Nr. 5. SüluMg den 2.!. Mmm .1865. 9. Ichrgang. Wlätter aus Hrain. (Vcilage zur „Laibacher Zeitung.") Die „Blätter aus Kram" erscheinen jeden Samstag, und ist der Pränumcrationspreis ganzjährig 2 fl. östcrr. Währung. Die Stausenbcrger Sage. Vom Staufmbergcr melden alte Sagen, Daß ihm die schönste Dame war zu eigen, > Doch durft' er niemals öffentlich sie zeigen ! Und nie um ihren Namen sic befragen. ! Der Stauscnbcrger ist wohl längst gestorben, . Sein Schisfal aber waltet noch zur Stunde; ! Mit dem Geheimniß lebt die Lieb' im Vnndc ^ Und nur gewonnen wird sic, nie erworben! ! Umschwebt ein Falter Dich im Lenzgcfiloc, ! So lass' Dich, ihn zu fesseln, nie verführen — ^ Denn wagst Dn nur die Schwingen zu bcrilhrcu, ! Zerfällt m eitel Stanb daö Prachtgebildc. ! Die Stimme >er Nalnr. (Fortsetzung.) Anna's Sorgen aber wuchsen von Tag zu Tag, da sich ! ihr lein rechter Ausweg darbieten wollte, der ihrem Zwecke ! dienlich sein konnte: sie eröffnete daher eines Abends, als sie mit ihrer Schwester wieder allein war, das; sie den Entschluß gefaßt habe-, ihre Dienstgeber ins Vertrauen zu ziehen und sie um ihren Beistand zu bitten, da diese in der That sehr chren-werthe menschenfreundliche Leute waren. Wie wenn eine Schlange sie gestochen hätte, fuhr bei dieser Nede Magdalena empor. „Wie?" rief sie, „Du willst mich der Schande der Welt preisgeben? Außer Tir darf teine Seele von diesem Unglücke etwas erfahren!" „Es wird aber dazu lommen müssen, daß wir uns Jemandem anvertrauen," cntgegnete Anna, „es wird lein Geheimniß bleiben können." „Es wird ein Geheimniß bleiben," antwortete Magdalena mit Nachdruck: „denn das Kind — hier dämpfte sie ihre Stimme — wird sterben." Anna starrte ihre Schwester eine Weile regungslos an, als habe sie diese nicht recht vcrstauden, dann sagte sie ruhig: „Das Kind kann aber auch am Leben bleiben." „Es darf nicht," antwortete Magdalena mit schriller Stimme und mit einem Ausdruck in ihren Augen, der Annen alles Blut aus den Wangen trieb. „Es will mir meine C'hre vernichten, fuhr Magdalcna sort, „darum —" „Darum wolltest Tu doch nicht die Hand au ein Menschcn-lcbcn lc^cn?" l „Ich muß," sprach Magdalena, in wilde Erregung gc- i rathend, „sonst ist mein Leben vergiftet." Anna hielt sich mit beiden Händen den Kopf, als wolle ^ ihr das Gehirn herausdringen: eine unnennbare Angst hatte ! sie erfaßt. Ficbensche Kälte schüttelte sie, sie mußte alle ihre ^ Kräfte aufbieten, um wieder das Wort nehmen zu können, i „Schwester," bat sie mit zitternder Stimme, „laß diese ! schrecklichen Gedanken: Tn bist krank. Dein Kopf ist angegriffen, ! Tu weißt nicht, was Tu sprichst. Gott wird Tir gewiß helfen, ! aber Tu darfst das Vertrauen zu dem AUerbarmer nicht ver° ! liercn. Er wird uns gewiß gute Menschen finden lassen." ^ „Du wagst es, mit Jemandem über meine Scbande zu ! sprechen," cutgcgncte Magdalena mit erschreckender Nnhe und z Bestimmtheit, „und am folgenden Tage zieht ihr meinen Leichnam ! aus dem Wasser. Eines vou uns Beiden darf nicht leben." Es war dieß der Ausdruck jener Verzweiflung, welche dem Menschen an'Z Gehirn greift und ihm seinen Eeelenblick derart verdunkelt und verwirrt, daß selbst das Licht der Nett-! gion in diese Gcistcsnacht nicht einzudringen vermag: in solchen ^ Augenblicken aber weckt oft der Herr in cinem fühlenden Menschen-! herzen den Schutzgeist, der dem verirrten Nächsten die Hand ^ bietet, um ihn vom Abgrunde zurückzuziehen, dessen 3tande sich ! der Unglückliche im wilden Taumel genähert hat. > Anna schaute mit uerzwcisiungsuollcn Blicken in die Höhe, ^ sie hatte in dem Augenblicke leine Antwort für diese furchtbare ! Trohung: nur vom Himmel konnte guter Rath kommen, sie z wußte keinen. Eine peinliche Pause trat ein, während Anna ! im Stillen Gott um Erbarmung anflehte. Plötzlich sammelte ! sie sich wieder uud so ruhig, als es ihr nur immer möglich ! war, begann sie: ! „Magdalcna, ich habe Tir Hand und Wort darauf ge- ! geben, daß ich Tich nach meinen besten Kräften unterstützen ! will, damit Dein Unglück ein Geheimniß bleibe: ich will es redlich thun. Tu, als Mutter, darfst dem Kinde das Leben ! nicht nehmen, ich will es todten." ! Anna hatte eingesehen, daß es für den Augenblick eiue Unmöglichkeit sei, mit Vernunfts- und RcligionZgründen ihrer Schwester das Entsetzliche ihres Vorhabens einleuchtend zu macheu: ! denn aus Magdalencns ganzem Wesen sprach deutlich ein gewisser Grad von Wahnwitz, der bis zum vollen Ausdrucke ! nicht durste gesteigert werden. Es galt daher klugerweise auf ! das entsetzliche Vorhaben scheinbar einzugehen, um dessen wirkliche Ausführung zu hintertreiben. Tieß schien Annen der ein- ! zige Rettungsweg. 10 Diesen Antrag schien Magdalena nicht erwartet zu haben. Sie trat einen Schritt zurück und schaute ihre Schwester forschend an. „Es kann auch von meiner Seite unbemerkter geschehen," fuhr Anna fort, „das wirst Du bei einiger Ucberlcgung leicht begreifen, und so nur kann es ein Geheimniß bleiben." Magdalena nickte schweigend einige Male, während sie Anna's Worte zu erwägen schien. „Und Tu versprichst mir nichts gegen das Kind zu wagen; denn von der Mutter darf es nur Leben, nicht den Tod erhalten." „So mag es sein," antwortete endlich Magdalena mit dumpfer Stimme, und schweigend trennten sich dann die Schwestern. ! Anna jedoch, welche nun erkannte, sie habe es mit einer ! Schwerkranken zu thun, vermeinte, als sie allein war, sie müsse selbst wahnsinnig werden: diese Prüsung des Himmels schien ihre Kräfte zu übersteigen. Jetzt galt es Mutterstelle zu vertreten und Pflichten zu üben, die mit dem Tode ihrer Mutter auf sie übergegangen waren, deren Ausübung aber ihrer verstorbenen Mutter gewiß nie so schwer gewesen waren, als wie gegenwärtig der armen Anna. Sie erkannte, daß Magdalcna nun unter keiner Bedingung von hier fort durste; es war nun ^ eine dringende Nothwendigkeit, daß sie ihre Schwester nicht ans ^ den Augen ließ, denn diese hatte in dem Sturme ihrer Verzweiflung , die sie nur die bevorstehende Schande sehen ließ, jeden moralischen Anhaltspuntt verloren, mit dessen Hilfe sie in ihrer fnrchtbarcn Lage sich wieder zurecht finden konnte, nnd Anna bot ihre ganze Scelenkraft auf, um mit möglichster 3luhe ^ dem vcrhängnißvollen Zeitpunkt entgegen zu gehen. Aber wenn ! die Nackt herangekommen war, die sich wohlthätig und er- ^ quickend auf die müden Augenliedcr senkte, da floh sehr häufig der ! Schlaf ihr Lager und sie machte in heißen Thränen ihrem > Schmerze Luft, während jeder ihrer Gedanken ein Gebet für ! ihre verirrte Schwester war, die sie von einer ungeheuern Gc» ! fahr bedroht sah. (Schluß folgt.) ! Ein guter Sohn. ! Episode auö dem Sludcntcnlcbm als Beitrag zur Charakteristik eines > großen trainischcn Kirchcnfiirstcn. Von I. A. Babnigg. , (Fortsetzung und Schluß.) Da unsere Absicht nicht ist, eine Neiscbeschreibung zu geben, ! so erwähnen wir in Kürze, daß wir eine Stunde von Görz ! eine Gelegenheit fanden, welche leer nach Görz fuhr. Mit dieser ! hielten wir Nachmittags unsern Einzug über den Trannik in ! das Gasthaus, zur „Äacüitniea," genannt. Kellner, Bediente ! und wie all das Dienstpersonal des Gasthauses heißen mag, empfing uns am Eingänge, wähnend, eine große Herrschaft spreche in dem Hause ein, aber Federleicht ist das Gepäcke, ' Und unser Vlut so jnng, so frisch :c. dachten wir uns in unserm Innern, und achteten nicht der ^zweideutigen Mienen, welche bei unserem Anssteigen die ae- täuschte Dienerschaft machte. Ein unansehnliches Zimmer wurde ^ uuö angewiesen. Es hatte nur ein Fenster, mit der Aussicht ! auf cmcn großen Düngerhaufen im Hofe. Hier sehten wir > uns in der größten Verstimmung in den gehörigen Stand, um ' im Gastzimmer anständig erscheinen zn können. Wir fanden der Gäste Viele, auch die vier räthsclhaften Reisenden befanden sich nnter diesen. Sie grüßten uns, wie man alte Bekannte zu grüßen Pflegt, und gaben sich als Schmuggler zu erkennen, die ein gutes Geschäft während dieser Zeit gemacht haben, z Nach eingenommenem Mahle, bei welchem wir keine Rech' nung scheuten, war unsere erste Sorge, unser EmpfehlungZ-, schreiben gehörigen Orts abzugeben, und sodann uns ein wenia ! in der Stadt umzusehen. Der bochwürdige Adressat war nicht ! zu Hause. Unter Angabe unseres Abstcigquartiers übergaben wir das erwähnte Schreiben dem Bedienten des Hauses. Nach dem lustig mit Durchscklendern durch die Gassen der Stadt verbrachten Nachmittage war die Nacht hercingebrochc.-.. Wir sehnten uns wahrhastig nach einer frühzeitigen Ruhe u:-d kehrten in unser Gasthaus zurück. Welch ein Wunder! Man wies uns ein schönes, elegant möblirtcs Zimmer, mit der Aussicht auf die Gasse, statt des frühern an. ,,?a8t undila ?ködu8," riefen wir einstimmig aus u:;d traten in unser neues Eldorado ein, wo wir den crauickendstc>: Schlaf genossen. Acht Uhr Morgens beiläufig mußte es sein, als an unsere Zimmerthüre gepocht wurde. Erschrocken fuhren wir aus dein Schlafe auf. Die Soune stand schon hoch und beschien freundlich lächelnd uns Siebenschläfer. Herein trat der hochwürdige Pro-fcssor Dr. H. Er bot uns einen guten Morgen nnd staunt? nicht wenig, uns zu so später Stunde noch nicht in der gehörigen Ordnung zu finden. Wir baten um Entschuldigung. Er aber lächelte wohlwollend über unsere allgemeine Verlegenheit, und bedeutete uns nach einem kurzen Gespräche, daß er bereit sei, uns die Merkwürdigkeiten der Stadt zu zeigen. Nach einem eilends bestellten guten Mittagsmahle folgten wir unserem Herrn Führer. Der Weg führte uns zuerst zum crzbischöflichen Palaste, denn auf der hintern Seite desselben liegen die prachtvollen Weingärten des Kirchenfürsten von Görz. So versicherte uns der Herr Professor. In den Hof des Palastes eingetreten, waren wir unverhofft Zeugen einer heiligen kirchlichen Handlung. Der hochwürdigste Erzbischof Herr Josef Wallant wcihete eben einige Glocken. Wir traten der heiligen Handlung näher, und zwar in die nächste Nähe des Kirchenfürstcn. Er saß auf einem Stuhle im geistlichen Ornate, und während die neben ihm stehenden Leviten einige Psalmen lasen, fragte ganz leise der Prälat den Nächststchcnden von uns in unserer heimatlichen Sprache, ob wir nicht Krämer wären. Unter einer tiefen Verbeugung bejahten wir dessen freundliche Frage, und gingen nach einem kürzn, Aufenthalte den nahen Weingärten zu, welche besuchen zu dürfen, sich schon Tages zuvor unser Herr Führer ^ ausgebcten hatte. j Der größte Theil der Traubenlese war zwar schon vorüber, doch prangten noch einige Parthien in voller Pracht, welche zu einer späteren Lese vorbehalten sein mochten. Aus ! diesem konnten wir auf den reichen Segen der bereits abgc- ! nommenen Trauben schließen. Wir sahen viele Weingärten, ! doch keinen noch, in dem eine solche Ordnung herrschte, die uns wahrlich in Erstaunen setzte. Es nahte die Mittagsstunde und die Zeit zu unserer Nück- ^ kehr. Ermattet von der Sonnenhitze und im höchsten Grade ^ ermüdet, von dem ungewöhnlichen Gange, erreichten wir, uns nach dem Mittagsmahlo sehnend, unser Gasthaus, nachdem wir ^ uns von unserem Herrn Führer anslandsvoll verabschiedet hatten, ^ >der unserer Einladung, mit. uns dahin zu kommen, auf eine ^ -schonende Weise auszuweichen wußte. ! „Schnell aufgetragen!" riefen wir, in dem Gasthause an-'getommen. Doch wer beschreibt unsere Verwunderung, als die Wirthin bedeutete, nichts für uns bereitet zu haben. „Warum nicht?!" riefen wir Alle, beinahe entrüstet, aus. ! j Sie lächelte schalthaft über unsere Entrüstung. Dieses regte uns noch mehr auf. Sie aber refcrirte ganz rubig Nachstehendes: „Gleich nach Ihrer Entfernung aus dem Gasthause, erschien der erzbischöfliche Kammerdiener und stellte das bereits bestellte Mittags« mahl ab, denn Sie Alle wären heute zur bischöflichen Tafel geladen." Wir waren darüber sprachlos geworden. Der unerwartete Eintritt unseres nun ganz im Gala-tleide angezogenen Herrn Führers, gab uns die Sprache wieder. Bitten, Entschuldigungen aller Art, rücksichtlich unseres An- < zugcs, dann unsere Ungeschicklichkeit des Benehmens bei einer ! solchen Tafel, und Gott weiß, was wir noch Alles vorbrachten, um von dieser ehrenvollen Einladung dispensirt zu werden — Alles umsonst. Unser Führer wußte alle unsere Einwendungen zu verwerfen, und versicherte uns, daß er den Auftrag habe, uns auf jeden Fall zur Tafel zu bringen. Wir mußten uns i endlich in unser Schicksal ergeben. Nun ging es an ein Putzen und Bürsten, und ehe eine Stunde verging, schritten wir mit pochenden Herzen dem fürstlichen Palaste zu. War der Gang dahin schon ein beklommener, so war der Augenblick vor dem Eintritts in den Empfangssaal noch ein ! viel angstvollerer, denn der Bediente, der uns zu erwarten schien, öffnete unter einer tiefen Verbeugung das Ilügelthor, wo der hochwürdigste Herr Prälat auf einmal vor uns stand, im einfachen schwarzen Kleide, ohne besonderer Abzeichnen seiner hohen Kirchcnwürde. Ein an einer schweren goldenen Kette herabhängendes , mit Edelsteinen verziertes Kreuz und der Fischer-ring am Mittelfinger seiner rechten Hand, waren die ganze Zierde des hohen Oberhirten. Entgegentretend, reichte er uns Einem nach dem Andern wohlwollend als unser Landsmann 11 seine Rechte dar. Wir küßten ehrfurchtsvoll den Fischcrring. Er erkundigte sich, mit uns im Saale auf- und abgehend, nach vielen in Laibach wohnenden Familien, nach den Stadtercig-nissen und nach dem Herrn Fürstbischöfe von Laibach. Wir ertheilten ihm Auskünfte, so viel als es in unseren Kräften stand. Ein zweites Flügclthor öffnete sich und ein Bedienter meldete etwas in italienischer Sprache, worauf der Herr Erzbischof uns mit der Rechten in das anstoßende Zimmer zu treten deutete. Wir kamen in den Spciscsaal und erblickten sechs Gedecke. Die Plätze waren uns angewiesen. Der oberste Ehrenplatz blieb jedoch leer, denn der Kirchenfürst nahm einen zur rechten Seite desselben ein. Wir standen nicht lange hinter den rothsammctncn Stühlen, als ein altes Mütterchen eintrat. Ein weißes Haupttuch bedeckte ihr Silbcrhaar. Die übrige Tracht ließ die Oberkraincrin nicht verkennen. Schweigend und langsam vorschreitend nahm sie den Ehrenplatz ein. Der Kirchensürst sprach nach dem „vsnMoits": „Es ist meine alte, gute Mutter;" denn cr mußte unser Befremden gemerkt haben, und zu seiner Mutter gewendet, führte er uns als Landslcute aus Laibach auf. Unter gegenseitigen Verbeugungen wurden die sammetnen Stühle besetzt, und das Auftragen der Speisen begann. Icde Speise wurde zu allererst dem Herrn Erzbischofe zugebracht, dieser nahm solche in scine Hand und präscntirte sie seiner Mutter. Zu uns gewendet aber sprach cr: „Entschuldigen Sie, meine Herren, es ist meine Mutter." Darauf gelangten die Speisen der Reihe nach an uns, und zuletzt an scine erzbischöflichen Gnaden zurück. Gespräche aller Art, doch nur in krainischer Sprache, wechselten unter dem Mahle ab. Wir ge-riethen in eine recht heitere Laune, denn die bleierne Scheu war durch das Wohlwollen unseres Herrn Gastgebers verschwunden. Eins nur befremdete uns. So oft das alte Mütterchen zu ihrem Sohne sprach, so vermied sie des persönlichen Fürwortes sich zu bedienen. Der Kirchenfürst mußte dieses endlich, selbst unliebsam berührt, wahrgenommen haben, denn gegen das Ende der Tafel sprach cr , trübe gestimmt, zu seiner Mutter : „Meine liebe Mutter, warum vermeidet Ihr, mich mit dem freundlichen D u anzusprechen? Bin ich nicht Euer Sohn, und habe ich nicht am Tage, als ich das erste heilige Meßopfer dem Herrn des Himmels und der Erde darbrachte, zu Euch gesagt, daß ich Euer Sohn bin, und daß Ihr mich D u nennen müsset, wenn ich auch Bischof werden sollte? Damals dachte ich noch nicht, daß mich einst Gott in seiner Vatcrmilde und unendlicher Güte zu dieser hohen Kirchenwürde berufen werde: also kurz gesagt, Ihr sollt mich fortan immer Du nennen, wenn Ihr meine wenigen Tage, die mir Gott zu leben vergönnt, nicht betrüben wollt." Diese liebevolle Sprache lockte einen Strom von Thränen ans den glanzlosen Augen des tieferschütterten Mütterchens und in dicken Tropfen liefen solche über deren gefurchten, bleichen Wangen herab. Vor innerer Wehmuth übermannt, stand sic vom Tische auf, reichte ihrem biedern Sohne die hagere Hand 12 und unter einer tiefen Verbeugung gegen un3, entfernte sie ! sich wankend am Arme ihres großen Sohnes aus dem Epeise-saale. Als der hochwürdigste Herr Josef Wallant in den Speisesaal zurückgekehrt war, ersuchte er uns in einem wehmuths-vollen Tone, diese Unart seiner alten Mutter gütigst nachzusehen. Wir hatten keine Sprache, denn unsere Augen schwammen ! in Thränen. Wir fühlten, daß eine solche kindliche Liebe und ! Achtung selten auf Erden angetroffen wird. Bei dieser Betrachtung ist in unserm Innern ein tiefes Gefühl der Beschämung entstanden, denn wir erinnerten uns, ^ wie oft unser Benehmen gegen unsere Eltern ein verdammungswürdiges war, und ein Vorsatz entstand in uns, nie mehr unsere Eltern muthwilligcr Weise zu kränken. Wir haben von diesem Augenblicke an redlich unser Wort gehalten. Die Eltern wunderten sich oft, daß die rauhen Seiten nach der Rückkunft aus Trieft von uns ganz verschwunden waren. Dank, innigsten Dank, beiliger Schatten Dir! Möge Dein schönes Beispiel alle Kinder unserer entarteten Zeit zur Nachahmung anspornen! Der Kreuzschnabel. Im Nadelwalde, jedoch nicht alljährlich, gar häusig in Intervallen bis zu 5 Jahren, begegnet dcr Vogelfreund den Zigeunern unter den Vögeln, den Kreuzschnäbeln. Wie jenes ! unstäte Volk, ziehen sie planlos umher, dort sich niederlassend, wo sie die jeweilige Laune dazu veranlaßt. Zwei Eigenthümlichkeiten haben diesen Vogel in den Augen des Volkes geheiligt, sein bekanntermaßen gekreuzter Schnabel und seine relative Unverweslichkeit. Als unser Heiland am Kreuze hing, erzählt die Sage, bemühten sich diese Thierchcn, die Dornen aus seiner Stirne und die Nägel aus dem Kreuzesholze zu ziehen, bis durch das erfolglose Bemühen die Schnäbelchen verbogen waren. Gerührt, segnete sie der Herr und verewigte die nunmehrige Gestalt des Schnabels, schützte auch den Körper vor Verwesung. In Wahrheit beruhen aber beide Eigenschaften auf ihrer Nahrung, bestehend aus den Samen der Nadelhölzer. Mühsam muß der Kreuzschnabel die Zapfen derselben aufbrechen, wobei der eigenthümliche Schnabel, der, auch nur wenig geöffnet, eine außerordentliche Breite gibt und somit leicht die Dcctelchcn der Zapfen absprengt, unentbehrlich ist. Das in ! diesen Samen enthaltene Harz durchdringt den ganzen Körper derart, daß er gänzlich ungenießbar wird, aber auch sehr lange, an trockenen Orten selbst jahrelang, der Verwesung widersteht. Hecrdenwcise treten diese Vögel auf und erfreuen durch ihr neckisches, gautlerisches Treiben und ihren angenehmen, theils zwitschernden, theils knarrenden Gesang. ! Der graue Jagdrock mit grünen Aufschlagen. Nach einem Schreiben des Grafen Franz von Meran stammt der graue Iagdrock mit grünen Aufschlägen von seinem Vater, dem verewigten Erzherzog Johann von Oesterreich her. Die betreffende Stelle lautet wörtlich: „Wie die Gemsen ihren jetzigen Stand (in Stciermark) dem Erzherzog Johann verdanken, so stammt auch von ihm der schlichte graue Rock mit grünem Aufschlag, was die meisten Träger dieses allgemein gewordenen Iagdklcioes kaum wissen dürften. Die altsteierische Tracht war nämlich ein grüner Rock. Im Jahre 1808 , als mein Vater die Landwehr, die so tapfer und aufopfernd im darauffolgenden Jahre focht und blutete, auch in Steiermark organisirte, wurde von ihm für die Land-bataillons ein grauer Kittrl mit grünen Aufschlägen gewählt, welche Kleidung dann in die Nationaltracht überging." Aus den Sund kommen. Die Redensart, „auf den Hund kommen," ist so allgemein verbreitet, daß ihre Entstehung wohl einer Erklärung werth scheint. In den Bergwerken gilt als die niedrigste Arbeit, welche meist die „Jungen" verrichten, das Wegschaffen der Erd- und Steinmasseu, welche zu Tage gefördert werden sollen. Die Fahrzeuge, welche hierzu verwendet werden, heißen „Hunde," d. h. hölzerne, auf niedrigen Rädern gehende Kasten. Macht sich nun ein Bergmann höherer Elasse eines Vergehens schuldig, so muß er den „Hund" ziehen, wird dadurch in die unterste Classe der Arbeiter versetzt und erhält den niedrigsten Lohn; er ist auf den Hund herabgesetzt worden, oder er ist „auf den Hund getommen." Daher die Redensart. Veruch und Geschmack. Erfreut dcr Geruch mehr des Menschen Herz als dcr Geschmack? Diese Frage wurde in einem englischen Klub zur Lösung wichtiger Lebensfragen aufgeworfen. Nachdem viel hin und her geredet, erhob sich ein Anwesender, welcher für die Vorzüge des Geschmackes stritt und verlangte cin Glas heißen Punsches. Er trank es mit vielem Wohlbehagen aus, schickte das leere Glas an ein für die Oberherrschaft des Geruchs ftrei-i tendeZ Mitglied und donnerte: „Nun, Herr, riecht daran!" Der Erfolg war entschieden — die Versammlung stimmte zu Gunsten des Geschmackes. Literatur. Die Decembcrnummcr von „Westcr m a n n's Illustrirtc n Deutschen Monatsheften" ist wieder sehr reichhaltig an novellistischen und wissenschaftlichen Beiträgen, sämmtlich von den gediegensten deutschen Schriftstellern. Daneben verdient auch cinc kleine Erzählung nach dem Holländischen „Die Familie Stehstock"' ihren Platz durch die meisterlich ausgeführte gcmüthuollc und echt humoristische Art dcr Lebcnsschildernng, welche darin gegeben ist. Besonders bemerkenswert!, ist ein Artikel über Friedrich Drakc. von dessen berühmtem Standbildc Ranch's eine kiinsilcrisch vollendete Abbildung lieigegcbcn ist. Sehr vielseitig sind dicßmal die kleinen Mittheilungen ans dcm Gebiete dcr Inonstrie, Ethnographie u. s. w. Verantwortlicher Redacteur I. v. Klemmayr. — Druck und Verlag von Ign. v. zileinmayr s5 F. Bamberg in Laioach.