Oedipos in Aolonos. Oragödir von Sophokles, Musik von Felix Mendelssohn - Bartholdy, anfgeführt von der philharmonischen Gesellschaft in Laib ach im December 1865. Verlag der philharmonischen Gesellschaft in Laibach. Druck von I. Rud. Wllitz. Personen des Mlodrama's. OediPoS....................... Herr Adam H a r t i g. Antigone....................... Fräulein Alerand rine C a l l i a n o. Jsmene....................... Fräulein Antonie G a st o n. Theseus....................... Herr Josef Wehr. Das verbindende Gedicht, verfaßt von Herrn Carl Rick, wird von Hern, Adam Hartig gesprochen. Ouvertüre. Dectamation. (Sie zu vertreibe» von dem heiligen Ort.) Nr. I. Chor. Strophe I. O schau! Er entfloh! Wer war's? Wo Weilt er, entschwunden, gescheucht von dieser Stätte, Der schamlose, der freche Mann? Blick' nm rings, schau nach ihm, Send' allhin deinen Ruf! AIS Flüchtling umher Schweift er, der Alte, rings Fremd hier; denn er beträte sonst Nie der schreckengerüstcten Jungfrau'» nimmer betretnen Hai», Die wir zu nennen schenn, Denen wir ohne Blick vorbeiziehn, Ohne Laut, und verstummend kaum Worte stillen Gebeten leihn. Und nun, sagt man, erkühnt ein Frevler Sich daher zu kommcu: Ich spähe «ach ihm in dem ganzen Bezirk, Und vermag noch nicht Zu ersehu ihn, wo er verweile. Oedipos. Hier ist er, aus eueren Stimmen Vernehme ich euer Begehr. Chor. O Graun, o Grann! Mir graut vor dem Anblick, graut vor dem Wort! i 4 Oedipos. Nicht achtet, ich flehe, für unrein mich! Chor. Zeus helfender Gott! Wer, ach, ist der Greis ? Oedipos. — ein Großer, Geringes erbittend. Chor. Gegenstrophe I. O du, Mit des Augs blindem Stern Wurdest du, Armer, geboren, lebst ein Banges, langes Leben, vermuth' ich recht? Drum füg', ach! — folge mir — Dem Fluch nicht neuen Fluch. Du nahst schon, Du nahst: aber in diesen Lautlosen Hain, in den grünen Wald Tritt nicht, wo sich dem Wasserkrug Strömend lieblichen Honiges Süßer Erguß gesellt; Hüte dich wohl, du armer Fremdling! Flieh', entweiche von hinnen: weit Trennt von mir dich des Pfades Raum: Hörst du, jammerbeladcner Flüchtling! Von geweihter Stätte Weg hebe dich, willst du mir sagen ein Wort: Wo jeder es darf, Sprichs aus, doch enthalte zuvor dich! Oedipoö. Denn euch ja vertrauend entwandre ich. Chor. Strophe II. Auch soll dich, o Greis, aus diesem Bezirk Mit Gewalt nie Einer entführen. 5 OedipoS. Noch weiter hinauf? Eh or. Nur weiter. Oedipos. Nun? Cho r. Leit' ihn, o Mädchen, vorwärts: Du hörst und verstehst mich wohl. Antigone. Folge mir, solge mit schwachem Schritte, Wohin die Tochter dich führt. Chor. Flcnch, ein Fremdling in fremdem Land, Unglückseliger, was der Stadt Mißfällig ist, als hasscnswerth, Was sie verehrt, verehre! Oedipos. O kämpfen wir nicht mit dem Schicksal! Chor. Gegciistrophe II. Da steh', und nicht von dem Felsnmkreis Ausschreitend bewege den Fuß mehr. Oedipos. Hier meinest dn? Chor. Genug.' Oedipos. Und bleib' ich nun stehen? Chor. Kauere seitwärts Hier oben auf diesen Stein. Oedipos. Weh, unseliges Schicksal! 6 Chor. Armer, weil du mir nun gehorcht, Wer der Sterblichen bist du? Sprich! Wer, Noihbcladuer? Welches Land Nennest du dciuc Heimath? Oedipos. Heimathlos, ihr Fremdlinge: fraget nicht — Chor. Und waS, o Greis, verbeutst du mir? Oedipos. Nie, nie frage mich, wer ich sei, Suche nicht, Weiteres ausznforschen. Chor. Was ist eö? Oedipos. Ein Greuelgeschlecht! Chor. Sprich! Oedipos. Kind, o weh' mir! wie crwied'rc ich? Chor. Wer du seist, Fremdling, und wer Dich erzeugt, sage mir frei. Oedipos. Richt ja verbergen kann ich's mehr. Chor. Lang zaudert ihr: eil' und bekenne! OcdipoS. Kennt ihr des Lajos -- Chor. Weh! o Graun, o Graun! OedipoS. Vom Stamme des Labdacos. C h o r. Weh, Zeus! 7 Oedipos. Ocdipos' Jammergestalt? Chor. So bist du der? Ocdipos. Nicht schreck' euch, waö ich verkündet! Cho r. Weh! Weh! Oedipos. Ich Unglückseliger! C h o r. Weh! Oedipos. Wie wird's uns werden, o Tochter? Chor. Zieht serne hinaus, zieht serue von hier! Ocdipos. Wo bleibt nun deine Verheißung? Chor. Keinen ereilt ja der Zorn des Verhängnisses, Rächt er empfangenes Leid: ein Betrug, der Früherem Truge mit Gleichem erwiederte, Lohnet mit Leide nur, nimmer mit Freude. Darum von dem Sitz hier hebe dich wieder, und Schleunig entwandre meinem Gebiete, Daß fernere Schuld du nicht Auf meine Stadt mir ladest. Deklamation. Und seinen Fuß küßt des Kephissos Welle. Chor. Nr. II. Strophe I. Zur rosprangendcn Flur, o Freund, Kamst dn hier zu des Landes bestem Wohnsitz, 8 Zum glanzvollen Kolonos, wo Hinflatternd die Nachtigall In helltönenden Lauten klagt AuS den grünenden Schluchten, Wo weinfarbiger Ephcn rankt, Tief im heiligen Laubesdacb, Hier in dem schattigen, früchtcbeladcnen, Dem stillen, das kein Sturmwind Bewegt, wo der begeisterte Frcndengott Dionysos stets hercintritt, Im Chor göttlicher Mädchen schwärmend. Gegruftrophr I. Hier im schönen Geringel blüht Ewig unter des Himmes Thau Narkissoö, Das althcilige Kranzcölaub Jener Göttiuen, golden glänzt Krokos: nimmer versiegen hier Schlummerlose Gewässer, Die vom Strome Kephissos her Irren; ewig von Tag zu Tag Wallt er mit lauterem Regencrgusse durch Der breiten Erde Fluren, Das Land schnell zu befruchten uns, Das die Chöre der Musen nie verschmähten, Noch Kythere mit goldnen Zügeln. Strophe II- Hier mich blüht ein Gewächs, wie im Gefild Asia's keines. Nicht auf dorischer Flur, dort in dem weit Prangenden Eilande deö Pelops Erwuchs, von selbst ohne Pflege keimt es, Der Feindcsspeere Schrecken ist's, das Herrlich aufblüht in dieser Landschaft, Mein sproßnährender, blauschirmender Oelbaum, Den kein bejahrter, kein junger Heerfürst Je mit feindlicher Hand tilgend verheert; Denn mit dem ewigen wachen Blick 9 Sehn Zeus MorioS Augen ihn, Und helläugig Athene. Gegenstrophe II. Noch ein anderes Lob meiner Geburtserde, das beste, DeS großwaltenden Meergottes Geschenk, Nenn' ich, des Land's edelste Gabe — Des Meeres Herrschaft, der Roß' und Füllen. O Kronos' Sohn, du hobst cö ja Zn diesem Preis, hehrer Gott Poseidon, Der dem Rosse den wuthstillenden Zügel Umwarf am ersten auf diesen Wegen. Sieh, hineilend, mit Macht nieder znm Meer Hüpft in den Händen geschwungen das Ruder, das Nereiden rings Hundertfüßig umtanzen! Deklamation. Pallas Athene an — und Zeus den Ewigen. — Chor. Nr. III. Strophe I. Ach, wär' ich, wo bald die Schaar Der Feinde sich wenden wird, Im ehernen Kamps erglüht An Phöbos' Küsten, oder am Gestade der Fackeln, Wo fromm der Ehrwürdigen Paar mit hehren Weihn Die Menschen feiern, welchen dort Auch der Euinolpidcnpricstcr gold'neS Schloß die Zunge hemmt! Da, weckend die Kampflust, Ahn' ich, erhebt um jene zwei Jungfräulichen Schwestern Sofort Thescus hülfreich jetzt Das Schwert auf den Gefilden. Gegenstrophe I. Wenn etwa gc'u Westen nicht Zum schneeigen Felsen sie 10 Aus Oea's Gefilde flohn, Auf Rossen oder auf den schnell Hinrollenden Wagen. Man wird ihn fahn: stark ist der Landbewohner Muth, Stark auch der Theseusbürgcr Kraft. Sieh, es blitzt ein jeder Zügel lieber der Rosse geschmücktem Haupt. Schon stürmen sie vorwärts, die Athene, Der Rosse froh, und mit ihr Den Meerherrn, den Erdumfasser Rhea's Sohn, feiern, verehren. Strophe II: Begann er, oder säumt der Kampf? Mir ahnt froh das Herz: Sie kehre bald wieder, Die Schweres trug, und schweres Leid vom unverwandten Manne litt. Noch heut', noch heut' führet es Zeus aus! Guten Kampf weissagt der Geist mir. Könnt' ich, sturmwindglcich, wie schncllfttegende Tänbchen, Hoch zu des ActherS Gewölk Entfloh», mit meinem Auge Von dorther diese Kämpf' erreichen! Gegenstrophe II. Allhcrrscher du der Götter, Zeus, O AUsehendcr, Für unsre Volksfürsten Verleih' zur Siegeswonne Glück, Den ruhmgekröntcn Fang zu thun, Und Here, du, Pallas Athene! Dich, den Waidmann Phöbos ruf' ich! Dich, o Schwester, welche rasch die buntgesteckten Hirsche, die flüchtigen, jagt, O nah't mit eurem Beistand, Ich fleh' euch, dieses Landes Bürgern! Deckmiüion. Von Helios' Aufgang bis zum Niedergang! 11 Chor. Nr. IV. Strophe. Wer cin längeres Lebcnstbcil Wünscht, nicht achtend cin kürzeres Dasein, thörichten Sinn bewahrt Dieser nach meinem Ermessen wahrlieb. Denn viel herbe Bekümmerniß Führt langdanerndcs Alter dir Herbei; doch das Erfreuende Wohl gewahrest du nirgendwo, Wenn Einer längeres Leben Sich allzusehr wünscht ohne G'nügcn, Bis sich am Ziele Tod vom Hades, ohn' Hymenäen, Ohne Lauten, ohne Reigen, Allen gemeinsam, entstellt. Gegenstrophc. Nie geboren zu sein, ist der Wünsche Größter; und wenn du lebst, Ist das Andere, schnell dahin Wieder zu gehn, woher du kämest. Denn so lange die Jugend blüht, Leichten, thörichten Sinnes voll, Wer lebt ohne Bekümmerniß, Wo blieb eine Beschwerde ihm fern? Mord, Hader, Aufruhr, Kriegeskampf, Neid und Haß: am düstern Ende Naht sich, verachtet, Oede, kraftlos, aller Freude Leer, das Alter, dem sich jedes Wehe des Weh's gesellt hat: Indem ach, Armer, dich! mich nicht allein, Ueberall, wie nördlich einen Seestrand Wogenschlag und Winterorkan' erschüttern; Also stürmen auf dich auch 12 Hochher brandend in stetem Wuthgrimme die Leiden, nnd ruhen nimmer, Diese von Helios' Niedergang, Diese vom Aufgang her, Diese Vom Mittagsstrahle, Die dort von den nächtlichen Höhen. Acclamatio». Denn rnsen hört es Stimmen anö dem Hades. Chor. Nr. V. Strophe I. Anf nns bricht von dem blinden Greis Ein Unglück, ein neues, graunvoll herein, Wenn sein Loos ihn jetzt nicht ereilt. Denn nie erfolglos enden sah ich, was der Götter Schluß verhängt. Es lehrt, es lehrt dies die Zeit, welche sür den einen Tag Das Leid, morgen wieder Glück heißt erblühn. Hoch in die Lust scholl's! Hilf, Zeus! Oedipos. Zögert nicht, und sendet ihn Chor. Geyrnftrophe l. Von Zeus Händen-geworfen, horch! Erschotl's wieder, grauenhaft tosend! Hoch Sträubt der Schreck das Haar mir empor! Der Muth erbebt mir: wieder flammt aus HimmelShöhn herab der Blitz. Zu welchem Ziel wird er führen? Ich erzittre: nicht umsonst Daher fährt er, nicht von Unfällen frei. Heilige Luft! Zeus! hilf uns. Oedipos. lind bringe dieses Landes Herrn in Eile mir! 13 Chor. Strophe II. O sieh! O sieh! Wiederum erdröhnt hallend rings Ein machtvoller Schlag. Gnädig, o Gott, sei mir, gnädig, verhüllst du uuu Iu grauudüstrcr Nacht mein mütterliches Land! O wär' er fromm, der mir genaht, und, ist er gottlos, bringe doch Der Anblick des Manns mir nle schlimmen Dank! Zu dir ruf' ich, Zeus! Oedipos. Zögert nicht, und sendet ihn. Gegenstrophe II. Heran! Heran! Komm', o komm', ob sonst irgendwo, Ob in der Ebne hoch Du jetzt weilst, o Sohn, des Meers hohem Gott Mit Stleropfern sromm den Herd heiligend. Der fremde Mann will dir, der Stadt, den Freunden mit gerechtem Dank Huldigen; denn ihr habt Liebe geübt an ihm. Eile heran, König! Deklamation. Nu» gnädig werden der gerechte Gott. Nr. VI. Strophe. Ist es verstattet, dich, nächtliche Göttin, und Dich im Gebet zu feiern, König der Schattenwell, AidoncuS, Aidonens, hört uns flehn! Laß iu unselige» Jammcrtod Unsere» Gast doch nicht Zur all - enthüllende» düster» Flur 14 Der Todten entwcmdern, in Plutons Haus! Zahllose Mühn haben dich ohne deine Schuld bedrängt; So helfe jetzt ein gerechter Gott dir! Grgcnftrophk. Göttinnen drunten ihr, nimmer besiegtes Thier, Welches am wohlverwahrten Ehernen Thor, sagt man, Wach' hält dort, das allzeit murrt und heult Aus dem Geklüft, der unbändige Hüter am Schattenland! Tod, Gäa's Kind und des Tartaros, Dir fleh' ich, o heiß' ihn seitwärts gehn Den fremden Mann, der hinabsteigt ins dnnkle Todtenfeld, Dich ruf' ich an, dich, der ewig schlummert. Deklamation. Nur Kindesliebe hat ein Recht ans sie. Chor. Nr. VH. A n t i g o n e. Das Unnennbare tragend am Ende noch, Anschancnd nnd erleidend. Chor. Was ist es? A n t i g o n e. Vermuthen könnt' ihr, Freunde, das. Chor. So schied er? A n t i g o n e. I s m e n e. Ich leb' hinfort, ach, ein erstorbnes Leben! Chor. Ihr, o geliebte Kinder beide, WaS ein Gott znm Heile fügt, 15 Tragt es, den Schmerz bezwingend, Noch dürft ihr nicht verzagen! A n t i g o n e. Dir mit unserer Liebe nahe! Chor. Ihm wurde — A n t i g o n e. Ihm wurde, was er sich gewünscht. Chor. Was würd' ihm? Antigone. I s m c n e. Die er verwaist zurückließ? Chor. Theuerste, weil des Lebens Ende Sich für ihn so selig schloß, Hemmet die Klage: Wer entfloh je dem verhängten Unheil! A n t i g o n e. Isme n e. Ohne Rather, mein Jammerleben tragen? Chor. O fürchtet nicht, ihr Lieben! Antigone. Doch, wo flieh' ich hin? Chor. Vorhin entflohst ihr — Antigone. Wem? Chor. Dem Leide, das euch schwer bedroht. Antigone. Ich denke — 16 Chor. Und was denn sinnst du mehr? Antigone. Zu kommen heim in der Väter Land, weiß ich nicht. Chor. Auch suche das nicht. Antigone. Noth bedrängt unS — Chor. Auch vordem schon? Antigone. Ohne Maß, oft über's Maß auch. Chor. Ja, ein furchtbar Meer umwogt euch! Antigone. Theseus. — ------------- --------------- - — soll mich ermüden. Chor. So laßt denn ab, und der Klag' Ausruf Weckt länger nicht mehr: Dies Wort ist wahrhaft und heilig!