Nl0. Xi^. ^HNv 3805. Laibacher 3. ^H Wochenblatt. , Z u m N u t z e n u n d V e r g n ü g e n. Als ^uaab< lu, Ed<» von Kleinmayerschen Laib«che» Zeitung. Fragmente einw Gemäldes der Stadt Paris im Anfange des vorigen Jahrhunderts aus einem Schreiben eines .'Sicikamls, der slch im I^hre.^M^, - - dvrt aufhielt. *) ' ^.,, < Ich weiß wahrhaftig nicht, wo ich deniAnfailg wachen soll, wenn ich Ihnen von der Sliwl Pa« lis ein Gemälde enlwcrfen will, von eitter Stadt,-deren Einwohner sogar unter den Brücken, die über den Fluß gehen, und unter den Dächern der Hauser wohnen. Diese große Stadt ist der Wohnsitz des Tumults; soll ich Ihnen daher auf eine gewissrArt eine Beschreibung von ihr machen, so *) Wir haben dieser Schilderung des ehrllcbcn Smliannö, welche zwar im Auszuge, aber dabey wörtlich gelltu auS dem Italienischen ilbnseht ist, hier eme.n Platz vergönnt, well eS dlltt ausmercsamen Welibeobachler dock immer ein Vclgniigcn a/ewayrt^ das (Charakteristische der Gegenwart mit )lnem der Vergangenheit zu vciglelchen. Bey cinel solchrn Vergleichung ist dann die Ähnlichkeit ebkti so intetej,ant/als der Cpnl/a/st, und so werden bry dieser Schllde-lu^ng di.c Leser vorzüglich bemerken, wie getreu sich d ailem Ernst glaube, tel.l ^audgcdorner könne sich selbst so ftind ftpa, um sür dicscn Preis sein Gc- er jetzt in itldcr nicht ganz kleinen Stadt durch ganz Europa finden. Auch von diestr «Seite können uns seine bisweilen alltäglichen Bcmer. kungen nicht ganz uninteressant seyn, da sic uns beweisen, wie despotisch von jeher der Gallier über Europens Sitten und Lleblings. beschaftigungen seinen Einftuß behauptet habc, und, wie sclapisch die meisten europäischen Nationen in Sittenund Lebensart (wären es auch nur diese) sich nach seinem Muster und Vo» bilde geformt h.aben^. ,Wer übrigens-an den» bisweilen gesuchten, schwer.s'äliigen W.tze dcs Verfassers,, und noe,n Be, Ulshnlungen de/!P:»gc, besonders seiner«n:o.' valischen Ansichten einen Anstoß nehmen sollle^ dcr bedenke, daß der Brief vor mehr als hun-. dert Jahren, und zwar von einem Sizi! io.-ner geschrieben sey. hör erhalten, und diese teuflische Musik mit anhören zu wollen. Es ist wahrhaftig keine Übertreibung, wenn ich sage, daß ganz Paris cm großes Wirtshaus ist. Überall sieht mal, Schenken und Wirthe, Wein-häuser und Weinschenken; die Küchen rauchen den ganzen Tag, weil man den ganzen Tag von Morgen bis zum Abende ißt. D^ Irailzosen lieben nicht dic levanti^en Oe-vnrze. Nicht deßwegen, weil sie diesc kostbaren Ingredicnzil'n verachten; sondern bloß deßwegen, weil die Italiener und Spanier sie schahen und sie nicht gern andern Nationen, selbst nicht einmal in nützlichen Singen, nachahmen. An vier Dingen erkennt man sogleich den eigentlichen Charakter eines Franzosen : wann die Uhr schlagt, wann er Jemanden fragt, wann cr ctwas verspricht, unh wann er von seinen Liebschaften rcdtt. Kaum hört cr die Uhr schlagen, so ftagt er auch schon, wie viel Zeit es sey; von seinem Freunde verlangte er noch eher eine Antwort, als cr ihn gefragt hat; nur das thut er, was er nicht versprochen hat; und bey feinen Liebschaften findet er mehr Vergnügen daran, die Gunstbezeugungen seiilerGedietherinn ausznplau, dcrn, a!s sie zu erwiedern. Die Höflichkeit wird in Frankreich nsch mehr, als in China, als eigentliches Studium behandelt. BeyStandcsperftnen zeigt sie ,.ch aufcinc sehr angenehme Art, beym Bürger mit etwas Asseltation, beym Volke mit etwas Plumpheit vermischt. Ein Jeder macht nach seiner Art eine Kunst daraus. Ich habe mir ordentlich cinen Lchrmelstcr annehmen müssen, um Complimentc zu lernen; am meisten, um die verschiedenen Redensarten zu wissen, lvlomit man das gewöhnliche Compliment: Ich bitte um Verzeihung, ausdrückt; — d^nn diese verschiedenen Arten von Ceremonien sind eben so gewöhnlich in Frank-i cich, als es die Seufzer in Italien sind. Die Kiesigen Freundschastsversichcrungen, Versprechungen, Dicnstcrbiethungcn, sind gerade vom Gehalte des Nachtigailengesanges: Vox, vox, prae<.ere2que ml'il! Man macht hier kein Com-pliment, erweist einander keine Höflichkeit, wenn man nicht immer erst vorher um Vergebung gebethen bat. Ja, ich kann im Ernste versichern, daß man auch selbst bey empfangenen Beleidigungen um Vergebung bitte, und daß der kein rechter Franzose senn wurde, der llicht ftlbji in der gißten Aufwallung des Zornes zu seinem Gegner sagen werde: Ich bitte um Vergebung, Sle silld ein Schurke! wodurch cr aber liack stlner Art doch soviel sagt, als ob er nach Art des Italieners oder des Deutschen den kräftigsten Fluch hinzusetzte. Hier ist der Luzus so übermaßig im Schwange, daß man durch eine Ausplünderung von Paris sehr leicht drey hundert wüste Städte in Flor bringen könnte. Man sieht hier eine unendliche Menge prachtvoll ausgeschmückter Läden, wo man keine andern Sachen verkauft, als solche, die man nicht nöthig hat, hieraus kann man auf die unweit größere Anzahl derer schließen, wo man bloß Dinge verkauft, die man wirklich bedarf. Dic Seine fließt mitten durch die Stadl. Aus ihr werden alle Lebenöbsdürfuisse für eine Million Menschen zugeführt. D^eß Wasser ist still und heilsam. Menschen und Vieh trinken davon aber man muß cs bczchlen, cs scu klar oder trübe. Ick finde cs sehr unbillig, daß ein Maaß Wasser immer um denselben Prclp bezahlt wird, der Fluß mag groß oder klein sepn. Die Frauenzimmer lieben hier die kleinen Hunde mit so vieler Leidenschaft, erweisen ihnen alle mögliche Karcsten mit ft vieler Zärtlichkeit, alS ob sie von der Nacc des Hundes wären, der den Toblas begleitete. Die Damen sind dic schönste und häßlichste Verzierung der Stadt, weil die welligsten schön sind, und sie doch alle Frauen in der Welt an Reih übertreffen. Dieß kl>mmt daher, weil sie die große Kunst verstehen, andere leicht zu überreden, daß alles bey ihnen zu gewinnen, und nie etwas zu verlieren sey. über-dieß haben sie das ausschließende Privilegium, ihren Männern zu befehlen, und Niemanden zu gehorchen. Dieß Geschlecht hat hier wcit gröbere Freyheit, als dic Frauenzimmer in den Feldern Arabiens haben, welche nie des Abends sich an denselben Ort schlafen legen, wo sie den Morgen aufgestanden sind. Alle sind auf gleiche Art fein und beredt, verkaufen öffentlich ihrc Waaren in den Boutikcn und auf den Platzen, und lassen sich dabey in keinem Stücke von den Männern übertreffen, weder in der Kunst zu plaudern, noch im Chikaluren; und sie bringen daher ihre Waaren so theuer an den Mann, als nur möglich, besonders die, welche z«: ihrer eigenen Person gehören. Dü mäßigsten kjM dcn Tstg über so oft. Älv der Muselmann scm Geöeth verrichtet; ln^ ^em es hier Sitte ist, die aufgehende Sonne mit ^inem Stück B^ot zu begrüßen. Sie verändern so oft die Moden ihrer Kleider, als sie die Farbe Hres Gesichts verändern. Die vornehmsten und angcschnsten unter ihnen schleppen hink« sich ei-l'?n langen Schweif von Goldstoff oder Seide, womit sie die Kirchen und Garten kehren. Alle haben die Freyheit, zu allen Zeiten in Maske zu gehen, sich zu verhüllen und sich sehen zu lassen, wie es ihnen gefällt; mit einer schwarzsammet« ncn Maske gehen sie zuweilen in dicKirchen, auf den Ball und in die Komödie, Gott und ihren Männern unbekannt. Die Schönsteu unter den Damen befehlen dem Mannergcschlechtc als Königinnen, ihren Ehemännern als ihren Vasallen, ihren Liebhabern als ihren Sclaven. Ihre Kinder salbst zu stillen, in ihren Häusern eingezogen zu lcben, an den Stickercycn der Penclopc zu arbeiten, sich über einen Herkules aufzuhalten, wenn er die Spindel drehen wollte, alles das sind ihnen völlig unbekannte Dinge. Und bey diefer freyen Lebensart derühmen sie sich doch, große Helden und Gclchllc zu gcbcu-cu, au denen Hieß Ln;id einen Überfluß hat; denn man trifft ja hier mehr Soldaten und Gelehrte an, als man in Indien Adcrglaubige und Astrologen fiudct. - Leicht lassen sie sich mit Jemanden in ein Lic-bcsvcrstandniß ein, und geben auch oft selbst die tlächsteVeraulassung dazu; aber ihre Liebe wahrt nur nicht lange, noch weniger ist sie treu. Die Eben, welche vordem auf eine ganzc Lebenszeit gültig waren, wahren jetzt nur eine Zeit lang; daher sind freywilligc Ehescheidungen etwas sehr gewöhnliches, selbst in den cmgczogensten Häusern ;/ indessen der Manu in der Stille in der Prooinz lebt, vergnügt sich die Frau in Parls. Fast niemals siehet mau hier Eifersüchtige, sehr selicn einen Mann, der sich für unglüctlich hält, weil seine Frau ihm ungetreu ist, und noch ftlt-ncr ein Mädchen, das der Diana opfert. ^5m Kuß, welcher in der Türkey, in Italieu und Spanien der Anfang des Ehebruchs ist, ist hler wel, tcr nichts, als eine bloße Höflichkeit. Und wenn imer artige Perser, der so oiclc mistencuseRcl-sc» machte, um dreymal den schönen Cyrus zu küssen, uach Paris gekommen wäre, wurde er das genossene Vergnügen wahrlich nicht s3 hoch geschäht haben. Bey allen Besuchen, die man Macht, werden KiW gegeben, dicst si^d aber ge- rade von dcmfcNen Gehalte, wie gc^isse Münzsorten, dem'ii man einen Werth g>°l't, welchen man will. Weil,nun ein Kuß eine Waare ist. die nichts kostel, die stck nicht abnutzt und die im Überfluß vorhanden ist, so ist Niemand sparsam damit, welche zu acdcu, und wenige sind begierig, sie zu empfangen. Das freye ungezwungene Betragen dcr Fran» zosen ist gleichsam chr fünftes Element: sie sind Liebhaber von Neuheit und Veränderung und legen alles darauf an, einen Freund uicht lange zu behagn. Zugleich richten sie sich nach der Kälte, und Wärme, und crsinden alle Tage neuc Moden in den Klcidenrachten. Den Schneidern macht das Erfinden mehr Mühe, als das Nahen, und wem! ein Kleid langer dauert, als dasLebm einer Blume, so scheint es ganz veraltcrt zu seyn. Daher sind die Trödler, eine ganz neue Menschefl« race, entstanden, ein verachtetes Volk, Adköinin-lingc der allen Isiaclitcn. Ihr ganzer Handel besteht darin, alle inid ackragene Kleider z>: kaufen, und sle lcb.-i! witt'lia) prächtig, dadurch, daß sie einige ausziehen und andere bekleiden. IndcK ist es in der That eine sehr große Bequemlichkeit für eine volkreiche Stadt, daß diejenigen, wclchd nicht lange ein und dasselbe Kleid tragen mögen, mit geringem Verlust leicht einen Tausch trcffeu, und lvieder andere, welche gern ein Kleid haben möchten, ohne große Unkosten dazu kommen können. Das ist aber beynah unglaudlich, und doch wirklich wahr, daß lvcnn an einem einzigen Tage hundert tauftnd Klienten von ihren Prokuratoren nackend ausgezogen würden, sie in diefer Stadt alle zusammen fertige Hemden und Kleider genug bekommen könnten, um ihre Blöße zudecken. (Die Fonscyung folgt.) Philosophie des Lebens und dcs Umgangs. (Fortsetzung.) Das Schicksal findet den lcbcusklügen Mann immcr bey voller Besonnenheit uud Fassung des Geistes, und darum trifft ihn das Uliaügenchmc des Lebens weniger, als andere Menschen; — denn er wciß luit ruhiger Gefch'cklichkeit, wo nicht lcm Streiche ganz auszuweichen, ihn doch wenigstens von der minder südlichen Seite aufzu. fangen; el ist niemals cmkcilos, und eben darum erwirbt er sich selbst dic Achtung seiner Gegner i s,e fürchten gegen einen so besonnenen Mann ihr Spiel zu verlieren, und ziehen nicht scltcu vor ihm, wie vor einem Geiste, vorüber, der durch eine magische Kunst die Kräfte seiner Feinde lähmcn kann. Da er die Menschen genau studiert hat, und auch ihre verstecktern Geilen kennt; so ist stine Besonnenheit stets mit einer weisen Zurückhaltung verbunden; er zeigt dem Unbekannten, dem Horcher, dem Sckwätzer, dem flachen Kopfe, dem Arglistigen nie ganz sein Inneres ; er lä')l sich nicht leicht von allen Seiten durchschauen; er ist sehr haushälterisch mit seinem Zutrauen; er entheiligt die weise Pflicht des Stillschweigens nicht; er redet so, daß er seine Worte vvr jeder Critik rechtfertigen kann; seine Worte sind seine Vertraute, die er nicht ohne Achtung gegen sie selbst von sich schickt, und sie lieber in seinen Busen verschließt, wenn ,r damit nichts Nützliches bewirken kann. Gegen andere Mensche!« ist sein Betragen vor« fichtig und abgemessen. Er respcctirt auch den Kleinsten untcr ihnen, weil auch der Unbedeu« len^ste durch einen Zusammenfluß der Umstände, oder auch nur als ein todtes Werkzeug in den Handen Schlcchtdenkcnder, ein sehr gefährlicher Mensch werden kann. Er macht es sich zur Regel, die Menschen anfeine klügliche Art von sich abzuwehren, oder, da dieß nicht immer möglich ist, die Menschen so zu tragen, wie sie lind, so viel ihm auch diese Kunst kosten mag. Er weiß, daß erste doch nicht anders sch.lffcn kann; daß sie mit allen ihren Schivachen immer das bleiben werden, was sie sind, und daß eine allgemeine Veredlung des.Neuschengeschlechts nur die Grille gutmüthiger Schwärmer ist. Er tole« »irt also die Menschen, bald aus einer nothwendigen Vorsicht, bald aus Mitleiden, bald auS Überzeugung, d,'ß er auch sein? Iehier habe, die Ilndere tragen muffen, Er rc^eiNst sogar ihre kleinlichen Irrthümer, un) verzeche ihnen ihren Olauoenvwai)» ; Theils, weil dei-gleich.'U Dlnge uiiter der Würde seines Geists liegen, Theils, iveil er den Menschen nicht gnn ein Spielzeug rauben mag, woran sich ihre Phantasie aufein? schuldlose Art ergötzt, und wodurch die Menschen Überhaupt noch einign maßen traitadle bleiben. Ade.- er tragt die Menschen nicht all.m, er kommt auch ihren Wünschen entgegen; er läßt sich zu ihren Kleinigkeiten hsrab; er spielt nut ihnen, wie mit Kindern, weil er ost auskeinem andern Wege zu ihrem Herzen gelangen ? Es mag ihm freylich manchen Kampf kosi^ den unbedeutenden Kopf, den verdienstlosen Müßiggänger, den seichten Egoisten und den stolze" Schwaher mit Schonung zu behandeln; alleill er wurde sich selbst lächerlich machen, wenn cr sich zwischen solchen Menschen durch seinen eig^ nci, ^»lolz, vielleicht auch nur durck ein vernachlässigtes Ceremoniel, die Straße seines Lebens verammeln, und einer unendlichen Kleinigkeit »vi-gen seinen Wirkungskreis aufgeben wollte. Vie besten Köpfe stehen oft untcr dem Schuhe kleiner und schwacher Geister; — warum sollte det Ledcnskluge seine Hausgötter beleidigen, und nicht Nachsicht mit ihreu Schwächen haben! Auch sie gehören ja zu den Speichen an dein großen Rade des Lebens; auck sie sind nicht ohne Absicht vorhanden. Sie sind der Schatten, ohne welchen das Licht der Klügern nicht so hell und wohlthätig leuchten würde; die gewöhnlichen Feldblumen . worunter die Rose nur de>i0 schöner ihr duftendes Haupt culporhebt. Zer Lebensphilosoph würde nur auf dem halben Wege seiner großen Wissenschaft stch,n bleiben, wenn er nicht zugleich die Kunst des Enl-behrens lernen und benutzen wollte. Nur der, welcher Herr uud Meister seiner Wünsch«' ist, und sie nach Gefallen fortschicken kann, darf ein kluger Mann genennt werden. Wer hingegen sich nickts versagen, nichts entbehren will, wct nach Allein hascht und gecht, was der Wechsel der Dinge ihm als schon und nen darstellt, der bedient sich seiner selbst als eines Werkzeuges, sich jede Freude des Lebens zu vergiften. Ol sieht nur immer mit qualvoller Sehnsucht n.lch dem hin. was ihm fehlt, nicht nach dem, was er besitzt; und ebeu darum erhält sein Geist nie ein ruhiges Gleichgewicht, ohne welches alle praktische Philosophie ein leeres Hirngespilmst ist. Er hält das für einen Mangel, was nur ein eingebildetes Bedürfniß war; seine Phantasie mahlt ihm das bloß Scheinbare als etwas Reelles und Nothwendiges vor; er hängt alt Schattenbildern, und vergißt darüber die große Kunst des Weisen, — mit Wenigem zufrieden zu seyn. Je weniger Bedürfnisse wir uns selbst schassen, je freyer und muchvollcr schreiten wir durch das menschliche Leben hin, und fast aller Hader mit uns stldjt und der Außenwelt bat dann ein Ende.