33. Namstag den 19. August 1837. Der junge Soldat. ^ (Zwei Lebensbilder,) ' I. Der Abschied. «^-eb wohl. mein Vater! man hat mich geworben; Wein'. Mutter, nicht, ich muß, es ruft die Pflicht! Und fall' ich auch, für'S Vaterland gestorben, Ach, schönern Tod gibt es doch wahrlich nicht.' S5 ruft der Sohn und er erstickt die Zähre, Die ihm vor Schmerz ins Auge dringen will ; »Kehr ich wohl wieder heim? O daß ich wäre So glücklich doch"! so denkt der Arme still. Besieht die Stube sich. wo er die Jugend Verlebt, und jedes Platzchen ist ihm werth; «Hier hat der Ältern Beispiel ihn die Tugend, ob sie sein Nohr nicht blitzen säh.'? Es flattert schon ihr Vusentuch und winket Den letzten Gruß ihm nach für lange Zeit, Als auch von einem.Nohr ein Fähnlein winket, Es ist vou ihm, o Himmelsseligkeit'. — 130 Es hat verhallt bsr Trommesschlag, dis Spitze« Der Feuerrohre siild nicht mehr zu sehn; V^ilr sie mit Thräne«, die im Aug' ihr blitzen, Mag noch allem dort ai, der Straße stehil. »Gerad den Liebsten hat man mir geworben!" So iammert sie, daß ihr daö Herz fast bricht. — — Für Kaiser und für Vaterland gestorben, Ach, schönern Tod. gibt es doch wahrlich nicht! Ver junge Arzt. (V c s ch l u ß). Das Gemach, in welchem der Arzt sich jetzt befall!), war eng und kalt, zwei Stühle und ein Tisch, von weichem Holze, das einzige Geräche. In dem mit keinem Vorsetzer versehenen Kamine brannte eine Handvoll Feuer, das nicht sowohl zum Wärmen, als zum Flüssigmachen der Feuchtigkeit diente; in langen, kanalähnlichen Streifen rieselte das Wasser an den Wänden nieder. Das einzige Fenster, halb zerbrochen, halb verklebt, lleß in einen kleinen Hof blicken, der fast ganz unter Wasser stand. Weder in noch vor dem Hause das geringste Geräusch. Mit etwas schnellen klopfenden Pulsen setzte der Arzt, sich neben den Kamin, hier den Erfolg seines ersten ärztlichen Besuchs zu crwarren. Er hatte nur kurze Zeit gesessen, als er etwas rumpeln hörte. Es klang, als nähere sich ein Fuhrwerk. Jetzt stand es still, die Hausthür wurde geöffnet, mehrere Stimmen sprachen leise durch einander, Fußtritte schlürften längs der Flur und klapperten die Treppe hinauf; es war, als ob zwei oder drei Männer ecwas Schweres in's obere Stockwerk trügen. Bald nachher verrieth das Knarren der Treppe; das; die Angekommenen wahrscheinlich ihr Werk verrichtet und das Haus verließen. Die Thür wurde wieder geschlossen, und es war wieder so still wie vorher. Nach Verlaufe weiterer fünf oder sechs Minuten stand der Arzt im Begriff, das Zimmer zu verlassen und Jemand l>n Hause aufzusuchen, dem er die Ursache semer Anwesenheit mittheilen könne, als die Zimmerthür aufging und sein Besuch von gestern Abend eintrat, genau in derselben Kleidung und, wie gestern, im schwarzen, tief über's Gesicht fallenden SclMer. Ein Wink mit der Hand forderte ihn auf, zu folgen. Das Schweigen und die ungewöhnliche Höhe der Gestalt erregten in ihm den momentanen Gedanken, das; die Eingetretene ein verkleideter Mann sey; aber das heftige Schluchzen, das unter dem Schleier hervorbrach, und die krampfhaften Zuckun- gen des Schmerzes, welche dis ganze Gestalt erschäk terten, bewiesen sofort das Thörichte dev Vermuthung, und ohne Verzug folgte er. Die Fremde führte ihn die Treppe hinauf nach dem Vorderzimmer, blieb an der Thüre stehen und winkte ihm, einzutreten. In dem Zimmer stand eine alte Lade, ein Paar Stühle und eine Bettstelle ohne Vorhänge mir einer gewirkten Decke. Durch den von außen bemerkten Vorhang war das Licht so gedämpft, daß der Hauptgegenstand, der bald die ganze Aufmerksamkeit des jungen Arztes beschäftigen sollte, sich ihm erst zeigte, als die Fremde mit dem Ausdrucke des wildesten Schmerzens an ihm vorübcrstürzte und sich neben dem Berte auf die Knie warf. Ausgestreckt, in einen linncnen Umschlag gehüllt und mit wollenen Tüchern bedeckt, lag hier eine menschliche Ge« stalt, steif und ohne Regung. Kopf und Gesicht, offen.« bar die eines Mannes, waren unbedeckt, eine Binde ausgenommen, die über den Kopf und unter dem Kinn wegging. Die Augen waren geschlossen, de» linke Arm ruhte schwer auf dem Bett, und die herab«" hängende Hand hielt die Fremde gefaßt. Der Arz5 schob sie sanft bei Seite und nahm die Hand aus dc,, ihren in die seinige. »Großer Gott!« rief er, indem er die ergriffene unwillkührlich fallen ließ, »der Man« ist ja todt!« Augenblicklich sprang die Frau auf, schlug ihn Hände zusammen und schrie mit den Lauten des Wahtv» sinns und der Verzweiflung: »Nicht so, sagen Sis das nicht! Ich kann's nicht tragen, bei Gott, ich kann's nicht! Menschen sind in's Leben zurückgebracht worden^ die man für todt gehalten, und Menschen sind gestorben, die durch geeignete Mittel hätten wieder belebt werden können! O, lassen Sie ihn nicht hicr liegen, uichr hier verscheiden, ohne einen, einen einzigen Versuch, ihn zu retten! In dieser Secunde .vielleicht reißt das Leben sich los! Um Gottes — Gotteswillen, nur einen einzigen Versuch!« — S^ rufend, rieb sie mir zitternder Hast erst die Stirne, dann die Brust der entseelten Gestalt und drückte dis kalten Hände zwischen den ihrigen. Aber kaum lich sie die Hände los, so fielen sie schlaff und schwer aus die Bettdecke zurück. Der Arzt hatte inzwischen seine Hand auf des Mannes Brust gelegt und sagte jetzt besänftigend: »Ich fürchte, es ist alles vergebens. Doch halt!" fuhr er schnell fort, indem er seine Hand wegzog, »den Vorhang don auf!« — »WaruM?« hauchte die Frau und bebte. »Den Vorhang dort auf!« wiederholte der Arzt gebieterisch. Die Frau stand bewegungslos. Aber so wie der Aw den Fuß hob, sich dem Fenster 131 zu nähern, stürzte sie vor ihm nieder, umklammerte seine Knie und sagt?: »Ich habe das Zimmer absichtlich verdunkelt; o haben Sie Barmherzigkeit mit mir! und wenn es nutzlos, wenn cr wirklich kaG^nd todt »st, so lassen Sie die Leiche unentblößt/^— »Dieser Mann ist weder eines natürlichen, noch eines leichten Todes gestorben," versetzte der Arzt; »ich muß den Körper sehen!" — Und ehe die Frau es zu hindern vermochte, riß er den Vorhang weg; das volle Tageslicht fiel in's Zimmer und der ArMrat an's Bett zurück. »Hier ist Gewalt gcübet worden!" sagte er nach einer kurzen Pause, indem cr auf den Lvrchnam wies und einen durchdringenden Blick auf das Gesicht warf, welches jetzt zum ersten Mal der schwarze Schleier nicht bedeckte. »' In der Aufregung des vorhergehenden Moments hatte die Frau Hut und Schleier von sich geworfen und stand jetzt dem Arzte gegenüber, Auge in Auge. Sie mochte ungefähr fünfzig Jahre alt und Gr Gesicht mußte einst schön gewesen seyn; Kummer und Thränen hatten Furchen darin gezogen,,, wie die Zeit allein sie nimmer hätte ziehen können. Die Farbe wai todtenbleich, die Lippen zuckten krampfhaft und ein unnatürliches Feuer loderte in den Augen; es war deutlich, daß der Körper und Geist unter einer ungeheueren Last von Elend erlagen. »Hier ist Gewalt^ geübt worden!" wiederholte der Arzt, ohne den forschenden Blick abzuziehen. — »So ist es!" antwortete die Frau. — »Dieser Mann ist ermordet werden!« rief der Arzt. — »Ja, bei Gott, den ich zum Zeugen anrufe, das ist cr!" schrie die Frau in durchbrechender Leidenschaft; „mitleidslos, unmenschlich ist er gemordet worden!« — »Und von wem?" versetzte der Arzt, die Frau beim Arme, fassend. — »Schau auf das Wahrzeichen des Schlächters und dann frage mich!" erwiederte sie mit klangloser Stimme. — Der junge Arzt beugte sich über den Leichnam, der jetzt in vollem Lichte lag, und zog die Kopfbindc ab. Der Hals war geschwollen, ein blauer, schwarzgclber Streif umgab ihn. Die Wahrheit blitzte in dem Arzte auf, und mit Schauder sich wegwendend, sagte er: »Das ist einer von den heute Morgen Ge-hengten," -- »So ist es!« sagte die Frau, kalt vor sich hiustarrend. — ?»Und wer ist cr?" fragte der Arzt. — »Mein — Sohn,« hauchte die Frau, und sank leblos zu Boden. Die veranlassenden Umstände dieses schmerzlichen Ereignisses sind in wenigen Zeilen gesagt. Früh ihres Gatten beraubt und nur im Besitze eines lleinck Vermögens, hatte dic Mutter des Unglücklichen oft gerne die Nothwendigkeiten des Lebens gcmisit, UM ihn, ihr einziges Kind, den Liebling ihres HerzenS, zu einem guten und tüchtigen Menschen zu bilden. Warmes Blut hatte ihn in schlechte Gesellschaft, diese zur Theilnahme an Verbrechen geführt. So starb er von der Hand des Henkers, seine Mutter mehrere Jahre später im Irrenhause. Aus Mendelssohn'» MnglingsjHhrcn. Eine Gesellschaft von Jünglingen, worunter sich der Weltwcise befand, beschloß in froher Laune, ein IDMolle ein Epigramm auf sich selbst Wachen. Folgendes ist vyn MeMMsohn^ Mdessen Verständlichkeit wan jedoch wissen muß, daß cr in seiner Jugend stark stotterte — was aber nicht die Folge eines fehlerhaften Organs war, sonde.rn der Lebhaftigkeit seines Geistes; das Stocken in der Ncde lag an der Zunge, welche nichI so biegsam und rasch war, als seine Gedanken, seine Seele faßte und combinirte schneller, als er die Worte ausstosien konnte; indeß bei vorgeschrittenem Alter verlor sich dieses Hemmniß im mechanischen Ausdrucke fast gänzlich. — Ferner hatte Mendelssohn ein . sehr gekrümmtes Rückgrat. Grosi nennet Ihr dcn Dcmosthcn, Den stotternden Qr.itor vo» Athen; — Aesop, der Höckrigc, gilt Euch fi'ir weift — Triumph'. ich werd' i» Eurem Kreise Gedoppelt groß und wcise seyn, Weil glücklich ich in mir verein', Was mau getrennt im D^mosthen Und im Aesop gehöret und gcseh'n» A n e k M o t e. Eine reisende Schauspieler-Gesellschaft gab in einem Flecken Vorstellungen während des Viehmarktes. Der Thaliatcmpel war sehr bescheiden von Brettern aufgerichtet. An eine erhöhte Bühne war nicht zu denken; durch die Seitenthür trat man unmittelbar von der Straße auf die Scene. Die Aufführung von Schillers »Räubern« hatte »Alles was Odem hatte« in das Costum geworfen, so daß kein Inspicient auf das Schließen dieser Thüre wachen konnte, so blieb sie sperrangelweit offen. Carl Moor war ebcn m Erwartung der Jammergestalt, die aus der Gefängnis -nacht dcs Thurmes aufsteigen sollte, als dicht am Theater eine höchst prosaische Heerdc Ochsen vorbei getrieben ward. Ein weißkövfigcr gehörnter Vordermann, die Thcaterthür wahrscheinlich für den Eingang zudem interessanten Stall haltend, schritt ohne wei? tcrs hinein, durch dieDecorationen durch, und präsen- 132 tiM' sein dummglotzendes Gesicht dcm erstaunten Publicum. Carl Mool> den das Rauschen in der Meinung bestärkte, der Geist träte auf, bedeckte die Augen und rief mit herzzerschneidendem Pathos: »Entsetzliches Blendwerk! Mein Vater!!« Der jnnge Postillon. »Kannst du/ mein kleiner Freund, denn auch schon fahren?" Fragt' eine Dame aus Vrabant Den Postillon von sechzehn Jahren, Den sie am Wagenschlage fand. »Ich glaube,^gnäd'ge Frau, Sie spaßen«. Lacht, Zügel nehmend, unser Wicht. »Ich wett', wenn Sie ins Aug' mich fassen'?*'' »Verkennen Sie mich sicher nicht. ;>Vin ich denn nicht der Hans von Hubertsdorfen» »Der Sie im vor'gen Jahr hat umgeworfe"^« L. Kordes ch. Aphorismen. Von Jean Laurent. (Dreizehn te Decimo. > Wort und That sollen bei dein Manne von Ehre stets im Einklänge, und die That stets die Nealisirung des Wortes seyn. Wer wider sein gegebenes Wort handelt, ist im besten Falle ein unmännlicher Schwächling, der durch ein Paar glänzende Worte die Fragmente eines böswilligen Charakters zu verbergen sticht, und im Stande ist, wenn dieses Mittel der Heuchelei nicht mehr taugt und genügt, so wie mit Worten — mit Thaten gcwiss.'nloK zu spielen. Der wahre Künstler liebt die Kunst um sich selbst. Er dichtet mahlet, singt, unbeküiNmFt ob er deßhalb gelobt oder getadelt wird. Ohne das; er es weiss wie, erschafft er im Vegcisterungsc Vrange seiner Seele Kunstwerke, und findet sich reichlich belohnt in ihrem Gelingen. Selbst in den düster,, Stund«» seines Le« bens bleibt er nicht »erlassen, denn der Genius,, ats lieblichster Begleiter, wandelt beständig ay seiner Seite., uud deutet tröstend auf den Sicgeskranz der Unsterblichkeit. In den Gharakterzügen der ausgezeichnetesten Manner findet malt mehrenthcils auch die absonderlichsten Eigenthümlichkeiten. So konnte Heinrich der Dritte von Frankreich nicht in einem Zimmer allein bleibe», in den» sich eine Katze befand. — Der wackere Düc d' Epcrnon siel beim Anblicke eines Kaninchens in Ohnmacht. —> Dcr MarschaU Albert bekam Üblichleite». wenn «in Ferkel auf die Tafel gebracht wurde. — Ladislaus, König von Polen, ergriff die Flucht, so oft er Äpfel gewahr wurde. — Erasmus konnte keinen Fisch riechen, ohne dasFieber zubekommen. » Scalinger bebte ain ganzen Körper, wenn er Krebse erblickte. — Tycho de Brache vermochte sich kaun» auf seinen Beinen zu halten, wenn ihm ein Hase oder ein Fuchs aufstiess. Jede Mo»» dosfinsterniß zog dem Kanzler Vou? eine Ohnmacht zu. — Voyl« bekam,NerzuVimgen bei dem Geräusch, welches das Wasser macht, wenn es'aus einem Hahne läuft; -^ und La Motte le Vayer vermochte nicht den Ton irgend eines musikalischen In, strumcntesFuszustehen, empfand aber das lebhafteste Vergnügen beim Donne^..^ Nur derjenige, bei dem wissenschaftliche und moralische Bildung gleichen Schritt halte«, wird in scincm Wirken wahrhaft nützlich seyn. Talente ohne Moralität gleichen einem Feuerstoffe, der sich gewöhnlich zur Unzeit entzündet, und statt lvohtthucni? zu wärmen, nur unheilsvoll verwüstet. Es ist Charakteristicon des Genies/ dasi es selbst dort, wo es in seinen Kunstwerken scheinbar nachahmt, dennoch das fremde Leben vernichtet, und durch eigenthümliche Anordnung der Elemente des gegebenen Stoffes, ein eigenes neues und sell>ststän-> diges erschasst. Man vergleiche Göthe's Iphigcnie und jene des Euri' pid.es, Collins Ncgulus und jenen des Metastasio, Mozarts und HaA«s Requicn u. s, w., und man wird die Wahrheit dieses SaHes bewährt finden. UM in dem ruhigen Geleise des Lebens zu verbleiben» sey sanft wj^ das Lamm, das Niemanden beeinträchtiget, doch auch schlau ime der Fuchs, dasi dich Niemand beinträchtigen kann? Wenn man bedenkt, welche edlen Geisteskräfte die Erzeiu gung eines schönen Kunstwerkes fordert, und welchen gewaltigen Einfluss die Kunst auf die Cultur der Menschen hat, so wird man ihr gerne den gebührenden erhabene» Nang einräumen; Die Kunst greift unmittelbar in die Entwicklung aller menschliche!,' Kräfte ein, und führt um so sicherer zur wahrhaft menschliche» Bildung, nämlich zur Vlldung des Herzens durch den Geist, d» sich. in ihr die höchste geistige Bildung zugleich mit dem höchsten Neitze vermählt, und ihre Bande daher ein«' magische» Keafl besitzen, ohne ülmahls drückend zu seyn. In der menschlichen Natur liegt ein Mächtiger Drang fo