f ii r Vaterlands Kunst > Wissenschaft und geselliges Leben. Ii5 OO« M««8t«s Hon 17. ^«s««t KKH^. Die fchöne Wirthin. "l«s dcn Erinnerungen eincs Ncchtsgclchrtcn. <^3or fünfzig und einigen Jahre!, stand vor dem Weils-druffer Thore zu D"'^, da, wo jetzt das neue PostHaus steht — eii, für die damalige Zeit höchst ansehnliches Wirths-und Einkehrhaus, das aber trotz der treffliche,, Einrichtung, der guten Speisen und Geiräilke, der prompten und billigen Bedienung, von Fremden nur wenig besuchl, von den Dresdenern selbst aber, fi'ir so arge Kneipe,sitzer i,»d Kannengie-ßer sie schon damals galten, geradezu gemieden wurde. Der Grund war sehr einfach: es sollce in d>>!n Hause spuken, arger noch, als in dem nahen, so verrufenen Trom-veterschlösichen, und obgleich der Wirth und seine Hausleuce hoch und theuer versicherten, daß an dem Gerede kein wah» los Wort sey — eS half ihnen nichts, dem, es war zu Vielen bekamu geworden, daß man die verstorbene Frau des Wirthes, welche so unvermuthet schnell gestoiben, in ihrem Zimmer erhängt gesunden, und daß der Wirih von dem Leichenbeschauer und der Leichenwäscherin mit einer sehr gro-sien Summe Schweigen erkauft habe, damit nur der Todten — (die seil dem Tage ihrer Verheirachung immer traurig und schweigsam umhergegangen) — ein ehrliches Be-gräbniß zu Theil geworden. Leichendeschauer und Leichenwäscherin hatten dem, auch um ihrer selbst willen geschwiegen, uicht so aber eine Magd, die das Gespräch belauscht hatte. Zwar wurde sie sofort von ihrem Herrn deßhalb ihres Dien-steS entlassen und mußce joqar ihre Schwatzhaftigkeit mir einigen Tagen Gefängniß büßen, allein geplaudert war nun einmal und Herr Glob ig Mei sel, so hieß der Wirth, halte den Schaden daran; sein sonst von Gästen überfüllles Haus ward immer leerer und er allen Anstrengungen, aller Sparsamkeit zum Trotz nahe d^ran, sein durch so viele Jahre mit Vortheil betriebenes Geschäft aufgeben zu müssen. Auf elnmal aber stellte sich zu Herrn Meiseis eige.-ner höchster Verwunderung wieder Besuch ein! Besuch von Einheimischen! und endlich ward dieser Besuch zahlreicher, denn je vorher. Ach! und was diese Gaste aushielten, — von Morgens früh bis zur sinkenden Sonne saßen sie da und tranken das sauergewordenc Stadtbier und den gräulichsten Dreiniännerwein, ohne eine Miene zu verziehen und schau- ten zum Fenster hinaus, dem einzigen, wodurch das Gastzimmer erleuchtet wurde, und durch das man auf ei» altes, baufälliges Häuschen, harc neben dem nun auch verschwundenen Klosterihore, sah. Unter den jünger,, Gästen dieses Hauses befand sich auch der Schreiber dieser Zeilen, damals ein angehende!', junger Advocat, und der Grund, weßhalb er und die andern Gäste das verrufene Wirthshaus Tag für Tag besuchen und so aufmerksam das kleine, verfallene Häuschen obserm'rten, war nichts mehr, aber auch nichts Geringeres, c>!5: das; in dem Hause seit Kurzem ein alter, armer Buchhatter eingezogen; an dem alten Buchhalter war nun freilich so absonderlich Anziehendes mit dein besten Willen nicht zu eindecken, aber dieser alte, arme Buchhalter besaß eiiN'N kostbaren Schaß, sein Ißjährig.s Töchterchen Susanne, das nach dein frür> erfolgten Tode ihrer Mutter bis vor Kurzem in einen, Klo-ster erzogen woiden, jetzt zu ihrem Alten zurückgekehrt war-und ihm die Wirthschaft führte. Dabei gab es inin eben nicht pi.'l zu thun, und da der Alte den ganzen T.'g auf dem Comptoir eines reichen Kaufmannes sas; und die schöne, eingeschlossene Susanne mir ihrer Zeit nichts Bessere) anzufangen wußte, so setzce sie sich mit ihrem Spinnrade oder ihrer Klövoelarbeic an's Fenster, spann oder klöpvelce u»d schaute dabei arglos hinaus auf die Straße und hinüber nach' dem Gaslhofe, nicht ahnend, daß sie der Magnet sey, der seit Kurzem ein? Menge junger und alter Stammgäste da^ hin zog. Herr G I o bi g M e i se l, ein schlauer Mann, merkte es aber um so früher und desto besser, und sprach bli sich: »Das ist wohl gur, daß das schöne Mädchen da drüben wohnt und-meinen Gästen die albeine Gejpensterfurcht vor meiner Seligen vertrieben hat, aber wie nun, wenn der Alce wo an-ders hinzöge, oder wem, gar ein Freier sich fände für das schöne Kind? —Hm! hm! — ei sie!)! ich meine, dcr dürfte sich schon gefunden haben." Uno richcig! am nächsten Sonntage nach dcr Predigt ging Herr Globig Meisei selber hinüber zu dem alten Buchhalter, Herrn Bergmann, stellte sich ihm geziemlich als seinen Nachbar, den reichen Wirth »zur silbernen Fahne" vor und warb nach einigem Hin - und Herreden ehrbar um die Hand der Jungfer Susanne. 262 Bergmann betrachtete sich den reichen Wüth, der, so ziemlich mit ihm in gleichem Alter, durchaus nicht hübsch und allem Anscheine nach stark mit der Schwindsucht behaftet war. Allein er war reich , und da er ohne weilers bei sei» „er Werbung erklärt harte, daß für den Fall seines Todes sein ganzer Nachlas; auf seine junge Witwe vererben sollte, so sagte Bergmann nach kurzer Bedenkzeit zu, ohne seiner Tochter Meinung zuvor erforscht zu haben, was ihm ganz mniöchig erschien, da ja Susanne ein >unges unerfahrenes Mädchen war, das keinen eigenen Willen hatte und er, als Vater, allein am besten wußte, was ihr für die Zukunft am meisten frommte. Freilich weinte die gute Susanne an ibrem Hochzeitstage l'ichc wenig, freilich ging sie nach der Hochzeit still und traurig in ihrem neuen, schönen Hause einher, und freilich lies; der Herr Schwiegersohn dem Herrn Schwiegervater bald merken, daß ihm derselbe durchaus kein angenehmer und gerngejehener Gast sey — aber da war es zu spar, um noch Etwas in der Sache zu ändern, und hatte Herr Bergmann auch keine Zeit mehr dazu, denn schon 6 Wochen nach der Hochzeit starb er plötzlich am Achlagflusse. — Herr Globig hatte seine junge Frau, wie das bei seiner jammervollen, körperlichen Verfallenheic auch gar nichr anders denkbar war, aus reiner Speculau'on geheirachet; allein je weniger es ihm selber möglich war, sich seines jungen, blühenden Weibes zu erfreuen, um so eifersüchtiger hütete er es, daß kein Glücklicherer die süße Fruchr genießen möge. Nur bei Tische dürfte sie den Tag über erscheinen, wo sie den Gästen vorlegen mußte und ihr Eheherr sie selber mit Argusaugen bewachte. Abends saß sie mir ihrer Handarbeit, bewacht von einer alten Muhme Globig's, am Schenktische mit niedergeschlagenen Augen da und gab erröihend klirze Antworten, wenn einmal ein Gast, was aber selten genug vorkam, sie anzureden für gut fand. (Schluß folgt.) Das Unglück bringende Haar. Aus ?cm »Wander^uche eines verabschiedeten Lanzknechtes." Als ich noch bei den Uhlanen in'^^ stand, führte mich mein Nachmittags-Spazierritt oft bei einer stattlichen Mühle vorüber, welche auf einige Büchsenschüsse von dem Stadt-chen entfernt lag. > Da ich einst wieder vorbeiritt, hörte ich laut schluchzen und weinen. Ich hielr mein Pferd an, blickte zum Fenster hinein und sah in der Hinterkammer ein armes Weib liegen, während ihr Mann sie an den Haaren festhielt und mißhandelte. Schnell saß ich ab, band mein Pferd an das Fenster. Hitler und trat in das Zimmer. „Pfui, Meister!" sagte ich, »schämt Euch, Euer armes Weib so zu mißhandeln, das thut kein Ehrenmann!" «Ich bin Herr in meinem Hause!" brüllte er. Ich bezwang mich und meinte ganz ruhig, er würde mir doch liicht die Thüre weisen und wenigstens in meiner Gegenwart sich solcher Gewaltthätigkeit enthalten, widrigen- falls er bedenken möge, daß die gütige Natur mir ebenfalls einige physische Kräfte bescherr habe, die mir dazu dienen würden, den Hausfrieden herzustellen. «Die Vettel hat nichts zu thun, als ihr Haar zu siechten und zu bürsten, statt in der Küche zu arbeiten!" brummte er, sich mürrisch entfernend. Das arme Weib setzte sich vor die Thür, die zerrauften Haare wieder ordnend. »Ach," sagte sie, «kann ich denn et« was dafür, daß er jede Gelegenheit absieht, mich zu schlagen, auch wird er wohl recht balo seinen Zweck erreiche ha^ ben und mich nicht mehr sehen und dann zufrieden seyn; denn lange dauert es ohnehin nicht mir mir; der Doctor selbst sagr. ich habe die Schwindsucht, und mein Mann hat ihm aus Freude darüber gleich zwei Säcke feines Weizenmehl in das Haus geschickt; ach, aber an all' dem ist mein unglückliches Haar Schuld!" Auf mein Befragen erzählte sie: »Schon zu Hause war es mein Unglück! von fünf Kindern bin ich die einzige mic schwarzem Haar, mein Vater haßte mich deßwegen; meine Mutter, die erwas eigenes Vermögen hatte, hinterließ es mir, und deßwegen begehrte mich mein jetziger Mann, trotz seiner Abneigung gegen das schwarze Haar, denn er liebt nur die Hochblonden! Von meinem Varer und meinen Geschwistern fast zum Haus hinausgestoßen, Hoffteich durch Gehorsam und Treue doch die Liebe meines Mannes zu gewinnen. Ich bi» schwach und kränklich und unterzog mich willig auch den schwersten Arbeiten; aber mein Mann verlangt gar zu viel und macht die Hausfrau zur Magd. Aber, Gott sey Dank! ich hoffe bis zum Herbst, wie der Doctor sagt, hab' ich es überstanden, und doch sagen die Leuie," und dabei trocknete sie lächelnd die Augen, „mein Haar sey schön und die Frauen in der Stadt würden eine solche Zierde theuer bezahlen. Nun, wenn ich sterbe, vermache ich es Ihnen, Herr Lieutenant, aber nehmen Sie sich in Acht, es klebt ein Fluch daran!" Das nächste Frühjahr rückte ich vom Urlaub beim Ne-giment ein; ich hatte mich zu melden und lag noch im Bette; meine Montursorten ordnere mein treuer Diener, als der Trompeter, Friseur, Federschmücker und Tausendkünstler an die Thür klopfte. Seit meiner Abwesenheit vom Negimente hatte sich eine Veränderung in der Adjustirung ereignet. Statt Feder-büsche waren Noßbüsche als Helmschmuck an die Csako's gesteckt worden. M.ui seßre besondern Werrh auf diese Veränderung unt die Pferde auf der Weide »nd sogar in den Ställen mußten oft ihre Schwänze einbüßen, um unsere Köpfe damit zu zieren. Die wahren Elegants aber kauften um hohe Preise aus feinem, gläi'zenden Frauenhaar verfertigte Büsche, welche sich natürlicherweise gleich besser aus-nahmen. Der Herr Trompeter brachte mir nun ein derlei Requisit militärischen Dandpsmus. »Schade," sagre er, »daß ich dem Herrn Lieutenant nicht den Busch bringen konnte, den ich seir vorigem Herbst liegen hatte; er war, aber es ist ein Geheimniß, aus den ^»aaren der verstorbenen Müllerin." »Ist die arme, hübsche, blasse Müllerin gestorben 5" rief ich. 263 .,Ia wohl, todcgeprügelc worden, so nach und nacb," lrn'iedeice er gleichmüihig; ,>es war auch keine Frau für den dicken Müller. Hat auch die Selige nicht gemocht, lmd als sze gestorben, haben auch die Todtengräber sie gleich Tags darauf aus dem Hause in die Todtenkammer getragen, lim einige Gulden und ein Paar Maß Wein habe ich ihnen die schönen Zöpfe bald abgehandelt. Das ist ein Csakobnsch geworden! Er ist scine zehn Ducacen werth; einen ähnlichen muß der Inhaber selbst nichc haben! Nun, da kam der Lieutenant N^, adjustirte sich neu und hat den Busch ge» kaufi! ich hätte Ihnen denselben gegönnt, auf Ehre!" Ich zahlte den Trompeter und ging, mich zu melden. Ich dachce viel an Kathin ka's (so halte die Müllerin geheißen) Haar. Als ich wieder bei der Mühle vorbeiritt, wa-??n die Blumengarten vc>r dem Hause in eine Pfütze verwandelt. Der dicke Müller stand vor der Thüre und grüßre mich kaum Als ich nach Hause kam, war entsetzlicher Ru-wor beim Srabe. Lieutenant N'' ist gestorben. Seine Sachen wurden versteigert. Lieucenanc Graf M'^', der eben "ach Wien reis'le, wo er alS Freier in vollem Glänze auf-neten sollte, kaufte den größten Theil seiner Effecten. In Kurzem erhielt ich einen Brief, der mir anzeigte, k7 sei wenige Wochen vor Vollziehung einer Heirath, welche jein Glück begtündel halte, plötzlich am Nervenfieber gestorben. Um diese Zeit befand sich in Wien ein ausgezeichneter Offizier, welcher zu dem Regimenie versetzt wurde. Er erstand die hinterlassenen Elften des Grafen M^^ Kaum beim Regiments eingerückt, siel Oberlieuienam E^^. Ich lag krank und schwach auf meinem Bette; der Kopf war verbunden. Der Arzt erklärte mich zwar außer Gefahr, rielh mir aber, den» Himmel zu danken, daß bei einem so mörderischen Sturze mein Leben bewahrt geblieben ftp. Bei der Revue nämlich war mir mein Pferd durchge-gangen, das Sturmband zerrissen, der Csako herabgefallen; dieser aber, an der Fangschnur festgehalten, war dem wilden Pferde an die Flanken geschlagen, der wehende Busch machte die Bestie noch wilde»', und endlich setzte diese in einen haushohen Graben mit mir hinab, wo Roß und Reiter bewußtlos Ziegen blieben. »Ich bin sehr froh, daß ich den Eiako wieder habe/' sagte mein Diener, «und den Busch. Er ist der schönste in der Armee. Euer Gnaden wissen gar nicht, wie pfiffig ich Zeuselben nach dem Tode deS Oberlieutenant E'^ in der ersten Confusion ausgetauscht habe. In der Verlassenschafts-Auclion haben sie statt seiner unsern abgeschabten, der dem Schwänze einer kranken Ratte glich, liciliit, und ich habe 5", schönen, als uns gehörig, gleich auf den Csako gesteckt." «Nimm ihn sogleich herunter," stöhnte ich mil matter > Stimme, «begrabe ihn und kaufe mir einen andern, sey's «in R.nrenschweif, den aber setze mir j,, nicht mehr auf!" Du lachst mich wohl aus, lieber Leser? hättest aber oer-Nwchlich, wie ich, um keinen Preis dei Müllerin verhäng-Llß?rlles Vermächtnis: behalten. Brosamen aus der Vergangenheit. Der Me sserfresser. — Andreas Grünheide, ein Bauernknechc aus Grünwalde, sieben Meilen von Königsberg in Preußen, fühlte sich den 19. Mai 1635 des Morgens übel und zum Erbrechen geneigt. Von diesem Uebel ofc geplagt, pflegte er mit dem Schafte seines Brotmessers sich den Schlund zu reiben, um das Erbrechen zu befördern. Dieses Mal aber wollte es ihm damit nicht recht gehen, er steckte daher das Messer noch tiefer in den Schlund und unglücklicherweise glitschte ihm das Messer aus der Hand und blieb im Schlunde stecken. Von Schmerz und Bangigkeit ergriffen, stellte er sich auf den Kopf, die Füße richtete er in die Höhe, damit das Messer ihm wieder zum Halse herauskommen sollte. Umsonst. Er versuchte dieß mehrere Mal und trank Bier dazu, damit das Messer um so eher zurückkäme. Das Biertrinken hatte aber den Erfolg, daß das Messer nun in den Magen schlüpfte. Jetzt befürchtete er, daß das Messer ihn, den Magen durchschneiden, und er an diesem Vorfall sterben würde; sonst aber befand er sich wohl und konnte dabei auch füglich arbeiten. Auf Anralhen der Leute geht er endlich nach Königsberg, zuerst zu dem Dr. Be cker, dann zu andern Aerzten. Diese beschließen, ihm du,ch einen Schnitt in den Leib das Messer herauszuschaffen. Nachdem diesem Menschen der Leib vorher durch abführende Mittel gereinigt worden war, unternahm es der Wundarzt Sch wa-ba ch den 9. Juni, ihm den Leib aufzuschneiden. Eine große Menge Aerzte und andere Personen versammeilen sich, um dieses anzusehen; gemeinschaftlich betete man und bat den Himmel um Beistand zu glücklicher Ausführung dieses Geschäfts. Hierauf wurde Grün Heide auf ein Brett gebunden; der Ort, wo der Einschnitt geschehen sollte, war mir einer Kohle bezeichnet. Dieses war nach der linken Seire zu, uncer den kurzen Ripp.'N, ungefähr zwei Finger breit nach d-r Länge; Schwabach schnitt nun die Haut, das Fleisch und die Darmhaut auf der bezeichneten Slelle durch; der Magen war leicht zu fassen, weil der Pacienc nüchtern war und sich selbst schwach befand; er wurde aber mit Per-lenwasser erquickt. Als nun Schwabach mit einer krummen Nadel den Magen anzog, bemerkte er die Spitze des Messers, schnitt auf der Spitze desselben durch den Ma-en, ergriff das Messer, zog es heraus, und die Wunde des Magens schnappte sogleich zu, so daß der Paticnc mit frohem Muthe ausrief: »Potz Tausend — das ist mcin Messei!" Die Wunden wurden nun gehörig verbunden, der Kranke wurde in's Bett gelegt und genas bald, so daß er nachher heirathete. Das von ihm verschluckte Messer wird auf der Bibliothek aufbewahrt. Feuilleton. Pariser Anecdote. — In einer obskuren Gasse wohnte im fünften Stocke ein armer Beamte, der sich mit seinen tausend Francs Gehalt gar kümmerlich durchschleppte. Unmittelbar neben ihm wohnte eine Bilderausmalerin, welche vom Morgen bis zum Abend bei ihrer Arbeit fröhliche Lieder trällerte. Gegenüber, auf der andern Seite der Gasse, hars'ce 264 ein junger »Lion", der für den Lurus seiner gelben Handschuhe und seines goldenen Scockkuopfes in einer elenden Dachstube büßte. Zwischen dem 5!ion und der Bilderausmalerin entstand balo eine electro magnetische ?lugencelegraphie. Dev Lion wünschte der Grisette die Erklärung seiner Signal-blitze zu geben; er schrieb also eine glühende Liebeserklärung, beschiveire sie mir einein groben Kupfer stück und lvarf sie hinüber. Unglücklicherweise aber folgte die Depesche nichi der Richtung seiner Augen; sie nahn, einen falschen Weg und zerschmetterte ei:?e Fensterscheibe in dem Scübchen deö armen Beamten. Abends bei seiner Rückkehr fand er den Brief liüd einen für seinen Schnupfen sehr gefährlichen Luschig; indes, sei, er mußte sich wohl entschliefen, sein Einkomme» von einein Tage zu opfern, um da» Fenster wieder in seinen vorigen Stand se^'en zu lassen. Am folgenden Tage sah er bei einem Trödler ein alles Bild, das anf einen wurmstichige» Rahmen genagelt war; er erstand daS Bild um eim'ge Sous und beschloß, die Fensterbresche damit zu bedecken. Vor einiger Zeit wollte er das Fenster öffnen, um einen Sonnenstrahl einzulassen. Wie groß war sein Ei staunen, als er die Leinwand betrachtete und das frühere Tulpe»bouquel nicht mehr bemerkte! Sratt der Blumen sah er klares Wasser bewaldete Hügel, Menschen, Thiere; er rieb die Leimfarbe vollends ab mid ein Meisterwelk kam zum Vorschein. Der Beamte nahm lein Bild unter den Arm und lief damit zu mehreren Tio'dleüi. Diese b^ren ihm fünfhundert Flanken, tausend Fva»ken, aber den Rainen des Meisters, rem tiefes Prachlstiick zn^nschreioen war, wollte keiner sagen. Er ließ sich indeß nicht abschrecken, sondern boc den ersten Kunstkennern der H.niptstadr das Bild an. So kam er auch zu dem Marquis von L^^, der ihn um seine Adresse und um die Bewilligung, oas Bild vierllndzwanzig Stunden zu behalten, ersuchte. „Wollen Sie zwanzigtausend Francs für das Bild?" fragte der Marquis, als der Veamie sich mir klopfendem Herzen zu der festgesetzten Stunde wieder einfand. — »Zwanzigtausend Francs!" wiederholte der arme Teufel, indem er die Banknoten anstarrte. — „Hier ist das Geld; Ihr Bild ist ein Hyusmans, von Mecheln."—An demselben Abende saß in einem berühmten Restaurant des Palais Royal eine kleine, aber vergnügte Gesellschaft: ein ältlicher Mann, ein junger Elegant und ein hübsches, junges Frauenzimmer. Es waren die Grisette und der Lion, welche der arme Beamte zu einem Schmause eingeladen hatte. Vliihrender Vorfall. — Einen wahrhaft rührenden Vorfall erzählt der »Spiegel": Zwei Slovakenkinder, deren Aeltern vor Hunger aestoiben waren, gingen bettelnd von Dorf zu Dorf, von Haus zu Haus. Sie«,kamen an die Thüre eines Bauern, der sie, trotz ihrer Betheueruxg, daß sie schon seit zwei Tagen nicht gegessen hatten, hartherzig fortjagte. Die Kinder gingen weiter und kamen zufallig an dem Lager des Haushundes vorüber, vor dem ein mir Speisen gefüllter Teller stand. Mit heißer Gier fielen sie darüber her und begannen das Mitlagmal des Hundes zu verzehren; dieser sprang sogleich auf sie zn, als er aber die Kinder so ruhig fortessen sah, legte er sich sanft an ihre Seite. Ein Zufall führre den Bauer vorüber, den die Gucmüchigkeic seines Hundes mit Rührung und Scham erfüllte; er nahm nun die ausgehungerten Kinder mir sich und gab ihnen so reichlich zu essen, daß sie den andern Morgen — todt gefunden wurden. Papierkorb des Amüsanten. Ein Schneider hatte einem seiner Kunden die bestellten Kleider viel zu enge gemacht, und entschuldigte sich damit, daß das Tuch eingegangen sey. Der Letztere war damit nicht zufrieden, und erkundigte sich bei dem Kaufmanne, von welchem er das Tuch gekauft hatte, ob dasselbe denn wirklich ' so viel eingehe. Der Kaufmann sagte, daß bei hundert Ellen immer etwa zwei eingingen. Als dieser 'Ausspruch des K^uimanns nun dem Schneider mitgetheilt und er wiederholt zur Erklärung aufgefordert wmde, sagte er: »Nnn, da haben wir'ö; dachi'ich d.-ch gleich, Sie müssen von dem Scück Tuch unglücklicher Weise gerade den Theil mir den eingegangenen zwei Ellen bekommen haben." Jüngst hat sich ein junger Mann selbst um das Leben > gebracht, weil seine Frau, die er leidenschaftlich liebte, troy allen seinen Bittten sich von ihm scheiden li,ß. — D,n Mann sollie man für ewig embalsamiren, ^»lOU8 oiiQnt^ti8 der Mad. Laura de Bach. Die KunstreltergeselUchaft der Mad. Laura de Bach, die sick gerade durcl' eine» halben Monat in unser» Mauern aufhielt, nimmt heute in der leyten Vorstellung von uns Abschied und wird morgen früh nach Trieft abreisen. Die Gesellschaft hat im Ganzen einen guten Eindruck zurückgelassen, und namentlich die 3 letzten Vorstellungen, wo jedes Mitglied alle seine Kräfte aufbot, um den Anforderungen zu genügen oder sie auch zu übertreffen, verdienen unbestrittenes Lol'. Da jedoch die Gesellschaft gegen das Ende ihrer Vorstellungen im Wesentlich?» nichts de, scn'crZ A-.ißeroldenlliches bieten konnte, so wurden die am besten aufae-nommenen Kunstpiecen wiederholt und so gestalteten sich diese 3 Vorstel-lungen zu recht vorzüglichen; der Hauptantheil des wirklich stürmischen Beifalls aber kömmt von rechtswegen auf die Rechnung der Gel"-üd«r Fillis zu scbreiben, die in der That durch ihre außerordentlichen Voltigen, ihre Oquilidristik und Gymnastik N i e g e se b. e n e s leisten > ob-schon sie, diesi bescheidentlich gar nicht ankündigen. Diele Gelenkigkeit des altern der beiden kleinen Knaben, diese Unerschrockenheit und Biegsamkeit des Kleinen, den der älteste der Brüder, als Athlet, wie eine,i Spiel-ball behandelt, jetzt in die Luft, j.'yt weit vor ?5er über sich schleudert — wahrlich, das musj man sehen, beschreiben lasst sich so etwas füglich nicht. Die Gebrüder Fillis -verde» bei den Triestinern sicher den lärmendsten Enthusiasmus hervorrufen. Mad. Laura de Bach möge sie ja dort viel und gleich anfangs beschäftigen, denn sie sind eine Haupte zierde und Hauptstütze der Gesellschaft. Die samstagige Vorstellung, die zum Venefice der Dlle. Laura de Bach Statt fand, war namentlich /außer der glänzenden Productian der Gebrüder Fillis) durch die schreckenerregenden Sprünge und wirkliche Sallomortcils des maroccanischcn l^lown, Mahomed Ben-Said, interessant. Der Panloffelsprung , das >?alto-mortale in dem cngen Eisenreis mit den t^dtdrohcnde» Vajonnetspitze» stam-pelten den kühnen Springer zum ersten Künstler seines Faches. Herr li e-vicq ritt uns wieder das Leben eines Soldaten vor. Er reitet gut, kühn. ja verwegen, doch nicht immer sicher; das mehrmalige Herabstürzen des Reiters aber erregt immer ein gewisses bangendes Gefühl, eine Unbe-haglichkeit unter den Zusehern und stört so den Genuß, den, ein präcise ausgeführtes Reiterstück gewährt. Herr Albert de Vach, der in dieser Vorstellung das große Neitspectakel „Die Flucht des Fra Diavolo» leitete, war, wle immer, ausgezeichnet; ihü auf dem Promenadepferde zu sehen, ist ein Hochgenuß. Die Veneficiantin ritt die hohe Schule meisterhaft , jedoch hätte man sie lieber auf dem prächtigen Pferde „ Sultan" als auf dem „Mahomed" reiten sehen ! — Iean de Bach ist und bleibt der kühnste ^ kleine Reiter, den man sehen kann; möchte dieser hoffnungsvolle Knabe ! nur nicht ein Mal verunglücken! — Herr Fran^ois de Bach produ- ^ cirte sich einige Male auf einer großen Kugel < auf der er. darauf stehend, um ^ den dircus herum, dann über Bretter auf einen Tisch auf-und abwärts au und rückwärts rollte, ein Erercitium, das sehr schwierig ist. u»b welches er mit grosjer Gewandlh.it ausführte. Die kleinen Pantomimen . die eigentlich Pantomimen-Fragmente zu nennen sind, wurden, obschon nichi ; eben ausgezeichnet, doch nicht ohne Amüsement durchgeführt. Der Vesuch ! der anfänglichen und der letzten 3 Vorstellungen war sehr zahlreich, der ^ Beifall laut, oft stürmisch und das Urtheil im Publikum wird nach dem ? Abgänge der Gesellschaft ein günstiges seyn, dem auch der Referent bei« 1 pflichtet. Leopold Korde sch. z Verleger: Ignaz Alois Gdler v. Kleinmayr.