Original scientific paper Izvirni znanstveni članek DOI: 10.32022/PHI32.2023.126-127.5 UDC: 141.319.8 „Tendenz auf mehr Leben" Arnold Gehlen als Philosoph Cathrin Nielsen Bergische Universität Wuppertal, Lehrstuhl für Theoretische Philosophie und Phänomenologie, Gaußstraße 20, 42119 Wuppertal, Deutschland nielsen@uni-wuppertal.de "Tendency towards more life." Arnold Gehlen as a Philosopher Abstract According to Arnold Gehlen, man is defined by a unique biological helplessness and can thus be considered as a perilous being with a "constitutive chance to fail." Through the latter, the human being is forced to assume a relation to itself; however, not on the basis of a stable naturality, but as the open nature as such. Within the nonfixed Phainomena 32 | 126-127 | 2023 and hence unlikely biology of man, reaching as far as the vegetative itself, lies a specific dignity—from it, the question arises how such a monstruous, formless, and fragile being is capable of survival. Gehlen's philosophy is distinguished by the circumstance that it incorporates the physical conditionality of man and thus demonstrates the necessity for biology to emerge from a sort of positive negativity. Yet, the focus of the present contribution is not primarily the hierarchy of accomplishments, with which man seeks to turn deficiency into the positivity of a quasi-animalistic certitude, but Gehlen's philosophical insight into the self-surpassing, the surplus of life that has, in nature, developed an extensive formal richness and that has, in man, begun to relate to itself. Such insights place Gehlen into the tradition of Plato's and, above all, Nietzsche's philosophical anthropology. Keywords: Arnold Gehlen, philosophical anthropology, surplus, self-relation, Friedrich Nietzsche. »Težnja po več življenja«. Arnold Gehlen kot filozof 104 Povzetek Po Arnoldu Gehlenu človeka opredeljuje edinstvena biološka brezpomočnost, zato ga je mogoče dojeti kot tvegavo bitje s »konstitutivno možnostjo neuspeha«. Slednja človeka primora, da zavzame odnos do samega sebe, vendar ne na temelju trdne narave, temveč kot odprtost narave nasploh. Znotraj takšne neutrjene in neverjetne biologije, ki sega vse do vegetativnega, leži posebno dostojanstvo - z njo se pojavi vprašanje, kako je takšno pošastno, brezoblično in ranljivo bitje sploh sposobno preživetja. S predpostavljeno človekove fizične pogojenosti Gehlenova filozofija kaže, da biologija po nujnosti nastaja na podlagi nekakšne pozitivne negativnosti. Vendar se pričujoči prispevek ne osredotoča prvenstveno na hierarhijo dosežkov, s katerimi želi človek lastno pomanjkljivost pretvoriti v pozitivnost kvazi-živalske gotovosti, temveč na Gehlenov filozofski uvid v samo-preseganje življenja, kakršno je, znotraj narave, razgrnilo bogastvo oblik in kakršno se je, pri človeku, začelo nanašati samo nase. Tovrsten uvid Gehlena umešča v tradicijo Platonove in zlasti Nietzschejeve filozofske antropologije. Ključne besede: Arnold Gehlen, filozofska antropologija, presežek, samo-odnos, Friedrich Nietzsche. Cathrin Nielsen „Es sind Kräfte da in uns, welche stärker sind als alles, was formuliert werden kann am Menschen." (Nietzsche, KSA 11, 118.). Dieses Wort von Nietzsche könnte als Motto gelten, unter dem Arnold Gehlen seine anthropologischen Betrachtungen in der erstmals 1940 erschienenen Studie Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt versammelt. Und in der Tat scheint Nietzsche neben Schopenhauer1 und Platon der hintergründige Ahnherr dieses Anthropobiologen und Kultursoziologen zu sein, der, ursprünglich von Hegel herkommend, seine eigenen Arbeiten unter ausdrücklicher Enthaltung von der Metaphysik und einer daraus folgenden Einklammerung des Geistproblems formuliert und der dennoch so wenig einen einfachen Biologismus verfolgt, dass er schreiben kann, dass „in Wahrheit - ganz kraß ausgedrückt - der Mensch nicht vom Affen, sondern der Affe vom Menschen" (106) abstammt.2 Im Gegensatz zum Tier, dessen ganze Physis auf natürliche Weise in ein bestimmtes Milieu eingepasst ist, ist nämlich der Mensch von einer einzigartigen biologischen Mittellosigkeit und daher ein gefährdetes oder riskiertes Wesen, mit einer, wie Gehlen sagt, „konstitutionellen Chance, zu verunglücken" (30). Sie erzwingt, dass sich der Mensch wesentlich zu 105 sich selbst verhalten muss, und zwar nicht auf der Basis einer ansonsten feststehenden Natur, sondern als offene Natur schlechthin. In der so bis ins Vegetative hinein unfestgestellten und damit unwahrscheinlichen Biologie des Menschen liegt nach Gehlen seine eigentümliche ontologische Dignität, und aus ihr erwächst auch die Frage, wie ein so monströses, von sich her formloses und versehrbares Wesen überhaupt (über)lebensfähig ist. Ich möchte im Folgenden versuchen, die konstitutionelle Offenheit des Menschen, die ihn von der (nicht gänzlichen, aber doch wesentlichen) Geschlossenheit des Tieres unterscheidet und als ein „Wesen der Zucht" 1 Auf Schopenhauer, den ich hier aus Komplexitätsgründen unberücksichtigt lasse, bezieht Gehlen sich ausdrücklich in Gehlen 1938. Er hebt hier dessen Errungenschaften vor allem auf anthropologischem Gebiet hervor sowie die Tatsache, dass Schopenhauer den Leib ins Zentrum seiner Philosophie stellt. Zugleich verwirft er die Schopenhauer'sche Metaphysik des Willens, was auch mit Blick auf seine NietzscheRezeption von Bedeutung ist. Dies bedürfte jedoch einer eigenen Betrachtung. 2 Sämtliche nicht näher bezeichnete Seitenangaben im Fließtext beziehen sich auf die im Rahmen der Gesamtausgabe als Band 3.1 erschienene Ausgabe von Der Mensch (Gehlen 1940). phainomena 32 | 126-127 | 2023 (30),3 wie Gehlen sagt, der Züchtung als ein In-Form-Kommen und InForm-Bleiben bestimmt, herauszustellen. Mein Hauptaugenmerk liegt dabei weniger auf der Hierarchie von Leistungen, mit denen der Mensch seine Mängelbedingungen ins Positive einer quasi-tierischen Sicherheit wendet, als vielmehr auf Gehlens philosophischer Einsicht in den an die Grenzen der Rationalisierbarkeit führenden Selbstüberschuss an Leben,4 der sich in der Natur zu einem unglaublichen Formenreichtum ausdifferenziert, im Menschen jedoch beginnt, „zu sich selbst in ein Verhältnis zu treten" (382). Mit dieser Einsicht steht er, wie ich zuletzt zeigen möchte, in der Tradition der philosophischen Anthropologie Platons und vor allem Nietzsches. 1. Gehlen geht davon aus, dass im Menschen „ein ganz einmaliger, sonst nicht versuchter Gesamtentwurf der Natur" (9) vorliegt. Diese Einmaligkeit impliziert, dass außermenschliche, wie etwa der Dingwelt oder der Welt der Tiere entlehnte Kategorien seine Seinsweise grundsätzlich verfehlen. Sie verfehlen nicht nur eine Schicht der menschlichen Existenz, etwa eine, die durch einen dem empirischen Zugriff entzogenen Bereich der Freiheit oder des Geistes ausgezeichnet wäre, sondern sie gehen am Menschsein überhaupt vorbei. Die schlechthin „übertierische Struktur" (16 f.) nicht nur des menschlichen Geistes, sondern bereits seines Leibes, mithin seiner psychisch-physischen Gesamtverfassung, ist nämlich im Wesentlichen durch Asubstanzialität und Negativität charakterisiert, wobei auch der in diesem Zusammenhang gelegentlich fallende, auf Herder zurückgehende Begriff des „Mängelwesens" nur einen, so Gehlen, „transitorischen Wert" hat, also „keinen ,Substanzbegriff'" (16) darstellt. Die hinsichtlich irgendeiner fassbaren Substanz im Wesentlichen negative Ausgangsbasis seiner Anthropologie führt zu der paradoxalen Grundbestimmung, der Mensch sei von Natur ein Kulturwesen. Zu diesem Übergangs- oder Vollzugscharakter menschlichen Seins als Antwort auf seine prekäre Offenheit gehört auch, dass der Mensch sich überhaupt als deutungsbedürftig erfährt, so dass man zuletzt Gehlens 3 Vgl. hierzu kritisch Burghardt 2021. 4 Vgl. hierzu auch Delitz, Nungesser und Seyfert 2018. Cathrin Nielsen anthropologische Forschungen selbst aus dieser paradoxalen Spannung verstehen muss. Ähnlich wie Heidegger nach den sogenannten „Existenzialien",5 ist Gehlen dabei auf der Suche nach Strukturmomenten, die der fundamentalen, die Seele und den Leib gleichermaßen umgreifenden Verfassungslosigkeit entspringen, und selbst wiederum die besondere Leibesbeschaffenheit und komplexe Innerlichkeit des Menschen zusammensehen, also, wie Gehlen sagt, „psychophysisch neutral" (216) sind. Dabei bildet für ihn das sogenannte Prinzip der Entlastung den zentralen Schlüssel für das Strukturgesetz menschlicher Selbstorganisation. Es besagt, dass der Mensch, um seiner biologischen Ausgeliefertheit, dem Chaos der Reizüberflutung und den unendlichen Möglichkeiten ihrer Verarbeitung, eine bestimmte Lebensform abringen zu können, sich von dem unmittelbaren Eindruck des Hier und Jetzt befreien und sein Verhalten in inkorporierten und vereindeutigten Bahnen gleichsam auf Dauer stellen muss. Den größten Teil dieser vor allem über das Zusammenspiel von Wahrnehmung und Bewegung geleisteten Weltaneignung zu einem sachlich gefüllten Netz von Erfahrungen und darin 107 vorgebildeten Handlungsabläufen, vollziehen wir dabei nach Gehlen in der frühesten Kindheit. Es sind somit unsere ersten, scheinbar vorrationalen und mehr oder weniger sprachlosen Jahre, die die Basis für alles weitere, „höhere" Handeln bilden. Sie sind so etwas wie ein transzendentaler Schacht, ein in unsere Antriebe übergegangenes Apriori, aus dem wir zehren und das wir ebensowenig überwinden, wie jemals vollständig aufhellen können, und zwar deshalb, wie Gehlen sagt, „weil diese Lebensantriebe bestimmt sind, nach vorne gelebt und umgesetzt, nicht aber nach rückwärts abgefragt zu werden" (417). Die elementare Notwendigkeit der tätigen, bereits im Moment der Geburt einsetzenden Durchstrukturierung findet ihren unmittelbaren Ausdruck bereits in den spezifischen Besonderheiten der menschlichen Physis, genauer in dem, was Gehlen die „Organprimitivismen" oder die 5 Vgl. Heidegger 1927, 44: „Alle Explikate, die der Analytik des Daseins entspringen, sind gewonnen im Hinblick auf seine Existenzstruktur. Weil sie sich aus der Existenzialität bestimmen, nennen wir die Seinscharaktere des Daseins Existenzialien. Sie sind scharf zu trennen von den Seinsbestimmungen des nicht daseinsmäßigen Seienden, die wir Kategorien nennen." Zu Heidegger und Gehlen vgl. auch Nielsen 2015. phainomena 32 | 126-127 | 2023 mangelnde Spezialisiertheit des Menschen in morphologischer Hinsicht nennt. Als die unmittelbar sichtbare Außenseite der Plastizität des Menschen begreift Gehlen nämlich die Tatsache, dass, wie es in Anlehnung an Adolf Portman (vgl. 1956) heißt, das menschliche Neugeborene im Vergleich zur Ausgereiftheit des neugeborenen Tieres „eine Art ,physiologischer', d. h. normalisierter Frühgeburt" (45) darstellt. Nicht nur ist es von seinem ganzen Bewegungsapparat her in jeder Hinsicht richtungs- und orientierungslos, auch seine organische Mitgift scheint weit über die Geburt hinaus einen mehr oder weniger archaischen Habitus zu bewahren. Mit Hinweis auf die eher rudimentäre Ausdifferenziertheit der menschlichen Anatomie hält Gehlen fest, dass sich im Menschen offenbar eine Art Durchgangsstadium stabilisiert, das alle Primaten durchlaufen, das jedoch beim Tier noch während seines Heranreifens im Mutterleib durch eine je besondere, auf eine bestimmte Umwelt zugeschnittene Spezialisierung abgelöst wird, während der Mensch bei jener fötalen Grundausstattung stehenzubleiben scheint. Diese bis zu 108 seinem Tode beibehaltene indifferente Physis wirft ihn bereits im Keim aus allen natürlichen Lebensbedingungen hinaus und verlangt von Anfang an eine gegenüber dem Tierreich gänzlich anders geartete Biologie. Gehlens Ausführungen zur Morphologie des Menschen sind aus natur-und auch aus humanwissenschaftlicher Sicht angreifbar und auch angegriffen worden.6 Entscheidend für seinen philosophischen Ansatz ist jedoch, dass er die physischen Gegebenheiten des Menschen einbezieht und deutlich macht, dass die Biologie bereits hier gewissermaßen von einer positiven Negativität auszugehen hat. Die menschliche Indifferenz stellt keine privative Form einer höheren Spezialisierung dar, sondern umgekehrt: Die tierischen Ausdifferenzierungen sind gleichsam entelechiale Formen, aus denen es kein Zurück gibt, während sich allein im Menschen aufgrund seiner Unfertigkeit die Möglichkeit der Höherentwicklung bewahrt. Damit widerspricht Gehlen der geläufigen Auffassung, die menschliche Ontogenese hebe alle phylogenetischen Stadien gleichsam in sich auf, und zwar, weil sie nicht erklären könne, wie aus geschlossenen Formen so etwas wie Weltoffenheit, philosophisch gedacht: aus 6 Vgl. hierzu, u. a., Karneth 1991. Cathrin Nielsen einer energeia eine dynamis bzw. aus dem Ziel die Ziellosigkeit entspringen soll. Das Gehirn gilt Gehlen in diesem Zusammenhang nicht als ein in seiner hohen Komplexität summatives Organ; es ist vielmehr ein durch und durch „paradoxes Organ", weil es „zusammen mit den Händen alle Spezialisierungen von Organen überflüssig"7 macht. 2. Die Zeit, deren ein Kind bedarf, um die elementarsten Formen seiner Wahrnehmungs- und Handlungswelt aufzubauen, den freien Stand, die Koordination, die Zusammenarbeit von Auge, Tastsinn und Hand, also sein erstes, weitgehend vorsprachliches Lebensjahr, ist in dieser Hinsicht von fundamentaler Bedeutung. Im Kind differenzieren sich nicht (oder zumindest nicht nur) bereits angelegte Schemata aus, sondern es reift im sich vermittelnden Kontakt mit der Welt, das heißt mit dem Andrang einer den Säugling zunächst unterschiedslos überfallenden anderen Wirklichkeit. Die Offenheit der menschlichen Wahrnehmungsschemata und Bewegungsformen - man denke an den scheinbar unendlichen Grimassenreichtum des Säuglings, sein lustvolles Lautieren oder seinen Bewegungsdrang - ist also keineswegs ein einfacher Mangel, sondern auf die Auseinandersetzung mit dem gerichtet, was dem Kind begegnet, was sich in ihn einbildet und so zum Gerüst seines heranwachsenden Charakters wird. Die Wahrnehmungs- und Bewegungsformen sind deshalb bei Geburt in so hohem Grade unfertig, weil sie „von Grund auf durch selbstempfundene Bemühung verfügbar gemacht werden" (151), das heißt, sich erst in der wechselseitigen Interpolation von Welt- und Selbstempfänglichkeit ausbilden. Für eine Trennung in eine Innen- und Außenwelt gibt dieses, sich erst allmählich auf einen intentional „verfugten" Charakter hinordnende Werden keinen Anhalt. Der Mensch arbeitet sich vielmehr aktiv in die Welt hinein und bekommt zugleich sich selbst erst und nur über die Welt zu fassen. Gehlen zitiert in diesem Zusammenhang 7 Zit. nach Thies 2000, 51. Zu den über Hand, Auge und Sprache laufenden sensomotorischer Funktionen als Unterbau des Denkens und damit zu der Auffassung, wonach der Mensch nicht die Vollendung der Natur darstellt, sondern grundsätzlich aus ihr herausfällt, vgl. auch Leroi-Gourhan 1964/1965. phainomena 32 | 126-127 | 2023 Nietzsche, der schreibt: „Das Bewußtsein - ganz äußerlich beginnend, als Coordination und Bewußtwerden der ,Eindrücke' - [ist] anfänglich am weitesten entfernt vom biologischen Centrum des Individuums, aber ein Prozeß, der sich vertieft, verinnerlicht, jenem Centrum beständig annähert." (KSA 12, 294.) Der mühsame Prozess der /ndividuierung, der dem Tier durch seine „Ausschnittsbestimmtheit" vorgegeben ist, hat demnach seinen Keim in der ursprünglich dividualen Ausgesetztheit des Menschen, das heißt seiner unmittelbaren Überantwortung an die schier unendlich möglichen Eindrücke, und der hier liegenden lebensnotwendigen Aufgabe ihrer tätigen Einverleibung und Koordination. Nietzsche kann deshalb fortfahren: „Der Mensch ist als Kind vom Thier am weitesten entfernt, sein Intellekt am menschlichsten" (KSA 8, 336), nämlich „ursprünglich altruistisch" (KSA 10, 334). Auf der anderen Seite schreiben sich die Eindrücke auch nicht einfach umstandslos in die Offenheit des Menschen ein; sie können ihrerseits nur bezogen auf die Reflexivität seiner Bewegungsstruktur zur Gegebenheit kommen. Die „Intellektualität der Bewegungsstruktur" (159), also die Tatsache 110 einer konstitutionell gegebenen Bewegungsoffenheit, die sich im Zuge der Sacherfahrungen, die immer zugleich auch Selbsterfahrungen sind, richtungshaft ausdifferenziert und stabilisiert, nennt Gehlen „Handlungskreise". Gemeint ist damit die eigentätige, vor allem im unauflösbaren Ineinanderspiel von Wahrnehmung und Bewegung sich vollziehende Versammlung der Welt auf „intim gewordene Zentren" (149). Diese Intimisierung der zunächst ganz unterschiedslos andrängenden Welt in ihre sensomotorische, aber darin immer zugleich auch erkenntnismäßige Ansprechbarkeit geschieht dabei weder ausgehend von angeborenen ideellen Schemata noch von einer physiologisch gelenkten instrumentellen Bedürfnisstruktur, sondern wurzelt in einem zunächst ganz vorgegenständlichen, rein kommunikativen „Selbstgefühl der eigenen Tätigkeit" (152): „Eine Bewegung ergreift sich an ihrer empfundenen Rückwirkung: sie wird gehemmt, gestoßen; gerade darin erfährt sie sich in ihrer Eigentümlichkeit, eine Sache ist in sie eingegangen." So ist es nicht die „abstrakte Rückempfindung", die sie „weitertreibt", sondern „die Kommunikation mit einem äußeren, in sie hineingenommenen Ding" (154). Im Widerstand, der einen Bruch der potenziell unendlich über sich hinausschießenden Eigenbewegung darstellt, konturiert sich ein Stück greifbare Cathrin Nielsen Welt, das den Reiz zur Fortsetzung der Bewegung gleichsam übernimmt und nun gezielt einsetzbar macht. Die Entwicklungsfähigkeit liegt darin, dass hier Selbsttätigkeit und Empfänglichkeit, Spontaneität und Rezeptivität, unauflösbar miteinander verbunden sind. Urgestalt dieser Kreisprozesse des sinnlich bewegten Umgangs ist nach Gehlen der Rhythmus, allerdings nicht die zyklische Rhythmik der Natur, sondern die offen ausschwingende, den Widerstand in sich hineinnehmende und von hier aus weitertreibende Bewegung: „Immer wird das Lebensgefühl durch die sinnlich zurückgegebene und rhythmisch sich fortsetzende Bewegung wie in tiefen Atemzügen sich immer neu wiedergegeben - im Erlebnis entfremdeter und doch intimer Selbsttätigkeit im Umgang." (165.) Das „Lebensgefühl" als der Puls der Weltaneignung fußt demnach in dem gleichursprünglich auf die Dimensionen des Selbst wie der Welt geöffneten, zunächst ganz vorbild- und das heißt interesselosen Umgang, so dass die Frage nach dem „zuerst" des Innen oder Außen sich gar nicht stellt.8 Das Grundphänomen ist vielmehr das Sich-selbst-erleben des Innern, das sich nur dann deutlich wird, wenn es sich zugleich als gerichtete Bewegung fasst, das 111 heißt im kommunikativen (intentionalen) Umgang. Die Aufgeschlossenheit unseres Inneren als solche bleibt dabei nach Gehlen ein völliges Geheimnis. Phänomenologisch könnte man sagen: Das Außen gibt es nur in seiner inneren Vergegenwärtigung, aber auch umgekehrt: Die innere Habe verweist notwendig auf einen Außenhalt. Beide werden erst in der sensomotorischen Einholung konkret, das heißt aneinander festgestellt. Die Vokabel Gehlens für jenen lebendigen Schnittpunkt lautet „entfremdete Intimität" (192). Die Nähe des Menschen zu sich selbst, sein Beisichselbstsein, ist nur über den Umweg der Entfremdung möglich (ein Aufsatz Gehlens trägt den Titel „Die Geburt der Freiheit aus der Entfremdung"; vgl. 1952), und doch weist die Tatsache dieses Entfremdungszwanges auf eine tiefere, gleichsam „wilde" Intimität des Lebensgefühls mit sich selbst, die sich jeder Form der eindeutigen Veräußerung entzieht. Diese paradoxale Selbstbegegnung des Menschen erstreckt sich über 8 Gehlen zitiert hier aus Novalis' Romantischen Noten: „Die Vorstellung der Innen-und Außenwelt bilden sich parallel, fortschreitend - wie rechter und linker Fuß." (419.) phainomena 32 | 126-127 | 2023 seine ganze Physis; sie beginnt nicht erst mit unseren geistigen Akten, sondern bereits und maßgeblich in den vitalen Zusammenhängen unserer Leiblichkeit: „Ich denke [...], daß es beim Menschen kein bewußtloses Dasein gibt, sondern nur ein bewußtlos gewordenes." (164.) Unsere Automatismen und Gewohnheiten sind in ihrem innersten, gleichwohl zugunsten komplexerer Verhaltensweisen abgedunkelten und so (quasi-natural) auf Dauer gestellten Kern ein irreduzibler Wirbel von höchstmöglicher Aufmerksamkeit, Widerstandserfahrung und Aneignung. Die Kategorie der Entlastung birgt mithin in ihrem Zentrum eine „Situations- und Aktionsbewältigung" (270), und ist nur von hier aus angemessen zu verstehen. Besonders wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang jener von Gehlen immer wieder hervorgehobene Charakter der zunächst ganz bedürfnislosen Weltoffenheit des Kindes, sein rein kommunikativer, das heißt lebendig-schöpferischer Sachumgang. Und zwar deshalb, weil er ein Korrektiv gegen die philosophisch vielleicht doch zu einfache Variante des pragmatischen Instrumentalismus oder Konstruktivismus darstellt, die die 112 übliche erkenntnistheoretische Lesart des erstmals bei Protagoras ins Zentrum gestellten Mängelwesens Mensch darstellt. „Kommunikativ" bedeutet: „nicht der vitale Nutzen [steht im Zentrum], sondern Lebendigkeit des Umgangs [...]" (276). Die Welt begegnet dem Kind nicht primär als ein Objektfeld seiner Bedürfnisse, sondern als ein unendliches Überraschungsfeld, das es unweigerlich in eine ebenso lustvolle wie schmerzhafte Auseinandersetzung hineinzieht. Was Gehlen später in Urmensch und Spätkultur in Bezug auf den überfunktionalen und überrationalen Charakter der Institutionen sagt, dass sie nämlich keineswegs einfach Zweckgebilde darstellen, sondern als „stabilisierte Affektspannung" (Gehlen 1950, 89) verstanden werden müssen, scheint mir in gleicher Weise für die frühkindliche Weltaneignung zu gelten. Auch sie ist in ihren ersten Grundzügen eine Art „Stabilisierung der Spannung durch eine Entscheidung zu dem, was sie verursachte" (ibid., 88).9 Der philosophisch außerordentlich vieldeutige Sachverhalt einer solchen „stabilisierten Affektspannung" erfordert nicht zuletzt den Versuch einer Neufassung der schwierigen von Gehlen ins Spiel gebrachten Termini etwa des 9 Vgl. Delitz 2011, 71-91. Cathrin Nielsen „ideativen Bewußtseins" (476), des „Ritus" oder der „Nachahmung" (mimesis) als „Prototypen" der Institution. Ich denke, dass auch hier der Rückgriff auf Nietzsche einiges zu deren Ausbuchstabierung beitragen kann. Die gleichermaßen schmerz- wie lustvollen, aus einem Ineinanderspiel von Wahrnehmung und Bewegung hervorgehenden Kreisprozesse bilden für Gehlen die „vitale Basis des Phänomens Seele" (57) - wobei Seele hier nicht als die vor allem im Christentum vorbereitete Innerlichkeit der Neuzeit, sondern antik-platonisch als psyche, als auf eine innere Architektonik ausgerichtete, in sich jedoch zunächst ganz richtungslose Lebendigkeit schlechthin verstanden werden muss: „[D]ie Selbsterschließung oder Öffnung nach außen ist die Grundlage aller seelischen Regungen." Sie ist nichts anderes als „die sich selbst genießende gewissermaßen überschüssige Subjektivität, die einem Wesen eigen ist, das einen freien, nicht spezialisierten und umweltgeöffneten Antriebsüberschuß hat" (225). Auch der Sprachlaut gehört zunächst in die Klasse der „ zurückempfundenen Bewegungen" (49), und damit in den Übergang von der offenen zur kommunikativen und dann gezielt gerichteten Bewegung. Gehlen wendet sich 113 mit dieser Verankerung der Sprache in den sensomotorischen Vollzügen gegen eine Auffassung, die das Sprechen vor allem intellektuell vom Erkennen bzw. modern von der Zeichensetzung her fasst. Als die erste Wurzel der Sprache bestimmt er dabei das „rein kommunikative, noch gedankenlose offene Leben des Lautes". Das Kind äußert sich zunächst aus einem ganz ziellosen Antrieb, die Laute brechen ungebunden aus ihm heraus. Sein Lallen, Brabbeln und Juchzen sind immer mit einem Aufruhr des ganzen Körpers verbunden. Als verlauteter, hörbarer wandelt sich jeder Ausdruck zugleich zu einem zurückempfundenen Eindruck, die Bewegung wird also sinnlich zurückgegeben, sie erfährt, wie Gehlen mit Rekurs auf Wilhelm von Humboldt sagt, einen „Anklang", dessen das Kind inne wird und das Gehörte unmittelbar wiedererzeugen lässt. In jedem ausgestoßenen Laut sammelt sich somit eine Art Vorgriff auf Erfüllung durch antwortende, aber durch die wiederholte Selbsttätigkeit bereits „in das Bewußtsein intimer eigener Verfügung gezogen[e]" (162) Laute; er bekommt einen in sich, wenn auch zunächst nur im weitesten Sinne „gerichteten" Charakter. Der erwartungsvollen Richtungshaftigkeit, die sich im Spiel von Laut und Rücklaut zu erkennen gibt, tritt als eine zweite Sprachwurzel der stets phainomena 32 | 126-127 | 2023 vom Staunen über das Unvorhergesehene begleitete optische Eindruck zur Seite. Das über das Auge Andringende evoziert nämlich seinerseits den Drang, sich zu verlauten, das Interesse am Gesehenen hervorbrechen zu lassen - ein lustvolles und durch ein Feuerwerk explosiver Laute begleitetes „Anplappern", das nach Gehlen nichts weniger als den „Urlaut" und „Keimpunkt aller Sprachen" (225) darstellt. Er gründet im unmittelbaren Zusammenstoß von Mensch und Welt; wo den Dingen keine Zeichen angeheftet, sondern sie „in unseren Umgang verwickelt, intim und zu Teilnehmern unseres Lebens werden" (162). Auch hier erlebt sich das Kind (wie bei den oben besprochenen sensomotorischen Handlungen) in „entäußerter Lebendigkeit", ohne jedoch „der Subjektivität entzogen zu werden" (279). Dem Chaos der Reizüberflutung entspricht somit auf der Innenseite des Menschen ein konstitutioneller Überschuss an lebendiger Antriebsenergie. In allem, was er tut, schöpft der Mensch aus einer fast grenzenlos über sich hinausdrängenden Kraft. Sie ist ein menschliches „,apriori'" (62), das den Menschen bis zum Ende seines Lebens bis in seine Bedürfnisstruktur hinein antreibt, wie es 114 ihn zugleich einem unablässigen Formierungszwang unterwirft: „Die Orientierung des Begehrungslebens ist eine allein menschliche Aufgabe, die aus dem Fehlen ,auf Schienen gelegter' Instinkte folgt. [...] D. h. der Antriebsüberschuß des Menschen muß in Richtungen, Gliederungen, Unterordnungen und Ausschließungen organisiert werden", und zwar nicht von außen, sondern an der selbsttätigen „Erfahrung und Deutung von Erlebnissituationen", in denen „sich unsere Antriebe erinnern und faßlich werden können" (246). Diesseits dieser Organisation, der aktiven Aneignung, Durchgliederung und „,Auskrystallisierung' des gestaltlosen Antriebsdrucks" bliebe das Leben als ein „ungedeutetes und unerlöstes blindes Ganzes" (406) bei sich stehen. 3. Mit dieser Einsicht in einen alle Vernunftleistungen überragenden, ja ihnen selbst dunkel zugrundeliegenden chaotischen Lebensgrund des Menschen, der nicht von außen (meta-physisch), sondern in sich selbst die Notwendigkeit zur Form birgt, um sich selbst bewusst zu werden, steht Gehlen in einer Tradition philosophischer Anthropologie, die vor allem durch die Cathrin Nielsen Namen Platon und Nietzsche gekennzeichnet ist. Ich möchte das an wenigen Hinweisen deutlich machen. Der späte Platon geht bekanntlich von einem dichotomen Seelenmodell aus: die Seele gilt als grundsätzlich zerrissen in einen vernünftig-begrenzenden, Gehlen würde sagen: orientierten, und einen orientierungslosen, „wie ein wildes Tier" (Platon, Legg. VII, 791d f.) hin und her rasenden irrationalen Seelenteil. Platon vergleicht diesen, den vernünftigen quantitativ weit übertreffenden irrationalen Seelenteil mit dem ewig nachwachsenden Schlangenhaupt der Meduse, bei deren monströsem Anblick man erstarrt. Denn der hier hervorbrechenden, eigenartig indifferenten und wuchernden, dabei immer auf sich selbst zurückweisenden Energie ist ein Grundzug zu eigen, den Platon pleonexia nennt, das pure „Immer-mehr" (pleonazo bedeutet so viel wie „überquellen"), das von sich her ohne jede Grenze ist und damit alle Individualität (als gewachsene, über den Moment gehobene, charakteristische Form) unterläuft und niederreißt. Erst die diesem blinden Immer-mehr entgegentretende Vernunft begrenzt und konkretisiert das Begehren,10 indem sie es durch ein übergeordnetes Interesse hemmt und damit aus der Jetztbewältigung herauszwingt und über den Moment hinaus 115 ausrichtet. Im Timaios spricht Platon von der „Überredung" (peitho), die der vernunftbegabte Teil der Seele gegenüber dem blinden Strudel der Kräfte auf sich nimmt, um sie für sich dienstbar zu machen und auf langfristige, das Ganze eines Lebens einbeziehende Ziele zu lenken. Um diese Überredungsleistung zu vollbringen, muss sich die Vernunft jedoch auf diese überschüssigen Kräfte einlassen und sie in einer beschränkten Form in sich aufnehmen. Es ist dieses, aus Antriebsüberschuss und vernünftiger Orientierung errichtete, nie endgültig „festgestellte" Interessengefüge innerhalb der Seele selbst, das ihre Individualität bzw. ihren Charakter ausmacht. Jede Harmonie im Zusammenhang des Menschen birgt daher notwendig ein Moment der Gewalt in sich, das seine Individualität auf höherer Ebene herstellt, aber nur um den Preis einer gewaltsamen Ausrichtung seiner eigentlich überbordenden, sich vergessenden und alle Schranken niederreißenden Subjektivität. Auch Nietzsche geht bekanntlich vom Leben als einer solchen „dunklen, treibenden, unersättlich sich selbst begehrenden Macht" (KSA 1, 269) aus: 10 Vgl. Resp. IV, 439d. phainomena 32 | 126-127 | 2023 „Denkt euch ein Wesen, wie es die Natur ist, verschwenderisch ohne Maass, gleichgültig ohne Maass, ohne Absichten und Rücksichten, [...] denkt euch die Indifferenz selbst als Macht - wir könntet ihr gemäss dieser Indifferenz leben?" (KSA 5, 21 f.) Erst die Moral als ein der Natur implizites „Stück Tyrannei gegen die ,Natur'" verhilft dem maßlosen Strom des Lebens zu einer differenzierteren Vergegenwärtigung seiner selbst: Man mag jede Moral darauf hin ansehn: die „Natur" in ihr ist es, welche [.] das Bedürfnis nach beschränkten Horizonten, nach nächsten Aufgaben pflanzt, - welche die Verengung der Perspektive, und also in gewissem Sinne die Dummheit, als eine Lebens- und WachsthumsBedingung lehrt. „Du sollst gehorchen, irgend wem, und auf lange: sonst gehst du zu Grunde [...]" - dies scheint mir der moralische Imperativ der Natur zu sein, welcher [sich] an Völker, Rassen, Zeitalter, Stände, vor Allem aber an das ganze Thier „Mensch", an den Menschen [richtet]. (KSA 5, 108.) In der berühmten zweiten der Unzeitgemäßen Betrachtungen bezeichnet Nietzsche dieses in sich bedürftige Ineinander von unersättlicher Gier des Lebens nach sich selbst und seiner Begrenzung in einen Horizont mit dem Terminus der „plastischen Kraft": einer Kraft nämlich, „aus sich heraus eigenartig zu wachsen" (KSA 1, 251), und zwar nicht im Sinne des expansiven, sondern des sich selbsttätig ausrichtenden und darin in ein lebendiges Gefüge schließenden Wachstums. Der auch von Gehlen an zentraler Stelle verwendete Begriff der Plastizität geht zurück auf das griechische Adjektiv plastikos, „zur Formung geeignet". Für Gehlen bedeutet dynamische, auf Formung geöffnete Plastizität eben „diesen Zusammenhang von selbstvermittelter Auswahl, Architektonik [. ] und Anpaßbarkeit [...], im Gegensatz zu schon montierter Angepaßtheit" (190; Hervorhebung C. N.). Es geht also gerade nicht darum, die offene Antriebsenergie einfach einem konservativen Korsett zu unterwerfen, die dynamis einer ihr fremden energeia, sondern darum, zu erkennen, wie diese beiden „gegenläufigen Richtungen" (400) des Antriebslebens, seine chaotische Offenheit und seine Hemmungsfähigkeit, zusammenspielen, und zwar so, dass Cathrin Nielsen dabei ein die Anforderungen des Jetzt überdauernder Charakter herauskommt. Denn der „Charakter", so Nietzsche, ist nichts als eine „über das Triebleben ausgegossene Vorstellung", unter der „alle Äußerungen des Trieblebens ans Licht treten" (KSA 7, 313) können. Wie für Nietzsche ist auch für Gehlen das Moment der Bändigung und Ausrichtung im Antriebsüberschuss selbst angelegt: „[...] das Bedürfnis des Antriebslebens nach höherer Formierung ist selbst organisch oder ,getrieben, und auch dies eine Teleologie des Überschusses der Antriebe" (414). Er wendet sich damit sowohl gegen die Annahme, die Formierung sei gewissermaßen naturwidrig wie andererseits gegen die, es gebe im Menschen angeborene, inhaltlich fixierte und explizierbare Grundtriebe wie den Geschlechtstrieb, den nach Macht oder nach Nahrung, die den Menschen zuletzt doch bestimmten Schemata unterwerfen. Nach Gehlen ist vielmehr selbst die Bestimmtheit unserer Bedürfnisse bis in ihren innersten Nerv eine über die Außenwelt tätig vermittelte; sie treten für uns als inhaltlich konturierte und damit aus dem chronischen Drang erlöste erst über die Handlungen, denen sie nachwachsen, ans Licht. Der von einem unruhigen Drängen überwältigte 117 Säugling ruft im Schreien nicht nach Nahrung; wird er gestillt, wird ihm ein ihm selbst noch nicht fassliches Bedürfnis erfüllt, ein Zusammenhang, der sich erst nach und nach in das Antriebsleben des Kindes einbildet und von hier in ein differenziertes Zielbewusstsein übergeht. Wir kennen am Menschen demnach nur ein „gezüchtetes Antriebsleben" (415), dessen Zuchtmeister kein von außen kommender Demiurg ist, sondern der mit unseren ersten Lebensstunden beginnende osmotische Austausch mit der Welt, ihrer „,Einverseelung'" (404) und Intimisierung mittels einer „vitalen Idealität" (383), an deren aktiv erfahrenen Situationen unsere Bedürfnisse aufbrechen, unsere Antriebe besetzt werden, sich gegenseitig hemmen, mit einander in Konkurrenz treten, einander beweglich machen und höher treiben, und so zuletzt jenes in sich bewegliche Herrschaftsgefüge aus gezielten Bedürfnissen, Gewohnheiten, Rhythmen und Kraftzentren hervortreten zu lassen, welches man „Seele" nennt. Wie Gehlen hervorhebt, hat so die Seele „eigentlich gar nicht den Charakter der ,Subjektivität' [...], des Ich-haften, sondern den welthaften Wert möglicher Situationen, in denen ,es drängt', sich zu verhalten" (403). Diese eigentümliche Versammlung des Menschen in seinen Handlungen bzw. phainomena 32 | 126-127 | 2023 seinem Verhalten ist dabei dennoch insofern nur bedingt pragmatistisch, als ihr offener Boden nicht der instrumentelle Vorgriff, sondern jene uns in Fleisch und Blut übergegangene, aus unzähligen, nicht mehr einzeln hervorrufbaren Erlebnissen gewachsene „historische Reaktionsbasis" darstellt, deren dunkle Gewissheiten somit „weitgehend Reflexe unserer Triebschicksale" sind, eine „irrationale Konstante" (362), gegen die alle Argumente und logischen Aktionen machtlos sind. Der Antriebsüberschuss bleibt dabei auch in seinen vielfältigen Hemmungen und Besetztheiten bestehen als das, was uns immer wieder hinaustreibt in die vage Richtung eines, wie Gehlen vorsichtig sagt, „mehr an Leben" (382). Dass es ihm also gegen den ersten Anschein mit dem Prinzip der Entlastung bzw. der Selbstfeststellung des Menschen in quasi-instinktiven Gewohnheiten nicht um so etwas wie Selbsterhaltung geht, sondern um das biologisch zutiefst paradoxe Verhalten, gerade von sich loszulassen und über sich hinauszugehen, zeigen zuletzt seine Überlegungen zur sogenannten „Urphantasie" als der „vielleicht tiefste[n] Schicht" überhaupt im Gesamtaufbau des menschlichen Charakters. 118 Die hier vorgelegten, stark von Nietzsche beeinflussten Überlegungen Gehlens sind sehr rätselhaft und stehen, wie er selbst betont, „an der Grenze der Denkbarkeit" (378). Dennoch scheint mir, dass sie als das verborgene Zentrum der Gehlen'schen Anthropologie begriffen werden müssen. 4. Den Ausgangspunkt nimmt Gehlen wiederum im Rückgriff auf die These von der in der menschlichen Physis bewahrten, im Gegensatz zur geschlossenen Lebendigkeit des Tieres disharmonischen Indifferenz, deren positive Seite eine Entwicklungspotenz, ja ein chronischer Entwicklungsdruck darstellt. Die Natur hat diese in einer ursprünglich offenen, unaufhaltsam über sich hinausdrängenden Chaotik wurzelnde Kraft über Hunderttausende von Jahren in Richtung einer Spezialisierung und Entfaltung „nach aufwärts" getrieben und so gleichsam in einer Vielfalt von Formen stillgelegt, während sich die gestaltlose „Potenz des Lebens zu ,mehr Leben'" (379) in der Tiefe der menschlichen Antriebsschicht ungebrochen erhält. Sie tritt hier in ein Verhältnis zu sich selbst, genauer: Sie tritt, gerade weil sie sich nicht in Cathrin Nielsen Richtung der Instinkte zur Gestalt bringen kann, im Menschen „den Bereich seines Selbstvollzuges" (380). Entscheidend ist nun die Tatsache, dass wir den Selbstvollzug des Daseins, sein „Wie", nicht objektivieren, das heißt, der bewussten Erkenntnis zugänglich machen können, und zwar ganz einfach deshalb, weil wir dieser Selbstvollzug sind.11 Darauf weist auch Nietzsche, wenn er fragt, „ob nicht alles bewußte Wollen, alle bewußten Zwecke, alle Werthschätzungen vielleicht nur Mittel sind, mit denen etwas wesentlich Verschiedenes erreicht werden soll, als innerhalb des Bewußtseins es scheint". All dies könnten „nur Mittel sein, vermöge deren wir etwas zu leisten hätten, was außerhalb unseres Bewußtseins liegt - - -" (KSA 10, 654). Diese untergründige, nicht ins empirische Bewusstsein zu hebende Tendenz führt, so Gehlen, zu der Vorstellung einer .„unbestimmten Verpflichtung'", die in einem notwendigen Bezug zu der Auffassung des Menschen als eines „nicht festgestellten Tiers" steht. Nietzsche fasse diese „unbestimmte Verpflichtung" in den für sich genommen dunklen Worten vom „Willen zur Macht" oder vom „Übermenschen", also letztlich in Symbolen, die sich darauf beziehen, dass „im ,bloßen Existieren' [...] eine Leistung vollzogen 119 werden" muss, auf die es „unendlich ankommt", und deren Gebot deswegen „wesentlich unerkennbar" bleibe, „weil wir dieses Gebot sind" (78).12 In allem, was der Mensch ist und tut, macht sich diese eigentümliche „Gesetzlichkeit in der Richtung auf ,mehr Leben'" geltend. Weil der Mensch jedoch mit seinem Bewusstsein im Wesentlichen nach außen gewendet ist - wie angedeutet tritt er bereits in seinen ersten Lebensstunden in einen osmotischen Austausch mit der Welt und veräußert sich damit in einem Maße, 11 Gehlen befasst sich mit dem unsere „kybernetische" Gegenwart auszeichnenden Versuch, diesen Vollzug selbst zu versachlichen, kritisch in Die Seele im technischen Zeitalter (Gehlen 1957/1972) sowie in Gehlen 1956: „[...] man bemüht sich erfolgreich um eine technische Kopie der abstrakten Gehirnarbeit als solcher, gleichgültig welchen Inhalts" (Gehlen 1956, 287). Vgl. hierzu Nielsen 2015. 12 Zur Abgrenzung von einer Willensphilosophie im engeren Sinne, die ihm - wie die Lebensphilosophie überhaupt - stets suspekt blieb, verweist Gehlen hier auf eine Formulierung des „Problems des Lebendigen" durch Theodor Ballauff: „Nicht das Sein als ,Wille' wird hier sichtbar, sondern das Sein kommt in seiner Urstruktur in die eigene Sicht, nämlich die einer relativen Indeterminativität, die prinzipiell an ihm besteht und spezifisch am Rande der Natur hervortritt, und die gerade deshalb zum Vollzug ihrer selbst als Wille zwingt." (Zit. nach: Gehlen 1940, 78.) Phainomena 32 | 126-127 | 2023 das ihm jeden Rückgang zu den Quellen verschließt -, bleibt ihm eine bewusste Vorstellung dieser Gesetzlichkeit auf immer entzogen; sie macht sich allein als, wie auch Gehlen sagt, „,Ahnung' einer unbestimmt tiefer Verwicklung" in das bemerkbar, „worauf es im Lebensprozeß ankommt" (381). Um diese „tiefere", in unseren normalen, nämlich gerichteten Lebensvollzügen undurchschaut bleibende „Verwicklung" zu verstehen, greifen wir noch einmal auf eine Bemerkung aus dem späten Nachlass Nietzsches zurück. Es heißt dort: [M]an kann die unterste und ursprünglichste Thätigkeit im Protoplasma nicht aus einem Willen zur Selbsterhaltung ableiten: denn es nimmt auf eine unsinnige Art mehr in sich hinein, als die Erhaltung bedingen würde: und vor allem, es „erhält sich" damit nicht, sondern zerfällt ... Der Trieb, der hier waltet, hat gerade dieses Sich-nicht-erhalten-wollen zu erklären: „Hunger" ist schon eine Ausdeutung, nach ungleich complicirteren Organismen (- Hunger ist eine spezialisirte 120 und spätere Form des Triebes, ein Ausdruck der Arbeitstheilung, im Dienst eines darüber waltenden höheren Triebes). (KSA 13, 57 f.) Inwiefern trägt diese Notiz Nietzsches zu der bei Gehlen als die vielleicht tiefste Schicht des menschlichen Daseins bezeichneten Potenz-zu-„mehr-Leben" bei? Zunächst hält auch Nietzsche die radikale, auch die „späteren" Triebe Hunger und Fortpflanzung unterlaufende, „unsinnige" Kraft jenes „untersten" und „ursprünglichsten" Triebes fest. Im Gegensatz zu der seit Darwin favorisierten Biologie der Nützlichkeit scheint jene „Unersättlichkeit" vielmehr auf ihren eigenen Untergang zuzustreben; anstelle eines Willens zur Selbst-Erhaltung erkennen wir einen unheimlichen „Willen zum [bloßen] Vorwärts, zum Mehr" (KSA 11, 247). Nach Gehlen hat Nietzsche mit dem dunklen Begriff des „Willens zur Macht" eben „dieses X, das hinter der bewußten Zweckmäßigkeit [.] vollzogen wird", zu nennen gesucht und es „rein formal als Steigerung, Ausbreitung der Macht", als „abstraktes biologisches Mehr bezeichnet" (382), ohne dieser Richtung irgendeinen inhaltlichen Sinn und Zweck zuzusprechen. Wie gezeigt, bricht dieses „biologische Mehr" als die wilde, überschüssige, sich grenzenlos aussetzende Intimität des Lebensgefühls Cathrin Nielsen mit sich selbst an den originär produktiven Momenten des menschlichen Daseins auf, wird jedoch bereits im Zuge der frühkindlichen Weltaneignung durch gerichtete und in ein hierarchisches Verhältnis zueinander tretende Triebe aufgefangen und in bestimmte Richtungen stillgelegt. Es bleibt nur eine rational schlechthin nicht einlösbare, weil in die verschlossene Apriorität unserer Anfänge zurückreichende „Ahnung". An dieser Stelle führt Gehlen den Begriff der „Urphantasie" ein. Er deutet auf jene an den Bruchlinien unserer erwachsenen Welt aufbrechende, alles zweckgerichtete Tun dunkel unterlaufende Verpflichtung gegen diesen Selbstüberschuss des Lebens. Hier - „im Geschiebe des Traumes oder den Zeiten verdichteten vegetativen Lebens - in der Kindheit oder im Kontakt der Geschlechter, gerade da, wo die Kräfte werdenden Lebens sich anzeigen" und wo das Leben „in sich die Tendenz zu einem Mehr an Formhöhe, an ,Stromstärke' spürt" (383) - hier bezieht sich das Leben nicht auf seine organische Geschlossenheit, sondern greift über seine Wirklichkeit hinaus in sein offenes Möglichsein. In dieser allein ihrer dynamis, ihrem Selbstgenuss verpflichteten Subjektivität erkennt Gehlen auch eine der maßgeblichen 121 Quellen von Kunst und Religion, denen die Kategorien des Nutzens oder der Erhaltung der Art seit je her fremd waren, und in dieser „Zwecklosigkeit" liegt auch der Nerv einer jeden lebendigen Kultur. Zugleich sollte klar sein, dass diese in der menschlichen Biologie sich eigentümlich selbst begegnende Tendenz, sich gerade nicht erhalten zu wollen, sondern sich in seinen innigsten Momenten gleichsam nach „vorne" hin aufzugeben, sich, wie Nietzsche sagt, auf eine „unsinnige" Art selbst zu überrollen, die konstitutionelle Gefahr und damit potenzielle „Unwahrscheinlichkeit" des Menschen bedeutet. Ihr entspricht der manchmal fast übertrieben scheinende Nachdruck, mit dem Gehlen auf der mühsam errichteten Hierarchie und Zweckmäßigkeit menschlicher Leistungen und der Notwendigkeit ihrer Stabilisierung durch Außenhalte beharrt - und jene seinem ätzenden Spott aussetzt, die den dem Menschen auferlegten Zwang zur conservatio, zur Bewahrung in irgendeiner Form nicht als den tiefsten, aber ebenbürtigsten Gegenspieler seiner offenen Natur - oder Freiheit - zu begreifen vermögen. phainomena 32 | 126-127 | 2023 Bibliography | Bibliografija Burghardt, Daniel. 2020. „Von Mangel, Zucht und Führung. 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Eugen Fink Annäherungen | Approaches | Rapprochements Cathrin Nielsen | Hans Rainer Sepp | Alexander Schnell | Giovanni Jan Giubilato | Lutz Niemann | Karel Novotny | Artur R. Boelderl | Jakub Capek | Marcia Sa Cavalcante Schuback | Dominique F. Epple | Anna Luiza Coli | Annika Schlitte | Istvan Fazakas Phainomena | 31 | 120-121 | June 2022 Andrzej Wiercinski & Andrej Božič (Eds.) Hermeneutics and Literature Andrzej Wiercinski | John T. Hamilton | Holger Zaborowski | Alfred Denker | Jafe Arnold | Mateja Kurir Borovčic | Kanchana Mahadevan | Alenka Koželj | William Franke | Monika Brzostowicz-Klajn | Julio Jensen | Malgorzata Holda | Ramsey Eric Ramsey | Beata Przymuszala | Michele Olzi | Simeon Theojaya | Sazan Kryeziu | Nysret Krasniqi | Patryk Szaj | Monika Jaworska-Witkowska | Constantinos V. Proimos | Kamila Drapalo | Andrej Božič | Aleš Košar | Babette Babich INSTITUTE NOVA REVIJA FOR THE HUMANITIES INR 0 phainomena PHENOMENOLOGICAL SOCIE1Y OF LJUBLJANA 977131833620412627