161 Matej Šekli ∗ UDK 811.163.6:81'373.45=112.2''7/12'' Universität Ljubljana DOI: 10.4312/linguistica.60.2.161-178 Zentrum für wissenschaftliche Forschung der Slowenischen Akademie der Wissenschaften und Künste, Fran-Ramovš-Institut für slowenische Sprache ZUR DATIERUNG DER (BAIRISCH-)ALT- UND -MITTELHOCHDEUTSCHEN LEHNWÖRTER IM SLOWENISCHEN: RELATIVE UND ABSOLUTE CHRONOLOGIE 0 EINLEITUNG Im vorliegenden Beitrag 1 wird die relative und absolute Chronologie der (bairisch-)alt- und -mittelhochdeutschen Lehnwörter im (dialektalen und Schrift-)Slowenischen erörtert, und zwar mithilfe der relativen und absoluten Chronologie der diagnostischen Lautverän- derungen sowohl im bairischen Alt- und Mittelhochdeutschen als auch im Slowenischen bzw. in den älteren zeitlichen Sprachvarietäten desselben. Weiterhin werden die phoneti- schen Eigenschaften einiger deutscher Lehnwörter im Slowenischen, wie z. B. skednj, jger und šípa neu interpretiert. 1 DEUTSCH-SLOWENISCHE SPRACHKONTAKTE Die ersten deutsch-slowenischen Sprachkontakte reichen in die Zeit nach der slawi- schen Besiedlung des Ostalpenraumes zwischen Donau, Pannonischer Ebene und Adriatischem Meer im 6. Jh. Nach der Niederlassung in diesem Gebiet wurden die sogenannten Alpenslawen zu unmittelbaren östlichen Nachbarn der alten Baiern. Die beiden kamen in einen noch engeren Kontakt Mitte des 8. Jh. als Bayern mit der Un- terwerfung der alpenslawischen Fürstentümer begann. Das nördlich der Karawanken gelegene Karantanien mit dem Zentrum im heutigen Karnburg/Krnski Grad wurde Bayern in den Jahren 743–745 angeschlossen. Das südlich der Karawanken gelegene Carniola mit dem Zentrum in Carnium, dem heutigen Kranj, kam in der Zeit der frän- kisch-awarischen Kriege zwischen 791 und 795–796 zum Fränkischen Reich (bereits 788 war Bayern von den Franken annektiert worden). Auf diese Weise kam die slawi- sche Sprache in den Ostalpen in Berührung mit dem bairischen Hochdeutsch. Für die Epoche des Mittelalters kann man aus der Sicht der internen Sprachgeschichte sowohl der deutschen als auch der slowenischen Sprache mehrere Chronolekte (d. h. zeitliche Sprachvarietäten) unterscheiden: Das (bairische) Deutsche gliedert sich in das bairi- sche Althochdeutsch (zwischen ca. 750 und ca. 1050), das bairische Mittelhochdeutsch ∗ matej.sekli@guest.arnes.si 1 Die slowenische Version des vorliegenden Beitrags wurde in Šekli (2020) veröffentlicht. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 161 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 161 24. 03. 2021 14:20:52 24. 03. 2021 14:20:52 162 (zwischen ca. 1050 und ca. 1350) und das bairische Frühneuhochdeutsch (zwischen ca. 1350 und ca. 1650), 2 die Geschichte des Slowenischen gliedert sich in das Ur- slawische im Ostalpenraum bis Ende des 8. Jh., 3 das Alpenslawische (etwa zwischen 800 und 1000), das sich ähnlich wie die anderen altslawischen Dialekte aus dem Ur- slawischen im 9. Jh. auszuformen begann, und das Slowenische (etwa nach 1000), das in zwei Chronolekte zerfällt, nämlich in das Früh- oder Gemeinslowenische (etwa zwischen 1000 und 1200) und in das Dialektal-Slowenische (etwa nach 1200). Die im vorliegenden Beitrag erörterten deutschen Lehnwörter im (dialektalen und Schrift-)Slowenischen 4 können aus der Perspektive der internen Sprachgeschichte des Deutschen in zwei Gruppen unterteilt werden, und zwar in die (bairisch-)althoch- deutschen und die (bairisch-)mittelhochdeutschen. 5 Innerhalb der beiden Gruppen kann man bei denjenigen Lehnwörtern, die diagnostische phonetische Merkmale auf- weisen, aufgrund der relativen und absoluten Chronologie der Lautveränderungen im bairischen Alt- und Mittelhochdeutschen auf der einen Seite und derjenigen im Slo- wenischen bzw. in dessen zeitlichen Sprachvarietäten auf der anderen eine präzisere Datierung der Entlehnungszeit feststellen. Mit den jeweiligen diagnostischen Lautver- änderungen können die untere Zeitgrenze (der so genannte terminus post quem ‘die Grenze, nach der’) und die obere Zeitgrenze (der so genannte terminus ante quem ‘die Grenze, bis zu der’) bestimmt werden. 2 (BAIRISCH-)ALTHOCHDEUTSCHE LEHNWÖRTER IM SLOWENISCHEN (BIS CA. 1050) Die (bair.-)ahd. Lehnwörter im Slowenischen wurden ins Slowenische bzw. in die älte- ren Sprachvarietäten desselben (d. h. ins Urslawische und ins Alpenslawische) bis ca. 1050 übernommen. Der genauere Zeitraum der Entlehnung einiger dieser Lehnwörter kann einerseits aufgrund späturslaw. Lautveränderungen, die bis ca. 800 stattfanden, andererseits aufgrund der (bair.-)ahd. Lautveränderungen, die bis ca. 1050 eingetreten waren, festgestellt werden. 2 Braune ( 14 1987 ( 1 1886): 1); Paul ( 24 1998: 9–10). 3 Das vom Autor des vorliegenden Aufsatzes konzipierte Urslawische (Šekli 2014: 299–300) umfasst sowohl das Urslawische (bis ca. 600 n. Chr.) als auch das Gemeinslawische (nach ca. 600 n. Chr.) der Holzerschen Rekonstruktion (Holzer 2007: 15–16, 19). 4 Die älteren Germanismen im Urslawischen sind ausführlich behandelt z. B. in Kiparsky 1934 und Pronk-Tiethoff 2012. Die deutschen Lehnwörter im dialektalen und Schriftslowenischen wurden bis jetzt am ausführlichsten in den Wörterbüchern analysiert (Stiedter-Temps 1963; Jazbec 2007; Bezlaj 1976, 1981, 1995, 2005, 2007; Snoj 3 2016). 5 Abkürzungen: ahd. althochdeutsch, alem. alemannisch, bair. bairisch, dial. dialektal, frühahd. früh- althochdeutsch, frühmhd. frühmittelhochdeutsch, gr. (alt)griechisch, lat. lateinisch, mhd. mittel- hochdeutsch, mnd. mittelniederdeutsch, nhd. neuhochdeutsch, ostfränk. ostfränkisch, reg. regional, slaw. slawisch, slow. slowenisch, südbair. südbairisch, südslaw. südslawisch, urgerm. urgerma- nisch, urig. urindogermanisch, urslaw. urslawisch. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 162 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 162 24. 03. 2021 14:20:53 24. 03. 2021 14:20:53 163 Die späturslaw. Lautveränderungen, die bis ca. 800 bzw. um ca. 800 aktiv waren, waren z. B.: 6 1) die Monophthongierung der Diphthonge in tautosyllabischer Position (d. h. vor Konsonant oder im Auslaut): urslaw. *ă / + [_ *C, *#] > *ě 2 (um ca. 500–700); urslaw. *ă / + [_ *C, *#] > *ō (um ca. 500–700) > *u 2 ; 2a) die regressive Zweite Palata- lisierung der Velare: urslaw. *k, *g, *x / +[_ *E] > südslaw. *c, *ʒ, *s (um ca. 500–800); 2b) die progressive Dritte Palatalisierung der Velare: urslaw. *k, *g, *x / +[*i, *ь, *ę _], –[_ *C, *y, *ъ] > südslaw. *c, *ʒ, *s (um ca. 600–800); 3) die Entrundung: urslaw. *ū 1 > *y (um ca. 800); 4) die Liquidametathese: urslaw. *(C)ăRC, *CĕRC > südslaw. *(C)RāC, *CRēC > *(C)RaC, *CRěC (um ca. 800–850); 5) die Rundung: urslaw. *ă > *o (um ca. 800–850); 6) die Vokalreduktion: urslaw. *ĭ, *ŭ > *ь, *ъ (um ca. 800–850). 7 Die Laute und Lautsequenzen, die aus dem bairischen Althochdeutschen ins Urslawi- sche vor den oben genannten Lautveränderungen bzw. im Lauf derselben übernommen wurden, unterlagen folglich den späturslaw. Lautveränderungen, z. B.: ahd. aiC → ur- slaw. *ăiC > *ě 2 C; ahd. auC → urslaw. *ăC > *ōC > *u 2 C; ahd. k, g, x / +[_ E] → ur- slaw. *k, *g, *x / +[_ *E] > südslaw. *c, *ʒ, *s; ahd. ENC, ONC → urslaw. *ENC, *ONC > *ęC, *ǫC; ahd. ingV → urslaw. *ingV > *ęgV > südslaw. *ęʒV; ahd. ū → urslaw. *ū 1 > *y; ahd. ō → urslaw. *ū 2 ; ahd. (C)aRC, CeRC → urslaw. *(C)ăRC, *CĕRC > südslaw. *(C)RaC, *CRěC; ahd. a → urslaw. *ă > *o; ahd. i, u → urslaw. *ĭ, *ŭ > *ь, *ъ. Die (bair.-)ahd. Lautveränderungen, die für eine präzisere Datierung der Entleh- nungszeit der deutschen Lehnwörter im Slowenischen wichtig sind, waren z. B. (die folgenden): 1) die ahd. stimmlosen Spiranten f [f], th [þ], s, h [x] wurden (in stimmhafter Laut- umgebung) nach ahd. Spirantenschwächung um ca. 750 zu stimmhaften Spiran- ten [v], [đ] > [d], [ż], [γ], wobei sich der Lautwandel von Süden nach Norden (d. h. aus dem bairischen und alemmanischen ins fränkische Sprachgebiet) aus- breitete und wurde in der Graphie bei allen Konsonanten nicht ausgedrückt: 8 a) der stimmlose labiale Sprirant f [f]: urgerm. *f > ahd. f [f] > [v] (um ca. 750) (ur- germ. *farana n ‘fahren’ > ahd. faran > uaran); b) der stimmlose dentale Sprirant th [þ] wurde zuerst zum stimmhaften Reibelaut đ und dann zum stimmhaften Verschlusslaut d (im Bairichen in der ersten Hälfte des 8. Jh., im Ostfränkischen im Laufe des 9. Jh.): urgerm. *þ > ahd. th [þ] > *đ > d (urgerm. *þat ‘das’ > ahd. thaʒ > daʒ; urgerm. *erþō ‘Erde’ > ahd. ertha > erda); c) der stimmlose dentale Spirant s [s] ging in stimmloser Lautumgebung um ca. 750 in einen stimmlosen palatalen Zwischenlaut [ṡ] (d. h. zu einem Zischlaut zwischen [s] und [š]) über. In stimmhafter Umgebung wurde er zu einem stimmhaften palatalen Zwischen- laut [ż] (d. h. zu einem Zischlaut zwischen [z] und [ž]), was sich jedoch in der 6 Šekli (2014: 300). 7 Die Reflexe der urslaw. Nasalisierung *ENC, *ONC > *ęC, *ǫC (um ca. 600–700) sind für die relative und absolute Chronologie der Entlehnungszeit weniger relevant. Höchstwahrscheinlich wurden die fremdsprachlichen Lautsequenzen des Typs *ENC, *ONC auch in der Epoche nach der Entstehung der urslaw. Nasalvokale noch eine gewisse Zeit durch die urslaw. Nasalvokale substituiert. 8 Braune ( 14 1987 ( 1 1886): 100, 127–130, 143–150, 161–169); Kranzmayer (1956: 76–84, 87– 93). Linguistica_2020_2_FINAL.indd 163 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 163 24. 03. 2021 14:20:53 24. 03. 2021 14:20:53 164 Schrift nicht widerspiegelt: urgerm. *s > ahd. s [s] > [ṡ/ż] (um ca. 750); d) der stimmlose velare Spirant h [x]: urgerm. *x > ahd. h [x] > [γ] (um ca. 750); 2) die ahd. Konsonantengruppe sc/sk [sk] wurde nach der Palatalisierung von s [s] zu [ṡ] um ca. 750 zu [ṡk], im 11. Jh. wurde jedoch das [k] in dieser Sequenz schon zum palatalisierten [] (höchstwahrscheinlich war es dem heutigen deutschen ch in z. B. ich ähnlich), was in der Graphie mit , markiert wird: 9 urgerm. *sk > ahd. sc/sk [sk] > [ṡk] (um ca. 750) > [ṡ] (um ca. 1000) (urgerm. *skaidana n ‘scheiden’ > ahd. skeidan > scheidan; urgerm. *fiskaz ‘Fisch’ > ahd. fisk > fisg; urgerm. *waskana n ‘waschen’ > ahd. waskan > wasgan); 3) die ahd. stimmhaften Verschlusslaute b, d, g wurden nach der ahd. Lautverschie- bung spätestens bis ca. 800 zu den stimmlosen Verschlusslauten p, t, k. Dies ge- schah jedoch nicht in allen Positionen (am konsequentesten war nur der Wandel d > t, der mit dem Wandel [þ] > *đ > d in einer Kettenreaktion verbunden war) und nicht in allen Dialekten: 10 a) der Dental d wurde zu t (wobei th [þ] > *đ > d) im Bairischen, Alemannischen und Ostfränkischen (im Bairischen um ca. 750): urgerm. *d [*d-, *-đ-, *nd] > ahd. bair., alem., ostfränk. d > t (urgerm. *dagaz ‘Tag’ > ahd. dag > tag; urgerm. *daudaz ‘tot’ > ahd. dōd > tōt; urgerm. *drenka- na n ‘trinken’ > ahd. drinkan > trinkan); b) der Labial b wurde im Bairischen und Alemannischen um ca. 770 im Anlaut und im Inlaut stimmlos (im Alemannischen wurde er im Laufe des 9. Jh. jedoch wieder stimmhaft), im Bairischen blieb der stimmlose Verschlusslaut später im Anlaut erhalten, im Inlaut wurde er jedoch um ca. 1050 wieder stimmhaft: urgerm. *b- [*b-] > ahd. ostfränk. b-, ahd. bair. b- > p- (um ca. 770) (urgerm. *bergaz ‘Berg’ > ahd. ostfränk. bërg, ahd. bair. përg); urgerm. *-b- [*-ƀ-, *mb] > ahd. ostfränk. -b-, ahd. bair. -b- > -p- (um ca. 770) > -b- (um ca. 1050) (urgerm. *lebǣna n ‘leben’ > ahd. ostfränk. lebēn, ahd. bair. lepēn > leben); c) der Velar *g wurde im Bairischen am konsequentesten stimm- los, um ca. 1050 wurde er jedoch wieder stimmhaft: urgerm. *g [*g-, *-ǥ-, *ŋg] > ahd. ostfränk. g, ahd. bair. g > k (um ca. 770) > g (um ca. 1050) (urgerm. *gastiz ‘Gast’ > ahd. ostfränk. gast, ahd. bair. kast > gast; urgerm. *gebana n ‘geben’ > ahd. ostfränk. gëban, ahd. bair. këban > gëben; urgerm. *augōn ‘Auge’ > ahd. ostfränk. ouga, ahd. bair. ouca > ouge; urgerm. *steigana n ‘steigen’ > ahd. ostfränk. stīgan, ahd. bair. stīkan > stīgen); 4) die ahd. Diphthonge ai, au wurden um ca. 800 zu den Diphthongen ei, ou assi- miliert: 11 urgerm. *ai > ahd. ai / –[_ r, w, h] > ei (um ca. 800) (urgerm. *stainaz ‘Stein’ > ahd. stein; urgerm. *xailaz ‘heil, ganz, gesund’ > ahd. heil; urgerm. *laidejana n ‘leiten’ > ahd. leiten); urgerm. *au > ahd. au / –[_ t, d, n, l, r, s, ʒ; h] > ou (um ca. 800) (urgerm. *xlaupana n ‘laufen’ > ahd. hlauffan > hlaufan > laufan > loufan). 9 Braune ( 14 1987 ( 1 1886): 137); Kranzmayer (1956: 111–112). 10 Braune ( 14 1987 ( 1 1886): 81–91, 124–127, 158–161, 138–143); Kranzmayer (1956: 76). 11 Braune ( 14 1987 ( 1 1886): 44, 47); Kranzmayer (1956: 58–60, 66). Linguistica_2020_2_FINAL.indd 164 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 164 24. 03. 2021 14:20:53 24. 03. 2021 14:20:53 165 Die (bair.-)ahd. Lehnwörter im Slowenischen (bis ca. 1050) können aufgrund der späturslaw. Lautveränderungen, die bis ca. 800 bzw. um ca. 800 stattfanden, in die Lehnwörter ins Urslawische (bis ca. 800) und in die Lehnwörter ins Alpenslawische (nach ca. 800) unterteilt werden. Die Lehnwörter ins Späturslawische, die die diag- nostischen phonetischen Eigenschaften aufweisen, können wiederum angesichts eini- ger früh(bair.)-ahd. Lautveränderungen, die um ca. 750 bzw. 770 stattfanden, in zwei Gruppen gegliedert werden, und zwar in die Wörter, die bis ca. 750 bzw. 770 übernom- men wurden, und in die Wörter, die zwischen ca. 750 bzw. 770 und ca. 800 entlehnt wurden. Für die Lehnwörter, die nur die späturslaw., aber keine früh(bair.)-ahd. Laut- veränderungen aufweisen, kann lediglich festgestellt werden, dass sie bis ca. 800 über- nommen wurden. Lehnwörter ohne spät(bair.)-ahd. Lautveränderungen zeigen, dass sie bis ca. 1050 übernommen wurden. 2.1 (Bairisch-)althochdeutsche Lehnwörter im Urslawischen bis ca. 750 bzw. 770 Das Sprachmaterial: 12 1) Entlehnungen bis ca. 750: frühahd. *kaisar (> ahd. keisar, keisur > mhd. keiser > nhd. Kaiser) → urslaw. *kěsaŕь > *cěsaŕь > slow. césar ‘Kai- ser’; 13 frühahd. raubian (> ahd. roubōn > mhd. rouben > nhd. rauben) → urslaw. *ru- biti > slow. rubīti, 1. Sg. Präs. rúbim ≥ rúbiti, 1. Sg. Präs. rúbim ‘pfänden’; ahd. fasta (> mhd. vaste > nhd. Faste veraltet, (der) Fasten) → urslaw. *postъ > slow. pȍst ‘der Fasten’; ahd. fihila > fīla (> mhd. vīle > nhd. Feile) → urslaw. *pila > slow. píla ‘Feile’; ahd. scrīni > scrīn (> mhd. schrīn > nhd. Schrein) → urslaw. *skrini, Gen. Sg. *skrinję ≥ slow. skrínja ‘Schrein’; ahd. scugina ‘Scheune’ (: mnd. schune → mhd. schiun(e) > nhd. Scheune) → urslaw. *skъdьńь, Gen. Sg. *skъdьńa > slow. skednj skednjȁ [skəd skədnjȁ] > slow. dial. *skednj *skegnjȁ ≥ skegnj skegnjȁ [skəg skəgnjȁ] ‘Scheune’; 2) Entlehnungen bis ca. 770: ahd. *budin (> butin) → urslaw. *bъdьńь, Gen. Sg. *bъdьńa > slow. bednj bednjȁ [bəd bədnjȁ] ‘Art Geschirr’; ahd. kubilo (> mhd. kübel > nhd. Kübel) → urslaw. *kъbьlъ, Gen. Sg. *kъbьla > slow. kebl keblȁ [kəb kəblȁ] ‘Art Geschirr’; ahd. trumba (> mhd. trumbe > trum(m)e → trum(b)el > nhd. Trommel) → urslaw. *trǫba > slow. trba ‘Trompete’. Für die Bestimmung der genaueren Entlehnungszeit der (bair.-)ahd. Lehnwörter im Urslawischen bis ca. 750 bzw. 770 stellen den terminus ante quem die früh(bair.)-ahd. Lautveränderungen, wie z. B. f [f] > [v] (pȍst, píla), th [þ] > [đ] > d, s [s] > [ṡ/ż] (césar, pȍst), sc/sk [sk] > [ṡk] (skrínja, skednj), h [x] > [γ] und d > t (bednj) (alles um ca. 750) als auch b > p (rubīti, bednj, kebl, trba) (um ca. 770) dar. Diese Lehnwörter unterlagen natürlicherweise auch den späturslaw. Lautveränderungen, z. B. der Mono- phthongierung der Diphthonge (césar, rubīti), der regressiven Zweiten Palatalisierung 12 Bei der Anführung des hochdeutschen Sprachmaterials bezeichnen die Abkürzungen ahd. und mhd. die sogenannte normalisierte, d. h. ostfränkische Form. Die bairische Form gleicht der ostfränkischen, außer im Falle der zusätzlichen Markierung durch die Abkürzungen ahd. bair. bzw. mhd. bair. 13 Es wird angenommen, dass urslaw. *cěsaŕь direkt aus einer altromanischen Vorlage, die aus lat. Caesar entstanden war, übernommen wurde (Snoj 3 2016: 101), und nicht mittels des Althochdeutschen. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 165 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 165 24. 03. 2021 14:20:53 24. 03. 2021 14:20:53 166 der Velare (césar, skednj), der Rundung *ă > *o (pȍst) und der Vokalreduktion *ĭ, *ŭ > *ь, *ъ (skednj, bednj, kebl). Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Wörter césar und rubīti ins Urslawische im Lauf der urslaw. Monophthongierung der Diphthonge entlehnt wurden, also bis ca. 700 (für césar ist es nicht sicher, dass es mittels des Althochdeutschen übernommen wur- de). Jedenfalls hatten die Slawen das Substantiv césar übernommen, bevor die urslaw. regressive Zweite Palatalisierung der Velare um ca. 800 abgeschlossen wurde, und das Verb rubīti, bevor das b im bair. Althochdeutschen zu p desonorisiert wurde, also bis ca. 700. Das ahd. w [] (das mhd. w [] bis ca. 1100) glich dem urslaw. *v [], deswegen wurde es als dasselbe ins Urslawische integriert (ins Slowenische durch das slow. *v [] bis ca. 1100, später jedoch wandelte es sich in Richtung [] > [w] > [v]) (vgl. vrden, voščīti, žvéplo, vȃga, vȋža, gvȁnt in 2.2, 2.4 und 3.1). Das ahd. [f] wurde im Ur- slawischen durch das urslaw. *p substituiert. Das Urslawische kannte in jener Epoche noch keinen Reibelaut [f], weswegen das [f] durch den homorganen Verschlusslaut ersetzt (pȍst, píla) wurde. Ähnlich wurde in dieser Zeit auch die ahd. stimmlose labiale Affrikate pf im Urslawischen (im Slowenischen bis ca. 1100) durch das urslaw. *p substituiert (vgl. pnez, pȍp, pónev, šūpa in 2.3 und 3.2). Das urslaw. *skъdьńь weist aus der Perspektive der (bair.)ahd.-urslaw. Lautsubs- titutionen und der späturslaw. Lautveränderungen die unerwartete Lautsequenz *-dь- auf. Ihre Entstehung wird allgemein als Substitut der (bair.-)ahd. Sequenz -gi- mit pala- talisiertem  in Position vor i erklärt. 14 Im Hinblick auf die Tatsache, dass die urslaw. regressive Zweite Palatalisierung der Velare noch das ganze 8. Jh. vonstatten ging, ist es möglich vorauszusetzen, dass die Palatalisierung auch in diesem Lehnwort wirkte, wobei wegen einer progressiven Dissimilation des Typs *s-ʒ = *s-dz ≥ *s-d eine dar- auf folgende Vereinfachung der Affrikate *ʒ = *dz anzunehmen ist, also ahd. scugina → urslaw. *skъgьńь > *skъʒьńь = *skъdzьńь ≥ *skъdьńь. 15 2.2 (Bairisch-)althochdeutsche Lehnwörter im Urslawischen zwischen ca. 750 bzw. 770 und ca. 800 Das Sprachmaterial: 1) Entlehnungen zwischen ca. 750 und 800: (urgerm. *werþaz >) ahd. wërd (> mhd. wert > nhd. wert) → urslaw. *verd-ьnъ > slow. vrden [wrdən] ‘wert’; (urgerm. *fader →) ahd. (gi)fatero → urslaw. *botrъ > slow. bter [btər] 14 Ramovš (1924: 275); Metka Furlan in Bezlaj (1995: 242). 15 Eine ähnliche, jedoch regressive Dissimilation des Typs *c-ʒ ≥ *t-ʒ fand z. B. auch in urslaw. *retęʒь ‘Kette’, *vitęʒь ‘Ritter’ statt (Shevelov 1964: 302) (urgerm. *rekingaz → urslaw. *recęʒь ≥ *retęʒь; urgerm. *wīkingaz → urslaw. *vicęʒь ≥ *vitęʒь). Eine Vereinfachung der palatalen Affrikaten zu dentalen Verschlusslauten, die allerdings nicht dissimilativ ist, kommt auch im Altgriechischen vor; die urindogermanischen Labiovelare spiegeln sich nämlich in Position vor e (die stimmlosen Labiovelare auch in Position vor i) als Dentale wider, wobei eine Zwischenstufe mit Palatal anzusetzen ist: *[k  e] > *[k  e] > *[k  e] > *[k ś e] > *[t ś e] > [te] (urig. *penk  e > gr. πέντε ‘fünf’; urig. *g  elb h us > gr. δελφύς ‘Mutterleib’; urig. *g h enō > gr. θείνω ‘ich schlage’; urig. *k  is > gr. τίς ‘wer?’) (Rix 2 1992: 87). Linguistica_2020_2_FINAL.indd 166 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 166 24. 03. 2021 14:20:53 24. 03. 2021 14:20:53 167 ‘Pate’; (urgerm. *skaþōn >) ahd. scado (> mhd. schade > nhd. Schade, Schaden) → urslaw. *škoda > slow. škda ‘Schaden’; ahd. hūs [*xūṡ], Gen. Sg. hūses [*xūżeṡ] (> mhd. hūs > nhd. Haus) → urslaw. *xyša, *xyža > slow. híša, slow. dial. híža ‘Haus’; 16 ahd. missa (> mhd. messe > nhd. Messe) → urslaw. *mьša > slow. máša ‘Messe’; 2) Entlehnungen zwischen ca. 770 und 800: ahd. abbat (> mhd. abbet > nhd. Abt) : ahd. bair. *appāt → urslaw. *opatъ > slow. opȃt ‘Abt’. Für die Bestimmung der genaueren Entlehnungszeit der (bair.-)ahd. Lehnwörter im Urslawischen zwischen ca. 750 bzw. 770 und ca. 800 markieren einerseits den terminus post quem die früh(bair.)-ahd. Lautveränderungen, wie z. B. f [f] > [v] (bter), th [þ] > [đ] > d (vrden, škda), s [s] > [ṡ/ż] (híša/híža, máša), sc/sk [sk] > [ṡk] (škda), h [x] > [γ] und d > t (bter) (alles um ca. 750) als auch b > p (opȃt) (um ca. 770) und ande- rerseits den terminus ante quem die späturslaw. Lautveränderungen, z. B. die Entrun- dung *ū 1 > *y (híša/híža), die Liquidametathese (vrden), die Rundung *ă > *o (bter, škda, opȃt) und die Vokalreduktion *ĭ, *ŭ > *ь, *ъ (máša). Das ahd. [v] wurde im Urslawischen durch das urslaw. *b substituiert. Das Ursla- wische hatte in jener Epoche noch keinen Reibelaut [v], deswegen wurde das [v] durch den homorganen Verschlusslaut ersetzt (bter). Die ahd. [ṡ/ż] und [ṡk] wurden im Ur- slawischen als urslaw. *š/*ž (híša/híža, máša) und *šk (škda) integriert. 2.3 (Bairisch-)althochdeutsche Lehnwörter im Urslawischen bis ca. 800 Sprachmaterial: ahd. kuning (> kunig (: ahd. bair. chuning > chunig) > mhd. künic > künec > nhd. König) → urslaw. *kъnęʒь > slow. knz ‘Fürst’; ahd. pfending > pfenning (pfennig > mhd. pfenninc, pfennic > nhd. Pfennig) 17 → urslaw. *pěnęʒь > slow. pnez veraltet ‘Münze; Geld’; ahd. mūta (> nhd. Maut) → urslaw. *myto > slow. mȋto ver- altet ‘Gebühr, Maut’ → mitnȋna ‘Gebühr’; ahd. pfaffo → urslaw. *popъ > slow. dial. pȍp ‘Priester’; ahd. pfanna (> mhd. pfanne > nhd. Pfanne) → urslaw. *pony, Akk. Sg. *ponъvь > slow. pónev [pónə] ‘Pfanne’; ahd. affo (> mhd. affe > nhd. Affe) → urslaw. *op-ica > slow. pica ‘Affe’; ahd. Karl → urslaw. *korĺь > slow. králj ‘König’; ahd. munih (> mhd. münich, münech, münch > nhd. Mönch) → urslaw. *mъnixъ > slow. menȉh [mənȉx] ‘Mönch’; ahd. kërvola, *kërvula (> mhd. kervele, kervel > nhd. Kerbel) → slaw. *kerbuĺa > slow. krebúlja ‘Kerbel’; ahd. jungiro (> mhd. junger > nhd. Jün- ger) → slaw. *jǫgьrъ > slow. jger [jgər] ‘Jünger, Apostel’; ahd. altāri, altari (> mhd. altāre, altære > nhd. Altar) → slaw. *oltaŕь > slow. oltár ‘Altar’. Diese Gruppe der (bair.-)ahd. Lehnwörter im Urslawischen bzw. Slawischen zeigt keine Reflexe der (bair.-)ahd. Lautveränderungen, die diagnostisch für die präzisere Bestimmung ihrer Entlehnungszeit bis ca. 800 wären. Gleichzeitig weist sie nur einige der späturslaw. Lautveränderungen auf, z. B. die Nasalisierung und die progressive Dritte Palatalisierung der Velare (knz, pnez), die Entrundung *ū 1 > *y (mȋto), die 16 Die Form *xyša mit *š spiegelt das (bair.-)ahd. [*xūṡ] mit [*ṡ] in stimmloser Umgebung, die Form *xyža mit *ž jedoch das (bair.-)ahd. [*xūż-] mit [*ż] in stimmhafter Umgebung wider (Bichlmeier 2010: 176–181). 17 Kluge ( 25 2011: 697): „Pfennig war ungefähr von 800–1200 die Währungseinheit.“ Linguistica_2020_2_FINAL.indd 167 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 167 24. 03. 2021 14:20:53 24. 03. 2021 14:20:53 168 Liquidametathese (králj, krebúlja), die Rundung *ă > *o (pȍp, pónev, pica, oltár) und die Vokalreduktion *ĭ, *ŭ > *ь, *ъ (jger, menȉh), die deshalb den terminus ante quem der Entlehnung darstellen. Für diesen Wortschatz kann man nur feststellen, dass er bis ca. 800 bzw. um ca. 800 ins Urslawische übernommen wurde. Einige der oben analysierten Entlehnungen sind ein wenig jünger. Das Wort krebúl- ja kennt keine (Zweite) Palatalisierung der Velare und sehr wahrscheinlich auch keine Entrundung *ū 1 > *y mehr, es weist jedoch die Liquidametathese auf. Auch in dem Wort jger wurde keine (Zweite) Velarpalatalisierung durchgeführt, es kam aber zur Vokalre- duktion *ĭ, *ŭ > *ь, *ъ. 18 Das Wort oltár zeigt keinen Reflex der Liquidametethese, son- dern nur den Reflex der Rundung *ă > *o. Die Wörter krebúlja und jger wurden nach der Wirkung der (Zweiten) Palatalisierung der Velare entlehnt. Das Wort oltár kennt keine Liquidametathese, sondern nur die Rundung *ă > *o. Das Wort krebúlja wurde also vor der Wirkung der Liquidametathese entlehnt, das Wort oltár jedoch danach. 2.4 (Bairisch-)althochdeutsche Lehnwörter im Alpenslawischen bis ca. 1000 bzw. 1050 Das Sprachmaterial: ahd. biscof (> mhd. bischof > nhd. Bischof) : ahd. bair. piscof → slaw. *pьškofъ > slow. *pškof > škȍf ‘Bischof’; 19 ahd. *wunskjan > wunscen/wuns- ken (> mhd. wünschen > nhd. wünschen) → slaw. *vǫščiti > slow. voščīti, 1. Sg. Präs. vščim ≥ vščiti, 1. Sg. Präs. vščim ‘wünschen’; ahd. skapf, skaf (> mhd. schaf > nhd. oberdeutsch Schaff) → slow. škȁf ‘Bottich, Schaff’; ahd. scrato (> mhd. schrat(e) > nhd. regional Schrat’) → slow. škrȁt ‘Schrat’; ahd. scāri (> mhd. scære > nhd. Schere) → slow. škȃrje ‘Schere’; ahd. truha > *truγa (> mhd. truhe > nhd. Truhe) → slow. dial. trúga ‘Truhe, Totentruhe’; ahd. zimbar (> mhd. zimber > zimmer > nhd. Zimmer) : ahd. bair. *zimpar → slow. dial. címper [címpər] ‘Dachstuhl’; ahd. swëbal, swëval (> mhd. swebel, swevel > nhd. Schwefel) : ahd. bair. *swëpal → slow. žvéplo ‘Schwefel’; ahd. roubōn (> mhd. rouben > nhd. rauben) : ahd. bair. roupōn → slow. rpati ‘rauben’; ahd. *zouberōn (> mhd. zoubern > nhd. zaubern) : ahd. bair. *zouperōn → slow. dial. cprati ‘zaubern’; ahd. louba (> mhd. loube > nhd. Laube) : ahd. bair. *loupa → slow. lpa ‘Laube’; ahd. scoup, scoub (> mhd. schoup, schoub > nhd. Schaub) → slow. škpa ‘Schaub’; ahd. flasca (> mhd. vlasche > nhd. Flasche) → slow. dial. bláška ‘Flasche’ (wenn nicht eine Ableitung mit dem slow. Suffix -ka zu einer jüngeren Ent- lehnung bláša); 20 ahd. scība (> mhd. schībe > nhd. Scheibe) : ahd. bair. scīpa (> mhd. bair. schīpe) → slow. šípa ‘Fensterscheibe’. 18 Als Ausgangspunkt des slow. jger wird auch *jǫgъrъ aus ahd. jungiro rekonstruiert (Ramovš 1936: 28–29; Bezlaj 1976: 232), wobei die Lautsequenz *-gъ- sehr wahrscheinlich wegen des Ausbleibens der Palatalisierung von *g angesetzt wird. Eine weitere Rekonstruktionsmöglichkeit ist *jǫgrъ aus mhd. jungero mit dem reduzierten mhd. -i- (Jazbec 2007: 46–47; Furlan 2014: 38). 19 Die Substitution ahd. [f] → slaw. f scheint unklar zu sein, denn bis ca. 1200 wäre die Substitution ahd. [f] → slaw. *p zu erwarten. Es ist wahrscheinlich, dass das neue f im Slowenischen zuerst im Auslaut und erst später in anderen Positionen vorkam. 20 Neben dem Lehnwort bláška kommen auch zwei spätere Entlehnungen aus derselben etymologischen Quelle vor, und zwar bláša (vgl. 3.2) und fláša (vgl. 3.3). Linguistica_2020_2_FINAL.indd 168 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 168 24. 03. 2021 14:20:53 24. 03. 2021 14:20:53 169 Für die Bestimmung der genaueren Entlehnungszeit der (bair.-)ahd. Lehnwörter im Alpenslawischen bzw. (Früh)slowenischen bis ca. 1000 bzw. 1050 können als terminus ante quem Lautveränderungen wie z. B. die ahd. Palatalisierung von [k] in der Kon- sonantengruppe [ṡk] (um ca. 1000) und der Wandel vom inlautenden -p- zu -b- im bair. Althochdeutschen (um ca. 1050) dienen. Die Lehnwörter škȍf, škȁf, škrȁt, škȃrje, škpa und bláška weisen den Reflex der ahd. Konsonantengruppe [ṡk] auf. Das bedeutet, dass sie nach dem Wandel des ahd. [sk] zu [ṡk] und sehr wahrscheinlich vor dessen Palatalisierung zu [ṡ], jedenfalls vor seiner Vereinfachung zu [š], d. h. ungefähr in der Zeit zwischen ca. 750 und ca. 1000 bzw. ca. 1100 entlehnt wurden. Das Substantiv škȃrje wurde vor dem Sekun- därumlaut von ā zu æ vor dem Vordervokal i in der folgenden Silbe (ahd. scāri > mhd. scære), der zwar schon am Ende der ahd. Zeit artikuliert (aber graphisch in den Schriftquellen erst seit dem 12. Jh. nachweisbar ist), übernommen. Die Konsonanten- gruppe šč in voščīti ist höchstwahrscheinlich das Integrat des ahd. [ṡk] in der Position vor Vordervokal und wahrscheinlich noch nicht der Reflex der palatalisierten Kon- sonantengruppe [ṡ]. Die Entlehnung voščīti ist nämlich älter, da sie noch die urslaw. Nasalisierung aufweist. Die Wörter škȍf, škȁf, škrȁt und bláška wurden nach der Rundung *ă > *o übernommen, als das alpenslawische Vokalsystem den Vokal *o schon besaß, weswegen ihre Entlehnung zwischen ca. 800 und ca. 1000 anzusetzen ist, das Wort škȍf jedoch sehr wahrscheinlich noch im Lauf der Vokalreduktion *ĭ, *ŭ > *ь, *ъ. Des Weiteren weisen die Lexeme škȍf und škȁf die Substitution der ahd. auslautenden -pf und -f mit dem neuen slow. f auf. Daraus kann man schließen, dass die Entlehnung des neuen Spiranten f im Slowenischen vor der Vereinfachung der Konso- nantengruppe [ṡk] zu [š] stattfand. Das Wort trúga wurde nach der (bair.-)ahd. Lenierung von [x] zu [γ] entlehnt, wobei dieses [γ] im Slowenischen durch das slow. g subs- tituiert wurde. Diese Entlehnung fand zugleich nach der Wirkung aller späturslaw. Lautveränderungen statt. Die Lehnwörter wie címper, žvéplo, rpati, cprati, lpa, škpa und šípa wurden vor der spätbair.-ahd. Sonorisierung des inlautenden -p- zu -b- um ca. 1050 übernom- men. Der ahd. Diphthong ou wurde im Alpenslawischen bzw. Frühslowenischen durch den Vokal o, der um ca. 800 entstanden war, substituiert (rpati, cprati, lpa, škpa). Daraus folgt, dass alle diese Wörter zwischen ca. 800 und 1050 entlehnt wurden. Das Wort címper weist keine urslaw. Nasalisierung auf, was bedeuten würde, dass sie spä- testens um 1050 nicht mehr im Lauf war. Die präzise Datierung der Entlehnungszeit von šípa scheint nicht unproblematisch zu sein. Das Wort wurde nämlich vor der Sonorisierung des inlautenden -p- zu -b- um ca. 1050 übernommen, es scheint jedoch die frühmhd. Vereinfachung der Konso- nantengruppe [ṡk] zu [š], die um ca. 1100 stattfand, aufzuweisen. 21 Im Slowenischen kommt ein anderes Lehnwort aus der selben bair.-ahd. Quelle scīpa vor, nämlich ščípa 21 „Entlehnung noch vor 1050 wegen -p-, aber bereits Wandel des ahd. sk über ṡk zu sch abgeschlossen“ (Striedter-Temps 1963: 218). „Izposojeno iz bav. srvn. refleksa schîpe »šipa« za srvn. Schîbe“ (Metka Furlan in Bezlaj 2005: 45), d. h.: Entlehnt aus dem bair.-mhd. Reflex schîpe ‘Scheibe’ zu mhd. schîbe. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 169 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 169 24. 03. 2021 14:20:53 24. 03. 2021 14:20:53 170 ‘Webestuhlrad, Sperrad’, wobei die Sequenz šč im Slowenischen durch Hyperkorrek- tion entstanden sein sollte. 22 Auch die Ursache der Hyperkorrektion ist nicht völlig klar. Es scheint, wahrscheinlicher zu sein, dass sowohl ščípa als auch šípa die Ent- lehnungen des bair.-ahd. scīpa sind und dass das slow. šč in ščípa der Reflex bzw. das Integrat des ahd. [ṡk] in der Position vor Vordervokalen widerspiegelt. Ähnlich stellt das slaw. *vǫščiti > slow. voščīti das Integrat des ahd. wunscen/wunsken [unṡken] dar. Wenn diese Interpretation zutreffend ist, ist das š in šípa nicht das Resultat der Vereinfachung der Konsonantengruppe [ṡk] im Deutschen, sondern der Sequenz šč im Slowenischen. 3 (BAIRISCH-)MITTELHOCHDEUTSCHE LEHNWÖRTER IM SLOWENICHEN (NACH CA. 1050) Die (bair.-)mhd. Lehnwörter im Slowenischen wurden ins Slowenische nach ca. 1050 bis ca. 1350 übernommen. Der genauere Zeitpunkt der Entlehnung einiger (bair.-)mhd. Lehnwörter kann aufgrund der (bair.-)mhd. Lautveränderungen, die nach ca. 1050 stattfanden, als auch angesichts der Substitution der (bair.-)mhd. an- und inlautenden Affrikate pf im Slowenischen festgestellt werden. Die (bair.-)mhd. Lautveränderungen, die eine präzisere Datierung der Entleh- nungszeit der deutschen Lehnwörter im Slowenischen ermöglichen, waren z. B.: 1) der bair.-ahd. inlautende stimmlose labiale Verschlusslaut -p- wurde um ca. 1050 zum stimmhaften labialen Verschlusslaut -b-, der danach, und zwar um ca. 1100, mit dem Reflex des mhd. w [v] zusammenfiel: 23 (urgerm. *-b- [*-ƀ-, *mb] > ahd. bair. -b- > -p- (um ca. 770) >) mhd. bair. -p- > -b- (um ca. 1050); 2) die mhd. Konsonanten- gruppe sc/sk [ṡk] wurde um ca. 1100 zum stimmlosen Zischlaut sch [š] vereinfacht: 24 (urgerm. *sk > ahd. sc/sk [sk] > [ṡk] (um ca. 750) >) mhd. sc/sk [ṡk] > sch [š] (um ca. 1100); 3) das mhd. runde bilabiale w [] wurde um ca. 1100 zum unrunden bilabialen [w] und im 13. Jh. zum labiodentalen [v]: 25 (urgerm. *w [*] > ahd. w [] >) mhd. w [] > [w] (um ca. 1100) > w [v] (13. Jh.); 4) der mhd. stimmhafte labiodentale Spirant v [v] wurde um ca. 1200 wieder zum stimmlosen labiodentalen Spiranten [f]: 26 (ur- germ. *f > ahd. f [f] > [v] (um ca. 750) >) mhd. v [v] > [f] (um ca. 1200); 5) die mhd. Diphthonge ei, ou wurden um ca. 1100 zu ai, au differenziert und um ca. 1200 im Bairischen zu ǫi, ǫu gerundet (später wurden sie zu ā vereinfacht, und zwar ǫu sofort nach 1200, ǫi allerdings vor 1300): 27 (urgerm. *ai > ahd. ai > ei (um ca. 800) >) mhd. ei > [ai] (um ca. 1100) > mhd. bair. [ǫi] (um ca. 1200) > ā; (urgerm. *au > ahd. au > ou (um ca. 800) >) mhd. ou > [au] (um ca. 1100) > mhd. bair. [ǫu] (um ca. 1200) > ā; 22 „[J]e možno, da je sln. ščípa hiperkorigirano iz *šípa“ (Metka Furlan in Bezlaj 2005: 22), d. h.: Es ist möglich, dass slow. ščípa eine Hyperkorrektion aus *šípa ist. 23 Kranzmayer (1956: 76). 24 Kranzmayer (1956: 111–112). 25 Paul ( 24 1998 ( 1 1881): 140–141); Kranzmayer (1956: 74). 26 Kranzmayer (1956: 87–88). 27 Kranzmayer (1956: 58–60, 66). Linguistica_2020_2_FINAL.indd 170 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 170 24. 03. 2021 14:20:54 24. 03. 2021 14:20:54 171 6) die mhd. langen Hochvokale ī, ū wurden um ca. 1100 zu ei, ou diphthongiert und um ca. 1250 weiter zu ai, au differenziert: 28 (urgerm. *ī > ahd. ī >) mhd. ī > [ei] (um ca. 1100) > [ai] (um ca. 1250); (urgerm. *ū > ahd. ū >) mhd. ū > [ou] (um ca. 1100) > [au] (um ca. 1250); 7) das mhd. a wurde um ca. 1200 im bair. Mittelhochdeutschen in Richtung zu offenem ǫ/ǭ gerundet: 29 (urgerm. *a/*ā > ahd. a/ā >) mhd. a/ā > mhd. bair. ǫ/ǭ (um ca. 1200); 8) die mhd. Zwischenlaute [ṡ], [ż] wurden im südbair. nhd. Dialekten spätestens um ca. 1500 zu Spiranten [s], [z], wobei der stimmhafte Zwischenlaut [ż] in anlautenden Konsonantengruppen [żl-], [żn-], [żm-], [żv-] zum stimmlosen Zischlaut [š] wurde: 30 nhd. südbair. [ṡ], [ż] > [s], [z] (um ca. 1500); nhd. südbair. sl-, sn-, sm-, sw- [żl-], [żn-], [żm-], [żv-] > schl-, schn-, schm-, schw- [šl-], [šn-], [šm-], [šv-] (um ca. 1500). Aufgrund der beschriebenen (bair.-)mhd. Lautveränderungen kann man schließen, dass für die präzisere Datierung der Entstehungszeit der (bair.-)mhd. Lehnwörter im Slowenischen vor allem die Zeitgrenzen um ca. 1050, 1100, 1200 und 1250 von Be- deutung sind. 3.1 (Bairisch-)mittelhochdeutsche Lehnwörter im Slowenischen bis ca. 1100 Das Sprachmaterial: ahd. wāga > mhd. wāge (> nhd. Waage) → slow. dial. vȃga ‘Waage’; (ahd. wīsa >) mhd. wīse (> nhd. Weise) → slow. dial. vȋža ‘Art und Weise; Singweise, Melodie’; (ahd. giwant >) mhd. gewant (> nhd. Gewand) → slow. dial. gvȁnt ‘Kleidung, Gewand’; (ahd. rīban >) mhd. rīben (> nhd. reiben) → slow. rȋbati ‘reiben’; mhd. rībīsen (> nhd. Reibeisen) → slow. rȋbežen [rȋbežən] ‘Reibeisen’; mhd. snīdære > snīder (> nhd. Schneider) → slow. dial. *žnȋder ≥ žnȋdar ‘Schneider’; mhd. rīs (> nhd. Reis) → slow. rȋž ‘Reis’; (ahd. sīda >) mhd. sīde (> nhd. Seide) → slow. žȋda veraltet ‘Seide’; (ahd. frīthof >) mhd. vrīthof (> nhd. Friedhof) → slow. dial. brȋtof ‘Friedhof’; (ahd. gilīh >) mhd. gelīch > glīch (> nhd. gleich) → slow. dial. glȋh ‘gleich’; mhd. *rīde → slow. dial. rída ‘Wendung, Serpentine, Kurve’; ahd. mūla > mhd. mūle (> nhd. Maul) → slow. múla ‘verdrießliche Miene’; mhd. rūt (> nhd. Raut) → slow. dial. rȗt ‘Gereut, Neuland’. Für die Bestimmung der genaueren Entlehnungszeit der (bair.-)mhd. Lehnwörter im Slowenischen zwischen ca. 1050 und ca. 1100 sind der terminus post quem die So- norisierung des inlautenden -p- zu -b- im bair. Mittelhochdeutschen und der terminus ante quem die mhd. Lautveränderungen wie z. B. die Vereinfachung von [ṡk] zu [š], die Entrundung von [] zu [w] und die Diphthongierung von ī, ū zu [ei], [ou]. Die Lehnwörter rȋbati, rȋbežen wurden nach der Sonorisierung des inlautenden -p- zu -b- im bair. Mittelhochdeutschen um ca. 1050 und vor der Diphthongierung von ī zu [ei] um ca. 1100 übernommen. Das mhd. v [v] wurde weiter als slow. b substituiert (brȋtof). Die mhd. pf, f wurden im Anlaut und im Inlaut durch das slow. p substituiert (vgl. šūpa in 3.2), im Auslaut jedoch schon nach ca. 1050 durch f (vgl. škȍf, škȁf in 28 Paul ( 24 1998 ( 1 1881): 101–104); Kranzmayer (1956: 48). 29 Kranzmayer (1956: 21). 30 Kranzmayer (1956: 89). Linguistica_2020_2_FINAL.indd 171 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 171 24. 03. 2021 14:20:54 24. 03. 2021 14:20:54 172 2.4, brȋtof). Die mhd. ī, ū blieben im Slowenischen unverändert (vȋža, rȋbati, rȋbežen, žnȋdar, rȋž, žȋda, glȋh, rída; múla, rȗt). 31 3.2 (Bairisch-)mittelhochdeutsche Lehnwörter im Slowenischen zwischen ca. 1100 und ca. 1200 Das Sprachmaterial: (ahd. wirt >) mhd. wirt (> nhd. Wirt) → slow. dial. bȋrt ‘Wirt’; ahd. flëc > mhd. vlëc (> nhd. Fleck) → slow. dial. blk ‘Flicken, Lappen’; (ahd. faʒʒōn >) mhd. vaʒʒen (> nhd. fassen) → slow. dial. básati ‘hineinstopfen, laden’; (ahd. fackala > fackla >) mhd. vackel (> nhd. Fackel) → slow. bȃkla ‘Fackel’; ahd. fimfchusti (> mhd. pfingeste(n) > nhd. Pfingsten) → slow. bȋnkošti ‘Pfingsten’; ahd. firmōn (> mhd. virmen > nhd. firmen) → slow. bȋrmati ‘firmen’; (ahd. folgēn >) mhd. volgen (> nhd. folgen) → slow. *blgati > [bgati] > bgati ‘gehorchen’; mhd. vürtuoch (> nhd. Vor- tuch ‘Schürze’) → slow. dial. bírtah ‘Schürze, Vortuch’; mhd. furkel (> nhd. steirisch Furkel) → slow. bȗrklja ‘Ofengabel’; mhd. vlasche → slow. dial. bláša ‘Flasche’ (vgl. 2.4); mhd. schupfe (> nhd. reg. Schuppen, bair. Schupfen) → slow. dial. šūpa ‘Schup- pen’; (ahd. pfarra >) mhd. pfarre (> nhd. reg. Pfarre) → slow. fára ‘Pfarre’; mhd. pfarrære (> nhd. Pfarrer) : mhd. bair. pfarr → slow. fȃr ‘Pfarrer’; mhd. *pharrehūs (> nhd. Pfarrhaus) → slow. fárovž ‘Pfarrhaus’; ahd. mālāri > mhd. mālære (> nhd. Ma- ler) → slow. dial. *mȃler ≥ mȃlar ‘Maler, Kunstmaler’; (ahd. bāra > mhd. bāre > nhd. Bahre): mhd. bair. *pāre → slow. dial. pāre ‘Bahre’; (ahd. brāto > mhd. brāte > nhd. (der) Braten) : mhd. bair. prāte → slow. dial. práta ‘Braten’; (ahd. glas >) mhd. glas (> nhd. Glas) → slow. dial. glȁž ‘Glas’; mhd. krage (> nhd. Kragen) → slow. dial. krágen [krágǝn] ‘Hals’; (ahd. salbeia, salveia >) mhd. salbeie, salveie (> nhd. Salbei) → slow. (dial.) žálbelj [žábəľ] ≥ žájbelj [žábəľ] ‘Salbei’; (ahd. salba >) mhd. salbe (> nhd. Salbe) → slow. dial. *žȃlba > žȃvba ‘Salbe’; (ahd. smag/smak >) mhd. smac, smach (> nhd. Ge-schmack) → slow. dial. žmȁh ‘Geschmack’; (ahd. seiffa >) mhd. seife (> nhd. Seife) → slow. dial. žȃjfa ‘Seife’; ahd. geisila > mhd. geisel (> nhd. Geißel) → slow. dial. gȃjžlja ‘Geißel’. Für die Bestimmung der (bair.-)mhd. Lehnwörter im Slowenischen zwischen ca. 1100 und ca. 1200 sind der terminus post quem die mhd. Lautveränderungen, wie z. B. die Vereinfachung von [ṡk] zu [š], die Entrundung von [] zu [w] und die Diphthongie- rung von ī, ū zu [ei], [ou] als auch die Substitution des mhd. an- und inlautenden pf mit dem neuen slow. f, der terminus ante quem jedoch die (bair.-)mhd. Lautveränderungen, wie z. B. die Desonorisierung von [v] zu [f] als auch die Rundung von [ai], [au] zu [ǫi], [ǫu] und a/ā zu ǫ/ǭ. 31 Neben den Lehnwörtern žnȋdar, rȋž, rída und rȗt kommen auch spätare Entlehnungen aus derselben etymologischen Quelle vor. Slow. dial. žnjder, rjda und rvt wurden nach der Diphthongierung von mhd. ī, ū > zu [ei], [ou] um ca. 1100 und vor der Differenzierung von [ei], [ou] zu [ai], [au] um ca. 1250 entlehnt, slow. dial. šnȃjder/šnȃjdar, rȃjž, rȃjda, rȃvt, allerdings nach der Differenzierung von [ei], [ou] zu [ai], [au] um ca. 1250, und zwar rȃjž vor dem Wandel s [ṡ/ż] > [s/z] in den südbair. nhd. Dialekten um ca. 1500, šnȃjder/šnȃjdar jedoch nach demselben. Die Lexeme žnȋdar/žnjder/ šnȃjder/šnȃjdar, rȋž/rȃjž, rída/rjda/rȃjda und rȗt/rvt/rȃvt bilden die sogenannten diachronen Wortfamilien (Furlan 2013: 69, 77). Linguistica_2020_2_FINAL.indd 172 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 172 24. 03. 2021 14:20:54 24. 03. 2021 14:20:54 173 Das Wort bȋrt wurde nach der Entrundung von mhd. [] zu [w] um ca. 1100 über- nommen. Die Lehnwörter blk, básati, bȃkla, bȋnkošti, bȋrmati, bgati, bírtah, bȗrklja und bláša wurden nach der Sonorisierung des (bair.-)ahd. [f] zu [v] um ca. 750 und vor dessen erneuter Desonorisierung zu [f] um ca. 1200 übernommen. 32 Das Wort blk weist keine weiteren diagnostischen Lautmerkmale auf. Hingegen zeigen die anderen Wörter dieser Gruppe keine späturslaw. Lautveränderungen – wie z. B. die Rundung *ă > *o (básati, bȃkla, bláša; bgati wurden schon zu der Zeit entlehnt, als im Alpenslawi- schen bzw. Frühslowenischen der Vokal *o schon vorhanden war), die Vokalreduktion *ĭ, *ŭ > *ь, *ъ (bȋrt, bȋrmati, bírtah, bȗrklja), die Nasalisierung (bȋnkošti). Dies weist darauf hin, dass sie frühestens nach ca. 850 übernommen wurden. Die Wörter šūpa und bláša wurden nach der Vereinfachung des mhd. [ṡk] zu [š] im (bair.) Mittelhochdeutschen entlehnt. Das Lehnwort šūpa zeigt deutlich, dass das mhd. an- und inlautende pf noch eine Zeit nach der Vereinfachung des mhd. [ṡk] zu [š] durch das slow. p substituiert wurde. In den Lehnwörtern fára, fȃr, fárovž wurde das mhd. an- und inlautende pf schon durch das neue slow. f ersetzt. Das Wort fárovž spiegelt die erste Phase der mhd. Diphthongierung von ū zu [ou] wider. Alle Substantive enthalten noch das bair.-mhd. a/ā vor seiner Rundung zu ǫ/ǭ; daraus kann man schließen, dass sie zwischen ca. 1100 und ca. 1200 entlehnt wurden. Die Wörter žȃjfa, gȃjžlja kamen nach der Differenzierung von [ei] zu [ai] im Mittel- hochdeutschen um ca. 1100 und vor der Rundung von ai zu ǫi um ca. 1200 ins Slowe- nische. Die Lehnwörter mȃlar, pāre, práta, glȁž, krágen, žájbelj, žȃvba, žmȁh spiegeln das bair.-mhd. a/ā wider, also wurden sie bis ca. 1200 entlehnt. 3.3 (Bairisch-)mittelhochdeutsche Lehnwörter im Slowenischen zwischen ca. 1200 und ca. 1250 Das Sprachmaterial: mhd. vlasche → slow. dial. fláša ‘Flasche’ (vgl. 2.4); mhd. vaʒʒen → slow. dial. fȃsati ‘bekommen’ (vgl. 3.2); (ahd. (h)leitar, leitara >) mhd. leiter(e) (> nhd. (die) Leiter) : mhd. bair. lǫiter → slow. dial. ljtra ‘die Leiter’; (ahd. meister >) mhd. meister (> nhd. Meister) : mhd. bair. mǫister → slow. dial. mjšter [mjštər] ‘Meister’; mhd. bair. *pharremǫister → slow. fármojšter [fármojštər] ≥ fájmošter [fájmoštər] ‘Pfarrer’; (ahd. grāvo >) mhd. grāve (> nhd. Graf) → slow. grȍf ‘Graf’; (ahd. waganāri >) mhd. wagener (> nhd. westoberdeutsch Wagner) : mhd. bair. *wo- gener → slow. dial. *bgner ≥ bgnar ‘Wagner’; (ahd. swāgur >) mhd. swāger (> nhd. Schwager) : mhd. bair. *swǭger → slow. *žbóger ≥ žbógar ‘Schwager’; mhd. rāthūs (> nhd. Rathaus) : mhd. bair. *rōthous → slow. rtovž veraltet ‘Rathaus’. Für die Bestimmung der (bair.-)mhd. Lehnwörter im Slowenischen zwischen ca. 1200 und ca. 1250 sind der terminus post quem die (bair.-)mhd. Lautveränderungen wie die Rundung von (ei, ou >) [ai], [au] zu [ǫi], [ǫu] und a/ā zu ǫ/ǭ als auch die 32 Neben den Lehnwörtern bȋrt, blk, básati, bȋrmati, bgati, bírtah kommen auch spätare Entlehnungen aus derselben etymologischen Quelle vor. Slow. dial. virt ‘Wirt’ wurde nach dem Wandel von [w] zu [v] im 13. Jh. entlehnt, slow. dial. flk ‘Fleck’, fȃsati ‘bekommen’, folgati ‘schaffen’, fírtah ‘Schürze, Vortuch’ allerdings nach der Desonorisierung von [v] zu [f] um ca. 1200. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 173 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 173 24. 03. 2021 14:20:54 24. 03. 2021 14:20:54 174 Desonorisierung von [v] zu [f], der terminus ante quem die Differenzierung der Diph- thonge (ī, ū >) [ei], [ou] zu [ai], [au]. Die Lehnwörter fláša, fȃsati wurden nach der Desonorisierung des mhd. [v] zu [f], aber vor der Rundung von a/ā zu ǫ/ǭ aus dem bair. Mittelhochdeutschen entlehnt. Die Wörter ljtra, mjšter, fármojšter wurden nach der Rundung von [ai] zu [ǫi], die Wörter grȍf, bgnar, žbógar, rtovž nach der Rundung von a/ā zu ǫ/ǭ entlehnt. Das Lehnwort fármojšter zeigt deutlich, dass im bair. Mittelhochdeutschen in der Zeit der Rundung von [ai] zu [ǫi] (-mojšter) noch keine Entrundung von a/ā zu ǫ/ǭ (fár-) statt- fand. Die Wörter bgnar, žbógar kamen ins Slowenische vor dem Wandel von [w] zu [v]. Die Verhältnisse der phonetischen Eingeschaften in den Wörtern fláša, fȃsati – fár- mojšter – bgnar, žbógar bestätigen die folgende relative Chronologie der (bair.-)mhd. Lautveränderungen um ca. 1200: die Desonorisierung von [v] zu [f], die Rundung von [ai] zu [ǫi] (und wahrscheinlich auch von [au] zu [ǫu]), die Rundung von a/ā zu ǫ/ǭ und den Wandel von [w] zu [v]. Da das Wort rtovž neben dem Reflex ǭ in der ersten Silbe auch den undifferenzierten Diphthong ou enhthält, kann seine Entlehnung also in die Zeit zwischen ca. 1200 und ca. 1250 datiert werden. 3.4 (Bairisch-)mittelhochdeutsche Lehnwörter im Slowenischen nach ca. 1250 Das Sprachmaterial: mhd. sackel (> nhd. österreichisch Säckel) → slow. žákelj [žákəľ] ‘Sack’; (ahd. wī(w)āri >) mhd. wī(w)ære [*weiære > *waiære] (> nhd. Weiher) → slow. dial. bȃjer ‘Weiher, Teich, Tümpel’; (ahd. dūsunt >) mhd. tūsent [*toużənt > *taużənt] (> nhd. tausend) → slow. dial. tȃvžent [tȃžənt] ‘tausend’; ahd. prëssa > mhd. prësse (> nhd. Presse) → slow. prša ‘Presse’; ahd. sëgan > mhd. sëgen (> nhd. Segen) → slow. dial. žgen [žgən] ‘Segen’; (ahd. sihhuri > sihhur >) mhd. sicher (> nhd. sicher) → slow. dial. žíher [žíxər] ‘sicher’; (mnd. sūpen →) mhd. suppe (> nhd. Suppe) → slow. dial. žúpa ‘Suppe’; (ahd. sliht > sleht >) mhd. sleht (> nhd. schlecht) → slow. dial. žlht ‘böse, schlecht’; (ahd. snōr > snuor >) mhd. snuor (> nhd. Schnur) → slow. dial. žnra ‘Schnur’. Für die Bestimmung der (bair.-)mhd. Lehnwörter im Slowenischen nach ca. 1250 ist der terminus post quem z. B. die mhd. Differenzierung der Diphthonge (ī, ū >) [ei], [ou] zu [ai], [au]. Das Wort žákelj wurde nach der Senkung von ä zu a in südbair. nhd. Dialekten um ca. 1200 entlehnt (Kranzmayer 1956: 24). Die Lehnwörter bȃjer, tȃvžent wurden nach der Differenzierung der Diphthonge (ī, ū >) [ei], [ou] zu [ai], [au] um ca. 1250 über- nommen. Das Wort bȃjer enthält das slow. b für (bair.-)mhd. [w], was bestätigt, dass der Wandel von [w] zu [v] später stattfand. Die Wörter žákelj, tȃvžent, prša, žgen, žíher, žúpa, žlht, žnra weisen die Reflexe der mhd. Zwischenlaute [ṡ], [ż] und der an- lautenden Konsonantengruppen [żl-, żn-, żm-, żv-] auf. Für diese kann man mit Sicher- heit nur sagen, dass sie vor dem Wandel von [ṡ], [ż] zu [s], [z] und [żl-, żn-, żm-, żv-] zu [šl-, šn-, šm-, šv-] in südbair. nhd. Dialekten um ca. 1500 entlehnt wurden. Linguistica_2020_2_FINAL.indd 174 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 174 24. 03. 2021 14:20:54 24. 03. 2021 14:20:54 175 4 SCHLUSSBEMERKUNGEN Aufgrund der relativen und absoluten Chronologie der Lautveränderungen sowohl im bair. Alt- und Mittelhochdeutschen als auch im Urslawischen, Alpenslawischen und Frühslowenischen kann man für die (bair.-)ahd. und (bair.-)mhd. Lehnwörter im (dia- lektalen und Schrift-)Slowenischen, die die deutschen oder slawischen diagnostischen phonetischen Eigenschaften aufweisen, eine ziemlich präzise relative und absolute Chronologie der Entlehnungszeit erstellen. Für die Bestimmung der präziseren Entlehnungszeit der (bair.-)ahd. Lehnwörter im Slowenischen sind einige (bair.-)ahd. Lautveränderungen um ca. 750, 770 und 1050 wie auch einige späturslaw. Lautveränderungen um ca. 800 von großer Bedeutung. Die folgenden (bair.-)ahd. Lehnwörter wurden ins Slowenische in den folgenden Epo- chen übernommen, und zwar: 1) bis ca. 750: césar, rubīti, pȍst, píla, skrínja, skednj, bednj, kebl, trba; 2a) zwischen ca. 750 und ca. 800: vrden, bter, škda, híša/híža, máša; 2b) zwischen ca. 770 und ca. 800: opȃt; 3) bis ca. 800 bzw. um ca. 800: knz, pnez, mȋto, pȍp, pónev, pica, králj, menȉh, krebúlja, jger, oltár; 4) bis ca. 1000 bzw. 1050: škȍf, voščīti, škȁf, škrȁt, škȃrje, trúga, címper, žvéplo, rpati, cprati, lpa, škpa, bláška, šípa. Für die Bestimmung des genaueren Zeitpunktes der Entlehnung von (bair.-)mhd. Lehnwörtern im Slowenischen sind einige (bair.-)mhd. Lautveränderungen um ca. 1050, 1100, 1200 und 1250 bedeutsam. Die folgenden (bair.-)mhd. Lehnwörter wurden ins Slowenische in den folgenden Zeitabschnitten entlehnt, und zwar: 1) bis ca. 1100: vȃga, vȋža, gvȁnt, rȋbati, rȋbežen, žnȋdar, rȋž, žȋda, brȋtof, glȋh, rída, múla, rȗt; 2) zwi- schen ca. 1100 und ca. 1200: bȋrt, blk, básati, bȃkla, bȋnkošti, bȋrmati, bgati, bírtah, bȗrklja, bláša, šūpa, fára, fȃr, fárovž, mȃlar, pāre, práta, glȁž, krágen, žájbelj, žȃvba, žmȁh, žȃjfa, gȃjžlja; 3) zwischen ca. 1200 und ca. 1250: fláša, fȃsati, ljtra, mjšter, fármojšter, grȍf, bgnar, žbógar, rtovž; 4a) nach ca. 1200: žákelj (und bis ca. 1500); 4b) nach ca. 1250: bȃjer, tȃvžent (und bis ca. 1500); 4c) bis ca. 1500: prša, žgen, žíher, žúpa, žlht, žnra. Quellen- und Literaturverzeichnis BEZLAJ, France (1976, 1982, 1995, 2005, 2007) Etimološki slovar slovenskega jezika. I–V. Ljubljana: Slovenska akademija znanosti in umetnosti, Inštitut za slovenski jezik ZRC SAZU. 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ŠEKLI, Matej (2020) „Relativna in absolutna kronologija (bavarsko)staro- in -srednje- visokonemških izposojenk v slovenščini.“ Jezikoslovni zapiski 26/1, 7–25. Zusammenfassung ZUR DATIERUNG DER (BAIRISCH-)ALT- UND -MITTELHOCHDEUTSCHEN LEHNWÖRTER IM SLOWENISCHEN: RELATIVE UND ABSOLUTE CHRONOLOGIE Aufgrund der relativen und absoluten Chronologie der Lautveränderungen sowohl im bair. Alt- und Mittelhochdeutschen als auch im Urslawischen, Alpenslawischen und Frühslowenischen kann man für die (bair.-)ahd. und (bair.-)mhd. Lehnwörter im (dialektalen und Schrift-)Slowenischen, die die deutschen oder slawischen diagnosti- schen phonetischen Eigenschaften aufweisen, eine ziemlich präzise relative und ab- solute Chronologie der Entlehnungszeit festlegen. Für die Bestimmung der präziseren Entlehnungszeit der (bair.-)ahd. Lehnwörter im Slowenischen sind einige (bair.-)ahd. Lautveränderungen um ca. 750, 770 und 1050 wie auch einige späturslawische Laut- veränderungen um ca. 800 von großer Bedeutung. Für die Bestimmung des genaueren Zeitpunktes der Entlehnung von (bair.-)mhd. Lehnwörtern im Slowenischen sind ei- nige (bair.-)mhd. Lautveränderungen um ca. 1050, 1100, 1200 und 1250 bedeutsam. Schlüsselwörter: Etymologie, Lehnwort, Lautwandel, relative und absolute Chrono- logie, (bairisches) Alt- und Mittelhochdeutsch, Slowenisch Abstract THE RELATIVE AND ABSOLUTE CHRONOLOGY OF (BA V ARIAN) OLD AND MIDDLE HIGH GERMAN LOANWORDS IN SLOVENE On the basis of the relative and absolute chronology of some sound changes in (Ba- varian) Old and Middle High German as well as in Proto-Slavic, Alpine Slavic, and Early Slovene, it is possible to establish a precise relative and absolute chronology of the time of the borrowing of (Bavarian) Old and Middle High German loanwords into (dialect and standard) Slovene, provided that the loans analyzed display diagnostic German and/or Slovene characteristics at the phonological level. For a more precise determination of the time of the integration of (Bavarian) Old High German loanwords into Slovene, certain (Bavarian) Old High German sound changes around AD 750, 770, and 1050 and certain late Proto-Slavic and early Common Slavic sound changes around AD 800 are decisive. To particularize the time of the integration of (Bavarian) Middle Linguistica_2020_2_FINAL.indd 177 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 177 24. 03. 2021 14:20:54 24. 03. 2021 14:20:54 178 High German borrowings in Slovene, especially some (Bavarian) Middle High German sound changes around AD 1050, 1100, 1200, and 1250 are relevant. Keywords: etymology, loanword, sound change, relative and absolute chronology, (Bavarian) Old and High German, Slovene Povzetek RELATIVNA IN ABSOLUTNA KRONOLOGIJA (BA V ARSKO)STARO- IN -SREDNJEVISOKONEMŠKIH IZPOSOJENK V SLOVENŠČINI Na osnovi relativne in absolutne kronologije glasovnih sprememb tako v (bavarski) stari in srednji visoki nemščini kot v praslovanščini, alpski slovanščini in zgodnji slo- venščini je za tiste (bavarsko)staro- in -srednjevisokonemške izposojenke v (narečni in knjižni) slovenščini, ki izkazujejo nemške ali slovanske diagnostične glasovne last- nosti, možno podati dokaj natančno relativno in absolutno kronologijo časa njihovega prevzema. Za natančnejšo datacijo prevzema (bavarsko)starovisokonemških izposo- jenk v slovenščini so zelo pomembne nekatere (bavarsko)starovisokonemške glasovne spremembe okoli 750, 770 in 1050 ter nekatere poznopraslovanske okoli 800. Za dolo- čanje natančnejšega časa prevzema (bavarsko)srednjevisokonemških izposojenk v slo- venščini so pomembne nekatere (bavarsko)srednjevisokonemške glasovne spremembe okoli 1050, 1100, 1200 in 1250. Ključne besede: etimologija, izposojenka, glasovna sprememba, relativna in absolutna kronologija, (bavarska) stara in srednja visoka nemščina, slovenščina Linguistica_2020_2_FINAL.indd 178 Linguistica_2020_2_FINAL.indd 178 24. 03. 2021 14:20:54 24. 03. 2021 14:20:54