I l I y r t sch e s B l a t t zum Nutzen und Vergnügen. Nro. 02. F r e i r a g d.e n 6. A u g u st '1619. Ein Bruchstück auö der Ledensgeschichre des Esop. ^sop war ein Phrygier, er besaß einen erhabenen Geist, ungcachletdicMutterNaturhöM'iäunicht mit ü,m spielte; dem. e'c war klein, schr ungestaltet, Über. «us yaßlichvomGcsichte, kaum sah er cn:em Menschen gleich, und tonnte beynahe nicht reden. Als Sklave wurde er verlauft, und der ihn laufte wuroe seiner mit Mühe los, so unerträguch war Esops Gestalt. , In einiger.,Zcit wurde er an Philosoph,X Ulid die 0lUreN«d5, war lüchtü, als Zunge. Befahl lch dir nicht alles Heste zu-Markte zy.kaufen; rief ihm Xunws im Zorne entgegen. Wohl dann! giebt cs wohl was Besseres a'5 die Zunge? erwiederte Vi'op. Die Zunge W ja das Band dcb geselligen Lebens, der Schlüssel zu den Wissenschaften, sie ist das Qrgawd'er Vernunft und der Wahrheit, durch sie entstanden Städte, die sie in Ordnung erhalt, sie belehrtt, sie dcwegt, sie herrschet in den Gesellschaften, die erste «ller Pflichten verrichtet sie, denn sie stimmet Lobgelänge den Göttern. Nun gut! s^gle.Xanu^ der ihn zu ertappen dachte: Vcrcite also Morgen ein Mahl kuü dem Schlechtesten, ich lade die nehmlichen Gäste dazu ein. Esop trug des andern Tages den Obigen D gleiche Speisen auf, indem er erklärte, daß dieZunge» das Schlechteste sey? sie ist die Urheberin allen Strei-, M tes, sie fachet die Prozesse an^ und nähret dieselben, > sie ist die Quelle des Zwistes und der Kriege , sie ist endlich das Organ, der Irrthümer, der Lüge, Ver» , lä'nmdung, und der Gotteslästerung sagte cr> « (3sop erhielt mit Mühe die Freiheit, sobald er sie aber erhalten, war der Gang zum 0^5115, dem König von I^'äien, dessen Nuhm allenthalben erscholl, sein Erstes, weil er ihu längst sehnlichst zu sehen wünschte. Die Mißgestalt, und das abschreckende Ge> sicht des C'sop, machten einen widrigen Eindruck auf den t.'r^n«; allein Esovs erhabener Geist leuchtete plötzlich durch die grobe, ungestaltete Hülle, die ihn« einschloß. Dieser erhabene Prlnz begrif baw, daß man nicht die Gestalt des Gefäßes, sondern das da» , rin Enthaltene, kennen, und schützen lernen mü^e. H Esop wird als Erfinder der einfachen und na« türlichen Art durch .^ui^n: und Fabeln zu belehren,H gehalten; obwohl eigentlich dem Dichter ^^iu,Dieß alles habe ich gemacht!" Ja, ein Schneider ist cin gar wichtiges Glied Vermenschlichen Gesellschaft; was ost Verstand und Weisheit, was alle Fähigkeiten und Fleiß nicht vermögen, das bewirkt das Genie des Schneiders; der Schnitt seiner Scheere ist merkwürdiger, als der Kaiserschnitt des Aecoucheurs. QvidS Metamorphosen haben ihren Verfasser berühmt gemacht, um wie weit größer ist der Ruhm des Schneiders, der der Schöpfer lebendiger Metamor» phosenist? Aus ein Paar Ellen Tuch macht er die an-sehnlichsten, ehrwürdigsten und liebenswürdigsten Men-schcn, wenn sie auch vorhin noch so schr verachtet und gedemüthigt einhcrschlichcn. Ja, ein Schneider ist ein Tausendkünstler; sein schöpferischer Scherenschnitt, dle Allmacht seines Nadelstichs, bringt Wunderdinge her-vor, die wir wie einen Cometcn mit einem langen Dunstkreise anstaunen. Das Genie eines Schneiders macht erst den Menschen zum Menschen. Wa3 wären Menschen ohne Schneider? Sie gienqen, wie es Adain that, Noch ohne Hosen, ohne Kleider, Bedeckt mit einem Feigenblatt. Daö wär'ein Jammer für die Stutzer > Für Bürstenbinder, Klciderputzcr, Iür Groß und KKW, für Land und Stadt. Noch in Thierhaute gehüllt, waren die Menschen eben so roh und grausam, wie jene Bestien, mit deren Pelzwerken sie sich bedeckten ; erst mit dem Studium der Schnciderkunst wuchs die Verfeinerung der Sitten und die Cultur des menschlichen Geistes. Die Schneider mach» ten den ersten Schntt zur Biegsamkeit und Galanterie des wilden Menschen, und sie thun immer mehr; ihre scharfsinnige Rafflncrie oiloet nicht nur den Körper, sie be» sitzt auch eine zauberische Allgewalt über den Geist des Menschen. Auch dcrHummkopfscheint nicht mehrdumm, wenn cr vornehm gekleidet ist, so wie im Gegentheile der größte Geist an Werth > verliert, wenn ihn ein clen-der Rock beherbergt. Es gibt also auch gelehrte Kleider, darum Eilt in meine Zauberstätte Einfältige Eselin, Morgen sollt ihr, ja ich wette, Welse ur.d vernünftig seyn. Aus einem schönen, vornehmen Kleide tönt die einfältigste Stimme vernünftig und weife. Zwar gibt es Moralisten, welche gern dem Schneider diesen magischen Einfluß streitig machen möchten ; sie haben den abi scheulichen Muth zu sagen, daß ein, Thor nur thöricht urtheilen könne und daß aus dem Munde des Heuch» lers nur schöne Lügen hervorgehen; allein sie kennen nicht den Talisman, den die Nadel des Schneiders in die Kleider näht; der größere Theil der Menschen gibt dem Schneider, was des Schneiders ist ; die vernüns» tigcn Worte, die aus dem Mnnde eines armen,, ohn« mächtigen Teufels kommen, werden als ein albernes Geschwätze gar nicht angehört; der größten Stupidität tlatscht man aber einBravoin die Hände und entdeckt in ihr den allergrößten Scharfsinn, wenn derjenige, der sie sprach, vornehm gekleidet ist. Dieß ist beinahe das allgemeine Urtheil der Welt uud der Schneide« freunde, denn So ist das jetzige Jahrhundert: Das dümmste Wort im schönen Nock Wird als das witzigste bewundert; Da5 weiseste in armer Tracht Wird nur verhöhnet und verlacht. Was soll ich erst von der Verehrung und Achtung sagen, welche die Menschen einander zollen? Ist sls nicht öfter die Wirkung des Schneidcrgenies, als die »27 Folge der Verdienste? Wird sie nicht oft« einigen El- , lcn Tuch, alL der Person erwiesen? Man lasse zum ^ Beweise ven Bettler und den Reichen ihre Kleider wech' < seln, und die Menschen werden sich vor demjenigen bü- < cken, dem sie gestern mitleidsvoll ein Almosen gaben, < hingegen denjenigen mit Verachtung üdcrgchcn, vor , dem sie sich erst unlängst ehrfurchtsvoll neigten. > Wer heut verachtet, « In Lumpen schmachtet, ^ Der romnie her, Dcnu meine Schccre Verschafft ihm Ehre Und noch weit mehr. Ja wohl, noch weit mehr; das allmachtige Genie des Schneiders kann aus dem Menschen machen, was er verlangt; cs gibt leine Würde, es gibc keinen Grad von Chargen, die nicht die Nadelspitze des Schneiders hervordringen könnte: stellt «inen Menschen nackt in die Wcrkstätte meiner Schöpfungen, und er verläßt sie Morgen als die gewünschte Metamorphose. Hier liegen ein Paar gnädige Herren bis «uf die Knöpfe fertig, sie werden morgen zwey müßige Tagdiedc in vcrchrungs; würdige Chevaliers unwandeln. Ein Schneider ist der erste Mensch, das wichtigste Glied in der bürgerlichen Gesellschaft; erseht Millio» Nen Hände in Bewegung; ihm verdanken viele tausend Familien ihr tägliches Brod und ihre Equipagen: was thäten.die Schasfchecrcr, Spinner, Weder, Tuchmacher, Färber, Tuchscheerer und Fabrikanten, wenn es keine Schneider gäbe? Der Schneider nährt die halbe Welt, Der ganzen Welt verschafft er Kleider, Drum ist es himmelhoch gefehlt, Wenn ihr nicht ehrt den Schueider. Arme Menschen haben bis jetzt weniger Betruges keycn verübt, als Reiche muthwillige Krida machten; woher kommt dieses? Von Credit und Mißcredit. Und wer ist cs, der diesen Credit verschafft? Der Schneider. Die Ehrlichkeit selbst genießt kein Vertrauen , wenn sie nicht aus der Wcrkstättc des Schneiders eine Em» pfehlung auszuweisen hat. Der bravste Biedermann im elenden Nocke wird als verdächtig gescheut und gefürchtet, man slieht scine Gegenwart, man hat ihn ungern in der Nahe, denn er yal eittin armen Rass. Wie ganz anders steht es um einen Mann, der mit der Eleganz der Schnciderkunst geschmückt auf(5xccuti?nen ausgeht! Wenn er auch der gefährlichste! Corsar ist« so nahet man sich ihm doch gerne, denn sein Kleid ist eine Friedcn^lagge, welche die getäuschte« Scefzyre^ an sich lockt; mit einem Worte: wer Credit, Vcr? trauen, Ansehen, sogar Freundschaft und Liiche geniea ßcn will, der hat dls Schneiders Beystand nöthig. Wer ehrt nun nicht des Schneiders Größe Und seiner Werke Zanbermacht? Er deckt nicht nur der Menschen Blöße Mit ewer schönen Modetracht, Gr wirkt noch and're Wundcrthaten, Erschafft Evcdit, Banknoten und Ducaten. Wie selig wird mir erst zu Mnthe, welch eln angenehmer Aufruhr ergreift mein Herz, wenn ich an die Vorzüge denke, dis das Verdienst des Schneiders genießt! Er hat Zutritt in die vornehmsten Häuser, er wird zu den ansehnlichsten Familien gerufen und ist über» all beliebt, wenn er ohne Conto erscheint; er ist dee -Liebling der Damen, der Schuhpatron und die Zuflucht, der Mädchen. Welch eine schöne Augenweide ^ llnd welch deneidenZwerthes Glück Genießt nicht eines Schneiders Vlic?, Wenn er zu einem neuen Kleide Die Maß an Mädchen nehmen muß j Da schleicht er zart um ihren Leib, . llnd manches holde schöne Weib Erlaubt ihm einen Händekuß. Wer buhlt nicht um dieß Glück und Ehre, Und wünscht daß er ein Schneider wäre? Sie haben nun gehört, was das Genie des Schnei« dcrS vermag; kommen Sie m meine Wunderstätte, ich mache sie zu Allem, was sie zu seyn wünschen. Pausa. Arabische Gastfreundschaft. (Aus der »Reise nach Tnvoli, von Mrs. Mac. Carthy. Aus dem Englischen.«) Der Anführer eines Heerhaufens des Vcy von Tripoli von den Arabern verfolgt, verirrte sich und sah sich bei einbrechender Nacht in der Nahe des feind» lichen Lagers. Wic er au ein offenstehendes Ielt kam, — 126 — hielt er sein Pferd an und, von Durst erschöpfte bat er um Hülfe. Der Araber lud den feindlichen Krieger cm, unbcsorgc herbey zu kommen und empfing ihn mit der Gastfreundschaft, welche diesem Volte von jeher zum Ruhme gereichte. Das beste Lamm der Heerde ward geschlachtet, und ans ihm, nebst Datteln und trocknen Früchten, bestand die Abendmahlzeit; um den Gast ihres Gatten noch insbesondere zu chrcn, setzte ihm die Frau des Arabers noch eine Schüssel VoZine von ihrer eignen Hand bereitet vor. Diese besteht ans ^cyl mit Wasser geknetet,' welches man am Feuer ..ufgehen läßc, dann auf Kohlen unter oftmaligem Um; kehren halb aufbäckt, darauf in Stücken schneidet, die zum zweyten Mal mit frische? Milch, Öl und Salz geknetet werden, worauf man ihnen die Form, eines Pudding gibt, diesen rund umher mit Kaddide jX»^!lI.!) oder gedörrtem stark gesalznen Hammelfleisch Verziert/ worauf sie vollendet ist. Obgleich diese beyden Menschen Feinde waren, «yterhielten sie fich sehr fricdlich von ihren Wasfentha» tcn, als der Araber plötzlich erbleichte. Er stand auf, begab sich hinweg und Ueß feinern Gast nach einigen Augenbl'cken sagen, daß sein Lager dcrcnet sey, er selbst ttber undaß dem Mahle nicht weiter beywohnen ?önnte; außerdem habe cr sein Pferd untersucht und so viel zu ermattet znr Fortsetzung seiner beschwerlichen ^eise gesunden; am folgenden Morgen solle ein fri-«sches an der Thür des Zcltcs bereit stehen, wo er ihn voch sehen würde und von ihm hoffte, daß er sich so schnell wie möglich entfernen wüede. Der Fremde ^legriff dieses Betragen keineswegs; legte sich aber vertrauensvoll zur Nuhe. Ein Araber weckte' ihn früh genug, um noch ein Frühstück zu genießen, aber niemand von seines Gast-. frcunds- Familie, l'am zum Vorschein; doch wie er ab: greisen aus dem Zelt trat, erblickte er den Araber-Häuptling, welcher als das höchste Frcundschaftszcichen sein'2 Pferdes Zaum und den Steigbügel hielt. Der M.'U'-e war ta.lm aufgestiegen, so sagte ihm derAra-hcr: der größte Feind, den er in: Lager habe, sey er selbst. «Gestern, sprach er, indem dn mir die Waffen-thaten deiner Väter erzähltest, entdeckte ich in dir den Mörder meines Vakers. Siehe hier das Gewand, ' welches er in der Scunde seines Todes trug. Oft schwur ich über ihm, in der Gegenwart meiner Kinder, ftinen Tod zu rächen und seinen Mörder aufzusuchen von dem Aufgang bis zum Untergang hin. Noch ist die Sonne nicht empor gestiegen, allein k«um wird sie erschienen seyn, so verfolge ich dich, dann kannss, du aber schon weit von meinem Zelte entfernt seyn, wo mir dein Haupt heilig war, weil der Prophet den Gast zu ehren gebietet. Sobald dein Fuß aber diesen Platz verläßt, hört meine- Verpflichtung au,'; ich habe deinen Tod geschworen,' und falle dich an/wo ^ch dich finde. Dein Pferd ilt schaellfüssig, wie das, welches nüch erwartet — von ihrer beyder (5'ile hängt das Le-ben von einem von uns ad." Hier drückte er seines Gegners Hand und verließ ihn. Der Maure bem'.hte die ihn zugestandene Frist und kam glücklich in des Veys Lager an, indeß »hm der Araber a-lf den Fersen folgte, und kaum vor der gefährlichen N.ihe des feind> lichen Lagers >,M'ück wich. Diesen V^richt hörte die Verfasserinn ans dem eignen Munde dieses Maurischen Häuptlings. Wir kcnncn vor^ngst eine ftft 'ganz ahnliche Geschichte ci^ nes Sohnes beraubten Vaters auS eden diesem Volks-stamm, und ebeti darum ist es Interessant, einen ^uq von Neuem wiederhohlt zu sohcn, dcr d<.-y uns fast Uilter die alten Sagen gcrech>,:et zn werden begann, S t a m m b u ch. Ein reicher und bedentcnder 'X"ann ba't? ein Stammbuch in Folio, weil crFr>..nld ocrMnste war. und gern zu schönen Zeichnungen, die ihm Künstler vielleicht machen würden, Rauni haben wollte. A::ch n^ehrcre Dichter bat cr sich cin'usHri'iden; der uysierh-liche Schiller beehrte es mit folgenden Versen: Die Weisheit wohnte sonst auf grossen Foli^bogen, ^ Der Freundschaft war cin Taschenbuch b'estünmt; Jetzt, da die Wissenschaft m's Kleiu're sich gezogen, Und leicht, wie Kork, in Almanachen schwim.'tt, Ha^du, ein hochbeherzter Mann, Dieß ungeheu're Haus den Freunden aufgckha'.7. Wie ? Fürchtest du denn nicht, ich muß dich ernstlich fragen, An so viel Freunden allzu schwer j« tragen?