DAS SLOWENISCHE LUZIENBROT (»LUCIJŠČAK«) Zur Kulturgeschichte der mittwinterlichen Kultspeisen im Ostalpenraum und auf dem Nordwestbalkan Leopold Kre t z enbach er I. Die hochentwickelte skandinavische Volkskundeforschung und mit ihr jene Richtung innerhalb der deutschen Volkskunde, die sich beson- ders mit dem Problem einer Kontinuität germanischer Überlieferungen auf dem Felde der geistigen wie der materiellen Volkskultur befasst, haben wiederholt und in eingehenden Studien auf das Bestehen einer eigenartigen Brauchtumserscheinung der Mittwinterzeit hingewiesen, auf das Mädchen »Luzia«, das in Schweden im Morgengrauen des 13. XII. mit einem Lichterkranz auf dem tiaupte erscheint und alle Hausleute mit einem besonderen Brote beschenkt. Der 13. Xn., an dem die katholische Kirche das Fest einer angeb- lichen Märtyrerjungfrau Lucia aus Syrakus, die um das Jahr 300 ge- martert worden sein soll, feiert, war bis zur Kalenderreform des Papstes Gregor XHL im Jahre 1582 tatsächlich als Winter-Solstitium der kürzeste Tag im Jahre; der Tag mit der längsten Nacht und also die Wintermitte, die bei allen indogermanischen Völkern mit Totenfeiern und Ahnen- gedenken, mit Losorakeln und magischen Riten zur Erreichung der Fruchtbarkeit im kommenden Jahre erfüllt war. Auch der berühmte »Slovenski kolendar« des Primus Trubar, im Jahre 1557, also vor der Gregorianischen Reform gedruckt, zeigt diese Jahresteilung im Reim- spruch^ genau so wie alte finnische Runenstabkalender^ und hunderte von Kalendersprüchen aller christlichen Völker des Abendlandes, die auf Lucia den Mittwinter setzten.^ Immerhin handelt es sich bei der schwedischen »Lussibrud« (Luzien- braut) nicht etwa um die Kontinuität einer Heiligenverehrung aus der ^ »Šent Vid ima dan nerdalši, / Lucija pak ner ta kratši, / spet Vid ima nuč nermanšo, / šent Lucija pak nerdalšo.« Neudruck bei F. Kotnik, Pre- gled slovenskega narodopisja. Sammelwerk: Narodopisje Slovencev, I, Ljub- ljana 1944, S. 21. ^ U. Ha rva. Volkstümliche Zeitrechnung im Eigentlichen Finnland. (Folk-Liv, Zeitschrift für Nordische und Europäische Volkskunde, Jahrgang 1957, Stockholm, Heft 1, S. 61 ff.) = A. Helm, Das Alter der Sprüche auf Luzia und Veit. (Schweizerisches Archiv für Volkskunde XLIV, Basel 1947, S.268f.) 197 Leopold Kretzenbacher vorprotestautisclieii Zeit. Vielmehr ist es eine relativ junge, zum Teil aus Deutschland übertragene und vorwiegend von den Städten aus getragene, gegenwärtig besonders stark sich verbreitende Entwicklung einer Mittwinterfeier, in der allerdings vorchristliche Elemente in der Zeitwahl, in den Beigaben des Lichtes und des Kultbrotes mitspielen.* Es ist sicher, dass die schwedische Lussibrud die Funktion einer mitt- winterlichen Schicksalsfrau vorchristlicher Gläubigkeit übernommen hat, eines weiblichen Mythenwesens, das in der Zeit der Mittwinternächte umgeht. Gaben bringt und (ganz im Sinne der typischen Ambivalenz solcher Mythengestalten) auch notfalls schreckliche Strafen auszuführen androht. Es ist ferner auch sicher, dass sich die christliche Kirche vom frühen Mittelalter an bemüht hat, diesem heidnischen Mythenwesen dunkler Art im Volksglauben dadurch entgegen zu wirken, dass sie ihr die Licht- gestalt einer Märtyrerjungfrau mit dem Namen einer »Lichtträgerin«, einer »Leuchtenden«, eben »Lucia« entgegenstellte. Ihr Fest hat die Kirche genau auf den alten Mittwintertag, den 13. XIL angesetzt. Die Verehrung der neuen Heiligen, die gar nicht einmal historisch glaub- würdig gesichert ist, sondern vielmehr aus mindestens zwei Trägerinnen dieses Namens zusammengesetzt zu sein scheint,^ die aber gleichwohl früh in den Canon Missae aufgenommen wurde,'' hat die Kirche in ver- schiedenen Wellen über die ganze christianisierte Welt auszubreiten gesucht. Zur an sich schon schablonenmässig angelegten, ziemlich ro- manhaft klingenden Luzienlegende^ (nach einer griechischen passio des 6. Jahrhunderts*) trat im Mittelalter dann auch noch das »Motiv von den schönen Augen«, die sich die reine Jungfrau ausgerissen haben soll, um sich einem heidnischen Freier zu entziehen. Die Dichtung Dantes" und * C. W. von Svdow, Luzia und Christkindlein. (Zeitschrift für Volks- kunde, N.F.II, Berlin 1931, S. 71 ff.) — C. M. Bergstrand, Lucia i Väster- götland. (Folkminnen och Folktankar XXII, Göteborg 1935, S. 16 ff.) — H. C e - 1 a n d e r. Lucia och Lussebrud i Värmland och angränsade landskap. (Svenska kulturbilder, Ny Följd, III. Band, Teil V, 1936, Nordisk Jul.) — K. Me. Lennan, Lussi. (Dissertation.) Heidelberg 1938, S.6f. — W. Liungman, Traditions- wanderungen Euphrat — Rhein. Studien zur Geschichte der Volksbräuche. Teil II (F. F. Communications Nr. 119), Helsinki 1938, S. 650 ff. ^ Die Acta Sanctorum der Societas BoUandiana (Bollandisten), von denen eine Klärung der gesamten Quellenlage und der historischen Erscheinungen erwartet werden darf, sind noch nicht bis zum 13. XII., dem heute allein gül- tigen Festtage der hl. Luzia gediehen. Zur Gesamtlage vgl. A. B i g 1 m a i r im Lexikon für Theologie und Kirche, herausgegeben von M. Buchberger. Band VI, Freiburg im Breisgau 1934, Spalte 675 sub voce »Lucia«. " E. H o s p. Die Heiligen im Canon missae. Graz 1926, S. 221. ' Zur älteren Legendenform vgl. Jacobi a Voragine »Legenda aurea«, herausgegeben von Th. Grasse, 3, Auflage, Breslau 1890. (Luzienlegende, cap. IV, S. 29 ff.) ' J. de Joanne, Acta sincera S. Luciae. Palermo 1758, S. 58 ff. * Das Motiv findet sich noch nicht bei Jacobus de Voragine, deutlich aber in der Divina Commedia. Vgl. F. Cristofori, Deila Lucia simbolo della carita ... nel cielo dantesco. Catania 1890. (Mir leider nicht zugänglich.) 198 Das slowenische Luzienbrot (»Lucijščak«) die gesamte bildende Kunst Itediens hat das Motiv seither solcherart verwendet, dass die Heilige diese Augen auf einem Teller als Attribut bei sich führt^" und im ganzen Mittelmeergebiete als himmlische Augen- ärztin gleich der deutschen Ottilia (ebenfalls am 13. XH.) angerufen wird. Aber wie so oft hat die gesamte nordische und westeuropäische Volkskunde auf das reiche slawische, in unserem Falle besonders slo- wenische Vergleichsmaterial vergessen. Und doch liessen sich bei Slo- wenen und Kroaten noch in jüngster Zeit wichtige Überlieferungen zur mittwinterlichen Brauchfeier in Sagen und Kultbräuchen aus leben- digen Quellen aufzeichnen. Ein weiter Bogen von Landschaften mit Vorstellungen und Bräuchen um die heidnische »dunkle Lucia« und um die »helle Lucia«, die christliche Märtyrin, spannt sich vom deutschen Osten über Böhmen, Mähren und die Slowakei, über das österreichische Burgenland, die Oststeiermark uiid Westungarn in die zentrale Mythenlandschaft des slowenischen Prekmurje.^^ Weite Gebiete, insbesondere das kroatische Medjimurje und die Lika schliessen sich an. Mittel- und Norddal matten, die Inseln des Primorje gehören noch dazu und nicht zuletzt jener überlieferungsreiche Raum von Slowenien, Friaul und Südostösterreich, für den jüngst Milko Matičetov die dringende Forderung nach Zusammenarbeit der Wissenschaft über die sprachlichen vind politischen Grenzen hinweg erhoben hatte, da sich hier in den Südostalpen die drei wichtigsten Völkerfamilien des heutigen Europa, die Romanen, die Germanen und die Slawen zeitlich hintereinander auf keltisch-illyrischer Grundlage die Wohnsitze nebeneinander suchten und behielten. Der slowenische Volksboden nimmt also in dieser weiten »My- thenlandschaft« die Mitte ein. Das gilt einmal hinsichtlich der Urtümlichkeit der Überlieferungen vom Umgang der schwarzen Lucija und ihrer schreckhaften Begleitung.^' Zum andern aber bewahrt Slo- " Zur Ikonographie vgl. J. Braun, Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst. Stuttgart 1943, Spalte 467 ff. Dazu die Wiedergabe eines kleinen Andachtsbildes der hl. Lucia aus dem slowenischen Wallfahrts- orte Skaručna in Krain aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert bei M. T u r n - Sek, Pod vernim krovom. Ob ljudskih običajih skoz cerkveno leto, Band I, Ljubljana 1943, S. 21. Der Kupferstecher heisst jedoch nicht »Kraupert« aus Graz, wie dort irrtümlich steht. Es dürfte sieh vielmehr um den bekanntesten aus der Kupferstecherfamilie der Grazer Kauperz, um Johann Veit Kauperz (1741—1816) handeln. Über ihn vgl. G. Gugitz, Das kleine Andachtsbild in den österreichischen Gnadenstetten in Darstellung, Verbreitung und Brauch- tum nebst einer Ikonographie. Ein Beitrag zur Geschichte der Graphik. Wien 1950, S. 39 ff. Vgl. vorläufig L. Kretzenbacher, Lutzelfrau und Pudelmutter. Ein Beitrag zur Sagenkunde des Burgenlandes. (Burgenländische Heimatblätter, XIII, Eisenstadt 1951, Heft 3, S. 162 ff.) M. Matičetov, Le rotelle infuocate nelle Alpi orientali. (Ce fastu? Rivista della Societa Filologica Friulana XXVII—XXVIE, Udinel951—1952, S. 111. " Eine der ältesten und wichtigsten Beschreibungen des Luzienbrauches bei den Ostslowenen: J. Pajek, Crtice iz duševnega žitka štajerskih Slo- vencev, Ljubljana 1884, S. 93 (Sv. Križ na Murskem polju). 199 Leopold Kretzenbacher weiiieii auch eine Fülle jener kulturhistorisch fassbaren Denkmäler, die ' diese ein Jfihrtausend währende Auseinandersetzung zwischen der alten, i bodenständigen, perchten-artigen Mythenfrau und der kirchlichen Ge- i gensetzung einer syrakusanischen Lichtheiligen Lucia zeigen. Es sind die j vielen slowenischen Wallfahrtsorte zur Augenpatronin Lucia,^* allen ] voran jener grosse zu Skoručna (Skaručina), die Kapellen, Bildstöcke, , Altäre, Bruderschaften und Bildwerke. Die Rolle der slowenisch-kroatischen Luzienüber- i lieferungen ausserchristlicher Art, ihre Widerspiegelung in der i kirchlichen Gegenbewegung des frühen Mittelalters, die im Räume der i Südostalpen besonders von A q u i 1 e j a getragen scheint, im deutsch- ^ böhmischen Räume hingegen anscheinend besonders von Regenburg ; aus,^° ferner die neuerliche Welle der kirchlichen Luzienverehrung, die i insbesondere nach der Gregorianischen Kalenderreform im Barock von \ Venedig aus sich nordostwärts verbreitete und noch in der gegen- i wärtigen Ausdehnung eigenartige Kulturgrenzen erkennen lässt, muss ¦ einer grösseren Sonderuntersuchung vorbehalten bleiben.^" ] In der vorliegenden Studie sei zunächst auf das Problem der beson- j deren Kultspeise hingewiesen, die sich an den alten Mittwinter- ' termin und an den Namen der umziehenden Luzia knüpft. Denn hier i bietet die slowenisch-kroatische Uberlieferung das urtümlich verbliebene i grosse Gegenstück zu den rezenten skandinavischen Brauchformen, zur ; Frage der Überlieferung von Kultspeisen und ihrer Funktion im Brauch- • tumsleben überhaupt. Auch hier sind die slawischen Überlieferungen i ein integrierender Bestandteil der gesamteuropäischen Volkskultur und i dürfen in der heute so oft geforderten »europäischen Volkskunde« auf \ keinen Fall mehr übergangen werden.^' i II. Wir sprachen eingangs davon, dass die schwedische»Luzien- ' b r a ti t« bei ihrem Erscheinen am frühen Morgen des 13. XII. allen \ Hausleuten ein besonderes Gebildbrot, das »1 u s s i b r ö d« bringt, das " Z. B. Skoručna bei Vodice — Kamnik und Begunje bei Radovljica in Krain; Studenice bei Slov. Bistrica in Untersteiermark; St. Luzia auf dem Rupertiberg, Unterkärnten; St. Luzia bei Schwabegg, Unterkärnten; St. Luzia auf der Tratten, Unterkärnten. Der einzige Luzienwallfahrtsort nördlich der Drau ist Altersberg bei Trebesing in Oberkärnten. Vgl. vorläufig: L. Kretzenbacher, Santa Lucia und die Lutzelfrau. (Neue Chronik zur Geschichte und Volkskunde der innerösterreichischen Alpenländer. Nr. 6, Beilage zur Südost-Tagespost, Graz, Nr. vom 7. IX. 1932.) — Vgl. vorläufig: H. {— J. H an i k a), St. Lucia und die altbayerische Mission. (Zeüschrift: Christ unterwegs, VI. Jahrgang, München 1932, Nr. 12, S. 9 f.) " Eine umfassende Studie über »Santa Lucia und die dunkle Luzientrau. Zu Sage, Brauch und Kult einer Schicksalsgestalt im Ostalpenraum und auf dem Nordbalkan« von L. Kretzenbacher liegt druckfertig vor. " Vgl. K. Meisen, Europäische Volkskunde als Forschungsaufgabe. (Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde III, Bonn 1932, S. 7 ff.) ¦ 200 Das slowenische Luzienbrot (»Lucijščak«) in Schweden seltsamerweise auch »1 u s s e k a 11 r«, »d ö v e 1 s k a 11 r«, dass heisst »Luzienkatzen, Teufelskatzen« genannt wird. Dieses Knauf- gebäck (15 cm lang, 10 cm dick, safrangelb, aus Weizenmehl gebacken und mit vier ohrenartigen Ansätzen ausgezackt) ist ein fester Bestandteil dieses neuerdings von der Stadt her immer mehr an Boden gewinnenden Volksbrauches. Es wurde über die schwedischen Kolonien in vielen grösseren Städten Europas bei den nationalschwedischen Luzienfeiern bekannt. Häufig ist es beschrieben und abgebildet.^'* Vielfältig und in einander oft widersprechenden Auffassungen ist es gedeutet. Sehen wir uns nun im zweiten grossen »Luziengebiet« Europas, im deutsch-slawischen Südostalpenraum und auf dem Nordwestbalkan nach solchen Kultspeisen um. Hier müssen wir sofort feststellen, dass es im gesamten in sich geschlossenen Sagen- und Brauchgebiet einer umziehen- den Luzia (»Lutzelfrau«, »Luz«) im niederösterreichisch-burgenlän- disch-oststeirischen Grenzland^" trotz einer Fülle sonstiger Begleit- erscheinungen des Luzienbrauches (Losorakel, Wetterprophezeiungen, Bescherungen, maskiertes Auftreten der Mythenfrau usw.) keinerlei Form eines Festgebäckes oder einer volksglaubensmässigen Erinnerung an irgend ein Gebildbrot, eine Kultspeise gibt, die auch namentlich mit St. Luziens Tag in Verbindung gebracht würde. Die nördlichsten Belege eines festlichen Luziengebäckes in den von lins untersuchten Gebieten entstammen den südlichen Grenzgebieten der österreichischen Steiermark. Es ist das deutsch besiedelte S u 1 m t a 1 mit dem südlichen Seitenarm des Saggautales nahe der Sprachgrenze und die Gegend um die Stadt Leibnitz herum zwischen Sülm und Mur. Bis zur letzten Jahrhundertwende w^ar es im mittleren Sulmtale, besonders in der Gegend von Gleinstätten allgemein üblich, am Tage der hl. Luzia einen flachen, runden Fladen etwa 12 cm im Durchmesser und 1 cm dick aus grobem Maismehl ungesäuert in der Herdasche zu backen. Er wurde an alle Hausgenossen verteilt und sollte »auf nüchternem Magen« genossen werden. Noch um 1938 wurden dem Steirischen Volkskundemuseum in Graz solche »Lutzifleck« (plur. 21 M. H ö f 1 e r, Knaufgebäcke. (Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, N. F. XII, Berlin 1902, S. 430 ff.) " W. Linn gm an, Traditionswanderungen Euphrat-Rhein, II, 655, lehnt die Annahme einer bodenständig-schwedischen Kontinuität dieses Mittwinter- brotes am Luzientage ab und nimmt deutsche Beeinflussung an: »Die schwe- dischen Teufelskatzen stammen von Friedrichstadt in Holstein, wohin sie von Holländern bei ihrer Niederlassung etwa um das Jahr 1620 als Nikolausgebäck (Düvkater) eingeführt wurden.« ^° Zum Gegenwartsbestand vgl.: L. Kretzenbacher, Lutzelfrau und Pudelmutter. (Burgenländische Heimatblätter, XIII, Eisenstadt 1951, S. 162 ff.) —• L. Schmidt, Berchtengestalten im Burgenland. Mit einer Verbreitungs- karte. (Ebenda XIH, 1951, S. 129 ff., besonders S. 131 ff.) — Derselbe, Zu den Berchtengestalten des Burgenlandes. Materialnachlese, Motivbeziehungen, Problemvorschau. L Teil. (Ebenda XIV, 1952, S. 122 ff.) — D e r s e I b e. Zu den Berchtengestalten des Burgenlandes, IL Teil. (Ebenda XIV, 1952, S. 170 ff.) H. M. F u c h s, Gebildbrote aus Steiermark. (Zeitschrift für Volkskunde, N.F.IV, Berlin 1933, S. 231; aus St. Peter im Sulmtale.) — Die österrei- 201 Leopold Kretzenbacher gebracht die seltsamerweise auch »L u z i a s t r i e z e 1« (-stritzl) genannt werden, wiewohl man sonst unter »Strizl« ein geflochtenes Gebäck, etwa den aus einem Haarzopfopfer entstandenen »Allerheiligenstriezel« ver- steht.^^ Die meisten Gewährsleute versichern übereinstimmend, dass es sich bei dieser Art Luzienbrot um ein Schutzmittel gegen den Biss toll- wütiger Hunde handle. So auch in Strass, südlich Leibnitz hart an der jugoslawisch-österreichischen Staatsgrenze, wo das »F 1 e c k - E s s e n« am Luzientage allgemein gegen bissige Hunde üblich war.^'' Lediglich ein einziger Bericht sucht auch eine legendär-ätiologische Erklärung zu geben, die aber heute im Volksmund anscheinend vergessen ist. Der Brauch soll daher stammen, dass einst _eine ganze Viehherde von einem wütenden Hunde gebissen worden sei. Dennoch sei kein Stück an der Tollwut erkrankt, weil St. Luzia die Herde beschützt habe. Sie habe sich ja einstens selber nur von solchen ungesäuerten Broten aus türkischem Weizenmehl genährt und also gemesse man immer noch an ihrem Tage das heilbringende Minnebrot.^* Dass es sich um eine sekundäre christ- liche Deutung handelt, für die in den alten Legenden keinerlei Ansätze vorhanden sind, ist offenbar. HL Eine wesentlich dichtere Streuung der Belege lässt sich in der slowenischen Steiermark, besonders in ihrem Ostteil, den Slovenske gorice (Windische Bühel), im Prekmurje gegen den madjarischen Volksboden hin und südlich anschliessend im Hügel- land der Haloze (Kollos) südlich des Ptujsko polje (Pettauer Feld) feststellen. In gleicher Dichte ist das kroatische Mittelmurgebiet (M e d j i m u r j e) zwischen Mur und Drau und ein, schmalei- Rand- bereich im slowenisch-madjarischen Mischgebjete, das Porabje ver- treten. Weite Teile des mittleren und nordwestUchen kroatischen Volks- bodens schliessen sich als Bewahrer des Luzienbrauchtums mit besonderer Kultspeise an. Südwestwärts erstreckt sich dieser Bereich bis zur ältesten Kultstätte der christlichen Heiligen, zur frühmittelalterlichen Luzien- kirche auf der Insel Krk und im mittleren Dalmatien bis zur Inselgruppe vor Split und Trogir. chisch-Ungarische Monarchie in Wort und Bild, Band Steier- mark, Wien 1890, S. 177. — R. Obendrauf, Ortsbeschreibung von Leibnitz. Handschrift 1411 des Steiermark. Landesarchivs, Graz. — U n g e r - C o 11 ek- t ion des Steiermark. Landesarchivs in Graz, Handschritt, s. v. »Luzifleck«. Zur Zopfform des Opfers vgl. G. G u g i t z, Das Jahr und seine Feste im Volksbrauch Österreichs. Studien zur Volkskunde, II. Band, Wien 1950, S. 154 ff. " Ferk-Archiv des Steirischen Volkskundemuseums in Graz, Schu- ber II, Handschriftlich. " J. K r a i n z, Sitten, Bräuche und Meinungen des deutschen Volkes in Steiermark. (Zeitschrift für österreichische Volkskunde I, Wien 1895, S. 68; aus Gleinstätten im Sulmtale.) 202 Das slowenische Luzienbrot (»Lucijščak«) Sehen wir uns vorerst auf dem slowenischen Volksboden um. Zwei Dinge unterscheiden sich beim Luzienbrote der Slowenen in all ihren östlichen und nordöstlichen Landesteilen, also in den Slovenske gorice und im Prekmurje, von den deutschen Belegen im schmalen Gelände- streifen der österreichischen Untersteiermark. Einmal ist es die enge Verbindung mit Glaube und Brauch um den glückbringenden Erst- besucher am Tage, den polaženik, und zum andern die von hier ab südwärts sehr häufig wiederkehrenden Bestimmungen des Brotbereitens nach Art einer Panspermie. Bei den Slowenen, Kroaten, Serben und Bulgaren wie bei den W^est- slawen schreibt ein tief verwurzelter Volksglaube dem ersten Be- sucher an einem besonderen Tage (Ignatiustag = 20. XIL, Weihnacht, Neujahr, Luzia, Dreikönig) starke magische Kräfte zu. Die will man für sich, seinen Hausstand und seine Eelder nutzbar machen. Da der erste Besucher demnach ein Heilbringer ist, so wird er auch beschenkt; nicht anders, als heute oder jüngst noch die Neu Jahrssänger oder die Lichtmess- Singer in der deutschen und in der slowenischen Steiermark^" oder im 17. Jahrhundert die »Adventkinder« im ehemals unterkärntischen Miess- tale (Meža), die mit grünen Kränzen auf den Köpfen und je sieben brennenden Kerzen drauf bei den Rorateämtern und auf jedem Bauern- hof erschienen^" und anscheinend eine in der Gegenreformation bewusst ins Kirchliche gewendete Funktion des althergebrachten Ansingens ausübten. Dementsprechend kommt der slowenische polaženik neben anderen Daten am frühen Morgen des 13. XII. bevor die Hausleute auf- gestanden sind und füttert die Haustiere (polaženik živini položi).^'' Dafür bekommt er auch von dem eigens für den Luzientag gebackenen Brote, das in der östlichen Untersteiermark »1 u c i j š č a k, 1 u c i j - 5 a k«, im Prekmurje hingegen auch »1 i c i j a« genannt wird.^* Durchwegs sind diese Umgeher (polažarji, polažiči) in den Haloze, in den Slovenske gorice und im Prekmurje Männer. In den Haloze tritt ^'L. Kretzenbacher, Lichtmeß-Singen in Steiermark. Brauchtums- lieder im Heischeumzug der Ostalpenländer. (Zeitschrift: Volkslied-Volks- musik-Volkstanz. Jahrgang 50, Wien 1949, S. 9 ff.) G. G rab er, Volksleben in Kärnten. 5. Auflage, Graz 1949, S. 145. " Zum Brauchtum um den polaženik vgl. : F. Kotnik, Polaženik. (Cas XXVI, Ljubljana 1951/32, S. 239 f.) — Derselbe (Časopis za zgodovino in narodopisje XIH, Maribor 1928, S. 150 ff.). — Derselbe, Slovenske staro- svetnosti, Ljubljana 1945, S. 59 f. V. Möderndorfer, Verovanja, uvere in običaji Slovencev (Narodo- Eisno gradivo). Band IL Prazniki, Celje 1948, erschienen 1952, S. 54; aus Krog ei Murska Sobota. — Der wissenschaftliche Wert der volkskundlichen Mate- rialien V. Möderndorfers ist allerdings nicht immer gleichartig, da der Heraus- geber sich leider manchen längst überholten Anschauungen eiaer romantischen Interpretation angeschlossen hat und den Quellen auch sonst oft kritiklos gegenüberstand, was ihm die notwendige Warnung einer modernen, unroman- tischen, vielmehr mit den realen Gegebenheiten rechnenden Forschung ein- fetragen hat. Zur Kritik der Materialsammlungen Möderndorfers vgl. B. Orel, lovenski etnograf V, Ljubljana 1952, S. 277 ff. 203 Leopold Kretzenbacher dieser Glückbringer schon mit der entsprechenden Grussformel ins Haus: »Dobro jutro Bog daj in sveta Lucija!« (»Einen guten Tag gebe Gott und die hl. Luzia!«) Dann setzt er sich nieder und wartet auf das ihm zustehende Luzienbrot.^^ Man wünscht ja sein Kommen. Käme er einmal nicht, so schwämde das Glück aus dem Hause,'*" wie man dies auch beim Ausbleiben der Miesstaler Adventkinder befürchtete. Der slowenische lucijščak, auch Luciji n kruh genannt, wird wie sein Gegenstück aus der deutschen Steiermark als ungesäuer- tes, ungesalzenes Brot gebacken und zwar noch vor Sonnenaufgang (Beltinci, Turnišče im Prekmurje). Die gesamte Hausbewohnerschaft samt dem Vieh einschliesslich des Geflügels bekommt davon zu essen. Reste behält man gar in der Tischlade auf als Mittel gegen Viehkrank- heiten (Slovenska Krajina), nicht anders als man es in der deutschen Obersteiermark und in Kärnten mit dem am Blasiustage (5. II.) ge- weihten Brote (»Blasibrot«) hielt. Ganz ähnlich will es der Brauch auch auf kroatischem Volksboden im Medjimurje und im Zagorje, dem Hügelland nördlich und nordöstlich von Zagreb. Wie bei den Slowenen sind es fingerdicke, runde Fladen, salz- und fettlos aus Maismehl gefertigt. Das besagt auch ihr Name »k o r u z n i c a«, der so auch im slowenischen Stainztale (Ščavnica) geläufig ist.^^ Zu Prelog im Medjimurje gebraucht man lucijska koržnjaka, kuružnjača und ähnliche Namens- formen.^' Eine sprachlich nicht ganz klare Sonderbezeichnung verwen- den die Kroaten von Muraköz im slowenisch-kroatisch-madjarischen Mischgebiete: »k e 1 e š i c e«. Doch gebraucht man hier auch das ge- wöhnliche Wort für Kuchen: »pogače«.^" Sie alle geniessen das Luzienbrot in gleicher Sinngebung wie die deutschen Steirer als Schutz gegen die Tollwut (steklina, besnoća), gegen die es auch wie z. B. auf dem Ptujsko polje als Heilmittel verwendet wurde. Vereinzelt wird im slowenischen Volksglaxiben sogar berichtet, dass die Tollwut dann im Folgejahr ausbrach, wenn am Luzientage (»na Licijino«) die Sonne bei klarem Himmel aufgehe (Svetinje). Die zweite Besonderheit, die die südslawischen Luzienbrote ausser ihrer brauchtümlichen Bindung an den glückbringenden Erstbesucher kennzeichnet, ist ihre Bereitung als Panspermie. Schon für die Slovenske gorice ist es belegt, dass das Luzienbrot nicht bloss aus dem , (allerdings vorherrschenden) Maismehl gebacken werden müsse, sondern M. Turnšek, Pod vernim krovom, I, S. 27. J. Pa jek. Črtice, S. 93. fi. P r a m b e r g e r, Volkskunde der Steiermark. Handschrift-Band XIV, S. 27 f. (Archiv des Steirischen Volkskundemuseums in Graz.) "^M. Pleteršnik, Slovensko-nemški slovar I, Ljubljana 1894, S. 440. ^ M. I. Blažeka, Godišnji običaji u Prelogu (Medjimurje). (Etnograf- ska istraživanja i gradja III, Zagreb 1941, S. 66.) F. Gonczi, Die Kroaten von Muraköz. (Ethnologische Mitteilungen aus Ungarn IV, 1895, S. 173.) Freundlicher Hinweis von Prof. Leop. Schmidt, Wien. ^' J. Freuensfeld, Zeitschrift Kres, Ljubljana 1886, S. 271. 204 Das slowenische Luzienbrot (>Lucijščak«) dass ihm verschiedene Samen und allerlei Kräuter beigebacken werden sollen, die »o Ivanjem«, also um das Fest Johannis des Täufers (24. VI.) gesLimmelt werden müssten.'" Der Uberfluss an Vegetation um den Mitt- sommertag wird also wunschgetragen und zweckhaft in das Brot der Mittwinternacht gebacken und alle im Hause, Mensch und Tier müssen davon ihr Teil zu Segen und Gedeihen bekommen. Ähnlich heisst es in Brauchtumsaufzeichnungen auf dem Ptujsko polje, dass die Hausfrau schon um zwei Uhr früh mit einer grossen Schüssel in die Kornkammer gehe. Die Schüssel füllt sie mit Körnern der verschiedensten Sorten, soviel ihrer nur im Speicher sind. Von jeder nimmt sie ein bestimmtes Mass. Sie mischt die Körner und zermahlt sie auf der häuslichen Handmühle und zwar so, dass sie die verkehrt dreht (tako da ih gone narobe). Sind die Körner zermahlen, so bäckt sie daraus jenes ungesäuerte Brot, das die ganze Familie schon vor Sonnenaufgang geniessen muss, jenes Brot, das auch hier gegen die Hundswut hilft.'' Im Prekmurje muss ausser dem bestimmten Quantum von allen Sorten Mehl auch noch von der Kleie genommen werden.'^ Mit Recht hat der slowenische Volkskundeforscher Josip M a 1 darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem nordostslowenischen Luzien- brot und seiner Panspermie im wesentlichen um genau die gleiche mitt- winterliche Kultspeise handelt, die die slowenischen Hatismütter der Untersteiermark ehedem auf Weihnachten buken. Ein Brot aus verschie- denen Kräutern ist es, das den Weibern Fruchtbarkeit zu verleihen, das Gebären erleichtem und dazu noch der häuslichen Viehwirtschaft glückhaften Erfolg zu gewährleisten imstande sein soll. »Poprtnik« heisst es bei den steirischen Slowenen.'^ Das Wort leitet sich nach J. M a 1 von »Farn« (praprot) her,*" dessen Same seit altersher in der pflanzlichen Magie eine hervorragende Rolle spielt. Neben seiner Hauptfunktion als Mittel zum Gewinn von Reichtum, Liebesglück und Unsichtbarwerden wurde der Farn tatsächlich auch fruchtbarkeitskultisch verwendet. Gerade auf slawischem Boden hat sich der Glaube an die magische Kraft aus dem geheimnisvollen Samen des nicht sichtbar blühenden Famkrautes besonders lebendig erhalten. Der Charakter des untersteiri- ^ J. Pajek, S. 93; M. Turnšek, I, 3.27. " F. Kotnik, Božični običaji v ptujski okolici. Slovenske starosvetnosti, Ljubljana 1943, S. 53. '*V. Möderndorfer, Prazniki, S. 34. J. Mal, Besprechung für M. Turnšek, Pod vernim krovom I, Ljubljana 1943, in der Zeitschrift Etnolog. Glasilo Etnografskega muzeja v Ljubljani XVII (1944), Ljubljana 1945, S. 131. J. Mal, Slovenske mitološke starine. (Glasnik Muzejskega društva za Slovenijo = GMDS XXI, Ljubljana 1940, Sonderdruck S. 32 f.) Zwei weitere Deutungen dieses slowenischen poprtnik /praprotnik versuchten: W. Urbas, Aberglaube der Slowenen. (Zeitschrift für österreichische Volkskunde IV, Wien 1898, S. 145, Anmerkung 1. Urbas vermutet einen Zusammenhang mit dem deutschen Worte »Perchta«, ohne die Möglichkeit näher zu begründen. — A. Mrk un. Narodno blago iz Dobrepoljske doline. (Etnolog VII, Ljubljana 1954, S- 6. Über seine Deutung siehe im folgenden den Haupttext. 205 Leopold Kretzenbacher sehen poprtnik als Kultspeise geht wie beim lucijščak auch daraus hervor, dass er jedem Mitgliede der Hausgemeinschaft, auch den Haus- tieren gegeben werden musste.""^ Im übrigen heisst es auch für dieses weihnachtliche Panspermie-Gebildbrot der Slowenen ausdrücklich, dass man die Pflanzen hiefür am besten »in der zaubererfüllten Sonnwend- nacht« sammeln solle, »wenn sogar die Bäume im Walde ihre Standorte wechseln und sich im Rauschen unterhalten« (»v caroviti kresni noči, ko celo drevesa v gozdu menjavajo svoja mesta in se s šumenjen za- bavajo«).*^ Allerdings gibt es auch andere Erklärungen für dieses slo- wenische Wort poprtnik. Die meiste Wahrscheinlichkeit scheint jene von A. M r k u n für sich zu haben, demzufolge der poprtnik ein Brot ist, das »unter dem Tuche« (pod prtom) verwahrt wird, wie dies auch tatsächlich im Brauchtum der Fall ist. Jedenfalls schliessen sich die slowenischen Volkskundler B. Orel und M. Matičetov (nach mündlichen Mitteilungen) dieser Deutung A. Mrkun's entgegen jener von J. Mal an. Das Streben, dem Luzienbrote möglichst Körner aller gängigen Früchte, deren gute Ernte man sich im kommenden Jahre erhofft, bei- zumengen, kennzeichnet den umschriebenen slowenischen und den ostkroatischen Volksboden, aber vereinzelt auch die nationalen Misch- gebiete in Slawonien, Syrmien und in der Woiwodina. Es muss also nicht immer der Luzientag sein. Der Brauch gehört der gesamten Mitt- winterzeit an, den langen Nächten um die Jahreswende. »K r u š n i c a« nennt sich z. B. ein solches weihnachtliches Gebildbrot in der Gegend von Samobor (westlich Zagreb), das Körner jeglichen Getreides und einen Maisstriezel eingedrückt erhält.*^ Die Verbindung mit dem religiös- magischen Grundgedanken der Panspermie, die ihre Wurzeln ebenso im Totenkult der Sippe wie im magischen Ritus der Fruchtbarkeitssteige- ning hat, ist offenbar. Es schwanken auf dem Balkan lediglich die zeitlichen Festlegungen, die in den Panspermien der Serben am 4. XII. (Barbara, varin dan) als »varice« beginnen und sich bis in den Spät- winter hinziehen. Dass neben der Brei-Form besonders jene des Brotes sich durchsetzte, nimmt weiter nicht wunder. Denn »das Brot war ein " J. Mal, GMDS XXI, S. 53. Wie das steirische Blasiusbrot jedem kran- ken Haustier gegeben wurde, so bekam das Vieh auch vom poprtnik. Noch immer sei es, sagt Mal, der Brauch, dass der Hausvater ein Stück in die Höhe halte und die Kinder darnach springen lasse. So hoch sie zu springen ver- möchten, so hoch würden sie im kommenden Jahre wachsen. Am Vinzenztage (22.1.) nimmt der Hausvater ein Stück vom poprtnik in den Weingarten mit, wo er im Vertrauen auf vermehrtes Wachstum drei Reben beschneidet. Zu diesem bei den slawischen Völkern verbreiteten Brauche vgl. J. Mal, GMDS XXI, S. 55, Anmerkung 145. — Zur Stellung des poprtnik innerhalb der Reihe der slowenischen Weihnachtsbrotformen vgl. auch B. Orel, Slovenski ljudski običaji. (Narodopisje Slovencev I, 265 ff., besonders S. 548 f. mit Bild Nr. 175.) Mal, GMDS XXI, S. 52. "M. Gavazzi, Godina dana hrvatskih naiodnih običaja. Band II, Zagreb 1959, S. 42. 206 Das slowenische Luzienbrot (»Lucijščak«) Symbol von allem, wovon man sich Fülle wünschte«.** Entscheidend ist die zeitliche Festlegung auf den Mittwinter, die hervorragende Zeit des vor- und ausserchristlichen Totenkultes ; dazu die Einhaltung der Bestimmung, dass grundsätzlich jedes Familienmitglied sein Stück davon bekommt, auch wenn es wie z. B. in Petrovac in Bosnien und häufig auf dem kroatisch-serbischen Volksboden in der beliebten Form des Opfers auf dem Hausdache gegeben wird und zwar in der Absicht, die umher- schweifenden Hexen und bösen Geister daran teilhaben zu lassen.*" Ähnlich wurden für den Weihnachts- und Neujahrsabend in Grie- chenland Gebäcke (kolyba, sperna) aus Mandeln, Nüssen, Granatapfel- kernen, Honig, Weizen, Bohnen und Erbsen hergestellt,*" vergleichbar den noch urtümlicheren Breiformen der Marokkaner am 5. L, mit denen eine unserer Perchta-Lutzelfrau-Licija ähnliche Alte, die Haguza auf ihrem Heischegange beschenkt wurde.*^ Wir finden also im Südosten Europas und an den Rändern des Mittelmeeres das Backen eines besonderen Brotes, vielfach sogar in Panspermie-Form, zur Zeit des Mittwinters, sein Verteilen an grund- sätzlich alle Hausgenossen, an Mensch und Tier, dazu die oft wieder- kehrende Bestimmung, dass es auf nüchternem Magen, also in kultischer Besonderheit genossen werden muss. Hier liegt die weitgehende Gleich- heit des Brauches mit jenem in Schweden klar auf der Hand. Wir dürfen sie aber auch den Formen des Luzienbrauchtums an der kroatischen Adriaküste ohne weiteres anschliessen, sie als sinn- und ursprungsgleich verzeichnen, auch wenn die Brotverteilung sich hier in einer anderen Brauchtumsgrundform vollzieht. IV. Die ruiseres Wissens älteste Verehrungsstätte der hl. Lucia ausserhalb des Kernbereiches Sizilien und Mittelitalien, jedenfalls die früheste öst- liche, auf slawischem Boden gelegene dürften Kirche und Abtei der hl. Lucia bei Jurandvor nördlich von Baška nova auf der Insel Krk im Kvarner sein. Heute steht dort freilich nur eine kleine, ihrer einstigen Kunstschätze längst entleerte romanische Stein- kirche am Rande eines Friedhofes und umgeben von jenen Ruinen, in die das alte Benediktinerkloster nach dem Ausgange des 15. Jahrhunderts zu zerfallen begann, als die damalige Krise des Benediktinerordens viele seiner zahlreichen Niederlassungen auf den Inseln und an der Ostküste "W Liungman, Traditionswanderungen (FFC 119) S-619- geistern gelte. W. Liungman, II, S. 616. Ebenda II, S- 604. 207 Leopold Kretzenbaclier der Adria versinken liess. Immerhin hatte hier schon im 11. Jahrhundert reges geistiges Leben abendländischer Gesittung im Gewände slawischer Sprache und Schrift bei den Glagoliten geblüht. Denn hier wurde vor hundert Jahren die berühmte Bašćanska ploča, die »Platte von Baška« gefunden, die ums Jahr 1100 in glagolitischer Schrift auf alt- kroatisch die wichtige Kunde eingemeisselt erhielt, dass der »kroatische König Zvonimir« der hl. Luzia ein bestimmtes Grundstück geschenkt habe. Abt Držiha fühlte sich verpflichtet, diese Kunde für immer fest- zuhalten und jeden als Frevler zu bedrohen, der es wagen sollte, die königliche Schenkung zu bestreiten. Denn den würden »Gott und seine hl. Mutter, die vier Evangelisten und die hl. Lucia verfluchen« (tko to poreče, da ga prokune Bog i Blažena Bogorodica i četiri Evandjelista i sveta Lucija).^** Wir können in diesem Zusammenhange die schwer lösbaren Streit- fragen nach dem Ursprung dieses und der anderen Benediktinerklöster auf Krk und im ganzen Primorje übergehen.*^ Deutlich scheinen jeden- falls die Bindungen nach Osor und übers Meer nach Ancona zu sein. Wichtig ist für uns, dass die syrakusanische hl. Lucia auf Krk wie in ganz Italien als Augenpatronin verehrt wird. Bis in die jüngste Zeit gehen die Kinder von Baška am 13. XII. in Gruppen (aber ohne Singen, ohne Versspruch, ohne Masken) von Haus zu Haus. Sie treten mit dem Heischesprüchlein in die Stuben: »Dajte nam za oči!« (»Gebt uns für die Augen!«) oder »Došli smo za očice!« (»Für die Augen sind wir gekommen!«). Die Erwachsenen hüten sich an diesem Tage den Kindern die Gaben »für die Augen« (Feigen, Münzen) allzu karg zu bemessen, um ihnen nicht »das Augenlicht zu nehmen«. Sie schenken ihre Gaben ausdrücklich »im Namen der hl. Lucia, der Schützerin der Augen«.'"' Dieser Heischeumzug der Kinder von Baška nova auf Krk ist nicht das einzige bemerkenswerte Brauchtum um dieses rund 900 jährige Heiligtum der sizilianischen Lucia auf slawischem Volksboden. Gleich wichtig und zu ebenfalls sehr weiten kulturhistorischen Bezügen ver- lockend steht der andere Brauch daneben: Ein Müller, auf jüngerer Stufe des Brauchtums der Mesner, musste am Festtage der Heiligen Zum Text der Bašćanska ploča, die heute im Gebäude der Jugoslawi- schen Akademie der Wissenschaften in Zagreb aufbewahrt wird, während in der Luzienkirche bei Jurandvor auf Krk nur eine Nachbildung eingemauert ist, vgl. St. Ivšić, Sredovječna hrvatska glagolska književnost. (Sveslavenski zbornik, Zagreb 1930, S. 131 ff.) Zur Geschichte der Luzienabtei auf Krk und der anderen Benediktiner- klöster der Insel vgl. Vj. Stefanie, Opatija sv. Lucije u Baski i drugi bene- diktinski samostani na Krku. Sonderdruck aus Croatia sacra, Jahrgang 1937, Zagreb. Freundlicher Hinweis von Frau Assistentin J. D. Riba rie, Zagreb, der ich auch sonst viele Hinweise zur Luzienfrage in Kroatien seit unserer gemeinsamen Kundfahrt auf die Insel Krk im September 1951 verdanke. — Zur frühen Kirchengeschichte des Kvarnerbereiches, insbesondere von Cres und Osor vgl. auch S. M i t i s, Storia dell'isola Cherso ed Ossero dal 470 ad 1409. Parenzo (Poreč) 1925. ™ F. Barbalić, Zeitung: Narodne Novine, Zagreb, Nr. 248 vom 27. X. 1934, und Eigenabfragungen. 208 vili SI. 1. So. Lucija na panjski končnici z Gorenjskega Slowenische Bienenstock-Brettchen mit Darstellung der hl. Luzia (Steir. Volkskundemuseum, Graz) SL2. Lucijin hlebček Luzienbrot aus St. Peter im Sulmtale (Steir. Volkskundemuseum, Graz) (Foto: J. D. Ribarić) (Etnografski muzej, Ljubljana) SI. 3. Levo: Jurandoorska cerkev na otoku Krku: s stolpa so še pred 40 leti metali na Lucijino med ljudi posebne hlebčke. — Die Kirche der hl. Luzia bei Jurandvor (Insel Krk): vor etwa 40 Jahren wurden vom Turme unter das Volk Brotlaibchen geworfen Sl. 4. Desno: So. Lucija. Podoba na steklu. — Die hl. Luzia. Hinterglasbild aus Slowenien Das slowenische Luzienbrot {»Lucijščak«) nach der Messe und der Predigt vom Turme der kleinen Luzienkirche aus eine grosse Menge kleiner Brötchen (hlibčići) im Namen der hl. Luzia als Gabe »für die Augen« unter das an diesem Feiertage immer zahlreich wartende Volk werfen. Bis in die Brotknappheit, ja Hungersnot des Ersten Weltkrieges war der Brauch ohne Unterbrechung geübt worden." Er lebt noch heute in der allgemeinen Erinnerung der Einheimischen. Dass sich die heutige Sinngebung (wir kommen noch darauf zurück!) von der einstigen religiös-brauchtümlichen Auffassung unterscheidet, tut nichts zur Sache. Nun zu den anderen Luzienbrot-Belegen aus Dalmatien. Leider sind sie nicht sehr dicht gesät, wie denn überhaupt die Erforschung der Gebildbrote und der Volksnahrung auf dem so überlieferungsreichen Boden Südosteuropas noch in den Anfängen steckt.''^ Immerhin wissen wir aus einer kleinen Monographie über die Jahrlaufbräuche auf der Insel Ciovo und S e g e t gegenüber Trogir in Mitteldalmatien, dass dort an St. Luziens Tage »fritule«, »uštipci« gebacken werden (frigaju se fritide, t. j. uštipci), die man an die Kinder verteilt.'^' Der Brauch gilt in der heutigen Ausdeutung allerdings nicht primär dem Feste der hl. Luzia, wiewohl die Kinder in ihrem Namen beschenkt werden. Sie erhalten nämlich Obst und Süssigkeiten, »kao da to donosi SV. Lucija« (»als ob es die hl. Luzia brächte«). Wenn also hier am Vor- abend des Luzientages »fritule«, »uštipci« als alljährlich wiederkehrende Gebildbrote gebacken werden,'** so gilt dies nach der derzeitigen Auf- Ebenda und Eigenabfragungen zusammen mit Frau J. D. Riba ri ć, 1951. Reiches, jedoch noch nicht systematisch ausgewertetes Material bieten die Hefte des Časopis za zgodovino in narodopisje und des Zbornik za narodni život i običaje južnih Slavena, Zagreb. Für den slowenischen Bereich sei auf die vielen einschlägigen Arbeiten der Forscher France Kotnik, Celje, und Boris Orel, Ljubljana, verwiesen, die in verschiedenen Zeitschriften erschie- nen sind. An Zusammenfassungen vgl.: R. Lo žar. Ljudska prehrana. (Narodo- pisje Slovencev I, 1944, S. 192 ff. mit reichhaltiger Literaturübersicht.) — V. Novak, Ljudska prehrana v Prekmurju. Ljubljana 1947. —• Wertvolles Material ist in den Studien über Brauchtum enthalten, in denen Hinweise auf die Kultspeisen beigegeben sind. Vgl. auch noch: V. Möderndorfer, Vero- vanja, uvere in običaji Slovencev. (Narodopisno gradivo.) Band V: Borba za pridobivanje vsakdanjega kruha. Celje 1946. Zur Bewertung gilt das oben unter Anmerkung 28 Gesagte. Vgl. B. Orel, Slovenski etnograf II, Ljubljana 1949, S. 134 ff. Die jüngst erschienene Studie von Spiro K u 1 i š i ć, Porijeklo i značenje božičnog obrednog hljeba u Južnih Slovena (Glasnik Zemaljskog Muzeja u Sarajevu, N. S. Band Vili, Sarajevo 1953, S. 7—47), enthält hervor- ragend wichtiges Material, das im wesentlichen fruchtbarkeitsmagisch aus- gedeutet wird. Allerdings beschränkt sich der Verfasser auf das Weihnachts- jrot im engeren Sinne (česnica), berücksichtigt die slowenischen Kultbrote nur wenig und nimmt insbesondere auf das »Luzienbrot« nirgends Bezug. K. Skoda -M. Držić, Godišnji običaji na otoku Ciovu i u Segetu. (Etnografska istraživanja i gradja III, Zagreb 1941, S. 75.) »Fritule« ist ein kroatisiertes romanisches Wort und gehört zum italie- nischen »fritto (friggere)* = »Gebackenes«. »Uštipci« stellt sich zum sing, »uštipak«, mase. = »(Zwick-)Krapfen, Pfannkuchen, Fastnachts-, Faschings- krapfen«. Vgl. Ristić-Kangrga, Srpsko-njemački riječnik II, Beograd 1928, Spalte 1173. li Slovenski etnograf 209 Leopold Kretzenbacher fassung der Nähe des Weihnachtsfestes und lässt die frühere Bindung verdunkelt. Drum singt man auch zu Arbanija auf Čiovo: »Slavi, slavi Božiću Na bile kolače, Na crljeno vino. Da se veselimo!« Gleich enge ist der Bescherungsbrauch auf der norddalmatinischen Insel Pag mit der Gabenspenderin St. Luzia verbunden, auch wenn nicht eine Brotspende gesondert vermerkt erscheint, um die die Heische- gänger betteln."" Kinder und alte Leute ziehen an diesem Tage in Novalja auf Pag »na dvanajst ujutro« (»um zwölf Uhr morgens«), wie die Brauchbestimmung verlangt, mit dem Rufe von Haus zu Haus: »Dajte mi za svetu Lucu, vami će Bog i sveta Luce« (»Gebt mir für die hl. Luzia. Euch wird Gott und die hl. Luzia geben«). Dann werden sie von den Hausleuten an diesem Tage beschenkt, an dem zu Novalja die Rorateämter beginnen. Die Verteilung des Luzienbrotes fällt jedoch a priori der Rolle der mittwinterlichen Gabenbringerin zu, als die St. Luzia hier auch heute noch fungiert. Denn sie hat in ganz Dalmatien und in einzelnen Land- strichen von Slawonien"" jene Stelle behalten, die sonst ausnahmslos überall St. Nikolaus übernommen hat. Lediglich in Welschtirol und in vereinzelten deutschen Sprachinseln dort haben — nach spätmittel- alterlichen und gegenwärtigen Quellen — die beiden untereinander das beseligende Amt des Kinderbescherens so geteilt, dass Nikolaus nur zu den Knaben, Luzia aber nur zu den Mädchen kommt."' Es scheint, dass dies auf weiteren Gebieten die mittelalterliche"" Zwischenform auf dem Wege der allmählichen und heute fast allgemeinen Ablösung des Kinder- bescherungsamtes der als »Luzia« auftretenden weiblichen Gabenbrin- gerin durch die legendäre Gestalt des Kinderpatrones St. Nikolaus darstellt. Gelegentlich ergaben jüngste Brauchtumsaufnahmen zur Zeit des Zweiten Weltkrieges und nachher, dass von zwei nebeneinander liegenden deutschen Sprachinseldörfern in Welschtirol im einen (Palai) St. Nikolaus als Bescherer lebt und mit seinen üblichen wilden Begleitern erscheint, im andern (Florutz) aber St. Nikolaus überhaupt keine Rolle spielt, hingegen »Santa Lucia« nach Kinderglauben auf ihrem Esel unsichtbar ans Fenster geritten kommt und die Kinder »mit Kleidern, "" B. Sir ola, Novalja na Pagu. Narodni život i običaji. (Zbornik za na- rodni život i običaje XXXI/2, Zagreb 1958, S. 135.) "' M. Gavazzi, Godina dana II, S. 7. " I. Zingerle, Sitten, Bräuche und Meinungen des Tiroler Volkes, 2. Auflage, Innsbruck 1871, S. 181, nach einer Quelle von 1510. "^ L. A. Veit, Volksfrommes Brauchtum vmd Kirche im deutschen Mittel- .alter. Freiburg im Breisgau 1956, S. 183. 210 Das slowenische Luzienbrot {»Lucijščak«) Äpfeln und Nüssen und einem Gebäck in Form eines Männchens an Stelle der Weihnachtsbescherung« beschenkt."" In Dalmatien aber stellen Knaben und Mädchen ihre Schuhe voll Vertrauen auf St. Luzia ins Fenster und hoffen sie am Festesmorgen der Heiligen mit Süssigkeiten gefüllt zu finden."" Der Brauch des Schuh- ausstellens gehört dem Voi-abend der hl. Luzia und des hl. Nikolaus in gleicher Weise zu. In dieser Zeit erschienen bis vor kurzem vielfach im kroatischen Handel kleine Schuhe aus Leder, Porzellan, Holz und an- deren Werkstoffen in den Auslagen. Auch die bosnischen Hausierer pflegten sie noch vor dem Zweiten Weltkriege zu verkaufen."* Hier besteht nun kein Wesensunterschied mehr zu jener Sonderform auf Krk, bei der auch auf St. Luziens Tag besondere Brote gebacken werden, die dann der Mesner nach dem Gottesdienste als Gaben der Patronin ihres uralten Heiligtums in Jurandvor-Baška unter das festlich gestimmte Volk werfen musste. Es ist lediglich eine sekundäre Umdeu- tung, wenn diese vom Turm geworfenen, also an eine grössere Gemein- schaft verteilten >hlibčići« im Neimen der hl. Luzia als Gaben »für die Augen« genommen werden. Es ist ebenso eine zweifellos sekundäre, ätiologische Erzählung, wenn der Brauch heute in rationalistischer Weise als Relikt historischer Rechts- und Besitzverhältnisse »erklärt« wird. Das kleine Klo.ster habe einst in dem Tale, das ehedem bei weitem nicht so vegetationsarm war wie heute, auch eine Mühle besessen. Der Müller von dort sei auch nach der Klosteraufhebung verpflichtet gewesen, am Festtage der Kirchen- und Klosterpatronin Brot als Anerkennungsgabe im Namen der Heiligen zu reichen. Daraus soll der Brauch des Brotwer- fens vom Turme entstanden sein."^ Das müsste nicht in so auffallender Handlungsweise, nur am Luzientage und in Form besonderer Brötchen geschehen. Wir sehen darin lediglich sekundäre Ausdeutungen des mitt- "" R. Wolfram, Brauchtum und Volksglaube im obersten Fersentale- Wopfner-Festschrift II, herausgegeben von K. Ilg, Innsbruck 1948, Schlern- Schriften Band 53, S. 305. "" A. E. Carić, Volksaberglaube in Dalmatien. (Wissenschaftliche Mit- teilungen aus Bosnien und Hercegovina VI, S. 198.) — Eigene Abfragungen im Sommer 1955 ergaben die Lebendigkeit dieser Brauchtumsüberlieferung von der Gabenbringerin Lucija im gesamten Mittel- und Nordteil Dalmatiens von Korčula über Split nach Zadar, Rab und Rijeka. Die Vielzahl der kirchlichen Darstellungen der hl. Luzia in Kirchen und Kapellen geht mit der Lebendig- keit des Volksbrauches Hand in Hand. — Im übrigen haben auch die Gebiete um Udine und der ebene Teil von Friaul St. Luzia als alleinige Gabenspenderin für Süssigkeiten und gelegentlich auch Spielzeug bewahrt. Vgl. V. O s t e r - mann, La vita in Friuli. 2. Auflage bearbeitet von G. Vi do s si, II, Udine 1940, S. 459. Dazu ebendort Anmerkung 98 mit dem Hinweis auf den Brauch der Kinder in Udine. — St. Nikolaus darf in Dalmatien nur einige rote Äpfel spenden und hat keineswegs die Bedeutung St. Luziens im Brauchtumsleben der Kinder bewahrt. (Freundliche Mitteilung von Herrn Prof. M. Gavazzi, Zagreb, und Eigenabfragungen.) "*M. Stojković, Obuća. (Zbornik za narodni život i običaje XXX/2, Zagreb 1936, S. 7. "= Fran Barbai i ć, Narodne Novine Nr. 243, Zagreb, 27. X. 1934. 14* 211 Leopold Kretzenbacher winterlichen Kultbrotes, das den Toten gilt und die Sippe vereint, das von der mittwinterlichen Umgeherin geschenkt oder aber geholt wird in jener Ambivalenz des Gebens und Nehmens, des Belohnens und Strafens, des Hellen und des Dunklen, die diese ins christliche Licht gelockte und in weiten Bereichen des Ostalpenrandes und des Nordwestbalkans doch im Dunklen verharrende weibliche Mythengestalt kennzeichnet. Es lässt sich wohl nicht mehr entscheiden, wie viel von diesem Wesen als Verteilerin von Segen in Gestalt von Brot die neue christliche Heilige .schon in ihrer sizilischen Heimat aus ihrem bodenständigen Erbe ins Neugläubige, also ins Christliche wenden hatte müssen. Auch beim Artemis-Feste auf Sizilien gab es den fruchtbarkeitskulti- schen (und daher dem Totenopfer im weiteren Sinne zugehörigen) Ritus der Panspermic-Bereitung durch Brot mit Bohnen und Getreidekömern. Brote mit Tierfig-uren und mit Wein verteilte man dabei zur Jahres- wende und wünschte einander Glück und Gesundheit."'' Die sizilische Lucia aus Syrakus behält an ihrem Festtage auf der Kvarner-Insel Krk den gleichen Ritus der Brotverteilung bei, der als eigenartiger, aber im Wesen völlig entsprechender Brauch auch in Kärnten am Festtage der sizilischen hl. Agatha geübt wird: jener Heili- gen also, die auch nach der christlichen Legende, wie sie uns bei Jacobus de Voragine begegnet, bewusst und absichtsvoll schon seit dem 6. Jahr- hundert an das romanhafte Leben der syrakusanischen Schwesterheiligen gebunden erscheint. Denn nicht umsonst wallfahrtete die Syrakusanerin zur berühmten hl. Agatha nach Catania, um dort für das Leben der Mutter zu beten und Erhörung zu finden. Beide sizilischen Heiligen werden absichtsvoll verbunden und so der weiteren Verehrung emp- fohlen. Bezeichnenderweise wurde das Fest St. Luzias gelegentlich am Tage nach dem der hl. Agatha, also am 6. II. gefeiert."* Noch immer also versammeln sich- am Agathenfeste, dem 5. II. oder am draxif folgenden Sonntage die Landleute im unterkärn- tischen Ja untale (Podjuna) und warten, bis der Pfarrer oder der Kirchenkämmerer von einem Holzgange des Gebäudes neben dem Agatha-Kirchlein des Dorfes Stein (Kamen) herunter zahllose kleine Brötchen, nicht grösser als eine welsche Nuss, als »Agathenstrie- z e 1« unter das Volk werfen, das möglichst viel davon zu erhaschen strebt."" Gegen Feuer, gegen Kränkelt bei Mensch und Tier und gegen mannigfaches Ungemach sollen diese Brote helfen."" Gustav Gugitz ""W. Liungman, Traditionswanderungen Euphrat-Rhein II, S. 601 f. Vgl. auch die Umzüge der Bukoliasten im Artemiskult auf Sizilien: Liung- man, II. S. 571 f. Lexikon für Theologie und Kirche Band VI, 1934, Spalte 675. Seltsamerweise wird auch hier das »Agathenbrot« wie das fladenför- mige und nicht geflochtene Luzienbrot der deutschen Steiermark mit dem Worte »Striezel« bezeichnet. Zum Brauchtum vgl. G. G r a b e r, Volksleben in Kärnten, 3- Auflage, Graz 1949, S. 205 ff. Dazu neuerdings die Monographie von G. G rab er, Hildegard von Stein und ihre Stiftung, Klagenfurt 1952. Zur Kritik der nach historischen Quellen suchenden Auffassung Grabers und zum Hinweis auf die 212 Das slowenische Luzienbrot (»Lucijščakc deutet sie und ihre schweizerischen Entsprechungen, die von den »Johern« (Faschingsmasken) in Einsiedeln (Schweiz) zur Fastnacht ausgeworfen werden, mit Recht als etwas, »das eine Spende an die Toten, an die armen Seelen war und schliesslich eine Liebesgabe an ihre Erben, die Armen wurde, denen Brot immer nottut, da sie den gleichen zu beschwichtigenden Hunger wie die unhergehenden Toten hatten«."' Auch dieses Agathenbrot (»Aitenbrot«), das heute noch im alemannischen Räume eine so hervorragende Rolle im Brauchtumsleben spielt, ist eine Art hinausgeschobenen Neujahrs-, also Mittwinterbrot (Gugitz). Es wird in Kärnten im Jauntale und auf der Insel Krk in genau der gleichen brauchtümlichen Form des Werfens unter das Volk verteilt und hat ebenso wie der Turmwurf von der Luzienkirche auf Krk eine historisie- rende Sinndeutung als ätiologisches Brauchrelikt erfahren wie die »hlibčići« von Jurandvor-Krk. Fassen wir zusammen: Fast im gesamten Bereiche der slawisch- deutschen Luzienverehrung des Südostens, von der dalmatinisch-kroa- tischen Küste und den vorgelagerten Inseln über den ostslowenischen Volksboden bis an den Südrand der deutschen Steiermark wird zum Fest der Heiligen, das vor der Gregorianischen Kalenderreform von 1582 auf den Tag mit der längsten Winternacht fiel, ein brauchtümliches Gebäck im Hause hergestellt. In Fladenform aus Maismehl oder in Brötchenform, vielfach in der Absicht auf beziehungsreiche Panspermie wird es den Hausgenossen gereicht und zwar selbst den Tieren. Im Nordosten des slowenischen Volksbodens erhält es besonders auch der glückverheissende Erstbesucher an diesem schicksalhaft bedeutsamen Tage. Auf nüchternen Magen soll es genossen werden. In der vorschrifts- niässigen Zubereitung ohne Salz und Sauerteig gemahnt es vonvornhcrein an eine heilbringende Kultspeise. Das wird auch vom Volksglauben fest angenommen. Er schreibt im Norden und Nordosten unseres Bereiches dem Luzienbrote Schutz vor der Tollwut, in allen Landstrichen Gesund- heit und Lebenskraft, Fülle der Gaben im kommenden Wirtschaftsjahre, Augenheil in den Gebieten des Primorje und Dalmatiens zu. V. Das Wesentliche liegt in der Zeitfestlegung dieses beson- deren Brotes. Sie ist ursprünglicher als seine Verbindung mit dem Kirchenfeste der Märtyrerjungfrau aus Sizilien. Es ist die Kult- speise der Mittwinterzeit oder zumindest eine aus der langen Reihe dieser Sonderspeisen. Sie gilt in allererster Linie den Toten, den Vorfabren derer, die nun als noch Lebende diese Speise im Gedenken Notwendigkeit, das Problem von der Brauchtumstypologie her zu sehen vgl. L. Kretzenbacher, österreichische Zeitschrift für Volkskunde, N. S. VII, Wien 1953, S. ?4 ff. "' G. Gugitz, Das Jahr und seine Feste im Volksbrauch Österreichs. I. Band, Wien 1949, S. 83 f. • J 13 Leopold Kretzenbacher und in einer magisch-mythischen Verbundenheit mit jenen als Sippe geniessen; aus diesem Grunde, aber nicht a priori dienen solche Kult- speisen auch dem eigenen Wunsche nach Fülle und Fruchtbarkeit des Wachstums, jenes Wachstums, das auch wieder die Jenseitigen ga- rantieren. Die lange Nacht des Mittwinters ist die Zeit der Toten, ob diese nun . in Scharen vermummter Bünde umherziehen oder friedlich und nach den Speisen der Lebenden sich sehnend ihren früheren Wohnstätten nahen, als Seelgeister oder als Arme, die beschenkt werden. Denn die >Armen Leute« sind die rechtmässigen Vertreter der »Armen Seelen«. Deshalb gibt man auch ihnen die »Spende«, die eigentlich als Seelen- opfer den Jenseitigen gilt."* Darum ist St. Luziens Tag einst so heilig gewesen, dass es sich noch immer im Rechtsbrauch, im Brauchtum der Familie, der Sippe und der Gemeinschaft derer widerspiegelt, die an einem Orte zusammenleben. Solange der 13. XII. als der Tag mit der längsten Nacht geglaubt wurde und nach den astronomischen Berechnungen es im 15. Jahrhundert auch tatsächlich war,"'' solange also das Luzienfest nicht durch jene Papst- reform von 1582 von seiner zeitlichen Bindung verschoben und damit in .seinen brauchtumsmässigen Bezügen sinngestört worden war, so lange galt dieser Tag der Wintersonnenwende auch als hervorragend geeignet für den Abschluss von Rechtsverträgen, als Urkundendatum. Einige Beispiele aus der mittelalterlichen Untersteiermark mögen das belegen. Am Luzientage 1365 verschreibt Herzog Albert die Herrschaft Sölk (obersteirisches Ennstal) an Hartneid Vater und Sohn von Pettau.'^" Am Luzientage 1451 vermachen Wolfgang und Reinbrecht von Wallsee die Herrschaft Stattenberg im ehemaligen Gerichtsbezirk Windisch Feistritz (Slovenska Bistrica) an die Grafen von Cilli (Celje), falls sie selber ohne mannliche Nachkommen sterben sollten.'^* Ebenso vermachen an diesem Luzientage Friedrich und sein Sohn Ulrich, Grafen von Cilli (Celje) die Herrschaft Saldenhofen samt den Märkten und dem Schlosse Mauth (Hohenrtiauten. Muta) an die Brüder Wolfgang und Reinbrecht von Wallsee.'^ Dass »Lucia« im Mittelalter auch im Gebiete der deutsch-sloweni- .schen Berührungszone wesentlich öfter als Taufnahme gewählt wurde als heute, sei nur nebenbei vermerkt. Grabinschriften, Schenkungs- urkunden, Stiftungen und Taufregister beweisen dies. Allerdings spiegelt sich die Welle der barocken Luzienverehrung insbesondere auf sloweni- Eine Monographie über »Die Spende. Zu den Beziehungen Arme Leute- Arme Seelen« liegt als Habilitationsschrift (Universität Graz, 1945) von Hanns Koren, Graz, druckfertig vor. A. Helm. (Siehe oben Anmerkung 5.) J. A. Janisch, Topographisch-statistisches Lexicon von Steiermark III, Graz 1885, S. 920. '* Ebenda III, S. 959 f. " Ebenda. HI, S. 763. 214 Das slowenische Luzienbrot (»Lucijščak«) schem Volksboden auch im 17. und 18. Jahrhundert wieder in einem neuerlichen vorübergehenden Beliebtwerden dieses Taufnamens wider. Dem Luzientage als bevorzugtem Rechtstermin mittelalterlicher Ver- tragsabschlüsse entspricht ebenfalls wieder im südostdeutsch-sloweni- schen Grenzgürtel die Wahl dieses bedeutsamen Tages für andere Rechtshandlungen und Gemeinschaftsbezeugungen. Fehlt es hier vorerst noch an vorgregorianischen Belegen in unseren Gebieten, so sprechen doch Nachrichten des 17. und vielleicht sogar noch des 19. und 20. Jahr- hunderts ganz klar von der Kontinuität der einstigen Gemeinschafts- bedeutung dieses Luzientages. Die Ratsprotokolle von Neumarkt in Steiermark bekunden ausdrücklich eine gesellige Versammlung der Ratsmitglieder am Luzien- feste, bei der Bier aufgetischt wird. »Gerichtsverwalter verbietet daß ausschwätzen; wellicher solliches übertrit, solle wenigist vmb daß halbe Bier, was an Lucia auffgehet, gestrafft werden.«'^ Der Termin wird also als fest angenommen und nach dem Strafgrund zu schliessen dürfte es sich um eine ziemliche Zeche handeln. Bezeugt dieser Zufallsbeleg des mittleren 17. Jahrhunderts eine fest- gelegte gesellige Ratsversammlung am alten Mittwintertermin, so be- kundet ein slowenischer Zunftbrauch der Schuster aus T u r n i š č e im Prekmurje eine christlich-kirchliche Wendung des altheiligen Termines, neben der die überlieferte Festsetzung einer alten Gemein- schaftsgasterei trotz der kirchlichen Verbotszeit im Advent noch deutlich genug hervortritt. An diesem Luzientage gingen also die Schuster von Turnišče zur Kirche. Sie legten ihre Adventbeichte ab und halten den Tag über Arbeitsruhe. Am Abend aber kommen sie zu Unterhaltung und Trunk zusammen.'* Vor allem im slowenischen Bereiche sind auffallend viele brauch- tümliche Arbeitsverbote am Luzientage bis in die jüng- ste Zeit herein aufgezeichnet worden. Vielenorts bestellen die Leute eine hl. Messe »um der Gesundheit der Augen willen«. In Weisskrain halten die Leute Arbeitsruhe und fahren nicht mit dem Zugvieh, dass es nicht rinnäugig werde.'" Die Weiber flicken und nähen an diesem Tage nichts. Man sagt, »da bi s tem kuram zakrpale jajčnik, da bi ne mogle nesti« (»weil sie damit den Hühnern den Eierstock verstopfen würden, dass sie nichts mehr legen könnten«) (Kostel, Weisskrain).''" In den sloweni- schen Dörfern des Jaun- und des Gailtales in Kärnten feiern die Schneider und die Näherinnen.^' Im Prekmurje (Ižakovci) nähten und " Handschriftliche Ratsprotokolle von Neumarkt in Steiermark 1652—1654, f. 54. (Steiermärkisches Landesarchiv Graz, Schuber 47.) '* M. Turnšek, L S. 26. '" I. Š a š e 1 j, Bisernice iz belokranjskega narodnega zaklada I. Ljubljana 1906. S. 200. '" M. Turnšek. I, S. 26 nach J. Gregorčič, Zeitung ^Slovenec« vom 24. XII. 1950. " M. Turnšek, I, 26. 215 Leopold Kretzenbacher wuschen die Frauen an diesem Tage nichts. Sie buken auch das tägliche Brot an diesem Tage nicht. Die Frauen durften nicht einmal zu den Nachbarn, »da bi nesreče v hišo ne prinesle«, »da ne bi kokoši nesti nehale ali svinje jesti in se rediti« (»um nicht L^nglück ins Haus zu bringen«, »dass die Hennen nicht zu legen aufhörten und die Schweine zu fressen und sich zu mästen«).'* Zu Budina bei Ptuj in der Unter- steiermark durfte die Frau seltsamerweise nicht in die Mühle, »ker bi sicer imel mlinar vse leto nesrečo in bi se mu vse polomilo« (»weil der Müller sonst das ganze Jahr hindurch Unglück hätte und ihm alles zerbräche«).'^" Die Reihe der Arbeitsverbote und volkstümlichen Vorsichtsmassre- geln vor- und ausserchristlicher Herkunft für diesen besonderen Tag zu Beginn des neuen Sonnenjahres liesse sich noch lange fortsetzen. Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, dass hinter all diesen Arbeitsverboten des Schusterns, Schneidems, Nähens, Stickens usw. die magische Vorstellung steht, dass man an einem solchen Tage nicht mit einem spitzen Gegen- stande (Schusterpfriem, Nähnadel u. ä.) umgehen dürfe, weil ein solcher spitzer Gegenstand (Schwert, Dolch) der Tagespatronin das Leben ge- raubt hatte und die Heilige ihn deswegen auch als ihr Attribut trägt. Beweisen lässt sich diese Möglichkeit im slowenischen Bereiche nicht. Doch liegt der Gedanke nahe, wenn man an die vielen hunderte ganz ähnlicher Arbeitsverbote im älteren deutschen Volksglauben denkt, die sich ebenfalls die religiös-sozialen Bünde der Bruderschaften und Zünfte auferlegt hatten. Schuster, Schneider und andere Handwerker, die mit spitzen und schneidenden Gegenständen als Werkzeugen zu arbeiten pflegen, durften dies auf gar keinen Fall am Karfreitag, weil alle diese Gegenstände an die Marterwerkzeuge Christi erinnerten.*" Gerade weil nun der altgeheiligte Mittwintertermin seinen festen Punkt im Jahrlauf des Volkes und seiiie überlieferte Sinngebung hatte, konnte die Kirche nicht umhin, auch ihrerseits diesen Tag besonders zu heiligen. Nicht ohne Grund hatte sie, wiewohl das nicht ihrer sonstigen sehr kritischen Verfahrensweise entspricht, die geschichtlich nicht fest- liegende sizilianische Märtyrer Jungfrau in den Canon Missae aufgenom- men, was nur wenigen Heiligen widerfuhr. Sie hatte ihr Fest als das der Lichtgestalt auf den im heidnischen Bereich dämonendurchtobten Mittwintertermin verlegt; in klarer Gegnerschaft zu »Luzia der Dun- klen«, das heisst in unseren Gegenden als Gegengewicht gegen eine im Volke verehrte perchten-artige Mythenfrau mit klaren und im Volks- glauben tief verwurzelten Bezügen auf Totenkult und Sippenmahl. Das zeigt sich auch darin, dass gerade in unseren Gebieten des brauchtümlichen Sippenbrotes zur Totenfeier die Kirche ebenso wie das ™ Ebenda I, S. 26 f. "» Ebenda I, S. 27. *" Vgl. W. Treutlein, Das Arbeitsverbot im deutschen Volksglauben- (Bausteine zur Volkskunde und Religionswissenschaft, herausgegeben von E. F eh rie, Heft 5.) Bühl-Baden 1932. 216 Das slowenische Luzienbrot {iLucijšcak«) Agathenbro't ihrer sizilischeu Schwester auch St. Luziens Brot geweiht hat. Sie hat es dadurch vom Makel seiner heidnischen Herkunft und sozusagen vom Geschmacke unchristlichen Totengedenkens gereinigt und es wenigstens regional in den kirchlichen Ritus mit einbezogen. Vom Kirchturm auf Krk wird das Luzienbrot nach dem Gottesdienste unter das Volk geworfen. Sveta Lucija ist die gütige Spenderin der augenheil- bewahrenden Brötchen, die die dalmatinischen Kinder an ihrem Tage beschert erhielten oder singend im Heischegang einsammelten. Min- destens in der Gegnerschaft der Aufklärung lässt sich diese Haltung der Kirche gegenüber dem Luzienbrote noch erkennen. Im Jahre 1785 wird durch eine der vielen josefinischen Bestimmungen zur Neuregelung des religiösen Lebens im Geiste des Rationalismus innerhalb der Diözese Seckau durch Ordinariatscurrende eingeschärft (»per Rollam intimiert«), dass nun auch »die brod weihe am fest der H. Lucia« verboten sei (Ver- ordnung vom 19. VIII. 1783).*** Also war die alte agapee der Sippe, die noch aus den gegenwärtigen deutsch.-slow.-kroat. Brauchbestimmungen durchschimmert, die communio des Sippenbrotes doch durch eine kirch- liche Benediktion ins Christliche gewendet gewesen, bevor die Aufklä- rung, die in solchen Sachen sehr hellhörig war, sich ihres keineswegs christlich-kirchlichen Ursprunges entsann und die Luzienbrotweihe kur- zerhand verbot. Allerdings lässt sich unseres Wissens eine spezifische Luzienbrotweihe im näheren Umkreis Mittel- und Osteuropas nicht nachweisen. Auch das klassische Werk über »Die kirchlichen Benedik- tionen im Mittelalter« von A. Franz*^ verzeichnet keine, obwohl der Ritus der Brotweihe im Mittelalter eine grosse Rolle spielt. Sie spiegelt sich ja noch heute im Westen, insbesondere in Frankreich im »pain benit« in der Volksreligiosität wider.**^ Auch der überlieferungsreiche slowenische Volksboden bewahrt gewisse Erinnerungen an die kirch- lichen Benediktionen und die kultische Weihe z. B. beim Osterbrot (presnec**) und beim Hochzeitskuchen (bosman^"). Wenn schon die eigentliche Luzienbrotweihe im Abendlande fehlt, umso mehr mag dafür das direkte steirische Diözesanzeugnis eines ausgesprochenen Luzienbrot- weihe-Verbotes in unserem Räume besagen. Seckauer Ordinariatscurrende vom 19. Vfll. 1785. Handschriftlich im Pfarrarchiv von Kindberg in Steiermark. A. Franz, Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter. 2 Bände, Freiburg im Breisgau 1909. Vgl. zur Brotweihe im allgemeinen und dem pain bénit im Besonderen: G. Schreiber, Gemeinschaften des Mittelalters. Recht und Verfassung, Kult und Frömmigkeit. Regensburg-Münster 1948, S. 262 ff. ^* F. Kotnik, Presnec. (Etnolog XVI/1945, Ljubljana 1944, S. 29 ff.) '" F. Ko tnik, O piri in ženitovanjskem kruhu. (Etnolog XVII/1944, Ljub- ljana 1945, S. 51 ff. — B. Orel, Carodejni obred in mit nakolenčica ter bos- mana v slovenskih ženitovanjskih običajih. (Etnolog XIV, 1941, S. 74ff.; XV, 1942, S. 25 ff.) 217 Leopold Kretzenbacher VI. Misst man den eben vorgebrachten historischen und gegenwärtigen Belegen aus Volksglaube und Brauchtum in unserem Gedankengange einige Beweiskraft zu, so erklären sich auch andere Zweige der kirch- lichen Förderung des Kultes der sizilianischen Lichtjungfrau in den Gebieten mit fortdauernder Verehrung eines mittwinterlich umgehenden Mythenweibes und seiner Verbindung mit Totenkult durch Maskenumzug und Reichung des Sippenbrötes im Ahnengedenken und im Panspermie- Wunsch. Es fällt doch auf, dass neben St. Michael, dem bevorzugten Licht- kämpfer, dem Seelengeleiter und Seelenwäger das Patronat über manche vorgregorianische Toten- und Friedhofskapelle gerade St. Luzia zufiel. Selten widerfuhr dies ihrer sizilischen Schwester Agatha, die ja auch Totenbrotspenderin ist, und ebenso selten ihrer westdeutschen Konkur- rentin aus dem Elsass, der Augenpatronin St. Ottilia, die ebenfalls und bestimmt nicht zufällig ihr kirchliches Gedenken am 13. XII. zugeteilt erhalten hatte. Eine spätgotische Friedhofkapelle der hl. Luzia beim Stifte Seckau in Obersteiermark, die zum ehemaligen, vom kunstsinnigen Propst J. Dirnberger (1480—1510) gegründeten Armenspital gehörte, dient heute nicht mehr ihrem ursprünglichen Zweck als Totenkapelle.*" Das Toten- patrozinium hält St. Luzia zu St. Pauls im Dekanat Kaltem in Südtirol inne;*' desgleichen in der kleinen Kirche auf dem Friedhofe von Kastav bei Rijeka im Osten Istriens.** Ausserdem ist eine Filialkirche »Sancta Lucia in coemeterio« zu Osek im Dekanate Crnice (Diözese Görz)*'' und jenes Filialkirchlein St. Luzia mit einem Friedhofe zu Studen ice (Studenitz) im ehemaligen Gerichtsbezirk Windischfeistriz (Slovenska Bistrica) in der historischen Untersteiermark zu verzeichnen,*''* das der Laibacher Bischof Sigmund Graf Herberstein im Jahre 1689 im Zuge der barocken Verehrungswelle für St. Luzia weihte und das noch 1863 eine grosse Luzienglocke erhielt. Gewiss: »Der Gleichklang der Laute und der Wortsinn des Lichtes und des Leuchtens, der ihren Namen erklärt, hat die hl. Lucia auch zur *° B. Roth, Dompropst Johannes Dürnberger, ein Kunstmäzen im aus- gehenden Mittelalter. (Seckauer Geschichtliche Studien, Heft 10, Seckau 1951, S. 62 ff.) *" Laut Schematismus der Diözese Trient von 1912. Die Friedhofskirche lag 1538 in Ruinen und wurde 1612 neu erbaut. Diese Angabe fehlt jedoch im jüngsten Schematismus der Diözese Trient vom Jahre 1950. ** Freundliche Mitteilung von Frau Assistent J. D. Ribarić, Zagreb. *' Status personalis et localis archi-dioeceseos Goritiensis ineunte anno 1931, S. 61. Schematismus der Diözese Lavant, 1934, S. 100. Auf die Verbindung des kleinen Gotteshauses mit der Funktion als Friedhofskirchlein machte mich ausserdem Herr Dr. E. Cevc, Ljubljana, freundlich aufmerksam. Vgl. auch J. A. Janisch, Topographisch-statistisches Lexicon von Steiermark III, Graz 1885, S. 1052 f. 218 Das slowenische Luzienbrot (>Lucijšcak<) Schirmherrin von Kirchöfen und Kirchhofskapellen werden lassen. ,Et lux perpetua luceat eis': und das ewige Licht leuchte ihnen«, heisst es im Gebet der Kirche."" Aber diese Deutung ausschliesslich vom Namen her scheint uns nicht die allein mögliche, ja nicht einmal die wahrschein- lichste zu sein. Sie widerspräche der volkstümlichen Auffassung von der inneren Verbindung zwischen Namen und Wesen einer Gestalt durchaus nicht. Dennoch scheint uns diese Deutung sekundär zu sein. Primär ist der kirchliche Wunsch, dass »Luzia die Helle« eine Funktion gegen die dunkle heidnische Seelenführerin übernimmt, die vor allem unter dem Namen Perchta-Pehtra-Pehtrababa bei Deutschen und Slawen im Ost- alpenraum auftritt, die lange Jahrhunderte auch in christlicher Über- lagerung fortlebte, verehrt wurde und heute noch zumindest in Sagen und gewissen Brauchtumshandlungen eine Rolle spielt. Unter diesen Erinnerungen nimmt gerade die Seelenspeise als Brei oder als Brot mit Panspermie-Gedanken einen hervorragenden Platz ein.^* Beide christ- lichen Totenheiligen, St. Michael und St. Luzia, erfüllen ähnliche Auf- gaben. St. Michael übernahm bis in Einzelheiten der legendaren Erzähl- motive und der ikonographischen Typik als Seelengeleiter und als Seelenwaagehalter die Vorstellungen der altägyptischen Eschatologie und jene vom griechischen Seelengeleiter Hermes psychopompos.®^ St. Luzia hingegen musste als Hypostase für jene Frau Perchta, die im südost- deutschen und im slowenischen Volksglauben das Amt insbesondere der Führerin des Kinderseelenzuges (perhtina) innehatte,"^ als christliche Heilige eben da und dort das Patronat über die Totenkapellen neben St. Michael übernehmen. Die Laut- und Sinnverwandtschaft ihres latei- nischen Namens mit jener lateinisch-kirchlichen Totengebetformel kam stützend hinzu. Sie förderte noch das Verständnis für jenes Patrozinium. Der weitere Zusammenhang ihres dunklen Gegenstückes in der ausserchristlichen Volksüberlieferung des östlichen Mitteleuropa und des W. Hay, Volkstümliche Heiligen tage. Trier 1932, S. 322. '* Vgl. vorläufig die Materialien im Handwörterbuch des Deutschen Aber- glaubens VI, Berhn 1934/35, Spalte 1478 ff. (Perhta), besonders 1480 f. Eine Monographie über den Perchtenglauben im östlichen Mitteleuropa bereitet J. Hanika, München, vor. Als Vorarbeiten erschienen: J. Hanika, »Bercht schlitzt den Bauch auf« — Rest eines Initiationsritus? (Stifter-Jahrbuch II, Gräfelfing bei München 1951, S. 39 ff.. Derselbe, Peruchta-Sperechta-Zber in Böhmen und Mähren. (Stifter-Jahrbuch III, Lochham bei München 1953, S. 187 ff. Vgl. R. Corso, II giudizio dell'anima in un bassorilievo del Duomo di Gemona. (Ce fastu? Rivista della Societa Filologica Friulana XXVI, Udine 1950, S. Uff.) Dazu: L. Kretzenbacher, St. Michael, der Seelenwäger. (Neue Chronik zur Geschichte und Volkskunde der innerösterreichischen Alpenländer Nr. 2, Graz, Beilage zur Südost-Tagespost vom 25. V. 1952.) — Derselbe: La hilancia delle anime. La trasformazione del motivo medie- vale nel barocco e la sua continuazione nella poesia popolare religiosa attuale. (Ce fastu? XXVII-XXVIII, Udine 1951-1952. S. 129 If.) ''L. Kretzenbacher, Germanische Mythen in der epischen Volks- dichtung der Slowenen. Graz 1941, S. 84 ff. 219 Leopold Kretzenbacher nördlichen Balkans mit Totenkult, Schreckvermummung, Heischegang und Bescherung in der ehemals längsten Wintemacht zeigt sich deut- licher noch in den vielfältigen Auftrittsgestalten und Vorstellungsbildem der dunklen Luzia. Ihre Darstellung und deren volkskundlich-kultur- historische Analyse aber gehört nicht mehr in den Rahmen dieser Einzeluntersuchung über das slowenische Luzienbrot. Povzetek SLOVENSKI LUCIJIN KRUH — ^LUCIJŠČAK< K zgodovini sredozimskih obrednih jedi v vzhodnih Alpah in na severozahodnem Balkanu Med bajnimi bitji iz nekrščanskega in predkrščanskega ljudskega vero- vanja, ki hodijo okrog v nočeh ob zimskem sončnem obratu, zavzema posebno mesto tisto žensko bitje, ki je na Švedskem znano kot »L u s s i b r u d€ (Lucijina nevesta) in ki v noči pred 13. XII. praznično belo oblečena in s krono lučic na glavi prinaša vsem v hiši darila, največkrat poseben kruh. Do Gre- gari jeve reforme koledarja leta 1582 je bila ta Lucijina noč tudi astronomsko vzeto v resnici najkrajša noč v letu. Zato je pač tudi krščanska cerkev zvezala praznik svoje svetnice luči, legendarne mučenice Lucije iz SirakuZ (umrle okoli 300), prav s tem zimskim dnem, ko se vrši toliko vedeževalskih in drugih magičnih obredov, zlasti za pričaranje rodovitnosti. Cerkev je torej postavila lastno bitje — nosilko luči, »Svetlo Lucijo^, kot jo imenuje pisec - proti poganski bajni ženi — »TemniLuciji^ po piscu — ki že od pradavnih časov prav tako v tej noči hodi okrog in prinaša darila. Pri raziskavanju zemljepisnega obsega kultnega vpliva obeh podob, sicilske Lucije in švedske Lucijine neveste, so vsi dosedanji raziskovalci skoraj jfopol- noma prezrli, da so se ohranila res bistvena in po vsem videzu močno starinska izročila o Svetli in Temni Luciji ravno na slovanskih tleh, z jedrom na sloven- skem severovzhodu (Prekmurje, Slovenske gorice, Haloze). Mimo teh izročil nikakor ne morejo iti tudi nemška, zahodnoevropska in skandinavska raz- iskavanja. Gre za skupino (bržkone tako omejeno od protireformacije sem) necerkvenih pripovedi in običajev v zvezi s Temno Lucijo, ki se razteza od srednjeozhodnih nemških tal (Niederbayern, Oberpfalz, Bayrischer Wald, Böhmerrvald) čez Češko in Moravsko, čez dele Spodnje Avstrije, Burgenlanda (Gradiščanskega) in vzhodne [nemške] Štajerske do slovenskega severovzhoda in se potem nadaljuje na hrvaškem ozemlju v Medjimurju, v Hrv. Zagorju, v Liki, v Hrv. Primorju in Dalmaciji. Na tem prostoru je pisec izbral iz izročil (pripovedi in običajev) o Luciji en sam poseben problem — obredni kruh te Lucijine noči. Slovenska izročila z ustreznimi izročili iz nemške in hrvaške soseščine primerja s skandinavskim Lucijinim kruhom, s tako imeno- vanimi »Lucijinimi^ ali »hudičevimi mačkami« (lussikattr, dövelskattr). V na- sprotju z mladimi, pretežno mestnimi oblikami Lucijinega kruha na Švedskem nam avtor pokaže, da imamo tu na Slovenskem opravka v bistvu s prvotnejšo, necerkveno sredozimsko obredno jedjo. Razširjenost Lucijinega kruha — »lucijščaka« — je mogoče slediti od južnega roba nemške Štajerske (Sulmtal, Saggautal, okolica T^eibnitza) proti Slovenskim goricam, Halozam, Prekmurju in Porabju, nato še naprej proti jugu in zahodu čez Medjimurje, Hrvatsko Zagorje in del Like, tja do Dalmacije (Pag, Trogir) oziroma do Hrvatskega Primorja in Kvarnera, kjer so s cerkvenega stolpa najstarejšega Lucijinega svetišča na Balkanu — Jurandvorske cerkve pri Das slowenische Luzienbrot (>Lucijščak<) Baski Novi na Krku — še do prve svetovne vojne na Lucijin praznik metali med ljudstvo kot svetničin dar »za oči« majhne, zaželene kruhke (hlibčići), ki so jim pripisovali zdravilno moč. Pri slovenskem Lucijinem kruhu je značilna 1. ozka povezava z verovanji in običajem prvega obiskovalca tega dne, >p o I a ž e ni k a«, ki prinaša srečo, in 2. pogosto opažen namen, pripraviti kruh v smislu pan spermije, s pri- rr.esjo semen za vse v prihodnjem žetvenem letu zaželene rastline oziroma sadeže. Za obe značilnosti prinaša pisec primere iz omenjenih slovenskih, nemških in hrvaških pokrajin. Od tod izhajajo različna imena te obredne jedi na Lucijin praznik: lucijščak, lucijšak, licija, lucijska koržnjaka, koruznica, kuružnjača, krušnica, kelešice, pogače, fritule, uštipci. Po drugi strani pa poznamo tudi različne načine pripravljanja tega kruha: kot mlince, z mešanjem raznih vrst žit ali brez tega, priprava brez masti, brez soli; posebna oblika — poprtnik. Pisec primerja te oblike Lucijinega kruha z nekaterimi drugimi sredozimskimi obrednimi jedrni na Balkanu (Srbija, Grčija) in še naprej o Sredozemlju. Vse te jedi so pomensko v zvezi s sredozimskim praznikom mrtvih in z obred- nim hranjenjem duš. V posebnem poglavju je pisec pokazal, da je običaj metanja kruha s stolpa Lucijine cerkve na Krku samo navidezno zgodovinsko utemeljen z legendarno pripovedko, in ga je primerjal s tipološko zelo podobnim razdeljevanjem obred- nega kruha d vasi Kamen (Stein) v Pod juni na Koroškem. Tam je običaj združen s praznikom su. Agate iz Katanije, to se pravi sicilske svetniške sestre sv. Lucije iz Sirakuz. Obe sta že v najzgodnejšem zapisu Lucijine legende, v grškem pasi- jonu iz 6. stoletja, namenoma povezani. Na splošno je sv. Lucija — danes kot krščanska svetnica, pravzaprav pa kot pokristjanjeno nadomestilo sredozimske nosilke darov — pritegnila nase ono funkcijo prinašanja darov, ki jo drugače — in ne nazadnje tudi na slovenskem ozemlju — izvršuje sv. Miklavž. Pri da- rovih pa gre v vsakem primeru za »jerf d m I« ob pokrisijanjenih nočeh v spomin rajnikov, ki se zdavnaj slave sredi zime. Kar je pri tem posebnem kruhu bistveno, je časovna določitev, ne pa drugotna povezava s cerkvenimi svetniki. To je dar dušam umrlih (zastopajo jih in namesto njih prejmejo kruh >ubogi ljudje«), ki pridejo v sredozimskih nočeh k prebivališčem živih in zagotove nadaljevanje življenja in rodovitnosti. Po pomembnosti, ki jo temu dnevu daje povezava z onstranstvom, razumemo, kako da ta stari sredozimski datum — 13. XII. — sme veljati tudi na slovenskem ozemlju za izrazit pravni termin, n. pr. za pogodbene sklepe na spodnjem Štajerskem v srednjem veku ali za cehovske slovesnosti še v 20. stoletju. Pre- poved dela pa dokazuje posvečevanje tega dne, ki je šele po Gregorijevi reformi koledarja leta 1582 s premikom decembrskih praznikov skoraj popolnoma izgubil svoj cerkveni pomen (kolikor ga ni poživil novi cerkveni obredni impulz, ba- ročni val Lucijinega češčenja) in ki je do neke mere prav tako izgubil tudi svojo funkcijo v tradicionalnem ljudskem življenju. Vendar pa je ta nekdanji pomen mogoče spoznati še v nečem. V svojem prizadevanju, da bi nadomestila z novo sicilsko svetnico svetlobe staro pogansko bajno ženo, kakor še danes hodi okrog v podobi ycrne Lucije« s svojo grozečo ^strežnico« v slovenskem Prekmurju, d Slovenskih goricah in v Medjimurju. je cerkev šla tako daleč, da je proglasila s v. Lu c i j o še za z aščitnic o mrtvih. Tudi njej so začeli posvečati cerkve na pokopališčih, kar se je sicer zdelo, da pritiče skoraj izključno sv. Mi- haelu, vodniku duš. In tudi to se je spet odigralo predvsem na ozemlju južno od vzhodnih Alp: Seckau, Kaltern na južnem Tirolskem. Kastav pri Reki, Osek pri Črničah na Goriškem, Studenice pri Slovenski Bistrici. Da, sam obredni kruh tega dne je cerkev na tem ozemlju, vsaj o škofiji Seckau, celo blagoslovila, da bi tako izbrisala njegov poganski izvir in ga očistila. Šele kasneje — leta 1783 — je bilo iz Gradca izrecno prepovedano to blagoslavljanje Lucijinega kruha. 221 Leopold Kretzenbacher Lucijin kruh je samo č len d celi verigi posameznih ljudskih izročil o tej »Temni Luciji«, Pehtri podobnem sredozimskem bajnem bitju nemško-slovan- skega ozemlja jugovzhodnih Alp in severozahodnega Balkana. Njene povezave nam omogočajo spoznavati posebna območja staroverskih običajev in kasnejših naplavin krščanskih protitokov v mejah, ki nas morajo zanimati kot kulturno- zgodovinski spomeniki že eno tisočletje in dlje trajajočega prepletanja med ljudskimi bajnimi izročili in običaji po eni strani in krščanskimi legendami in obredi po drugi strani. 222