibeskräften hineinwürgt, sagt er zu den Hühnern: „Ihr dürft nicht glauben, dass dies Fressen für euch allein 4v da ist! Ich will auch etwas haben! Versteht ihr mich?" Die guten Hühner lassen sich in keinen Streit ein, sondern eilen nur, damit der Spatz mit seinen Kameraden nicht alles erwische. — Kaum fangen die Kirschen an, sich zu särben, so holt sich der Spatz eine Probe davon, und es fällt ihm nicht ein zu sagen: „Erlauben Sie gütigst!" 45 Ei bewahre! Er nimmt sich, als ob die Kirschen für ihn allein gewachsen wären. Sind sie erst reif, so kennt er vom frühen Morgen bis zum späten Abend gar keine andere Beschäftigung als Kirschen sressen. Pfeift, klatscht in die Hände, schreit euch die Kehlen wund und macht mit Klappern einen Höllenlärm, werft mit Steinen und Prügeln nach 53 ihm, schießt, sooft ihr wollt: das nützt euch alles nichts, der Spatz lacht euch nur aus und frisst seine Kirschen doch, und ist es nicht auf diesem Baume, so ist es auf einem andern, und ihr müsst am Ende noch froh sein, wenn ihr noch einen kleinen Rest retten könnt. Auch 267 diesen gönnt er euch nicht einmal. Lasst nur ein Fenster offen, wo ihr sie verwahrt, bald werdet ihr merken, dass ein Dieb dagewesen ist. 55 Ebenso unverschämt treibt er es auf den Feldern, wenn Sie Frucht reif wird. Fragt nur die Bauern, die können euch Stückchen erzählen, die alle das Zuchthaus verdienten. Selbst auf ihren Kornböden können sie ihr Getreide nicht sichern; der Spatz holt sich sein Theil selbst, und das alle Tage. — Vom Reisen ist er kein Freund, er bleibt m im Winter da und denkt: ich kann mir ja mit Stehlen helfen! Ist das nicht arg? Walther. SOS. Dsr» «Ds DM-eDne/Et E ««ESN Ko/in. /. D/>' EMST» Zirea rrrrc/ Dec///e^e?Z Dr's «n c/e/ir Aü^Zes D-rZ a'ere^e /cerrrerr ZZ-rAev över't l'orr 6'o//es lDsAerr «ö/ Darm wr>§/ ^ von Dn/t, /f/ö/o/r «AS c/en Mväue-r ««/. 306. Romulus und Rrmus. In der Stadt Albalonga in Italien regierte König Procas. Er hinterließ das Reich seinen beiden Söhnen Numitor und Amulius mit der Bestimmung, dass jeder immer ein Jahr regieren solle. Aber Amulius verdrängte seinen älteren Bruder, ließ ihn zwar am Leben, s mordete aber dessen Sohn, weil er fürchtete, die Nachkommen würden das Unrecht einst rächen. Numitors Tochter aber, Rhea Silvia, bekam zwei Söhne, Romulus und Remus. Als Amulius dies erfuhr, ließ er die beiden Kleinen der Mutter nehmen, sie in eine Mulde legen und in den Tiber werfen. Dieser war eben ausgetreten, und zu dem i» eigentlichen Bette des Flusses konnte niemand gelangen. Daher setzten die königlichen Diener die Mulde auf das seichte Wasser und giengen davon. Bald fiel das Wasser, und die Kleinen blieben auf dem Trockenen zurück. Hier fand eine Wölfin dieselben und säugte sie eine Zeitlang. Bald darauf entdeckte sie der königliche Hirt Faustulus. Er nahm sie mit und gab sie seiner Gattin Acea Larentia zum Erziehen. Hier wuchsen Romulus und Remus zu rüstigen Hirtenknaben heran. Einst waren die königlichen Hirten mit den Hirten Numitors in Streit gerathen. Romulus und Remus wurden gefangen und vor Numitor geführt. Der erkannte sie als seine Enkel, entdeckte ihnen, so welches Unrecht Amulius an ihnen gethan, wie er sie habe ertränken wollen, und forderte sie zur Rache auf. Sie verbanden sich mit einer Schar befreundeter Hirten, ergriffen den Amulius, tödteten ihn und setzten ihren Großvater Numitor auf den Thron. Zum Lohne gab ihnen Numitor ein Stück Landes an dem Tiber, wo sie eine Stadt 2S bauten, und diese Stadt wurde das mächtige Rom. 269 Gleich im Anfänge war unter den Brüdern Streit, wer von ihnen die Stadt benennen, wer sie als König beherrschen sollte. Der Streit artete endlich so aus, dass Romulus seinen Bruder erschlug. Er beherrschte nun die Stadt und benannte sie nach seinem Namen. Walter. 307. Dss Reich der alten Römer. Klein und unbedeutend in seinem Ursprünge, wurde Rom später groß und mächtig durch strenge Sitten, durch Tapferkeit und Aus¬ dauer seiner Bewohner. Die Hauptbeschäftigung der Römer war der Ackerbau, dessen sich auch die Vornehmsten nicht schämten. Im Anfänge standen Könige an der Spitze der Regierung, deren erster 5 Romulus war. Der siebente und letzte, Tarquinius der Übermüthige, welcher seine Gewalt missbrauchte, wurde vertrieben und die schon vorher durch einen Senat beschränkte königliche Gewalt zwei Consuln übertragen, die jährlich neu gewählt wurden. Also ward Rom ein Freistaat (Republik) 509 v. Chr. io Doch das Hauptgeschäft der Römer schien bald der Krieg zu sein. Sie führten unaufhörlich Krieg mit ihren Nachbarvölkern und hatten unter anderen besonders hartnäckige Kämpfe mit den Samnitern, einem kriegerischen Volke in Mittel-Italien, zu bestehen. Nach deren endlicher Besiegung machten sie sich nach und nach zu Herren von 15 ganz Italien. Vergeblich riefen die Tarentiner in Unter-Italien den König von Epirus, Pyrrhus (280 v. Chr.), zuhilfe: auch er unter¬ lag endlich trotz seiner macedonischen Kriegskunst und seiner früher in Italien noch nie gesehenen Elephanten der Tapferkeit der Römer. Während die Römer ihre Herrschaft über Italien immer mehr A> ansbreiteten, hatte sich Karthago, eine phönicische Pflanzstadt an der Nordküste von Afrika, da, wo jetzt Tunis liegt, durch ausgebreiteten Handel zu einem reichen Staate und zur Beherrscherin des Mittel¬ ländischen Meeres erhoben. Die Fortschritte der Karthager auf der Insel Sicilien erregten die Besorgnis der Römer. Ein furchtbarer 25 Kampf erhob sich zwischen Rom und Karthago in drei aufeinander folgenden (den sogenannten panischen) Kriegen. In dem zweiten dieser Kriege brachte der große Feldherr der Karthager, Hannibal (218 v. Ehr.), der aus Spanien über die Pyrenäen und Alpen 270 so nach Italien zog, Roni in große Gefahr und würde es nach der Schlacht bei Cannä, in der 40.000 Römer fielen, erobert haben, wenn seine Landsleute ihn gehörig unterstützt hätten. Der dritte dieser Kriege, in dem Karthago den Kampf der Verzweiflung kämpfte, endigte mit der gänzlichen Zerstörung dieser Stadt (146 v. Chr.). 3s Mit Wehmuth sah der römische Feldherr Scipio die große, von 700.000 Menschen bewohnte Stadt in Asche sinken. In demselben Jahre, in welchem Karthago fiel, wurde auch Korinth, die damals reichste Stadt in Griechenland, von den Röniern erobert und Griechen¬ land unter dem Namen Achaja eine römische Provinz. 4o Durch diese Siege wuchs die Eroberungssucht der Römer, und sie verfolgten nun offen ihre Absicht, zur Weltherrschaft zu gelangen. Gallien, Spanien und Griechenland wurden ihnen unterthan; dann dehnten sie ihre Herrschaft auch weiter in Afrika und Asien aus und unterwarfen sich in Asien alle Länder bis an den Euphrat, auch 45 Palästina. Durch diese Siege flössen ungeheure Reichthümer nach Italien. Die herrlichsten Schätze griechischer Kunst und Wiffenschast wurden aus Syrakus, der Hauptstadt von Sicilien, aus Korinth und aus anderen Städten Griechenlands nach Rom gebracht, wo nun Künste und Wissenschaften aufblühten; aber die Sitten verloren immer 50 mehr ihre alte Reinheit und Einfachheit und wichen der Üppigkeit und Prachtliebe, dem Gefolge des Reichthums. Rom wurde fortan der Schauplatz blutiger Parteikämpfe. Es erhob sich eine Partei nach der andern, von Herrschsüchtigen erregt; ganze Arnieen waren den Reichen käuflich, und Bestechung war der Weg zu obrigkeitlichen Würden. 55 Herrschsüchtige, die nach der Obergewalt strebten, verschwendeten Millionen, um das Volk zu gewinnen, dem sie Geschenke, Gastmähler und Schauspiele gaben. In diesen Parteikämpfen der Herrschsüchtigeu erhob sich endlich nach blutigen Kämpfen Julius Cäsar (50 v. Ehr.), ein Mann von großem Geiste und vielleicht der größte Feldherr 60 Roms, aber rühm- und herrschsüchtig wie Pompejus, sein Neben¬ buhler, zum Oberherrn von Rom. Er regierte mit Milde; dennoch fiel er (44 v. Chr.) unter den Dolchen derer, welche die Freiheit Herstellen wollten. Antonius und Octavianus verbanden sich, Cäsars Tod zu 65 rächen, kämpften aber bald selbst miteinander um die Oberherrschaft. Octavianus behielt den Sieg, errang die Herrschaft über das ganze 271 Römerreich und wurde Roms erster Kaiser (Cäsar); doch begnügte er sich mit dem Namen Augustus. Er herrschte weise und mild und gab dem Reiche Ruhe. Zu seiner Zeit und kurz vor ihm zeichneten sich unter den Römern mehrere Gelehrte und Dichter aus, deren?o Schriften noch heute in gelehrten Schulen gelesen werden. Unter Augustus wurde Christus, unser Heiland, geboren, und das römische Reich stand in seiner größten Macht und herrlichsten Blüte. Es umfasste damals: das heutige Portugal, Spanien, Frankreich bis an den unteren Rhein, Holland, England nebst dem südlichen 7- Schottland, die Schweiz, den südlichen Theil Deutschlands bis zur Donau, die europäische Türkei, Griechenland, die Krim, Tscherkessien, das ganze Kleinasien, Syrien, Phönicien, Palästina, Ägypten, Algier, Tunis, Tripolis, Fez und Marokko und die sämmtlichen Inseln des Mittelmeeres. 8v Im Jahre 395 nach Christus wurde dieses große Reich in zwei Theile geschieden, in das morgenländische und abendländische Kaiserthum: dort war Constantinopel (früher Byzanz genannt), hier Rom die Hauptstadt. Innere Empörungen und äußere Kriege schwächten und untergruben die Macht dieser beiden Reiche immer 8S mehr. Von Zeit zu Zeit stürzten sich mächtige germanische Volks¬ stämme auf das abendländische Kaiserthum, und so zerfiel es endlich, nachdem der letzte römische Kaiser, Romulus Augustus, abgesetzt worden war, in mehrere kleine Staaten, und in Rom herrschten Deutsche (i. I. 476). Dieses Ereignis schließt den Zeitraum der alten M Geschichte. U s e n e r. 308. Mein Österreich. 1. Hoch vom Erzgebirg, wo der Bergmann haust. Bis zum Karstgebiet am Meeresstrand, Und vom Bodensee, wo der Rheinstrom braust, Bis zum Goldland am Karpathenrand — Dieses schöne Reich, einem Garten gleich. Ist mein Vaterland, mein Österreich. 272 2. Wo sich See an See in den Bergen reiht Und die Donau Feld und Au durchrauscht; Wo der Obstbaum prangt, edler Wein gedeiht Und der Hochwald Gottes Odem lauscht — Dieses schöne Reich, einem Garten gleich. Ist mein Vaterland, mein Österreich. 3. Wo der Adler thront hoch im Felsenhorst, Über Stock und Stein die Gemse springt. Wo der Weidmann birscht durch den grünen Forst Und die Älplerin zur Zither singt — Dieses schöne Reich, einem Garten gleich. Ist mein Vaterland, mein Österreich. 4. Wo ein freies Volk an die Arbeit geht. Seinen Muth bewahrt in Glück und Noch; Wo der Liebe Hauch jedes Herz durchweht Für den Landesvater und für Gott — Dieses große Reich, stark und schön zugleich. Ist mein Vaterland, mein Österreich. Wenh art. 273 Das KaiserLied. (Österreichische Volkshymnr.) Gott erhalte, Gott beschütze Unfern Kaiser, unser Land! Mächtig durch des Glaubens Stütze Führ' Er uns mit weiser Hand! Lasst uns Seiner Väter Krone Schirmen wider jeden Feind: Innig bleibt mit Habsburgs Throne Österreichs Geschick vereint. Fromm und bieder, wahr und offen Lasst für Recht und Pflicht uns stehn; Lasst, wenn's gilt, mit frohem Hoffen Muthvoll in den Kampf uns gehn, Eingedenk der Lorbeerreiser, Die das Heer so oft sich wand: Gut und Blut für unfern Kaiser, Gut und Blut fürs Vaterland! Was des Bürgers Fleiß geschaffen, Schütze treu des Kriegers Kraft; Mit des Geistes heitern Waffen Siege Knust nnd Wissenschaft! Segen fei dem Land beschieden Und fein Ruhm dem Segen gleich: Gottes Sonue strahl' in Frieden Auf ein glücklich Österreich! Leseb. sür slov.-utraquist. Mütelsch. 18 274 Lasst uns fest zusammenhalten, In der Eintracht liegt die Macht; Mit vereinter Kräfte Walten Wird das Schwerste leicht vollbracht. Lasst uns, eins durch Bruderhände, Gleichem Ziel entgegengehn: Heil dem Kaiser, Heil dem Lande, Österreich wird ewig stehn! An des Kaisers Seite waltet, Ihm verwandt durch Stamm und Sinn, Reich an Reiz, der nie veraltet, Unsre holde Kaiserin. Was als Glück zuhöchst gepriesen, Strom' auf Sie der Himmel aus! Heil Franz Josef, Heil Elisen, Segen Habsburgs ganzem Hans! Seidl. 275 Inhaltsverzeichnis. (Die mit * bezeichneten Lesestücke sind Gedichte.) Nr. Seite 1. »Im Namen Gottes. (Alter Spruch. Aus Kummer-Brankp-Hofbauers Lesebuch) 3 2. Sprüche.— 3. Der kluge Star. (Nach Gleim).— 4. Der sprechende Star. (Nach Chr. Schmid). 4 8. Was kostet das Füllen? (Grimm).— 6. Die Fliege und ihre Jungen. (Schulze-Steinmann-Kiel, Kiuderschatz).— 7. »Wie soll es sein? (Kletke) . 5 8. Die faulen Mägde. (Nach Chr. Schmid).— 9. Der Sperling und die Taube. (Niedergesäß, Deutsches Lesebuch) .— 10. Der Pfau rind der Hahn. (Lessing). 6 11. Die Henne und ihre Küchlein. (Schulze-Steinmann, Deutsches Lesebüchlein) . . — 12. »Was ich liebe. (Staubs Kinderbuch) . .— 13. Sprüche. 7 14. Spotte nicht über Unglückliche! (Schulze-Steiumann, Deutsches Lesebüchlein) . — 18. Das kostbare Kräutlein. (Chr. Schmid).— 16. Der große Krautkopf. (Nach Chr. Schmid). 8 17. Wenn. (Simrock).— 18. Sorglosigkeit schadet. (Runkwitz) .— 19. Sprüche. 9 20. »Herbstlied. (Salis).— 21. Die Kornähren. (Nach Chr. Schmid).— 22. Die Crdschwämme oder Pilze. (Chr. Schmid).— 23. Di- Quelle. (Nach Chr. Schmid).10 24. Die Suppe. (Chr. Schmid).— 28. »Sennerlied. (Schiller).11 26. Der Esel als Salzträger. (Riedergesäß, Deutsches Lesebuch).— 27. Der Hund mit dem Fleische. (Nach Meißner).12 28. Der Wolf und das Lämmlein. (Nach Äsop) .— 29. Der Wassertropfen. (Schulze-Steimnann-Kiel, Kinderschatz).— 30. Sprüche.13 18» 276 Nr. Seite 31. ^Arbeit und Armut. (Reinick) 13 32. *Gott ist ewig. (Lausch) — 33. Die beiden Ziegen. (Nach Grimm) . . . . . - — 34. Mitleid. (Josef Heinrichs Lese- und Sprachbuch) 14 35. Die bescheidene Nachtigall. (Engelien) — 36. Sprüche 15 37. Der Distelfink. (Curtman) — 38. Räthsel. (Simrock) 16 39. Der Kürbis und die Eichel. (Ehr. Schmid) — 40. Eulenspiegel und der Fuhrmann. (Campe) — 41. Der Löwe und der Hase. (Lessing) 17 42. *Der Wettstreit. (Hofsmann von Fallersleben) — 43. Der Specht und die Taube. (Grimm) 18 44. Der Löwe uud die Maus. (Meißner). —' 45. Die kluge Maus. (Grimm) 19 46. ^Mäuschen. (Hey) — 47. Die kluge Versammlung. (Brandauer) 20 48. Der Frosch und der Aal. (Schulze-Steinmann-Kiel, Kinderschatz) — 49. Der lügenhafte Hirt. (Nach Ehr. Schmid) . . . . 21 50. Sprüche 51. Sonne und Wind. (Herder) —' 52. *Wind und Sonne. (Herder) . 22 53. Sperling und Pferd. (Staubs Kinderbuch) —' 54. Die drei Räuber. (Ehr. Schmid) 23 55. Der Besitzer des Bogens. (Lessing) — 56. *Der gute Kamerad. (Uhland) 24 57. Hans iu der Stadt. (Staubs Kinderbuch) — 58. Fleiß uud Ausdauer. (Kummer-Branky-Hofbauer, Lesebuch) 25 59. Sprüche ' 60. Die Kuh, das Pferd, das Schaf und der Hund. (Zollikoffer) — 61. *Kind und Lerche. (Reinick) 26 62. Sonnenschein und Regen. (Ehr. Schmid.) 63. Der Wolf auf dem Todtenbette. (Lessing) 27 64. Todesgefahren. (Nach Pauli) — 65. Sprüche 28 66. *Räthsel. (Schulze). — 67. Der brave Fähnrich. (Kummer-Branky-Hofbauer, Lesebuch) — 68. Ein braver Soldat. (Caspari) - - 69. *Das Vaterland. (Schiller) 29 70. Vaterlandsliebe. (Nach Pustkuchen-Glanzow) — 71. Vaterlandsliebe. (Nach Petiscus) 80 72. Mein Vaterland. (Hofsmann von Fallersleben) 73. Die Mücke und der Löwe. (Meißner).8i 277 Nr. Seite 74. Der Regenbogen. (Chr. Schmid) 81 75. Der Wiederhall. (Chr. Schmid) 32 76. Ich habe es vergessen. (Nach Franz Hoffmann) — 77. *Armes Bäumchen . . . (Hey) 33 78. -Mäthsel. (Simrock) — 79. Das verlorene Vierkreuzerstück. (Lausch) 34 80. Gott sieht es. (Nach Chr. Schmid) — 8t. Die Glieder des menschlichen Körpers. (Campe) 35 82. Sprüche 36 83. April! April! (Staubs Kinderbuch) — 84. *Kind und Buch. (Hey) — 85. Das Hufeisen. (Chr. Schmid) 37 86. Der Rabe und der Fuchs. (Schulze-Steinmann-Kiel, Kinderschatz) — 87. Des Affen Vorwitz. (Grimm) 38 88. Der kluge Pudel. (Staubs Kinderbuch) — 89. *Knabe und Hündchen. (Hey) 39 90. Die Sternthaler. (Brüder Grimm) — 9t. Sanct Martin. (Niedergesäß) 40 92. Die Edelsteine. (Chr. Schmid) 4t 93. *Wenn am Abend . . . (Hey) — 94. Der Schweinedieb. (Chr. Schmid) .42 95. Das schöne Reitpferd. (Chr. Schmid) — 96. Das gestohlene Pferd (Chr. Schmid) 43 97. *Das gerettete Blümchen. (Goethe) 44 98. Die Pflaumen. (Chr. Schmid) .—- 99. Die Rübe. (Chr. Schmid) 45 tOO. Feuriges Wasser. (Dittinar) 46 10t. Mäthsel. (Simrock). — t02. *Fischlein. (Hey) — t03. Der Zaunkönig. (Nach Grimm. Aus Niedergesäß, Deutsches Lesebuch) .... 47 t04. Die Fliegen und die Spinnen. (Chr. Schmid) 48 t05. Der Fuchs und der Bock. (Seidl) — t06. *Pferd und Sperling. (Hey) 49 107. Das wohlfeile Mittagessen. (Nach Hebel) — t08. Der Pilger. (Chr. Schmid) 80 t09. Seltsamer Sazierritt. (Hebel) 8t 110. *Truthahn und Truthähnchen. (Hey) 82 ttt. Die goldene Dose. (Chr. Schmid) — 112. Der Regen. (Chr. Schmid) 83 113. Der Eichbaum und der Kürbis. (Kellner) 54 114. *Der Hahn. (Reinick) — 115. Gib uns heute unser tägliches Brot. (Lausch) 85 116. Der Menschenfresser. (Chr. Schmid) — 278 Nr. Seit« 117. Der Fuchs und das Häslein. (Schulze-Steinmann, Deutsches Lesebüchlein) . . 86 118. ^Mutterliebe. (Kaulisch). 67 119. Der Fuchs und die Katze. (Brüder Grimm). — 120. Der Hufnagel. (Brüder Grimm). 68 121. *Räthsel 1 und 2. (Simrock). 59 122. Das seltene Gericht. (Junker). — 123. Das betende Kind. (Chr. Schmid). 60 124. *Der weiße Hirsch. (Uhland). 61 125. Vergissmeinnicht. (Cosmar). — 126. Wo nichts ist, kommt nichts hin. (Hebel). 62 127. Sprüche. — 128. Mäthsel. (Schiller). — 129. Der alte Großvater und sein Enkel. (Brüder Grimm). . 63 130. Thugut. (Niedergesäß). — 131. Wie Maria Theresia das Alter ehrte. (Kummer-Brankp-Hofbauer, Lesebuch) . 64 132. *Die Kapelle. (Uhland) . 65 133. Uneigennützigkeit. (Nach Köhler-Seidel, Buch der Erzählungen).- — 134. Die Freunde in der Noch. (Ambacher). 66 135. Der Prüfstein der Freundschaft. (Meißner). 67 136. Die Grille und der Schmetterling. (Nach Löhrs Fabelbuch). . — 137. *Einkehr. (Uhland). 68 138. Der Fuchs und der Hahn. (Nach Simrock). — 139. Der Fuchs und der Hahn. (Grimm). 69 140. Nachgeben stillt den Krieg. (Schulze-Steinmann-Kiel, Kinderschatz). 70 141. Das Mittagessen im Hof. (Nach Hebel). — 142. ^Eintracht. (Gellert). 71 143. Die Tannenzapfen. (Spieß). 72 144. Der Ziegenbock. (Hchulze-Steinmann-Kiel, Kinderschatz). — 145. Die Schwalben rächen sich. (Schulze-Steinmaun, Deutsches Lesebüchlein) ... 73 146. Vom Spätzlein, das andere Federn haben wollte. (Nach Schulze-Steinmann, Deutsches Lesebüchlein.74 147. Der Strohmann. (Nach Curtman. Aus Knmmer-Brankch-Hofbauers Lesebuch) — 148. *Thu nichts Böses! (Hep).75 149. Die Sonnenstrahlen. (Curtman). 76 150. Kaiser Franz Josef als Lebensretter. »Nach d' Albon. Aus Kummer-Brantch- Hofbauers Lesebuch). — 151. Das Vogelnest. (Spieß).77 152. Der alte Löwe. (Lessing).78 153. *Der Blinde und der Lahme. (Gellert). — ' 154. Das Donnerwetter. (Chr. Schmid).79 155. Der Blitz. (Kellner).80 156. *Räthsel. (Simrock). — 157. Der Pappelbaum und der Blitz. (Curtman).81 279 Nr. Zxjte 158. Die Herde. (Bones Lesebuch). 81 159. *Wanderlied. (Eichendorfs). 82 160. Die Mütze. (Franz Hoffmann). — 161. Die Sperlinge unter dem Hute. (Eurtman). 83 162. Der Schäferjunge. (Schulze-Steinmann-Kiel, Kinderschatz).84 163. Der große Birnbaum. (Ehr. Schmid). 85 164. *Des Knaben Berglied. (Uhland). 86 165. Die vergoldeten Nüsse. (Nach Ehr. Schmid) . — 166. Der Weihnachtsabend. (Nach Fr. Hoffmann). 87 167. Kaiser Josefs Entscheidung. (Rudolph). 88 168. Der Hirsch am Bache. (Meißner). — 169. Das Hirtenbüblein. (Brüder Grimm). 89 170. *Die wandelnde Glocke. (Goethe). 90 171. Sprüche. 91 172. Das Wunderkästchen. (Ehr. Schmid). — 173. Das Pferd und der König. (Herder) . 92 174. Kindesdank. (Hebel). — 175. Der Bär als Spielkamerad. (Nach Andersen). 93 176. St. Leonhard. (Vernaleken) .. 94 177. ^Bescheidenheit siegt. (Hoffmann v. Fallersleben). 95 178. Die drei Freunde. (Herder). — 179. Kaiser Franz und sein Enkel. (Nach Bermanu. Aus Kummer-Branky-Hofbaners Lesebuch). 96 180. Der Esel und die drei Brüder. (Eurtman). 97 181. Der Regenschirm der Kaiserin. (Nach Thomas. Aus Kummer-Brauky-Hosbauers Lesebuch). 98 t82. *Die Schatzgräber. (Bürger). 99 183. Das Butterbrot. (Nach Franz Hoffmann).<00 184. Der Hahn, der Hund und der Fuchs. (Eurtman).>0i 185. Die Überschwemmung in Wien. (Nach dem „Kaiserbiichlein". Aus Kummer- Branky-Hofbaners Lesebuch).>02 186. Der alte Mantel. (Ehr. Schmid). — 187. Die Singvögel. (Ehr. Schmid).103 188. »Das Grab. (Salis) ..104 189. Der Hase und der Fuchs. (Nach Grimm und Bechstein). — 190. Die Bärenhaut. (Eurtman).106 191. Kaiser Rudolf als kluger Richter. (Hauff).107 192. Sprüche. — 193. Die Sage vom Plattensee. (Vernaleken).108 194. »Räthsel. (Schiller).<09 195. Wie Till Eulenspiegel denen zu Magdeburg eine feine Lektion gab. (Bastler) — 196. Judas. (Eurtman).110 197. Der Wolf und der Mensch. (Brüder Grimm).111 280 Nr. Seite 198. Die Wolfsgrube. (Nach Hille).112 199. »Versuchung. (Reinick) .113 200. Das seltsame Recept. (Hebel).114 201. Kaiser Josef als Arzt. (Nach Hebel). 113 202. Das Storchnest. (Schulze-Steinmann-Kiel, Kinderschatz). 116 203. Das Wasserhuhn. (Grimm)...117 204. Das Riesenspielzeug. (Brüder Grimm).119 203. »Das Riesenspielzeug. (Chamisso). — 202. Der treue Hund. (Schulze-Steinmann-Kiel, Kinderschatz).121 207. Die Ameisen. (Oken).122 208. Ein abscheulicher Mensch unter ehrlichen Leuten. (Salzmann).123 209. Die Äxte. (Schulze-Steinmanw-Kiel, Kinderschatz).124 210. Strohhalm, Kohle und Bohne. (Brüder Grimm).123 211. »Das arme Vöglein. (Hoffmann v. Fallersleben).126 212. Graf Rudolf von Habsburg und der Priester. (Nach Tschudi).127 213. Maria Theresia in der Militär-Erziehungsanstalt in Wiener-Neustadt. (Nach Petiscus. Aus Kummer-Branky-Hofbauers Lesebuchs .128 214. Der Frühling. (Kellner).130 213. Der Frühling. (Curtman). — 216. »Frühlingsbotschaft. (Hoffmann v. Fallersleben).131 217. Leutseligkeit des Erzherzogs Franz Karl. (Kummer-Branky-Hofbauer, Lesebuch) — 218. Der Abend. (Curtman).132 219. Freiherr von Münchhausen erzählt einige Abenteuer. (Nach Bürger) .... 133 220. Der kluge Richter. (Hebel).136 221. Die drei Brüder. (Nach den Brüdern Grimm).137 222. »Schützenlied. (Schiller) ..138 223. Der Wolf und der Fuchs. (Brüder Grimm).139 224. Die Stadtmaus und die Landmans. (Michael).140 225. Der alte Hofhund. (Grimm).142 226. Das geraubte Kind. (Schulze-Steinmann-Kiel, Kinderschatz).144 227. Der Edelfalk. (Franz Hoffmann).146 228. »Das Erkennen. (Vogl).147 229. Der Fuchs rind der Krebs. (Bechstein).148 230. Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel. (Bechstein).149 231. Die Boten des Todes. (Brüder Grimm).152 232. Die Wichtelmänner. (Brüder Grimm).153 233. Das Kätzchen und die Stricknadeln. (Bechstein).155 234. Kaiser Franz Josef in der Schule. (Kummer-Branky-Hofbauer, Lesebuch) . . 156 235. »Die Jahreszeiten. (Hey). 1^^ 236. Die Mühle. (Buschmann).159 237. Heldenmuth. (Stern) 238. Das Thränenkrüglein. (Bechstein).160 239. Wie Till Eulenspiegel die Kranken in einem Spitale gesund machte. (Bäßler) 161 281 Nr. Seite 240. Der Herbst. (Nach Kellner).168 241. Der Weinstock. (Herder). — 242. *Räthsel. (Simrock).164 243. *R°thsel. (Schiller). — 244. Der gerettete Handwerksbursche. (Bartels-Wirth, Deutsches Lesebuch) .... 163 245. Zwei Schneeglöckchen. (Friedrich Hoffmann).166 246. Die drei Bergleute im Kuttenberge. (Brüder Grimm).168 247. DaS Bergwerk. (Curtman).169 248. Der zornige Löwe. (Nach Grimm) . 170 249. *Gottes Fürsorge. (Hey).173 250. Der Hnnd. (Lüben) .174 251. Kannitverstan. (Nach Hebel) . — 252. Die Eisenbahn. (Nach Feir und Jung. Aus Kummer-Branky-Hosbauers Lesebuch) 177 253. Eine Geschichte von Rübezahl. (Nach Musäus). — 254. Die Hausthiere. (Kummer-Branky-Hofbauer, Lesebuch).180 255. *Lied eines Armen. (Uhland).181 256. Hans im Glück. (Brüder Grimm).182 257. Der brave Bauersmann. (Franz Hoffmann).187 258. Das Raupennest. (Salzmann).188 259. Der geheilte Patient. (Nach Hebel).191 260. Zufriedenheit. (Miller).193 261. Sprüche.194 262. Frau Holle. (Brüder Grimm). — 263. Die Kreuzspinne. (Reinhold).197 264. Rothkäppchen. (Brüder Grimm).199 265. Bis zur Quelle. (Ernst).202 266. »Das Bächlein. (Rudolphi).204 267. Domröschen. (Brüder Grimm). — 268. Der Nordwind. (Curtman).207 269. Der Winter. (Kellner).208 270. Der Grimm des Winters. (Curtman).209 271. »Die zwei Hunde. (Pfesfel).210 272. Sneewittchen. (Brüder Grimm).211 273. Haushahn und Henne. (Wagner).218 274. Die Bremer Stadtmusikanten. (Brüder Grimm).219 275. »Mein Vaterland. (Wurth) ..222 276. Die Hauskatze. (Rothe).223 277. Das Paar Pantoffel. (Liebeskind).224 278. Der Sommer. (Nach Kellner). 228 279. Das Lamm im Walde. (Bones Lesebuch).- — 280. Das Gewitter. (Lauckhard).229 281. »Heimkehr des Hirten. (Reinick). — 282. Die Fabel vom Affen. (Reinick).230 Leseb. für slov.-utraquist. Mittelsch. 19 282 Nr. Seite 283. Lombergar und Pegani. (Slcwenische Volkssage. Štritof) .238 284. Achte auf deine Gesundheit! (Kummer-Branky-Hofbauer, Lesebuch) .... 237 288. Cornelia. (Lahrssen).238 286. Zeus und das Schaf. (Lessing). — 287. Euklid von Megara. (Campe).239 288. *Der Faule. (Rcinick) ,.240 289. Dämon und Phintias. (Pfeil) ..241 290. Androklus und sein Löwe. (Menke). — 291. Dorf und Stadt. (Nach Dietlein. Aus Niedergesäß, Deutsches Lesebuch) . . 243 292. *Die beiden Wächter. (Gellert).248 293. Hektors Abschied von seiner Gemahlin Andromache. (Becker). . — 294. Trojas Fall. (Nach Schwab).247 295. Odysseus bei den Cyklopen. (Grube).250 296. Fluss, Strom und Meer. (Nach Curtman. Aus Kummer-Branky-Hofbauers Lesebuch).254 297. *Der Bauer und sein Sohn. (Gellert).255 298. Solon und Krösus. (Scheinpflug).257 299. Die Spartaner in Thermopylä. (Grube).258 300. Demosthenes. (Walter). 260 301. Sprüche.261 302. Aus dem Leben Alexanders des Großen. (Nach Schulze-Steinmann-Kiel, Kinderschatz).262 303. Der afrikanische Rechtsspruch. (Herder).264 304. Der Sperling. (Walther).265 305. *Der alte Landmann an seinen Sohn. (Hölty).267 306. Romulns und Remus. (Walter).268 307. Das Reich der alten Römer. (Usener).269 308. *Mein Österreich. (Wenhart).271 Das Kaiserlied. (Österr. Volkshymne. Seidl).273 Druck von .ttarl Gorischet. Wien. V. 17 großer Verlegenheit. Von dem Jagen auf dem steinigen Boden war ihm ein Rad gebrochen; er konnte also mit seinem Wagen nicht von der Stelle und musste sich bequemen, die Nacht unter freiem Himmel zuzubriugen. „Sagte ich's Euch nicht," sprach Eulenspiegel, „dass Ihr langsam is fahren müsstet, wenn Ihr noch zur Stadt wolltet?" Campe. 41. Der Löwe und der Hase. Ein Löwe würdigte einen drolligen Hasen seiner näheren Bekanntschaft. „Aber ist es denn wahr," fragte ihn einst der Hase, „dass euch Löwen ein elender krähender Hahn so leicht verjagen kann?" „Allerdings ist es wahr," antwortete der Löwe; „und es ist eine allgemeine Erscheinung, dass wir großen Thiere durchgängig eine s gewisse kleine Schwachheit an uns haben. So wirst du zum Exempel von dem Elephanten gehört haben, dass ihm das Grunzen eines Schweines Schauder und Entsetzen erweckt." „Wahrhaftig?" unterbrach ihn der Hase. „Ja, nun begreif ich auch, warum wir Hasen uns so entsetzlich vor den Hunden fürchten." u> Lessing. 42. Der Wettstreit. 1. Der Kuckuck und der Esel, Die hatten großen Streit, Wer wohl am besten sänge Zur schönen Maienzeit. 2. Der Kuckuck sprach: „Das kann ich!" Und Hub gleich an zu schrei'n. „Ich aber kann es besser," Fiel gleich der Esel ein. 3. Das klang so schön und lieblich. So schön von fern und nah; Sie sangen alle beide: „Kucku, kucku, ia!" Hoffmann v. Fallersleben. Leseb. für slov.-ntraqmst. Mtteksch. 2 100 183. Das Butterbrot. Karl bekam an jedem Nachmittage um vier Uhr ein Butterbrot zur Jause. Er begnügte sich damit und verlangte in der Regel nie mehr. Seit einiger Zeit jedoch lief er alle Tage mit seinem Butterbrote weg. kam aber nach einer Weile wieder und erbat von der Mutter noch ein Stück trockenes Brot. Anfänglich achtete die Mutter nicht darauf, gab ihni, was er verlangte, und dachte: „Karl hat jetzt guten Appetit." Weil er aber immer wieder ums trockene Brot kam, fiel es ihr endlich auf, und sie gab eines Tages acht, wohin er mit seinem io Butterbrote lief. Er lief aber in des Nachbars Stübchen. Die Mutter gieng ihm nach, sah durch das Fenster und bemerkte in der Stube einen kranken Knaben. Dem legte Karl sein Butterbrot auf das Bett und lief wieder fort, ohne den Dank des Kleinen abzuwarten. Die Mutter gieng schnell nach Hause, damit Karl sie nicht sähe, is denn sie wollte ihn auf die Probe stellen. Als er kam und sich noch ein Stückchen trockenes Brot erbat, verstellte sie sich und sagte hart: ; „Geh, Karl, du erhältst nichts mehr! Wer wird so unbescheiden sein und alles doppelt verlangen!" Karl wandte sich schweigend nach der Thür und entfernte sich. I 20 Aber nun konnte sich das Mutterherz nicht mehr bezwingen. „Karl," rief die tiefgerührte Mutter, „Karl, komm her und umarme mich, du bist mein lieber, guter Sohn und sollst Brot haben, soviel du willst." Karl war ganz erstaunt; als er aber hörte, dass die Mutter 25 seine Wohlthätigkeit kannte, schämte er sich. „Schäme dich nicht," sagte die Mutter, „du hast es nicht nöthig. k Aber warum erzählst du nicht, wem du dein Butterbrot bringst?" — „Unser guter Lehrer," sagte Karl, „hat uns gesagt, man solle die Linke nicht wissen lassen, was die Rechte thut. Darum schwieg ich." no Karl gieng hinaus auf die Straße zu seinen Gespielen, die Mutter aber erflehte Gottes Segen über ihn und rief: „Wahrlich, ein gutes Kind ist des Vaters Ehre und der Mutter Freude!" Nach Franz Hoffmann.