Preis ganzjährig 10.000 K - 1 R.-IRk. - 5 ii. - 8000 u. K - 8 lieh. K - 20 Di. — 2 Fr. ßerausgegeben vom fliiiiionshaus Illeiiendorf bei Graz, Steiermark. Redigiert von P. ßeinridi Wohnhaas F. 8. 6. Der Heilige Vater Pius X. hat der Redaktion, den Hbonnenien und Wohltätern den Hpoiioiiichen Segen erteilt. Für Wohltäter werden wöchentlich zwei heilige Meilen gelesen. Mit Empfehlung der hochwürdigiten Oberhirten von Mixen, Brünn, Graz, iieitmerih, Mnz, Olmü(j, Marburg, Crienf, Erteil und Wien. Best 3 und 4. lüärz —April 1924. XXVII. Jahrgang. 0^3 Von Hgypfen nadi Transvaal, Von P. Hiois SpfelkoEer. An Bord der „Favigncma", Januar 1924. Hochwürdigster P. General! Im folgenden möchte ich Ihnen einen möglichst genauen Bericht von unserer Reise liefern, so daß Sie genau wissen, wie es uns ergangen ist. Am 1. Dezember abends erhielten wir ein Telegramm der Agenzie des Wortlautes: Last connecting train Favignana to-morrow 11 o’clock (Letzter Anschlußzng an die „Favignana" morgen um 11 Uhr). Monsignore fuhr deshalb schon am 2. Dezember um 7 Uhr nach Suez. Um 9 Uhr telegraphierte ich an den Agenten daselbst und, begleitet von den italienischen Mitbrüdern in Kairo, begaben wir uns zum Bahnhof. Punkt 11 Uhr dampfte der Zug ab und um 2 Uhr mußten wir in Jsmailia umsteigen. Gegen 3 Uhr fuhren wir an den Bitterseen vorbei, sahen auch manches Schiff im Kanal und hofften, daß eines davon unsere „Favignana" wäre. Gegen 4 Uhr näherten wir uns der Einbuchtung, die wohl die Juden passiert haben dürften auf ihrem Durchzug durch das Rote Meer. Um 4 Uhr 30 Minuten Ankunft in Suez, Rue Colmar Station, wo wir zu unserem Erstaunen hörten, daß die „Favignana" noch nicht in Sicht sei. Der Agent übernahm unser Reisegepäck und Mon- signore und ein Franziskanerpater begleiteten uns zum Franziskanerkloster, das neuerbaut am westlichen Meeresufer liegt. Wir fanden drei Patres und einen holländischen Bruder, die uns sehr freundlich empfingen. Sie waren gerade damit beschäftigt, ihre Kirche für die am 16. Dezember stattfindende Einweihung einigermaßen instand zu setzen. Die Kirche ist hoch und geräumig. Da aber die Fenster sehr hoch angebracht sind, dürfte sie im Sommer ziemlich heiß sein. Weil im Kloster nur für fünf Leute Schlafgelegenheit war, mußten die übrigen nenn in ein Hotel gehen, das sieben Piaster per Bett verlangte. Am nächsten Morgen waren nur zwei Altäre bereit, und so fingen wir schon um 4 Uhr mit dem Messe-lesen an, da es hieß, die „Favignana" könne jeden Augenblick in Port Tewfik eintreffen. Später kam die Meldung, wir sollten um 3 Uhr von Suez nach dem Hafen fahren. Das Abendessen und das Mittagessen erhielten wir von den Franziskanern gratis. Um 3 Uhr 30 Minuten waren wir also in Port Tewfik, um zu hören, das Schiff komme um 8 Uhr abends, dann um 9 Uhr, Und endlich sahen wir es daherdampfen gegen 9 Uhr 30 Minuten. Einen Abendimbiß hatten wir in einem dortigen Hotel eingenommen und waren bis zur Ankunft des Schiffes dort verblieben. Ein Schleppdampfer brachte uns und unser Gepäck an Bord und gegen 11 Uhr waren wir in unseren Kabinen. Wir hatten gedacht, das Schiff würde nur uns an Bord nehmen und dann gleich weitersegeln, doch am nächsten Morgen lagen wir noch im Hafen vor Anker. Am 4. Dezember richteten wir uns zwei leere Räume als Notkapellen ein und mit Hilfe noch zwei anderer Tragaltäre sind wir imstande, jeden Tag zu zelebrieren. Gegen 8 Uhr gibt es eine kleine Tasse schwarzen Kaffee und ein Brötchen. Zu Mittag Makkaronisuppe, Fleisch und Kartoffeln nach Art eines Gulasch und Käse, am Abend das gleiche Essen wie mittags, aber statt Käse Frucht. Erst zweimal haben wir seit jenem 4. Dezember Grünzeug auf dem Tisch gesehen, nämlich einmal Salat und einmal, gestern abends, eingemachte grüne Bohnen. Heute ist der 17. Januar. Am Morgen wurde Benzin eingeladen und endlich um 2 Uhr der Anker gelichtet. Die Franziskaner hatten uns gesagt, wir würden den Berg Sinai in der Nacht passieren, sahen ihn aber etwas im Nebel am 5. Dezember vormittags. An Bord befand sich ein Engländer mit Familie, der zwei Jahre lang an der Bahn in Palästina angestellt war und uns bis nach Durban begleitete; er hatte hoch zu Kamel den Sinai besucht und war so imstande, uns den Kegel zu zeigen, der weiß hinter einem vorgelagerten Bergrücken hervorleuchtete. Am 6. Dezember morgens 6 Uhr fand man, daß unser Schiff, das normal nur acht Meilen in der Stunde zurücklegt, bereits 360 Meilen hinter sich hatte, da Wind und Strömung uns beständig schoben, und so mußten wir unseren Lauf mäßigen, um zur Tagesstunde in Port Sudan einzutreffen. Wir kamen Samstag, den 8. Dezember, um 7 Uhr morgens an. Unterwegs erfuhren wir, daß die „Favi-gnana" am 17. November Genua verlassen hatte, aber auf der Strecke Spezzia—Livorno (3 Stunden zu Schiff) von einem Sturm, der unter anderem auch die Ruderkette sprengte, drei Tage aufgehalten wurde. Am 25. November verließ sie Neapel, und nach einem kleinen Aufenthalt in Catania war sie tatsächlich am 1. Dezember in Port Said. Das erklärt das Telegramm der Agenzie. Die Durchfahrt durch den Kanal dauert an und für sich 20 Stunden. Doch gelten folgende Regeln: Ein Schiff darf nur zehn Kilometer in der Stunde machen; Postschiffe und Schiffe, die die Strömung für sich haben, erhalten den Vortritt. Zum Unglück für uns geht zu dieser Jahreszeit die Strömung vom Roten Meer zum Mittelmeer, und so mußte die „Favignana" beständig ausweichen, und jene Schiffe, die nach Port Said gingen, passieren lassen. Im „Red Sea and Grals of Aden Pilot“ (1909) heißt es, diese Strömung hänge wahrscheinlich mit dem Hochstand des Nils zusammen. In Port Sudan trafen wir als Agenten unseres Schiffes einen alten Bekannten aus Khartum, der uns das Boot der Kompagnie zur Verfügung stellte. So konnten wir einige Freunde daselbst besuchen und P. Fischer konnte ohne nennenswerte Schwierigkeiten das Gewehr zurückerhalten, das das Zollamt aus unseren Kisten, die im holländischen Schiff „Meliskerk" anfangs November abgegangen waren, beschlagnahmt hatte. Um 11 Uhr wurde der Anker gelichtet. Das Meer begann etwas hochzugehen und unser Schiff schwankte ein wenig. Den nächsten Tag wurde es noch ärger und das Schiss tanzte leicht. Einige wenige von uns mußten sich aufs Bett legen, und P. Zorn war an diesem Tag der einzige, der Tribut zahlte, unmittelbar nach dem Mittagessen, zu dem alle erschienen waren. Gegen Mitternacht näherten wir uns dem Hafen von Massaua und der Morgen des 10. Dezember fand uns am Kai festgebunden, um 1500 Tonnen aus- und 1000 Tonnen einzuladen. Am Morgen besuchten Monsignore und P. Berger den hier ständig angestellten Kapuziner, der die Seelsorge unter den hiesigen Italienern ausübt. Es befindet sich am Orte auch ein Schwesternkloster mit drei italienischen St.-Anna-Schwestern, die die Schule leiten. Der Pater klagt über Arbeitslosigkeit und Langweile und lädt uns ein, ihm einige Tage Gesellschaft zu leisten. Am Nachmittag machen wir alle ihm einen Besuch. Da sagt der Pater, er glaube unter uns ein ihm bekanntes Gesicht zu sinden. Rede und Gegenrede stellt fest, daß Monsignore an der Gregorianischen Universität zu Rom sich bei einem Kapuzinerfrater manch eine Prise Tabak nahm und daß dieser ehemalige Frater nunmehr als P. Maurus ihm einen Schluck Wein, aber keine Prise mehr anbieten könne, da er das Schnupfen seit etwa drei Jahren aufgegeben. Obwohl vor zwei Jahren ein Erdbeben Massaua und selbst die Kirche hart mitge- nommen hatte, war der Pfarrhof doch verschont geblieben. Der Pater hatte im oberen Stock Strohsäcke am Boden und Klappbettstellen hergerichtet, die auch von mehreren der Unferigen zum Schlafen benützt wurden. Unterdessen förderten fünf Kräne, von morgens 7 Uhr bis nachts 12 Uhr täglich arbeitend, 25.000 Eisen-schwellen und die dazu gehörigenSchienen aus dem Bauche des Schisses. Zwei Aeroplane und noch viel anderes Gepäck wurde abgeladen, und am Samstag, 15. Dezember, war immer noch keine Aussicht, daß unser Schiff bald loskomme. So machten am Sonntag Monsignore und ich in Begleitung des Pfarrers von Massaua einen Abstecher nach Asmara. Um 6 Uhr 30 Minuten bestiegen wir das Bähnlein, das erst langsam in die Höhe klomm, bis es sich in ziemlicher Nähe von Asmara befinden mußte, das 2300 Meter über dem Meere liegt. Nunmehr schlängelte sich der Zug zwei Berge hinan, über Brucken, wie man sie am Semmering findet, dreimal den ersten und viermal den zweiten Berg umkreisend, vorbei an gähnenden Abgründen und durch 19 Tunnels hindurch, um seine Lap von höchstens 30 Tonnen sicher nach Asmara zu bringen. Die Bahnstrecke ist 105 Kilometer lang, wovon gut die Hälfte auf den letzten Anstieg kommt. Um 12 Uhr 15 Minuten kamen wir an. Asmara breitet sich über mehrere Hügel ans, die rings von dem Bergrücken umschlossen sind. Das Kapuzinerkloster und die neue Kathedrale liegen aus einem der höchsten Hügel, so daß man auf etwa 20 Stufen zur Kathedrale hinansteigt. Unsere zwei Maultiere waren nicht imstande, uns in der armseligen Kutsche bis zum Eingang des Klosters zu bringen. Die Luft war besonders am Morgen sehr kühl. Noch am gleichen Nachmittag besuchten wir den Apostolischen Vikar, der sich gerade in der Rekonvaleszenz nach einem Schlaganfall befand. Die Kapuziner haben in Asmara ausschließlich die Seelsorge der Italiener. Die Abessinier besitzen ihre eigene Kirche mit zwei Geistlichen. Im ganzen hat das Vikariat 64 ein« geborne Priester, die unter Aussicht der Kapuziner, die gleichsam ihre Dekane sind, und zu deren vollständiger Zufriedenheit arbeiten. In Keren, wohin von Asmara eine 100 Kilometer lange Eisenbahn führt, ist das Seminar für eingeborne labessinisch-katholische) Kleriker unter eingebornen Professoren. In einer Ortschaft, deren Namen ich vergessen, sind nach zwanzigjährigem Warten jetzt sogar viele Bekehrungen von Mohammedanern zu verzeichnen. In Asmara besitzen die Kapuziner eine Druckerei mit lateinischen, arabischen und Amharatypen, leiten eine Musikbande und führen hin und wieder Theaterstücke auf, so daß man beinahe sagen möchte, das geistige Leben Asmaras sei ganz in ihren Händen. Die gegenwärtige Regierung unterstützt die Mission. Die Schulen werden von den St.-Anna-Schwestern geleitet, auch die Knabenschulen. Im Spital sind seit 1914 die „Frommen Mütter des Negerlandes" tätig, die sich dort von ihren Niederlassungen im Sudan sehr abgetrennt fühlen. Das Kapuzinerpersonal besteht aus dem Vikar, dem Provikar, dem Präsidenten und drei weiteren Patres und drei Brüdern, von denen einer sich besonders mit der Landwirtschaft abgibt, deren Erträgnisse von ihm als gering, von den anderen aber als nicht unbedeutend bezeichnet werden. Am 18. Dezember brachte uns das Bähnle wieder den Berg herunter nach Massaua zurück, wo wir erfuhren, daß P. Berger in der Zwischenzeit einen leichten Fieberansall gehabt hatte, von dem er aber bereits wieder genesen war. In Massaua fanden wir irgendwo auch Plakate, in denen die Leute zur Feier des 4. November eingeladen wurden mit der Begründung, daß sie (die Italiener) die eigentlichen Sieger im größten aller Kriege gewesen seien. Am 20. Dezember um 8 Uhr morgens Abfahrt von Massaua, dem wir wegen seiner Hitze und seines Schmutzes keine Träne nachweinten. Am 21. Dezember nachmittags 5 Uhr passierten wir Perim und gelangten durch das Bab el Mandeb in den Golf von Aden. Am 22. Dezember morgens 5 Uhr mußten wir vor dem Hafen von Aden warten, bis die Einfahrt frei wurde, da gerade ein aus Indien kommendes Transportschiff in der Einfahrt war. Der Zugang zum Hafen ist großartig. Ein Felsentor, auf dessen nördlicher Seite sich die Festungswerke befinden, schließt den Hafen vom Meere ab. Da nur der mittlere Teil die nötige Tiefe hat, müssen die Schiffe sich an schwimmenden Bojen (Ankertonnen) verankern. Ein Schleppdampfer bringt Barken zum Einund Ausladen heran und kleinere Barken bieten sich an, Leute ans Ufer zu führen. Monsignore und P. Klassert besuchen den Apostolischen Vikar, dessen Sprengel Aden und das englische Somaliland umfaßt, in welch letzterem aber die Regierung keine Missionäre zuläßt. Das ganze Vikariat hat daher, außer dem Bischof, nur vier Patres, die in Aden-Harbour und Aden-Camp stationiert sind. Die Seelsorge beschränkt sich auf die Europäer. Aden scheint ziemlicb verjudet zu sein; heute, am Samstag, sind alle öffentlichen Gebäude geschlossen. Sonst macht die Hafenanlage — die Stadt wurde von keinem der Unsrigen besucht, weil zu weit entfernt — durch ihre Reinlichkeit einen viel besseren Eindruck als Massaua. Schon gestern waren wir benachrichtigt worden, daß ein Zyklon (Wirbelsturm) im Indischen Ozean sein Unwesen treibe. Heute erschien ein Schiff, „Borulos", dessen Kornladung durch den Zyklon auf eine Seite war geschichtet worden, welchen Umstand sich das Schiff zunutze machte, um einige Reparaturen vorzunehmen. Wir erhielten auch Befehl, in Aden zu bleiben, um den Zyklon vorübergehen zu lassen. Wir hatten nämlich für Kap Guardafui den Leuchtturm bei uns und sollten ihn an Ort und Stelle — auf offenem Meere — ausladen. Der Zyklon, hieß es, war aus Tibet gekommen, hatte sich bei Bombay in Indien auf das Meer geworfen und werde sich voraussichtlich an der Ostküste Afrikas entlangtreiben. Am Nachmittag des 22. Dezember hatte ich in Aden gelesen, daß die „Norman" der Union-Castel-Linie am gleichen Tage eintreffen sollte. Und wirklich legte am folgenden Morgen an unserer Boje ein Schiff an, das in klarer Schrift den Namen „Norman" trug. Da der obenerwähnte Engländer den schönen Passagierdampser sah, auf den er sich ursprünglich abonniert hatte, der aber wegen Reparaturen bis auf unbestimmte Zeit war vertagt worden, meinte er, als das Schiff uns den Rücken kehrte: „That is insult to the j nachtsmesse, der die ganze Schifssmannschaft injury!“ („Das ist Hohn zum Unrecht!") Noch beiwohnte. Wir sangen die Missa Tertia Don am gleichen Abend nämlich segelte dieses Schiff Haller ohne jedwede Begleitung, doch versuchte nach Durban weiter, wo es in elf bis zwölf j ich, eine dritte Stimme dazu zu singen. Tagen eintreffen sollte. Wir aber blieben sitzen. Der nächste Tag war Weihnachtsabend. Auf Veranlassung des ersten Offiziers wurde im Mitteldeck der Altar aufgerichtet für die Mitter- Endlich traf nach zwei Telegrammen an die Direktion in Genua am 26. Dezember abends die Nachricht ein, wir könnten Weiterreisen. Am 27. Dezember morgens 8 Uhr wurde der Anker gelichtet. Noch am Nachmittag verloren wir das Land außer Sicht und bekamen erst am 29. Dezember morgens wieder Land zu sehen, als wir daran waren, das Kap Guardafui zu umschiffen. Zwei Bergrücken fallen hier steil zum Meere ab. Der nördliche, das eigentliche Kap, ist nur mäßig hoch, etwa 200 Meter, und heißt bei den Eingebornen Ras Asir, der südliche, Ras Jard Hafun, ist etwa 800 Meter hoch und zwischen beiden Bergen liegt eine Sandfläche, auf der vor drei Jahren ein japane-sisches Schiff gestrandet ist, das in einem Nebel annahm, das Ras Asir umfahren zu haben, Während es erst an Ras Jard Hafun vorbei war. Wir haben einen Leuchtturm für Ras Asir auf dem Schiff, der, wenn errichtet, von einer Kompagnie Soldaten bewacht werden soll, da die Eingebornen (des italienischen Somalilandes) schon zwei oder drei zerstört haben, damit ihnen Nacht und Nebel wieder einmal ein Schiff zuführe. Die starke Strömung nach Norden, ein ebenfalls starker Südwind und eine mäßig hohe See machten es zu unserm Glück unmöglich, bei Ras Asir Anker zu werfen. Ebendieselben Gründe verursachten es auch, daß nur wenige von uns den wirklich schön gestalteten Kopf eines schlafenden Löwen, denn als solcher erscheint das Ras Asir von Südosten aus gesehen, bewundern konnten. Auch beim Mittagessen erschien nur die Hälfte von uns und so wird das Kap Guardafui in unserer Erinnerung als „Kap Guarda-pfui" weiterleben. O liebe Seekrankheit! Abends erreichten wir Ras Hafun und warfen Anker in der südöstlichen Bucht, die gegen Nordwinde geschützt ist durch das obengenannte Ras Asir. Am Orte befindet sich ein italienisches Kommissariat. Der Mangel an Barken machte sich trotz der Anwesenheit eines italienischen Kreuzers sehr fühlbar, brauchten wir doch sechs volle Tage, um gegen 100 Tonnen auszuladen. Also von Samstag, den 29. Dezember, abends 10 Uhr bis Freitag, den 4. Januar, nachmittags 4 Uhr Aufenthalt vor der Wüstenküste von Ras Hafun. Während der folgenden Tage wurden wir von Wind und Strömung geschoben und erreichten so am Montag, den 7. Jänner, die Hauptstadt des Somalilandes, Mogadiscio. Wir ankern im freien Meere, beständig geschaukelt von der Strömung. Die Ausladeverhältnisse sind hier etwas besser als in Ras Hafun, nur sind alle Barken Privat- eigentum. Die Regierung besitzt nicht einmal einen Schleppdampfer. Die Barken müssen ans Ufer gerudert werden über eine beständig bewegte See. P. Klassert und P. Zorn wagten die Fahrt ans Ufer, wo sie italienische Trini-tarier vorfanden. Der Apostolische Präfekt klagte, daß sie unter den ziemlich fanatischen Mohammedanern nichts ausrichten könnten. Das Missionspersonal besteht aus nur dreizehn Mann. In Mogadiscio haben sie neben einer Schule für 24 weiße Kinder auch eine, die von etwa 200 Somalis besucht wird. Der gegenwärtige Gouverneur will dem Katholizismus daunt helfen, daß auch er sich als Katholik bekennt und deshalb jeden Sonntag im Eingang zum Regierungspalaste in seiner Gegenwart Messe halten läßt. Bei der Grundsteinlegung der neuen Kirche hielt er eine Rede, die besonders dadurch Eindruck machte, daß er die frühere freimaurerische Richtung der Regierung streng tadelte und allen Anhängern jener Richtung den Krieg ankündigte. Auch während unserer Anwesenheit sollen noch einige ausgewiesen worden sein. Die Mission besteht aus drei Stationen in Mogadiscio, Brava und Kismaio. Da die Fahrt ans Land sehr teuer war, so ging niemand mehr nach Mogadiscio. Bis Donnerstag, den 17. Januar, konnten wir vom Schiffe aus die blendendweißen Häuser betrachten, wie auch die dunklen Höhen, die wegen andauernder Regen wohl erst vor kurzem ihr Grün verloren hatten, um wieder dem Goldgelb des Wüstensandes Platz zu machen. An den ersten Tagen konnten wir noch manchmal den Polarstern sehen, meist aber verhüllte er sich in einem leichten Nebel. Am 17. Januar abends 8 Uhr wurden die Anker gelichtet und eine ruhige See, wie wir sie auf dieser Reise noch nie gehabt hatten, begleitete uns bis Mombasa. Am 18. Januar nachmittags passierten wir den Äquator (Erdgleicher) und haben damit die Hälfte der Breitegrade, die wir durchqueren müssen, hinter uns. (Von Suez Pis zum Äquator 30 und ebenso viele vom Äquator bis Durban.) Ich unterließ es, die verschiedenen Gegenden näher zu beschreiben, denn man möchte auf diese Landstriche beinahe das Bibelwort anwenden: „Und alles war wüst und leer." Die Temperatur war warm im Roten Meer, heiß in Massaua, etwas kühler in Aden, wurde noch kühler nach Guardafui bis Ras Hafun. Bei Mogadiscio wurde es etwas wärmer und hier in Mombasa ist es beinahe heiß. Wir sind eben jetzt im Hochsommer, was uns gegenwärtig noch sonderbar vorkommt, woran wir uns aber mit der Zeit doch gewöhnen müssen, Zehn Jahre sind verflossen, seitdem sich auf der Missionsstation Lul am Weißen Nil das Grab schloß, das die irdische Hülle des ersten deutschen Glaubensboten im Schilluklande birgt. Die Tatsache, daß der Abundit, wie die Neger den P. Banholzer nannten, heute noch bei Christen und Heiden in frischer und dankbarer Erinnerung steht, beweist klar den mächtigen Eindruck, den das Wirken des Verewigten bei den Eingebornen hinterlassen hat. Da es mir vergönnt war, sieben Jahre hindurch unter der weisen Leitung dieses edlen Schwaben an der Bekehrung des Schillukvolkes mitzuarbeiten, erfülle ich nur eine Pflicht der Pietät, wenn ich mit diesen Zeilen einen Palmzweig auf sein Grab lege, von dem Wunsche beseelt, auch in der lieben deutschen Heimat das Andenken an den ersten Bannerträger des Kreuzes im Lande der Schilluk wachzuhalten. Schon Ende 1913 sollte sich P. Banholzer auf Anraten des Arztes zur Stärkung seiner angegriffenen Gesundheit von Lul nach Khartum begeben. Allein die Überfülle an Arbeit veranlaßte ihn, die Ausführung dieses Vorhabens zu verschieben. Schwere Fieber nötigten ihn jedoch, Mitte Februar sich in das fünf Stunden entfernte Negierungsspital in Kodok zu begeben. Den Bruder Alexander Cygan, der ihn begleitet hatte, sandte er wieder nach Lul zurück. Unerwartet rasch trat nun der Tod an den geliebten Obern heran, während seine Mitbrüder in Lul die baldige Genesung erhofften und ersehnten. Nur von vier eifrigen Neuchristen umgeben, die ihn am 21. Februar besuchten, hauchte er seine opferfreudige Seele aus. Um 11 Uhr mittags, berichteten diese Augenzeugen, rief er uns zu sich und sprach: „Meine lieben Kinder, ich muß jetzt sterben. Ich fühle, daß «s mit mir zu Ende geht. Kniet nieder und betet mit mir!" Hierauf begann er mit lauter Stimme das Vaterunser zu beten. Es war sein letztes Gebet mit den Kindern der Wildnis. daß nämlich im Dezember der Sommer und im Juni der Winter anfängt. Um den 15. Februar dürften die ersten von uns in unserer Präfektur Lydenburg ankommen. (Fortsetzung folgt.) Allmählich wurde die Stimme schwächer und nicht mehr vernehmbar. Aber die Lippen bewegten sich noch in eifrigem Gebet. Üm halb 12 Uhr entschlief er sanft. Die Neubekehrten brachen in lautes Weinen und Schluchzen aus. Ein katholischer Syrier, der sich gerade in Kodok befand, kam eilends herbei, faltete die Hände des Heimgegangenen und drückte ihm die Augen zu. Es war 6 Uhr abends, als ein Christ die Trauerkunde nach Lul brachte. Der Provinzgouverneur teilte in seinem Beileidschreiben mit, daß ein Regierungsdampfer um 9 Uhr den Vater der Schilluk nach Lul überführen werde. Die Todesnachricht wirkte im Missionsdorfe wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ein unsäglicher Schmerz ergriff uns, als von der Dumpalme, die damals die Stelle eines Kirchturms vertrat, das Zügenglöcklein ernst und feierlich zu läuten begann. Die Neger erhoben ein ergreifendes Klagegeschrei: „Abundit, größter unserer Väter, wohin bist du gegangen! Warum hast du deine Kinder jetzt so schnell verlassen!" Die Missionszöglinge ließen ihr Abendessen unberührt und versammelten sich in der Kirche, um für den Hirten ihrer Seelen den Rosenkranz zu beten. Da es gerade Samstag war, befand sich der größte Teil der Christen zur Feier des Sonntags auf der Missionsstation nebst einer Anzahl von Katechumenen aus nah und fern. Gegen 8 Uhr liefen alle zum Flußufer. Sie schienen die Ankunft des Dampfers kaum erwarten zu können. Aus allen benachbarten Dörfern hatten sich auch die Heiden in großer Zahl am Landungsplatz eingefunden. Kaum waren die Anker gefallen, als alle, Christen und Heiden, auf das Verdeck stürmten, um den Abundit noch einmal zu sehen. Rührung erfaßte selbst die sonst so rohen arabischen Matrosen beim Anblick der aufrichtigen Trauer und der zahlreichen Tränen unserer guten Schilluk.. Vier christliche Schillukburschen trugen P, Wilhelm Banholzer, der erife Millionär der SchiHuL Zum 10. Codestag am 22. Februar. Von P. Stidor Sfang. den Leichnam ans Land. Von da formierte sich der Trauerzug zur Missionsstation. In der alten Missionskapelle fand die Aufbahrung statt. Hier in dieser ersten Kapelle des Schilluk-landes, in der P. Banholzer so oft für die Bekehrung der Schwarzen das heilige Meßopfer dargebracht hatte, hier, wo er die katholische Glaubenslehre so oft mit solcher Liebe und Beredsamkeit verkündet hatte, daß die leichtlebigen Neger zueinander sprachen: „Abundit Kete, so kann nur er unsere Herzen bewegen und bezaubern": hier lag er nun im Schmucke der priesterlichen Gewänder, ihr bester Freund und größter Wohltäter, in der Vollkraft der Jahre.vom Tode gefällt, ein . Märtyrer seines apostolischen Berufes. Tiefster Friede war über seine Züge, ausgegossen, so daß Christen und Heiden erstaunt riefen: „Der Abundit schläft, o, wie schön und friedlich! Ist es wirklich wahr, daß er gestorben ist?" Beim flackernden Scheine eines großen Feuers grub man noch während der Nacht das erste Priestergrab in Lul, denn im heißen Afrika muß der Tote so rasch als möglich beerdigt werden. Unterdessen hielten Christen und eine Schar Katechumenen, die gehofft hatten, am folgenden Osterfeste vom Abundit selbst die heilige Taufe zu empfangen, betend die Totenwache. Eigentümlich, die Schilluk, die sonst so große Scheu vor Toten an den Tag legen und deren Anblick ängstlich meiden, konnten sich nicht satt sehen an den verklärten Zügen ihres Apostels, und immer wieder wurden Stimmen laut: „O, wie schön ist der tote Abundit! Ganz anders als unsere Toten im Lande!" Während die Perlen des Rosenkranzes durch ihre Finger glitten, fielen ihre heißen Tränen auf die erstarrten Hände, die so viele Wohltaten gespendet hatten. War ihnen doch der Abundit alles gewesen, Priester, Lehrer, Arzt, Richter, Freund und Vater. Wie vielen hat er zur Zeit der Hungersnot das Leben erhalten! Wie vielen in Gefahren Schutz und Hilfe geboten! Wie viele freudige Stunden den armen schwarzen Kindern bereitet! Beim ersten Morgengrauen kamen die Neger von allen Seiten herbei, um dem Begräbnis beizuwohnen. Zur festgesetzten Stunde hielt der damalige Missionsobere P. Heymans, der sich eben besuchshalber in Lul befand, den Seelengottesdienst in der neuen Kirche, das letzte große Werk P. Banholzers. Als sich der Leichenzug zum nahen Gottesacker bewegte, verhüllten graue Wolkeu das Antlitz der Sonne, und wie verhaltene Klage und unterdrücktes Weinen zog es durch die vom Winde bewegten Baumwipfel und Palmkronen. Es war, als ob die Natur mitfühlend und mitleidend Anteil nähme an dem herben Verluste, der die junge Kirche von Lul so unerwartet jäh getroffen hatte. Mit dem Weihwasser, das wir auf das Grab sprengten, vermischten sich die Tränen unserer Christen, und mit dem Weihrauchdufte stieg himmelwärts ihr heißes Gebet für den teuren Vater. Am Grabe hielt ich meinem verstorbenen Obern die Trauerrede. Als Fremdling war P. Banholzer in das Schillukland gekommen und hatte unter tausend Mühen und @ni> behrungen den Samen des Evangeliums ausgestreut. Jahre vergingen, ehe dieser Same die ersten goldenen Halme trieb. Zeit verrann, bis diese Halme reiften und Schnitterfreuden den Schweiß der Aussaat lohnten. Doch der göttliche Sämann Jesus Christus hat die geduldige Arbeit seines ersten Boten in diesem Lande gesegnet und ihn für seine Beharrlichkeit bis ans Ende mit der Krone des ewigen Lebens geschmückt. Mit kummervollem Herzen feierten wir nach der Bestattung den Sonntagsgottesdienst. Es schien mir damals unfaßbar, wie P. Banholzer plötzlich aus seinen großen Gedanken und Plänen, mitten aus seinem reichen Wirken abberufen werden konnte. Indes, was Gott tust das ist wohlgetan. Heute, nach zehn Jahren, begreife ich es, warum der'Herr der Ernte seinen treuen Diener am Vorabend des Weltkrieges zu sich nahm. Er wollte ihm das traurige Los einer vierjährigen Gefangenschaft ersparen, das die übrigen Schillukmissionäre traf. Das Werk selbst aber, das der Abundil in Lul geschaffen, konnten auch die Stürme des größten aller Kriege nicht erschüttern. Noch sind in der Schillukmission deutschsprachige Glaubensboten tätig, einstige Mitarbeiter des P. Banholzer. Und wenn nun infolge der Zeitverhältnisse und ihrer Auswirkungen italienische Mitbrüder die neuen Missionsstationen im Schilluklande gründen und leiten, so führen sie nur den Bau weiter, dessen tiefe, starke Fundamente der Abundit gelegt hat. Ich werde versuchen, im „Stern der Neger", für den er einst so viele interessante Berichte geschrieben, sein Lebensbild zu zeichnen. In den Annalen der Geschichte der Schillukmission wird mit unvergänglichen Lettern eingegraben sein der Name ihres Begründers P. Wilhelm Banholzer. Aus der Geschichte Kordoicms. Von P. Otto Buber. (Fortsetzung.) Der „Aufseher" wird wie der Stammesvater betrachtet. Notleidende nehmen zu ihm ihre Zuflucht. Stirbt einer Frau ihr Mann und hat sie keine nächsten Anverwandten, die ihr beistehen, so wendet sie sich an den „Aufseher" um Hilfe. Dieser gibt ihr Vieh, damit sie mit ihren Kindern davon leben könne, oder weist ihr in seinen weiten Räumlichkeiten Wohnung und Unter- Gummi, der von den angeschlagenen Bäumen gesammelt wird, gehört dem Aufseher. Alle, die an seiner Wohnung vorbeikommen, steigen bei ihm ab, werden bewirtet und lassen ein schönes Geschenk zurück, entweder in Produkten oder in Geld. Ist er krank oder von einer Reise zurückgekehrt, so wird er besucht, und niemand kommt mit leeren Händen. Brennt ihm die Wohnung ab, so wird sie ihm umsonst aus- Ein erlegter Elefant. halt an. Ist einem armen Mann ein Stück Vieh verendet oder das Haus abgebrannt oder hat er sonst einen empfindlichen Schaden erlitten, findet er beim Aufseher in der Regel Unterstützung. Mancher ist recht mildtätig und läßt, nachdem er die Ernte eingeheimst hat, an gewisse Arme, die ihm bekannt sind, Korn verteilen, ohne daß er zuvor darum angegangen wird. Der „Aufseher" nimmt bedeutend mehr ein als er ausgibt und ist ein reicher Mann. In ganz Kordofan sind große Gummiwaldungen vorhanden. Die Bäume werden mit dem Beile angeschlagen, man schält ein Stückchen Rinde ab, der Gummisaft quillt hervor, verhärtet, formt sich zu kleinen Klumpen und wird dann gesammelt und verkauft. Der erste gebaut. Gibt es in seinem Hause Hochzeit oder Trauer, übermitteln ihm alle Stammes-angehörigen Geschenke. Geburtstag feiert der Aufseher nicht, aus dem einfachen Grunde, weil er selbst nicht weiß, an welchem Tage er das Licht der Welt erblickt hat. Seine Untertanen aber wünschen ihm Glück an hohen mohammedanischen Feiertagen. Begegnet man ihm ans dem Wege, so steigen alle von ihren Reittieren ab und küssen ihm ehrerbietig die Hand. Selten schimpfen die Araber über ihren „Aufseher", und nur dann, wenn er sie durch ein anspruchsvolles Benehmen zum Unwillen gereizt hat. Früher trieb der Aufseher von seinen Angehörigen auch die Steuer ein, nun tut es aber die Regierung selbst. Dank dem guten Einvernehmen, das zwischen den Arabern und deren Aufsehern besteht, herrscht in Kordofan im allgemeinen Ordnung, die Handel und Wandel ermöglicht. Jedoch nicht überall ist es so. Die Wildheit der Baggära. Die unbändigen Baggära-Araber des Südens benehmen sich zwar vor ihrem Aufseher kriechend, tun aber in dessen Abwesenheit, was ihnen beliebt. Der Aufseher selbst scheint im Amtslokale, wo er sich selten blicken läßt, seine wilde Natur vergessen zu haben und ist ganz untertänig. Der Beamte aber kennt den Mann. Die Hauptsache ist, daß er an die Regierung den Tribut entrichtet und keine Ranbzüge ins Gebiet anderer Stämme unternimmt. Mehr kann von dem wilden Gesellen nicht verlangt werden. Kaufleute sollen aber von jenen Ländern, wo keine Regierungsstation eröffnet ist, wegbleiben. Mancher will dennoch den Durchzug probieren, um zum Bahr el Arab, d. h. zum Araberfluß, und von dort südlich zum Gebiete des Bahr el Ghazsl, d. h. des Gazellenflusses zu gelangen, wo er Elfenbein einzukaufen gedenkt. Er ist zufällig ein Christ. Die Regierung läßt ihn ziehen, lehnt aber jegliche Verantwortung ab. Der Kaufmann mietet Kamele, die ihn südlich bis zur Residenz des großen Baggära-Häuptlings befördern. Da angelangt, empfangen die Kameltreiber ihren Lohn und treten ohne weiteres die Rückreise an. Für kein Gold der Welt wären sie zu bewegen, weiter nach Süden zu gehen, denn eine giftige Fliege, omm bödjani genannt, die dort vorhanden ist, würde ihre Kamele töten. Der Kaufmann ist nun auf die einheimischen Tragochsen angewiesen. Er begibt sich zum Häuptlinge, und wenn er abwesend ist, zu dessen Stellvertreter mit einem Geschenke in der Hand. Ein guter Empfang wird ihm zuteil. Er soll alle nötige Hilfe finden. Es erscheinen auch Araber, die ihm Tragachsen für die Weiterbeförderung seines Gepäckes anbieten. Sie zeigen ein ganz anständiges Benehmen, sind durchaus nicht anspruchsvoll und begnügen sich mit wenig Lohn. Sie versprechen, ihn bis zum Araberfluß zu befördern. Der Fremde ist überrascht. Das sind also die Araber, die man bei mir so angeschwärzt hat, sagt er zu sich selbst. Schau, wie sie artig sind. Bösen Zungen soll man doch keinen Glauben schenken, sondern selbst Erfahrungen machen. Leider werden diese bald kommen. (Fortsetzung folgt.) Lic=iJ Kleidung, Kultur und HMion* r~5^n Eines ist wohl ganz sicher. Als Eva im Paradies in den Apfel gebissen, ist es deshalb daselbst nicht kälter geworden. Die Heilige Schrift erklärt auch nirgends, daß Gott dem Adam und der Eva die Kleidung besorgt habe, damit sie gegen die Witterung des Paradieses geschützt seien. Auch hatten sich die beiden Schuldigen nicht im Gebüsche versteckt, weil es draußen zu kalt oder zu warm war, sondern meil sie sich schämten, als sie infolge der Sünde erkannten, daß sie ohne Kleidung waren. Der Hauptzweck der Kleidung ist also für den gefallenen Menschen ein sittlicher. Als Schutzhülle kommt sie erst in zweiter Linie in Betracht. Es ist daher nicht nur selbstverständlich, sondern geradezu eine Pflicht für den Missionär, daß er darauf bringt und hinarbeitet, daß seine Neuchristen und die es werden wollen, eine vom sittlichen Standpunkt aus unanfechtbare Kleidung anlegen. Für einen zivilisierten Menschen kann darüber doch kein Zweifel sein. Wenn Eingeborne sich dagegen oft sträuben, so läßt sich das ja aus der niederen Kulturstufe, auf der sie stehen, erklären. Um so mehr aber überrascht es, wenn Leute, die von ihrer Regierung als Vertreter der Kultur zu den Schwarzen gesandt werden, nun ihrerseits das Tragen einer anständigen Kleidung verhindern wollen. P. Pschorn schreibt uns aus Tonga: „Verzeihen, Em. Hochwürden, wenn ich Sie mit einer Sache belästige, die Ihnen im Augenblick vielleicht etwas ferner liegt, die aber gleichwohl Ihr Interesse beanspruchen dürfte. Vor ungefähr vier Wochen besuchte Tonga ein Engländer, gegenwärtig stellvertretender Distriktsinspektor. Der eigentliche Inspektor mußte hinauf nach Malakal, um den dortigen Mudir während seines Urlaubes zu ersetzen. Sein hiesiger Stellvertreter ist also nur vorübergehend hier und wohnt für gewöhnlich in Renk. Dieser Herr nun kam, geführt von dem Mamur von Tonga, einem Mischling von Schilluk und Mohammedaner, auch in unsere Mission, weigerte sich aber, das Haus zu betreten. Es war Sonntags früh vor der heiligen Messe um 8 Uhr. Unsere Christen, und besonders die Neugetauften, waren alle bekleidet mit weißen Kniehosen und darüber ein weißes Hemd, so wie es auch die eingebornen Soldaten tragen. Mit einem mehr als befremdeten Blick musterte der Urlaubsinspektor diese Burschen. Doch konnte P. Crazzolara nicht recht klar werden, was der Herr eigentlich damit bezweckte. Nachmittags besuchte einer unserer Christen die Kanzlei des Inspektors in rein persönlicher Angelegenheit. Bevor aber der Bursche seine Sache Vorbringen konnte, fragte der „zivilisierte" Herr den Mamur, woher der Bursche käme. Als dieser ihm antwortete, er sei ein Christ aus der katholischen selbst ausmachen. Es war dem Mamur eben auch deshalb peinlich, weil unter den Arabern, die ja doch alle mit Hose und darübergeworfenem Hemd herumgehen, auch eine MengeSchilluksich befinden. Nun wagte es der stellvertretende Inspektor noch nicht, den Befehl herauszugeben. Er schrieb also an den wirklichen Inspektor nach Malakal und darauf kam folgender Brief. ,Betrifft die Kleidung der Schilluk aus der Mission. An den Oberen der Mission Tonga. Geehrter Herr! Bitte beachten Sie, daß die Schilluk aus der Mission, wenn sie in die Regierungskanzlei Katechumenen vor der Kapelle (Kitgum). Mission, ließ der Inspektor sofort den Befehl ergehen, die Schilluk der Mission müssen ohne Hosen, nur mit dem einfachen Schilluküberwurf in der Kanzlei erscheinen. (Der Schilluküberwurf ist allerdings für einen Schilluk nicht unschicklich, weil es für den Schilluk auch nicht unsittlich ist, völlig unbekleidet herumzugehen. D. Red.) Der Mamur, ein Mohammedaner, erklärte, die christliche Religion schreibe es den Christen vor, nicht nackt, sondern mit Hosen herumzugehen. Allein der Inspektor blieb bei seiner Weisung, die der Mamur der Mission zu übermitteln hätte. Der Mamur, ein Neger, war aber der Schlauere. Er sagte, er müsse den Befehl schriftlich erhalten, da dies eine Angelegenheit sei, die nur Weiße beträfe, und die Europäer müßten so etwas unmittelbar mit sich kommen, in ihrer Nationaltracht und nicht in europäischen Kleidern erscheinen müssen. Wir sind und waren immer sehr darauf bedacht, daß europäische Kleidung bei den Eingebornen nicht eingeführt werde, denn sie ist gesundheitsschädlich und lächerlich. Mit Achtung N. N/ Dazu ist zunächst zu bemerken, daß von einer europäischen Kleidung gar nicht die Rede sein kann. Oder wer läuft beim in Europa herum mit Kniehosen und einem darübergeworfenen hemdartigen Oberkleid? Bisher ist es noch keinem einzigen Engländer eingefallen, an einer solchen Kleidung etwas auszusetzen. Der Mamur von Renk, ein ge-borner Schilluk, der gegenwärtig hier in Tonga weilt, versteht auch nicht die Weisung seines 28 Stern der Neger Heft 3 und 4 Vorgesetzten. Er erklärte, in Renk liefen Schilluk und Denkn massenhaft in dieser Kleidung herum, ohne auch nur die leiseste Mißbilligung derselben Herren zu finden. Alle Soldaten hier oben, die ja beinahe ausschließlich aus Eingeboruen bestehen, tragen genau die gleiche Kleidung, und zwar auf Anordnung der englischen Regierung. Nur für die Eiugebornen, die katholisch sind oder werden wollen, ist sie gesundheitsschädlich' und,lächerlich'. Die Schwierigkeiten, die dadurch für unser Missionswerk entstehen, können Sie sich ja denken. Es ist nur Haß gegen.bie katholische Religion, aber unser heiliger Glaube wird trotzdem noch triumphieren." OB OB an an Das Walten der Vorsehung. von P. Rudolf Orler, F. S. E. □»□ np □O 'J In den Missionsberichten wird stets auch die Zahl der in „Todesgefahr" erteilten Taufen verzeichnet. Nicht selten bilden Unglücksfülle die Veranlassung zur Spendung des Sakra-mentes der Wiedergeburt, wobei sich oftmals eine besondere Fügung und Führung der göttlichen Vorsehung zur Rettung der Seelen offenbart. Einige Beispiele mögen diese Tatsache beleuchten. Eben taucht die Sonne über der östlichen Hügelkette empor und legt ihren feurigen Schmuck um die Gipfel der Riesenbäume des Waldes, dessen Blättermcer, von einem linden Morgenwinde angehaucht, leise erzittert. Eine Fülle von Schimmer und Glanz, von Licht und Farben ergießt sich über das wellige, dem Walde vorgelagerte Gras- und Buschland, aus dem die Hütten der Eingebornen hervorlugen. Reges Leben erwacht in Busch und Baum; prächtig gefiederte Vögel schwingen sich von Ast zu Ast und jubeln ihren Morgengesang in die helle, warme Luft hinaus; die schmalen Wege der Eingebornen beleben sich mit hastig dahineilenden schwarzen Gestalten, getrieben von des neuen Tages neuer Last und Sorge. Ich trete aus meinem Zelte heraus, um in dieser Weihestunde der Natur meine Morgenbetrachtung zp halten, indes meine Begleiter das Frühstück bereiten. Da stürmt ein hagerer Dschurneger daher und pflanzt sich vor mir auf mit dem landesüblichen Gruße: „Madia ’ Abuna!“ _—„Sei gegrüßt, Pater!" „Madia," erwidere ich gleichmütig, ohne mich weiter stören zu lassen. Eine Weile steht der Neger betroffen da. „Pater," sprudelt er dann heraus, „gib mir schnell eine Medizin für meinen Freund, er ist stark geschwollen und schwerkrank." Bei diesen Worten wies er mit seinem braunen Finger auf Mund und Zunge, um mir den Herd des Übels anzuzeigen. Ich hatte nur Jodtinktur bei mir für etwaige kleine Verwundungen meiner Reisegefährten und gab deshalb zur Antwort: „Ich habe keine Arznei; bringt den Kranken in die Mission nach Wau!" — „Unmöglich, denn er stirbt unterwegs". — „Gut," lautete mein Entscheid, „ich werde deinen Freund besuchen. Wo steht seine Hütte?" — Ich schwang mich aufs Rad und trat kräftig an. Ein Rudel kleiner Gazellen floh erschreckt vor mir her> Vögel flatterten scheu aus den Hecken und Stauden am Wege und die Hunde schlugen wütend an, wenn ich an den Gehöften vorbeisauste. In der bezeichneten Hütte fand ich einen bis auf Haut und Knochen abgemagerten Kranken. Blutvergiftung lag vor. Da konnte kein Arzt der Welt mehr helfen, aber die Seele des Armen wollte ich retten. Leider war mir seine Mundart unbekannt. So fuhr ich beim zu meinem Zeltlager zurück und beauftragte einen meiner tüchtigsten Neuchristen, Petrus mit Namen, den Sterbenden sofort aufzusuchen, ihm eine Erquickung zu reichen, ihn dann zu unterrichten und zu taufen. Inzwischen wollten wir für das Heil dieser Seele beten, damit Gottes Gnade die Worte des Katechisten befruchte und segne. „Eile," sprach ich zu Petrus, „denn es ist Gefahr im Verzüge; wir werden erst nach deiner Rückkehr Weiterreisen." Langsam krochen die heißen Stunden des Tages vorüber; die Sonne sank tiefer und tiefer und die Schatten der Nacht umwoben schon Busch und Steppe, und noch war Petrus nicht zurückgekehrt. Endlich kam er mit leuchtenden Augen. „Wie ist es gegangen?" frage ich. Glockenhell tönt es zurück: „Er ist schon im Himmel bei den Engeln und beim lieben Gott. Jakob ist sein Name." * * -i- Wiederholt war in diesen Blättern von der Blutrache die Rede, jener grausamen Unsitte des Heidentums. Jede, auch die kleinste Belei- digung wird gerächt. Besonders die Häuptlinge üben das Blutrecht in der rücksichtslosesten Weise. Nicht selten fallen Unschuldige der Blutrache zum Opfer. In das Spital zu Wau wurde kürzlich ein Bursche gebracht, den eine Kugel tödlich verwundet hatte. Der Häuptling Suma Kayango glaubte sich von jenem Burschen gekränkt und bestellte einen Meuchelmörder, der auf den ahnungslos seines Weges Gehenden mehrere Schüsse abgab. Auf die Kunde davon, daß der Unglückliche sich im Spital befände, sandte ich die Schwester Oberin dorthin, damit sie ihn unterrichte und ihm durch das Bad der Wiedergeburt die Tore des Himmels öffne. Kaum hatte der junge Mann die Schwester erblickt, Taufunschuld zum Himmel empor, zum Laude des ewigen Friedens. Ich zog in den nächsten Tagen Erkundigungen über die Person und das Vorleben des Geretteten ein und erfuhr zu meiner Verwunderung, daß er vor acht Jahren eine Zeitlang Katechumene gewesen war und katholischen Unterricht genossen hatte. Doch jugendlicher Leichtsinn, Umgang mit heidnischen und mohammedanischen Altersgenossen, lockere Tanzunterhaltungen und abstumpfende Trinkgelage entfremdeten ihn der Mission und erstickten die Fruchtkeime des Guten in seiner Seele. Ach, vielleicht wäre er ewig verlorengegangen, hätte ihn nicht die Kugel des Mörders getroffen; denn dieses schreckliche Los lenkte durch eine trostreiche als er ihr auch schon zurief: „O, gib mir die Taufe, denn ich muß sterben!" Die Schwester war überrascht. „Wie, du verlangst von mir die Taufe? Hast du denn einmal christlichen Unterricht empfangen? Weißt du unsere Gebete ?" „O, ich habe alles vom Missionär gelernt," lautete die Antwort, „taufe mich, denn ich will in den Himmel kommen!" „Aber verzeihst du auch deinem Todfeinde?" forschte die Schwester. „Gewiß! ich verzeihe: mein Herz ist ruhig, mein Blut braust nicht auf; ich hege keinen Groll gegen meine Feinde." Einige Minuten später floß das geweihte Wasser über die schwarze Stirn. „Peter, ich taufe dich ..." Ein Strahl überirdischer Freude glitt über sein schmerzdurchwühltes Gesicht und ein zufriedenes Lächeln umspielte seine zuckenden Lippen. Als in der Mission das Ave-Glöcklein läutete, flog Peters Seele im Lilienglanz der Fügung der Vorsehung unsere Aufmerksamkeit auf ihn und erweckte in uns das Verlangen, diese Seele zu retten. Gott ist allezeit die Liebe. * * * Die nun folgende Erzählung trägt das Gepräge des Außerordentlichen, ja Wunderbaren an sich, so daß ich nicht wagte, sie zu veröffentlichen, wenn nicht die Gewährsmänner mir als durchaus verläßliche und glaubwürdige Menschen erschienen. Meskin, ein vor nicht langer Zeit in diese Gegend eingewanderter alter Mann, begab sich auf das Feld hinaus, um sein Korn zu säen. Die Einheimischen bedienen sich bei dieser Arbeit eines schaufelförmig zugeschnittenen Holzes, mittels dessen sie kleine Vertiefungen im Boden ausheben. Hierauf werfen sie mit der linken Hand einige Saatkörner in die kleine Grube und stoßen sie mit dem Fuße zu. Unser Mann verrichtete diese mühsame Arbeit unter den sengenden Strahlen der Tropensonne. Plötzlich schoß unter einem Steine eine giftige Schlange hervor und biß ihn in die Hand. Der Greis schrie laut auf vor Schmerz und rief um Hilfe. Von allen Seiten eilten die Neger, groß und klein, herbei. Man trug ihn in den Schatten einer Hütte und schickte sich sogleich an, den einheimischen Arzt, das heißt den Zauberer zu rufen. Doch Meskin widersetzte sich diesem Vorhaben auf das Entschiedenste und sprach: „Nein, nein! ich will vor allem andern die Medizin des Paters." Erstaunt meinten die Umstehenden: „Wie kannst du an den Pater denken; der ist ja nicht da; der wohnt weit von hier." „Nun denn," gab Meskin zurück, „so ruft mir den Burschen des Paters, den Katechisten. Er befindet sich in einem der Nachbardörfer, und jedermann kennt ihn an dem Rosenkränze, den er um den Hals trägt. Seine Arznei will ich zuerst haben." Diese so klar und bestimmt ausgesprochene Forderung bewog die Heiden, den Katechisten holen zu lassen. Als er kam, wandte sich der Alte an ihn mit den Worten: „Du hast gewiß die Medizin, die mich an einen glücklichen Ort bringt, nicht wahr?" „O ja, die Taufe", erwiderte der Katechist. „Nun, diese will ich." „Aber wer hat dir von der Taufe erzählt? Wieso kennst du mich, da du doch hier noch fremd bist?" „Höre, mein Freund," begann nun Meskin, „kaum hatte mich die Schlange gebissen, als mir eine vornehme, weißgekleidete Frau erschien, schön wie die Sonne, die du dort siehst, und zu mir sagte, ich solle dich holen lassen; denn du habest die wahre Medizin, die mich befähige, mit ihr zu gehen." Diese Rede überraschte den jungen Christen Es geht ein eigenartiger Zug nach Innerlichkeit durch weite Kreise des Volkes, ein mächtiges Sehnen nach den Gütern der Seele, nachdem der äußere Glanz des Volkes wie ein Kartenhaus zusammengebrochen ist und nur eine düstere Leere zurückließ. Vielleicht hat eine liebevolle Vorsehung gerade deshalb die Katastrophen der letzten Jahre zugelassen, nicht wenig. Einen Augenblick war er sprachlos vor Verwunderung. Hierauf entspann sich zwischen dem Katechisten und Meskin folgendes Zwiegespräch: „Wer war jene vornehme Frau?" „Ich weiß es nicht; ich erinnere mich nur, daß sie mich die Worte sprechen ließ: „Bundo ombe ku kari!“ — „Vater unser, der du bist in dem Himmel ..." und hernach, „Je ve no Maria“ — „Gegrüßt seist du, Maria .. „D, dann war es die allerseligste Jungfrau Maria!" — „Wer immer es gewesen sein mag, jedenfalls war die Frau schön, unaussprechlich schön." Mein Katechist begriff klar, daß ein außerordentliches Eingreifen der göttlichen Vorsehung zum Heile dieser Seele stattgefunden habe, und unterrichtete den Greis, so gut es die Umstände erlaubten. Nach der Unterweisung stellte er die vor der Erteilung der Taufe üblichen Fragen: „Glaubst du an den einen Gott in drei Personen?" Meskin: „Ich glaube, denn auch jene schöne Herrin gebot mir zu glauben." „Glaubst du an Jesus Christus, unsern Erlöser?" Meskin: „Ich glaube; jene schöne Herrin gab mir die Versicherung, daß ihr Sohn mich innig liebe." „Johannes, ich taufe dich..." Über das welke, runzliche Gesicht flog ein Leuchten, ein geheimnisvoller Glanz, der äußere Widerschein der inneren seelischen, durch die heiligmachende Gnade vollbrachten Umgestaltung und Erhebung zur Gotteskindschaft. „Nun schneidet an mir nach Belieben," sagte der Glückliche, „denn wenn ich jetzt sterbe, werde ich jene schöne Herrin wiedersehen, die gebenedeite Jungfrau Maria..." um die Menschheit die Eitelkeit aller irdischen Güter erleben zu lassen und sie für höhere Güter empfänglich zu machen, wie sie das Glanbensleben bietet, in um so höherem Maße bietet, je mehr es in seiner ganzen Schönheit im Herzen verankert ist. Jst's ein bloßer Zufall, daß in so sehnsuchtsvoller Zeit ein Kind des deutschen Volkes 0 ZXX) i! ü Huna Katharina Emmerich. MM Zum 100. Sterbetag am 9. Februar. von P. ßeifger, S. 3. r ? i zur Ehre der Altäre erhoben werden soll, das wie kaum ein anderer Heiliger der Kirche ein eigenartig tief innerliches Leben geführt hat, daß es sich zu den höchsten Höhen der Mystik erhob? Anna Katharina Emmerich deren Todestag sich heute zum hundertsten Male jährt, wird gewiß, wenn einmal in ihrem Tugendleben mehr bekannt und auch in der Kirche als Selige zur Verehrung aufgestellt, zu den bedeutungsvollsten Heiligen Deutschlands gezählt werden. Bisher war sie mehr aus den „Gesichten" bekannt, die Klemens Brentano aus ihrem Munde vernahm und in den auch sprachlich vollendeten Büchern über das Leben und Leiden des Heilandes und seiner Mutter herausgab. Bieten Tausenden haben diese Bücher bereits als Einführung in das innere Leben gedient, ihnen in drückender Herzensnot oder schweren Schicksalsschlägen seelischen Trost und geistige Aufrichtung gebracht. Wie viele sind bei der Lesung der „Gesichte" in die Schule des größten Lehrmeisters aller Lebensweisheit gegangen und haben aus seinen Worten und mehr noch aus seinem Vorbild das gelernt, was die Welt zu ihrem Schaden so sehr übersieht, daß nicht nur das Reich Gottes, sondern auch das wahre Erdenglück im Herzen allein entdeckt und erreicht werden kann. Wie anschaulich weiß aber auch Emmerick das Leben des Heilandes und seiner Mutter zu schildern. Es ist, als ob sie Augen- und Ohrenzeugin gewesen wäre. Und sie war es auch in der Tat; denn was sie erzählt, hat sie gesehen und gehört; in ganz eigenartigen Visionen hat sie alles miterlebt. Die Kirche hat sich freilich über den sachlichen Inhalt dieser Visionen und über diese selbst noch nicht ausgesprochen. Aus dem Seligsprechnngsprozeß, der schon weit fortgeschritten ist, werden sie vielleicht ganz ausgeschlossen. Aber, wie immer man die „Gesichte" auch deuten mag, soviel ist gewiß, daß sie uns ein wunderbar tiefes Innenleben erschließen und eine Seele uns zeigen, die in eine höhere Welt entrückt ist. Diese Gesichte offenbaren eine solche Fülle großer Erleuchtungen in den erhabensten Glaubenswahrheiten, daß sie unbedenklich als wertvolle und lehrreiche Erbauungslektüre bezeichnet werden können. Einige Absonderlichkeiten dürften von selbst wegfallen, wenn die Schriften einmal von den Einschiebseln gereinigt sein werden, die Bren- tano bei der späteren Bearbeitung der Aussagen Emmericks aus fremden Schriften oder eigener Erfindung zur Ausschmückung hinzugab. Die geschauten Bilder, in denen sich oft eine überraschende Kenntnis der Örtlichkeiten des Heiligen Landes und der Sitten und Gebräuche des jüdischen Volkes nachweisen läßt, sind um so auffallender, weil Katharina in den einfachsten ländlichen Verhältnissen aufwuchs und keine andere Bildung erhielt, als sie in der kleinsten Dorfschule, die sie bloß einige Monate regelmäßig besuchte, geboten wird; sie hat ihr Leben lang Plattdeutsch gesprochen. Geboren wurde sie zu Coesfeld im Münsterischen am 8. September 1774 in einer Bauernstube, in welche auch das liebe Vieh zutraulich hineinblickt. Als Kind zum Viehhüten und anderen ländlichen Beschäftigungen verwendet, wurde sie später Magd bei fremden Leuten. 1802 erlangte sie trotz ihrer Armut die Aufnahme als Laienschwester ins Augustinerinnen-kloster zu Agnetenberg. Aber auch hier ahnte niemand den Schatz, der in der stillen, oft von Kränklichkeit heimgesuchten Nonne verborgen war. Nachdem das Kloster 1811 der Aufhebung zum Opfer gefallen, wurde Katharina von ihrem Beichtvater, einem französischen Auswanderer, in der Folgezeit in eine nahe Privatwohnung gebracht, wo sie sich, soweit es die zunehmende Kränklichkeit erlaubte, durch Näharbeit fortzubringen suchte. Zuletzt war sie ganz ans Krankenlager gefesselt. Ihr Leben glich nur einem ständigen Martyrium, bis sie am 9. Februar 1824 eines heiligen Todes starb. Dies war in Kürze gleichsam der ärmliche Rahmen ihres Lebens, aber um so wunderbarer hebt sich das strahlende Bild ihrer Tugenden aus dem Rahmen hervor. Schon als Kind wurde sie der merkwürdigsten Erscheinungen gewürdigt und erhielt Erleuchtungen und Offenbarungen, wie sie selbst im Leben großer Heiliger zu den Seltenheiten gehören. Wie St. Paulus vernahm sie geheimnisvolle Dinge, die niemand auszusprechen vermag. 1812 erhielt sie die Wundmale an der Brust, an Händen und Füßen und am Haupte. Die Wunden bluteten oft so heftig, daß das Blut durch alle Verbände hindurchdrang, und bereiteten der Dulderin große Schmerzen. Oftmals erlitt sie die Qualen der Kreuzigung des Herrn. Seit ihrer Stigmatisierung, also mehr als elf Jahre, nahm sie auch keine Nahrung mehr zu sich. Wurde sie, was öfter zur Probe geschah, von der geistlichen Behörde genötigt, Nahrung zu sich zu nehmen, so bereitete ihr dies die größten Schmerzen. Sie lebte von da fast nur von der täglichen heiligen Kommunion. Es ist begreiflich, daß alle diese merkwürdigen Erscheinungen, die ja nicht verborgen bleiben konnten, in jener glaubensarmen, in seichtesten Nationalismus versunkenen Zeit großes Aufsehen erregten und großen Zweifeln, ja heftigem Widerspruch begegneten. Kirchliche und weltliche Behörden ließen ihren Zustand, besonders die Wundmale, des öfteren mit aller Gründlichkeit untersuchen. Ein Betrug, wie es viele annehmen wollten, ließ sich aber nicht nachweisen; trotz aller angewandten Mittel wollten die Wunden nicht zuheilen. In einer ganzen Reihe von Schriften, bis in die medizinischen Zeitschriften hinein, wurde die Sache behandelt. Für Katharina war diese Öffentlichkeit ungemein peinlich, aber die Vorsehung erreichte damit ihren Zweck, weite Kreise einer ungläubigen Gesellschaft an das Reich der Übernatnr zu erinnern und an ein höheres Leben ini Geiste des Glaubens. Viele, darunter auch Klemens Brentano, fanden in dem Stübchen der frommen Dulderin auch die Glaubensstärke wieder und in ihr jene Seelenruhe und jenes Herzensglück, wie sie es früher im Taumel sinnlicher Erdenlust oder in der Öde des Unglaubens nicht zu finden vermochten. Ganz eigenartig muten den Leser des Lebens dieser gottbegnadeten Seele die Berichte über die Leidenswege an, die sie bis zu ihrem Tode wandern mußte. Es war ein Kreuzweg so eigenartig, daß man oft von innerstem Mitleid ergriffen wird. Aber gerade im Leiden offenbart sie uns so recht das große Geheimnis des Kreuzes, das den Heiden immer eine Torheit bleibt, dem Gläubigen aber eine Duelle des Lichtes und der Gnade ist. Hier erscheint Katharina eigentlich in ihrer ganzen Größe. Ihr Leiden ist eine ihr von Gott übertragene und in heldenmütiger Seelenbereitschaft angenommene schwere Lebensaufgabe, man könnte es ihre ganze Lebensaufgabe nennen. Es ist Sühne- leiden für die Sünden ihres Volkes und ihrer Zeit. In geheimnisvollen Bildern schaut sie die Schäden des Staates und der Kirche, in Klerus und Volk, und sie selber bezeichnet ihre Leiden, die ganz den Bildern entsprechen, als ein Arbeiten im Weinberge des Herrn. Sie übernimmt sogar die Leiden anderer und deren Krankheiten, und während sie alle Krankheiten erduldet, werden jene gesund. Besonders gern leidet und betet sie für die Kirche, für Bischöfe und Priester, für die so gefährdete Jugend. In ihrer Seele ringt sie leidensstark gegen die Mächte des Unglaubens, des Rationalismus, gegen alle Feinde des katholischen Glaubens. Weiten Kreisen werden die Wege Gottes in diesem eigenartigen innerlichen Gebets- und Dpferleben unbegreiflich, unfaßbar bleiben. Wie jemand von Gott auserwählt und mit den merkwürdigsten Gnadenerweisungen überschüttet werden kann, um dann jahrelang die bittersten Leiden zu ertragen, das kann nur der erfassen, der die Geheimnisse des Kreuzes, die Heiligkeit des Leidens, die wunderbare Macht der Sühne, auch der stellvertretenden Sühne begreift. Sünde wird nur durch Sühne gutgemacht, eine sündige Menschheit nur durch sühnendes Leiden geheiligt. Das ist die Torheit des Kreuzes, die doch wieder ganz himmlische Weisheit ist. Katharina Emmerick hat von ihrer Krankenstube aus durch ihre Gebete und Leiden einen Segen über ihre Mitwelt gebracht, der selbst in den auffallenden Bekehrungen, die sie bewirkt, nur ganz schwach angedeutet wird. Auch die göttlichen Gnaden, wie die Welt sie so notwendig hat, wandern im Gefolge der Sühne. Was unsere arme unglückliche Zeit mehr als je braucht, sind mutige Dpferseelen, die den Zorn Gottes beschwichtigen und seine Gnaden herabrufen, ohne die es keinen Ausweg zum Bessern geben kann. In dieser Beziehung war die Dulderin von Dülmen eine Heldin von seltener Größe. Hoffentlich wird ihre Bedeutung für die Kirche und das Vaterland immer mehr erfaßt und werden die Lehren, die sie uns bietet, immer mehr beherzigt, wenn sie einmal als eine der größten Frauen zur Ehre der Altäre erhoben sein wird. Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Missionshaus der Söhne des heiligsten Herzens Jesu in Messendorf Sir. 102 bei Graz. Verantwortlicher Schristleiter: Isidor Kronsteiner, Laienbruder, in Messendorf Nr. 102 bei Graz. Untversitäts-Buchdruckerei „Styria" in Graz.