Stand und Critik der Sanitätspflege durch die auf die österreichische Monarchie. Von vr Georg M. Sporer, k. k. w. Gubernialrath, Landes - Protomedicus von Illyrien, Director der chirurgischen Lehranstalt in Laibach rc. Stand und Critik der Sanitätspflege durch die i a a r s p erLP a l L nrr g, mit besonderer Beziehung auf die österreichische Monarchie. Don vl Georg M. Sporer, k. k. w. Gubernialralh, Landes - ProtomedicuS von Illyrien, Director der chirurgUchen Verlag von Ignaz Alois Kleinmayr. 1849. q tz 1 L L z« v D ? - r^^-!---^ i - r - / /^ii; - . ' > - - ,' > - / , d. , > ./ .- '-- Inder. Seite Allgemeines. . 1 Begriff und Eintheilung der Staatssanitätspflege . . ,12 Sanitätsverhältniffe in der Bildungssphare überhaupt . . 17 Bildungsinstitute .... .... 18 1. Erziehung im Allgemeinen und ärztliche Vorbildung . 18 2. Aerztliche Bildungsanstalten. 24 Sanitätspersonalstand, seine Rechte und Pflichten ... 42 Sanitätsamter im Gemeindeverbande.73 Sanicätsämter im Negierungsverbande. 94 k rr sr - iv j-rj , . . . '. - «>i KrrrMnHsr. s Allgemeines. 9?och hat kein Staatsverband bestanden , wo die Gränzen der gegentheiligen Anforderungen seiner Glieder und der Anspruch des Einzelnen gegen den Gemeindckörper, so wie der Gesammt- kraft gegen ihre Lheile, im strenge bezeichneten Bereiche er¬ gründet und haltbar bemessen worden wären. In der Erstrebung dieses Zweckes scheint jedoch ein Re- gierungsprincip noch eigenthümlichen Schwankungen zu unter¬ liegen. Die öffentliche Pflege des physischen Bolkszustandes, als der eigentlichen Grundlage des Gemeinwohles, ob sie auch unverkennbar die Staatszwecke nachdrücklichst fördert, ist noch weit entfernt von jener Befestigung, auf welcher die vorschrei¬ tende Menschenerhebung ihren unverrückbaren Boden zu um¬ kreisen sucht. So wie nur das gesunde Individuum mit seiner nor¬ malen Sinnentwickelung die Ansprüche und Genüsse dieses Le¬ bens im vollsten Maße zu erreichen vermag; so kann auch die größtmögliche Summe solcher Individuen den physischen und materiellen Staatsverband erstarken, in dessen Grunde die in¬ dustriellen und die moralischen Bedingungen ihre einigenden Wurzeln befestigen. Nicht bloß für die Gegenwart arbeitet und streitet der kräftige Arm des Gesunden, er greift in das werdende Leben durch Generationen, und gestaltet die Zukunft und bahnt die Wege für die Geschicke der Gemeinschaft. Sein Geist, dieses belebende Licht der Schöpfung, ent¬ strömt nach der Eigenschaft der tieferen physischen Constitution, welche der Sinne Schwungkraft, des Gemüthes Erregbarkeit und die Biegsamkeit des Willens — wie der Keim die kom¬ mende Frucht — in sich trägt. 1 2 Durch die physische Normalität, ihr günstiges Verhält- niß in der Allgemeinheit und ihren Umfang wird sicher auch der Bereich erweitert, auf welchem das geistige Gedeihen kräf¬ tige Nahrung erlangt. Die Gesunden und im Ueberfluß Lebenden denken aber kaum je an das große Elend der Entbehrung und Krankheit, wie die Reichen wohl nur selten aus wahrer Menschenliebe durch¬ greifende Hilfe der Armuth bieten. Es ist dieß nur ein Beweis, in welchem rohen Zustande sich die Menschheit befindet, und wie weit die egoistischen Zwecke jene der Humanität und der echten Religion unterjochen. Zm Innern läßt man das zerstö¬ rende Feuer um sich greifen, unbekümmert über den unaus¬ bleiblichen Ausbruch! — Außergewöhnliche Menschen nur wirken und streiten für die Zukunft. Der Staat aber kann in seiner wesentlichen Regierungstendenz diese nie genug beachten; weil nur ihre Sicherung seine Gegenwart kräftiget, diese aber um so gewis¬ ser befestiget werden kann, je haltbarer und allgemeiner die ma¬ teriellen Bande sich bewähren, welche die Anforderungen des Lebens in seinen dringendsten, das ist physischen Beziehungen befriedigen. Die Krankheit ist jedoch das erste und das ausgedehnteste Hinderniß in dem Streben nach diesen Zwecken. Sie zerstört die Wege des physischen und somit auch des psychischen Fort¬ schrittes , nicht bloß im Einzelnen, sondern in ganzen Familien und Gruppen — nicht selten in ganzen Bevölkerungen. Sie lähmt die Einbildungskraft, erschlafft der Sinne Regung, sie zehrt am fremden Schweiße, sie mehrt umfangreich die Armuth, welche durch alle Stufen des Werfalles, von der Entbehrung bis zur Demoralisation, Verzweiflung und Entmenschung führt. Und doch finden sich noch Menschen und Regierungen, welche diesen Quellen großer Zerrüttungen des Gesellschaftsverbandes die letzte Aufmerksamkeit schenken — in der Voraussetzung, ein solches Gemeingut sey nur von der individuellen und von der Familien-Sorge abhängig und der öffentlichen Aufsicht nur in 3 so ferne zu unterziehen, als die Leidenden nicht vor den kalten Augen der Mitbrüder verderben. Obschon die ersten Krankeninstitute hauptsächlich der Aus¬ rottung von Ansteckungsstoffen ihr Entstehen dankten, so ist wohl auch der Eckel des Anblickes kranker Armen ein mächtiger Im¬ puls gewesen, das behagliche Gefühl des Glücklichen nicht zu stören, und diese Leidenden in eigene Anstalten aufzuhäufen, wo die Menschenliebe erst in spätester Zeit einige Opfer zur Behebung der drückendsten Mängel brachte. — Wenn das Gemeingut nur durch Gemeinkraft begründet und gewahrt werden kann, — und wenn anderseits vorzugs¬ weise allgemeine Einflüsse das physische Gemeingut gefährden; so ist es unverkennbar, daß die Entgegnung des Einzelnen nur machtlos erscheint, somit nur die Gemeinkraft zum eigenen Schutze in Anspruch genommen werden muß. Außer den zahllosen Verheerungen der vielfachen Volks¬ krankheiten , welche in allen Zeiten die Menschheit aus Unkennt- niß oder Mangel an wahrer Hilfe zu ewigen Opfern zwangen, sey hier die Aufmerksamkeit auf jene schädlichen Einwirkungen gelenkt, welche der Mangel an entsprechenden physischen Lebens¬ potenzen, oder deren schadhafte Eignung herbeiführt, und wel¬ che gewissermaßen unsichtbar bei den vielen Einzelnen, ja bei Schaaren an der Lebenskraft beharrlich nagen, um wie der Wurm das Leben in den innersten Tiefen zu zerstören. >—> Die verkehrte physische und psychische Bildung, die ungenügenden und verderblichen Nahrungsstoffe, die verunreinte, mephytische Atmosphäre, die vernachlässigte oder zweckwidrige Krankenbe¬ handlung , die rohe Gewalt der Leidenschaften, der Mangel an Hilfsmitteln — sind der Art ursprünglich nur geringfügig schei¬ nende Einflüsse, deren Folgen sich dann erst bemerkbar machen, wenn die Müden schon nach langen Kämpfen den Stämpel des physischen Elendes tragen. Man erforsche >— wo möglich, die endelosen Zahlen der Skrophel, der Rachitis, der Lungen - und Drüsen - Entar¬ tungen , der Bleichsuchten, der Hautübel und der Nervenkrank- 1* 4 Heiken, um sich zu überzeugen, in welcher trostlosen, die selbst¬ zufriedene Apathie der Glücklichen nicht bewegenden Steigerung > —das menschliche Siechthum sich mehre, als wenn nur die Na¬ tur mit unerhörter feindlicher Gewalt an den Lebenskräften zehrte, statt sie gedeihend zu fördern. — Man hört mit übergroßer Weisheit es oft sagen: die Menschheit wird nie zu Grunde gehen, sie wird nur zu sehr sich häufen. — Außerdem, daß ein solcher Ausruf Blödsinn nach¬ weiset, ist er auch unmenschlich. Manches Volk ist schon auf diese Weise zu Grunde gegangen, da es zur Erhaltung der Selbst¬ ständigkeit die physische Kraft — und mit ihr das starke Gefühl verlor! — Unbezweifelt wächst aber das Elend, und die stets sich mehrenden Opfer fallen durch Mangel an Hilfe und durch Sorglosigkeit, sie in wahrer Zeit und im rechten Maße zu schaf¬ fen. Es ist wahr, Niemand kann rechtlich verbunden werden, für solche Hilfe Opfer bringen zu müssen. Aber die Humanität läßt sich nicht verläugnen und wenn sie der Jurist auch nicht sucht, so muß sie der Politiker und insbesondere der Staats- öconom zu finden und anzuwenden wissen, denn im politischen Staatsverbande soll im Grunde alles Wirken nur eine wohl¬ geregelte Wohlthat seyn. Man wundere sich nicht über die schmählichen Resultate der Be- völkerungs-Movimente, welche im Ganzen nicht bloß eine träge Zu¬ nahme der Bevölkerungsvermehrung, sondern hie und da einen Stillstand — ja sogar einen Rücktritt nachweisen *). Die einfachste Berechnung setzt die Wahrheit ans Licht. Wenn die Bevölkerung einer Provinz auf eine Million gestellt wird, und hievon selbst die unerhörte Zahl von 10 Kran¬ ken angenommen wird, von dieser letzter» wieder 10°/g Tobte nach dem natürlichen Maße im Jahre gerechnet werden, so soll¬ ten bei solcher Bevölkerung in dieser Zeit höchstens 10,000 Tod¬ fälle sich ergeben. In der Lhat erreichen sie aber beinahe das Dreifache dieser Zahl. Das Mißverhältniß ist enorm! — Die neuesten Belege hievon geben die Daten über St. Petersburg. Sie sind auch bei unS hie und da zu finde». 5 Nicht viel Besseres zeigen die Geburtsergebnisse. Wenn nach un¬ fern socialen Verhältnissen nur 6 °/„ Geburten angenommen wer¬ den , so gibt die obige Bevölkerung ihre Steigerung jährlich in der Summe von 60,000. Sie erreicht aber in der That in gün¬ stigen Fällen kaum die Hälfte dieser Zahl. Die Ursache liegt in den steigenden Beschwernissen der Armuth, in der Abnahme der Ehen und in der Zunahme der Demoralisation, vorzüglich aber in den unglücklichen physischen Verhältnissen. Man forsche aber weiter nach dem Wesen solcher Genera¬ tion. Ein Viertheil beinahe verfällt dem Lode, weil es unglück¬ lich und im Elend geboren, genährt und erzogen war. Ein zwei¬ tes Viertheil bringt den Krankheitskeim ins Leben und trägt ihn leidend fort, nur bedauernd, daß es zu dieser Qual geboren. Solche niederdrückende Folgen sind großentheils in den Versäumnissen der wahren Gesundheitspflege zu suchen. Sie sind nicht Producte der Naturgesetze, welche die Menschen nur durch die Unkraft des Alters dem Ende zuführen. Will man aber auch dem socialen Verbände die nothwendi- gen Opfer anrechnen, so sollte doch das Mißverhältniß nicht solche Grade der Verfallenheit erreichen. Ungeachtet der Massen schädlicher Einflüsse und der leichten Ueberzeugung über die Nothwendigkeit ihrer Erforschung, so wie ihrer Fernehaltung — erreichbar nur durch naturwissenschaftliche und ärztliche Kennt¬ nisse — schwankt man noch hie und da mit der Befestigung des Grundsatzes über das Erforderniß einer positiven ärztlichen Mitwirkung in der Regierungsgewalt, deren ganze Lendenz phy¬ sische und moralische Erhebung des Staates bezweckt. Auch die letztere ist ohne der erstem unmöglich, denn Kraft, Wohlstand, edle Gesinnung und selbst geistiger Fortschritt sind im Allgemei¬ nen Attribute normaler physischer Grundverhältniffe, welche den gedeihlichen Boden für solche Keime bieten und welche dem intel¬ lektuellen Streben zu Gebote stehen müssen, wenn dieses sich allgemein frommend erheben soll. Diese Ansichten führen jedoch keineswegs zum Schluffe, daß, je kräftiger ein Volk in seiner physischen Ausbildung ist, desto « mächtiger sich auch die Summe stellen müsse der übrigen Eigen¬ schaften, welche die Festigkeit und den Wohlstand des Staates bedingen, da doch die Erfahrung lehrt, daß gerade die kräf¬ tigsten Völker dieser Eigenschaften entbehren. Die Geschichte weist uns nur sehr beschränkte Epochen in der Vorzeit, wo der physische Fortschritt mit dem psychischen im Einklänge gefördert wurde. In Griechenland und Rom nur gab es kurze Zeiten, welche diesen vereinten Fortschritt beding¬ ten. Sonst findet man überall, wo die physische Kraft vorherrscht, Vernachlässigungen in dem Fortschritte des psychischen Standes durch Sitten, Gebräuche, Vorurtheile, Religionsübungen und Staatsverfassung. Im Gegensätze brachte die vereinzelte geistige Steigerung jedes Volkes in seiner Civilisation Uebel hervor, welche durch Verbildung, Ueppigkeit, Uebermuth, Sittenlosigkeit, Gewalt¬ übung und Kraftverschwendung des Volkes physische Existenz verkümmerten. Nur der gleiche Schritt in der Pflege dieser beiden Kräfte sichert einen gedeihlichen Fortgang in der V o l k s e rh e- bung, welche dem Staate über Alles am Herzen liegen soll. Die Erkenntniß und entsprechende Anwendung aller durch Natur und Kunst gebotenen Mittel, womit das individuelle und das allgemeine physische, wie auch das davon abhängige psy¬ chische Wohl gewahrt und gefördert wird, umfaßt der Wir¬ kungskreis der Sanitätspflege. Weil sie in dieser Erkennt¬ niß und Uebung die Naturkräfte und ihre Einwirkung auf den Menschen, so wie die Rückwirkung von diesem, nicht bloß nach Erfahrungssätzen, sondern nach positiven Principien behandelt, constituirt sie sich als Wissenschaft. Weil sie ihre Einwirkung zur Sicherung und Förderung des Gemeinwohles leitet, der Einzelne anderseits mit seiner isolirten Macht gegen die krank¬ heitschaffenden allgemeinen Einflüsse den erforderlichen Widerstand unmöglich bieten kann, somit der Staat den Bereich ihres all¬ gemeinen Wirkungskreises einzunehmen hat, bildet sie einen wissenschaftlichen Zweig der Regierungskunde, durch welche ihre 7 Grundsätze zum Wohle der Staatsbürger ins Leben eingeführt werden und sie demgemäß als Staatssanitäts pflege sich darstellt. Drei besondere Ursachen sind es, welche der Erhaltung und Förderung des physischen Wohles der Bevölkerungen bisher in allen Staaten mehr und minder feindlich entgegen traten. Bei den großen, stets weiter greifenden Schaaren der Proletarier und der armen Besitzer, wo das sinkende physische Verhältniß aus Mangel an entsprechenden Nahrungsmitteln und aus vielfachen andern krankheitschaffenden Einflüssen, gro¬ ßen Zerrüttungen unterliegt, kann durch die kümmerlichen öffent¬ lichen Hilfsmittel hie und da das Elend für eine Zeit hintan¬ gehalten, aber im Wesen nicht behoben werden, weil die so¬ cialen und politischen Zustände den Kraftaufwand zur Beschwich¬ tigung so ausgedehnter Anforderungen nicht bieten. Die weit um sich gegriffene Ansicht, es sey die Förderung des physischen Wohles eine mehr der Selbsthilfe zukommende Sorge, bildet eine ausgedehnte Ursache der physischen Versunkenheit, welche ihr Elend ohne Wehre fortpflanzt, bis das Verderbniß des Lebens innerste Kräfte vergiftet und in der Generation die deutlichen Spuren organischer Abnormität sich nachweisen lassen. Die dritte Ursache endlich liegt im Mangel an entspre¬ chender ärztlicher und diätetischer Hilfe, so wie an jener all¬ gemeinen Bildungsrichtung, welche jedem Menschen das Erken¬ nen dessen, was seinem Leben frommt, aufzuklären hätte, um nicht im ewigen Kampfe der Unwissenheit und der Vorurtheile mit den irreführenden Sinnen dieses Daseyn zu verkümmern. Einerseits wird das physische Uebel weder in den Bedin¬ gungen seines Ursprungs, noch in seinen weitern Folgen — gehörig bezwungen. Es wird nur theilweise behoben — oder zurückgedrängt. Seine Wiedererstehung ist unvermeidlich. Andererseits beruht der Mißstand in der Trennung des kunstverständigen Urtheils über das Sanitäts - Ersorderniß von dem Urtheile der executiven Behörden und ihrer Anwendungs- 8 weise, wonach das Uebel vom Beginne bis zum Ende nicht mit kunstverständig conseguenter Gegenwirkung verfolgt wird. Wenn eine Volkskrankheit der öffentlichen Behandlung und Hilfsleistung untersteht, welche die Behörden einführen, wenn sie sich schon einigermaßen verzweigt hat, wird gewöhn¬ lich nur dre Krankenbehandlung ärztlich besorgt. Alle diäteti¬ schen und hygieinischen Einwirkungen, welche besonders für die Zukunft wesentlich entscheiden, erreicht die Stimme des Kunsturtheils nicht mehr. Es gebricht hier nicht bloß in der Regel an genügenden Hilsmitteln. Es fehlt auch an dem Verständnisse zu ihrer Ein- führungsnothwendigkeit. Man begnügt sich im Allgemeinen nur Arzneien verschreiben zu lassen, bis nach so manchen Opfern das Uebel einen Stillstand erreicht, unbekümmert, wie fortan die vielen Volkskrankheiten ihren Entstehungsherd, ihre Verbreitung und ihr Wiedererscheinen in der einseitigen Bekämpfung der¬ selben finden. Die meisten übrigen Sanitätsanforderungen werden noch minder beachtet. Welches Heer von Krankheiten die verdorbene Luft im Umkreise der Menschen schaffe, welche zweckmäßigen Um¬ staltungen die Wohlthätigkeits - Institute fordern, welche Folgen die unvollständige ärztliche Bildung und die zweckwidrigen Ein¬ griffe in die Berechtigungen ihres Standes nach sich ziehe, welche ungünstigen Ergebnisse die mangelhafte Ausführung vieler medicinisch - polizeilichen Normen herbeiführen; wie oft ist es vorgebracht und nachgewiesen worden — und wie gering war der Erfolg des Hilferufes?! Jeder Kampf kostet Opfer, deren Summe durch die vielfältigen Anhäufungen derselben größer ist, als die Mittel seyn konnten, um sie hintan zu halten. Die bei wei¬ tem edlere und erfolgreichere Seite jedes Strebens im Staats- verbande beruht in der Abwendung der Einflüsse, welche die Uebel schaffen und deren Wiedererscheinen mindern. Dieser große Wirkungskreis würde bei dem Stande seiner- bisherigen weiten Versäumnisse mächtiger, oft unerschwinglicher Mittel bedürfen. Das ist wahr. Aber man hat im Ernste noch s nie daran gedacht, Hand zu legen an ein solches beglückendes Werk. Man hat den Quellen solcher Mittel nicht nachgeforscht und nicht die Wagschale gefaßt, welche bei so vielfachen Ge¬ meinde-Einrichtungen die Nothwendigkeit und den eigentlichen Zweck derselben, gegen die physischen Erfordernisse gewiß minder- günstig für das Gemeinwohl gestellt hätte. Die öffentliche Sanitätspflege, im weitesten Sinne genom¬ men, gibt nicht bloß an, sie leitet und sichert alle jene Einrich¬ tungen, wodurch das physische Gemeinwohl vor schädlichen Ein¬ griffen verwahrt und der bedrohende oder schon gefährdende Ein¬ fluß auf dasselbe wieder entfernt wird. Solche Einwirkungen können nicht durch vereinzelte Maximen und kasuistische Sprüche im gegebenen Falle wegen ihrer vielfachen Verkettung in den in¬ dividuellen Verhältnissen gedeihlich durchgeführt werden. Sie müssen nach den Ergebnissen des Details mit wahrhaft kritischem Auge verfolgt, im Augenblicke oft gestaltet und mit deren An¬ wendung nach Maß der Zeit und Umstände mit kräftigem, kunst¬ verständigem Urtheile gesichtet, dem speciellen Leben eingeprägt werden, wenn ein wahrer Erfolg das Werk zur glücklichen Voll¬ endung führen soll. Jede krankheitschaffende Ursache und jede wirkliche oder voraussichtliche Folge liegt in ihrem Gebiete, sobald ein mehr allgemeiner Einfluß, oder ein gewaltsames Einwirken besorgt wird, ob dieser Einfluß in naher oder etwas mehr ent¬ fernter Zeit auch beruhe; denn, wie gesagt, gerade durch die Ma߬ nahmen, welche uns für die Zukunft schützen, erfüllt die Regie¬ rung um so vollständiger den Zweck, als sie jedenfalls mindere Staatsopfer fordern, somit nach staatsöconomischen Grundsätzen ihr Vorzug volle Geltung erlangt. Was aber die administrative Macht in den erwähnten Be¬ ziehungen geleistet habe und zu leisten im Stande sey, bildet den Gegenstand der vorliegenden Prüfung. Zm Allgemeinen muß dem Staate von Oesterreich bezüglich auf seine Sanitätseinrichtungen aus dem Grunde der erste Platz angewiesen werden, als derselbe nun noch der einzige ist, dessen 10 politische Behörden die Sanitäts - Mitwirkung durch ein kunst¬ verständiges Mitglied ihres Körpers fördern. Auch in Bezug auf die Mittel, welche der Staat als Re¬ gierung zu den Sanitätszwecken opfert, dürfte dieser Staat in ei¬ nigem Borzuge sich befinden, da das, was andere Staaten be¬ sonders in der Richtung der Wvhlthätigkeitsanstalten Größeres aufzuweisen haben, die private Pietät und Wohlhabenheit vielmehr als die Staatssorge begründete, und nicht, wie in Oesterreich, aus dem Staatsschätze fließt. Das Sanitätshauptnormale oder die Generalgesundheits¬ ordnung vom Jahre 1755, das Hauptsanitätsnormale vom Jahre 1773, dann das allgemeine Sanitätsnormale vom Jahre 1801 erfassen die Gesundheits- und Krankenpflege auch schon bei Volks¬ krankheiten auf eine ehrende Weise für den Beginn der Institu¬ tionen. Lazareth- und Contumaz-Aerzte, Kreisphysiker, Stadt¬ ärzte, kunstverständige Räthe bei Landhauptmannschaften, sowie die Lehrer der ärztlichen Bildungsanstalten, verbreiteten ihre Hilfsleistung auf Bevölkerungen, welche früher ihrer ermangel¬ ten. Was ein großes philanthropisches Gemüth zu schaffen ver¬ mag , weiset das Majestäts-Decret Kaiser Josephs vom Jahre 1782 zur Regelung der Sanitätsanstalten, welche durch küm¬ merliche und vereinzelte milde Stiftungen bis dahin meist pri¬ vater Aufsicht unterlagen und nur in sehr beschränktem Kreise wahre Wohlthat übten. Diese Hilfsleistung wurde zum öffentlichen Admmistrations- zweige erhoben, möglichst geordnet, zur erweiterten Hilfe einge¬ richtet und für ihre Erhaltung Quellen eröffnet, deren Mächtig¬ keit zum Theile Mißverständnisse in der Ausführung und wohl auch die Bedrängnisse der Zeit später schwächten. Vorurtheile, Dürftigkeitszustände und insbesondere schwere und langwährende Kriege verdrängten die Menschenliebe, und die Pietät floh mit ihr. Die Spenden der Einzelnen genügten nicht, das strengste Bedürfniß zu beschwichtigen, und die Gemeinden beschränkten sich auf die dießfalls auch zwangsweise geforderten Leistungen. Durch die in den Jahren 1806 und 1807 erfolgte Erhe- II bung der Protomediker zu wirklichen Regierungs- (Gubernial-) Rathen wurde der Sanitätsleitung in den Provinzen eine mäch¬ tige Stütze verliehen, denn durch die Reciprocität des Stimm¬ rechtes ist das Gleichgewicht der Gewalt wenigstens theilweise gesichert worden. Aber noch immer gedeihte spärlich die Sanitätspflege. Es mangelte an Mitteln, ihren Bereich weiter auszudehnen. Auch in den Heilanstalten zeigte sich manche Noth. Der Bedarf war groß und der Staat nicht in der Lage, ihn über das Dürftigste zu decken. Den Kriegen folgten die langen Nachwehen, dann die Anstrengungen zum Fortschritte der Industrie und die Idee der Glücklichmachung durch Handel und Verkehr, welche allge¬ mein die Staaten electrisirte. Was am meisten die Förderung des Gemeinwohles in allen Sanitätsrichtungen erschwerte, das war immer noch die eigentliche Ausführung der med. polizeilichen Normen, welche bei den untersten Ortsbehörden aus Mangel an gehörigem Verständnisse in administrativer Sanitätsleitung und durch die Beschränkung der stets höher geforderten Mittel die wahre Kräftigung nicht zuließ. Erst in neuester Zeit hat man der Gemeinde- und Bezirks¬ verwaltung, als dem eigentlichen Grundsteine der politischen Ver¬ fassung, besondere Aufmerksamkeit geschenkt, um ihre Amtshand¬ lungen und Einwirkungen in eine bestimmte, gleichförmige, con- trollirte und in das Gemeinleben kräftiger eingreifende Ordnung zu bringen. Diese Befestigung dürfte das bisher vielfach gelähmte letzte Ausführen und Anwenden der Vorschriften einflußreicher bewirken, sonach auch in Bezug auf die Sanitätsangelegenheiten, welche von den Ortsobrigkeiten, wie gesagt, theils wegen Un¬ verständnis, theils aber wegen Mühe und Kostenaufwand am wenigsten beachtet wurden, entsprechender regeln. Ein diesbezüglicher Anstoß liegt aber selbst im Sanitätsper¬ sonale der unteren Cathcgorie, welches durch seine später bespro¬ chenen Mängel nicht in der Lage ist, den einfachsten Anforderun¬ gen der Sanitätszwecke in politischer Richtung zu genügen. Nicht bloß die einzelnen Staatsglieder bedürfen der entspre- 12 chenden ärztlichen Hilfe. Diese Sorge würde bald durch den Bereich der ärztlichen Standesbildung beschwichtiget werden. Das Bolk kann die Hilfe nicht entbehren und kann sich dieselbe nicht geregelt verschaffen. Wenn es als Gemeinde die¬ selbe auch besitzt, beschränkt sich diese Hilfe nur auf einzelne Krank¬ heitsfälle, ohne Rücksicht auf den bei weitem großem Wirkungs¬ kreis zur Förderung des Gemeinwohles im Wege der öffentlichen Hygieine mit administrativer Macht und ihren Mitteln. Diese Leitung kann nur Sache der Regierung seyn, denn nur in ihr finden sich die Behelfe/der Art Staatsübel, als welche die mehr allgemeinen physischen Zerstörungen durch Krankheiten und ge¬ sundheitschädliche Einflüsse allerdings erscheinen, zu erforschen, zu erkennen und zu beheben. Das Volk besitzt jedoch auch nicht die Mittel, eine entsprechende Hilfe für seine isolirten Erkrankun¬ gen sich zu verschaffen, da die Einrichtungen zu diesem Zwecke noch große Mängel haben. Die Wirksamkeit der Staatssanitätspflege ist nicht bloß tem¬ porär ; sie ist anhaltend bei besondern Erkrankungs-Ergebnissen oder Ursachen zur Entstehung derselben, schreitet sie oft ausge¬ dehnt ein, und ihren Rücksichten unterordnen sich öfter alle übri¬ gen Staatseinrichtungen. Sie ist ein fortwährend wirkender Lheil des Complexes der Regierung, nicht etwa nach schwachen, dem Optimismus zuschwankenden Grundsätzen, sondern nach der in die eigene Existenz am zweckmäßigsten eingreifenden Prin- cipien. Begriff und Einteilung der Staatssanitälspflege. Die Sanitätspflege als Staatsprincip ist nach dem Wort¬ laute die administrative Pflege des Gesundheitswohles, nämlich die Sorge der Regierung zur Erhaltung und Förderung des all¬ gemeinen Gesundheitswohles, welche Sorge auch schon jene der möglichen Entfernung vorhandener Krankheiten und Gefahren, denen Gesundheit und Leben der Menschen ausgesetzt sind, ein¬ schließt. 13 Man hat die Staatssanitätspflege, auch Medicinal- pflege, ihren administrativen Complex, Medicinalwesen oder Staatsarzneikunde genannt. Ein allgemeines Verständniß regelt zwar leicht den Sinn einer Benennung, allein es müssen doch gewisse Gränzen nicht überschritten werden, um einen logischen Zusammenhalt des Be¬ griffes zu wahren. Aus diesem Grunde müssen die zuletzt be¬ zeichneten Benennungen als sinnwidrig verbannt bleiben. Die administrative Gesundheitspflege bezieht sich, strenge und wörtlich genommen, nur auf jene politischerseits aufgestellten Maßnahmen, wodurch der Gesundheitsstand der Staatsglieder von gefährdenden Einwirkungen, insofern sie die öffentliche Auf¬ sicht erreichen kann, geschützt wird. Unter dieser Begriffsbestim¬ mung, die man ganz fälschlich auch alsmedicinischePolizei bezeichnet, lassen sich aber die übrigen Zweige der gejammten Staatssanitätspflege nicht fassen. Ihre Agenden breiten sich bei allen Staatsbehörden in ge¬ wissen Richtungen aus, obschon ihr vorzüglicher Wirkungskreis politischer Natur ist und in der Regel von politischen Behörden geleitet wird. Auch dieser letztere bliebe durch die Gesundheitspflege noch bei weitem nicht ausgefüllt, da die öffentliche Kranken¬ pflege, die Sanitätsbildungsanstalten, das Sani¬ tätsamts fach, und selbst zum Theile die sogenannte g erich t- liche Arzneikunde von der Staatssanitätspflege eingeschlossen werden, welche somit nur als Zweige derselben anzusehen sind. Weil die gerichtliche Arzneikunde in der Gerichts¬ pflege, außer der Bestimmung der Zurechnung als Mittel in der Begründung des Lhatbestandes, durch Beurtheilung seiner phy¬ sischen Verhältnisse und Verbindungen zwischen Ursache und Er¬ folg gewöhnlich dient, hat man sie dem politischen Wirkungskreise, als nicht dahin gehörig, entzogen, ungeachtet dieselbe, ohne Rück¬ sicht auf Gerichtspflege, die Erklärung so manchen Lhatbestan- des und die Bestimmung der Zurechnungsfähigkeit bei den übri- 14 gen Staatsverwaltungszweigen auch abgibt, wie das unter an¬ dern bei Superarbitrien und überhaupt bei kunstverständigen Beurtheilungen im politischen, polizeilichen und kameralistischen Bereiche Statt findet. Durch die Angabe des physischen That- bestandes oder des natürlichen Standes eines der gerichtlichen Prüfung unterstehenden Objectes, erfüllt die gerichtliche Arznei¬ kunde nur die ihr zugewiesenen speciellen Aufgaben. Ihre all¬ gemeine Tendenz erfaßt sie selbst in diesen Beziehungen in den aufgestellten Grundsätzen, deren Anerkennung und Würdigung, Gesundheit und Leben vor gewaltthätigen Eingriffen durch freie Handlungen der Menschen sichert. Sie gehört nach ihrer allge¬ meinen Bestimmung und nach ihrem Endziele in die Abtheilung der Gesundh eits pflege, denn diese Sicherstellung der Ge¬ sundheit und des Lebens der Staatsbürger geht dem Zwecke der Strafbarkeitserklärung durch die Ermittlung des Grades der ge¬ waltthätigen Einwirkung jedenfalls vor. Sie bildet somit einen Theil der Gesundheitspflege, welcher seine Einreihung unter den kunstverständigen Beurtheilungen der Rechtsverhältnisse im Sa¬ nitätsbereiche findet, wo sie den großen Abschnitt der wissenschaft¬ lichen Nachweisung in der Natur der gefährdenden Handlungen der Menschen einnimmt. Die Sanitätsbildungsanstalten, das Sanitäts- amcksfach und die Pflege für die Wersorgungs- und Kranken¬ institute haben aber einen anderweitigen, wesentlich verschiedenen Wirkungsbereich, welchen die Gesundheitspflege in sich nicht faßt, obschon auch sie insgesammt den letzten Zweck nur in dieser auf¬ nehmen. Da sie aber in ihren isolirten Bestimmungen einen ge¬ schlossenen Umkreis ausfüllen, gebührt ihnen nach den verschie¬ denen Tendenzen eine eigene Einreihung. Weil nun alle Sani¬ täts-Einrichtungen, welche zur Erhebung des Gemeinwohles einer umfassenden und consequenten Leitung und Regelung bedürfen und eine wesentliche Aufgabe der Staatsverwaltungs-Sorge bil¬ den, indem sff die Staatskraft in ihrem Grunde und in ihrem materiellen Zusammenhänge durchgreifend erhalten und gedeihlich fördern; so läßt sich der ausgedehnteste Kreis aller erwähnten 15 Tendenzen, wodurch das physische Gemeinwohl in allen seinen ur¬ sächlichen und productiven Beziehungen begünstiget wird, was in den Staatszwecken subsumirt erscheint, als »Sanitätspflege in der Staatsverwaltung» oder »Staatssanitäts¬ pflege» bezeichnen, wobei jedoch immerhin dem Worte »Sani¬ tät» im deutschen Gebrauche noch eine allgemeinere Be¬ deutung gegeben werden will, als jene, die es eigentlich in sich faßt. Die Erde mit ihrer Vegetation, die Atmosphäre mit ihren physischen Eigenschaften und Umwandlungen, die Wässer mit ihren Bestandtheilen, die Wohnungen in ihrer innern Gestaltung und Umgebung, das Convivium in seinen materiellen Beziehungen, die physischen und geistigen Arbeitskräfte, die Communications- weisen, die Krankheiten in ihrem ursächlichen Verhalte und in ih¬ ren Erfolgsbedingungen, die Armuth mit dem Heere ihrer physi¬ schen Einwirkungen, die allentscheidende Erziehung der Jugend in ihren physischen und psychischen Zuständen, die Gesundheits- Verhältnisse in den öffentlichen Instituten, die ärztliche Wirkungs¬ sphäre in ihren privaten und öffentlichen Beziehungen, ja das ganze intellectuelle Gebiet in seinem Verhältnisse zum physischen Leben sind Objecte, deren Einwirkung das Gemeinwohl im Be¬ reiche seiner physischen Existenz angeht, somit der Sorge der Staatsverwaltung nach eigenen Regierungsgrundsätzen unterlie¬ gen muß. Aus diese Grundsätze gestützt theilt sich die Staatssani¬ tätspflege in folgende Verzweigungen: Die erste Scheidung reiht sich in drei Serien. I. Serie. Administrativer Sanitäts-Personalstand im Dienstbereiche der Staatssanitätspflege. II. Serie. Oeffentliche Hygieine. III. Serie. Administrative Krankenpflege. 16 Die I. Serie umfaßt Die Bildungsanstalten. 1. Bildung der Jugend als Grundlage des physischen und damit im Zusammenhänge stehenden physischen Gemeinwohles, sowie der in ihr beruhenden Vorbil¬ dung des künftigen Arztes. 2. Aerztliche Bildung in allen wissenschaftlichen und manuellen Kenntnissen. L. Die Sanitätsämter. 1. Privatärztlicher und pharmaceutischer Stand mit seinen Amtsrechten und Pflichten. 2. Sanitätsstand im Gemeinde-Verbände. 3. Sanitätsstand im Staatsverbande. Die II. Serie umfaßt Die öffentliche Diätetik. 1. Einleitungen zur Sicherstellung von Krankheits- erzeugniffen durch Nahrung, Wohnung, Umgebung, Bekleidung, Communication, Armuth und Entbeh¬ rungen. 2. Vorkehrungen gegen athmosphärische und telturi- - sche Gesundheit und Leben gefährdende Einflüsse. 3. Versorgungs- und Besserungs-Anstalten, als phy¬ sische und moralische Behelfe zur Sicherstellung der Gesundheit. 6. Die Sanitätspolizei. 1. Sicherung der Ausführung medicinisch-polizeilicher Maßnahmen durch Vorschriften, Anleitungen und Gesche. 2. Medicinisch-polizeiliche Anstalten und Erforschungen. 3. Kunstverständige Beurtheilungen besonderer Sani¬ tätsergebnisse und Rechtsverhältnisse in physischen und den damit zusammenhängenden psychischen Zu¬ ständen der Menschen. 17 Die HI. Serie enthalt: Die öffentliche Krankenbehandlung im Allgemeinen. I. Krankenbehandlung unter der Sorge derGemeinden in den Wohnungen der Kranken. L. Krankenbehandlung bei Volkskrankheiten unter der Sorge des Staates. L.Die öffentlichen Krankeninstitute. 1. Local- oder Gemeinde-Krankeninstitute. 2. Provinzial-Krankeninstitute. 3. Staats-Krankeninstitute. I Sanitätsverhältniffe in der Vil-nngssphäre. Weil der Heilarzt in allen Amts-Stellungen die indivi¬ duelle Krankenbehandlung nach Erforderniß zu besorgen hat, weil die Krankheit keine Scheidungen eingeht, welche die ärztliche Ca- thegorien-Eintheilung begränzt, weil nicht nur der Arzt als Staatsbeamter, sondern in jedem Gemeinde- und Privatverhält- niffe dem Rufe zum Vollzüge erforderlicher Samtätsmaßnahmen Folge zu leisten hat, weil endlich die ärztliche Wissenschaft in der Auffassung und Geltendmachung ihrer Grundsätze auf das Leben nur in einer möglichst vollständigen Erkenntniß seines nor¬ malen und abnormen Wechsel-Verhältnisses einer Würdigung und Erhebung fähig ist, muß der Heilkünstler sein Gesammtfach gleich¬ förmig begreifen und üben können. Beruf, Eignung und besondere Bestimmung machen öfter die Ausübung nur eines Zweiges zulässig, was hie und da selbst zum Aufschwünge der Wissenschaft dient; doch ist die Grund¬ bildung in dem vereinten Wissen auch schon deßhalb unerläßlich, weil das Wissen in allen Fächern dort, wo der Arzt im weiten Bereiche als einziger Heilkünstler sich befindet, gefordert wird. Die Gränzen der ärztlichen Wissenschaft sind bei weitem ausgedehnter, als die aller übrigen Bildungsbereiche, weil keine Lehre ihr Streben so allgemein und so tief eingreifend umfaßt, wie jene der Heilkunde. 2 18 Ihre vielfache Verzweigung mit allen übrigen socialen Ver¬ hältnissen und Wissenschaften market schon einen ungewöhnlichen Kreis ihres Umfanges; unbegranzt wird er aber dadurch, daß die Heilkunde auf dem Grunde der immensen Naturwissenschaf¬ ten gebaut, bis in das vereinzelte Leben und seine Eigenthüm- lichkeiten zu dringen hat, um durch die überall zu erforschenden Kräfte zu erstarken. Die ärztliche Bildung hemmen noch große Mißgriffe. Der erste Grund hievon liegt schon in der ersten Erziehung und schrei¬ tet vorwärts durch alle Stadien des Wachsthums. Weil die Erziehung überhaupt die erste Grundlage des phy¬ sischen Gemeinwohles bedingt und die Vorbildung des Arztes auch leitet, so kann deren Beurtheilung in der Sanitätspstege nicht übergangen werden. Strenge genommen gehört sie als Ursache mancher Verkümmerung der physischen Normalzustände in die öffentliche Hygieine. Bildungsinstitute. I. Erziehung im Allgemeinen und ärztliche Vorbildung. Die Bildung des Körpers bedingt nicht bloß die Grundlage seines physischen Wohles, sie ist auch der Boden, dessen Pflege die zarten Keime der Seelen und Gemüthstriebe im Entstehen und Fortschreiten wahrt und zur gedeihlichen Blüthe und Reise leitet. Nur der entsprechende Einklang in der Behandlung dieser beiden Beziehungen frommt der Individualität und bedingt den wahren Fortschritt in der Erhebung der menschlichen Gesellschaft. Welchen Vorurtheilen, welchen betrübenden Einflüssen und rohen Einwirkungen wir von der Wiege bis zum Grabe, und auch da noch unsere Leichname eben in dieser Pflege unterliegen, ist das schmerzlichste Erkenntniß eines befreiten Selbstgefühles. Unterdrückung freier körperlicher Evolution in allen phy¬ sischen Verrichtungen des kindlichen Lebens durch unzweckmäßige Säugung, Bekleidung, Temperaturstand, spätere Nahrung 19 und durch Remlichkeits - Versäumnisse, bilden großenteils die Grundlage unserer physischen Erziehung. Grelle, sinnerregende Bilder sind die ersten Objecte der Anschauung, um des Kindes äußere Sinne gleich im Beginne irre zu führen. Hiezu dienen meist schon die ersten Spielzeuge, womit Rohheit und Eitelkeit ihre Eindrücke nicht verfehlen. Diese ersten Einwirkungen, so ohnmächtig sie scheinen, be¬ reiten das Herz zu Eigenthümlichkeiten vor, welche nicht selten schon eine Richtung dem sich entwickelnden Temperamente geben. Die hiedurch erzeugten häufigen Aufregungen und Zuflüsse des Blutes zum zarten Herzen reizen dieses und das Nervensy¬ stem übermäßig und naturwidrig, und bringen Organisations¬ fügungen hervor, deren Zustand das erste Gepräge physischer Aberationen bedingt. Das Kind muß auffassen, was es nicht auffassen kann. Der Zwang beschäftiget seine Seele mit widerlichen Eindrücken, welche seiner flatternden Phantasie und seinem sehnenden Ge- müthe keine Nahrung gestatten. In diesen allgemeinen Forschungen liegt nicht die Absicht, zu erörtern, was die Geistesquälerei der zarten Jugend in den philologischen, mathematischen und theologischen Aneignungen eigentlich bezwecken soll und welcher Gewinn in uns'rcr römischen und griechischen Afterbildung beruhen kann, wie man ferner in den übrigen Lehrgegenständen vermengt, aufhäuft und ohne allen Eignungsunterschieden alle mit gleichen Lasten und Befähigungs¬ mitteln bebürdet. In der Regel fallen diese Lehren wieder der Vergessenheit anheim und erst in späterer Bildungszeit müssen sie von jenen wieder nachgeholt und verdauet werden, deren weiterer Beruf solche Ausbildungen fordert. Glaubt man aber, daß der Ju¬ gend solche unermeßliche Marter als geistiger Reiz überhaupt die¬ nen soll, so reiche man dem Säugling Fleisch zur Nahrung und grüble dann verblüfft seinem Siechthum nach. Des Gemütheö edle, allentscheidende Entwickelung ist meist 2* 2ü der gänzlichen Vernachlässigung oder den widrigsten Eindrücken preis gegeben. Die Macht der Religion soll es klären. Ihre Lehren wer¬ den aber in so heterogenen Forme» beigebracht, daß sie gewalt¬ sam eingeprägt in die Empfindung nur selten dringen, eben weil in den Glaubensprincipien nicht jene Zugänglichkeit vorwaltet, welche die Anziehungen der kindlichen Phantasie fordern, deren homogene Belebung und Aufnahmsfähigkeit in die eigene Seele durch abstrakte Vorstellungen nicht erzielt werden. Die spätere Bildungszeit, geleitet vom rohen und bunten Schimmer verderblicher Eindrücke durch äußern Glanz, Ueppigkeit und verwüstende Spiele, Liebhabereien bei Pferden und Hunden, blutigen Jagden, die Sinnengierde spannenden Anschauungen ent¬ schwindet, ehe der junge Mann und daS ausgekeimte Mädchen an die wahren Bestimmungen des Lebens auch nur dachten. Ueberall mußte die Jugend für die der wirklichen, der prak¬ tischen Welt sich öffnenden Sinne, eine kahle, martervolle, im endlosen Räderwerke »erkünstelte Theorie auffassen. Die mathematische Geographie wurde eingeprägt, ehe die einfache, faßliche begriffen war; mit Brüchenrechnungen quälte man sich ab, ehe man den praktischen Werth der einfachen er¬ kannte und in den beschwerenden Lehren der todten Sprachen, welche die Jugend fortan beschäftigte, ja auch schon mit der Aneignung der Lehre über die Alterthümer> verlor sie die nie wiederkehrende Bildungszeit, in welcher man es gänzlich ver¬ säumte, des kindlichen Herzens erste edle Triebe für Anmuth und Schönheit, für Wahrheit, Gefühl und Menschenliebe in ihren Keimen zu schützen, zu pflegen und zur Fruchtgedeihung zu leiten. Die Räume dieser Blätter sind nicht dazu bestimmt, diesen Forschungen weitere Bahnen zu eröffnen und zu zeigen, wie auch die höhern Bildungsanstalten den eigentlichen Bildungszwccken treuer nachzustreben hätten. Die Krankheit weiset ihr thatsächlichcs Erscheinen bei die¬ sen mehr durch Uebermaß als durch Nahrungsmangel. Man fesselt die Schwingen mit ewigen Lasten. Entstellung der Natur 21 muß die erste Folge hievon seyn. Die Individualität und der Charakter erlangen eigcnthümliche Richtungen. Die Gesellschaft verliert das edelste Band ihrer Verbindung in dem Verluste der Treue. Außer allen diesen Mißgriffen hat aber der werdende Arzt in der Regel noch andere Ketten zu schleppen, von welchen er sich selten ganz befreien kann. Es ist dieß ein Stand, dessen Anstrengungen und Opfern sich die bemittelten Jünglinge seltener unterziehen. Die Armuth und Absonderung von den etwas freien, allgemeinen, socialen Verhältnissen drückt schon den Studieren¬ den. Seine Existenz fordert oft Erwerb durch anderweitige Be¬ schäftigung. Die bestimmte, nie zu lange bemessene Zeit wird unangemessen verkürzt. Er verläßt seine Jugendjahre, ohne es zu ahnen, wie Herz und Einbildungskraft die wahre Welt der Menschen den einfachen, naturgetreuen Bestimmungen entziehen, wie den großen gesell¬ schaftlichen Verband die Sinnlichkeit in allen Stufen bis zu ihrer Versunkenheit foltert, und wie die materiellen Interessen den Kern der Schale bilden, auf welcher die Lüge ihr Glaubensbekenntniß gezeichnet; das bleibt ihm alles so ziemlich fremd, und sein ärzt¬ licher Blick wird es oft spät ergründen, wie die Muskelkraft des Auges die Thräne zu unterdrücken vermag, welche ein tiefer See¬ lenschmerz hervordrängt und kein klagender Laut bestätigen will. C r i t i k. Daß es sich hier um keine Erziehungskunde handeln könne, ist begreiflich. Nur die Darstellung der gröbsten Anstöße in der Bildung, wodurch die irregeführte eiserne Hand der Gesellschaft ihre Zwecke verkümmert, sey dieser Blätter Aufgabe. Mangel¬ hafte Erkenntniß der wahren Anforderungen des Lebens, oder trügerische Gestaltung des Faffungs- oder Beurtheilungs-Vermö- gens, verleiden und rauben die edlen Genüsse dieses Daseyns, zu deren Erstrebung die Menschen ohne Unterschied das Naturrecht, sowie die heilige Religion in ihrem allerhebenden Grundsätze der Nächstenliebe anwies. Der natürliche Zustand des Menschen 22 bildet die Grundlage, auf welcher der künstliche erbauet wer¬ den soll. Die körperliche Beschaffenheit des Menschen ist der Grund, aus welchem das sinnliche Leben sprießt und die Blüthen ihre prangenden Farben, ihren Duft, ihre nährenden und ihre vergiften¬ den Stoffe auch in geistiger Potenz erlangen. Die spezielle Iden¬ tität in der eigentlichen Bestimmung des Wesens wird auch nur so lange erhalten, als die Pflege der künstlichen Einflüsse die n a- türlichen zu ersetzen vermag. Jede Deviation schafft Aus¬ artung oder Verkümmerung. Alles, was die Individualität nicht treu aufnimmt, wird zur Verstümmelung und Parodie, die sich leicht erzeugen, weil die eindriugenden äußern Reize durch die schon in der Kindheit allen Schwankungen überlieferte Einbildungskraft, sowie durch die, selbst bei materiellen Objecten täuschende Anschauung grelle Verirrungen hervorbringen. Welche Anstöße unsere gesellschaftlichen Verbindungen in diesen Richtungen durch die Mächtigkeit des Abstandes und durch die Verwahrlosung der ausgedehnten niedern Volksclas- sen bedingen, bedarf keiner Nachweisung. — Es wäre an der Zeit, die große Wahrheit zu beherzigen und sie in das wirk¬ liche Leben allseitig einzuprägen, daß alles Unheil im Daseyn und jede Zurückhaltung des Gemeinwohles in der entstellten oder vernachlässigten Bildung des Menschengeschlechtes seinen ersten und mächtigsten Grund finde, und daß alle politischen Institutionen so lange nur einen Kleiderwechsel bezwecken, bis nicht die innere, wesentliche Gestaltung der Individualitäten als Gliederbildungen des großen Vereins, jene selbstbestimmende Kraft erlangen, welche ihnen die Bekämpfung der feindlichen äu¬ ßern Einflüsse möglich macht. Es kann nur Sache der Regierung seyn, sich jenes Grun¬ des zu versichern, in welchem der Staat mit seinen Wurzeln sich verflechtet, um vereinte, andauernde Haltbarkeit zu erlangen. Diesen Grund bildet die Erkenntniß der Bestimmung im Leben und die richtige Anwendung der relativen Lhätigkeit. Bei- 23 des Kräfte, welche nur die Bildung erzeugt durch ein möglich gleichförmiges, konsequentes, die natürlichen und socialen Ver¬ hältnisse entsprechend berücksichtigendes Staatsprincip. Im Ernste wird es wohl Niemand vertheidigen wollen, daß die ausgedehntesten und reellsten Stände des Staates, der Bauer und der Gewerbsmann, eine Erziehung genießen. Noch ein größerer Wahn liegt aber in der Behauptung, es könne diesen Ständen die Erziehung nichts frommen, ihre einfachen Beschäftigungen bedürfen nur einiger manuellen Dexterität. — Diese Todsünde des gewöhnlichen Urtheiles erhebt ihr blutendes Haupt und fordert für die durch sie bisher schmählich verurtheilte Menschheit endliche Sühnung. Die spärlich hingestellten Land- und Gewerbsschulen weisen die Befriedigung eines zusagenden Erfordernisses kaum in ihrer größten Oberflächlichkeit nach. Was lernen diese Stände in solchen Schulen zur Erhebung ihrer Standeseignung? Kann man glauben, daß hierin die nur theilweise bewirkte Aneignung der Schrift und einiger dem Ge¬ dächtnisse nur eingezwängter Religionslehren dem Stande from¬ mend entgegenkommen, daß durch sie der moralische Verband befestiget werde, welcher seine Stützen-hauptsächlich in derCon- stituirung des Standes, seiner Fortschritte und Vortheile erlangt, weil nur diese ihm die Mittel reichen, den materiellen Anhalt zu consolidiren, durch welchen die Möglichkeit gegeben wird, die Idee und Verwirklichung der Moral zu erfassen und durchzuführen. Doch lassen sich diese Erörterungen hier nicht weiter fort¬ setzen, da sie gewichtig genug sind, einer abgesonderten Verhand¬ lung unterzogen zu werden. Hier soll das Gesagte nur andeu¬ ten, wie manigfach jene Bildungsbehelfe ermangeln, welche auch die in das Studium der Arzneikunde eintretende Jugend vermißt. Die Gewohnheit, das Gedächtniß nur zur Haupttriebfeder der Aneignung in steter Spannung zu erhalten, überlistet den Geist der klaren Auffassung, und die Wahrheit zieht oft spurlos an der Erkenntniß vorüber. So lange die Vorbildung solchen Schwankungen und Miß- 24 Verständnissen unterliegen wird, kann auch die Standesbildung auf jene Erhebung keinen Anspruch machen, welche treues Wissen und redliches Wirken als Grundpfeiler ihres weitern Baues un¬ bedingt fordert. 2. Aerz tliche Bildungs anstalten. Wenn in der Vergangenheit Mangel an geeigneten Stan- des-Jndividuen durch die Beschränktheit der ärztlichen Lehrinsti¬ tute, welche nur Theilwisser dem ärztlichen Stande zuführten, eintrat, so konnte dieß dem Drange der Umstände zugeschrieben werden. Der ärztliche Stand hatte als solcher im Staatsverbande der Vorzeit keine öffentliche Vertretung. Es waren ihm nur privatrecht¬ liche Ansprüche eingeräumt, welche ein allzu lockeres Band mit der Staatskraft vereinte. Das wahre ärztliche Erforderniß im Re- gierungsverbande wurde gar nicht erkannt. Die Spaltung des Standes in seine Zweige: Medicin, Chirurgie, Geburtshilfe, Au¬ gen - und Zahnheilkunde, bewirkte dadurch den ersten großen Uebelstand, daß der Unterschied in diesen Ausbildungen, bezüg¬ lich auf Anstrengungen, Opfer und Rechtserlangungen grell ab¬ stieß, wonach sich die große Mehrzahl nur zur Ausbildung in den Zweigen der leicht geschürzten Wundarzneikunde herbeiließ, denn der erstere war in keinem Vergleich mit dem letztem hinsicht¬ lich seiner Vorrechte gestellt. *) Besonders die Kriegszeiten mit der Pforte riefen in dieser Beziehung ein arges Mißverhältniß herbei. Es mußte zur noth- wendigen Herbeischaffung sogenannter ärztlicher Individuen ein Institut errichtet werden, wo die ärztliche Bildung, eigentlich der ärztliche Stand geformt wurde. Dieß war das alte Jose¬ phinum. Hier wurden die gemeinen Feldscherer, ungebildete, für den Krankenwärterdienst eigentlich verwendete Militärindi¬ viduen zu vollendeten Medicinä- und Chirurgie-Doctoren im Zeit- *) Das Verhältniß der Medjciner zu den übrigen (Atandesgliedern war noch zu meiner Studienzeit wie 1 zu 12. 25 raum von 2 Jahren geschaffen. Diese bei allen Regimentern der Monarchie zerstreuten Heilkünstler erschütterten im Ganzen nicht wenig das ärztliche Ansehen. Sie waren im Publikum als Aerzte gekannt und verwen¬ det, und um so mehr gebraucht, als die Mehrheit der Civilärzte — nämlich die Fülle der noch minder mit Kenntnissen ausge- statteten Landwundärzte, noch weniger geeignet erschien, den Anforderungen der Wissenschaft zu genügen. Erst im dritten Decennium dieses Jahrhundertes wurde die Josephinische Academie um einige Stufen höher gestellt. Die Ausbildung in dem gesummten ärztlich - chirurgischen Studien war auf 4 Jahre ausgedehnt und sorglicher wurde die Wahl der Zöglinge zu diesem Institute vollzogen. — Die mit dem Doctor - Diplom Betheilten wurden nun sogleich als Oberfeld¬ ärzte angestellt. Ungeachtet dessen erhielten sie erst kürzlich den Officierrang. Auch ihre Besoldung ist mit ihrer Geschäftsleistung in keinem Verhältnisse, selbst dann nicht, wenn ihr Avance¬ ment sie weiter beförderte. In den übrigen vielen Lehranstalten blieb aber die Schei¬ dung wie zuvor, und ist in neuerer Zeit nur dahin umgestaltet worden, daß den Wundärzten >— welche früher auch in einem Curse von 2 Jahren alle Wissenschaft einsogen, noch ein Jahr zur Bildung in den Naturwissenschaften angehängt worden ist — wo sie die Menge der Gegenstände und die Unmöglichkeit einer gehörigen Auffassung in Rücksicht des Mangels an Vorbildung — zu einer klaren Idee gar nicht kommen läßt. Daß ein solcher Verstoß an der Wissenschaft, an den Stan- desrechten und gerechten Ansprüchen ihrer gebildeten Glieder nun noch, trotz den angewendeten Anstrengungen, nicht gänzlich ver¬ mieden werden konnte, liegt hauptsächlich in den früher erwor¬ benen Rechten, deren Wahrung noch einiger Rücksichten bedarf. Schon der Contrast, wonach die Bewohner der Städte, wo in der Regel Medicinä - Doctoren die Praxis üben — gegen das Landvolk, wo gewöhnlich nur solche Patrone die Heilkunde 26 treiben — so beträchtlichen Vorzug in der ärztlichen Hilfslei¬ stung erhalten, überschreitet nicht nur alle Gränzen einer gesun¬ den Einsicht, sondern es drängt sich vor Allem bei solchem Be¬ stände der Dinge die Frage auf: wie kann sich die Regierung eine solche Verantwortung aufbürden ? Außer den erwähnten Patronen der Chirurgie, deren Zahl im Ganzen z. B. im österreichis! en Staate das Zehnfache der Aerzte übersteigt — folglich die eigentlichen Repräsentanten der ärztlichen Wissenschaft bildet, gibt es noch Magistri der Chi¬ rurgie, welche nach absolvirtem philosophischen Curse in 3 Lehr¬ jahren den Grad erlangen und nach dem Operationscurs auch den Grad eines Operateurs empfangen >— was alles nur auf Standes - eigentlich Wissens - Zersplitterung weiset. Dann fol¬ gen noch die Zahnärzte, welche sich wenig um die Gränzen ihres Wirkungskreises kümmern; und diesen Gliedern reihet sich endlich an, der Troß der quacksalbernden Apotheker, Arzneiver¬ käufer, Materialhändler, Bauernärzte und insbesondere After¬ homöopathen — aus bloßer Menschenliebe. C r i t i k. Man sollte glauben, daß die Belege, welche solche Heil- künstler durch ihr Lheilwiffen-— das bei der ausgedehnten chi¬ rurgischen Classe sich in ein kaum wahrnehmbares Maß ver¬ liert, überall schon in dem sichtbaren Mangel jedes äußern Bil¬ dungsanstriches liefern, keiner weitern Beweise bedürfte, die Unzulänglichkeit — eigentlich Zweckwldrigkeit in einem so heik- lichen Stande zu bethätigen. Doch hierin — nämlich in dem fortwährenden Bestände eines derartigen Mißverhältnisses — trägt die allgemein Unbildung große Schuld. Man stößt noch immer auf Leute — selbst inmitten der gebildeten Stände, welche bei der Beurtheilung des ärztlichen Wirkens — wozu sich natürlicherweise Jeder berufen glaubt, 27 auf angebornes, naturärztliches Talent, Inspiration, einfaches Lenken der widersprechendsten, meistens gar nicht erklärbaren, nur willkürlich angenommenen Naturkräfte überhaupt — großes Gewicht legen. Was bei solchen verworrenen Ansichten alles als System angenommen und als Heilkundiger gehalten wird, ist von selbst erklärlich. Da es nun natürlich ist, daß, wo die tiefere Erkenntniß der Ursache und Wirkung mangelt, nur das Ergebniß spricht, und daß die Mehrzahl der Geheilten — welche sich unter allen Behandlungsweisen bildet, immer auch einen mehrfachen Beleg für die Heilung der Welt bietet, so ist es auch erklärlich, wie der Irrthum die Menge leitet und wie alle solche Urtheile aus Mangel an wahren Erforschungsmitteln nicht competent bleiben müssen und wie nur das leitende Gesetz — als wissenschaftlich geformtes Resultat, die Grundsätze der Anwendung bestimmen soll. Es ist keineswegs in Abrede zu stellen, daß auch die wissen¬ schaftlich durchgeführten Grundsätze Irrungen unterliegen; allein die einfachste Berechnung des iinchis uä minus muß hier ver¬ nünftigerweise Maß und Ziel geben und dieses kann ziffermäßig nachgewiesen werden durch statistische Aufzeichnungen zwischen Orten, wo gebildete Aerzte wirken, und jenen, wo solche mangeln. Die Heilkunde, als practische Wissenschaft, sollte eigentlich alle Bereiche des menschlichen Wissens in so fern in sich schlie¬ ßen, als alles, was den Menschen umgibt und einen Einfluß auf seinen Gesundheitszustand nimmt, die ärztliche Forschung und Erkenntniß aufzuklären hat. Wenigstens wird er die Summe seiner Hilfsmittel durch solches Wissen immer nur förderlich mehren. Ortsverhältnisse, Stand, Kräftenverbrauch, Familiensor¬ gen, Diätetik, Individualität, besonders in geistiger und ge¬ mächlicher Richtung, bilden die Grundbedingungen im physischen Leben. Des Arztes wahrer Wirkungsbereich ist also die Welt mit ihren Kräften und der Mensch in seinen Handlungen und Gefühlen. 28 Nur eine universelle und sonach vollständige Standesbil- dung kann solchen Anforderungen genügen. Weil aber diese un¬ erreichbar ist, sollte man doch das Erreichbare im ärztlichen Wis¬ sen nicht so groben Versäumnissen preis geben und es gleichgil- tig hinnehmen, daß das Edelste der irdischen Güter — das Le¬ ben — den Angriffen jedes Trödlers freigestellt bleibe. Und dieß geschieht durch die theilweise, unvollständige Aus¬ bildung des Arztes, durch die Bevorzugung einseitiger Systeme, durch die Lauheit in der Handhabung der bezüglichen Gesetze, durch alle die nichtigen Sympathien, welche vereinzelte, unbe¬ rufene Ansichten und Meinungen als gewaltsame Raubgriffe in den edlen Wirkungskreis eines Standes üben, dessen Achtung, Werth und Wichtigkeit im gesellschaftlichen Verbände noch kein Vernünftiger mißkannte, von dem der treue Verehrer der Na¬ tur in seinem gigantischen Talente und nach errungener über¬ großen Selbstständigkeit — J. I. Rousseau ausrief: »8i jv tai88vi8 unv nouvolls vllillon üs m68 I1OMIN68 >68 plu8 vonilablemölll 83VSNW8» Nach ljornai 6, in üo 8l. kin^ro (pnoainbulo üo I'Lrenüio). Und schon in der Odyssee des unsterblichen Homers fin¬ den wir die Worte: „Jeder Arzt übertrifft die Menschen an Erfahrung, denn sie sind wahrlich vom Geschlechte Päons.» Der Gesundheitsstand und die zahllosen Krankheiten lassen keine Scheidungen zu, um sie einzeln und theilweise in objec- tiven Formen aufzufassen. Das Messer der Chirurgen, so wie sein äußerlich ange¬ wendetes Heilmittel, wirken nicht bloß auf das einzelne Glied und an die erkrankte Stelle; der ganze Mensch unterliegt ihren Eingriffen. Der Blick des sogenannten Mediciners sucht nur das inner¬ liche Leiden, wo er die Quelle desselben sich sixirt, ohne die abnor¬ men oder ungewöhnlichen körperlichen Fügungen zu erfassen, wel¬ che das chirurgische oder das geburtshilfliche Auge leicht wahrnimmt. 29 Doch man vernimmt allerlei Stimmen gegen diese einzu¬ führende Bereinigung aller ärztlichen Zweige in den Wirkungs¬ kreis eines Heilarztes. Man sagt, dieses langwierige medicinisch - chirurgische Studium umfasse eine allzu große Ausdehnung , fordere zu viele geistige Befähigungen, welche selten vereint vorkommen. Den Unbemittelten bliebe der Zutritt beinahe unmöglich. Es müßte ein fühlbarer ärztlicher Mangel, besonders am Lande, wo der Verdienst so precär ist, entstehen. Die höhere Ausbildung in einzelnen Zweigen würde sich kaum erreichen lassen. Endlich sagt man, sey für das Landvolk und den Mili¬ tärmann, welche den einfachsten Lebensbedingungen unterstehe», auch nur eine einfache, ärztliche Einwirkung erforderlich. Die Menschheit und der Staat können bei unvollständi¬ ger Ausbildung in einem so heiklichen Fache >— wo die Irrung leicht zum Todesspruche führt — nur verlieren. Die Wissenschaft aber trifft nur Hohn bei den hiedurch nicht selten sich offenbarenden Blößen — denn ihr verstüm¬ meltes Antlitz sinkt zur Carricatur herab, an der jeder Dümm¬ ling seinen Spott — und jeder Affe seinen Witz versucht. Das Streben zur Bildung ist in der Gegenwart so allgemein geworden, daß selbst die untern Stände ihre materiellen Mittel willig zum Opfer bringen, den Familiengliedern in solcher Ausbil¬ dung die Zukunft zu sichern. Die Hauptsache ist, die allgemeine Ueberzeugung darin zu erstarken, daß die Standesrechtege- setzlichen und unbedingten Schutz erlangen, welche der Staat vorzugsweise im eigenen Interesse zu wahren hat. Nur an der versäumten Vorbildung hängt es, wenn die Auffassungskrast der studierenden Mediciner das angegebene vereinte Wissen nicht erreicht. Ist der Arzt einmal vollständig gebildet, so kann es mit Vortheil für die Kunst auch nur ihm überlassen bleiben, dort, wo er keine besonderen Verpflichtungen eingegangen, sich nur einem Zweige der Wissenschaft praktisch hinzugeben. 30 Die spater zur Sprache kommende Regelung des Sani- ätsstandes sichert auch das Landvolk über den Besitz der zweck¬ gemäßen ärztlichen Hilfe durch entsprechende Vertheilung des ärztlichen Personals und Befriedigung seiner gerechten Ansprüche. Die angenommene einfache Lebensweise des Landvolkes so wie des Militärmannes hat ein Gefolge von physischen Uebeln, welches sich nicht geringer stellt, als es bei den Wohlhabenden in Ueppigkeit und Uebergenuß Lebenden wahrgenommen wird. Ihre Entbehrungen, ihre körperlichen Anstrengungen, ihr Beisammenwohnen, ihre nothwendigen Vernachlässigungen diä¬ tetischer Vorsichten, bilden em Heer von Krankheiten, welches ihre Gräber zahlreicher öffnet, als bei den bemittelten Bewoh¬ nern der Städte, die für die Folgen des Uebergenusses, des Uebermuthes und der Sittenlosigkeit immer noch beträchtliche Mittel finden, sich von dem gänzlichen physischen Verfalle zu verwahren. Endlich wollen einige noch im Ernste behaupten, es könne der Arzt die niedern chirurgischen Verrichtungen doch nicht auf sich nehmen, da sie seines Standes unwürdig sind. Wenn aber der Arzt etwa das rettende Heilmittel des Aderlasses als ein solches ansehen will, so ist nur er des Standes unwürdig. Das Auflegen eines Zugpflasters, die Einreibungen, Klystiers u.d.g. gehören aber in die Dienstleistung der Krankenwärter und He¬ bammen. Die Regierung soll unbedingt ihre Einrichtungen für das Gemeinwohl nur nach dem Maße der möglichen Vollständig¬ keit treffen. ' Die allseitige Ausbildung in der Heilkunde nach den Be¬ dürfnissen der Zeit, der Wissenschaft, des Staates und der Menschheit, muß als die einzig wahre gehalten werden, welche des Arztes bürgerliche und öffentliche Stellung im strengsten Sinne fordert. Demgemäß wird die Lösung der Aufgabe unerläßlich, wel¬ chen Umstaltungen die bezüglichen Lehranstalten zu unterziehen seyen und durch welche Mittel dieser Zweck erreicht werde. 31 Den gegenwärtigen Lehrmethoden können zwei wesentliche Anwürfe vorgebracht werden. Pedanterie und Zersplitterung hemmen einerseits den Fort¬ schritt der Wissenschaft, andererseits führt die gegenwärtige Freiheit in der Aneignung der Medicina! - Lehrgegenstände zur Oberflächlichkeit. Der Geist wird auf beiden Wegen verscheucht, Die Trägheit oder die Regelwidrigkeit wirken auf lähmende Weise. Auf einer Seite erstickt die Gedächtnißfolter und die blinde Verehrung der alten Lehrsätze, die freiere Regung und Aneig¬ nung nützlichen Wissens. Anderseits häufen geistlose Massen den Berg der Wissen¬ schaft, statt ihn zu ebnen. Die Extreme bringen in alle Ver¬ hältnisse nur Unheil, doch bleibt die Einseitigkeit immer noch der Nebel höchstes. Der Grund zu diesem Verschulden liegt in den Lehranstalten. Wenn man hierin Oesterreichs Staat berück¬ sichtiget , so ist zu bemerken, daß außer den Universitäten zu Wien, Prag, Pefth, Padua und Pavia, in Lemberg, Oll- mütz, Salzburg, Innsbruck, Gratz, Laibach und Klausenburg, Landchirurgen — das heißt Patrone der Chirurgie befähiget werden. Es sind also für eine Bevölkerung von etwa 36 Millionen 12 Lehranstalten in der Monarchie. Diese 5 Universitäten, da die Zosephinische Academie auf¬ gehoben wurde — wenn sie auch im ganzen Lande verhältniß- mäßig vertheilt wären — würden ohne Zweifel dem Gesammt- bedarfe nicht entsprechen. Man hat Frankreich, wo nur 3 voll¬ ständige Universitäten bestehen, zur gegenth eiligen Behauptung angeführt. Dieß verräth nur Unkenntniß, denn in jeder Uni¬ versität Frankreichs sind die Lehrgegenstände, besonders die ent¬ scheidenden practischen, drei - und vierfach besetzt, somit hinrei¬ chende Belehrungsgelegenheit gegeben, was bei uns ermangelt, und durch die neu eingerichteten Docentenstellen noch lange nicht erreicht werden kann. Mehr denn zwei Drittheile der Monarchie, welche durch die Lage, Nationalität, Ausdehnung und Cultur sich mächtig 32 unterscheiden, leiden Mangel an Aerzten, da Steyermark, Tyrol, Polen, Schlesien und Mähren, Kärnten, Kram, das ganze Küstenland mit Istrien, dann Kroatien, Slavonien, Syr- mien, Siebenbürgen, die Militärgränze und Dalmatien solcher Wohlthat gänzlich entbehren und ihre Jugend zur fernen und fremden Universität nur äußerst selten senden können. Das Königreich Kroatien und Slavonien mit dem kroa¬ tischen Küstengebiete, Istrien und Dalmatien, das ganze Mili¬ tär Gränzgebiet, so wie Kärnten und Mähren, besitzen auch keine chirurgische Lehranstalt. Während nun Kärnten und Mähren durch die nächsten Provinzen ihr dießfälliges Bedürfniß leicht decken, ist es beson¬ ders erheblich, daß die ganze südostslavische Nation bei 5 Mil¬ lionen Bevölkerung enthaltend, keiner der Art Anstalten sich er¬ freue, ungeachtet daß die besondere Nationalität die große Aus¬ dehnung dieser Länder und auch die diesen Völkern eigen- thümlichen diätetischen Einflüsse, endlich die lange, der Kontu¬ maz unterliegende Gränze, ganz eigene Rücksichten fordern. Der hiedurch verursachte Mißstand erhellet aus dem Verhältnisse der ärztlichen Zahl gegen jene der Bevölkerung, da bei 50 tausend Bewohner auf einen Medic. Doctor und kaum 10 tausend auf einen Wundarzt entfallen, aber auch diese selten der Nationa¬ lität angehören, somit des Volkes Vertrauen schwer erwecken. Zur Regelung dieser Mißverhältnisse ist vor allem die Ein¬ richtung unerläßlich, daß die vollständige Aufhebung aller nie¬ der» chirurgischen Lehranstalten an Universitäten und an allen Lyceen, welche in neuester Zeit schon ausgesprochen wurde, mit¬ telst Einstellung jeder weitern Aufnahme von Studierenden in diesem Fache ohne Rücksicht festgehalten werde. Den Ersatz müssen neu aufzustellende, vollständige medicinisch - chirurgische Lehranstalten bringen, und zwar in mehreren Provinzen, was abgesehen von mehrfachen Gründen die Nationalität unerläßlich fordert. Durch die Errichtung der Provinzinstitute wird auch einer Ueberfüllung der medicinischen Kollegien an der Universität in 33 Wien behoben, wonach der sehr gedeihliche Zweck erlangt wird, daß nicht auf ähnliche Art, wie in den letzten Jahren, von 100 Schülern höchstens 20 nur mit Äug' und Ohr sich das Genü¬ gende aneignen. Salzburg, Gratz und Olmütz entbehren für nun noch am leichtesten diese Lehranstalt, da die erwähnten Verhältnisse sie am meisten begünstigen, eben durch nahe, leichte und schnelle Communication mit Wien, vor allem aber durch die gleiche Sprache. Hingegen ist in Klausenburg schon wegen der Volkszahl und beträchtlichen Entfernung von Pesth; im Küstenlande für Kroatien, Istrien und Dalmatien, am zweckmäßigsten in Fiume, dann in Semlin für Slavonien und die serbische Nation, end¬ lich in Laibach für die ausgedehnte slovenische Bevölkerung die Errichtung solcher Lehranstalten aus obigen Rücksichten strenge angezeigt. Diese hier etwas zahlreich beantragte Einsetzung von voll¬ ständigen medicinisch - chirurgischen Lehranstalten möge nicht be¬ fremden. Wenn die Zweckmäßigkeit nicht verkannt wird, lassen sich die Mittel, welche hierin den eigentlichen Anstoß gewöhn¬ lich bilden, auch finden. Durch die oben besprochene Aufhebung der niederen chirur¬ gischen Curse werden viele Mittel für den Ersatz schon erlangt. Es werde den bezüglichen Stadtgemeinden eröffnet, daß allda die Errichtung der erwähnten Anstalt zu Stande kommen soll, sobald sie die Sorge für die Localitäten auf sich nehmen und überdieß 6 Stipendien zu 100 fl. für Studierende begründen, deren Verleihung, wie natürlich, nur der Stadtgemeinde zuzukom¬ men hätte. Selbst der Ertrag eines beliebigen Stadtgefälles, wenn hiezu die Stadtgemeinde einwilliget, könnte als Beitrag für die Erhaltung der Universität eingeführt werden. Man bedarf zwar der Gefälle für so vielfache andere Zwecke. Allein cs dürfte wohl der Zweck dieser Bildung und Hilfsleistung 3 34 andern nicht nachstehen. Indessen man lasse hierin nur der Ge¬ meinde selbst ihren Willen. Für den ärztlichen Stand würde durch solche Einrichtungen Unermeßliches gewonnen in der Ausbreitung der geregelten Bil¬ dung, in der Bevorzugung derselben von Seite der Jugend, wel¬ che des Standes gesicherte Zukunft anziehen würde, endlich in dem großen Gewinn, den Staat und Menschheit in der Erstar¬ kung ihrer physischen Verhältnisse durch der Art Institute erlan¬ gen müßten. Man erwäge, daß der Grundsatz: es sey bei der großen Landbevölkerung nach dem gegenwärtigen Bildungsgrade der vielen Landwundärzte die durch sie erlangte theilweise Hilfe besser als gar keine—wenn nämlich vorausgesetzt werden wollte, daß ein Mangel an vollständig gebildeten Aerzten durch obige Regelung eintreten müßte—> nicht nur eine irrige Ansicht, sondern eine gewissenlose und anmaßende Voraussetzung bilde, wodurch die Behörden nur verleitet werden, das Wohl ihrer Bevölkerung allen Gefahren preis zu geben. Der Menschheit und dem Staate kann im ärztlichen Be¬ reiche nur die vollständige Aneignung der innig verbundenen wis¬ senschaftlichen Zweige eben aus Ursache des Erfordernisses ihrer Mitwirkung die gewünschte Beruhigung geben. Die Schule sey somit eine vollständige; jedoch vollständig seyen auch die Be¬ weise, welche der Schüler zu leisten hat, ehe Gesundheit und Le¬ ben des Volkes seinen Händen anvertraut werden. Zur Errei¬ chung dieses Zweckes werden vielfache Rücksichten gefordert. Die aristokratische Selbstgenügsamkeit des Lehrers, welcher Alles erklärt und Alles weiß und allbeherrschend seine streng sy¬ stematischen Grundsätze dem willigen Gemüthe des Schülers ein¬ prägt , schafft die folgereichsten Nachtheile in der Uebung dieser Wissenschaft durch die Jünger solcher Schule. Selbst ihre spä¬ tem Erfahrungen umhüllt der Trug, weil sie der Irrglaube leitet. Die praktische Wissenschaft bedarf keiner schroffen Systeme. Ihre Unendlichkeit läßt sich nicht in Formen zwingen, welche ver- 35 einzelte Anschauungsweise in der unbegränzten Naturkraft fin¬ den will. Eben so schlimm ist es, wenn das Gedächtniß statt dem geistigen Principe gepflegt und so viel möglich von bunten Wa¬ ren in seine Fächer gehäuft wird, um das freie Urtheil vom Ta¬ geslichte zu wahren. Insbesondere Pathologie und Pharmacologie, wobei all' der alterthümliche Unrath stets die zarten Blüthen der Wahrheit mit seiner Schwere bedrückt, werden in großen Bänden vorgetragen, deren wissenschaftstreuer Inhalt nicht die Hälfte nach der Entzie¬ hung der anerkannten Hypothesen bilden würde. Zn der Geschichte der Medicin, welche die vorzüg¬ lichsten Systeme der Vergangenheit in den Grundzeichnun¬ gen aufzufassen und strenge kritisch zu beleuchten hat, da ist der herrschende Zdeengang zu verfolgen, und zwar nicht bloß in Be¬ zug auf die Vergangenheit, sondern auch auf den bei den übri¬ gen gebildeten Nationen herrschenden Stand der Dinge, damit nicht etwa nachhinkende Lehren enthusiasmiren, welche, anders¬ wo schon durchgeprüft, fallen gelassen wurden, wie wir dieß in den neuesten Zeitereignissen öfter erfuhren. Die Lehrbücher haben nur das zu enthalten, was, auf tüch¬ tigem Grunde erbaut, die von der Gegenwart geforderte Lehre trägt. Sowie aus den Apotheken, den Materialbehelfen unserer Kunst, über die Hälfte der Stoffe gänzlich und für immer aus¬ zuscheiden wäre, ebenso müßte der Bereich der Theorie in unse¬ rer Wissenschaft in allen Zweigen eingeschränkt werden. Wir besitzen im Bereiche unseres Wissens schon so viel Posi¬ tives, daß man mit Beruhigung die Zweifel als solche, wo es Noch thut, hinstellen kann, die mißlungenen und abortirten Ge¬ burten aber der Beachtung nicht zu unterziehen bedarf. Die Wissenschaft will vor Allem Erkenntnis, der Wahrheit. Der Glaube ist für sie kein Anker des festen Anhaltes: Wo sie ihn wirft, muß der Boden gekannt seyn, um den Grad der Halt¬ barkeit zu beurtheilen. Wo des Schülers Auffassung nicht zur Ueberzeugung führt, kann sich kein wissenschaftlicher Beweis for- 3* 36 men, welcher die Schritte seines künftigen Wirkens in klaren Richtungen der speciellen und individuellen Forschung bezeichnet. Nur die mit Erfolg zurückgelegten philosophischen Studien, welche den vollständigen Lehrcurs der Naturwissenschaften einzu¬ schließen haben, können den Jüngling befähigen, die Wissenschaft der Medicin und Chirurgie, vereint mit allen Nebenzweigen, ge¬ hörig aufzufassen. Es muß eine Reihenfolge in der Aneignung dieser Fächer festgesetzt seyn, damit der Fortschritt stufenweise erfolge. Ebenso müssen bestimmte Zeitperioden für jedes Fach be¬ messen werden, da Ordnung und Ausdehnung der materiellen Zeit zur Verwendung einen bestimmten Umkreis heischen und hierin die größere Eignung des Schülers nicht beirren kann, welcher deshalb keinen Moment einer höher» Ausbildungsgelegenheit ver¬ liert. Der Schüler muß für jedes Fach einen Beweis geben, ob und wie er den Lehrgegenstand sich angeeignet hat, da ohne sol¬ chen Beweis der jugendlichen Willkür und Oberflächlichkeit zu weite Schranken belassen blieben. Wie dieses nothwendige Mit¬ tel doch einen bestimmten Beleg liefern kann, wird später ange¬ geben werden. *) Die Bildung werde nur in der Muttersprache beigebracht. Man hat in dieser Wissenschaft schon hinreichende Kämpfe zur Aneignung des klaren Verständnisses, ohne noch jenen der frem¬ den Sprachen aufzunehmen. Da jedoch der Arzt im obligaten Curse der lateinischen Spra¬ che sich die erforderliche Kenntnis erworben hat, so ist es nicht nothwendig, die Recepte in der Muttersprache zu schreiben, ob¬ schon auch dieß keinem erheblichen Anstande unterliegten würde. Die Vorlesungen sollen in folgender Reihenordnung gestellt werden. ') Es ist mir recht gut bekannt, wie ein solcher Zwang in neuester Zeit angeseindet wurde. Diest mag für alle übrigen Studien gelten, wo Staatsprüfungen zur Auf¬ nahme in das öffentliche Leben gefordert werben, und wo die Handlungen des Ein¬ zelnen die Eignung leicht offenbaren. Die Beurtheilung des ärztlichen Wirkens kann aber solchem Maßstabe nicht unterliegen und gehört nur der Wissenschaft an. 37 I. Jahrgang. Einleitung in das Studium der Medicin, vorzutragen in 24 Vorlesungen von dem Professor der Staatssanitätspflege. Der Gegenstand bildet die Darstellung der Eignungen und Anforderungen dieses Standes, der Beziehungen zum privaten und öffentlichen Leben in den verschiedenen Stellungen und La¬ gen des ärztlichen Wirkens, der Schwierigkeiten und Verant¬ wortungen, der Entbehrungen und Opfer desselben, endlich auch der Vortheile, welche dessen umfassende, philanthropische, staat¬ liche und wissenschaftliche Tendenzen bedingen. Die Anatomie, mit Seccierübung en, werde durch den ganzen Jahrgang bis zur Beendigung in der Art fortgesetzt, daß außer den Feiertagen im ersten Semester täglich 3 Stunden, im zweiten Semester aber zwei Stunden hiezu verwendet werden. Es bedarf keines Ferialtages an Samstagen. Schüler und Lehrer werden nicht zu sehr angestrengt. Im zweiten Semester werde die höhere und die vergleichende Anatomie durch 2 Stunden täglich gelehrt. Diese Gegenstände sind von 2 Professoren mit Zuhilfnahme ihrer Assistenten, welche die täglichen Uebungen zu leiten haben, vorzutragen. II. Jahrgang. Physiologie, Pathologie und Pharmacologie mit täglichen 3 Stunden durch das ganze Jahr. Im Sommersemester pharmaceutische Chemie, praktische Uebungen und Receptirkunde durch 1 Stunde täglich. Die allgemeine Chemie gehört zu den naturwissenschaftlichen Gegenständen, welche der Curs der philosophischen Studien ein¬ nimmt. III. Jahrgang. Geschichte der Medicin durch den ganzen Jahrgang mit 1 Stunde im Tage. Dann im ersten Semester Psychologie und im 2. Diätetik, wie auch Theorie der Geburtshilfe. Die Wichtigkeit der psychologischen Studien im Wirkungs¬ bereiche des Arztes ist unermeßlich. Wie sie bisher solcher Ver¬ nachlässigungen überlassen werden konnte, ist nicht zu erklären, 38 da doch die sich stets mehrenden psychischen Uebel eine große Reihe der menschlichen Leiden bilden, aller Forschung und alles Mitleides würdig. Auch ist der Arzt der treueste Seelenrichter. Eine ebenso wichtige Aufgabe bildet die Diätetik. Eine Unzahl von Krankheiten entsteht aus den einfachsten Mißgriffen in dem gewöhnlichen Leben und in den verschiedenen Beschäftigungen und Versäumnissen der Menschen. Es müssen diese nicht bloß dargestellt, sondern auch die Hilfsmittel zu deren Behebung erörtert und angegeben werden. Dieses Feld, welches auch das Armenwesen einschließt, fällt nur dem ärztlichen Fache anheim. Daß kein Rechtszustand die Armuth beschränken, und eben so wenig ein politischer diesen furchtbaren Feind der menschlichen Gesellschaft in seinem riesigen Fortschritte, wie man es zum Hohne der Menschlichkeit sagen muß, zurückhalten könne, beweist alle Vergangenheit und insbesondere die der neuen Zeit. Der Arzt ist der natürliche Tribun der Armen. Er wird nicht ihre Rechte, aber wohl ihre Noth und die Folgen derselben als Gegenstand der öffentlichen Behandlung durchzuführen wissen. Im Sommersemester sind die Krankheiten der Hausthiere mit Besuch des Lhierspitals zu lehren. IV. Jahrgang. Umfaßt die practischen Fächer in solcher Art, daß täglich, durch 3 Stunden, nämlich I Stunde specielle Theorie und 2 Stunden am Krankenbette verwendet werden, nebstbei fordert 1 Stunde die chirurgische Klinik, so daß der Schüler im Lage durch 4 Stunden zum Studium angehalten werde. Im Som- mercurse ist die Operatwnslehre und Akiurgie vorzutragen, die Uebungen der Schüler durch die Assistenten zu leiten. V. Jahrgang. Fortsetzung obiger medicinischer Fächer durch 2 Stunden im Tage, dann täglich eine Stunde vollständige Staatssanitäts¬ pflege und eine für das gerichtsärztliche Studium mit Sectionen. Im Sommercurse ist noch eine Stunde täglich dem Sani- täts-Geschäftsstyle zu widmen. 39 VI. Jahrgang. Pathologische Anatomie, die Kliniken in den Irrenanstal¬ ten, dann die Besuche der Anstalten für Augenheilkunde und Ge¬ burtshilfe sind als förmliche Lehrcurse zu vollenden, wonach das lentamen ri^oiosum folgt. Dieses hätte in 2 Abtheilungen zu bestehen. Die Prüfungen, sowohl einzeln nach jedem beendeten Lehr¬ gegenstande, als auch die Rigorosen, sollten nur schriftlich voll¬ zogen werden. Bei den Jahresprüfungen genügen 2 Professoren und der Director. Die Prüfungen sind nach der Zahl der Schüler in mehreren Abtheilungen derselben mit stets erneuerten Fragen vor¬ zunehmen, so daß etwa die ganze Schule, in 3 Abtheilungen ge- theilt, 9 Fragen zu beantworten hätte, und jede Abtheilung durch I Stunde, somit das ganze in 3 Stunden beendet werde, wonach über die schriftlichen Operate die beiden Professoren ihr kurzes Urtheil und der Director die Entscheidung durch Beitritt zu einem derselben zu fällen hätte, oder falls derselbe sich nicht vereinen könnte, zwei andere Professoren zur Beurtheilung der zweifel¬ haften Operate zuzuziehen sind, um sonach gemäß Stimmenmehr¬ heit abzuurtheilen. Bei den Rigorosen wäre wie bei den gegen¬ wärtigen Concursen zu verfahren, wobei immer mehrere zugleich geprüft werden können. Für jede Frage über jedes Fach wäre jedoch nur eine halbe Stunde zu gestatten, 2 Professoren mü߬ ten durch eine Stunde abwechselnd bei der Prüfung zugegen seyn. Am folgenden Lage treten die Professoren zusammen und erthei- len im Protocollwege, gemäß Vortrag des Decans als Referen¬ ten, die Calculnote. Die Note der Suspension, mit Zuweisung der Frequentation bestimmter Lehrgegenstände, hätte Gesetzes¬ kraft, wenn 3 Professoren für sie stimmen. Für die Note der Rejection müßten aber wenigstens 5 Stimmen anzunehmen seyn. Zu den Rigorosen ist außer den Professoren, dem Decan und dem Director, der Landesprotomedicus zuzuziehen. Ist Letz¬ terer zugleich Director, so ist der Kreisphysiker zu berufen. 40 Entspricht der Eandidat, so folge gleich darnach die Eides¬ ablegung und die Promotion. Durch die schriftlichen Prüfungen wird bezweckt, daß der die mündliche Oeffentlichkeit scheuende, der Fassung nicht selten beraubte Jüngling sich freier bewege. Den bescheidenen jungen Mann beschleicht bei solchen mündlichen Prüfungen nicht selten eine Befangenheit, welche ihn ganz verwirrt. Andererseits kön¬ nen bei schriftlichen Prüfungen auch die Weisungen des Lehrers keinen Anhalt geben, dem Schüler die Antwort förmlich in den Mund zu legen, was nicht selten Statt findet. Auffassung, Erkenntniß und Beurtheilung, sowie Darstel¬ lungsgabe und Talent überhaupt werden auf diese Weise am be¬ sten bezeugt. Gegen die schriftlichen Prüfungen ist auch jüngsthin man¬ ches eingewendet worden. Die Vortheile sind aber zu erheblich, als daß sie durch die zu befürchtenden Nachthcile hintangesetzt werden sollten. Eine strenge Aufsicht durch die stets gegenwärtigen Professo¬ ren sichert vor jeder Bevortheilung von Seite der Schüler, und die für die Prüfung bestimmte Zeit erlaubt keine Weitwendig- kciten. Was den mündlichen Vortrag betrifft, so wird auch dieser, thcils durch die Darstellung bei den praktischen Gegenständen, theils aber durch die Vorprüfungen während des Schulsemesters nachgewiesen, wovon Resultate in den Schulcatalogen aufzu- zeichnen sind. Bei allen Prüfungen muß volle Strenge gelten. Der man¬ gelhaft Gebildete wird durch ein geringes Opfer leicht das Ent¬ gangene nachholen. Was aber die Menschen durch die leichtfer¬ tige Ausstellung eines Diplomes verlieren, ist unwiederbringlich. Für die strengen Prüfungen sollen die Taxgebühren nicht aufgehoben werden, weil sie der Schüler, besonders nach obigem Anträge, wo mehrere zugleich geprüft werden, unschwer aufbringt, der Lehrer aber durch dieses Entgelt doch einige Anziehung für das widrige Prüfungsgeschäft erlangt. 41 Ein der Art geprüfter und anerkannter Arzt erhalte nun das Diplom als Doctor der gesammten Heilkunde. — Vernünf¬ tigerweise kann es keinen anderen geben. Der Stand der Geburtshilfe für Hebamme nist den An¬ forderungen nicht angemessen : in Bezug auf den ihnen bemesse¬ nen Wirkungskreis ebenso wenig, als in Hinsicht ihrer Ausbil¬ dung. Die erstere Richtung gelangt später zur Verhandlung. In anderer Rücksicht muß man aber anerkennen, daß ihre Bildungs¬ zeit von nur 1 Monaten zu beschränkt sey. Die rohen Land¬ weiber, oft kaum des Lesens kundig, können in dieser Lehrzeit sich unmöglich das Erforderliche aneignen, sehen auch in der Re¬ gel zu wenige Geburten, um ihr Fach in der Mannigfaltigkeit der Vorkommnisse gehörig zu begreifen. Sie sollen mindestens einen ganzen Jahrcurs für ihre Aus¬ bildung verwenden, wobei im Beginne auf die Diätetik besondere Rücksicht zu leiten wäre, und ein ganzer Semester in der Gcbär- anstalt zugebracht werden müßte. Das Studium der Pharmacie endlich wird nach den oben gegebenen Lehrplänen Weniges zu seiner Vervollständigung brauchen. Es bedarf keiner pharmaceutischen Lehrjungen. Diese alte Gewerbsmethode verdient keine Rücksicht. Hat der Jüngling die Lehrcurse der Naturwissenschaften sich angeeignet, so tritt er als Gehilfe in die öffentliche Apotheke, wo er durch drei Jahre den practischen Geschäften sich widmet. Nach dieser Zeit sey er verpflichtet, die pharmaceutische Chemie sammt der Receptir- kunde mit den Mcdicinern zu hören. Sonach vollziehe er die strenge Prüfung nach obigen Grundsätzen, und ihm sey nach der Anerkennung seiner Befähigung das Diplom eines Pharmaceu- ten mit freiem Rechte der Ausübung seines Standes zu erthcilen. Sein Recht ist hierdurch ein wissenschaftliches geworden und in keiner Wissenschaft soll die freie Concurrenz gehemmt seyn — sobald die vollständige Eignung nachgewiesen ist. Hat der Befähigte die Mittel zur Errichtung einer vor¬ schriftgemäßen Apotheke, so ist er allen Anforderungen nachge- 42 kommen, welche der Staat an ihn stellen kann — und die freie Concurrenz kann hierin nur Vortheile der Bevölkerung zuführen. Außer dem ordentlichen Lehrpersonale und den ihnen unter¬ geordneten Assistenten — deren Anstellungen ganz folgerecht nur auf den Zeitraum von längstens 4 Jahren zu bemessen sind — da sie während derselben durch gehörige Eignungen eine An¬ stellung leicht erlangen, im entgegengesetzten Falle aber ihnen auch keine weitere öffentliche Rücksicht zukömmt, sollen bei dem Lehrfache die nun üblichen besondern Docentenstellen bestehen. Die Assistenten selbst, welche für alle Lehrkanzeln und für die practischen auch zu zwei anzustellen wären, sind zu den außer¬ ordentlichen Vorlesungen und Uebungen am Zweckdienlichsten zu berufen, wonach auch ihnen das Recht ertheilt werde, solche außerordentliche Lehrgegenstände gegen beschränktes Entgelt zu halten. — SaniMspersonalstand, seine Rechte un- Pstichten. Die Doctoren der Arznei - und Wundarzneikunde — ohne Unterschied, ob bedienstet oder frei — können außer Wien —> wo nur die dort Graduirten und nach neuester Verfügung auch die in Prag Promovirten dieses Vorrecht genießen — im gan¬ zen Staate die freie Praxis üben, sobald sie in einer inländi¬ schen Universität den Doctorgrad erlangten. Sie haben zu die¬ sem Ende an jenes Kreisamt, Comitat oder Magistrat, in des¬ sen Bereiche sie sich niederlassen, nur die Anzeige mit Vorlage ihres Diplomes zu machen. Unter derselben Bedingung können Doctoren und Magistri der Chirurgie die wundärztliche Be¬ handlung mit gleicher Freiheit üben. Die einfachen Wundärzte, welche kationi 6üiil'ur^iao sind, so wie die Hebammen, müs¬ sen hiezu eigene Bewilligungen von den politischen Stellen er¬ halten. Bei den Patronen der Chirurgie, welche ihre Real - oder Personalgerechtsame — nämlich verkäuflich bleibende — oder nur persönlich ertheilte Rechte zur Errichtung und Haltung chi- 43 rurgischer Officinen üben, treten die gewöhnlichen Gewerbsver¬ leihungsnormen ein, vermög welchen in Recursfällen die Lan¬ desstelle zu entscheiden hat. Doch dürfen auch in solchen Fällen keine besondern Schwierigkeiten der Niederlassung entgegenge¬ stellt werden. In der Regel aber verliert der Patr. Chir. das Recht der wundärztlichen Praxis, sobald er seine Realgerecht¬ same verkauft. — Der Pharmaceut ist zur selbstständigen Uebung seiner Kunst nur durch die Erlangung des Gewerbsrechtes mittels Ankaufs einer schon bestehenden öffentlichen Apotheke, oder ge¬ mäß Erlangung einer Personalgerechtsame — deren Nothwen- digkeit jedoch nur die Behörden hervorzurufen ha¬ ben, befähiget. Hiebei wird das Verleihungsrecht nur im Con- curswege entschieden. Die Sanitätsindividuen unterliegen in ihrer Kunstsphäre der Aufsicht der politischen Behörden durch die diesen beigege¬ benen ärztlichen Organe — insofern ihren Bereich Staatsvcr- pflichtungen umkreisen, deren Erfüllung überhaupt die öffent¬ liche Ueberwachung fordert. Die bestehenden speciellen Instructionen und Normalvor¬ schriften für die verschiedenen Cathegorien des Sanitätspersonals enthalten diese Verpflichtungen nur in Bezug auf allgemeine Leistungen bei Anforderungen, welche vom Publikum oder von den Behörden an dasselbe gestellt werden. Das bürgerliche Gesetzbuch und das Strafgesetzbuch bindet die Sanitätsindividuen an Pflichten in der Uebung ihrer Wis¬ senschaft, deren Überschreitung in gewissen Beziehungen, auch ohne übler Absicht, als schwere Polizeiübertretung >— und nach Umständen selbst als Verbrechen angesehen wird. Als Staats¬ bürger sind sie den Gesetzen des Gemeindeverbandes unterworfen. Von den Pflichten des Sanitätspersonals wird gar Vieles erwähnt und darauf auch festgehalten. Seine Rechte aber sind auf allzu schwankenden Boden gestellt. Diese geben ihm die Freiheit, durch die Kunst und das Zutrauen zu ihr dem Erwerbe nachzugehen. Die Standesstellung und die Erwerbrechte unter- 44 liegen jedoch, wie später gezeigt wird, Anstößen, welche meist zu seinem Nachtheile wirken. Die Freiheit der Praxis für die Doctoren der Medicin und der Chirurgie tritt in Oesterreich ein, sobald die strengen Prü¬ fungen mit Erfolg bestanden und der Promotions-Eid abgelegt ist. Auch die einfachen Chirurgen und Hebammen werden förm¬ lich beeidet. Nebstdem müssen die Doctoren mündlich bei dem Eidesacte und abgesondert auch schriftlich die Versicherung geben, daß sie keiner geheimen Gesellschaft angehören, und falls sie derselben theilhaft wären, sich sogleich von ihr trennen würden, auch in Zukunft einer solchen nie angehören wollen. — Medicin - Doc¬ toren des Auslandes müssen sich dem zweijährigen practischen Lehr- curse und den vorgeschriebenen strengen Prüfungen unterziehen. Medicin - Doctoren, welche im Jnlande außer Wien pro- movirten, müssen die zweite strenge Prüfung in Wien wieder¬ holen , falls sie daselbst die Praxis ausüben wollen. Jene, welche noch einen zweiten academischen Grad zu er¬ langen wünschen, müssen sich dem bezüglichen Lehrcurse und der strengen Prüfung unterziehen. Für alle diese strengen Prüfun¬ gen sind nicht unbeträchtliche Taxen zu entrichten, doch werden in Oesterreich die ordentlichen Vorlesungen von dem Schüler nie honorirt und die nicht armen Studierenden haben nur ein mä¬ ßiges Schulgeld für jeden Semester einzuzahlen. Für die Erlangung der freien Praxis in Wien ist über- dieß die Einverleibung in die Facultät unerläßlich. Diese ist den Medicin - oder Chirurgie - Doctoren zugängig, sobald sie die hiefür bestimmte Taxe von 209 fl. — wenigstens in 4 halb¬ jährigen Raten erlegen. Hievon sind selbst Professoren nicht aus¬ genommen , wohl aber die in Garnison stehenden Militärärzte, insofern sie Doctoren der Medicin und Chirurgie sind. Auch die Doctores der Chemie, deren Grad nur in Wien und Prag erlangt werden kann, werden als Mitglieder der Fa¬ cultät einverleibt, doch sind dieselben eben so wenig als die Professoren, dann die Doctoren der Chirurgie für die Facultäts- 45 würden, als Universitäts-Rector, Procurator, Decan, No¬ tar, oder Stiftungs-Superintendent — wählbar. — Die medicinische Facultät an den Universitäten ist eine Körperschaft, welche ihre eigenen Privilegien und Rechte genießt. Ihr Wirkungskreis bezieht sich jedoch nur in so fern auf den Staatsverband und auf die Rechte der Aerzte, als ihr eine Art Ueberwachung und Begutachtung im Vollzüge bestehender Ge¬ setze zugestanden wird und sie durch Privateinverständniffe und Verpflichtungen ihrer Glieder Interessen und Vortheile erlangt, welche meist durch die Witwen-Societät, wofür mittels beson- dern Laxentrichtungen ein eigner Fond gestiftet ist, ins Leben treten. Sie wird als ein wissenschaftliches Forum zur Ertheilung ihrer Gutachten von den Behörden benützt, ohne daß ihre Schlu߬ fassungen eine executive Macht zu bedingen hätten, wodurch die Behörden etwa verpflichtet blieben, ihren Ausspruch gesetzmäßig anzuerkennen, außer in einigen wenigen, von den Gesetzen eigens beanzeigten Fällen. Zur Aufnahme in die Facultät ist eine zweite Sponsion vorgeschrieben, in welcher der Schlußsatz also lautet: Lponllebi«: 40. (juoi>8 pniu8 äsbils kusrit-sall-lläeUim. Auch dieser letzte Satz , zwar durch ein altes, allgemeines Gesetz begründet, findet keine Anwendung, da er durch das Be¬ stehen entgegengesetzter Vorschriften gänzlich gelähmt wurde, welche jeden Arzt zur Hilfsleistung in jedem Falle, wo er gerufen wird, verpflichten. An Lyceen, wo nur der sogenannte kleine chirurgische Curs besteht, wo nämlich nur das Patronat der Chirurgie erlangt wird, da ist die Facultät nur dem Namen nach bekannt, ob¬ schon sie vorschriftgemäß Bestand hat, denn laut derProtome- dicats - Instruction ist der Protomedicus der Provinz gleichzei¬ tig Facultätspräses und Director der Lehranstalt. 46 Da aber in solchen Provinzialhauptstädten außer den Pro¬ fessoren und den angestellten Aerzten wohl nur selten andere ärzt¬ liche Glieder vorkommen — so ist es zum Gebrauche geworden, daß man die Facultät beinahe immer nur unter die Cathego- rie der Direktion aufnimmt. Selbst die Gerichtsbehörden, welche für Superrevisionen der ärztlichen Gutachten vorschriftgemäß sich an die Facultät zu wenden hätten, lassen diese bei der Direktion oder auch bei dem Landes - Protomedicus entfertigen, weil es denselben nach der allgemeinen Gerichtsnorm zusteht, ihre Kunst¬ verständigen selbst zu bestimmen und eine solche Einvernehmung, wenn sie die Ueberzeugung der Gerichte nicht für sich hätte, sie zum Urtheile noch gar nicht verpflichtet, ihnen auch noch den Weg frei läßt, später die Facultät in Wien zu berathen. Die Rechte des Sanitätspersonals sind eigentlich natürliche Folgerungen erworbener Eigenschaften, nicht aber besondere, dem Stande zuerkannte Bevorzugungen, deren sie sich als Standes- glieder in persönlicher oder staatsbürgerlicher Hinsicht zu erfreuen hätten, wenn etwa die Befreiung von der Entrichtung einer Er¬ werbsteuer und von der Militärstellung nicht als solche Bortheile erkannt werden, welche jedoch auch andere Stände genießen, ob¬ schon ihre Einnahmsquellen bestimmtere Zuflüsse nachweisen. Die Doctoren der Medicin können bei den Kreisämtern und bei den Landesstellen im Sanitätsbureau unter unmittelba¬ rer Aufsicht des Kreisarztes oder des Landesprotomedicus die Amtspraxis nehmen. Ihre Zulassung steht aber in der Gewalt der Länderchefs. Diese Praxis wird ihnen als Staatsdienst an¬ gerechnet, wenn sie wenigstens durch ein Zahr auch Secundär- ärzte in allgemeinen Krankenhäusern waren — und sodann un¬ mittelbar in einen öffentlichen Dienst treten. Der Chirurg jeden Grades begeht eine — wie man sich auszudrücken pflegt — Gewerbsstörung, wenn er innerliche Eu¬ ren vollzieht, wo ein Medicinä - Doctor sich befindet. Derselben Übertretung macht sich letzterer schuldig, wenn er chirurgische Praxis übt. 47 Zeder Arzt, ohne Unterschied des Grades, ist verpflichtet, jedem Rufe des Kranken zu folgen, um für seine Heilung zu sorgen. Er muß sich ferner bei Volkskrankheiten verwenden las¬ sen, die von den Behörden ihm zugewiesenen Verrichtungen ent- fertigen, auch wider seinen Willen den Gerichtsbehörden als Kunstverständiger dienen, Zeugnisse, Gutachten, Krankenge¬ schichten , Sanitätsrapporte erstatten und im Bereiche der medi- cinischen Polizei bei so manch' anderen Geschäften sich in die An¬ ordnungen der Behörden fügen — und für alles dieß wird im Orte seines Aufenthaltes auch nicht die geringste Entgeltung gebracht. Doch folgt ihm auf jedem Schritt nicht nur die öffentliche Ver¬ antwortung — sondern auch der schwankende Volksglaube, der über sem Geschick entscheidet. — Doch auf diese Verhältnisse beziehen sich im empfindlichsten Theile die waltenden Gesetze. Der §. 111 des österr. Strafgesetzbuches II. Theil bestimmt: »Einem Heilarzte, der nach dem Erkenntnisse der Facultät bei Behandlung eines Kranken solche Fehler begangen hat, woraus Unwissenheit am Tage liegt, ist, dafern der Kranke gestorben, oder in den /Stand einer Siechheit und Erwerbsunfähigkeit ver¬ setzt worden, die Praxis so lange zu untersagen, bis er in einer nenen Prüfung bei der Facultät dargethan hat, die ihm man¬ gelnden Kenntnisse nachgeholt zu haben.» Der §. 112 dieses Gesetzbuches bestimmt für die Chirur¬ gen das gleiche Verfahren. Der §. 113 desselben Gesetzbuches sagt: Wenn ein Heil - oder Wundarzt einen Kranken übernom¬ men hat, und nach der Hand denselben zum wirklichen Nach¬ theile seiner Gesundheit wesentlich vernachlässiget zu haben überführt werden kann, so ist ihm eine Geldstrafe von 50 bis 260 fl. C. M. aufzulegen. Der §. 98 obigen Gesetzbuches sagt andererseits : Wer, ohne nach der gesetzlichen Vorschrift dazu berechtigt zu seyn, sich mit Behandlung der Kranken als Arzt oder Chirurgus bemenget, und daraus ein Gewerbe macht, soll mit Arrest nach Länge 48 der Zeit, in welcher er dieses unerlaubte Geschäft getrieben, und des Schadens, den er dadurch zugefugt hat, mit strengstem Ar¬ rest von einem bis zu sechs Monaten bestraft werden. Ferner sagt der §. 129: Wer die Zeit, da Jemand gestorben ist, unrichtig angibt, und dadurch veranlaßt, daß der Verstorbene vor der gesetzlichen Zeit begraben oder zergliedert wird, soll mit strengem Arreste von I bis 6 Monaten bestraft werden. Hinsichtlich der Apotheker enthält dieses St. Gesetzbuch folgende Bestimmungen: §. 109. Außer den Berechtigten, wie auch den Hausapo¬ theken der beglaubigten Heil - und Wundärzte auf dem Lande (nämlich wo in der Entfernung von einer Stunde keine Apo¬ theke besteht) ist der Verkauf eines jeden innerlichen oder äußer¬ lichen Heilmittels, unter was immer für einer Gestalt oder Be¬ nennung, ohne von der Behörde ertheilte besonderen Bewilli¬ gung, verboten. Der Uebertreter ist von 1 bis 3 Monaten Arrest, und bei längerer Verkaufsübung oder schädlichen Folgen selbst mit strengem Arreste bis 6 Monaten zu bestrafen. 104. Wenn eine Arznei falsch, wenn solche aus Ma¬ terialien, die ihre Arzneikraft bereits verloren haben, verfertiget, in einem unreinen, der Gesundheit wegen seiner Bestandteile oder wegen andern vorausgegangenen Mischungen nachtheiligen Gefäße verarbeitet oder verwahrt wird, ist der Apothekerge¬ selle, oder der Eigenthümer, oder der Provisor, in so ferne einem oder dem andern an den letztem Mangel der gehörigen Auf¬ sicht zur Last gelegt werden kann, straffällig. §. 100. Der Verkauf verbotener Arzneimittel ist sowohl an dem Eigenthümer, an dem Provisor der Apotheke, als an dem Gesellen (Subject) zu bestrafen. Hat der Eigenthümer nichts davon gewußt, daß ihm also nur Mangel der schuldi¬ gen Aufsicht zur Last fällt, so ist derselbe zu einer Strafe von 25 bis 50 fl., und in Wiederholungsfällen noch schwerer und bis zum Verluste des Gewerbrechtes zu verurtheilen. 108. Wenn in der Apotheke Arzneien verwechselt oder unrichtig auSgegeben werden, ist derjenige, welcher sie ausgege- 49 den hat, mit Arrest von einer Woche, bei Wiederholung noch strenger zu bestrafen. Nach dem oster, bürgerlichen Gesetz buche, §. 879, ist ein Ver¬ trag ungültig, wobei ein Arzt sich von dem Kranken eine be¬ stimmte Belohnung für die Uebernahme einer Cur bedingt. Nach den 1162 und 1163 wird bestimmt, daß ein Lohn¬ vertrag über Arbeiten, bei denen auf die besondere Geschicklich¬ keit einer Person Rücksicht genommen zu werden pflegt, durch den Tod des Arbeiters aufgehoben wird, und den Erben dessel¬ ben es nur zustehe, einen angemessenen Theil des Lohnes für geleistete Arbeit zu fordern, daß sonach dieses auch bei Aerzten und Wundärzten Geltung habe, welche sich für ihre Bemühungen eine Bestallung oder Belohnung ausdrücklich oder stillschweigend bedungen haben, insoferne hierüber keine besonderen Vorschriften bestehen. Wegen verweigertem oder verzögertem Arztlohn soll von Seite der Gerichtsstellen den Aerzten schleuniger Beistand gelei¬ stet werden. Die Aerzte sind bei Concursen mit ihren Forderungen für ein Jahr in die erste Classe der Guthaber zu setzen. Dagegen können die Adnotationen der Aerzte über ihre Vi¬ siten nicht als Handelsbücher, somit nicht als halbeBeweise augesehen werden. Auch die nicht angestellten Aerzte genießen bei öffentlichen Com¬ missionen außer dem Wohnort Kostenentschädigungen und Diäten¬ gebühren und zwar nach der 19. Classe zu 3 fl.12 kr.; Doctoren und Magistri der Chirurgie nach der 11. Classe, und nach der 12. Cl. 1 fl. 36 kr. die einfachen Chirurgen und Apotheker. Das gesammte Sanitätspersonale hat sich ferner nach den¬ jenigen Vorschriften zu benehmen, welche außer den Instructionen abgesondert in den einzelnen Sanitäts-Verrichtungen als all¬ gemeine Vorschriften erlassen wurden und später noch berührt werden. 4 50 C r i t i k. Die Anforderungen an das Sanitätspersonale sind hoch¬ gespannt, ja die Lasten , welche beinahe jeder Einzelne trägt — wenn auch nur die Armenpraxis ohne alle übrigen Leistungen berücksichtiget wird — sind unverhältnißmäßig gegen die zuge¬ wiesenen Vortheile. In der Vorzeit, wo der dichte mysteriöse Schleier alles ärztliche Wirken verhüllte, da heiligte das Volk selbst mit über¬ schwenglicher Anerkennung des Arztes Mühen. Nun rächt den Trug die alte Nemesis. Die Strafe hat aber schon beinahe die Extreme erreicht und sie wird auf das Volk übergehen, welches im Irrglauben die Wege der Mitte verlassen. Der Staat soll zum eigenen Frommen die Rechte des ärzt¬ lichen Standes wenigstens nach Grundsätzen der Billigkeit an¬ erkennen und regeln. Des Arztes bildungsreichste Sphäre, sein erfolgvolles Wirken, im praktischen Leben nachweisbar, sein aufklärendes Streben, seine Humanität in der steten Umgebung des Elen¬ des , dienen treu dem Staate und dem Volke. In der Hilfe sei¬ nes Nächsten steht er oben an, und sein Auge, in die Tiefen der Natur gerichtet, erforscht die Wahrheit oft, wo der Trug im Leben sie Andern verhüllt. Und dennoch ist seine gegenwärtige Standesstellung und sein Verdienst auf einer Stufe, wo seine Existenz nur schwan¬ kend erscheint. Sein Privatverdienst reicht in den gewöhnlichen Fällen nicht hin, die Bedürfnisse seiner Familie zu decken. Die Besoldung seiner Anstellungen wird überall wegen dem vermeint¬ lichen Privatverdienst sehr enge bemessen und die Privaten re¬ den sich auf den öffentlichen Verdienst aus. Ich kenne gar viele Aerzte, wo ein solcher Oireulu« vitiosu« nur zum Kummer und zu Entbehrungen des nicht wenig beschäftigten Arztes führt. Ihm kann nicht einmal des Alters Ruhe werden, denn er tritt nach seinem langen Studium erst spät in den öffentlichen Dienst, wo er nur sehr selten die volle Pension erreicht. —Ohne hier einer wei¬ teren Beurtheilung die Unzukömmlichkeiten zu unterziehen, welche 51 die verschiedenen Grade der Sanitätsindividuen durch fortwäh¬ rende Uebergriffe in den Standesberechtigungen herbeiführen, wird sich nur auf das dießfalls schon Erwähnte berufen, wo¬ nach diese Unstatthaftigkeit zum Nachthcile des Staates und der leidenden Menschheit unwiderlegbar sich darstellt. Die Zerrissenheit des ärztlichen Wirkungskreises durch theil- weise Aneignungen einer nur in ihrer Vollständigkeit die Wis¬ senschaft ehrenden Hilfsleistung ist ein Makel, welcher auf der gegenwärtigen Bildungsstufe Wahrheit und Wissenschaft ent¬ würdiget und uns die Scham des Bekenntnisses auferlegt, nich¬ tigen und niedrigen Einwendungen eine Wesenheit zugestanden zu haben. Entehrend aber für den Stand muß die Verbindung der chirurgischen Befähigung mit der Führung der sogenannten chirurgischen Officin erklärt werden. Ein Gesetz, welches diese, den Slandeswerth verletzende Einrichtung beheben würde, kann aber nicht zurückwirken und ertheilte Rechte vernichten, ja die ausübenden Chirurgen treten der Behebung dieses Rechtes, welches einen mächtigen materiel¬ len Anhalt bietet, jeder Reform dieser Art entgegen. Eine Gewerbsrecht-Ablösung ist nicht statthaft, da hiezu eigene Mittel nicht vorhanden sind und öffentliche Opfer die߬ falls nicht gefordert werden können. Es gibt andere Wege, den Zweck allmälich und sicher zu erreichen. Sind die Aerzte einmal vollständig ausgebildet und die spä¬ ter besprochenen Stellen der Gemeindeärzte organisirt, so wird der Mißgriff in sich selbst gelähmt. Die Gemeindearztesstellen sollen nur an solche Aerzte auch auf dem Lande verliehen wer¬ den und der Wirkungskreis der Chirurgen in der eigentlich ärzt¬ lichen Sphäre hört auf. Er zieht sich als Besitzer der Rasier¬ stube immer auf diesen Verdienst und auf seine chirurgischen Verrichtungen zurück. Die neu creirten Aerzte werden nicht in die Babierstuben einziehen, und diese Gewerbe werden allmälich an Individuen veräußert, welche dem Stande gar nicht anzu¬ gehören haben und höchstens die Beschäftigung eines Kranken¬ wärters und Egelsetzers auf sich nehmen können. 4" 52 Die Bevorzugung, welche Wien in dem ausschließlichen Rechte der freien Praxis von Seite der nur in Wien graduir- ten Aerzte genießt, ist ein kaiserliches Privilegium, dessen Bestand schon durch die erfolgte Gestattung des Rechtes an die Prager Doctoren behoben wurde. Ein solcher Vorzug kann auch durch keinen eigentlichen Rechtstitel begründet werden, da die übrigen Universitäten, nach derselben Norm eingerichtet, auch ganz den¬ selben Bedingungen unterliegen, und dem gleichen Studienplane nachleben. Eine Art rechtlicher Entgegenstellung wäre dadurch zu be¬ wirken, daß an den übrigen Universitäten dieselben Normen für die Wiener-Aerzte eingeführt würden, wenn diese in den betreffen¬ den Provinzen sich niederlassen. In einigen Staaten Deutschlands sind die Staatsprüfun¬ gen vorgeschrieben, wenn der gänzlich an der Universität absol- virte und creirte Doctor die freie Praxis antreten will. Doch dieß weiset nur die Anerkennung der Unvollständigkeit des prak¬ tischen Lehrcurses in den Universitäten nach, und bethätigt einen empfindlichen Eingriff in die Rechte einer vollständigen Lehr¬ anstalt <— wie die Universität es doch wohl seyn sollte; weß- halb aber auch Orte, wo ein vollständiger practischer Lehrcurs nicht durchgeführt werden kann, zum Sitze solcher Anstalten nicht gewählt werden sollten, da es keineswegs nothwendig ist, daß jeder kleine Staat für sich eine solche besitze. Eigene Prüfungen in der Richtung der Pflichterfüllung bei anzutretenden Sanitätsbedienstungen sind dort auch ganz über- flüßig, wo die vollständige Staatssanitätspflege den Bereich des Unterrichtes gehörig ausfüllt, was bis nun freilich noch von gar keiner Lehranstalt gesagt werden kann , da in Bezug auf die politische Wirkungssphäre des Arztes, die Lehre allen Versäum¬ nissen unterlag. Die Standesvortheile der Aerzte stehen in keinem Gleich¬ gewichte mit den ihnen zugetheilten Verpflichtungen, ja man hat dem Arzte größere Lasten von Seite des Staates auferlegt, als irgend einem Glieds des Gemeindeverbandes. 53 Durch die bestehende Vorschrift der Folgeleistung jedes Ru¬ fes von Privaten und von den Behörden zur Behandlung der kranken Armen und Entfertigung mancher medicinisch - polizeili¬ cher Verrichtung, ist ihm eine Verpflichtung auferlegt, welche nicht selten einer 50 Besteuerung als Erwerbsteuer gleichkömmt. Die Volksarmuth ist eine Staatslast, deren Erleichterung gerade in ihrem empfindlichsten Theile, nämlich in den Erkran¬ kungen—einzelnen Gemeindegliedern unmöglich anheim gestellt werden kann. Wenn der Staat ungeachtet der bedeutenden Opfer für die Unterbringung und Versorgung der kranken Armen in den öffentlichen Anstalten, noch immer nicht genügende Mittel dar¬ bringt, dem Elende abzuhclfen, mit welchem Rechte kann einem Stande die Pflicht auferlegt werden, subsidiarische Hilfe für die Gemeinde oder für den Staat zu leisten? Es ist diefi, wie gesagt, die enormste Besteuerung und trifft gerade die im Verdienste am meisten zurückgesetzten Aerzte, wel¬ che so vielfach nur mit der ArmenpraxiS betheiligt sind. Es fällt Niemanden ein, irgend einen Stand zu Opfern für die Armuth zu verpflichten. Nur der Arzt soll nicht bloß ost die Hälfte seines Hilfelerstungs - Verdienstes der Armuth reichen, er soll auch, gedrängt in das Elend und in die gänzliche Hilfs- losigkeit, womit so viele Hausarme, besonders in schweren Krank¬ heitsfällen, kämpfen, sein Gemüth auf Feuerproben stellen, um seine Kunst und seinen Ruf an dem Mangel aller diätetischen Mittel scheitern zu sehen; er soll, um solchen Feinden zu be¬ gegnen und seine Menschlichkeit nicht erschüttert zu fühlen, auch seine Habe hingeben, um herbeizuschaffen, was dem Kranken frommt. Ich kenne Männer, welche in solchen Fällen ihre ge¬ ringen Mittel mit den Unglücklichen theilten — da sie nicht stark genug waren, gleich den übrigen Gemeindegliedern den Jammer sich selbst zu überlassen. Man sagt freilich, die Armenpraxis ist die wahre Schule des jungen Arztes und zugleich das Mittel, größern Verdienst mit der Zett zu erlangen. Dieß sagt man — aber es ist nur sel- 54 ten so — und findet auf das Verhältniß zur Dienstleistung keine Anwendung. Der Arzt hat schon in den Spitälern practicirt und sein Wirken durch Recepte aus der ksiniinneopokn PUUP6I-UM wird bald geschlossen, da die Armenpraxis bei dem Mangel an diätetischen Hilfsmitteln sehr verkümmert wird. In die bessere Praxis führt sie den Arzt nur selten. Andere Zu¬ fälle müssen da wirken. Was aber geht das Schicksal des Arz¬ tes die Gemeinde an? Warum macht sie ähnliche Anforderun¬ gen nicht bei Standesgliedern, die ohne bitteren Schweiß zu besserem Erwerb kommen? In der Gemeinde, so wie in der Fa¬ milie, ist noch immer nach alter roher Sitte jener am meisten belastet, welcher das beste Herz hat. Die Aneignung der Standesrechte durch die Staatssorge in der Erhaltung der Lehrinstitute kann solche Leistungen doch auch nicht als Entgeltung berechnen. Auf die Befreiung von der Gewerbsteuer würde gern ver¬ zichtet werden, wenn die ärztlichen Rechte geregelt würden. Wenn auch andere Stände, namentlich die Advocaten, ähnliche Bürden haben, so können hierauf nur Entgegnungen gemacht werden, welche das beschwerende Mißverhältniß der Aerzte auf das Klarste darstellen. Kein Stand fordert zu seiner Ausbildung so beträchtliche Opfer wie der ärztliche. Seine längste Dauer, seine kostspieli¬ gen Hilfsmittel, Bücher, Instrumente, Präparate, practische Uebungen, Schulgeld und Rigorosentaxen überragen bei wei¬ tem alle übrigen Schulerfordermffe. Für den medicinischen Lehrzweig bestehen die wenigsten Stipendien. Nur die Hauptstadt hat deren einige. In vielen der übrigen Universitäten und Lyceen ermangeln sie ganz, während die übrigen Lehrfächer sie in Menge genießen. Das Verhältniß der Advocaten in der Vertretung der Ar¬ men ist ein ganz anderes, ja ein ganz entgegengesetztes von je¬ nem des Arztes. Arme haben selten und höchstens nur leicht durchzuführende Prozesse, deren Gewinn endlich doch auch Ent¬ schädigung der Mühe nach sich zieht. Dem gerade entgegen Herr- 55 schen die meisten Krankheiten bei Armen und selten tritt Gene¬ sung ein, ohne daß der Arzt nicht noch einige Opfer auf den Altar der Hygieine legt. Der Advocat ist durch die fixe Zahl seiner Standesglieder im Verdienste gesichert, während nicht selten auch geschickte Aerzte, welche dem Proteus der Bizarrerien des Publikums sich nicht fügen wollen oder zu fügen wissen — vergeblich nach Brot suchen. Nur die Gemeinde hat für ihre Armen zu sorgen, nicht aber einzelne Glieder derselben, welche unter keinem rechtlichen Titel hiezu verpflichtet werden können. Es gibt zwar in den Städten angestellte Aerzte, welche für die Heilung der Armen Besoldungen genießen, so wie diese Pflicht auf dem Lande den Districtsphysikern zukömmt. Allein diese genügen einerseits der Armuth nicht, denn für die gerech¬ testen Forderungen der Aerzte ist die Armuth noch bei weitem ausgedehnter als sie in der That erscheint. Man kann diese, mit Ausnahme weniger Orte, auf die Hälfte der Bevölkerung stellen, die sich für den Arzt insolvent erklärt und es den Arzt mit Scham bedecken würde, den Beweis des Gegentheils nur versuchen zu wollen. Wenn aber in bevölkerten Städten 10,000 Bewoh¬ ner auf einen besoldeten Armen - Arzt gerechnet werden und auf dem Lande mehr als das Doppelte solcher Volkszahl seiner Sorge anheimfällt, wie ausgedehnt wird seine Dienstleistung da seyn müssen, besonders wenn erwogen wird, daß der übrige ärztliche Stand meist nur unter den zahlenden Kranken seinen Verdienst sucht. — Wenn andererseits berücksichtiget wird , daß die Armenärzte sehr geringfügige Besoldungen hiefür genießen, welche kaum den vierten Theil ihrer Subsistenz - Erfordernisse bedecken, daß sie in ihren Verpflichtungen nicht bloß die Armen¬ praxis, sondern den ganzen Bereich des öffentlichen Sanitäts¬ dienstes in medicinisch - polizeilicher und gerichtsärztlicher Hin¬ sicht auszufüllen haben, so wird man sich's leicht erklären, wie ungenügend die ärztliche Hilfe für die Armen, und wie gering und unverhältnißmäßig der Verdienst solcher Aerzte bemes¬ sen ist. 56 Es ist hier nur durch eine Laxe für die kranken Armen und Bedürftigen Abhilfe zu leisten. — Möge diese Laxe noch so gering gestellt werden, so wird doch hierdurch eine Entschädigung der gerechten Anforderungen festgesetzt, welche die unbillige Bebürdung wenigstens theilweise behebt. Wird dem Arzte als Verpflichtung jene Dienstverrichtung angerechnet, welche er in seiner Hausordination übt, so dürfte schon durch diese der Gemeinde ein hinreichendes Opfer gebracht werden. Seine Besuche aber zu den Kranken selbst seyen nach Maß der Billigkeit stets einer besondere Entschädigung unter¬ zogen. Die Verrechnungen für diese Vergütung unterliegen kei¬ nen Schwierigkeiten. Der Arzt muß bei jedem Besuche ein Re¬ cept verschreiben, wenn die Arznei auch nur wiederholt, oder wenn auch nur eine diätetische Anordnung verfügt wird. Dieses Recept ist von dem, das Armenwesen behandelnden Magistrats- rathe zu vidiren. Die Monatrechnung des Arztes wäre von der Partei und dem Pfarrer zu unterfertigen. Die Aerzte hätten in diese Rechnungen auch alle jene Parteien einzuschließen, welche als zweifelhaft in Bezug auf ihre Vermögensverhältniffe und im Rückstände der gebührenden Entschädigung erscheinen. Dem Magistrate oder der Bezirksobrigkeit wird es nicht schwierig seyn, die Forderung einzubringen oder als uneinbring¬ lich der Commune aufzulasten. Die zahlungsfähigen Parteien werden sich von solchen Forderungen zu verwahren suchen, wäh¬ rend gegenwärtig manche unter ihnen ihre Pflicht nicht achten, weil sie überzeugt sind, daß der Arzt seine dießfälligen Forde¬ rungen nicht mit gerichtlichen Schritten verfolgt, und nur er immer den Schaden trägt und lieber das Opfer bringt, als daß er seinen Ruf gegen die Oeffentlichkeit preis gibt. Die That- sache, daß solche Forderungen fast nie vor das Gerichtsforum gelangen — und daß jeder Arzt fortan sie in Fülle zu machen hat, endlich, daß seine dießfälligen Opfer, welche er der Ge¬ sellschaftanhaltend bringt, jedes Billigkeitsverhältniß weit über¬ ragen, liegt klar vor Augen. 57 Die Zeiten, wo die Reichhaltigkeit der Entschädigung ein¬ zelner Parteien für ärztliche Dienste den Arzt ermuthigen konnte, den minder Bemittelten mit leichter Aufopferung seine Hilfe auch angedeihen zu lassen — diese Zeiten sind längst vorüber. Bon solchen Entschädigungen werden nur wenige Aerzte selten etwas zu erwähnen haben. Eben so wenig läßt sich die Gepflogenheit unterstützen, daß die Behörden ohne Unterschied sich für berechtigt halten, jeden Arzt zu jeder öffentlichen Dienstleistung zu verpflichten. Das Staatsglied soll zwar dem Staate, wenn es Noch thut, seine Kräfte nicht versagen, doch muß hierin ein Miß- verhältniß vermieden werden. — Eben so wenig man von dem Capitalisten Opfer erzwingt, sollte auch das geistige Capital des Arztes nicht in Anspruch genommen werden, ohne seine Be¬ nützung in ein gehöriges Anerkennungsmaß zu setzen. Die weitere Zergliederung der ärztlichen Verpflichtungen führt zur Darstellung und Prüfung ihrer öffentlichen Verant¬ wortung. Die §§. III und 112 des St. G. B. II. Lheiles, welche oben dargestellt wurden, können auch in rechtlicher Beziehung angegriffen werden, sobald erwogen wird, daß thatsächliche Vor¬ kommnisse die Facultät, welche als Richter bestellt wird, zur Partei machen, und daß andererseits die Zurechnung eines Arz¬ tes in wissenschaftlicher Beziehung unter jene schwankenden Vor¬ aussetzungen gehört, welche das Gericht zu einem Strafurtheile nicht leiten sollten. Wenn ein im Staate gesetzlich anerkanntes Heilsystem dem bestehenden gerade entgegen gesetzt, das Kunst¬ verfahren Einzelner leitet, so wird die altbeftandene Facultät, welche wenigstens größtentheils den neuen Ansichten sich nicht so leicht anschmiegt, diesem feindlich begegnen und cs als Par¬ tei richten. Die Wahrheit dieser Ansicht ist jüngst in Beziehung auf die homöopathische Curmethode durch ein a. h. Majestäts - Decret schon ausgesprochen worden, vermög welchem bei Beurteilun¬ gen der nach homöopathischen Grundsätzen geleiteten Euren von 58 den Gerichten in den diese §§. einbeziehenden Uebertretungen nicht bloß die Facultät, sondern auch mehrere Aerzte dieser Secte einzuvernehmen sind, um darnach das gerichtliche Urtheil zu regeln. Doch hier steht vor Allem zu besorgen, daß, nachdem in solchem Stand der Dinge stets zwei Parteien sich feindlich ge¬ genüber stehen, das eigentliche Gerichtsforum nie ein absolutes Kunsturtheil erlangen wird, somit immer nur nach seiner An¬ sicht — der wissenschaftlichen Sphäre entrückt — das Urtheil fällen wird. Ohne die in Rede stehende Secte in Schutz nehmen zu'wollen, muß dem Rechte, so lange es als solches aner¬ kannt und vom Staate sanctionirt ist, sein Schutz gewährt werden, und es muß für die Zukunft, in welcher etwa ein an¬ deres, der Wahrheit mehr entsprechendes, dem herrschenden Systeme entgegengesetztes Heilverfahren — von der Regierung geduldet — sich erheben sollte, das gebührende Recht zuerkannt werden — wobei jedoch zwischen zwei Ansichten von Kunstver¬ ständigen nicht dem in der Wissenschaft unkundigen Richter daS freie Urtheil gestattet werde, sondern wo die Streitfrage in allen Richtungen in einer allgemeinen ärztlichen Be- rathung , vorzugsweise in Beziehung auf die Gesetzes-An¬ wendung und nicht in jener der wissenschaftlichen Bevorzu¬ gung, förmlich plaidoyirt und verhandelt werde, sonach aber das Resultat mittels entschiedener Stimmenmehrheit als geltend und für das Gericht normirend erscheinen sollte. Es ist allerdings möglich, daß auch aufdiesem Wege die Wahr¬ heit nicht immer den Sieg erringe, aber die Regierung hat durch die Entscheidung des eompeiant vernunftgemäß gehan¬ delt und sie kann eben so wenig ein gerechter Vorwurf treffen, als er sie dort trifft, wo manches andere Verfahren, in Gese¬ tzeskraft erwachsen, den Beifall der Menge nicht genießt. Für eine Secte — deren Grundsätze der Staat einmal anerkannt und zur Einführung in das Leben anwendbar gefunden hat, wird es immerhin ein übles Zeichen seyn, wenn die Mehrheit der sie begreifenden Kunstrichter ihre Ansichten verwirft. Die 59 gegenwärtige gebildete Welt läßt sich von der Parteisucht nicht mehr so weit hinreißen, daß sie die Wahrheit verhöhnend, ih¬ rem erleuchtenden Antlitze mit Eigendünkel und Selbstsucht na¬ hen könnte. Wenn dieß auch mancher frechen Selbstliebe mög¬ lich ist, so ist es unmöglich, daß die Mehrheit nicht erkenne, was dem gemeinsten Staatsgliede offenbar däucht. Man müßte nur den Standescharakter und die ärztliche Rechtlichkeit und Red¬ lichkeit ob solcher Verläugnung anklagen wollen — und da wäre wohl die Frage auf dem Platze, welcher Stand kann sich hierin minderer Vergehen beschuldigen lasten? Die Antwort gebe die Geschichte! — Wichtiger noch ist die Erörterung des zweiten Satzes, wel¬ cher sich auf die Zurechnung des Arztes für dessen Kunst¬ fehler — oder vernünftiger gesagt — für die Folgen seiner Be¬ handlung bezieht und dem Strafrechte sogar unterzogen wird. Dr. Jgn. Hein. Schürmayer hat diesen Gegenstand erschöpft, in so fern es sich handelt, die Kunstfehler der Aerzte dem Forum der peinlichen Gerichtsprocedur zu entziehen. Er läßt aber Entschädigungsklagen gegen Kunstfehler und Beschwerden in med.-polizeilicher Richtung gelten. Die M unserer schweren Polizei - Uebertretungen sind aber nur Abstu¬ fungen des peinlichen Verfahrens und setzen die Strafbarkeit ärztlicher Vergehen im Kunstfache voraus >— ob auch dasselbe in einen leichtern Kreis des Strafrechts gezogen erscheint. Wenn bei den Beeinträchtigungen der Gesundheit und des Lebens der Grad der Verletzung mit seinen Folgen entscheidet, so sollte man glauben, daß jede Vernachlässigung des Kran¬ ken von Seite des Arztes, welche einen wesentlichen Nach¬ theil auf seine Gesundheit bedingt, in die Cathegorie der Ver¬ brechen gehöre, weil ein wesentlicher Nachtheil nur als ein bleibender, ein absoluter eigentlich als ein unverbesserlicher anzunehmen ist. Findet nun das peinliche Verfahren objec- tiv keinen Anhalt, so sollte auch die Untersuchung als schwere Polizei - Uebertretung ihn nicht finden können. Oder kann es wirklich erwiesen werden — so müßte er nach dem Geiste der 60 Gesetze der Behandlung als Verbrechen unterzogen werden, weil die schwere Verwundung — bleibende Folgen in sich faßt, eben so wie die wesentliche Vernachlässigung des Kranken, welche sogar, wenn auch mit dem Lode endend, doch nur als schwere Polizei-Uebertretung charakterisirt wird. — Mangel an Einsicht und Erfahrung, so wie die hieraus etwa zu folgernde fehlerhafte Verordnung von Arzneimitteln können dem Arzte nimmermehr im Strafrechte zugerechnet wer¬ den. Er ist im Rechtsbesitze der Kunstübung nach seinen persön¬ lichen Eignungen und die Arzneikunde wird nicht die einzige un¬ fehlbare Wissenschaft seyn sollen, welche auf Erden ohne Män¬ gel und Gebrechen geübt wird. Noch weit größere und sogar folgenschwerere Mißgriffe werden bei andern Ständen bewirkt und es fällt Niemanden ein, sie zu der Art Verantwortungen ziehen zu sollen. Nur die Vernachlässigung in der eigentlichen Krankenpflege könnte eine strafrechtliche Verantwortung nach sich ziehen, allein auch diese nur dann, wenn dem Arzte bewie¬ sen würde, daß er die Krankheit als gefährlich erkannte und durch Hintansetzung der dem Erkenntnisse absolut zukommcnden Sorge, das Verschulden auf sich zog. — Zeder Einzelne ist in Bezug auf das ärztliche Vertrauen seiner Einsicht überlassen, auch kann es nur ihm zustehen, sich sei¬ nen Arzt und dessen Heilart zu wählen — insofern diese im Staate zugelassen sind. Der Staat soll aber im Besitze von Mitteln sich befinden, die ärztlichen Befähigungen zu überwachen, und ihm nur kann es im politischen Wege obliegen, sich von Mißgriffen und Kunst¬ fehlern durch eine Disciplinaraufsicht möglichst zu verwahren. Gefahrdrohende Werke jeder "Art werden vom Staate beaufsich- tet, weil derselbe vermög der sich aufgelegten Sorge, die Stan- desrechte zu ertheilen, auch die Garantie für die Uebung dieser Rechte in ihren Geleisen übernommen hat. Der Arzt empfängt ein zu großes und zu heikliches Recht, als daß mit dem ihm verliehenen Pergamente für die Zukunft garantirt werden könnte. Er soll sich zwar mit diesem in voller Freiheit bewegen, denn «1 das ist die Staatsverpflichtung gegen seine erfüllten Bedingun¬ gen. Weil aber eben Mensch und Wissenschaft vvn Zeit und Raum abhängig erscheinen, muß zur Sicherstellung der Staats¬ glieder diese Freiheit nicht alle Gränzen überschreiten und dem Arzte eine Willkür einräumen, welche kein persönliches Recht und kein Stand genießt. Seine Handlungen sollen somit auch einer dem Stande zukommenden Controls unterliegen. Schon durch die gegenwärtige Eidesablegung verpflichtet sich jeder Arzt und Wundarzt zur Anerkennung des gerechten Ur- theiles der Facultät — versteht sich, im wissenschaftlichen Be¬ reiche. Die Verantwortung in ärztlich wissenschaftlicher Sphäre könnte dadurch festgesetzt werden, daß es dem Provinzial-Facul- tätsvereine bei vorkommenden Zweifeln in ärztlichen Leistungen überlassen werde, jedes ärztliche Glied über seine practische Ein¬ wirkung zur Aufklärung vorzufordern, um durch eine Vertheidi- gung seiner Handlungsweise dem wissenschaftlichen Forum Re¬ chenschaft zu geben. Dieses werde aber nie ermächtiget, über angenommene besondere Systeme oder Ansichten ein¬ zelner Aerzte abzuurtheilen. Es sey ihm nur das Recht ertheilt, die Begründung des individuellen Verfahrens nach wissenschaft¬ lichen Principien zu beurtheilen und einer förmlichen Verhand¬ lung zu unterziehen. Wenn die gegebene Aufklärung des Arztes von zwei Drit¬ theilen der Stimmen verworfen würde, wäre das Resultat der Verhandlung mit den entsprechenden Anträgen an die erste po¬ litische Instanz zu leiten. Der Recurs an die Landesstelle müßte die Bedingung einschließen, über das Gutachten der Facultät eine andere Lehranstalt ersten Ranges einzuvernehmen. Diese Gut¬ achten nur hätten zur Begründung des Urtheiles gegen den Kunst¬ verständigen zu dienen, um ihn in Bezug auf seine Kunstfehler einer entsprechenden Behandlung zu unterziehen. — Da die Wissenschaft eine Garantie für das durch sie er¬ worbene Uebungsrecht des Einzelnen fordert, in dessen Händen ihr Werth, ihre Achtung und ihre Aufrechthaltung gelegt wurde, 62 so muß die Sorglosigkeit und die Bizarrerie der einzelnen Glie¬ der, womit sie dieselbe in der öffentlichen Anerkennung beflecken, auch den Gesammtkörper treffen, und ihm sollte es zustehen, sich vor der Art Verletzungen zu verwahren. Weit entfernt, hiedurch einen Kastengeist zu ziehen, wird sich die Wissenschaft durch ein edles Zusammenwirken und Stre¬ ben, die Wahrheit im parlamentarischen Wege zu erörtern und zu beleuchten, jener Controle unterziehen, welche die wahre Critik fordert und welche nicht etwa ein inquisitorisches Gericht, sondern nur ein kunstrichterliches Urtheil auf sich nimmt, wodurch die Be¬ hörden eine feste Basis zu ihrem Verfahren erlangen, was einen bedeutenden Unterschied gegen die nun vorgeschriebene Verhand¬ lungsweise zeigt. Anders verhält es sich in dem Wirkungskreise des ange- ftellten Arztes in Beziehung auf dessen amtliche Verpflichtungen: da untersteht er nur seinen ihm vorgesetzten Organen und Behör¬ den. Nur gegen diese ist er Rechenschaft zu geben schuldig. Da jedoch jeder angestellte Arzt auch als praktischer Privatarzt Dienste leistet, so müßte derselbe eben so in dieser Beziehung der allge¬ meinen Beurtheilung unterliegen, nur wäre festzusetzen, daß im Falle ähnlicher Verhandlungen gegen angestellte Aerzte, für deren genügende Kenntnisse eben die öffentliche Anstellung selbst schon spricht, die Facultät verpflichtet würde, dem vorgesetzten Präsi¬ dium der Behörde, zu welcher der Sanitätsbeamte gehört, die Verhandlung vorzulegen, welcher die hierüber einzuleitende ein¬ fache Einvernehmung des Sanitätsbeamten zur Beurtheilung an eine Universitäts - Facultät ersten Ranges zu senden hätte, und nur im Falle, als von dieser die Aufklärung als ungenügend zu¬ rückgewiesen würde, hätte die politische Instanz ihr Urtheil zu fällen. Es versteht sich übrigens, daß jede Anklage, wenn sie grund¬ los befunden wurde, den Charakter der Verleumdung annimmt und nach dem Gesetze als solche zu behandeln wäre. Die Entschädigungsklagen der Kranken gegen den Arzt kön¬ nen nur auf gleichen Gründen beruhen, vorausgesetzt, daß auch 63 in solchen Fällen nicht etwa Böswilligkeit, somit Oulpa et 60 Inm, dem Arzte zugemuthet würde, wonach der Gegenstand in das Gerichtsforum gehört. Die Zurechnungsuntersuchung in medicinisch polizeilichen Richtungen ist eine den vorgesetzten Behörden zukommende Amts¬ handlung, deren Wesenheit aus den Pflichten des ärztlichen Be¬ amten zu entnehmen ist. Jede derartige Verantwortung des etwa in seinen Amts¬ verrichtungen fehlenden ärztlichen Beamten heischt das Urtheil seiner vorgesetzten Behörde, welcher es übrigens ungeachtet des in ihrer Mitte befindlichen kunstverständigen Gliedes unbenommen bleibt, das Gutachten der Facultät über den gesetzten Fall ab¬ zufordern und die weitere Amtshandlung gegen Freilassung des Recurses einzuleiten. Der oben gestellte §. 113 bebürdet den ärztlichen Stand auf unbemessene Weise. Schon die Uebernehmung eines Kranken soll den Arzt zur fleißigen Besorgung desselben auch verpflichten. Dieses Verhältmß, als stillschweigender Vertrag genommen, legt aber der einen Partei eine bestimmte Leistung auf, während die andere noch ganz frei da steht, denn nicht gerechnet die stets schwankend belassene Entgeltung für diese Leistung, durch das For¬ derungsrecht durchaus nicht garantirt, bleibt der Arzt in seiner Verrichtung für die Folgen der Behandlung, welche der Kranke durch Unverstand oder dessen Umgebung durch unberufene Ein¬ mengung oder üblen Willen bedingt, verantwortlich. Ueber den Ruf des Arztes entscheidet nicht bloß sein Ver¬ fahren, auch das Benehmen des Kranken hat hierin großen Ein¬ fluß. Der Arzt wird nicht selten von dem Kranken oder von sei¬ ner Umgebung betrogen und sein Ruf verletzt. Man folgt nicht seinen Anweisungen, man bedient sich heimlich anderer Mittel, ja man zieht einen andern Arzt unter verdeckten Ursachen zu Rathe, oder holt bei solchen Erkundigungen ein. Für dieß Alles wird der Kranke nicht verantwortlich gemacht und es steht dem Arzte gar nicht zu, dem ihn verletzenden Mangel an Vertrauen sich durch Zurückziehung von solchen Kranken Genugthuung zu 64 verschaffen. Wenn er es thut und dem Kranken auch förmlich die weitere Hilfsleistung aufkündet, und wenn sodann, im Falle kein anderer Arzt berufen würde, sich der Kranke kurz darauf verschlimmert, so würde ohne Zweifel nach obigem Gesetze der Arzt verurtheilt werden, denn die Umgebung deS etwa Verstor¬ benen sagt, der Arzt habe den Kranken seit zwei Lagen nicht besucht, welches Ausbleiben nicht erwartet wurde. Man wird in diesem Ausbleiben des Arztes eine Vernachlässigung des Kranken geltend machen wollen, da kein Gesetz ihn berechtigt, einen ein¬ mal übernommenen Kranken wegen solchen Ursachen verlassen zu können. Die Umgebung läugnet aber auch oder entstellt des Arztes Angabe, und so ist er um so sicherer um Ehre und Ruf gebracht. Ja selbst in dem Falle, als ein anderer Arzt nach sichtbar plötz¬ lich eingetretener Gefahr zur Hilfsleistung gerufen wird, müßte die Folgen der Verschlimmerung nur der erste Ordinarius tragen, denn man beruft sich auf seine frühere Assistenz und auf die nach seinem Ausbleiben sich gezeigte Verschlimmerung des hilflos ver¬ lassenen Kranken. Bei solchen nicht allzu selten vorkommenden Uebelständen kann man doch nicht verlangen, daß der Arzt bei Gericht seine Abdankung vorbringe! Das Sittenverderbniß ist aber noch weiter gegangen. Der Kranke und die Familie folgen verhehlt den eingeholten Rath¬ schlägen eines andern Arztes oder Curpfuschers, oder brauchen während der Hilfsleistung des Ordinarius anderweitige Mittel, wonach der wieder Genesene die Verpflichtung theilt und seinem Ordinarius geradezu eröffnet, es habe dieß und jenes Gebrauchte seine Genesung herbeigeführt und er wird durch diese Ableitung seines Dienstwerthes auch in der Belohnung geschmälert. Auch der Art Ergebnisse können den von den Hausfreunden und Dienstboten verletzend beurtheilten Arzt nicht bewegen, Klage zu führen. Nur zu seinen Lasten sind alle diese Folgen vorhanden. Man sage nicht, die würdige ärztliche Haltung verhüte am besten der Art Einflüsse. Noch ist der größere Lheil des Publi¬ kums nicht auf dem Stande der Bildung, diese auch beurtherlen 65 zu können. Wenn der Kranke in voller Freiheit sich befindet, die Dienste des Arztes ganz nach eigener Ansicht zu behandeln, so muß es wohl auch dem Arzte frei bleiben, seine Dienste nach Be¬ lieben zu entziehen. Nur der Kranke muß zum eigenen Bortheile suchen, sie zu erhalten, so lange er das gefaßte Vertrauen be¬ zeugt. Entzieht er es ihm, so soll er dieß durch offene und biedere Erklärung kund geben, nicht aber durch niedriges Benehmen des 'Arztes Achtung herabsetzen. Dem Arzte muß das Recht belassen werden, einen Kranken zu übernehmen und seine Behandlung fortzusetzen, oder diese ab¬ zubrechen. Nur müßte er die förmliche Erklärung dieser Abtre¬ tung dem Kranken oder seiner nächsten Umgebung offenbaren. Dieses Verfahren sollte vor Gericht nur dann keine Geltung ha¬ ben, wenn etwa der Arzt bei der Nacht gerufen, eher abdanken, als den Besuch erstatten wollte, oder wenn ein Arzt wegen un¬ befriedigten, übermäßigen Forderungen eine solche Zurückzie¬ hung bewirken würde. Mit dem schweren Verdienste des ärztlichen Standes soll nicht Jedermann nach Belieben rechten. Wer die Verantwortung einer Arbeit übernimmt, muß auch die Versicherung der Aner¬ kennung derselben garantirt wissen, oder es muß ihm mindestens frei stehen, sich zurückziehen zu können. In Oesterreich ist kein ärztlicher Tariff vorgeschrieben. In England besonders, und auch hie und da in andern Staaten, ist die Sitte, den Arzt bei jedem Besuche, und vor¬ zugsweise bei dem ersten, zu honoriren, und mit dieser Sitte wer¬ den vielfache Unzukömmlichkeiten vermieden und der Arzt ermu- thiget, nach der Anerkennung auch seine Anstrengungen anzure¬ gen. Die ganze Welt wird vom Materialismus beherrscht, der Arzt allein soll hierin als ritterlicher Beschützer der Ohnmacht mit Selbstaufopferung bestehen! — Das Wesen des angeführten §. 98 besteht in der Bedin¬ gung des Erwerbes von Seite eines unberechtigten Eindring¬ lings in die Arzneikunde, welcher Erwerb natürlich gerichtlich erwiesen werden muß. Also nicht der Geist des Gesetzes, näm- 5 66 lich — die Verhinderung der das Leben gefährdenden Eurpfuscherei, sondern die Form, das ist, der dabei nichts entscheidende Erwerb gibt den Ausschlag! Wer somit ohne erwiesenen Erwerb eine der Art Uebertre- tung begeht, ist diesem Gesetze nicht unterworfen, indessen kann, wie man sagt, ein solcher Uebertreter nach Umständen einer an¬ dern, selbst schweren Polizeiübertretung, nach §. 89, verfallen. Dieser Paragraph lautet: n) „Es wird gegen natürliche allge¬ meine Pflichten des Menschen oder gegen die ausdrückliche Vor¬ schrift des Gesetzes gehandelt.» In diesem Gesetze findet sich aber ein Widerspruch gegen das vorige, denn sobald positiv die Bedingung feftsteht, daß die erwähnte Uebertretung nur durch den Erwerb sich darstellt, so kann dieser zweite Paragraph bei dem Curpfuscher keine An¬ wendung finden. Bei den vielfachsten Uebertretungen dieser Art, wo selbst der Lod die unbezweifelte Folge derselben war, ist mir nicht ein Straffall vorgekommen, welcher nach dem §. 89 abge¬ leitet worden wäre. Und doch erfährt man die übelsten Folgen durch der Art zweckwidrige Rathschläge eines Unbefugten, welcher aus Freund¬ schaft Träume auslegt und durch diese Irreführung zur Sünde und zum Unheil verleitet. Es ist gewissenlos, anzunehmen, daß leichtere Arzneimittel, welche ohne Recepte zu haben sind, keinen üblen Erfolg hervor¬ bringen, da z. B. die Gabe eines Mittelsalzes in einer, vom Layen im Beginne nicht erkennbaren Darmentzündung leicht auch den Lod herbeiführen kann. Es ist wahr, Jedermann kann sich selbst auch solche Arz¬ neien verschaffen, dann ist aber der Irrglaube nicht durch fremde Authorität mittels Angabe kunstverständiger Erfahrungen bestärkt und mißbraucht worden. Undaus welchem Grunde will man denn den Leichtgläubigen und Unverständigen solche Falle legen lassen? Die persönliche Freiheit wird hiedurch nicht gefördert, sie wird nur verletzt durch den anmaßenden Eingriff in das Vertrauen und in das Erwerbrecht. Ein wissenschaftliches Gebiet dürfte we- 67 niger als irgend ein anderes solchen Eingriffen ausgesetzt seyn. Die persönliche Freiheit kann nur dort walten, wo sie die Rechte eines Zweiten nicht drückt. Bei Gewerben, Privilegien und allen öffentlichen Einrichtungen würde man solche Eingriffe mit Nach¬ druck zurückzuweisen wissen. Warum fällt es denn keinem Privaten ein, aus Leidenschaft Schuhe und Kleider zu verfertigen, und ohne Entgelt aus Freund¬ schaft für die Leute zu arbeiten? Jedermann findet leicht zahllose Wege, um die Philanthro¬ pie zu üben. Warum sie gerade dort suchen, wo die Unkenntniß so leicht Unheil stiftet, und wo nicht selten die Maske, womit die gröbsten Interessen bedeckt werden, einen einladenden Anstrich für die Blöden geltend zu machen weiß? Wessen Recht und Frei¬ heit soll denn die Weglassung der Worte: »und daraus ein Ge¬ werbe macht» verunglimpfen? Hat etwa die geizige Herrschaft ein Recht, ihre Dienstboten mit einem Abführmittel zu versor¬ gen und zu verderben, um den ärztlichen Rath zu ersparen? Soll der Bauer auf dem Lande etwa seinen wissenschaftlichen Bereich, als Ironie besonderer Gabe Gottes, an dem Unverstände des durch den Irrglauben entstellten Landmannes versuchen, oder hat dieses Recht die mundverzerrte, alte Matrone, welche in der Theege- sellschaft alle Curmethoden studierte, um ihrem Leckhund, dann ihrem Nächsten die bewährte Heilung durch eine Arznei oder ein sympathetisches Mittel aus wahrer Menschenliebe aufzudringen? Oder soll man es gestatten, daß der Seelsorger die physische Pflege seiner Pfarrkinder übernehme, um die weltlichen Ange¬ legenheiten durch die Eindringlichkeit in die Familienbande tiefer zu erforschen? Dieß kann man unmöglich wollen! und doch ge¬ schieht es, und man kann es täglich erfahren und erweisen! — Man sagt freilich, das Gesetz kann die gute Absicht, welche hier die Rathschläge leitet, nicht als eine böse Lhat strafen. Aber das Gesetz sagt auch: »Jeder bürgt für seine Handlungen und muß die That verantworten?' Der §. 129 des Gesetzbuches kann den Schuldlosen zur schweren Verantwortung führen. Ich habe einige Erfahrungen 5 * 68 gemacht, welche durch die zweifelhafte Auslegung desselben ein unstatthaftes Verfahren nachwiesen. „Wenn der Leichenbeschauer durch falsche Angabe der To¬ deszeit, insofern? er hiezu nicht von einem Zweiten verführt wurde, und er nicht etwa, aus Mangel an gehöriger Erforschung, durch den von ihm erlassenen Lodtenschein dazu Veranlassung gibt, daß eine Leiche vor der vorgeschriebenen Zeit zur Erde be¬ stattet werde rc.» Das Gesetz schließt die Möglichkeit einer angelegten Beir- rung des Todtenbeschauers nicht ein, in dessen Gewalt es nicht immer liegt, die Wahrheit zu erforschen, welche aus besonder» Privatrücksichten verhehlt wird. Das nun bestehende Gesetz läßt sich zwar auch auf die ersten falschen Angaben der Todeszeit von Seite der Familie beziehen, schließt aber hiedurch den Leichenbeschauer von der Straffällig¬ keit nicht aus. Es sollte auch deshalb in dem Todtenbeschauscheine und im Todtenzettel des Arztes immer angeführt werden, ob durch Mit¬ theilung oder eigene Kenntnis die angegebene Stunde des Todes angeführt sey? Hinsichtlich der Apotheker sind die bestehenden Gesetze auch einigen Schwankungen unterworfen. Der §. 109 des Gesetzbuches lautet: „Außer den berech¬ tigten, wie auch den Hausapotheken der beglaubigten Heil- und Wundärzte auf dem Lande, ist der Verkauf eines jeden inner¬ lichen oder äußerlichen Heilmittels, unter was immer für einer Gestalt oder Benennung, ohne von der Behörde ertheilter be¬ sonderer Bewilligung, verboten» rc. Insofern nun die Existenz der Land-Wundärzte in einiger Zeitfrist sich ohnehin regeln muß; insofern weiter erst die Definition eines oben verstandenen Heil¬ mittels bestimmt und gesetzlich anerkannt wird, was sonderbarer Weise noch nie erfolgte und zu den vielfachsten Wirren und Mi߬ verständnissen Veranlassung gab; insoferne endlich nicht bloß der Verkauf, sondern jede Hintangabe eines Arzneimittels, ohne ärztlicher Anordnung, als die mögliche Ursache eines Ein- 69 griffes in die Gesundheit des Einzelnen charakterisirt wird, was wohl vernünftigerweise nicht abzusprechen ist, wird auch der Ab¬ sicht des Gesetzes Genüge geleistet werden können. Hinsichtlich des 104 ist Folgendes zu erwähnen: Es gibt Arzneistoffe, welche in privilegirten Fabriken massenweise bereitet und dem Apotheker verkauft werden. Der Apotheker folgt bei dem Ankäufe dem Rufe der privi¬ legirten und beaufsichtigten Fabrik, und da gelingt die Fabrica- tion des Arzneiartikels nicht immer in gleich guter Qualität, und der Apotheker erhält einmal eine nicht ganz solide Ware, deren genaue analytische Prüfung er eben in Rücksicht der acreditirten und beaufsichteten Fabrik unterließ. Man nehme z. B. die Chininsabrication. Sie wird nach verschiedenen Methoden und nicht immer mit ganz gleichem Erfolge bereitet. Der Apotheker verkauft nun diese für entsprechend gehaltene Arznei und eine sich ergebende Untersuchung weiset einen mindern Gehalt an eigentlichem Chininstoff nach. Der Apotheker wird nach diesem Paragraph verurtheilt, wodurch er nicht nur gebrandmarkt, son¬ dern, wie natürlich, von den Parteien geflohen, das Gewerbe selbst aufgeben muß. — Apotheke und Fabrik unterliegen strengen Beaufsichtigungen. Die zum Verkaufe erzeugte medicinische Ware muß somit die entsprechende Eignung haben, und der Apotheker, welcher durch den Bestand der allgemeinen Vorschrift zur Haltung und Ver¬ äußerung guter Ware verpflichtet ist, dürfte für die Vorausse¬ tzung der gehörigen Präparation eines Arzneistoffes um so min¬ der im strafrechtlich en Wege verurtheilt werden, als die ksinr- MNV0P06N ^U8triu6n die Bereitung mancher Arzneiartikel gar nicht enthält. Wollte man aber auch dem Apotheker in solchen Fällen die ganze Verantwortung in Rücksicht der ihm obliegenden Verpflich¬ tung im Allgemeinen auflasten, so daß der Arzneikörper nur durch seine Prüfung die eigentliche Eignung erhält, so kann man nach dem Geiste des Gesetzes eine böswillige Handlung oder Unter- 70 laffung bei diesem Mangel einer Ueberprüfung des Fabrikstoffes nicht voraussetzen. Es ist auch zu erwägen, daß der Apotheker durch die jähr¬ lichen Untersuchungen und durch die rege ärztliche Controlle einer gesetzlichen Aufsicht unterliegt, bei welcher vorschriftgemäß in der Art gegen ihn vorgegangen wird, daß jeder verdorbene oder unkräftig befundene Arzneistoff sogleich vertilgt wird, was gegen das obige Gesetz nicht consequent erscheint. Der Paragraph 100 kann mit der bestimmten Strafe einen Apotheker ganz schuldlos treffen. Wie kann ein Apotheker oder Provisor seinen Subjekten, nämlich Gehilfen, in der Art über¬ wachen, daß der Letztere nicht in die Lage kommen könnte, ohne Wissen des Erstem und gegen dessen ausdrückliches Gebot ver¬ botene Arzneimittel zu verkaufen? Das ist eine willkürliche Vor¬ aussetzung, die den Apotheker ebenso ungerecht, als empfindlich bebürdet. Man müßte nur annehmen, daß der Vorstand der Apotheke seinen Gehilfen nie aus den Augen läßt. Dieser aber ist geprüft und genießt das öffentliche Vertrauen, welches ihm nicht benommen werden kann, bis er sich dessen nicht unwürdig gemacht hat. Es kann Jeder für sich nur so weit verantwortlich seyn, als diese Verantwortung seiner Handlung zukömmt. Man stellt hier einen Grundsatz auf, welcher nirgends giltig ist, wonach in dem Satze des Paragraphes ein völlig unlogischer Schluß dadurch vorkommt, daß man annimmt, es müßte ein Mangel an schuldiger Aufsicht den Apotheker treffen, wenn er vom Verkaufe, durch den Gehilfen geübt, nichts ge¬ wußt hat. Diese schuldige Aufsicht müßte also nur darin liegen, daß der Apotheker oder Provisor nie von der Seite des Gehilfen wiche. Der §. 108 dürfte eine nähere Bestimmung der Schuld einschließen, denn es ist nicht immer derjenige, welcher eme Arz¬ nei in der Apotheke verwechselt und ausgegeben hat, an diesem Mißverständnisse schuld. Der Arzt begeht eine Irrung in der Verschreibung, ohne daß sie dem Apotheker auffallen kann, oder es geschieht eine der 71 Aufsicht unzugängliche, zufällige Verwechslung von zubereiteten Arzneien, wie dieß etwa durch die Hand eines Dritten veranlaßt werden könnte; so dürfte zur Behebung aller Zweifel das Ge¬ setz auch diese Bedingungen berücksichtigen. Auch der Apotheker kann nur im Bereiche der Zurechenbarkeit strafbar erkannt werden. Die im bürgerlichen Gesetzbuche auf den ärztlichen Verdienst sich beziehenden Bestimmungen geben zu manchen Einwendungen Veranlassung. Ein Vertrag, den ein Arzt mit einem Kranken, bezüglich auf eine bestimmte Belohnung für die Uebernahme einer Cur schließt, ist ein Privatvertrag, welchem sonst in den bürgerlichen Verhältnissen keine ähnlichen Beschränkungen gestellt werden. Weder der Wissenschaft noch der Kunst läßt sich ein Preis auf¬ bürden, um welchen sie ihre Arbeit zu leisten hätte. Wenn der Arzt seinen ganzen Ruf und seine Zukunft auf eine Arbeit (Cur) setzt, wie kann man ihm den höchst gestellten, in der Möglichkeit der Erfüllung liegenden Preis, in welchem die Parteien einig, vorenthalten? Der Geist dieses Gesetzes zielt dahin, zu verhindern, daß der Arzt von der Schwäche seines, etwa leicht zu bewegenden Patienten keinen Mißbrauch mache. Diese Pupillaraufsicht möge ganz in Ordnung seyn, obschon sie die krnesumptio boni viri gegen sich hat; doch sey die Frage erlaubt: wie kann das Gesetz wegen möglichem Mißbrauch in einer Handlung, die Freiheit einer an sich unschuldigen Handlung gänzlich aufheben? Das Gesetz hat die Gewalt, sich gegen allfälligen Mißbrauch sicher zu stellen, aber keineswegs die gerechten Anforderungen und Ein¬ verständnisse der Parteien zu annulliren. Für die Folgen eines solchen Einverständnisses mögen dann die Parteien und das Gericht weiter sorgen. Sind aber diese ge¬ stellten Bedingungen erfüllt, so hat die Regierung ihrer Aufsichts¬ macht vollkommen genügt. Die §§. 1162 und 1163 scheinen einen unbilligen Eingriff in die verstandenen und schon erledigten Rechte der Parteien zu üben. Wenn ein Arzt ein Jahreshonorar von 300 st. bei einer Partei genießt, und er etwa sechs Monate 72 vor Ende des Jahres stirbt, ohne in den ersten sechs Monaten eine besondere Arbeit bei dieser Partei bewirkt zu haben, so dürfte ein solches Versprechen wohl nicht als eine gewöhnliche Dienst¬ leistung behandelt werden, sondern als ein Pactum, welches so lange in Kraft bleibt, als die Ausführung desselben möglich war. Der pactirende Arzt hatte sich einverstanden, jede, wenn auch noch so schwere ärztliche Arbeit in un bemessener Zeit des Jahres zu leisten. Es ist nur zufällig, daß er in den ersten Monaten nicht noch mehr Arbeit leistete, als der ganze Jahres¬ betrag einschließt. Ein solcher Zufall kommt bei jedem Pactum beiden Parteien zu statten. Wie kann der Arzt seinen Antheil davon verlieren, so lange er in der Lage war, auch seinen Nach¬ theil zu tragen? Die ausgedehnte Gewalt, welche die Behörden über die ärztlichen Handlungen und Leistungen nehmen, ist eine Bestim¬ mung, die das gewöhnliche Maß überschreitet. Wie und durch welche Berechtigung diese Verpflichtung zu Arbeiten und Verantwortungen der Aerzte in dieser Art, wie sie gepflogen wird, geltend gemacht werden konnte, ist man die Nachweisung noch immer schuldig. Der Arzt hat sein einziges Capital in der Wissenschaft, von welcher er im schweren Schweiße die Zinsen zieht, die auch jener Staat, welcher die Wissenschaft gar nicht schützen wollte, doch nicht stärker in Anspruch nehmen soll, als bei jedem andern Stande. Wo sind denn diese Wohlthaten, die der Arzt empfängt, daß man auf Rechnung derselben so viele Leistungen von ihm zu fordern sich berechtiget glaubt? Es wäre Zeit, dort nicht unbillig zu verfahren, wo man gerade den geringsten Grund hiezu findet. Wie schon oben erwähnt wurde, kann in Bezug auf die ärztlichen Leistungen für Arme nur eine Laxe ein Gleichgewicht Herstellen. Eine ähnliche Entschädigung sollte für alle medicinisch- polizeilichen und gerichtsärztlichen Beschäftigungen den nicht an¬ gestellten Aerzten zukommen. Die Gerichte sollten aber ihre Jnquisitionsärzte nach Ver¬ dienst hononren und sie sodann als psychische Aerzte nicht bloß 73 zu den gewöhnlichen Gutachten Abstattungen verwenden, son¬ dern bei besonder« Verhören und selbst bei Berathungen sich ihrer Seelen und Naturkenntnisse mehr bedienen — um die in diesen Richtungen von ihnen zu beleuchtenden Begebnisse näher zu beurtheilen, weßhalb auch Aerzte bei den Gerichten förmlich angestellt werden sollten. Bedürfen aber die Gerichte in ihrem Ressort die Hilfe an¬ derer Aerzte auch im Orte ihres Aufenthaltes, so dürfte diese Arbeit nicht ohne Entschädigung aufgebürdet werden. Ihre Lei¬ stung mit jener der gewöhnlichen Beisitzer zu vergleichen, ist unbillig und unstatthaft. Sanitätsämter im Vemeindenerbande. Im ausgedehnten Sinne der ärztlichen Bestimmung , wie sie schon nach den oben angezeigten Grundsätzen sich darstcllt, sind eigentlich alle Sanitätsindividuen, welche einem Gemeinde- verbande, auch ohne specielle ärztliche Verpflichtungen gegen denselben, angehören — in den Gemeindeverband einbezo¬ gen — da ihre Pflicht im Allgemeinen sie zur ärztlichen Hilfs¬ leistung in der Gemeinde anweiset. Einen etwas näher gemark¬ ten Kreis zur Förderung des physischen Gemeinwohles bilden die öffentlichen Sanitätsanstellungen im Allgemeinen, da jeder angestellte Arzt — welcher Behörde er auch immer angehören mag, schon bei seiner Beeidung im Antritte des Dienstes sich der Verpflichtung zur Krankenhilfe überhaupt unterzieht. Nur bei wenigen, speciellen Leistungen unterliegenden Sanitätsäm¬ tern schließt der Eid diese Verpflichtung nicht em, doch bindet auch dort den Arzt zur Krankenhilfe der Bestand der allgemei¬ nen Vorschriften. Die eigentliche Verpflichtung zur Krankenhilfe, als vor¬ zugsweise bezeichnete Dienstobliegenheit, umschließt den Wirkungs¬ kreis der angestellten Gemeinde - Sanitäts - Individuen. Sie bil¬ den die Cathegorie der Stadtphysiker, Stadtchirurgen, Stadt¬ armenärzte, Stadtaugenärzte, Communalärzte, Communalchirur- 74 gen und Bezirkschirurgen, wie auch im geburtshilflichen Fache der Gemeinde - Hebammen. Dieses Sanitätspersonale ist im Solde der Gemeinden, von den Magistraten, Communalbehörden und von den Bezirks¬ obrigkeiten , je nach dem gemeindeleitenden administrativen Kör¬ perstand, (Stadtmagistrat), Land- Communalmagistrat, Be¬ zirksobrigkeit (als erste Communalbehörde mehrerer vereinten Ge¬ meinden) in politischer Sphäre abhängig, empfängt von diesen die Weisungen und richtet an dieselbe seine ämtlichen Einlagen. Hierin ist bloß die Residenzstadt Wien ausgenommen, de¬ ren Stadtphysiker Staatsanstellungen bilden; der erste mit dem bloß für diese Stelle bestehenden Charakter eines Sanitätsma¬ gisters. Dessenungeachtet istder Stadtmagistrat auch dort ihre un¬ mittelbar vorgesetzte Behörde in politischer Richtung. Dieses gesammte Sanitätspersonale hat aber auch die Verpflichtung, allen übrigen Behörden — insofern diese eine specielle Dienst¬ leistung zum öffentlichen Zwecke von ihm fordert, Folge zu lei¬ sten. Insbesondere haben die Justizbehörden das Recht, die Sa- nitätsglieder jeder Cathegorie als Kunstverständige in den man¬ nigfaltigen Leistungen der gerichtsärztlichen Sphäre zu verwen¬ den, so wie es allen übrigen öffentlichen Behörden zusteht, von denselben nicht nur die Ertheilung von Gutachten im Bereiche der sie berührenden sanitätspolizeilichen Rücksichten überhaupt, sondern selbst ärztliche Hilfe, wo diese durch besondere Ergebnisse bei dem, einer solchen Behörde unterstehendem Dienststande er¬ mangelt, zu fordern, so z. B. die Cameral - Behörden für die Finanzwache, die Militär-Behörden für ihre Urlauber u.dgl. Dieser Wirkungskreis eines Gemeindearztes überhaupt, so ausgedehnt er nun schon durch die Amtsverpflichtungen erscheint, wird seine Gränzen noch immer weiter rücken, da die öffentliche Sorge für das physische Wohl der Bevölkerungen, auf dem sich stets mehr erweiternden Grunde der Philanthropie eine bedeu¬ tende Steigerung in dem ärztlichen Wirkungskreise suchen wird. 75 Den ersten Bereich der Amtspflicht des Gemeindearztes un¬ ter jeder Benennung — bildet die Förderung des physischen Wohles der Gemeindeglieder. In einzelnen Erkrankungen eben so als in Bezug aus den hierauf gerichteten allgemeinen Gesund¬ heitszustand, wenn er durch irgend ein Verhältniß schon er¬ schüttert, oder wenn er auch nur bedroht und gefährdet erscheint. Diese letzte Einwirkung ist — wo die Wissenschaft und die -Mittel zu ihrer entsprechenden Einführung sie getreulich erzielen wollen und können — die bei weitem unfangreichere und ver¬ dienstlichere, nach den wohlthätigen Folgen, die sie im gan¬ zen Gemeindestande hervorbringt. In der Befestigung des physischen Wohles der Gemeinden beruht die Staatskraft, und dieses Wohl hängt so vielfach von den physischen Verhält¬ nissen und Eigenschaften der Individuen ab, daß deren Förde¬ rung wohl einer ausgedehntem Rücksicht, als sie bisher Statt hatte, unterzogen werden müßte, da eben das Entscheidende für dieses Wohl, nicht so sehr in der Krankenbehandlung, als in der Entfernung gesundheitswidriger Einflüsse bezweckt werden soll. — Der Gemeindearzt, von der Gemeindeleitung und von ihren Mitteln abhängig, insoferne seine Einwirkung ausschließlich nur Gemeindezwecke besorgt, — wird nach dem gegenwärtigen Be¬ stände seines Amtes, jedoch meist nur in ersterer Richtung ver¬ wendet. Er ist nämlich hauptsächlich nur der bestellte Heilarzr für die Gemeindeglieder, insbesondere für die armen Erkrankten im Gemeindeverbande. -— Zur Förderung des zweiten großartigen Zweckes mangelt es meistens noch bei den Communen eben so, als bei den von ihnen angestellten Sanitätsindividuen, an der hiezu geforderten Intelligenz zur Beurtheilung der Vortheile von solcher Dienstleistung — und an Fonden und Mitteln, dieselbe zu bewirken. Außer den italienischen Provinzen unsers Kaiserstaates und außer den etwas beträchtlichen Städten findet man nur eine höchst beschränkte Anzahl eigentlicher Gemeindeärzte. Diese Anstellung wird fast überall am Lande nur durch Bezirkswundärzte verwaltet, welche mehreren Gemeinden vereint 76 zur Hilfsleistung zugewiesen werden, so, daß im Durchschnüte bei einer Bevölkerung von 5006 Seelen ein solcher Bezirks¬ wundarzt mit einer Remuneration von 50 bis 100 sl. angestellt ist, welche aus der Bezirkscasse — vereinte Gemeindemittel, geschaffen durch Steuerprocenten - Zuschläge, fließen. Dieses Sanitäts-Bezirkspersonale untersteht unmittelbar den Bezirksobrigkeiten und erhält von denselben die Aufträge, welche in wissenschaftlicher Beziehung von den DistrictS- oder Bezirksphysikaten und von den Kreisämtern im Wege der Be¬ zirksobrigkeiten an dieselben gelangen. Da jede ärztliche Hilfsleistung oder Beantragung zur Ent- fertigung eines Sanitätsgeschäftes der höhern Beaufsichtigung unterliegt, sobald ihre Einwirkung einen etwas allgemeinen Cha¬ rakter annimmt, oder ungewöhnliche, nicht schon im Woraus bemessene Communalmittel fordert — so tritt die Einführung der Maßnahmen — oder doch wenigstens die Fortsetzung derselben, falls der Drang der Umstände sogleiche Einleitungen etwa nothwendig machten, durch die erwähnten vorgesetzten Behörden ein und unterliegt stets ihrer Controlle. Ja selbst die Behand¬ lung der kranken Bezirksarmen, untersteht mit periodischen Be¬ richterstattungen einer gewissen Ueberwachung von Seite der Districtsyhysiker, welchen diese Berichte gleich bei Uebernahme eines solchen Kranken zugestellt werden. Die Behandlung bei Bolkskrankheiten leiten aber die Phy¬ siker durch persönliche Besuche, welche sie in 8 oder 14 Lagen ein Mal bei den Kranken pflegen, um den behandelnden Wund¬ ärzten die gehörigen Weisungen zu ertheilen. Es gibt noch so manche andere zur Sprache später ge¬ brachte Gegenstände der Krankenpflege und der Medicinal-Po¬ lizei, wobei die gemeindeärztliche Einwirkung ämtlich eintritt. Bei Behandlung jener Kranken, welche sich auf eigene Kosten mit den Arzneien versehen, haben sie das Recht, ein Honorar zu fordern. Die Städte haben, je nach der Ausdehnung des Gebietes, eigene besoldete Stadtärzte. In größeren Städten haben sie 77 ihre Stadttheile bezeichnet, in welchen sie vorzugsweise die Ar¬ menpraxis zu üben haben. Nebstdem theilen sie sich in alle Geschäfte der öffentlichen Sanitätspflege im Stadtbereiche, so wie in die ärztliche Besor¬ gung der Versorgungs-Institute, der städtischen Verhafteten und Schüblinge, und aller medicinisch - polizeilichen Vorkehrun¬ gen und gerichtsärztlichen Untersuchungen. In Städten bestehen auch eigene Anstellungen für Chi¬ rurgen , um die chirurgische Behandlung bei den Armen zu füh¬ ren. Sie sind überdieß gewöhnlich mit dem Lodtenbeschau-Amte, mit der Fleischbeschau und mit den Leichensectionen insbesondere betheilt. Diese städtischen Anstellungen sind mit fixen Gehalten von 200 bis 600 fl. CM. und Pensionsrechten gleich andern Stadt- bedienstungen verbunden. Bei den Magistraten in Ungarn, Kroa¬ tien und Slavonien werden sie durch Wahlen, wie die übrigen Magistratspersonen, ernannt. In den deutschen und italienischen Provinzen haben die Städte das Vorschlagsrecht, wobei ge¬ wöhnlich die Gemeindeausschüsse einvernommen werden. Die Kreisämter — in Italien Delegationen — geben ihr Gutach¬ ten, und die Landesstelle ernennt sie. — Dasselbe Verfahren findet Statt bei den, in den übrigen deutsch - slavischen Pro¬ vinzen die Stelle des Gemeindearztes vertretenden Chirurgen. Bei jenen Gemeindeärzten aber, welche ihre meisten Emolumente im Einverständnisse der Parteien mittelst Subscriptionen zu Jah¬ resbeiträgen empfangen, wie sich in Italien, Istrien, Dalma¬ tien und auch schon in Illyrien die Gemeindeärzte constituiren, da bedarf es nur der Aufweisung der ärztlichen Berechtigung und der Bestätigung des eingegangenen Vertrages zwischen dem Arzt und der Gemeinde. In politisch - administrativer Hinsicht hängt dieses Personale insofern von der Gemeinde-Administra¬ tion ab, als es dieser zukommt, auf die genaue Erfüllung der betreffenden Instructionen oder besonder» Verbindungen — wie sie die so eben erwähnten Gemeindeärzte eingehen — zu wachen. 78 Die Behandlung bei besonder» Volkskrankheiten, so wie die Untersuchungen und Leistungen in der Sphäre der medicini- schen Polizei — welche von den Behörden ihnen aufgetragen werden — sind sie verpflichtet zu übernehmen, insofern die Amts- wirksamkeit die ihrer Sorge anvertraute Gemeinde betrifft. Außer derselben können sie nur ausnahmsweise Hilfe leisten. In wissenschaftlicher Beziehung wird dieses gestimmte Sa¬ nitätspersonale von seinen vorgesetzten Physicatsbehörden in so weit geleitet, als diese in Bezug auf das Verfahren in diäteti¬ scher, therapeutischer und medicinisch - polizeilicher Hinsicht keine besonder» Anstöße gegen die bestehenden Normen und Behand¬ lungsweisen in den ihrer Beurtheilung zugestellten Berichten vorfinden. Die eigentliche Regelung aber der ärztlich wissenschaft¬ lichen Anzeige bei der individuellen Krankenbehandlung kann höchstens consultutiv dort modificirt werden, wo der zur Nach¬ sicht dieser Behandlung amtlich abgeordnete Districts - oder Kreisphysiker (in Italien Delegationsarzt) den behandelnden Gemeindearzt von einer andern Ansicht überzeugt. Dieses Com- munal-Sanitätspersonale reicht alle seine Anzeigen, Ausarbei¬ tungen, Sanitätsrapporte und Jahres - Sanitätsberichte durch die ihm vorgesetzte Communalbehörde oder Bezirksobrigkeit ein. Falls nun diese irgend eine Vorkehrung ohne Verschub treffen müßte, so hat sie diese auf dem Grunde der ärztlichen Darstel¬ lung sogleich einzuleiten, unter einem aber hievon das Districts- oder Bezirksphysicat — wo solche bestehen — oder das Kreis¬ amt mit Vorlage der bezüglichen Acten in Kenntniß zu setzen. Letzteres muß bei besonder» Ergebnissen auch dort gleichzeitig veranlaßt werden, wo Districtsphysicate bestehen. Nach erfolg¬ ter Erledigung dieser Berichte, leiten die höhern Weisungen das weitere Verfahren. In gerichtsärztlicher Hinsicht haben diese Sanitäts - Indi¬ viduen sich den Anordnungen der Gerichte zu fügen, und die ihnen aufgetragenen Untersuchungen, Gutachten und Kunsturtheile nach Andeutung der gestellten Anforderung zu erstatten. 79 Die meisten Bezirke in den österreichischen Provinzen ha¬ ben eine Bevölkerung von 4 bis 19.099 Seelen. Viele von diesen entbehren noch ganz eines Gemeindearztes, und alle ärzt» liche Hilfe wird ihnen nur durch den Bezirkschirurgen >— welcher unter Einem als Apotheker die Arzneien verabfolgt, geleistet. Es tritt hier somit nicht bloß Selbst-Dispensation und Man¬ gel aller Controlle, sondern auch die Uebung von Fächern ein, in welchen der Wundarzt nur oberflächliche Kenntnisse erlangte, nämlich in den medicinisch - und naturhistorischen Wissenschaften. Zm Ganzen werden in den inner-österreichischen Provinzen, insofern die Städte nicht eingerechnet werden, etwa 59.009 Seelen auf einen Arzt kommen und bei 5909 unge¬ fähr mögen auf einen Wundarzt fallen. Im Königreich Ungarn, Croatien und Slavonien ist das Verhältniß noch ungünstiger. Die Städte haben gewöhnlich 2 Stadtärzte, einen, auch zwei Stadtchirurgen, wenn sie auch mehr bevölkert sind, da eben auf Rechnung der allgemeinen ärztlichen Verpflichtung durch Privatärzte, oder andere, in solchen Städten vom Staate besoldete Aerzte die Sanitätsgeschäste, insbesondere die zahl¬ reiche Armenpraxis entfertiget werden. Das Detail der ärztlichen Aufgaben, welches dieses ge¬ jammte Sanitätspersonale zu lösen hat, wird am entsprechen¬ den Orte später zur Verhandlung kommen. C r i t i k. Wenn man die allen Anforderungen einer Stadtgemeinde auch nicht genügenden Stadtphysiker - und Stadtchirurgenstellen ausnimmt, so wird es nicht schwer fallen, den Beweis durchzu¬ führen , daß eigentlich gar keine gehörig organisirte ärztliche und wundärztliche Hilfe für die Landgemeinden bestehe. Wenn am Lande nur 5 Kranke im Durchschnitte fortan gerechnet werden wollen, und wenn man nur einen Besuch täglich für jeden bemißt, so müßte schon ein solcher Arzt täg¬ lich 89 Besuche machen. Doch man rechne, daß nur die Hälfte 80 von diesen Erkrankungen solcher Hilfe bedürftig sey, und daß nur der vierte Lheil sie anspricht, so ergibt sich, daß ein Arzt am Lande etwa 20 Besuche täglich — und hiervon mehrere in weiten Entfernungen zu machen hat, und daß, wenn unter die¬ sen abermals nur die Hälfte unentgeltlich behandelt werden muß — er eine schwere Last von Arbeit im Tage für seine äußerst beschränkten Anstellungs - Emolumente trägt, also ungefähr ge¬ sagt— die Arbeit gleich einem Kanzleischreiber verwendet, wel¬ cher nichts als die Schreibekunst eingelernt hat, und mit aller Bequemlichkeit seine Leistung um den sechsfach höhern Lohn ver¬ richtet, während der mit der höchsten Schulbildung begabte Arzt unter steter Anstrengung seiner geistigen und körperlichen Kräfte größtentheils unentgeltliche Dienste leistet. Die Entgegnung aber, daß ein solcher Arzt durch die zahlenden Parteien entschädiget werde, sich somit in dieser Art sein Erwerb steigert, ist un¬ praktisch und unbillig, weil die zahlenden Parteien am Lande große Mühe gewöhnlich mit kümmerlichem Entgelt, oder auch nur mit wenigen Nahrungsmitteln entschädigen, und weil die Bemessung eines Entgeldes von Privaten mit den geleisteten öf¬ fentlichen Diensten nichts gemein hat, indem die persönlichen Vorzüge und hierdurch zu bemessenden Einnahmsquellen kein Recht geben, hierauf eine fremde Last zu legen. Man sagt freilich — es sind diese Lasten bekanntermaßen mit den Anstellungen verbunden und die Gemeinde findet ihre Kunstverständigen, welche sie willig und zwar um den niedrig¬ sten Handlangerverdienst tragen. — Welche Kunstverständige hat sie aber gefundenund können diese wohl gewissenhaft solche Verpflichtungen ausfüllen? Das hat man nicht gefragt, und darum steht es eben mit diesen Dienstbesetzungen durch Wund¬ ärzte gegenwärtig oft auf eine Weise, daß die Wissenschaft durch ihre eigenen Vertreter der größten Zurücksetzung Preis gege¬ ben wird. Der Wahrheit des physischen Leidens im Volke forscht man selten nach! — Es ist als wenn man sich mit Willen in der Unkenntniß dieser Zustände zu erhalten suchte, damit bei so vie- 81 len anderweitigen Anforderungen diese zahlreichen Bedürfnisse nicht auch an's Tageslicht gelangen. Hat aber ein Arzt gegen solche Mängel seine Stimme erhoben, so werden seine Ansichten dem Ultra optimi'sm und seine Vorschläge der Utopie zugewie¬ sen, da keine Klagen der Parteien vorliegen, welche die Freunde der Gesetze im Jnstanzenzuge zu verhandeln hätten. Es ließe sich leicht erörtern, daß bei jetzigem Stande der Dinge kaum ein Fünftheil der Kranken am Lande entsprechende ärztliche Hilfe, ob auch nur von Chirurgen ertheilt, genieße. Schon die materielle Zeit reicht nicht hin, ein Mehreres zuzulassen, da der Landwundarzt, in der Regel auch nur mit kargem Ver¬ dienste betheilt, nicht in der Lage ist, für Ritt- oder Fuhrkosten zu sorgen. Daß der Mangel meist der Armuth zur Last fällt, ist erklär¬ lich — denn der so elend remunerirte Bezirks - Wundarzt muß leben, und der Arme denkt in der Regel gar nicht an sein Recht, die ärztliche Hilfe zu fordern, und wenn er sie auch erlangte, was kann sie ihm frommen, da es ihm in seiner elenden Hütte an allem ermangelt, was die ärztliche Hilfe gedeihlich macht? Wo aber die Communalärzte bestehen, da verpflichtet ein Privatvertrag dieselben vorzugsweise zur Hilfeleistung bei den subscribirten Gemeindegliedern, und dann bleibt ihnen um so we¬ niger Zeit für die Nichtsubscribirten — nämlich für die Armen zu sorgen. Im Ganzen ist also die bestehende ärztliche Hilfe, welche gegenwärtig die Gemeinden genießen, absolut und relativ unge¬ nügend. Ueberall muß sie der größere Theil der armen Leiden¬ den entbehren, und wo er sie erlangt, ist sie großentheils in wissenschaftlicher Hinsicht um so mehr unbefriedigend, als alle diätetischen Verhältnisse gegen dieselbe auch noch ankämpfen. In dieser Richtung muß auch noch die psychische Seite des Arztes in Erwägung gezogen werden. Der Landwundarzt erfüllt hierin selten die heikliche Bestimmung seines Standes. Wenige, durch Selbstbildung sich erhebende Landchirurgen aus¬ genommen , ist der Wundarzt nur zu einem Gewerbsmanne aus- 6 82 gebildet, und nur als solcher betreibt er sein Fach. Gemüth und Seelenftärke, welche sich im höheren Wissensbereiche klären, sind ihm minder eigen, und doch bedarf er deren in hohem Grade, denn die ihn stets umgebenden Leiden sollen seine treue Men¬ schenliebe immer mehr anregen, nicht aber herabstimmen und endlich abstumpfen, um die schönste Seite seines Berufes zu vernichten. Will man also in allen geforderten Richtungen der Ge¬ meinde eine möglich vollständige, treue ärztliche Hilfe zuführen, so kann eine solche Sorge nur dann heilbringend eingeleitet wer¬ den, wenn folgenden drei Anforderungen möglich genügt wird: u) Nur vollständig und allseitig gebildeten Aerzten sey diese Hilfe anvertraut. si) Die Ausführung derselben sey in ein Raumverhältniß gestellt, um ihre Anwendung allgemein möglich zu machen. e) Die diätetischen Erfordernisse seyen in der Art einge¬ richtet, daß für die, allen Entbehrungen ausgesetzten kranken Bezirksarmen die Möglichkeit einer entsprechenden Hilfeleistung gegeben werde. Diese Zwecke insgesammtlaffen sich vereinen und in einer wohl¬ geregelten Einrichtung der gemeindeärztlichen Anstellung auffaffen. Daß nur ein allseitig gebildeter Arzt den gegebenen An¬ forderungen genügen könne und daß eine solche Hilfe auf dem Lande ebenso nothwendig sey, wie in den Städten, ist schon besprochen worden. Jede Einwendung hierüber erscheint als eine Todsünde, die an der Menschheit, so wie an der gesunden Vernunft begangen wird. Daß es aber an solcher Hilfe nie und nirgends erman¬ geln wird, wenn die Einrichtungen den Anforderungen conse- quent folgen — mögen die Anträge nachweisen. Für die gegenwärtige Zeit, wo die Communalkräfte noch schwankend und bezüglich auf die großen Anforderungen noch so untergeordnet sich darstellen, wird es genügen müssen, wenn ein Gemeindearzt als vollständig ausgebildeter Heilarzt für die Bevölkerung von etwa 800V Einwohnern bestellt wird. Bei 83 einer solchen Anstellung liegt die größte Schwierigkeit, nicht etwa in der Herbeischaffung der Subsistenzmittel für solche Aerzte, sondern in der gewünschten Ausführung der Hilfeleistung bei sol¬ chen Armen, welchen es an aller diätetischen Hilfe — und ins¬ besondere an einer zweckmäßigen Unterkunft fehlt. Ich meine hiemit ein Locale zur Unterbringung, Pflege und Heilung jener unglücklichen Kranken, welche in einer Ge¬ meinde, verlassen von aller entsprechenden Hilfe, auf Lagerstätten ruhen, wo das kälteste Auge vor dem Anblick erbebt. — Zn irgend einem Gebäude, oder selbst in der Wohnung des Gemeindcarztes auf dem Lande, sollten zwei Localitäten, wo solche Unglückliche ihre Unterkunft und ihre ärztliche und diätetische Pflege genießen, hergestellt werden. Für eine solche Wohnung des "Arztes, mit Einbeziehung dieser zwei Zim-- mer zur Unterbringung kranker Armen, müßte von Seite der Gemeinden gesorgt werden. — Die Regierung fordert mit vol¬ lem Rechte von den Gemeindegliedern und den Besitzern zu ih¬ rem Seelenheile und zu ihrer ersten Bildung Opfer, welche die Erbauung eines Pfarrhofes, eines Schulhauses und die Besor¬ gung der Congrua sichern. Es läßt sich aber der Beweis liefern, daß das physische Wohl der Gemeindeglieder wohl auch eine der Art Rücksicht verdiene? Nicht nur in der Erhebung der Men¬ schenrechte durch Menschenliebe findet sich dieser Beweis, auch für das Gedeihen der Staatskraft dürfte diese Anforderung würdigende Anerkennung finden. Die Gemeinde soll — und insbesondere ihre wohlhabenden Glieder sollen — nicht bloß darum zu Opfern bestimmt werden, damit den, oft auch durch Selbstverschulden arm gewordenen Gemeindegliedern geholfen werde; >— es soll gerade durch diese Hilfe, und die für dieselben gebrachten Gemeindeopfer, die Ge¬ meinde selbst und der Staat ihre reelen Vortheile schöpfen. — Die ehemögliche Heilung der Kranken, welche hilflos dem Elende und der gefährlichen Ausbildung der Krankheit überlassen sind, und welche meist dadurch den ersten Herd zu den sich verbreiten¬ den Volksübeln bilden — wird für die gesammte Gemeinde in 6* 84 gar vielen Fällen der Art Folgen herbeiführen, daß deren Be¬ rechnung , ob sie nun auch nur theilweise bewirkt werden kann, alle dießfälligen Opfer verschwinden macht. Die Blattern, die Nervenfieber, die Rühren, der Scharlach -- insgesammt mör¬ derische Uebel, die, wenn sie einmal in einem gewissen Umkreise ihre Miasmen verbreiten, was bei versäumter Hilfe in den ersten Erkrankungen häufig Statt findet, können durch eine derart geregelte Hilfsleistung großentheils hintangehalten und in ihrem ersten Entstehen erstickt werden. Welche zahllosen Opfer, die diesen Volksübeln gewöhnlich anheimfallen, würden durch eine solche geregelte Hilfe gerettet, und welche Kosten eben den Ge¬ meinden und dem Staate durch die jfrühere Versiegung solcher Krankheiten erspart werden; diese Berechnungen, obschon sie sich ziffermäßig nun nicht stellen lassen, kann die bisherige Er¬ fahrung und ein gesunder Blick in die Verhältnisse des Volkes und in ihre Leiden im Allgemeinen unschwer nachweisen. Ueber- all,wo eine weitere Vertragung dieser und ähnlicher Krankhei¬ ten durch Contagien und Luftschwängerung mittelst miasmati¬ scher Effluvien sich ergeben hat, wird es sich erheben lassen, wie aus den ersten, in der Behandlung vernachlässigten Fällen ein Krankheitsheerd sich bildete, aus dem die weitere Ausdehnung oder Verschlimmerung des Nebels auf unbezweifelte Weise her¬ vorging. Und hier trägt nur die Verlassenheit alle Schuld. Diese Angabe läßt sich insbesondere dort klar erforschen, wo gleich im Beginne günstig einwirkende Einflüsse der Art Krank¬ heiten in ihrem ersten Ursprünge durch entsprechende Gegenmit¬ tel behoben, und so auch ihre Verbreitung gehindert haben. Hie¬ rin fordert aber auch die Theorie ihre Rechte, und die Wissen¬ schaft weiset sie unbezweifelt nach. — Wer also in der Wesenheit des Zweckes, nämlich in der voll¬ ständig und allgemein auszudehnenden erfolgreichen Hilfeleistung keinen hinlänglichen Grund zur Realisirung eines solchen Antra¬ ges findet, der suche sie selbst in den finanziellen Vortheilen durch Ersparung großer Auslagen bei rechtzeitiger Verhinderung weit reichender Volkskrankheiten; und sicher ist es, daß selbst bei 85 solchen Epidemien, welche wir aus fremden Landen von Zeit zu Zeit empfangen, die Armuth und das sich selbst überlassene Elend den stärksten Leiter des Unheiles bildet, wie dieß die Pest und die Cholera uns sattsam lehren. Ich glaube aber auch, es erweisen zu können, daß diese all¬ gemeine Anstellung von Gemeindeärzten weder dem Staate, noch den Gemeinden größere Auslagen verursachen können, als sie so¬ gar die gegenwärtige mangelhafte Besetzung dieser Stellen for¬ dert, insofern nämlich eben diese einmalige Kostenbedeckung zur Errichtung einer förmlichen Wohnung für den Arzt und des hie- mit verbundenen Nothspitales in diese Rechnung nicht einbezogen wird, was eben in Bezug auf den Zweck der Unterbringung von Kranken auch füglich nicht geschehen kann. Der Landarzt, welcher als Gemeindearzt ein förmliches Ge¬ meindeglied durch persönlichen Besitz zu bilden hätte, und dem auch eine theilweise Administration in den Gemeindeangelegen¬ heiten, mit großem Vortheile der Gemeinden, zugestanden wer¬ den könnte, würde durch eine solche Einrichtung an seinen An¬ stellungsort, wie an seine Heimat angezogen und dieselbe schwe¬ rer verlassen, als bei dem gegenwärtigen precären Stand seiner Unterkunft, wo jede, noch so geringe, anderweitige Bestimmung den steten Wechsel des Sanitätspersonales am Lande zum Nach¬ theile der Bevölkerung herbeiführt. In vielen Bezirken unserer Provinzen würde es auch geringer Opfer bedürfen, solche Wohnungen herzustellen, da die nun be¬ stehenden, sogenannten Spitäler und Armenhäuser hinreichende Räumlichkeit bieten, ohne mindeste Gefährdung ihrer Stiftungs- beftimmung, auch den Arzt, welchem am zweckmäßigsten gleich¬ zeitig die Stelle eines Armenverwalters anzuvertrauen wäre, dort zu unterbringen. Wo sich aber der Bau eines solchen Gebäudes nothwendig darstellt, da bedarf es auch keiner besonder» Aufopferung, um denselben zu bewirken. Die übrigen fixen Emolumente eines solchen Gemeindearz¬ tes seyen auf ein jährliches Einkommen von 50V fl. C.M. fest- 86 gesetzt, für welches er jedoch alle öffentlichen Dienstleistun¬ gen ohne weitere Entschädigung zu vollziehen hätte. Diese Ko¬ sten nun würden, wie gesagt, die gegenwärtig für die Bezirks- Wundärzte bestrittenen kaum übersteigen; da jedoch die Zahl der Aerzte vermehrt wird, ist cs natürlich, daß im Ganzen die Summe sich steigert, allein diese Steigerung findet nicht auf Kosten der Gemeinden Statt. Gegenwärtig bezieht ein Bezirks-Chirurg jährlich, wenn alle Entschädigungen aus öffentlichen Fonden zu¬ sammengerechnet werden, auch nicht weniger. Alljährlich kommen in einer Provinz einzelne Particularien über Forderungen der Wundärzte bloß für Behandlungen der Volkskrankheiten vor, welche die Summe von mehreren hundert Gulden erreichen, nicht gerechnet die Particularforderungen der Districts- und Kreisphysiker, welche für die Nachsichten bei sol¬ chen wundärztlichen Behandlungen und für anderweitige, in medicinisch - polizeilicher Hinsicht bewirkte Reisen, durch die von den Bezirkscassen zu tragenden Borspannsentschädigungen, eine beträchtliche Auslage den Bezirks-Caffen auferlegen. Doch kömmt bei Sanitätsauslagen aus den Bezirks-Caffen eine feststehende jährliche Ausgabe vor, welche alle diese noch übersteigt, und das ist die durch die Kreisconcurrenz sie treffende Entschädigung für die Krankenanstalten. Durch die obige Einrichtung, wornach die Gemeinden ihre kranken Armen der einzelnen Behandlung bei den Gemeinde¬ ärzten unterziehen, behebt sich diese Kreisconcurrenz für die Pro¬ vinzialkrankenanstalt, und es bliebe nur für jene, der Provinz angehörenden Kranken diese Kreisrepartition in der Anwendung, welche in auswärtigen Krankenhäusern verpflegt, nirgends ein Decennium des Aufenthaltes erreichten, somit ihre Geburtsge¬ meinden die Entschädigung an die fremden Krankenhäuser zu tragen hätten, was insgesammt nicht den achten Theil der obi¬ gen Forderung für eine Bezirkscaffe jährlich ausmacht. Es ist richtig, daß die Verpflegung für die kranken Armen des Bezirkes auch bei den Gemeindeärzten eine besondere Ent¬ schädigung fordert; doch würde diese gewiß nicht ein Drittheil 87 der bisherigen Auslagen erreichen, und den besonder» Vortheil nach sich ziehen, daß allen kranken Armen des Bezirkes wirklich die geforderte Hilfe zu Lheil würde, was nun durchaus nicht Statt findet, weil die etwas von dem Provinzial-Krankeninsti- tute entlegenen Bezirke, welche natürlich die große Mehrzahl bilden, nur wenige chronische Kranke in dieses Institut senden können, die Kreisrepartition nach der Bevölkerungszahl der Be¬ zirke entziffert, die Belastung nach dieser festgesetzt, somit die Mehrzahl der Bezirke zu Ausgaben zwingt, welche sie durch ihre wenigen Kranken nicht verursachten. Während ich in Bezug auf das Detail dieses Gegenstandes die weiteren Erörterungen mir Vorbehalte, sey hier bloß be¬ merkt, daß die sogenannten Provinzialkrankeninstitute, welche ei¬ gentlich nur städtische Localanstalten sind, durch die bedeutenden Regiekosten und Bauherstellungsauslagen einen Aufwand ver¬ ursachen, welcher die Verpflegstaxe von 30 kr. täglich für jeden Kranken in der Regel überschreitet. Daß ein solcher Aufwand für die Behandlung der kranken Bezirksarmen bei den Gemeindeärzten kaum die Hälfte erreichen würde, ist erklärlich, da die einfache Berköstung für den Land¬ mann nur Geringes fordert und selbst diese großentheils, so wie die übrigen Erfordernisse für die 2 Zimmer mit 20 Kranken¬ betten, durch die Gemeinde mittelst Verwendung des Arztes und der Landgeistlichkeit unschwer herbeizuschaffen wären, was nun nicht Statt findet, da die Gemeindeglieder nicht geneigt sind, für fremde Arme in den allgemeinen Krankenhäusern solche Bei¬ träge zu leisten. Die anzustellende Mehrzahl der Gemeindeärzte würde jedoch, im Ganzen genommen, in einer Provinz den Aufwand erhöhen, da z. B. im Kreise Laibach am Lande unter 140.000 Seelen 16 Bezirks-Wundärzte bestehen, nach dem Anträge zur Errich¬ tung der Gemeindearztesstellen aber bei 20 ärztliche Anstellungen zu begründen wären, welche einen Aufwand von 10.000 fl. fordern. 88 Die Sanitätsauslagen aller 40 Bezirke im Kreise außer der Hauptstadt, verursachen eine Lotaljahresauslage von ungefähr 40 000 fl. Hiezu das Staatsärar für Sanitätsauslagen im Kreise an Diäten, dann Besoldungen der 3 Districts - Phy¬ siker zu 400 fl., im Ganzen 3.000 fl. An Auslagen aus den Rentcaffen für Sanitätsver¬ richtungen 500 fl. stellt die Summe im Ganzen von 43.500 fl. Hier sind nun abzuziehen die Krankenverpflegskosten, welche unter den Bezirks-Sanitätsauslagen einbezogen sind, so wie die geringen Remunerationen für die Bezirks-Hebammen, was mit Rücksicht auf die schon erwähnten Nachweisungen einen Mehr¬ aufwand im Ganzen von höchstens 3000 fl. jährlich im Kreise verursachen würde. Wenn bei der Einrichtung der Gemeindeärzte die von selbst entfallende Anstellung von Districtsphysikern, und die ersparten Auslagen an Diäten und Reiseentschädigungen den Gemeinde- ärztcn zugewiesen werden; wenn hiezu von den ebenso entfallen¬ den Kreischirurgenstellen diese jährlichen 300 fl. C.M. zugerech¬ net und die Rentcaffen zu bestimmten Tangenten belastet wer¬ den, da alle diese Verrichtungen in der öffentlichen Wirkungs¬ sphäre des Gemeindearztes zu erfüllen sind; wenn ferner die Land-, Spital- und Armeninstitutsfonde nach ihren sichtlichen Bestim¬ mungen den kranken Gemeindearmen ihre Beiträge leisten, so wird im Ganzen dieser Mehraufwand wohl nur als ein gering¬ fügiges Opfer gegen die möglich vollständig erreichten Zwecke anzunehmen seyn, und es dürfte in dieser Beziehung selbst der Staat, dessen Interesse an dem physischen Gedeihen der Bevöl¬ kerungen mächtig hängt, eine noch geringe Zubuße für der Art wohlthätige Einwirkungen nicht versagen. Doch alle diese Opfer würden nur allmälich gefordert wer¬ den, da solche Besetzungen der angegebenen Stellen nur mit der Zeit bewirkt werden können, indem nur mit der allmäligen Ab- 89 nähme der gegenwärtigen Chirurgen und mit der anwachsenden Ausbildung des ärztlichen Standes für einen so großen Bedarf die gesammte Organisation ins Leben treten kann, weßhalb auch die zu treffenden Einleitungen im Beginne kaum eine fühlbare Veränderung in den Opfern Hervorrufen würden, obschon die hiedurch nachzuweisenden Vortheile bald ihre günstige Wirkung außer allen Zweifel setzen müßten. Man bestelle aber für den Anfang vorzugsweise in den Hauptbezirksorten, wo auch ge¬ wöhnlich die Landesspitäler und Versorgungshäuser bestehen, solche Gemeindeärzte, und es wird das günstige Beispiel die übri¬ gen Gemeinden sicher anregen, selbstwillig zu Opfern zu schrei¬ ten, um die gleichen Vortheile zu erlangen. Zur Erreichung dieses Zweckes wäre aber nun schon vor¬ zugsweise das erste Mittel darin zu erfassen, daß die Reorga¬ nisation der medicinisch-chirurgischen Lehranstalten den verschie¬ denen, in unserer Monarchie bestehenden Nationen die Gelegen¬ heit auch biete, die gehörige Ausbildung zu erlangen. >— Da nun einmal der Grundsatz ausgesprochen ist, daß die kleinen chi¬ rurgischen Curse aufgehoben sind, so wird es nirgend an der hinreichenden Zahl von gebildeten Jünglingen ermangeln, welche sich durch der Art sichergestellte Aussichten für ihre Zukunft an¬ gelockt finden werden, den vollendeten Studien der Arzneikunde sich zu widmen. Die dienstliche Stellung des Gemeindearztes bei der Com¬ mune hätte den Charakter eines Communalausschusses anzuneh¬ men , so daß derselbe bei den Bezirksobrigkeiten die Anstellung eines berathenden Gemeindearztes, wie dieß gegenwärtig bei den ökonomischen Stadtmagistraten, wo ungeprüfte Räthe sich be¬ finden, einzunehmen hätte. Es gibt gar viele Gegenstände der Communaladministration, wo der Rath eines gebildeten Arztes von Belange sich bethätigen würde, und wo dessen Aufklärun¬ gen den Bezirksvorstand und den Bezirksrichter zur überzeugen¬ den Anschauung führen könnten. Jedenfalls kann es nur zweck¬ mäßig seyn, diesen Gemeindebeamten eine Mithilfe zu geben, welche so vielen Absichten sachverständig entgegenkömmt. 90 Es ist begreiflich, daß deßhalb den Gemeindeärzten, da sie nur berathende Gemeindeorgane zu bilden hätten, keine politi¬ sche Gewalt einzuräumen ist, und daß der Bezirks- oder Gemein¬ devorstand oder dessen Stellvertreter als unmittelbare Amtsvor¬ gesetzte anzusehen seycn. Nachdem der Communalarzt alle er¬ wähnten ofsiciö'sen Beschäftigungen, worunter auch die in seiner Gemeinde ihm allein anzuvertrauende Impfung und Revaccina- tion einzuschließen ist, ohne weitere Entschädigung, somit ohne alle Rechnungs - und Forderungsnachweisungen zu vollziehen hat, muß auch die Gemeinde und der Staat jene Garantie von ihm erlangen, wodurch sein Wirken und dessen Erfolge außer Zweifel gesetzt werden. Bei Dienstleistungen, welche das anschauliche Wohl der Ge¬ meindeglieder bezwecken, da ist zwar die öffentliche Stimme der beste Richter; doch wird dieser nicht stets getreulich nachgeforscht, und es fordert die öffentliche Administration jedenfalls vorliegende controllirte Nachweisungen. Der Gemeindearzt hätte eine ganz einfache tabellarische Dienstnachweisung, wo die Zeit, Ort und Dienstart nach Tagen, nur mit allgemeiner Angabe bezeichnet würde, als Gestionsprotocoll zu führen, und dieses jeden Monat an das betreffende Bezirksamt einzureichen, welches Letztere der Art Protokolle mit den eigenen Bemerkungen der höhern Sani- tätsamts-Censur zu unterlegen hätte, von wo aus die eigentliche Erledigung wieder im Wege der Bezirksobrigkeit erfolgen müßte. Hiedurch wäre in politischer Beziehung jede gewünschte Controlle erreicht, und was gewiß nicht minder wichtig erscheint: es bliebe durch dieses einfache Mittel die Obermedicinalbehörde stets in ofsicioser genauer Kenntniß über alle Sanitätsangelegenheiten seines Kreisgebietes. Die öffentliche Aufgabe eines Gemeindearztes ist aber auch wissenschaftlicher Natur, und hierauf hätte die Regierung noch ein besonderes Gewicht zu legen. Der gesammte Stand der Ge¬ meindeärzte in einem Kreise hätte einen vereinten wissenschaftlich¬ moralischen Körper zu bilden, dessen Tendenz Erfahrungs¬ ausbeute durch anhaltende Mittheilung eigener Be- 91 obachtungen und stete Fortschreitung in der Bildung begründen sollte. Da die Gemeindeärzte durch die Führung eines Beschäf- tigungsjournales zu täglichen Aufzeichnungen ihrer Leistungen gehalten sind, und da überhaupt jeder gebildete, practische Arzt auch wissenschaftliche Beobachtungen zum Frommen seiner Er¬ fahrung aufzeichnet, so müßte eine besonders wohlthätige Rege¬ lung dieser Gegenstand dadurch erlangen, daß ein solches wissen¬ schaftliches Tagebuch zu einem allgemeinen Gute unter den Ge¬ meindeärzten eines Kreises erhoben würde, und zwar durch eine periodische Circulation desselben unter ihnen, wonach jeder Ge¬ meindearzt sein dicßfälliges Monatcahier dem bestimmten Nach¬ bar, sammt den in Gemeinschaft zu haltenden wissenschaftlichen Zeitschriften zuzusenden hätte, sodann das Cahier nach vollende¬ ter Circulation der Provinzial-Sanitätsbehörde zuzustellen wäre. Man erschrecke nicht über die Wucht solcher Arbeiten und theo¬ retischen Beschäftigungen der im practischen Wirken so sehr be¬ lasteten Communalärzte. Es wird hiebei nur das Wesentliche, kurz zu Bezeichnende gefordert. Keine Krankengeschichten, keine Jndi- cationsnachweisungen und Ansichten über Erwartungen von Er¬ folgen besonderen Heilverfahrens, keine Dissertationen über be¬ zügliche Literatur—das Alles ist nicht gemeint. Man stelle das nackte Factum mit seinen bemerkenswerthen Ergebnissen nur hin. Die Jndividualitätsverhältnisse mit einer bündigen Diagnose und der erfolgbewährten Heilart, alles in wenigen Sprüchen gesagt, überdieß die Anführung meteorologischer Notate und besonderer physischer Erscheinungen, werden hinreichenden Anhalt zur Beurtheilung und Nutzanwendung bieten. Jeder Arzt, zu dem das Cahier gelangt, möge seine all- fälligen kritischen Bemerkungen dazu fügen und sonach weiter fördern, bis das Operat dem Kreisphysicate zukömmt, welches die bemerkenswerthen Ercerpte für den Sanitätsjahresbcricht aufzeichnet, und eine lithographirte Erledigung allen Gemeinde¬ ärzten hinausgibt, wo die wissenschaftlichen und administrativen 92 Ansichten nicht als gesetzgebende Weisungen, sondern nur als collegialische Rathschläge eines Erfahrnen zu gelten hätten. Welche Einigung, welcher Fortschritt, welche Emulation und welche Controlle ein solcher wissenschaftlicher Verkehr herbeifüh¬ ren würde, das wird dem Scharfblicke nicht entgehen, welcher bis zu dem Skelett dieses Gebäudes durchgcdrungen, um zu er¬ messen, was alles auf solchem Grund gebaut werden kann. Ich lasse es gelten, daß ein solcher Gemeindearzt bei dem Schreibtische täglich etwa zwei Stunden zubringt. Was aber will und kann man dagegen sagen, wenn er eben durch diese Schreibstunden auch nur seinen Verstand schärft, seine Erfah¬ rungen niederlegt, seine Wissenschaft getreulich pflegt, durch Er¬ gebnisse in seiner Nachbarschaft über die dargestellten Thatsachen sich selbst die Ueberzeugung verschaffen kann; dann wird man diese seine verwendete Zeit am Tische wahrlich nur zu segnen haben. Diese Leistungen, sowie die sanitätspolizeilrchen Gutachten und gerichtsärztlichen Ausarbeitungen fördern seine Erfahrung und seine practischen Kenntnisse, deren die Heilkunde in stets ge¬ steigertem Maße bedarf. Noch bleibt ihm eine Zeit für Lectüre und für die Familie zur Erholung, wenn er auch täglich 8 Stunden den Kranken¬ besuchen widmet. Der ökonomische Stand eines solchen Arztes wäre aber so weit gesichert, daß er sich auch nicht leicht zu einer Anstellungs¬ veränderung entschließen könnte, welche er nur dann erreichen würde, wenn sein Avancement ihn zum Kreisphysiker, zum Spi- talarzte oder zur Spitaldirection fördert, denn diese Stellen wären nur aus diesem ärztlichen Communalstande zu besetzen. Es blieben ihm jedoch auch lucrative Mittel zu Gebote, durch Einzahlungen für die Dienstleistungen von allen jenen Gemein¬ degliedern, welche als Zahlungsfähige bei der Gemeindeadmi¬ nistration erkannt werden. Er hätte dießfalls seine Forderungen nur an die Gemeinde-Administration zu stellen, welche die Ein¬ bringung derselben für alle solche Parteien, die nicht selbst dem 93 Arzt das Honorar entrichteten, zu besorgen hätte. Es würde nur in Bezug auf die Dienstclasse, welche nicht zur Communal- classe gehört, nothwendig seyn, eine förmliche Association zur Besorgung in Krankheitsfällen mittelst geringfügigen Dienst¬ lohnabstattungen zu begründen, für welche die Dienstgeber garant zu erklären wären; welche Einnahme zu Gunsten des Spital- fondes zn dienen hätte. Um den Gemeinden aber keine Pensionskosten aufzuhäu¬ fen, wäre jeder Gemeindearzt zu verpflichten, der vielfach zur Sprache gebrachten Lebensversicherungs-Association beizutreten. Das Gesagte nach allen Seiten erwogen, führt zu fol¬ genden Schlußfolgerungen: Die Zeitverhältniffe, die geklärte Einsicht und Erfahrung, der Stand der Wissenschaft, und die Sorge für die allgemeine Wohlfahrt, fordern die Negierungen auf, die bisher durch einseitige Ausbildung der Aerzte bedingte Unvollständigkeit und Zersplitterung dieses Standes endlich zu beheben. Diese Behebung kann durchaus nicht Statt finden, wenn nicht die erforderlichen Mittel durch eine entsprechende Erweite¬ rung und Ausstattung der ärztlichen Lehranstalten mit besonde¬ rer Rücksicht auf die Nationalität ins Leben treten. Diese Ausbildung der großen Zahl von Aerzten in allen Bereichen ihrer ausgedehnten Wissenschaft und Kunst müßte un¬ angemessen erscheinen, wenn die austretenden vielen Aerzte ihre Subsistenz in der Zukunft durch solche Einrichtungen nicht gesi¬ chert fänden. Nur der Umstand, daß die gebildeten Aerzte durch die Concurrenz mit den Landchirurgen im Verdienste und in den Standesrechten zurückgesetzt wurden, hat ihre Anhäufung ln Städten bedingt, hie und da selbst Klagen hierüber verursacht. Das Landvolk sollte aber in dieser Hilfsleistung — die nur in ihrer Vollständigkeit wesentlich einwirkt, nicht so stiefmütterlich behandelt werden. Die wohlthätige Absicht der entsprechenden allgemeinen Hilfsleistung kann nur durch solche ärztliche Gemeindeanstellun¬ gen erreicht werden, und nur in ihnen liegen die Mittel, den ärzt- 94 liehen Stand zu consolidiren, um allen gerechten Anforderungen nachzukommen. Schreitet aber die ärztliche Standes-Anarchie durch Orga¬ nisationswirren noch vorwärts , so dürfte es in nicht allzu lan¬ ger Zeit dahin kommen, daß die Regierungen diesen, der Mensch¬ heit stets am treuesten dienenden Stand aus ihren Staatslisten streichen müssen. Seine precäre Existenz, die Entmuthigung durch seine bisher erlittenen unwürdigen Verluste an Rechten, die Ein¬ dringung und die schmählichen Eingriffe von Unberufenen in seine politische und wissenschaftliche Standessphäre — endlich die Leichtfertigkeit, mit welcher jeder Anspruch für das physische Gemeinwohl — sobald er die vorhandenen beschränkten Mittel überschreitet —zurückgcwiesen wird, bilden eine solche Masse von undurchdringbaren Gewalten, daß man sich in das römische End¬ zeitalter versetzt glaubt, wo der Arzt sich seines Standes schämte, und nur, der Oeffentlichkeit entzogen, die Kunst übte, oder daß man gewärtige, in der Wirklichkeit zu sehen, was einige Possenreißer träumten, daß nämlich alle Medicinalsorge und alles ärztliche Wirken als eine freie, Jedermann nach Be¬ lieben zu überlassende Beschäftigung erklärt werde — somit nach Belieben Mord undLodtschlag als eine freie Standesbeschäfti- gung im Staate eingeführt werden! — Sanitätsämter im Negierungsverbande. Alle jene Staatsbeamte, in deren Wirkungskreise die Lei¬ tung oder die Ausführung der zur Erhaltung und unmittelba¬ ren Förderung des physischen Gemeinwohles nach eigenen, im Staate anerkannten Grundsätzen zugewiesen ist, bilden im Allge¬ meinen den Stand der Sanitätsbeamten im Negierungsverbande. Die Leitung und Ausführung der öffentlichen Sanitätsan¬ gelegenheiten ist aber durch Gränzen bezeichnet, deren Abmar¬ kungen in den verschiedenen Staaten ebenso verschieden als un¬ bestimmt erscheinen. Während nur die wenigsten Sanitätsämter die unmittel¬ bare Leitung eines administrativ-ärztlichen Faches einschlie- 95 ßen, ist der bei weitem großem Mehrzahl der Sanitätsbedien- stungen nur ein mittelbarer Einfluß in der gesetzgebenden und executiven Regierungsmacht gewahrt. In den meisten deutschen Staaten dienen eigene ärztliche Körperschaften, Facultäten, Medicinalcollegien, Medicinalrä- the, nur als kunstverständige Organe den Regierungen, welche von ihnen die bezügliche Einwirkung als Kunsturtheil absordern, oder die Ausführung und Anwendung wissenschaftlicher Behelfe denselben in bestimmten Gränzen zuweisen. In dem österreichischen Staatsverbande wird die admini¬ strative Sanitäts-Organisation von den politischen Behörden verwaltet. Indessen wurde, wie es scheint, hohen Ortes die Auf¬ lassung dieses Institutes schon beschlossen, wenigstens die oberste Medicinalbehörde, von der politischen ganz geschieden — in Wien auch organisirt. Die öffentlichen Sanitätsbedienstungen, welche bei den Re¬ gierungen der Provinzen noch fortan bestehen — bilden entwe¬ der Gliedertheile dieser Behörden, oder wo sie auch selbststän¬ dig eigene Anstellungen oder Aemter einschließen — unterstehen sie der unmittelbaren Aufsicht und Leitung solcher Behörden. Die unterste Cathegorie der öffentlichen ärztlichen Sani¬ tätsbedienstungen bilden die Districts - oder Bezirksphysicate, deren Wirkungskreis in dem Bereiche des ihnen bemessenen Be¬ zirkes (gewöhnlich mehrere politische Bezirke) die Förderung des Gemeinwohles in allen, den Gesundheitsstand berührenden Ver¬ hältnissen umfaßt. Ihre erste Verpflichtung schließt die ärztliche Hilfe ein, welche sie in ihren Wohnorten den mittellosen Bezirksarmen un¬ entgeltlich zu gewähren haben — und auch in ihrem Bezirke überall leisten, wo ihre ämtlichen oder Privatbesuche den kran¬ ken Armen Gelegenheit bieten, den ärztlichen Rath einzuholen. Eigene Berufungen zu kranken Armen in etwa entferntere Gegen¬ den ihres Bezirkes, finden nur in den seltensten Fällen Statt, da hiezu die Bezirkschirurgen verwendet werden, und den 96 Distnctsphysikern Reiseentschädigungen und Diäten zufallen würden, welche die Bezirkscassen allzu empfindlich belasten. Bei Volkskrankheiten, bei medicinisch - polizeilichen oder gerichtsärztlichen, von den Behörden geforderten Untersuchungen und Ausführungen besonderer Maßnahmen —> wo nämlich das Gemeinwohl in irgend einer physischen Beziehung gefährdet er¬ scheint, tritt ihre unmittelbare Einwirkung und ämtliche Leitung des Sanitätsgeschäftes ein. Diese Verrichtungen insgesammt, deren Natur zum Lheile durch die angeführten Normalvorschriften, größern Theils aber durch die weiter zur Sprache gebrachten Verhandlungen ein- leuchtet, werden gemäß speciellen Unordnungen vollzogen, da jede ämtliche Handlung nur auf dem Grunde der Organisations¬ normen — insofern diese den Gegenstand der Amtshandlung überhaupt erreichen — nicht aber nach eigenen Ansichten oder Theorien bewirkt werden muß. Schon dadurch, daß den Distnctsphysikern als ersten Or¬ ganen oder Instanzen in allen öffentlichen Sanitätsangelegen¬ heiten die Amtshandlungen zustehen, ist ihrer Aufsicht auch das gesammte Sanitätspersonale ihres Districtes oder Bezirkes in Dienstesrücksichten untergeordnet, da sie jedes ämtliche Geschäft zu überwachen und zu leiten haben, ja in dringenden Fällen selbst Geschäfte auftragen. Nur wo unmittelbare Hilfsleistung oder Angabe von Hilfsmitteln dringlich gefordert wird, liegt es in ihrer Amtsgewalt, selbstständig und sogleich zur Ausführung zu schreiten, d. i. den Ortsbehörden und Bezirksobrigkeiten ein nothwendiges Einschreiten anzugeben, was aber stets und ohne Aufschub der Kreisbehörde anzuzeigen ist. Wo keine dringende Amtshandlung geheischt wird — und wo die bestimmten Vor¬ schriften zu dieser nicht berechtigten, sind nur Anträge zu erstatten. Die Districts- oder Bezirksphysicate bilden Amtsstellen, welche unmittelbar der Kreisbehörde unterstehen, an diese die Berichte leiten und von derselben die Aufträge empfangen. In amtlichen Angelegenheiten erlassen diese Physicate an das ge¬ sammte Sanitätspersonale des Bezirkes Decrete oder mündliche 97 Auftrage. An die Orts - und Bezirksobrigkeiten, so wie in ge¬ wissen Fällen an die gerichtlichen Behörden richten sie ihre ämt- liche Correspondenz mittelst Noten, d. i. schriftlichen Aufforderun¬ gen und Einladungen zu Amtshandlungen, welchen diese Be¬ hörden in dringenden Fällen nachzukommen haben — oder wo ein Aufschub gestattet ist — der weitern Amtshandlung dadurch unterziehen, daß ein der Art Antrag mit dem entsprechenden Gutachten bezüglich auf die geforderte administrative Einwirkung der den Bezirksobrigkeiten vorgesetzten Kreisstellen vorzulegen ist. Außer ihrer Einwirkung bei besonder» Sanitätsergebnissen und ihrer Aufsicht in der Durchführung aller öffentlichen Sa¬ nitätsgeschäfte von Seite des hiezu beauftragten, untergeordne¬ ten Sanitätspersonals, haben sie bestimmte Amtsverrichtungen in gewissen Zeiträumen zu vollziehen, wo ihnen besondere Ge¬ legenheit geboten wird, das physische Gemeinwohl in allen Rich¬ tungen zu erforschen und zur Förderung desselben die gehörigen Amtshandlungen einzuleiten. Hiezu gehören insbesondere die jährlichen Sanitätsberei- sungen und die Erstattung der allgemeinen Jahres-Sanitäts¬ berichte. Die erstere Amtshandlungsweise ist durch eigene Nor¬ malvorschriften vorbezeichnet. — Die zweite Amtsobliegenheit wird durch eine statistisch - raisonnirende Nachweisung aller Sa- nitätsverhältniffe des Distriktes bewirkt, wozu die eigenen Auf¬ zeichnungen und Erfahrungen, so wie die Belege, welche sie von dem untergeordneten Sanitätspersonale, von den Verwal¬ tungen der im Distrikte befindlichen Versorgungs - und Local- kranken-Anstalten, von den Orts- und Bezirksobrigkeiten und von der Geistlichkeit sich zu verschaffen haben, dienen. In diesen Jahresberichten, welche bis Ende Januar jeden Jahres, bezüglich auf das verflossene Jahr, an die Kreisbehörde vorzulegcn sind, bilden die Hauptrubriken meteorologische Be¬ obachtungen mit tabellarischer Nachweisung, Krankheitsconsti- ution mit besonderer, monatweise bezeichneter Darstellung des vorherrschenden Krankheitscharakters, Fortgang der Volkskrank- theiten mit Anführung der Krankenzahlen und Ergebnisse ihrer 7 98 Behandlung. Bevölkerungs- Movimente mit Zahlennachweisun¬ gen, Jmpfungsresultate, gleiche Nachweisungen des Standes und der Krankheiten in den Kranken - und Versorgungsanstal¬ ten , Vorschläge zur Verbesserung der Sanitätsverhältnisse und aller darauf Bezug nehmenden Institute, endlich Darstellungen besonderer Verdienstlichkeit oder auch Fahrlässigkeit in der Ent- fertigung der Sanitätsgeschäfte. Wie schon oben erwähnt wurde, wenden sich auch die geist¬ lichen , dann Militär - und Justizbehörden, so wie alle öffentli¬ chen Administrationen überhaupt an die Districtsphysicate in allen jenen Fällen, wo es sich um einen in dem Physicatsdi- strict vorgekommenen, den Wirkungskreis der bezüglichen Behörde berührenden Sanitätsgegenstand überhaupt handelt und das Physicat zu irgend einer Amtshandlung oder Ertheilung eines Gutachtens von diesen aufgefordert wird. Endlich ist es in der Natur des Physicatsdienstes gelegen, daß jeder Krankheit zeugende oder die Gesundheit gefährdende, bemerkbare Einfluß, auch ohne Aufforderung Seitens der Be¬ hörden oder Parteien als Object der Amtshandlung insofern er¬ faßt werde, als zur Abwendung eines solchen Einflusses — wo nicht ein ämtliches Einwirken, doch mindestens die Ertheilung eines wohlgemeinten Rathes der Förderung der guten Absicht entgegenkommen soll. Die Physicatsämter müssen ihre Agenden durch die gere¬ gelte Führung des Gestionsprotocolls, wo alle Einlagen und Amtsentfertigungen in fortlaufender Zahl beanzeigt sind, und durch eine geordnete Registratur, welche die reihenweise folgen¬ den Acten in Jahresfascikeln enthält, nachweisen. Ungeachtet dieser bureaukratischen Verwendung wird den Districtsphysikern als practischen Aerzten volle Wirksamkeit be¬ lassen, ja ihr dießfälliger Beruf wird stets als der ausgedehn¬ teste sich bewähren, da sie gewöhnlich im weiten Umkreise ihre Wissenschaft allein üben. Der gegenwärtige Stand der Districts - oder Bezirksphy- sicate besteht nur theilweise organisirt in der österreichischen Mon- 99 archie. Nur die Provinzen von Oesterreich, Steyermark, Ly- rol, Illyrien und das österreichische Küstenland besitzen dieselben >— in dem Maße, daß zu 2 bis 4 solcher Aemter in einem Kreise bestehen. Andere Provinzen haben geringere Zahlen derselben. In Böhmen und Italien, wo bei den Gemeinden und in Land¬ städten Privatärzte oder Communalärzte sich befinden, da wur¬ den die Physicatsanstellungen nicht eingeführt. Die Besoldung derselben ist mit wenigen Ausnahmen 400 fl. Sie sind Staats¬ beamte , genießen die zehnte Beamten - Cathegorie *) bei Reisen, 2 fl. Diäten und die Vorspannsgebühr für 2 Pferde. In einem den Districtsphysicaten ähnlichen Dienstverhält¬ nisse stehen die Stadtphysiker, die Stadtarmenärzte und die Po- lizeibezirksärzte in den Vorstädten Wiens, deren Anstellung einen Staatsdienst bildet. Zn den übrigen Städten sind sie im land¬ ständischen oder städtischen Solde, genießen hiebei nicht den Cha¬ rakter des Staatsbeamten, wohl aber gleiche Rechte und An¬ sprüche im Kreise ihrer Dienstbehörde. Ihre Standesverpflich- tungen sind auf das Stadt - und Bezirksgebiet ausgedehnt, wo sie alle Sanitätsverrichtungen gleich den Districtsphysikern ent- fertigen, Weisungen und Aufträge von dem Stadtmagistrate em¬ pfangen und an diese ihre Einlagen richten. Die Kreisbehörden nehmen ihren Einfluß auf die Agenden dieser Physiker durch die erwähnten Behörden, welche ihnen in politischer Beziehung unterstehen. Sie ertheilen in kunstver¬ ständiger Sphäre auch unmittelbar ihre Aufträge an die er¬ wähnten Aerzte. Die Kreisphysiker sind Kreissanitätsbeamte, welche die glei¬ che Stellung mit den Kreiscommissären bei den Kreisbehörden einnehmen **) — und nur durch die specielle Zutheilung ihres Bie österreichischen Etaatkbeamten sind in 12 Elasten eingelheilt. unter welchen di« 121» als di« niederste gestellt ist. ") Wie die Amivstellung dieser Aerzte bei den nun zu organifirenden Kreisregierun. gen eingerichtet wird, ist mit Bestimmtheit noch nicht emzugeben. Man wird wahrscheinlich diese Behörden in Sanitätsdeji-Hungen an Provinzial - Medicinal- Sollegi«», der Vereinfachung wegen — anweisen — hiebei aber, ohne Zweifel, den Sanitälszwecken nichi näher rüken. — 7* 100 Faches und eine geringere Besoldung sich von diesen unterschei¬ den , was sich auf Kosten ihres ärztlichen Privatverdienstes und auf die in früherer Zeit nicht so weit ausgedehnte Amtsbeschäf¬ tigung gründet. >— Der Kreisphysiker ist bei dem Kreisamte gleich dem Kreis- commiffär nur Concipient, und entfertiget als solcher die ihm zugetheilten Sanitätseinlagen, wonach die Erledigungs-Ent¬ würfe nur durch die Approbation des Kreischefs, dem allein die Verantwortung über alle kreisämtlichen Verrichtungen ob- ssegt, die ausführende Gewalt erlangen, dem gemäß das Recht dem Kreischef auch zusteht, nach seiner Ansicht diese Concepte zu gestalten und in Wirksamkeit treten zu lassen. Zu öffentlichen Commissionen im Kreise abgeordnet, ist sei¬ nen Weisungen nicht nur von Seite des Sanitätspersonals, son¬ dern auch von Seite der Orts - und Bezirksobrigkeiten in so fern Folge zu leisten, als dringliche Anlässe besondere Vorkeh¬ rungen heischen, worüber stets gleichzeitig die Anzeige an das Kreisamt zu erstatten ist. In nicht dringenden Fällen hat er ent¬ weder durch Aufnahme von Protocollen mit den Localbehörden, oder durch eigene Anträge seine Berichte an das Kreisamt zu leiten. Seine übrige Amtswirksamkeit umfaßt die bei den Districts- physicaten im Allgemeinen nun erwähnten Geschäfte, nur ist hier der Bereich der Amtshandlung bezüglich auf Ueberwachung und mittelbare Leitung aller Sanitätsangelegenheiten im gan¬ zen Kreisgebiete ausgedehnt, somit die Wirkungssphäre um so bedeutender, als er nicht selten bei vorkommenden Zweifeln in amtlichen Einwirkungen der Dlstrictsphysiker Nachforschungen und Überprüfungen ihrer Verfahrungsweise zu vollziehen hat. Von den Gerichten erster Instanz wird der Kreisyhysiker zu gerichtlichen Untersuchungen, wohl auch zu Superrevisionen der vom untergeordneten Sanitätspersonale ertheiltett Gutach¬ ten, wo diese keine überzeugenden Folgerungen bieten, verwen¬ det und ist denselben als Kunstverständiger untergeordnet. Da er endlich schon bei seiner Beeidung die Förderung des Gesundheitswohles der Kreisbevölkerung als eine ihm obliegende 101 Pflicht zusagt, so ist alles, was hierauf einen schädlichen Einfluß nimmt, Object seiner Amtshandlung, vermög weicherer verbunden bleibt, sein amtliches Einschreiten zurBekanntgebung und Entkräf¬ tung solchen Einflusses zu leiten, welche Einwirkung sich auch aufalle im Kreise befindlichen Kranken - und Versorgungsanstaltcn, so wie auf alle übrigen Institute rücksichtlich der Sanitätszwecke aus¬ dehnt, ob auch alle diese Anstalten eigenen Verwaltungen und Directionen unterstehen und der Kreisphysicus keine unmittel¬ bare Wirksamkeit auf ihre Verwaltung nimmt, sondern nur durch das Kreisamt, oder durch die Landesstelle seine Anträge zur Amtshandlung bringt. Dort, wo sich chirurgische oder Hebammen - Lehrinstitute in den Kreisorten außer dem Sitze der Landesstelle befinden, ist der Kreisphysicus gleichzeitig Director einer solchen Anstalt, und in dieser Richtung nur der Landesstelle untergeordnet. Außer dem Kreisphysicus bestehen bei den Kreisämtern die mit der Ilten Beamten - Elaste betheilten Kreischirurgeu, deren ur¬ sprüngliche Bestimmung das Vorhandenseyn höherer operativer Hilfe in jedem Kreisgebiete bezweckte. Da aber die Operationszög¬ linge meist nur zu chirurgischen Lehrkanzeln verwendet wurden, so mußten diese Stellen selbst auch von den einfachen Chirurgen besetzt werden — und man wird in so manchem Kreise die Kreis¬ chirurgen mit der operativen Hilfe um so minder beschäftigt finden, als diese von der armen Elaste der Bewohner in den Krankenhäusern gesucht wird, andere Parteien aber eine der Art Hilfe lieber bei Professoren und im Rufe stehenden Opera¬ teuren ansprechen. Es bleibt sonach in der Regel —> da es im¬ merhin an Ausnahmen nicht fehlt — die eigentliche Amtsbe¬ schäftigung der Kreischirurgen in politischer Linie nur auf das Jmpfgeschäft und auf die Assistenz bei Militärassentirungen be¬ schränkt, da sie keine Geschäfte oder Nachforschungen im Fache der medicinischen Polizei üben. Desto mehr werden sie aber von den Gerichten zu Leichen-Obduktionen verwendet, wobei jedoch stets auch ein Medicinä-Doctor zugegen seyn muß. In neuerer Zeit hatte man die Majestäts-Bewilligung her- 102 vorgerufen, daß bei den Kreisämternund bei den Landesstellen junge Aerzte in den Sanitätsgeschästen practische Hebungen unter der un¬ mittelbaren Aufsicht der Kreisphysiker und Landesprotomediker pfle¬ gen, dieselben somit als förmliche Amtspractikanten, jedoch außer dem Beamtenstatus bloß unter Ablegung der Verschwiegenheits- Angelobung dienen, wobei ihnen die Begünstigung zu Theil wird, die Jahre bei unmittelbar folgenden öffentlichen Anstel¬ lungen als wirkliche Dienstjahre anzurechnen, sobald diese Doc- toren mindestens durch ein Jahr in einer der Art Amtspraxis nebst zweijähriger, jedoch nicht gleichzeitiger Dienstleistung als Secundarärzte in Krankenhäusern sich verwenden ließen. Das Sanitätspersonale in den Krankenanstalten richtet sich nach dem Umfange und nach der Bevölkerung der Krankeninstitute. In der rohen Vorzeit, wo man solche Anstalten in einem Hauptorte der Provinz zusammenhäufte, und in einem Gebäude alle Heilinstitute und auch die Krankheitsheerde vereinte, bloß um die Regie und Verwaltungskosten zu mindern, da hatte ein der Art Personale einen bedeutenden Körper gebildet, deren Bestand in einigen Hauptstädten, wie Wien, Prag, Pesth, Triest, Venedig und Mailand noch immer beträchtlich ist. Die unmittelbare Leitung dieser Anstalten ist eigenen Kran¬ kenhaus-Direktionen anvertraut, an deren Spitze als Direc¬ tor in neuerer Zeit stets ein Arzt die ärztlichen und administra¬ tiven Geschäfte, letztere vereint mit der Verwaltung, besorgt. Diese aus dem Verwalter und Controller — welche be¬ stimmte Cautionen — gewöhnlich ihrem Jahresgehalte gleich, zu 600 bis 1000 fl. zu legen haben, bestehend — führt das ökonomische, eigentlich das Gebarungsgeschäft unter eigener Verantwortung , wobei der Direktor, welcher keine Caution lei¬ stet, in so ferne thcilhaft gemacht wird, als ihm die Einsicht und Controlle der Journale und Caffenbücher, so wie die Mit¬ prüfung bei Caffenscontrirungen obliegt, und alle Acte außer den Geldempfangsquittungen und den an die Provinzial-Staatsbuch- haltung zu gelangenden Verrechnungs - Nachweisungen — von ihm, als Amtschef, mitgefertiget werden. Dem Verwaltungs- 103 personale sind meist »och Amtsschreiber, Kanzellisten undKanz- leipractikanten zugetheilt, insofern der Umfang der Geschäfte die Arbeitskräfte fordert. Das Sanitätspersonale besteht aus den vorgesetzten ärzt¬ lichen Primarien und Primarchirurgen, dann aus den jedem Pri¬ marärzte zugewiesenen Secundarärzten, Secundarchirurgen, ärztlichen und chirurgischen Gehilfen und Practikanten, welche letztere untergeordnete Stellen, insgesammt für junge Aerzte, auf die Dauer von zwei oder höchstens vier Jahren bestimmt sind — und wobei in großen Krankenanstalten gewöhnlich nur die Hälfte mit Jahresremunerationen und freier Wohnung im Spitale betheilt werden. Die Besoldungen dieses gesammten Per¬ sonals hängen von der eigenthümlichen Einrichtung und Aus¬ dehnung der Anstalten ab und unterliegen keiner allgemeinen Norm. Da die Krankenanstalten in der Regel städtische Localinsti¬ tute sind, ob auch Kranke jedes Herkommens darin ausgenom¬ men und gegen Entrichtung der bestimmten Verpfleggebühr be¬ handelt werden, so bilden diese Anstellungen eigentlich städtische Bedienstungen; weil aber mit den Localkrankenanstalten stets auch die Staatskrankeninstitute — nämlich Gebär-,Irren-und Findelanstalten zugleich vereint sind, so werden die Besoldungen von allen diesen Separatfonden mittelst entzifferten Tangenten diesen Beamten verabfolgt und sie sind somit Staats- und Lo¬ calbeamte. Nur die oberwähnten größer» Krankenanstalten haben eigene, keinen anderweitigen Bedienstungen unterliegende Pri¬ marien, und es ist ihre Besoldung von 600 bis 1600 fl. jähr¬ lich für diesen Dienst bemessen, wobei sie auch die Naturalwohnung gewöhnlich im Krankenhause genießen. Bei abgesondert stehenden Gebär-, Findel - und Irrenanstalten ist Direction und Prima- riat vereint. In den Provinzial - Hauptstädten, oder wo auch außer denselben vereinte Krankenanstalten vorkommen, sind die Di¬ rectoren und die Primarien gewöhnlich mit anderweitigen Be¬ dienstungen betheilt — und genießen in der Regel nur kargbe- 104 messens Remunerationen für die Krankenhausdienste, welche sie als Professoren an den gleichzeitig im Orte befindlichen chirur¬ gischen Anstalten, oder als Stadtphysiker— wo diese nicht be¬ stehen— verrichten, ja es gibt noch einige wenige Directoren, welche diese, eben so wichtige als verantwortliche Stelle, als einen sogenannten Ehrenposten ohne alle Emolumente begleiten. Die verschiedenen Abtheilungen für die Primarien sind auch nach keiner allgemeinen gleichförmigen Norm, bezüglich auf ihre innere Verfassung und Einrichtung unterzogen, da auch dieß hauptsächlich von den Räumlichkeiten abhängt, welche die Kran¬ kenanstalten besitzen, so daß in den meisten Krankenhäuser^, wohl eigene Abtheilungen als Gebäranstalt und Irrenanstalt, dann abgesonderte Säle für gewöhnliche innere und äußere Krankhei¬ ten, ferner für besondere contagiöse Uebel, für Syphilitische und Krätzige bestehen, in weiterer Scheidung aber, nämlich für Aus¬ schlagkrankheiten , für Brustkranke, für Typhöse, für Frauen- und Kinderkrankheiten, für Nervenübel u. s. w. eigene Lokali¬ täten nur in großen Krankenanstalten vorgefunden werden, dem¬ nach auch nur in solchen eine Mehrzahl von Primarien besteht, welche abgesonderte Abtheilungen versehen. Gewöhnlich ist aber nur ein Primararzt, ein Primarchirurg und etwa noch ein Pri- margcburtsarzt vorhanden, welche mit den Secundarärzten den gesammten spitalärztlichen Dienst verrichten, wie dieß bei der Darstellung dieser Anstalten näher besprochen werden soll. Die medicinischen, chirurgischen und geburtshilflichen Lehr¬ anstalten unterstehen eigenen Direktionen, welchen in ökonomi¬ scher Hinsicht die Länderstellen unmittelbar vorgesetzt sind. In disciplinärer und wissenschaftlicher Rücksicht unterstehen sie dem Ministerium des Unterrichts, wohin sie jedoch nur im Wege der Landespräsidien ihre Berichte und Anträge leiten. Die Direktion als Amt, bildet eigentlich der Direktor, dem die Professoren, Docenten, Adjunkten, Assistenten und das übrige Dienstperso¬ nale in disciplinärer Beziehung untergeordnet ist. Alle Amts¬ handlungen der Direktion werden aber nur protocollmäßig in 105 Gemeinschaft mit den Professoren und andern hiezu eigends be¬ stimmten Gliedern aus dem Lehrfache entfertiget. Die meisten dieser Lehranstalten befinden sich vereint oder theilweise nur bestehend in Orten, wo die Länderstellen ihren Sitz haben und der Gubernialrath und Protometicus denselben gleichzeitig als Director vorsteht, wie in Prag, Trieft, Gratz, Lemberg, Innsbruck, Linz, Laibach, Zara und Klausenburg. Nur in Wien und Pesth sind sie ungeachtet der dort befindlichen Re¬ gierungen abgesonderten Direktionen anvertraut, sowie bei je¬ nen Universitäten, welche außer dem Regierungssitze — wie in Padua und Pavia sich befinden. In Wien versieht das eigent¬ liche Directionsamtsgeschäft ein Bicedirector, weil der Director zugleich Referent des medicinischen Lehrfaches bei der Studien¬ hofcommission war, — welche alle Studienangelegenheiten in der Monarchie leitete, wiewohl auch dieselbe, wie die übrigen Hofstellen, unter dem vorgesetzten Staatsrathe gestanden. Ge¬ mäß der nun bestehenden Einrichtung wird das gesammte Lehr¬ fach vom Ministerium des Unterrichts geleitet. In den Univer¬ sitäten wird übrigens das Directionspersonale noch durch den Facultäts-Decan und Notär gebildet. Wo eine Lehranstalt sich im Sitze des Kreisamtes befindet, da ist Director derselben der Kreisphysicus, wie dieß bei den chi¬ rurgischen Lehranstalten in Salzburg und Olmütz, sowie bei den geburtshilflichen in Klagenfurt und rstlv lauste bei Trient der Fall ist. Den Hebammenlehranstalten, welche für sich in Orten von Regierungssitzen bestehen, wie in Venedig, Mailand, Triest, Brünn, Zara und Linz, sind die Protomediker als Directoren vorgesetzt. In Mailand besteht überdieß ein abgesondertes Thier¬ heilinstitut, welchem ein eigener besoldeter Director vorsteht. Die Direktoren der erwähnten Lehrinstitute, ob sie noch andere Staatsstellen begleiten, oder ob sie nur als solche das Amt leiten, genießen außer den Prüfungstaxen keine besonder» Emo¬ lumente, doch sind diese bei den eigentlichen Universitäten so er¬ giebig, daß sie ein beträchtliches jährliches Einkommen bilden, 106 weil für alle strengen Prüfungen und für die Eidesablegung dem Director, welcher stets bei den Prüfungen vorsitzt, die Taxe zu¬ fließt, den Professoren aber diese Taxe nur für die Prüfung ihres Faches entrichtet wird. Bei den chirurgischen und geburtshilf¬ lichen Anstalten beschränken sie sich auf eine sehr geringfügige Einnahme, da nur wenige Schüler und Schülerinnen an den¬ selben ausgebildet werden, von welchen für jeden Prüfer die Taxe mit einem Dukaten berichtiget wird, aber auch diese Taxe besonders bei Hebammen armuthshalber nachgesehen werden muß. Die Straf-Zwangsarbeits- und Inquisitions-Anstalten ha¬ ben ihr eigenes Sanitätspersonale, welches gewöhnlich nur als Nebenanstellung einem im Orte befindlichen Arzte und einem Wundarzte gegen Jahresremuneration verliehen wird, wobei diese Hausärzte, wenn auch ihre Anstellungen nicht definitiv sind, dennoch in Eid und Pflicht genommen werden. Ihren Dienst bezeichnen eigene Instructionen. Ihre Obliegenheit beruht in der geregelten Behandlung der bei den Instituten vorkommenden Kranken, für welche gewöhnlich zwei Zimmer als Krankenloca- litäten verwendet werden, und in Ertheilung von Gutachten über Gesundheitsverhältniffe der Häftlinge nach den dießfalls gestell¬ ten Anforderungen der Anstalten-Verwaltungen und Direktionen. Nur in wenigen Hauptstädte», wo der Art ausgedehnte oder vom Stadtgebiete etwas entfernt liegende Institute bestehen, ge¬ nießen diese Aerzte definitive und ausschließliche Anstellungen in denselben, wonach ihre Besoldungen auch höher bemessen sind. Bei allen übrigen öffentlichen Erziehungs-, Versorgungs¬ und Arbeitsanstalten sind auch Aerzte und Wundärzte zur Kran¬ kenhilfe, jedoch nur mit eigenen Bestallungen angestellt, bei wel¬ chen gewöhnlich, wie im Privatvertrage, nur die Bedingungen der ärztlichen Leistungen bestehen. Nur wenige größere Versorgungs-Anstalten sind mit eige¬ nen Aerzten und Wundärzten zur Sicherstellung des Sanitäts¬ dienstes in denselben förmlich als Gemeindebeamte angestellt, da diese Anstalten nur als Communalinstitute bestehen. In der Regel 107 ist die ärztliche und chirurgische Leistung m diesen, den Ge¬ meindeärzten und Wundärzten gegen eine beschränkte Jahres¬ remuneration anvertraut, oder auch ohne besondern Entgelt mit den stadtärztlichen und stadtwundärztlichcn Bedienstungen vereint. Die Sanitätsmagistrate sind in großem See-Häfen als selbstständige Staatsämter eingerichtet, deren Amtshandlung in der Besorgung der Seesanitätsgeschäste beruht. An ihrer Spitze ist ein Präses, welcher gewöhnlich dem juridischen Stande an¬ gehört und die 7te Beamtenclafse einnimmt, obschon einzelne Beispiele, solche Stellen durch einen höhern ärztlichen Beamten verwaltet, nachweisen. Der Körper besteht aus vier bis sechs Magistratsadjuncten und Assessoren, worunter ein Arzt als erster Adjnnct, betheilt mit der 8ten Bcamtenclasse, dann zu zwei be¬ soldeten Adjuncten, die Assessoren aber als Ehrenmitglieder meist aus dem Handelsftande sich befinden, und den Bcrathungen bei¬ wohnen. Ein Cancelliere und Sanitätsdeputirter, sowie der Cassier und mehrere Sanitätsguardiane bilden das übrige Per¬ sonale. — Die Prüfung der Sanitäts- und Schiffspäffc, die Rege¬ lung der Contumaz, die Aufsicht und Vollziehung über die Rei¬ nigung der Schiffe, Waren und Reisenden, die Ertheilung der Pratica, endlich die Leitung und Versorgung des damit verein¬ ten Lazarethes, bei welchen ein eigener Arzt angestellt ist, sind die Amtsattribute dieser Behörden. Die bestehenden drei Sanitätsmagistrate, nämlich zu Triest, Venedig und Zara, haben jedoch verschiedene Amtsvollmachten, da nur Triest, als Seesanitätsmagistrat erster Classe, die deß- falls ausgedehntesten Vollmachten besitzt, und die zwei andern ihm in den wichtigem Ergebnissen unterstehen, auch in diesen die strengste Quarantäne nicht abgehalten wird, sondern der Art mit Volle 80«p6tta vorkommende Schiffe zur Quarantäne sich stets nach Triest stellen müssen. Einfache und Contumaz-Lazarethanftalten, deren mehrere an der österreichischen Küste und im Gränzgebiete gegen die otto- manischen Staaten mit eigenen Aerzten versehen sich befinden, 108 haben nur untergeordnete Einlaß- und Reinigungsrechte für Zei¬ ten, wo kein Pestverdacht besteht, und hängen von den betreffen¬ den Kreis- oder Länderstellen, oder von den Generalcommanden im Militärberciche ab. Bei allen diesen Stellen ist die Amts¬ handlung in der Art in bestimmte Gränzen gezogen, daß für jedes ungewöhnliche, durch bestehende Borschriften nicht geregelte Ver¬ fahren bei besonder» Anlässen, Anfragen an die unmittelbare, vorgesetzte Kreis- und Landesstelle, oder im Militär - Gränzge- biete durch das Regimcntscommando an das Generalkommando zur Entscheidung zu kommen haben. Die oberste Leitung dieser Angelegenheiten führt in Bezug auf das Militärgebiet das Kriegs¬ ministerium , im Civile und hinsichtlich der Seesanität das Mi¬ nisterium des Innern. Außer diesen Anstalten sind noch die einfachen Einlaufsta¬ tionen und Rastelle, wo gewöhnlich nur der gegenseitige Verkehr unter strenger Sanitätsaufsicht geübt, oder auch der Zutritt von Caravanen unter Sanitätsaufsicht Statt findet. Der Art Anstalten sind entlang der ganzen Gränze von Dalmatien, Croatien, Slavonien, Syrmien, Siebenbürgen und der Bucovina gegen die Staaten der Pforte und die Fürsten- thümer Wallachei und Moldau vorhanden, wo der gegenseitige Verkehr an einem bestimmten Tage der Woche ohne Commu- nication, unter eigenen Vorsichten, bewirkt wird. Bei diesen werden die Geschäfte von eigenen Sanitätsdeputirten, im Mili¬ tärbereiche unter dem Commando eines Majors oder Haupt¬ manns vollzogen. Hiebei fungirt ein ärztliches Individuum, wel¬ ches als Bezirksarzt, Bezirkschirurg oder als Militäroberarzt zu diesem Geschäfte besonders beordert wird. Außer diesen Sanitätsdeputirten sind auch in den See¬ häfen, je nach dem Umfange und der Ausdehnung der in diesen vorkommenden Communication, förmliche Aemter als Sanitäts- Deputationen erster, zweiter und dritter Claffe eingerichtet. Diese Einrichtung ist nach der Ausdehnung des Wirkungs¬ kreises bestimmt, so daß sich deren Amtshandlungen in der Regel nur auf die Aufsicht der Küstenfahrer beschränkt und jedes un- 109 gewöhnliche Vorkommen von entlegenen Schiffsfahrten, Verdacht vor Berührung der Küstenfahrer mit vorübersegelnden, aus fer¬ nen Ortschaften kommenden Schiffen, besondere Krankheitser- gebniffe und dergleichen, den höhern Behörden zur Entscheidung der fernem Behandlung berichtet werden müssen. Die Sanitäts- Deputationen der zweiten und dritten Classe unterstehen jener der ersten, welche nur in mehr besuchten Seehafen bestehen, ge¬ wöhnlich dort, wo Kreisstellen sich befinden und der Kreisphysi- cus als erster Sanitätsdeputirte gleichzeitig fungirt, und der Kreishauptmann als Chef vorsitzt, welchen Deputationen das Recht zusteht, von eigens bezeichneten, fremden Seehäfen die Einfuhr zu erlauben, worunter aber die von den stets als ver¬ dächtig erklärten außereuropäischen und jene aus dem Oriente kommenden Schiffe nie gehören. Der Chef der Provinzialsanität ist der Landesprvtomedicus welcher als wirklicher Regierungs- oder Guberuialrath ein Glied der Landesbehörde bildet, wo er als Sanitäts-Referent alle in dieses Fach einschlagenden Angelegenheiten der nach den beste¬ henden Vorschriften bezeichneten Amtshandlung unterzieht. In thierärztlicher Beziehung ist der Landesstelle ein eigener Landesthierarzt beigegeben, welcher alle in dieses Fach einschlagen¬ den Sanitätsverhältniffe in der Art leitet, daß sein Gutachten bei den der Landesstelle dießfalls vorgelegten Anzeigen und Berichten zum Grunde der geforderten Erledigung zu dienen hat. Seine vorzügliche Amtshandlung beruht jedoch in der Dienstleistung bei Erkrankung der Hausthiere, zu welchem Zwecke er in etwas wichtigem Ergebnissen dieser Art von den untergeordneten politi¬ schen Behörden aufgefordert, oder von der Landesftelle zur Er¬ forschung des Vorfalles abgeordnet wird, wonach die weitem Verfügungen seiner Angabe gemäß eingeleitet werden. Er ge¬ nießt die Besoldung von 600 fl. nebst den nach der neunten Be- amtenclasse ihm zukommenden Reiseentschädigungen. Die sämmtlichen Sanitätsstellen, wie sie bezeichnet worden sind, nicht gerechnet jene im Militäretat, wo alle öffentliche Admi¬ nistration unter den Regimentscommanden steht, umfassen Dienst- Iio leistungen, welche politischer Natur von den Kreisämtern und den Länderstellen durch deren kunstverständige Organe geleitet werden, diese jedoch hierin nie selbstständig, sondern erstere nur durch den Kreishauptmann als Kreisamtsvorstand, und letztere nur durch die Gremialberathung, handeln. Um jedoch über den Stand dieser Sanitätsindividuen und ihre eigentlichen Leistungen ein bestimmteres Urtheil fällen zu können, ist es erforderlich, ihren Wirkungskreis practisch und kritisch darzustellen. Wollte man das unübersehbare Feld, auf welchem ewig Krankheiten und Tod den Menschen droht und sie auch erreicht, einer Forschung unterziehen, um nach den ursächlichen Einflüssen auch die Gegenwirkung zu bemessen, so müßten alle Lebensver¬ hältnisse in ihrem physischen Zustande erörtert werden, damit überall die schädlichen und gefahrbringenden Potenzen vor Allem erkannt und die gehörigen Maßnahmen zu ihrer Entkräftung an¬ gegeben werden. Die vorzüglichen Objecte der Staatssanitäts¬ pflege werden in den zunächst an die Reihe kommenden Verhand¬ lungen besprochen; hieher gehört nur die Darstellung der Art und Weise des ämtlichen Verfahrens, wie sich dasselbe in den ver¬ schiedenen Stellungen des Sanitätsdienstes offenbart. Die Land- und Bezirkschirurgen bilden bis nun die aus¬ gedehnteste Grundlage des öffentlichen Sanitätsdienstes, weil der bei weitem größte Theil des Volkes in seinen Gesundheitsrück¬ sichten ihrer Sorge vorzugsweise anvertraut ist. Die Land- und Bezirkswundärzte üben ihre medicinische, chirurgische, geburtshilfliche und pharmaceutische Hilfsleistung unter der Bevölkerung mehrerer Tausende von Bewohnern gewöhn¬ lich ausschließend aus. Besonders die zahlreichen Armen des Be¬ zirks sind denselben zugewiesen. Es findet nur dort eine Con¬ trolle Statt, wo in sporadischen Fällen für öffentliche Behand¬ lungen Rechnung gelegt und nach der erwähnten Vorschrift die skizzirten Berichte den Districtsphysicaten vorgelegt und von diesen mit Bemerkungen oder unter Billigung des Verfügten erlediget werden. Eine, wie leicht begreiflich, nur spärliche Controlle, welche III mehr die ökonomischen als die wissenschaftlichen Beziehungen för¬ dert. Wo nun der Wundarzt oder auch der Gemeindearzt, dem dieselbe Krankenbehandlung obliegt, das Entstehen einer wie im¬ mer gearteten Volkskrankheit wahrnehmen, sind sie verpflichtet, die Anzeige der unmittelbar vorgesetzten politischen Stelle mit Nachweisung der Krankheitserscheinungen, der individuellen Ver¬ hältnisse und der Entstehungsursache, sowie der zu gewärtigen¬ den Folgen zu erstatten. Oft gelangt aber der Wundarzt erst dann zur Kenntniß des Daseyns eines solchen Uebels, wenn dasselbe schon einige Verbreitung erlangte, wo er gewöhnlich bei der Todtenbeschau oder erst durch den Gemeindegeistlichen darauf aufmerksam ge¬ macht wird, weil seine ärztliche Hilfsleistung, selbst von der in der Regel ihm nur theilweise Vertrauen schenkenden Bevölkerung spärlich nachgesucht wird, und er auch nicht im Besitze der ma¬ teriellen Zeit sich befindet, überall bei dem ausgedehnt wohnen¬ den Volke sie bringen zu können. Die Bezirksobrigkeit leitet den ärztlichen Bericht an das Kreisamt, in dringenden Fällen macht sie auch an das Districtsphysicat eine Anzeige hievon, erläßt aber bis zur Einlangung der weiteren Weisungen dem Be¬ zirkschirurgen oder dem Gemeindearzte den Auftrag zur fernem Behandlung der Kranken. Die nun von Seite des Distrikts- oder Kreisphysicus voll¬ zogene persönliche Nachforschung des Uebels und der eingelei¬ teten Maßnahmen, regelt das weitere Verfahren mit der Anzeige und Sanitätsrapport-Erstattung nach der oben bezeichneten Vor¬ schrift an das Kreisamt, welches etwa weiter erforderliche An¬ ordnungen trifft, und gleichzeitig der Landesstelle den Gesammt- act vorlegt. Der Distrikts- oder Kreisphysicus pflegt sonach seine Nach¬ sichtsbesuche in dringenden Fällen von 8 zu 8 Tagen, in minder gefährlichen nur von 14 zu 14 Tagen, prüft die Handlungs¬ weise von Seite des Wundarztes und die Resultate derselben, gibt das weitere Verfahren an, und es folgt stets solchen Nach- 112 sichtsbesuchen die periodische Vorlage der Sanitätsberichte in an¬ gegebener Weise. Der dießfällige Wirkungskreis des Districts- oder Kreis- physicus ist in den gewöhnlichen Fällen von Volkskrankheiten in den bestehenden Vorschriften so bezeichnet, daß denselben eigent¬ lich nur die Aufsicht über die Behandlung der Kranken und die consultative Macht in der Regelung derselben zusteht, obschon bei evidenten Mißgriffen von Seite des behandelnden Arztes er auch imperativ diese durchführen kann, insofern er dieselbe in seiner Anzeige an die vorgesetzten Behörden zu vertreten in der Lage ist. Hiebei hat er vorzugsweise auf die plwrinueopoekl psnptwum Rücksicht zu nehmen, ohne hierin jedoch absolut ge¬ bunden zu seyn, da besondere, stets zu bezeichnende Fälle ihm auch den Gebrauch des kostspieligsten Arzneimittels gestatten. Diese erwähnten zwei Amtsverpsiichtungen des Gemeinde¬ sanitätspersonales und die gerichtsärztlichen Leistungen, sowie das Jmpfgeschäft und die Leichcnbeschau füllen so ziemlich die ganze Sphäre seiner öffentlichen Wirksamkeit aus, denn das gesammte übrige Fach der öffentlichen Hygieine, sowie der medicinischen Polizei legt ihm nur dann eine besondere Verpflichtung auf, wenn er zu irgend einer dießfälligen Amtshandlung eigens an¬ gewiesen wird. Was könnte der Wundarzt in diesem Bereiche auch leisten, da er nicht die geringste Anweisung hievon während seiner Studien empfing. Auch in thierärztlicher Hinsicht ist ihm nur eine höchst beschränkte Theorie über die gewöhnlichen Er¬ krankungen der nützlichen Hausthiere in den Kollegien beigebracht worden. Es wäre unbillig, eine wesentliche Hilfsleistung dieser Art von ihm zu fordern. Es ist unschwer abzusehen, wie eine solche, eigentlich meist wundärztlichen Händen anvertraute Hilfe nach ihrer Wesenheit und nach der wichtigen Anforderung an dieselbe, spärlich nur ge¬ leistet werden kann. Seine gewöhnlich einfache und einseitige Bildung in den wissenschaftlichen Verzweigungen liefert von selbst die Belege seiner Einwirkung, und doch ist er eigentlich der Heil¬ arzt, und die über ihn gestellten Kontrollen sind nur precär und 113 nur für die Zeit der Anwesenheit seines vorgesetzten Physiker vom Belange. Die Überwachung aber, gemäß den Berichter¬ stattungen, ist noch schwankender für die Wiffenschastssphäre, da theoretische Darstellungen und Erklärungen öfter der Wirk¬ lichkeit entgegenstehen. Bei der gestellten Nothwendigkeit, die wundärztliche Hilfe, wegen Mangel an ärztlicher, verwenden zu müssen, ist es ande¬ rerseits nicht zu verkennen, daß eben durch diese Ueberwachung und Leitung der Geschäfte von Seite der Physiker das Mögliche geschehe, um doch im Allgemeinen eine Garantie ihres Verfah¬ rens zu erlangen, um den empfindlicheren Anstößen in öcono- mischer und wissenschaftlicher Richtung zu entgehen. Im gerichtsärztlichen Gebiete sind die wundärztlichen Lei¬ stungen durch die strenge Handhabung der Vorschrift, bei Lei¬ chenobduktionen einen Physiker zuzuziehen, wohl in dieser Hin¬ sicht garantirt, doch bleibt ihrer öffentlichen Einwirkung noch immer ein so ausgedehntes Feld in diesem wichtigen, wissenschaft¬ lichen Zweige über, daß ihnen vielfach die Aneignungskräfte über¬ steigende schwierige Gutachten, besonders im physischen Bereiche, anvertraut werden, welche zur Grundlage eines richterlichen Spruches dienen. Hieher gehören alle zur Kenntniß gebrachten willkürlichen oder scheinbar zufälligen Gefährdungen des indivi¬ duellen Gesundheitswohles, wozu nicht bloß Verwundungen, son¬ dern alle übrigen, durch irgend eine gesetzwidrige Handlung oder Unterlassung bewirkte Einflüsse auf das Gesundheitswohl des Nächsten gerechnet werden. Da die Bezirks-Obrigkeiten nicht nur politische, sondern auch in der Regel Gerichtsbehörden erster Instanz gleichzeitig bilden, so wird immer das Resultat der ersten Untersuchung durch diese, entweder zur schweren Polizei - Uebertretung oder zur Cri- minalität nach dem Strafgesetzbuche 1. und 2. Lheiles charakte- risirt. Nach dem ersten .Theile, nämlich nach der criminellen Na¬ tur des Thatbestandes oder der Beinzichtigung zu derselben, wird die fernere Amtshandlung dem Criminalgerichte erster Jn- 8 114 stanz, den Landrechten übertragen, welche sonach die fernere Un¬ tersuchung und gesetzliche Behandlung des Vorfalles leiten. Nach dem zweiten Theile aber, nämlich bei dem Bestände einer schweren Polizei-Uebertretung, bleibt die Bezirks-Obrig¬ keit erster Instanz, vollzieht die vollständige Untersuchung und fällt das Urtheil, nach welchem der Recurs in gesetzlich bestimm¬ ter Zeit offen steht, wo dann die Landesstelle als zweite Instanz, den Fall im Wege des Kreisamtes, welches bei schweren Polizei¬ übertretungen nur eine Meinungsäußerung abgibt, erhält und sein Urtheil spricht, ohne die von der Bezirksobrigkeit verhängte Strafe verschärfen zu können. In Criminalfällen ist das Cri- minalobergericht als Appellationsgericht die zweite Instanz. Es ist wahr, auch diesfalls unterliegt der erste Kunstbefund oft der höhern Censur, doch nur im Recurswege, wo es dann gewöhnlich nicht mehr an der Zeit ist, den Lhatbestand, bezüglich auf den richterlichen Ausspruch, begründet darzustellen und ein räsonnirendes Urtheil zu fällen. Erforschungen und Wahrnehmungen krankheitschaffender Einflüsse, Aufklärungen über die verschiedenartigsten physischen und socialen Verhältnisse, wodurch Krankheit und krankhafte Dispositionen fortwährend erzeugt werden, Angabe der Hem¬ mungsmittel gegen solche ausgebreitete schädliche Einwirkungen in ihrem Werden, oder auch schon in ihrem Daseyn, diese wohl- thätigen Einflüsse auf das physische Gemeinwohl der Bevölke¬ rungen sind medicinisch-politische Anforderungen, welche vergeb¬ lich an den diesfalls nicht gebildeten Wundarzt gestellt werden. Die Amtshandlungen der exponirten oder commissionirenden Physiker beruhen in den gewöhnlichen Fällen von Behandlungen der Volkskrankheiten, wie gesagt, in der Aufsicht und Leitung derselben und in den Nachweisungen ihrer dießfälligen Einwir¬ kung. Es ergeben sich jedoch Krankheiten oder gesundheitsgefähr¬ dende Verhältnisse, wo ein unmittelbar entscheidendes, somit energisches und selbstständiges Handeln des Physikers unerläßlich wird. Bei Lebensgefahren durch besondere physische Ereignisse 115 und menschliche Handlungen, dann bei Contagien, sowie bei au¬ ßergewöhnlichen Ausbreitungen der übrigen Volkskrankheiten, — da sind ohne Aufschub oft eingreifende und strenge Vorkehrungen um so unerläßlicher, als die weitere Verbreitung des Nebels nur von diesen ersten Maßnahmen abhängt. Bei Anhäufungen von schweren, die Contagion etwa leicht verbreitenden Krankheiten, und bei dem Mangel an aller diäte¬ tischen Pflege im Nothstande, da gebietet schon die Mensch¬ lichkeit, dringende Sorge zu nehmen, wonach der Physiker unter Mitwirkung der Geistlichkeit und Ortsobrigkeit jedes mögliche Opfer durch Wohlthat und Gemeindekraft im Augenblicke her¬ beizuschaffen trachten muß, da die Armeninstitute gewöhnlich nur Weniges, oft auch gar nichts bieten, oder wo im Falle des Man¬ gels an solcher Localhilfe der Arzt selbst auf Staatskosten, gleich Arzneien, die nothwendigsten Nahrungsstoffe verschreibt, und für die Uebersetzung solcher Kranken in eine geeignete Localität Sorge trägt; andererseits wird eine der Art Hilfsleistung auch in strenger hygieinisch - politischer, ja selbst staats - ökonomischer Beziehung geboten, da Vernachlässigungen der Art den Krank¬ heitsherd bilden, aus welchem weitverbreitet Leiden und Lod ihr Entstehen und Vordringen erlangen, und jede weitere Aus¬ breitung des Nebels die Heilkoften stets nur vervielfacht und die physische Staatskraft empfindlich beeinträchtiget. Die menschenfreundlichen Regierungen können durch solches Verfahren nur doppelten Gewinn ziehen, und Oesterreich hat hierin schon Großartiges geleistet. Ich selbst war in der Art außerordentlichen Lagen, wo für diätetische Hilfsleistungen ein beträchtlicher Staatsaufwand verursacht werden mußte. Noch wichtiger für das Gemeinwohl und heiklichcr in der Dienstleistung des Physicus sind aber jene Maßnahmen, wodurch augenblicklich strenge Absonderungen und Absperren eingeleitet wer¬ den müssen, und wo der Physiker durch eine mangelhafte Amts¬ handlung der schwersten Verantwortung unterliegen kann. Solche Fälle sind in der Regel freilich nur in den, gegen das ottomanische Gebiet exponirten Gränzprovinzen zu erfahren, 8 * 116 wo besonders bei ungünstigen Nachrichten, welche durch die in den Gränzländern eigens bestellten, meist der dortigen Geistlich¬ keit angehörenden Correspondenten aus dem osmanischen Reiche an das dalmatinische Gubernium und an die nahen General- Commanden eingesendet werden, der strengere Sanitätscordon mit Ueberwachung aller zugängigen Communicationspunkte ge¬ zogen werden muß, und wo bei etwa vorkommenden verdächti¬ gen Erkrankungen im eigenen Gränzgebiete sogleich auch ein Partialcordon mit Contumazirung der verdächtigen Wohnung oder auch Ortschaft eingeleitet wird, um mittelst Aufhebung aller Communication eines solchen Ortes, die vermeintlichen Contagien an ihren ersten Entstehungsort zu bannen, oder nach der Ent¬ wickelung der wahren Natur einer etwa bloß verdächtigen Krank¬ heit erst diese Absperrung zu beheben, was auch dann bei Häfen und Inseln, wo sich zugängige Stellen für Schiffe befinden, ge¬ schieht, wenn eine Communication der Landbewohner mit einem aus dem Oriente kommenden und aus mancherlei Ursachen das Land berührenden Schiffe Statt findet. In allen erwähnten Fällen nun muß der zur Untersuchung eines verdächtigen Krankheitsvorfalles abgeordnete Physiker, mit voller Bestimmtheit von den politischen Behörden und den bei diesen Amtshandlungen einwirkenden Sanitätsdeputationen, die Ausführung der strengen Maßregeln unbedingt fordern. *) ') Ich selbst befand mich während meiner Dienstleistung als Kr.ispbysiker in Dalma. tien unter Anderem einmal in der Lage, eine Anordnung des Distrietsphysicus, welcher sich lammt der Localität, wo er linen von ihm untersuchten typhösen Kran¬ ken sür pestverdächtig erklärte und in streng» Contumaz setzte, amtlich zu bestätigen, nachdem ich an ürt und Stelle mittelst gebotener Vorsichten den Fall untersuchte, und ihn als schwer verdächtig zu halten verpflichtet war, da der Werlaus des Uebels bei dem Erkrankten und kur, darauf auch Verstorbenen. Erscheinungen nachwics, welche diesen Verdacht in anamnestischer und pathologischer Hinsicht begründeten, ob¬ schon der Fall selbst in dem Hause des Kranken keine weitern Folgen äußerte. Es ist ganz richtig, daß der Art Vorkehrungen öfter gegen «inen imaginären Feind nur ankämpfen, doch besonders die letzten Pestfalle in Dalmatien im Jahre 1819 können auf das deutlichste nachweisen, welchen Werth der Art Institutionen, wenn sie mit geforderter Strenge geübt werden, herbeiführen. Im Kreise von Spatato, an der Bränze von Bosnien, befiel die eingeschleppte Pest ein Individuum, welches den dritten Lag der Krankheit mit allen Erscheinungen des Uebels erlag. Es war nach dem Todesfälle erkannt; schon binnen dieser Zeit verbreitete es sich in den ju- 117 Doch nicht bloß bei der Art Fällen hat der zur Untersu¬ chung abgeordnete Physiker mit voller Lhatkraft und Umsicht zu verfahren; auch in den übrigen Provinzen kommen häufig genug Erkrankungen vor, wo von der ersten Einwirkung gegen ihre Verbreitung das künftige Heil abhängt. Die Blattern, der Scharlach, der contagiöse Typhus, die Hydrophobie, sind der Art acute, die contagiöse und miasmatische Fortpflanzung bedingende Krankheiten, deren Ausbreitung nach den ersten Fällen oft be¬ hindert werden kann, wonach so vielfache, mit Opfern verbundene Folgen gemieden werden, wenn Behörden und Aerzte mit der erforderlichen Energie stets im Beginne solcher Erkrankungen die umfassenden Mittel in vollständige Anwendung setzen. Man mache einen Vergleich in der Verbreitung dieser Krank¬ heiten zwischen Ländern, wo überhaupt die strenge Uebung der Sanitätsvorschriften, und besonders die Absonderung bei den Con- tagien und die Reinigung der verdächtigen Wohnungen an der Tagesordnung ist, wie dieß in Dalmatien und in dem Militär- gränzgebiete der Fall ist, mit jenen Provinzen und Ländern, wo man die Unausführlichkeit dieser Vorkehrungen a priori annimmt und sie auch nie anwendet, und man wird über die Vergleichs¬ ziffer nicht wenig erstaunen.* *) nächst liegenden Bauernhöfen, von welche» >3 als verdächtig erklärt, in strengste Contumaz gesetzt wurden, so zwar, dost noch gehöriger Versorgung der S Erkrankten und Verwahrung oller Thiere, die Bauernhöfe sammt dem ganzen Inhalte den Flam¬ men preis gegeben wurden. Das Uebel ward aber gebannt und keine weitere Ver¬ breitung hatte Statt gefunden. welche wohlthätige Folge in früherer seit nie er- zweckt werden konnte, wo minder energische Mittel der Ausbreitung der Contagien lange keine Schranken setzen konnten, wie dies auch die im Jahr- 18>4 sich ergebene Pest in Mocarsca und Umgebung, trotz oller dort getroffenen Vorkehrungen, bestä¬ tiget, wo mehrere Taufende von Bewohnern als Opfer fielen. Doch der Art Vorkehrungen dürften nun, wo dos ottomanische Reich selbst alle Doniläismostnahmen durchführt, nicht mehr gefordert werden. *) Ich hotte in meiner Dienstleistung in Dalmatien und im -roatischen Küstenlande durch einen Zeitraum von 10 Jahren wohl oft Fälle der Art in der Amlsbandlung, wo ihre Verbreitung aber immer nur auf b-schränkle Sohlen von Erkrankungsfällen sich auSdebnte, jedoch im Gegen«,eil« in den andern zwei Provinzen, wohin mich spätere Anstellungen riefen, diese Krankheilen, wo sie entstanden, in der Regel auch ihre weitere Ausbreitung eingingen, weil weder die Bevölkerung,noch das Sanitäts¬ personal« an die strengen Gesetze, wie sie in den Gränzprovinzen geübt werden, ge¬ bunden sind. 118 Das Jmpfgeschäft unterliegt der Controlle nur insofern?, als des Jmpfarztes Gegenwart und Vollzug des Geschäftes durch den Bezirksbeamten und den Seelsorger außer Zweifel gesetzt werden, welche auch die bezüglichen tabellarischen Nachweisungen mit unterfertigen. Wie aber diese Operation vollzogen wird, und ob der wahre Erfolg garantirt bleibt, diese wesentlichen Anforderungen sind nur dem Zmpfarzte, seiner Einsicht und sei¬ ner Redlichkeit überlassen. Die Leichenbeschau kann, wenn der Bezirks-Wnndarzt auch mit den hiebei erforderlichen Kenntnissen ausgerüstet, nur schwan¬ kend ausgeführt werden. Die weiten Entfernungen von der Woh¬ nung des Wundarztes und die Lauigkeit der Parteien in der Anzeige des Todfalles, machen, daß auf dem Lande nicht sel¬ ten erst am zweiten Tage, und da auch nur oft Meßner diese Beschau vollziehen, wonach diesem Bedarfs gar nicht, oder nur höchst ungenügend entsprochen wird. Die medicinisch-polizeiliche und medicinisch-politische Ein¬ wirkung äußert aber vorzugsweise darin ihre Leistung, daß sie alle die Gesundheit gefährdenden Einflüsse zur Erkenntniß bringt, und möglicher Weise ihre Entkräftung, sowie Sicherstellung des physischen Gemeinwohles herbeiführt. Dieses Feld der öffentlichen Sanitätspflege ist es vorzugs¬ weise, welches eine gesunde medicinische Polizei zu bebauen hat. Die bisherigen Versäumnisse in diesem Fache sind aber in den meisten Staaten durch den Mangel an gehöriger ärztlicher Aus¬ bildung , ferner durch Entziehung entsprechender Hilfsmittel zur Erreichung solcher Zwecke, endlich durch Mißverständnisse in der In diesen wird der Physiker die Bezirksobrigkcit und dm Gemeindcvorstand an¬ weisen, die Communication mit dem contagiösen Kranken nach Möglichkeit zu hin¬ dern und die Reinigung zu fördern. Höchstens bei offenbaren Wuthfällm wird mit Ernst allseitig eingewirkt, daß eine Mittheilung verhütet werde. Sonst hält man diese Weisungen für fromme Wünsche. Bei Contagien unter Thieren, da ist der materielle Vortheil zur schleunigen und raschen Amtshandlung, Absonderung der Er. krankten, strenge Disiocikung auch der Verdächtigen, Tödiung offenbar Angestechter, ob auch der Eigenthümer sich dagegen erklärte; das Alles geschieht in der Regel im kürzesten Zeiträume unter Anwendung aller Strenge, und selten denkt Jemand dar¬ an, sich hierüber bei den Behörden zu beklagen. 119 Förderung der Sanitä'tsabsichten von Seite der Behörden, ob Mangel der Erkenntniß in diesem Fache hervorgegangen. Zn einigen Staaten hat man die Objecte der Staatsarznei¬ kunde meistens nnr in der gerichtsärztlichen Amtswirkung ge¬ sucht, und dem angestellten Arzte keine, oder nur eine indirekte Einwirkung auf alle übrigen Einflüsse zugestanden. Wenn schon hierin Oesterreich eine günstige Ausnahme bil¬ det, so ist doch immer noch auch daselbst Vieles zu bewirken übrig, wenn man der Förderung des physischen Gemeinwohles jene Aufmerksamkeit zuwenden will, welche die Staatszwecke und die Humanität gebieterisch heischen. Wenn eine Bevölke¬ rung vom nahen Sumpfe in ihrem Gesundheitsstande leidet, wenn diesen häufige Ueberschwemmungen und dadurch verursachte Dünste gefährden, wenn die Lrinkwässer einen bleibenden, krank- heitzeugenden Einfluß äußern, wenn die Begräbnißplätze, die Schulen, die Arreste, die öffentlichen Institute überhaupt, dann die Ernährungsverhältnisse, endlich die übrigen, durch Natur und Kunst bedingten, Gefahr drohenden Einwirkungen auf den Menschen rechtzeitig vermieden werden sollen, so ist es Sache des Arztes, dieselben zu erforschen, ihre Natur darzustellen, und die Mittel zu ihrer Behebung zu beantragen. Diese Objecte insgesammt füllen die Amtshandlung des öffentlichen Sanitäts¬ personales in der Richtung der politischen Sanitätspflege aus, und zeigen zugleich, welche ausgedehnten und folgereichen Ein¬ wirkungen sein Stand einschließt. Wenn statistische Erfahrungsbelege das Verhältniß der Zah¬ len bezüglich aus solche schadhafte Einflüsse nachzuweisen hätten, wie würde man erstaunen über die gigantischen Ziffern, welche die Grabsteine decken und bei Lebenden die unglücklichsten Dia¬ thesen verhüllen! Es ist wahr, daß die ausgedehntesten schadhaften Einflüsse auf den allgemeinen Gesundheitsstand großer Mittel zur Behe¬ bung bedürfen. Eine Sumpfgegend auszutrocknen, den Lauf der Wässer zu regeln, die öffentlichen Institute nach Bedarf um- zustalten und auszudehnen, die Bildung den physischen und psy- 120 chischen Anforderungen gemäß einzurichten, die Nahrungsstoffe quantitativ und qualitativ zu sichern, überhaupt die schädlichen Einflüsse im physischen Bereiche nach Möglichkeit zu entfernen, dazu gehören immense Mittel, den Gemeinden oder dem Staate nicht aufzubürdcn. Doch hätte man es nicht versäumt, in der Erforschung der Ursachen und Folgen solcher Einflüsse die Kluft anschaulich zu machen, wo die socialen Kräfte in bodenlose Tiefen versinken, so wäre das Mögliche auch durch ungewöhnliche An¬ strengungen geschehen, wie dieß wichtige, hie und da bewirkte Abhilfen, durch günstig zusammentreffende Umstände hervorge¬ gangen, in seltenen Fällen auch bisher schon erwiesen. Für nun ist aber hier bloß die Rede von der gegenwärtigen Wirkungssphäre des öffentlichen Sanitätspersonales. Gelangen derartige Anzeigen und Anträge, oder auch jene über die eingetretene Behandlung der Kranken zur Kreisstelle, wie sie die Bezirks-Obrigkeiten mit den Berichten der Bezirks¬ ärzte, die Magistrate mit jenen der Stadtärzte und die Di- strictsphysiker vorlegen, so tritt die Amtshandlung des Kreis¬ amtes durch den Kreisphysiker ein, das heißt, der Kreisphysiker erhält das eingelangte Stück in seine Zutheilung zur Erledigung unter Approbation des Kreishauptmannes, oder seines Stellver¬ treters. Die sich nicht selten ergebende Verschiedenheit der Meinun¬ gen, von Seite dieser beiden Beamten, ist wohl sehr erklärlich, wenn man einerseits die kreisärztliche, durch den Diensteid ge¬ bundene Verpflichtung zur Förderung des physischen Gemein¬ wohles, andererseits die Scheue vor ungewöhnlichen Anträgen und Forderungen an Mitteln, die ärztlicherseits vorhandene Neigung zur bestmöglichen und schnellen Hilfeleistung, ohne die hiezu er¬ forderlichen Fonde in die Wagschale zu legen, gegen den die Staats- und Communalopfer stets nur beschränkenden, die Macht, folglich auch das Princip der Unfehlbarkeit tragenden Amtschef und dessen strenge Anhänglichkeit an das ökonomische System, sowie dessen Unvertrautheit mit den Sanitätsprincipien unpar¬ teiisch prüft. Es wird sich bei solchem Stande der Dinge un- 121 schwer entziffern lassen, wie nach vielfachen, stets regen Huma- nitätsgrundsätzen, welche dem Willen unserer Regierungen bele¬ ben, noch immer Krankheiten und krankheitschaffende Einflüsse das Volk hie und da decimiren, und wie nach all' diesen An¬ strengungen in der Organisation der dies fälligen Hilfsleistung noch immer manche Agentien seit Jahrhunderten denselben Be¬ stand weisen. Nach dem erwähnten Verfahren des Kreisphysicus, dessen Geschäftsführung das Kreisamt nach seiner Ansicht hervorruft und verwendet, ist dieses Verhältniß in Bezug auf den wissen¬ schaftlichen Einfluß von jenem der übrigen deutschen Staaten nicht viel verschieden, wo eigene Medicinalräthe oder Medicinal- collegien von den politischen Behörden zur Abstattung ihrer Gut¬ achten angewiesen werden, welche sonach von diesen Behörden nach ihrer Ansicht in's Leben geführt werden. Sie wirken bloß consultativ und sind nicht einmal in der Lage, bei unvollständi¬ ger oder mangelhafter Durchführung ihrer Anträge an ein hö¬ heres Urtheil zu appelliren. Sie haben durchaus keine ausübende Gewalt. Deshalb will man aber nicht gesagt haben, daß der kreis- ämtliche Sanitätsdienst sich keines entsprechenden Fortganges erfreuen könne. Ein zweckmäßiges Einverständniß hat hie und da gewiß schon erfreuliche Folgen nachgewiesen, insoferne die verwendbaren Kräfte diese erreichen ließen. Doch hierin eben wird das Vorschreiten der Sanitätsabsichten größtentheils zu¬ rückgehalten, soweit es sich nämlich darum handelt, ungewöhn¬ liche Einrichtungen im Bereiche der Sanität in's Werk zu setzen. Da scheitert beinahe jedes Vorhaben schon bei seinem ersten Anträge, denn hierauf nehmen die betreffenden Fondsprälimi¬ narien keine Rücksicht. Sie befassen sich bloß mit den gewöhn¬ lich geforderten Auslagen, deren Bedeckung ihnen obliegt. Bei Communalfonden, nämlich Stadt- und Bezirkscassen, da sind zwar selbst Ueberschreitungen durch außerordentliche Krankheitsergebnisse für die Bedeckung eines ungewöhnlichen Auf¬ wandes auf das nächste Jahr mittelst erhöhten Steuerpercentenzu- 122 schlagen, welche diese Lassen bilden, zur Tilgung des Bedarfes angenommen; doch welche Schwierigkeiten sich hierin immer ent¬ gegenstellen, ist leicht zu ermessen, wenn man erwägt, daß dieses Mittel die Bedrückung des Landvolkes steigert, und daß somit alle Behörden nur mit Unwillen zu demselben schreiten, sobald es sich von nicht strenge systemisirten Auslagen handelt. Der Staat von Oesterreich hat durch die Bedeckung viel¬ facher Sanitätserforderniffe große Lasten auf sich genommen. Er dotirt allein die Fonde der Gebär-, Irren- und Findelan¬ stalten außer den Stiftungserträgnissen, welche meist sehr gering sind. Er trägt die gesummten Jmpfungsauslagen, die Diäten für die Behandlung bei allen Bolkskrankheiten, Diäten und Reisekosten bei periodischen und sonst im Gebiete der Sanitäts¬ aufsicht sich ergebenden Untersuchungen im Dienste der Physiker, sowie die gesammten, der Seesanität und Sanitätsgränzeinrich¬ tungen anheimfallenden Kosten, endlich alle Besoldungen und Pensionen der Staatssanitätsbeamten in ihrem ganzen Umfange. Diese Staatsfonde aber dürfen nur nach ihren Prälimina¬ rien aufgewendet werden und nur ganz ungewöhnliche Volks¬ krankheiten, wie etwa die Cholera war, mußten eine Ausnahme zulassen. Sonstige außerordentliche Anforderungen, etwa Bauten oder größere Umstalrungen von Sanitäts-Instituten, neu zu errich¬ tende Sanitätsbedienstungen, wo die Umstände sie fordern, u. dgl. Auslagen, welche die Staatsfonde treffen, müssen aus Mangel an Dotationskräften weichen, oder, wenn ihr Bedarf als unerlä߬ lich angenommen wird, rufen sie Verhandlungen hervor, deren Beendigung gewöhnlich großer Zeitdehnung bedarf.*) ") Ium Beispiele diene die Errichtung von Jrrenbeilanstalten nach dem neueren und allgemeinen Systeme. Nur Prag besitzt na» allmäliger Bauführung und Umstal- tung eine der Art n»ch immer nicht vollständige Anstalt. Kein anderer Ort in der Monarchie, am wenigsten Wien, kann sonst etwas, als Irrenhäuser, wo auf Absperrung und physische Erkrankung Rücksicht genommen wird, vorweisen. Die Vergangenheit hat cS versäumt, dem dießfälligen Fortgänge schrittweise zu folgen. Für die Gegenwart ist die Arbeit gigantisch. Nicht nur der Umstand, daß man in der R«e>el ehcp für alles anhere Mittel findet, als für die Eirichtung einer Wohl- 123 Außergewöhnliche wohlthätige Einrichtungen, welche für Gemeindesanitätszwecke der Landsanitätspolizei anheimfallen und durch Bedeckung aus Communalcassen bewirkt werden, sind noch schwieriger in ihrer Ausführung, weil die Mittel nicht vorhan¬ den und deren außerordentliche Hervorrufung außer dem Sy¬ steme liegt. Das schon Vorhandene wird angewendet und die eigentliche Förderung der Zwecke wird günstigerer Zeit Vorbe¬ halten, Jedoch auch diese vorhandenen und präliminirten Sanitäts¬ auslagen geben einfache Mittel an die Hand, wohlthätige Zwecke zu erreichen, und das Kreisamt befindet sich in der Lage, diese auf eine heilbringende Weise einzuführen. Es wird nach dem bisherigen Begriffe und den gewöhnli¬ chen Anforderungen großem Bedarfe abgeholfen; doch was auch hierin die kräftigere Philanthropie zu leisten im Stande wäre, wei¬ sen die weiteren Verhandlungen über diese Institute. Die periodischen Untersuchungen von Seite der Kreis- und Districtsphysiker, wodurch alljährlich allen Sanitätsverhältniffen im Kreise nachgesorscht, die Gebrechen protocollmäßig mit den Bezirks-Obrigkeiten ausgenommen und die Abhilfe nach dem Wirkungskreise eingeleitet werden soll, liefern gewöhnlich auch der Art Amtshandlungen im medicinisch-politischen Gebiete, daß die Behebung der vorgefundenen Unzukömmlichkeiten gewöhnlich nur durch beträchtliche Opfer aus Gemeindesonden zu Stande gebracht werden könnte, die Ausführung demnach nicht selten gewaltigen Hemmungen entgegentritt, und so fortan durch Jahre dieselben Gebrechen erhoben und dieselben Anstöße wieder vor¬ gefunden werden. Daher auch oft der Unwille der Behörden über die stets gleichen und stets wirkungslosen Amtshandlungen, thätigkeits.Anstalt, ist Ursache solcher Verwallungsmibverständniffe, sondern ins- besonderedie Unkenntnis; und die Prälension vieler Srgane, welche bicbei ihr Ein¬ verständnis, geben sollen. Commissionen und Berathungen von Gliedern, deren grösster Theil Zweck und Folgen dec Anstalten gar nicht ahnt, bilden das leidigste Mistel zur Erreichung des Zieles. 124 ob auch nur sie größtenteils daran Schuld sind. Allein auch hierin wird nach langem Ankämpfen doch ein Zweck erreicht, und so theilweise die Mühe belohnt durch endlich bewirkte Ausfüh¬ rung eines Sanitätszweckes. Die Aufstellung geregelter Fried¬ höfe und Todtcnkammern, die Begründung einer Localkranken¬ hilfe, die Zustandebringung eines gesunden Tränkwassers, die Be¬ hebung von Curpfuschereien, Bestrafung des Verkaufes von Arz¬ neimitteln durch Unbefugte, bessere Versorgung der Armen, zweck¬ mäßigere innere Einrichtung der öffentlichen Institute in gesund¬ heitspolizeilicher Hinsicht, sowie Entfernung verschiedener Sani¬ tätseingriffe von Seite des untergeordneten Personales, sind der Art Gegenstände, welche hie und da nach langwierigen Kämpfen endlich doch mit Erfolg zu einer zweckmäßigeren Gestaltung durch obige Amtshandlungen gebracht werden. Wenn schon die Amtswirksamkeit des Kreisamtes in Sani¬ tätsgegenständen im Allgemeinen nur als eine beschränkte erscheint, da alle Einlagen von einiger Wichtigkeit dem Gubernium zur weitern Anleitung vorgelegt werden, so ist doch hierin der kreis- ämtliche Wirkungskreis schon dadurch von bedeutendem Ein¬ flüsse, daß diese Behörde schon im Beginne des Sanitätser¬ gebnisses oder jeder etwas dringlichen Sanitätsanforderung so¬ gleich das Nöthige verfügt und hiedurch die erste wichtige Vor¬ kehrung zu treffen hat. Da nun bei den meisten Sanitätsergebnissen die Haupt¬ sache gerade vom Beginne der Behandlung abhängt, so ist es erklärlich, daß diese ersten kreisämtlichen Verfügungen oft als die eigentlich entscheidenden anzusehen sind. Die Verbreitung eines contagiösen Uebels, die Gefahren bei besondern, Gesundheit und Leben bedrohenden Ereignissen, werden vorzugsweise durch diese ersten Maßnahmen hintange¬ halten und die Landesstelle wird in den dießfälligen Berichten, wenn das Erforderliche geschehen, nur ihre Billigung bekannt zu geben haben. Im Allgemeinen ist der Wirkungskreis des Kreisamtes in allen jenen Sanitätsangelegenheiten freigestellt, wo die vorhan- 125 denen Communalmittel zur Amtshandlung und Erreichung des Zweckes hinreichen, weil die Censurirung und Adjustirung der Communalrechnungen auch nur ihm obliegt, und wo in den übri¬ gen Sanitätsverfügungen die Entscheidungen der ersten Instan¬ zen nicht im Recurswege zur Landesstelle gelangen, was aber meistens der Fall ist, da nicht nur bei Sanitätsübertretungen, sondern auch bei Bebürdungen der Gemeinden zur Aufstellung irgend einer Sanitätseinrichtung, gewöhnlich Reclamen Statt finden. Beachtenswerth ist die Vorsorge des Kreisamtes in Fällen, wo die gewöhnlichen Communalmittel nicht hinreichen, jene Amtshandlungen einzuleiten, welche durch eine bessere Do¬ tation der Bezirkscafsen bewirkt werden, was durch Anträge zur Vermehrung der Steuerpercenten oder zum Aufschläge der Ver¬ zehrungssteuerquoten auf bestimmte Lebensartikeln einzuleiten ist. Da diese Communalmittel für Sanitätsauslagen zu Zeiten bedeutende Opfer zu bringen haben, indem sie außer den Be¬ soldungen des Communal-Sanitätspersonales, außer den Aus¬ lagen für die Heilung der kranken Bezirksarmen, außer den bedeutenden Beiträgen für die Verpflegsgebühren in die eigenen und fremden Krankenhäuser, alle Fuhrkosten des Sanitätsperso¬ nales für die Behandlung bei Volkskrankheiten zu tragen haben, welche besonders in letzterer Beziehung oft große Summen er¬ fordern; so ist es nicht selten, daß die Zuschläge auf die direkten Steuern vorzugsweise wegen Sanitätsauslagen bis 8, und sogar auch 10 erreichen, in Städten aber besonders die Verzeh¬ rungssteuer auf geistige Getränke bis 60 °/y gesteigert wird. Die Direktionen der Kranken- und der Lehranstalten haben ihre bestimmten Instructions-Weisungen. Im Bereiche ihrer Amtsverhältnifse gegen die vorgesetzten Landesstellen, sowie gegen ihre untergeordneten Primär- und Sekundär-Arzte, Verwal¬ tungsbeamte, Haus-Hebammen, Krankenwärter, und bei dem Lehrfache gegen Professoren, Assistenten, Schüler und Schuldie¬ ner ist Alles in der Art geregelt, daß die verschiedenen Stellungen und Anforderungen dieser Glieder unter sich und ihre Abhängig¬ keit von den Vorständen nicht leicht zu Zweifeln und Hemmun- 126 gen führen. Diese bieten bei Krankenanstalten aber um so mehr die finanziellen Verhältnisse und andererseits die zahllosen Nach¬ weisungen, Verpflegsgebühren, Forderungen, so zu sagen an ganz Europa gerichtet, Controllen und Bestätigungen, welche fort¬ an viele Bücher füllen und unglaubliche bureaucratische Beschäf¬ tigung geben, wie dieß bei der Darstellung dieser Anstalten näher besprochen wird. Die Lehrkörper haben in der Regel bloß periodische Ein¬ lagen über den Lehrzustand und seine Erfolge zu machen, ohne an besondere Amtscorrespondenzen gebunden zu seyn. Die meiste bureaucratische Beschäftigung geben ihnen außer den Jahresbe¬ richten, wodurch Stand und Fortschritt der Lehranstalt im De¬ tail nachgewiesen wird, die von den Gerichtsstellen geforderten Gutachten und Superrevisionen der wundärztlichen Parere. Die gewöhnlichen Amtshandlungen der Cordon- und Con- tumaz-, Lazareth- undQuarantaine-Anstalten, sowie der Seesa¬ nitäts-Magistrate, sind nach bestimmten, im Jahre 1770 durch eine eigene Vorschrift und durch später erflossene, das Detail angebende Normen festgesetzt, deren Störung wenigstens in ver¬ dachtlosen Zeiten, wo nämlich in den exponirten Ländern der günstigste Gesundheitsstand waltet, nicht leicht verursacht wird, da selbst die allenfalls in Folge erwiesener verdächtiger Commu- nication an der Gränze oder in den Seehäfen sogleich einzufüh¬ rende Contumazirung, das ist, gänzliche Absonderung des Ortes und der Umgebung, soweit der Communicationsverdacht reicht, in der Regel keinen Irrungen unterliegt. Diese Einleitungen, welche instructionsmäßig schon von den Localsanitäts-Aemtern, d. i. Sanitäts-Deputationen bei der Art Verdächtigungen ohne mindesten Aufschub zu treffen sind, werden durch die moralische Gesetzeskraft durchgesührt, da Uebertretungen der erklärten Contumaz- und Cordon-Vorschriften ein criminelles Strafverfahren nach sich ziehen. Wenige Wachposten müssen in der Regel die gesperrte Communication erhalten. Wenn sonach bei dem am Rastelle gepflogenen Verkehr oder bei den Contumaz- und Quarantaine-Anstalten überhaupt eine 127 unmittelbare Berührung etwa der nicht exponirten Sanitäts- Guardiane (Aufseher und Arbeiter), da die exponirten die Mani¬ pulation mit der Lüftung und Reinigung der verdächtigen Wa¬ ren außerhalb der Cordonlinie vollziehen, oder der Wache, oder irgend einer Person oder Sache, die im freien Verkehre sind, eintritt, diese ohne weiters der Contumaz verfallen. Alle der Art Ergebnisse müssen ohne Verschub der vorge¬ setzten Behörde angezeigt werden, welche im Falle der Bestäti¬ gung des Verfahrens die Mittheilungen und die Veröffentlichung der aufgehobenen freien Communication mit den contumacirten Orten veranlaßt, was besonders an den Küsten und Inseln em¬ pfindliche Folgen nach sich zieht, da in diesen Fällen allen sonst daselbst frei einlaufenden Schiffen der Zugang auf bestimmte Zeit, gewöhnlich 10 bis 14 Tage verboten ist. Wenn man aber annimmt, was angenommen werden muß, daß eine Landgränze, wie die der österreichischen Provinzen, und an den Küsten und Inseln die zahllosen natürlichen Häfen und Landungsorte unmöglich zu bewachen sind, wo in den letzten nicht nur willkürlich ein verbotener Verkehr leicht Statt finden kann, sondern durch Stürme, Wassernoth und andere Erforder¬ nisse der vorübersegelnden Schiffe Communicationen mit unserer Bevölkerung erfolgen müssen, daß die größtentheils im Noth- stande befindliche Landbevölkerung unserer Gränzprovinzen einen steten geheimen Verkehr mit den ottomanischen Gränzprovinz- bewohnern unterhalten, und dieser durch Verbindungen, Fami¬ lienbande, Handelsinterresscn u. dgl. veranlaßt werden muß, so ist es erklärlich, wie schwierig die Erreichung der Absicht ist, welche durch eine der Art Einrichtung erzielt werden will. Es ist richtig, daß diese Institute die polizeilichen Zwecke mehr noch als die Sanitätsabsichten fördern; doch man hat aus Mangel an erlangter Sicherheit in Betreff der Verbreitungs¬ weise contagiöser Uebel noch zu keinem festen Entschlüsse gelan¬ gen können, diese, Staat und Bevölkerung belastende Sanitäts¬ aufsicht aufzugeben, um eine leichtere, minder bedrückende Poli¬ zeiaufsicht neu einzuführen, und es muß die erstere eigentlich in der 128 Regel nur einen Vorwand für letztere bilden. Selbst die in neuerer Zeit im ottomanischen Staate, in Griechenland und Aegypten geregelten Reserveanstalten konnten noch keine Garan¬ tie für unsere Sanitätseinrichtungen bieten, welche seit 25, Jah¬ ren an der Landesgränze wesentliche Sanitätsdienste, höchstens nur gegen die Einschleppung contagiöser Epizootien leisteten. Wohl aber haben die erwähnten Seesanitäts-Magistrate, seit jener Zeit, insbesondere im letzten Decennium die Strenge der Reserven bedeutend gemildert. Die Quarantainen wurden im Allgemeinen bei pestverdachtlosen Zeiten im Oriente, besonders für Dampfschiffe, auf welchen ein Sanitätsguardian exponirt ist, von 10 bis auf 3 Lage herabgemindert und in Bezug auf die Rei¬ nigungsmethoden manche wohlthätige Aenderungen eingeführt. Ohne Zweifel hätte noch Mehreres geschehen können, wenn von Seite der übrigen Sanitätsmagistrate der italienischen Staaten mit gleicher vorurtheilsfreien Liberalität vorgegangen würde; doch bei manchen Anträgen, welche unsere Regierung dießfalls vor¬ brachte, ließ sich kein rechtes Verständniß zu Stande bringen, was doch nothwendig auch mit dem nahen Auslande gepflogen werden muß, da man sich der Gefahr auszusetzen glaubt, daß von diesen Staaten bei einer solchen, nach ihrer Meinung zu liberalen, folglich gesundheitgefährdenden Einrichtung, unsere Provenienzen auch in Reserven bei denselben gestellt würden, wonach sehr bedeutende Hemmungen im Verkehre eintreten mü߬ ten. Den bei all' diesen Instituten angestellten Aerzten ist das ei¬ gentliche ärztliche Urtheil nur zugewiesen. Hier ist der zum Gut¬ achten aufgeforderte Districts- und Kreisarzt, der ärztliche Sa- nitätsadjunct oder der Lazaretharzt absolut Kunstverständiger nur in Bezug auf die Prüfung des individuellen Gesundheitsstandes der Verdächtigen, da entweder bei vorkommenden Erkrankungen unter diesen, oder bei der Untersuchung der in unsere Reserve¬ anstalten kommenden Individuen und von der Entlassung dersel¬ ben nach verstrichener Contumaz-Zeit seine Stimme als geltend angenommen wird. Die eigentliche Amtshandlung leitet er nur dort, wo er zugleich Lazareth- oder Contumaz-Director ist, was 129 in einigen minder besuchten Anstalten dieser Art an der See und am Gränzlande doch der Fall ist. Bei allen übrigen Sanitäts- deputationen ist er nur Consulent und bei den Seesanitätsmagi¬ straten werden die Entscheidungen nur nach Stimmenmehrheit gefällt und weitere Weisungen in etwas zweifelhaften Fällen, mittels Berichterstattungen von der vorgesetzten Landesbehörde eingeholt. Alle bisher erwähnten Behörden leiten ihre Nachweisungen der ämtlichen Agenden, ihre Anfragen, Auskünfte und berichtliche Darstellungen bis an die, allen vorgesetzte Landesbehörde, und es ist von denselben den erlassenen Weisungen stets nachzukom¬ men. Wenn diese einer untergeordneten Behörde den Verhält¬ nissen entgegen gefaßt scheinen, so bleibt es ihr allerdings anheim¬ gestellt, zur genauen Verständigung der Sachlage, noch eine Vor¬ stellung vor der gebotenen Ausführung, der Oberbehörde vorzu¬ legen; doch ist es keinem untergeordneten Amte gestattet, im Re- curswege aufzutreten. Die Sanitätsleitung im Bereiche der Landesstellen ist eine ausgedehnte, eine dem physischen und psychischen Wohle der Bevölkerung heilbringende, alle administrativen Zweige wohl- thätig durchwehende Staatskraft, sobald ein entsprechendes Verständnis« den Wirkungskreis im Gremialverbande leitet und die zu Gebote stehende Gewalt zur Hervorrufung geeigneter Mit¬ tel, angemessen ins Leben gefördert werden kann. Doch schwierig, ja in vielen Fällen unerreichbar ist die Lösung der Aufgaben im Sanitätsbereiche, wo eben diese beiden Verhältnisse vielfache Hemmungen bieten müssen. Der Landes-Protomedicus einerProvinz, als Regierungsrath (in den zwei Provinzen Oesterreichs, sonst Gubernialrath)ist in die¬ ser Stellung mit denselben Pflichten und Rechten betheilt, wie die übrigen Rathsglieder. Seine Gremialvorträge unterlagen bis zur neuesten Zeit, wo die periodischen Gremialberathungen durch das Ministerium aufgehoben wurden, wie jene der übrigen Räthe, der Abstimmung, und er mußte in derselben Art über 9 130 die Vorträge der andern Gremialen sein motivirtes Uriheil fällen. Er war gleich den übrigen Rathen für die Gremialbeschlüffe insofern verantwortlich, als er mit seiner Stimme sich in der Mehrheit, nach welcher die Verfügungen ausgeführt werden, be¬ funden. Die hiedurch geforderten ausgedehnten Kenntnisse stellen sich um so höher, als ihm die hiebei unerläßlichen bureaucrati- schen und parlamentarischen Eigenschaften durch keine Lehre und durch keine Erfahrung in den vorhergehenden Diensten beige¬ bracht werden. Das Sanitätsdepartement der Landesstelle besteht aus dem k. k. wirklichen Gubernialrathe und Sanitätsreferenten, als Chef desselben, aus dem ihm untergeordneten Gubernial-Secretär, dem Gubernial-Concipisten und dem Conceptspractikanten, welche sämmtlich dem juridischen Fache angehören, außer in Fällen, wo die letzteren von Aerzten substituirt werden, welche zur Con- ceptspraxis eigene Bewilligungen von dem Landeschef erhalten und diese auf unbestimmte Zeit üben. Der Landesthierarzt ist dem Sanitätsbureau nur insofern zugetheilt, als dessen Berufung in thierärztlichen Gegenständen zu irgend einer Ausarbeitung von dem Amtschef gefordert wird. Zn das Sanitätsbureau gelangen zur Entfertigung alle jene Amtseinlagen, welche nach dem gegenwärtigen Begriffe die Sphäre der eigentlichen Sanitätsgegenstände und der Kranken¬ versorgungsinstitute bilden, mit Ausschluß aller übrigen Armen-, Blinden-, Lauben- und Waiseninstitute, welche dem Armen-Wesen und den Stiftungsreferenten zugewiesen sind. Da die Versor¬ gungsinstitute gewöhnlich mit den Heilinstituten in einiger Ver¬ bindung stehen, und der ärztliche Beruf auf sie einen directen Einfluß übt, werden diese Agenden in politischer, administrativer und ökonomischer Beziehung von dem Sanitätsreferenten be¬ handelt. Hierin unterliegt aber die Amtshandlung schon insofern einer besonder« Bestimmung, als jeder Referent angewiesen ist, alle Einlagen, wodurch Fondskräfte, deren Verwaltung seinem 131 Fache nicht unmittelbar zusteht, dem betreffenden Gubernial- Departement zur Begutachtung unter Bezeichnung des Exhibit- stückes mit „Viäeut snt« exp^ditionom liiri-krru...zuzu- stellen, und erst nach Erlangung dieses Gutachtens zum Erledi- gungs - Entwürfe zu bereiten. Die Gegenstände, welche den gerichtsärztlichen Umkreis in politischer Richtung einnehmen, wonach sie als schwere Polizei- Uebertretungen in zweiter Instanz zur Landesstelle gelangen, wer¬ den in das Sanitärsbureau nur mit „Videmt uitt«" zur Vor- beurtheilung der ärztlichen Amtshandlungen geleitet und jenem Bureau wieder mit dem Gutachten des Sanitätsreferenten über¬ geben, welchem der Entwurf zur Aburtheilung in schweren Po¬ lizei - Ucbertretungen zusteht. Von dem Studienreferate kömmt gewöhnlich, wo dasselbe mit den geistlichen Angelegenheiten vereint ist, nur das geburts¬ hilfliche Fach in das Sanitätsbureau. Bei größern Gubernien besteht aber ein eigener Studienreferent, welcher sodann das gesammte Studienfach in seiner Zutheilung führt, wonach der Landesprotomedicus und Sanitätsreferent, gewöhnlich als gleich¬ zeitiger Studien-Director seine Berichte an die Landesstelle leitet. Alle jene Gegenstände gelangten bei der frühern Einrich¬ tung im Allgemeinen zur Gremial - Berathung , deren Entfer- tigung eines besonderen Urtheiles oder Verfahrens bedarf, wo nämlich die Erledigung nicht durch unbezweifelt und streng sy- stemisirte Vorschriften einer bestimmten Richtung unterliegt, ver¬ mög welcher solche Einlagen als Currentien ohne Vortrag unter der Präsidial-Authorisation ihre Expedition erlangen. In den Gremialsitzungen, welche in jeder Woche in einem, oder auch in zwei Lagen gehalten wurden, kamen sonach jene Gegenstände zu berathen , welche vermög ihrer Wichtigkeit, Zwei¬ felhaftigkeit und vermög ihren Ansprüchen an Mitteln, an Opfern und Rechten, oder bezüglich auf die Einführung oder Auslegung von Vorschriften und Hofverordnungen, eine Entscheidung heisch¬ ten, oder wo durch Berichterstattungen, Nachweisungen und Gesuche sich an die Hofbehörden verwendet werden mußte, end- 9* I3L lich wo außergewöhnliche Vorkehrungen getroffen oder Anfor¬ derungen an coordinirte Behörden gemacht, oder der Art Mit¬ theilungen an diese unter Beurtheilung eines Gegenstandes oder einer besonder« politischen Mitwirkung überhaupt einzutreten hatten. Nach der eingetretenen Ministerin!-Organisation entfallen zwar in der Regel diese Gremialberathungen und Vorträge, und die Amtshandlungen werden von den, gegen das Ministerium unmittelbar verantwortlichen Gubernial - Präsidien zur Ausfüh¬ rung gebracht, wonach die Räthe auch nur als Concipienten ihre Entwürfe den Landespräsidien überreichen; da es jedoch in der Macht des Präsidiums beruht, einzelne Gegenstände auch nun einer Gremialberathung zu unterziehen, so mußte auch die¬ ses Amtsverfahrens noch erwähnt werden. — Die den Landesstel¬ len *) unmittelbar vorgesetzte Behörde ist das Ministerium. Die Justiz - und Militärbehörden, so wie die Gefällsäm¬ ter des Landes sind der Landesstelle coordinirt und es wird in diesen Fächern mit dem Appellationsgerichte, mit den Militär- Commanden und mit den Cameral-Verwaltungen im Wege von Notenwechseln das Amt gehandelt, so wie dieß mit der Hof¬ buchhaltung Statt findet. Das geistliche Fach der Provinz leitet die Landesstelle mit¬ telst eines geistlichen Referenten durch die bischöflichen Consi- storien und Decanate im Lande, wie auch im Wege der Kreisämter. Die Hilfsämter der Landesstellen sind in Rechtsangelegen¬ heiten, wo deren Complication mit dem politisch - administrati¬ ven Fache zusammenfließt, die Fiscalämter, d. i. die Kammer- procuratur mit ihren Fiscal - Filialämtern, in ökonomischen Ange- Welch» Gestaltung die LandeSstellen durch die im Werke stehende Organisation er¬ langen werden, ist noch In der Frage. Unbezweifelt bilden über den Gemeinden die beiden Instanzen, Bezirkshauplmannschaft und KreiSregierung, de» eigentli¬ chen politischen Länderbereich. Die statt den Gubernien etwa eingeführt werden¬ den Statthalterschaften dürften eigentlich Ministerial - Erpvsituren werden , wo¬ durch die stets rege anschauliche Verbindung zwischen Provinz und Staat bezweckt werden will. Die gewöhnlichen Amtshandlungen der Länderstellen dürften in den Amtsbereich der Kreisregierungen einbezogen werden. — 133 legenheiten, insofern sie das Bercchnungswesen und die Bud¬ get - Bestimmungen überhaupt einschließen — die Provinzial- Staatsbuchhaltung, welche im übrigen vom Rechnungs - Direk¬ torium abhängig ist, dann in allen Bauangelegenheiten, wo¬ bei ein öffentlicher Baufond in Angriff genommen wird, die Provinzial-Baudirection mit dem, die Baurechnungscensur be¬ sonders führenden Gubernial-Bau-Departement, endlich das Rcchnungs - Departement in Steuerangelegenheiten. Bevor ein Gegenstand in die Gremialberathung gelangte, mußten, insoferne es der Gegenstand überhaupt forderte, alle Belege und Begründungen dieser Hilfsämter erschöpft vorliegen, um em vollständiges Urtheil zu beantragen. Die Ansichten dieser Hilfsämter, so wie jene der unterge¬ ordneten und auch der coordinirten Behörden, dienen der Lan¬ desstelle jedoch nicht zur Norm, sondern nur zur Benützung bei ihren Entscheidungen. Bei mehrfach coincidirenden Gegenständen ordnet die Landesstelle gemischte Commissionen an, und es wer¬ den ihr von diesen die weitern Anträge gestellt. Insofern nun keine Opfer über die Rubrik der genehmig¬ ten Präliminarien, und insofern keine Gränzübcrschreitung des Wirkungskreises der Länderstellen, bezüglich auf normirende An¬ ordnungen Statt findet, ist ihnen das Recht des Beschlusses und die ausübende Gewalt eingeräumt. Sonst ist die Landes- stelle verpflichtet, die höhere Entscheidung anzurufen. In wich¬ tigen dringenden Fällen verfügt sie ebenfalls das Nothwendige unter gleichzeitiger Anzeige an das Ministerium. Bei gegenwär¬ tiger Stellung des Guberniums vereint sich dessen ganze Amts¬ gewalt im verantwortlichen Gouverneur, welchem allein das Recht zusteht, die Verfügungen nach seiner Ansicht zu ordnen und zu erlassen. Alle Sanitäts - und Versorgungs- Anstalten - Angelegen¬ heiten, so wie alle Gegenstände, welche die öffentliche Sorge der Krankenheilung und das Verfahren gegen Krankheitsentste¬ hung in sich faßt, werden im Sanitätsbureau unter Verantwor¬ tung des Sanitätsreferenten entfertiget und zur Autorisation 134 des Landespräsidiums, und sonach zur Expedition geleitet. Diese Gegenstände bilden alle Sanitätsrapporte, welche zur Einsicht und weitern Reglung der öffentlichen Behandlung bei Volks¬ krankheiten der Landesstelle vorgelegt werden, wobei in medici- nischer Hinsicht die Überwachung der Behandlung selbst und mehr noch der hiebei eingeleiteten politisch-ökonomischen Ma߬ nahmen geübt wird. Diese Rapporte liefern auch den Inhalt bei der nach beendeter Behandlung vorgelegten Kostenrechnung. Sobald nun der Reihe nach diese Rapporte mit dem Ein¬ begleitungsberichte der Physiker, Bezirksobrigkeiten und Kreis¬ ämter an die Landesstelle gelangen, wird von dieser die Verfah- rungsweise gebilliget, oder es werden in Erledigung derselben Bemerkungen beigefügt, deren Beachtung den Untergeordneten zur Pflicht dient. Der weitere Zweck dieser Vorlage aberliegt in der Evidenz¬ haltung des Krankheitsfortschrittes bei der Bevölkerung, um die Verbreitung derselben auch durch ungewöhnliche Mittel und Vorkehrungen zu hemmen. Ferner kommen alle andern Anzei¬ gen über einzelne Erkrankungsergebnisse und aus öffentlichen Fan¬ den gebrachte Hilfsmittel vor, dann die systemisirten 'Aufnahmen in die Kranken-, Gebär-, Findel - und Irrenanstalten, die Sa¬ nitäts-Kostenrechnungen über Reisen, Arzneien und Diäten¬ forderungen, welche zur Adjustirung der Provinzial - Staats¬ buchhaltung zugewiesen werden, wobei in Fällen von Ueber- schreitungen oder eigenmächtigen Aufrechnungen durch nicht ge¬ forderten oder etwa nicht ermächtigten Aufwand in der Hilfe¬ leistung, der Provinzial-Staatsbuchhaltung die bezüglichen Be¬ lehrungen zur Benehmungsweise gegeben werden. Jene Rech¬ nungen, welche der Bezirkswundarzt für die Behandlung der armen Bezirksinsaffen, und überhaupt außer seiner Verwendung bei Volkskrankheiten für einzelne Kranke legt und wofür die Entschädigung aus den Gemeindecassen fließt, über welche die Bezirksobrigkeiten als ein Gemeingut wachen, gelangen nur zur kreisämtlichen Censur und Anweisung, da die öffentlichen Fonde 135 nur die Kosten für ausgedehntere Einwirkungen auf den Ge¬ sundheitszustand tragen. Weiter werden vorgelegt alle Arzneirechnungen, welche in linea moäieu und wenn sie für einen Trimester nicht 50 fl. übersteigen, auch ^uo sei tuxum von dem Landes - Proto¬ medicus censurirt und bestätiget werden müssen, wonach fieber Revision der Provinzial - Staatsbuchhaltung zur Censur ^uc> nä oaloulum zugestellt werden. Bei hohem Summen aber wird die Prüfung Pio uä tuxum bei der Hofbuchhaltung durch eigens angestellte Apotheker bewirkt; alle Nachweisungen der Aemter über abzufordernde Krankenhaus-Verpfleggebühren und deren Einzahlungen, welche von Parteien, von Zünften, von Ge¬ meinden und von der Kreisconcurrenz, dann von andern Pro¬ vinzen und Staaten einzubringen sind, oder wo die Zuständig¬ keit des Kranken nicht ermittelt, somit die Forderung auf kei¬ nem Rechtsgrunde gemacht werden kann und bei dem Kran¬ kenhause in Abschreibung zu kommen hat. Die ferneren Gegenstände der Sanitätsleitung bei den Gu- bernien betreffen Anforderungen der Krankeninstitute für Anschaf¬ fungen , Conservations-Arbeiten und Bauten, dann die Präli¬ minarien und die Gebarungsverhältnisse in Bezug auf alle Versorgungs - und Sanitätsfonde, Disciplinar - Angelegenhei¬ ten, medicinisch-polizeiliche Aufsichten, Erforschungen und Ver¬ fügungen, periodische Sanitäts - Nachweisungen, Bereisungs- Operate und alle Anzeigen über den Sanitätsstand überhaupt und über die besondern Ergebnisse, namentlich in den Cordons-, Contumaz - und Sanitäts - Angelegenheiten , Anstellungen des gesammten Sanitätspersonals im Lande außer den Kreisphy¬ sikern , Landesthierärzten, Professoren, Krankenhaus - Directo¬ ren , welche vom Ministerium ernannt werden, Versetzungen, Substitutionen, Commissions-Abordnungen, Verleihungen zur Uebung der ärztlichen, wundärztlichen und geburtshilflichen Pra¬ xis im Gubernial - Gebiete, so wie der Apotheker-Gerechtsame, endlich Bewilligungen zur Einfuhr verbotener Arzneistoffe. 136 Alle einlangenden Aktenstücke, worüber außer dem Guber- nial- Hauptprotocolle in jedem Bureau abgesondert für die allda einlangenden Zutheilungen ein Protokoll geführt wird, erhal¬ ten diese die beiden Zahlen in chronologischer Ordnung. Ueber jedes Stück wird auf dem Referatbogen der Extrakt von dem Concipienten, Praktikanten oder auch Manipulanten beigesetzt, welcher die Wesenheit des Sachverhaltes angibt, ferner die An¬ sichten und Anträge der untergeordneten Stellen oder Parteien darstellt, wonach der Referent sein begründetes Gutachten zu entwerfen und die geforderte Erledigung zu beantragen hat. Bei den einfachen, kein besonderes Gutachten fordernden Einla¬ gen wird aber gleich nach dem Extrakte die förmliche Expedition entworfen, und vom Concipienten und Referenten gefertigt, dem Landespräsidium zur Autorisation vorgelegt. Im Rathsvortrage geschieht die mündliche Zergliederung des gesammten Gegenstandes im ganzen Verhalte des Ergebnis¬ ses und der Anforderung, dann folgt die Darstellung der unter¬ geordneten Anträge, wie sie die Behörden in der Zeitreihe äußer¬ ten und begründeten, sodann die auf bestehende und anzufüh¬ rende Vorschriften sich fußende Entgegnung oder Billigung der untergeordneten Ansichten mit dem Schlußantrage des Referen¬ ten zur Erledigungsweise der vorgebrachten Exhibitenzahl, wo¬ nach das Präsidium bei etwa vorhandenen Zweifeln die Aufklä¬ rung fordert, das Gejammte in wichtigem Fällen nach dem we¬ sentlichen Stande darstellt und die Stimmen nach dem Alter der Gremialräthe fordert. Diesen steht es frei, etwa noch weitere Aufschlüsse abzuverlangen, und dann wird das begründete Vo¬ tum jedes Einzelnen von dem gegenwärtigen Bureausecretär aus¬ gezeichnet und nach dem Ausfälle der mr^'orn, das Conclusum durch diesen dem Acte beigefügt und zwar mit Anführung der Separatvotcn, welche allenfalls vorgebracht wurden. >— Die Erledigung wird vom Rathssecretär nach dem Con- tlusum entfertiget. Bestimmt das Präsidium einen Verhandlungsgegenstand in Circulation zu setzen, so fügen die Räche ihr Gutachten schrift- 137 lich bei, wonach die Expedition nach der Mehrheit der Ansichten im Bureau des Referenten zu entfertigen ist. — Der Sanitätsreferent hat außer diesem Wirkungsbereiche auch alljährlich einen Sanitätshauptbericht für das verflossene Solar¬ jahr auf dem Grunde der Berichte der Kreisämter und der Kran¬ kenhaus-Direktionen in Vortrag zu bringen, durch welchen der gesammte Zustand der Sanitätsverhältnisse und des Versor¬ gungswesens in statistischer, wissenschaftlicher, öconomischer und geschichtlicher Hinsicht darzustellen und die getroffenen Verfügun¬ gen nachzuweisen sind, um ein genaues Bild dieser Ergebnisse in der Provinz zu liefern. Der Protomedicus steht als solcher überdieß mit allen Be¬ hörden im ämtlichen Verkehre. Justiz-, Cameral - und Militär¬ ämter bedürfen nicht selten seiner Gutachten, seiner Bestätigun¬ gen der Gutachten anderer Aerzte, seiner Super- und Rearbi- trirung-Ausarbeitungen, auf deren Grunde Urlaube aus Ge¬ sundheitsrücksichten, Pensionen, Gnadengaben, Unterstützungen und Wiedereinsetzungen in den Dienst (Rearbitrien) zu Stande kommen. Er bildet gewissermaßen über die Urtheile der die߬ fälligen Kunstverständigen die 2te Instanz und es sind auch alle Krankheitszeugnisse von ihm zu bestätigen. Er wird in Cri- minaluntersuchungen von den Gerichtsbehörden nicht selten zur weitern Beurtheilung der ärztlichen Gutachten aufgefordert, ent¬ weder für sich, oder als Director des medicinisch - chirurgischen Studiums, oder endlich als Facultäts - Präses. — Diese letztere Eigenschaft tritt in den Provinzialstädten selten in ihre Wirk¬ samkeit, wonach nämlich der ganze ärztliche Körper zu einer Verhandlung zusammenberufen würde. In der Residenzstadt aber hat dieser Körper einige selbstständigen Rechte in Bezug auf die Ertheilung von inappellabeln Gutachten in Sanitätsgegen¬ ständen, bei Privilegienangelegenheiten und in gerichtsärztlichen Verhandlungen, wonach solche Gutachten durch förmliche Be- rathungen der Facultät entfertiget werden. Der Landesprotomedicus von Ungarn ist Statthaltereirath, jene von Croatien, Slavonien, Siebenbürgen und von dem 138 kroatischen Küstenlande sind nur in ihrer Materie bei den be¬ treffenden Landesbehörden als Kunstverständige angeftellt, ge¬ nießen auch mindere Emolumente. L r i t i k. Es scheint, daß die Ausführung wohlthätiger Institutionen, wie sie die Sanitätszwecke im Allgemeinen und gerade dort am dringendsten fordern, wo das Elend die gesellschaftliche Bestim¬ mung um Schutz anruft, keinen besondern Hemmnissen unterlie¬ gen könne, daß andererseits die Sanitätsvorschriften auf dem aus¬ gedehnten wissenschaftlichen und empyrischen Grunde, zur per¬ sönlichen Sicherheit und zum Gedeihen des physischen Gemein¬ wohles aufgestellt, nicht leicht Anstößen begegnen, wodurch das Streben frommer Absicht in vergeblichen Kämpfen ermüdet. Es waltet oft kein Widerspruch bei dem Anträge zu einer Sanitatsvorkehrung in Bezug auf ihren Werth und Vortheil, wohl aber in der Richtung ihrer Anwendungsweise und Herbei¬ schaffung der von ihr geforderten Mittel und Opfer, welche die Verwaltungsorgane in ihren ausgedehnten politischen Zwecken nicht selten dringlicher erachten, als jene Institutionen, um deren Einführung die schwache Stimme der Hilflosen im unsichtbaren Kreise des Elendes sieht. Der Sanitätsreferent, als Vertreter seiner Wissenschaft und seines Standes, ist bei der Landesbehörde nur auf sich angewiesen, während die unter sich homogen gebildeten juridischen Glieder im nahen Begriffsverbande ihres wissenschaftlichen und empyrischen Wirkens, eine bei weitem mehr anziehende Verständigung leitet. Selbst das geistliche Referat unterliegt in dieser Rücksicht einer weit günstigeren Stellung , denn die canonischen Rechte und die in diesem Bereiche festgesetzten Gemeindeverpflichtungen liegen im Kreise juridischer Erkenntniß, und das in diesem beruhende ausgedehnte Fach der ökonomisch - administrativen Sphäre bie¬ tet ein leichtes Verständniß. Der Arzt, welcher nach seinem Stande und nach seinen philanthropischen Tendenzen die Opfer als unerläßliche Mittel 139 zum edlen Zwecke finden will und diese nicht selten nur für die, der strengen Wissenschaft zugängige Zukunft vorbereitet, muß den gewöhnlichen juridischen Principien entgegentreten, vermöge welchen der Zweck den Mitteln häufig zu unterordnen ist und mancher Bedarf sich nur nach diesen zu fügen hat, wobei die Be¬ rechnungen die Gegenwart mehr als die Zukunft zu bemessen ha¬ ben. Damit reicht aber die öffentliche Sanität nicht weit. Ihre Agenden sollen in die Tiefen des Lebens greifen, um seine ver¬ derbenden Elemente zu zerstören, in deren weit herrschendem Rei¬ che, der Menschheit unerbittliche Feinde mit geschäftigen Händen den giftigen Samen des physischen Unheils bereiten. Auch dre allgemeine Ueberzeugung für das Heil der Sani¬ tätseinwirkung schwankt durch den Umstand, daß die günstigen Erfolge, welche sie besonders für die Zukunft erkämpft, dem Auge der gewöhnlichen Forschung unsichtbar erscheinen, da eben eine beschwichtigte, mehr allgemeine Krankheits- und Todesursache keiner nachweisbaren Berechnung unterliegt und es noch Nieman¬ dem beifiel, einen Zahlenvergleich zu stellen zwischen den physi¬ schen Verhältnissen der verschiedenen Zeiten, wo solche Krank¬ heitsursachen bestanden und wo sie durch deren Behebung nicht mehr bestehen. Wenn eine solche Nachweisung etwa nur hinsichtlich eines Lebensbedürfnisses in einer Gegend, z. B. des Tränkwassers, ver¬ anlaßt würde, wobei der Krankheit- und der Sterbestand der Bevölkerung vor und nach gehöriger Sicherstellung einer solchen Lebenspotenz nachgewiesen würde, wie müßte man erstaunen über das Resultat und die unzähligen Opfer, welche die grausame Vorzeit verzehrte. In dem Fache der öffentlichen Sanität herr¬ schen noch immer sonderbare Begriffe von Rechten und Frei¬ heiten, welche für die einzelnen Staatsglieder angesprochen wer¬ den. Man findet diese höchst verletzend, wenn z. B. bei Gefah¬ ren der Hydrophobie die unbedingte Tödtung der frei gefunde¬ nen Hunde als Gebot erlassen wird. Die Parodie der Empfin- delei geht bei manchen Hundeeigcnthümern und ihren Freunden so weit, ein solches Gebot tyrannisch und unmenschlich zu erklä- 140 ren. Worte, die ich selbst so manchen Gebildeten aus dem Munde nehme, welche die Nothwendigkeit nur hypothetisch erklären, weil gerade so ein Aftergemüth von Zärtlichkeit die entsetzende Erfahrung selbst noch nicht erlebte, welches schauderhafte Elend das Unheil der Wuth erzeugt. Ich glaube aber, daß, wenn in einem Staate nur Ein Mensch so grausam durch die. Vernach¬ lässigung der Aufsicht zu Grunde geht, die Behörden es vor Gott und den Menschen nicht verantworten können, so elendem Gespiele und Borurtheile, welches sich noch immer für die Noth¬ wendigkeit einer freien Hundeeristenz im gebundenen socialen Le¬ ben erhält, das Daseyn eines Menschen preiszugeben. Dasselbe Verhältniß, wohl auch im größern Maßstabe, fin¬ det sich bei den der weiteren Verhandlung zugewiesenen Sani¬ tätsgegenständen im Bereiche der öffentlichen Hygieine und Kran¬ kenpflege. Die ärztliche Hilfe, deren weit dringendes Auge nicht bloß im Felde der Arzneien Mittel sucht, sondern das endlose Reich der Erkennung und Entfernung krankheitschaffender Po¬ tenzen zu durchforschen hat, wie es der noch nie überflügelte Geist des unsterblichen Arztes von Co« schon andeutete. Diese Hilfe kann nur auf wissenschaftlichem Grunde für das Gemeinwohl gedeihlich festgesetzt und erhalten werden, und kann nur dort dem ganzen Bedarfe nachkommen, wo die Regierungen im Prinzipe der Philanthropie, mehr als in jenem des Rechtes, zu wirken in derLage sind, somit dort, wo diese Anforderungen der Humanität nicht dem kritischen Urtheile der klugen Juristen, sondern dem religiösen Sinne des in wahrer Nächstenliebe fühlenden Arztes unterliegen. Der gegenwärtige Stand der Amtshandlungen in Sani¬ tätsangelegenheiten hat noch großen Bedürfnissen zu willfahren, indem die geleistete Hilfe oder die eingeleitete Anwendung irgend einer Sanitätsmaßnahme einerseits unvollständig, andererseits aber nicht in der Zeit entsprechend zur Ausführung gelangt, überdieß oft nicht hinreichend gebildeten Organen und Behörden die Lei¬ tung und auch Ausführung des Sanitätsgeschäftes anvertraut ist. Die Anzeige über eine entstandene Volkskrankheit wird ge¬ wöhnlich schon nach einigem Umsichgreifen derselben gemacht, 141 weil ost die durch Unbildung und Entbehrungen gestählte Apa¬ thie des Landmannes, sowie die Sorglosigkeit der Ortsbehörden es unterlaßt, Hilfe zu suchen, und der etwa kein besonde¬ res Vertrauen genießende Landwundarzt gar nicht zur Kennt- niß ihres Daseyns gelangt. Spät erst weiset die im Sanitäts¬ fache ganz unkundige Bezirks-Obrigkeit den Wundarzt an, das Nebel zu erforschen und die Heilung zu besorgen, wonach der Fall an das Kreisamt oder an das Districtsphysicat berichtet wird. Der Districtsphysiker gibt nur in wissenschaftlicher Hinsicht seine Weisungen durch die Bezirks-Obrigkeit an den behandeln¬ den Arzt und besichtiget den Fall, wenn Gefahr droht. Nach der Art Zögerungen wird der Sanitätsrapport und die Anzeige über das Verfügte an die Landesstelle vorgelegt und ihre Weisungen gelangen bis zur untersten Behörde im Wege des Kreisamtes. Indessen hat sich aber der Sachverhalt schon anders gestaltet. Bei der Behandlung der kranken Bezirksarmen in spora¬ dischen Fällen ist der Vorgang nicht günstiger. Die ärztliche Hilfe wird nicht allgemein angesucht, der Arme hält nicht viel davon, weil die diätetischen Bedrängnisse ihn noch mehr anfein¬ den, als die Krankheit selbst. Um diese zu beheben, nämlich dem Kranken eine angemessene Nahrung, ein entsprechendes Lager und die erforderliche Wartung zu verschaffen, ist nur in den seltenen Fällen besonderer Krankheitsergebnisse gewährt, da die Mittel hiezu im Allgemeinen einen allzu großen Aufwand heischen. Und doch ist gerade dieser diätetische Einfluß der eigentlich wohl- thätige, der folgereiche, und so lange hierin nicht bessere Hilfe gebracht wird, ist kein Einhalt der Volkskrankheiten zu hoffen und die Leiden der kranken Armen werden nur zeitlich und nur theilweise und unvollständig behoben. Nicht viel anders ist es in den Städten, wo in den Woh¬ nungen der zahlreichen Armen es an Allem fehlt, was die ärzt¬ liche Hilfe gedeihlich zu unterstützen vermag. Würde aber diese Hilfe den Armen rechtzeitig und voll- 142 ständig gebracht, so wäre auch das feste Vertrauen zu ihr all¬ seitig begründet, und jeder Kranke würde sich beeilen, sie anzu¬ rufen. Welche ausgedehnten Volkskrankheiten, welche unheilbar gewordenen Krankheitsfälle und welche Opfer selbst in ökonomischer Hinsicht vermieden würden, ist von selbst begreiflich. Dasselbe Verhältniß tritt bei den meisten übrigen Sani¬ tätsmaßnahmen ein. Fast üllerall gebricht es an Energie und an Mitteln, ihre Ausführung nach strengem Bedarfs durchzu¬ setzen. Die Bezirks-Obrigkeiten werden durch die Sanitätsange¬ legenheiten auf die empfindlichste Weise beschwert, weil sie ihre Bezirkstagen erschöpfen und ihre Geschäfte bedeutend vermehren, was nicht selten einen unüberwindlichen Widerwillen gegen jede der Art Amtshandlung, somit möglichste Umgehung derselben herbeiführt, und durch den Umstand der gewöhnlich beschränkten Ausbildung der Juristen im Fache der Naturwissenschaften über¬ haupt, insbesondere aber in medicinisch-polizeilichen Gegenstän¬ den noch weitere Mängel verursacht. Die allgemeinen Krank- heitsbedingniffe, die Art und Weise ihrer Einwirkung, die Mittel zu ihrer Entfernung im diätetisch-ökonomischen Bereiche, kurz Alles, was ein Object der politischen Sanitätspflege bildet, sollte dem Juristen, welcher- eigentlich die Mittel zur exekutiven Gewalt im Sanitätsfache bietet und auch die leitende Macht in dem¬ selben ausübt, nicht so ganz fremd seyn, daß er, wie es nun häufig geschieht, bei Sanitätsanlässen, deren weitere Folgen er nicht zu überblicken vermag, mit dem Wahlspruche: »minima non curat praetor» den Gegenstand gar keiner Aufmerksamkeit wür¬ dig hält. Bei dem Kreisamte ist die Ansicht und der Antrag des Kreisphysikers für die einzuleitende Amtshandlung nicht immer übereinstimmend mit der Verfahrungsweise des Kreis-Chefs, und die geforderte Hilfe erleidet Aufschub, oder wird auch zurückge¬ wiesen, oder sie wird unvollständig durchgeführt. Gelangt der Gegenstand zur Landesstelle, so erliegt er nicht selten mehrfältiger Auslegung und Beurtheilung, deren mindeste 143 Folge Hemmung und unersetzlicher Zeitverlust ist. Der Guber- nial-Sanitätsreferent, ehe er die Einlage noch zum Vortrage bringt, hat so manche Rücksichten zu zergliedern, welche sich oft seiner besten Ansicht nicht beugen. Die Fonde, welche zur Sani- täts- und Versorgungs - Hilfsleistung durch die Präliminarien bestimmt werden, unterliegen Beschränkungen, über welche nur unter besondern, jede Geduld oft auszehrenden Modalitäten hin¬ aus geschritten werden kann. — Wird eine außerordentliche ei¬ gene Dotation nothwendig, so unterliegt deren Erlangung großen Schwierigkeiten, weil in einem großen Staate stets auch andere Anforderungen sich ergeben, deren Beschwichtigung dringend, ja unausweichlich angenommen wird. Wenn bei Erkrankungen die angemessene Hilfsleistung schon unüberwindlichen Schwierigkeiten unterliegt, da die Mittel ihre wesentlichen Anforderungen, nämlich die diätetischen Rücksichten, fast nie beachten lassen, wie gigantisch stellt sich erst die Schwie¬ rigkeit, wenn es sich um Herstellungen, Bauten, Errichtung von Wohlthätigkeits - Instituten handelt, deren Erfordernisse unge¬ heure Summen heischen. Die Versorgungs- und Krankenanstalten, die Irren-Insti¬ tute, die Armenanstalten, die Jnquisitions - und Strafhäuser befinden sich nur aus diesem Grunde noch in einem verlassenen Zustande, was auch die Anpreisungen ihrer Beamten und Vor¬ steher dagegen vorbringen. Die zweite Schwierigkeit des Sanitätsreferenten beruht in der Gremialconstitution der Behörde. Man sage nicht, der Pro¬ tomedicus trägt sein wissenschaftliches Fach Richtern vor, welche dem HuA-e eompkiuni im Kunstfache nicht leicht hemmend in den Weg treten. Die Sanitätsgegenstände, welche zur Aburtheilung kommen, coincidiren in der Art mit den politischen, ökonomischen, kameralistischen und administrativen Fächern, daß es sich immer um Formen, Ansichten über Mittel und Wege der Ausführung, Bekämpfungen von verbreiteten Ideen — kurz um so vielfache, auf das Wesen des Gegenstandes rückwirkende Einflüsse handelt, wonach nicht leicht in irgend einem andern Fache, eben wegen 144 Mangel der, Ursache und Folgen durchdringenden Combinations- kraft, so vielfache Entgegnungen vorgebracht werden, als gerade im Sanitätsfache. Alle Anstellungen, wo jeder der Richter so vielfache, nicht immer begründete Personalnotizen erlangt; alle Anschaffungen, Herstellungen und Neuerungen in den Wohlthätigkeitsinstituten, worüber Jedermann seine eigene Ansicht über Nothwendigkeit, Nützlichkeit und Bequemlichkeit hegt; alle Sanitätseinleitungen, welche die Gemeinden in ihren verschiedenartigen Interessen be¬ rühren; alle Lieferungen von Arzneien und diätetischen Artikeln, alle medicinisch-polizeilichen Gegenstände und Vorkehrungen, wo¬ durch in die Rechte und Ansprüche der Privaten oder eines Ge¬ meindekörpers eingegriffen wird, alle Sauitätsübertretungen, wel¬ che dem Disciplinar- oder strafrechtlichen Urtheile unterliegen; alle Anträge zu wohlthätigen Zwecken, welche in das sociale Leben einwirken, alle Urtheile über gefahrdrohende Anlässe, alle Dar¬ stellungen der verschiedenen Mißgriffe in den Amtshandlungen untergeordneter Behörden oder ihrer Organe und deren Anfor¬ derungen , endlich alle Anträge über Bedürfnisse zur Erlangung von Mitteln, welche entweder schon fondirt sind, oder erst ge¬ schaffen werden sollen: das Alles bildet einen Bereich, welcher wenigstens in seinem materiellen Zusammenhänge und in seinen äußern Formen jedem Richter ein individuelles Beschauen und Aburtheilen zuläßt. Wenn hiezu noch gerechnet wird, wie Viel¬ faches über jede Norm und ihre Deutung sich vorbringen läßt, so muß die nicht selten herrschende Verschiedenheit der Ansichten im Sanitätsfache Jedermann klar erscheinen. Ob aber die Wagschale, womit das Opfer gegen den Er¬ folg, die Gegenwart gegen die Zukunft, das beschwichtigte Be- dürfniß gegen die Beschwernisse bei unterlassener Einrichtung be¬ messen würde, dem wissenschaftlichen kritischen Auge gegenüber nach Mehrheit der Stimmen beurtheilt werden könne, ob jedem Richter die unerläßlich geforderte klare Bindung von der Quelle der Ver¬ handlung bis zu ihrer Versiegung vorschwebe? das ist eine an¬ dere Frage. 145 Trüber noch gestaltet sich die Fernsicht, wenn alle jene An¬ forderungen und Mittel besprochen werden, welche die verschie¬ denartigsten, außergewöhnlichen Sanitätszwecke zu ihrer Errei¬ chung fordern. Wenn Anträge zur Verwahrung von Einflüssen, welche Gesundheit und Leben einer Bevölkerung gefährden , und diese in der Erhebung ihrer gesunkenen Kräfte fortan zurück¬ halten , nicht nur im Sinne der Menschlichkeit, sondern nach Grundsätzen der politischen Oeconomie aufgestellt werden, und wenn auch Niemand über ihre Gemeinnützigkeit, ja Nochwendigkeit zweifelt, wie dieß z. B. bei der Trockenlegung einer die nahe Bevölkerung, gleich der Sphynx, auszehrenden Sumpfgegend, der Fall wäre, oder etwa nur bei der Errichtung eines Landspitales sich ergeben würde; so wird man meist vergeb¬ lich alle Amtskraft oder all' seine Dienstzeit opfern, ehe das Ziel, welchem zahllose Arbeiten nachstrebten, erreicht wird. Ob nun durch die geschehene Aufhebung der Gremialbe- rathungen bei den Länderstellen und Uebertragung dieser Macht an das Landespräsidium die Sanitätsleitung einen Gewinn zie¬ hen werde, ist hier nicht zu erforschen. Nach meiner Ansicht liegt die Erreichung des Zweckes in ganz andern Organisations¬ mitteln. Die Sanitätsauslagen von den Gemeinden und bei den gestifteten Fonden sind in der Art bemessen, daß eine weitere Er¬ giebigkeit bei diesen kaum gefordert werden könnte. Der Staat müßte große Opfer bringen. Er hätte nun, wo so Vieles nach¬ zutragen wäre, Unerschwingliches zu leisten. Großartige Anforderungen können nur durch Gemeinkräfte, aus den Quellen der Gesammtheit geschöpft, beschwichtiget wer¬ den. Wenn der natürliche Grundsatz in der Anwendung der Selbst¬ hilfe, wo diese möglich ist, bei Sanitätserfordernissen in größerem Maßstabe verfolgt wird, so daß Gemeinden, gleich Individuen, einen Körper bildend angesehen werden, was vermöge ihrer or¬ ganischen Verfassung sich wohl von selbst constituirt, so kann dem Staate unbedingt nur jene Hilfsleistung obliegen, welche IV 146 die Mittel zur Festhaltung der Staatszwecke in den Sanitäts- verhältnifsen der Allgemeinheit bieten, wonach einerseits die Si¬ cherstellung des Schutzes gegen fortschreitende, das Leben der Staatsglieder im unbemessenen Umfange bedrohende Krankheiten, andererseits die Begründung und Leitung der Institutionen be¬ zweckt wird, wodurch die physischen Mittel zur Erhaltung der Gesundheit der Staatsglieder im Allgemeinen mittelst der im Sa¬ nitätsbereiche beruhenden, anerkannten und anwendbaren Behelfe geboten werden; nur diese beiden Bedingungen liegen in den Staatszwecken und treffen das Gemeinwohl des Staates im aus¬ gedehntesten Sinne. Die Volkskrankheiten, deren Ausbreitung über Gemeinden, Provinzen und ganze Staaten dringt oder dringen kann, die An¬ stalten zur Hemmung solcher Ausbreitungen und die Kosten für die, die öffentlichen Sanitätsangelegenheiten leitenden und aus¬ führenden Organe, sowie die Bildungsanstalten zu ihrem Ersätze, diese nur füllen jenen Bereich aus, für welchen der Staat als solcher seine volle Sorge auszudehnen hat. Alle übrigen Sani¬ tätszustände und Anstalten frommen vorzugsweise nur Gemeinden oder berücksichtigen individuelle Interessen in bemessenen Kreisen. Es ist zwar ganz richtig, daß im Allgemeinen durch eine gere¬ gelte Zunahme der Bevölkerung der Staat einen Gewinn zieht, deßhalb aber kann es ihm nicht zukommen, Sorgen aus sich zu nehmen, welche im Erfolge weit mehr die einzelnen Gemeinden, als den Gesammtkörper treffen. Der Gemeinde muß es daran liegen, daß ein Irrsinniger, eine leichtsinnige Dirne und ein Find¬ ling ordnungsmäßig gehalten und gepflegt werden, da diese In¬ teressen, mehr auf Gemeindekreise beschränkt, den Staat nur in- directe und jedenfalls im geringeren Maße berühren, da nur den ersteren vorzugsweise alle jene Lasten und Gefahren zu Theil werden, welche die Verwahrlosung solcher Individuen herbei¬ führt. Ortsverhältnisse, Sitten, Gebräuche, Bildungsgrad, Wohl¬ stand und Nationalität einerseits, anderseits aber Localquellen, ökonomische Zustände und Behelfe, öffentliche Anstalten und all- i4r gemeine Einwirkungen auf eine Bevölkerung, vereinen eine ge- sammte Provinz zur großen Gemeinde. Eine solche Gemeinde nun soll und muß alle jene Einrich¬ tungen , deren Wohlthat sich auf ihren Umkreis vorzugsweise ausdehnt und ihre innersten Interessen fördert, selbst schaffen und erhalten, die Art und Weise ihrer Einführung aber auch nur ihr überlassen bleiben, und die öffentliche Aufsicht hätte ihre Ein¬ wirkung nur insoweit auszudehnen, als die Interessen der Allge¬ meinheit nicht hiedurch gefährdet werden. Die Sanitätshilfe in Erkrankungen und insbesondere die Leistungen der Wohlthätigkeitsanstalten gegen Hilflose, sind gro- ßentheils Schöpfungen der Milde, oder sie sollten es seyn, weil Niemand dazu gezwungen werden kann, das Elend seines Näch¬ sten zu beheben und durch ein Opfer fremdes Heil zu sichern. Die erstarkte Humanität kann aber die Förderung einer solchen Hilfe nicht mehr zurückweisen. Diese Wohlthat kann nur dann für große Anforderungen genügend seyn, wenn ihr Zufluß durch eine bestimmte Regelung vielfacher, für sich unbedeutender Quel¬ len vereint wird, um aus der ergiebig gebildeten Strömung dem allseitigen Bedarfs nachkommen zu können und das ganze Volk durch ihr gedeihliches Wirken zu betheilen. In diesen beiden Beziehungen ist es unerläßlich, gleichför¬ mige, empyrisch und wissenschaftlich begründete Maßnahmen ins Werk zu setzen. Nicht jeder Nothstand verdient die Hilfe und das Opfer, welches die Wohlthat bringt, ja, diese wirkt nicht selten zur För¬ derung und Vermehrung der Verlassenheit, da sie die Selbst- thätigkeit lähmt. Der hilflose Kranke aber kann nur durch die Nächstenliebe als ein nützliches Glied der Gesellschaft wieder er¬ stehen, welche, wie schon oft erwähnt wurde, dann den wahren Zweck am sichersten erreicht, wenn sie die Ursachen der Krank¬ heit, d. i., die Agentien derselben zu beheben in der Lage ist. Diese beiden Tendenzen sind unzertrennbar. — Ohne hier die weitere Verhandlung über diese Agentien verfolgen zu können, da sie in das Gebiet der speciellen Hygieine und medicinischen 10* 148 Polizei gehört, muß schon im Allgemeinen ihr Bereich festge¬ setzt werden, indem sie das Terrain zur beabfichteten Beurba- rung bildet. Der Nothstand, als Krankheitsbedingung, und die psychische Verlassenheit, als Ursache des Mangels an moralischer Erkennt- nißkraft, haben einen weitgegliederten, nicht zu verläugnen- den Bestand, dem allgemeinen Wohlthätigkeitssinne und der Verwaltungsrücksicht um so mehr anheimfallend, als ihr Daseyn großentheils doch nur sociale Mißverständnisse verursachten und als die Folgen ihres Fortschrittes, die Gesellschaft selbst mit stei¬ gender Beschwerde belasten müssen, ja von ihr in weiterer Ferne die empfindlichsten Eingriffe in ihre Rechte zu besorgen sind. Will man aber die zahllosen beschwerenden Folgen vermei¬ den, so muß das Uebel in seinen weitgreifenden, ursächlichen Be¬ dingungen erforscht und seinen Wurzeln die üppige Vegetations¬ kraft benommen werden. Daß es hiezu einer ausgedehnten und eindringlichen, einer geregelten Einwirkung bedarf, erleuchtet schon aus der Erfolglosigkeit aller bisherigen Bemühungen, welche die vergeblichen sogenannten Organisationen der Armen - und Versorgungsinstitute und Arbeitsanstalten sattsam nachweisen, da Armuth und Demoralisation noch immer vorschreiten. Den allge¬ meinen Wohlthätigkeitssinn anzuregen, zu ordnen und festzuhalten, seine Mittel zu vervielfachen und nur dem erkannten wirklichen Bedarfe allseitig zuzuführen, ist ein organisches Ganzes, welches nicht bloß der Philanthropie, sondern vielfacher eigenthümlicher Erfahrung und vielseitiger Wissenschaft bedarf, um alle jene Schwankungen zu vermeiden, welche vereinzelte und theilweise Einrichtungen unerläßlich mit sich führen. Der geistliche, der politische Staatsdiener, der Jurist, der Polizeibeamte hat Standesrichtungen, welche theilweise durch positive Verfolgung ihrer gesonderten Hauptzwecke und Stan- desgrundsätze obigen Tendenzen entgegenstehen. Den großen Beruf des Arztes füllt aber die Uebung der Wohlthat in allen Richtungen aus. Sein Wissen und Wirken, seine Erfahrungen in den menschlichen Leiden, seine Kenntnisse 14» im Bereiche der Naturkräfte, machen ihn vorzugsweise geeignet, in der Bestimmung, welche die Hilfsleistung im weitesten Sinne ausfüllt, die thätigste Rolle einzunehmen. Um aber solches schaffen und erhalten zu können, muß er ungebunden sich die Wege bahnen und auf ihnen mit Freiheit vorschreiten, ohne von jenen Hemmnissen behindert zu werden, welche alle administrativen Verfassungen, sobald sie ein fremdes Gebiet einschließen, mit sich führen. Der ärztliche Stand besitzt die Bildung und die Kraft in sich, sein Fach im ganzen Bereiche des durch Ohnmacht und Krankheiten erschütterten Gemeinwohles, nach festgesetzten Grund¬ sätzen der Staatsgewalt zu leiten und zum Heile der Bevölke- ruttg auszuführen, ohne die vielfach aufgehäufte Geschäftsbürde der politischen Amtssphäre durch sein extranes Fach zu mehren. Die sichersten und ausgedehntesten Heilzwecke können nur durch selbstständige Sanitätsämter be¬ gründet werden. Bei solcher Emancipation können alle Theile nur gewinnen, und die leidende Menschheit wird die Folgen segnen, welche diese selbstständige, auf dem Grunde der Nächstenliebe erbaute Hilfs¬ leistung ihr in freier und reicher Einwirkung bringen wird. Die politischen Behörden werden von einer heterogenen Mitwirkung, welche mit ihren Agenden sich nicht übereinstim¬ mend verschmelzen läßt, befreit; sie werden von Amtshandlungen entbunden, deren Leitung und Besorgung ihrem Streben, ihrer Stellung und ihren Rechtsforderungen entfrcmvet ist. Die Sanitätszwecke aber werden durch die ihr Fach um¬ fassenden, das Wesen des Gegenstandes allseitig überblickenden Sanitätsbeamten, in der Leitung und Ausführung der ihnen zu¬ zuweisenden Geschäfte auf eine Art gefördert, welche nicht die geringste Hemmung darbieten kann und einen Umfang erhalten muß, dessen Gränzen gar nicht vorauszusehen sind. Sicher ist es, daß die bisherigen Verfahrungsarten dem Noth- stande und den empfindlichsten Folgen desselben, den ausgedehn¬ ten Erkrankungen nach Bedarf entgegenzuwirken nicht genügten, ISO ob sie auch den Staat bedeutend belasteten, daß die Gemein¬ kraft zur Erreichung der Sanitätszwecke bisher weder Großar¬ tiges geleistet, noch auch gehörig in Anspruch genommen wurde, daß diese Gemeinkraft im politischen Wege nicht leicht weiter ge¬ spannt werden kann, daß aber einem, der Wohlthätigkcit aus¬ schließend nur dienenden Körper gar viele Wege sich öffnen, wo der allgemein angeregte gute, jedoch freie Wille und eine gere¬ gelte, ausgedehnte Verfolgung phylanthropsscher Zwecke, von Sei¬ ten eines gewählten Theiles der Bevölkerung selbst, die schönsten Erfolge herbeizuführen im Stande ist. Es gibt im ganzen Staatsgebiete kein so ausgedehntes und der Bearbeitung so bedürftiges Feld, als das erwähnte. Und so wie die Hilfe weit verbreitet gefordert wird, müssen auch die Arme, welche sie reichen, überall erstehen und die Augen überall hin gerichtet werden, damit diese Hilfe nur dem wahren Bedarfs gespendet werde, und der erste und häufigste Schritt zu ihrer Nothwendigkeit, die verlassene oder erdrückte Selbstthätigkeit, der Versunkenheit entzogen und der Erstarkung zugcführt werde. Diese Anforderungen insgesammt seyen der sorgenden Erforschung, Beurtheilung und Hilfsleistung einer abgesonderten organischen Verwaltung übertragen, deren Verzweigungen in alle Classen der Bewohner dringend, ein geregeltes Ganze zu bilden hätten, welches die Pietät leitet und die Wissenschaft im gesummten phy¬ sischen Bereiche allenthalben kräftiget. Ein solcher Centralkörper, dessen Organisation seine Be¬ nennung, als Philanthropische Provinzial-Association, schon beurkunden möge, vereinige in sich und durch seine weit verzweigten Aeste alle jene Tendenzen, welche die bisher erwähn¬ ten Zwecke einschließen und besonders in der eigentlichen Sani¬ tätsorganisation ihre Grundstützen finden. Er bilde einen von den politischen Behörden in seinen ad¬ ministrativen Verzweigungen unterstützten Verein, dessen Ge- sammtwirken Wohlthaten bezweckt, welche er zunächst und mei¬ stens aus dem eigenen Schooße zu schaffen vermag. Die Bestimmungen eines solchen Vereines, seine Verfassung, 151 seine Wirkungssphäre und seine Erhaltungskräfte und materiellen Mittel bilden einen Forschungsgegenstand, welcher in einer eige¬ nen Verhandlung zergliedert, vorliegendem Werke zu folgen hat. Der, seinen wohlthätigen Einfluß im wissenschaftlichen Ge¬ biete vertretende wesentliche Lheil dieses Institutes, constituirt sich in der Staats-Sanitäts pflege durch theilweise Ver¬ einigung mit diesem allverbreiteten Körper, von dem er großen- theils jene Behelfe schöpft, welche zur Erreichung obiger Zwecke in ihrer weiteren Ausdehnung erheischt werden. Da der philanthropische Provinzialverein vielfache und reich¬ haltige Einnahmsquellen nicht bloß durch Anregung des allge¬ meinen Wohlthätigkeitssinnes, sondern insbesondere durch gere¬ gelte und eigenthümliche freiwillige Versicherungs- und Versor¬ gungs-Erträgnisse zur Förderung des physischen Gemeinwohles sich sichern wird, so kann fortan die, nach dem Ausfälle solcher Mittel durchzuführende Einwirkung, allmälig allen Bedürfnissen beschwichtigend entgegen kommen. Insofern nun diese das Gemeinwohl in größerm Umfange fördernde Körperschaft Sanitäts- und Wohlthätigkeitseinrichtun- gen ins Leben ruft, müssen ohnehin die öffentlichen Sanitäts¬ ämter und Organe, als ihre officiell mitwirkenden Glieder, dem Verfahren die wissenschaftlichen Behelfe bieten; insoweit aber die obigen, dem Bereiche der ärztlichen Wissenschaft näher liegenden Gegenstände ihre Anwendung und Ausführung fordern, müssen die Agenden nur eigenen Sanitätsämtern anvertraut bleiben. Diese seyen als Staatsbehörden begründet und zwar als Provinzial-Sanitätsmagistrate im Sitze der obersten Provinzialregierung und als Bezirkssanitätsdeputatio¬ nen im Sitze der Bezirksämter, welchen die Gemeindeärzte der Landbevölkerung unterstehen und ihre Filialdepntationen bilden. Dieser Provinzial-Sanitätsmagistrat werde gebildet durch den Regierungs- oder Gubernialrath, Landesprotomedicus als Präses und durch ärztliche Assessoren als Pro vinzi al-Sa¬ nitäts räthe, welche aus dem Director der Krankeninsti¬ tute, aus Professoren, nämlich jenem der Staatssani- 152 tätspflege der praktischen Medicin und der Natur¬ wissenschaften, dann aus zwei Primärärzten, einem eigenen ökonomischen Rathe,nämlich dem ersten Ver¬ waltungsbeamten der Krankenanstalten, ferner auS dem Landesthierarzte, endlich aus einem Stadtphysi¬ ker, demAp otheker-Bo r sta ndeund den, im Orte befindlichen jungen Aerzten als Amtspractikanten zu bestehen hätte, welcher Körper den eigentlichen Provinzial-Sanitätsrathals eine, alle Sanitätsangelegenhciten im Lande leitende Staatsstelle bilde. In Orten, wo keine medicinische Lehranstalt besteht, läßt sich in dem übrigen angestellten Sanitätskörper Ersatz finden. Diese Sanitätsräthe wären in zwei Elasten zu theilen, näm¬ lich in wirkliche und titulaire. Nur die Staatsbeamten, d. i. die vom Staate für ihre anderweitigen Dienste schon Besoldeten, hätten den ersten Rang einzunehmen, weil sie als solche schon das Vertrauen der Regierung genießen, deren Glieder sie bilden. Die Leitung des Protocolles, des Expedits und der Registra¬ tur bliebe dem ökonomischen Rathe übertragen. Alle erwähnten Sanitätsgegenstände fallen in die Wirkungs¬ sphäre dieser Behörde, welche nach der Natur der etwa gefor¬ derten Mitwirkung anderer Behörden sich zu diesem Zwecke an das bezügliche Amt unter wohlbegründeter Darstellung der An¬ forderung wendet. Die Bezirks-Sanitäts-Deputation, als un¬ tergeordnete Behörde des Provinzial-Sanitäts-Magistrates, wäre durch den Bezirksvorstand, den Bezirks- und Communal- Arzt, den Gemeindevorstand, zwei Ausschußgliedern und den Ge¬ meinde-Geistlichen zu bilden, in deren Dienstesbereich alle, die vereinten Gemeinden betreffenden Sanitäts-Interessen nach Ma߬ gabe besonderer Instructionen einzubeziehen wären, wobei für die gewöhnlichen und normirten Vorkehrungen der Bezirks- und Gemeindearzt im Einverständnisse mit dem Bezirksvorstände die Amtshandlungen bewirkt, besondere Vorfälle und Anforderungen, sowie die periodischen Nachweisungen aber stets gremialiter ver¬ handelt. Man glaube ja nicht, daß diese Einrichtung, weil die Sa- 153 nitatsamtshandlungen doch des Einverständnisses mehrerer dem ärztlichen Stande nicht angehörenden Glieder und insbesondere des vorgesetzten Bezirkshauptmannes bedürfen, der bisherigem gleichkömmt. Hier handelt es sich um Gemeindeintereffen, welche die Gemeindeglieder selbst berühren und für sich zu ver¬ treten haben. Sobald dem Bezirksphysicus es unbenommen bleibt, diese Vertretung anzurufen und hier der gremiale Beschluß Geltung erlangt, und sobald der Physicus den Verhandlungs- gegcnstand auch an den Sanitäts-Magistrat leiten kann, so be¬ hebt sich jede Willkür und jedes bisherige Hemmniß. Die Sanitäts - Magistrate bedürfen keiner Vermehrung an Staatsopfern, ob auch einige Glieder derselben eine billige Er¬ höhung ihrer bisherigen Emolumente zu erlangen hätten, was durch die Aufhebung des Gubernial- Sanitätsbureaux mehr als bedeckt wird. Die Agenden dieser Behörden beziehen sich auf die erwähn¬ ten Sanitätsgegenstände, deren Verhandlung mittelst wöchent¬ lichen Berathungen und Currenterpeditionen nach Maßgabe der dießfalls zu erlassenden Instructionen zu leiten wäre. Kranken Hilfe und Krankenverpflegung um¬ faßt des Arztes ersten und heiligsten Beruf. Man sollte glau¬ ben , daß diese seine Leistung den Umkreis seines Wirkens in der Art ausfülle, daß jede andere Zngerenz und ämtliche Vor¬ sorge zur Ausführung dieses Pflichtbereiches weder durch seine Beschäftigungszeit, noch durch die Wesenheit der an ihn ge¬ stellten Anforderungen gerechtfertiget erscheine, daß somit die ihm aufzubürdende Amtssphäre eben so seinem Stande, als dem Sanitätszwecke entgegenstehe. Die Gegenwart bietet aber überall, wohin sich das men¬ schenfreundliche Auge zur Erforschung wahrer Krankenhilfe wen¬ det, nur Unvollständigkeit und Versäumnisse, wonach die Noth- wendigkeit einer Umstaltung nicht verkannt werden sollte. Die Krankenanstalten entsprechen dem Bedarfs nur unge¬ nügend. Die Hilfsleistung in denselben läßt Vieles noch zu wün¬ schen übrig, ohne sich dem Bereiche des Optimismus nur nahen 154 zu wollen. Die Krankenhilfe außer den Krankenhäusern, welche den kranken Armen zuzukommen hätte, leidet an zahllosen Män¬ geln , die schon besprochen wurden, insbesondere aber an dem diätetischen Beistände, welcher nicht nur als der wesentliche, sondern als der schwierigste erscheint. Ohne dieser diätetischen Vorsorge darf und kann weder die Regierung noch der Arzt sich schmeicheln, eine reele Hilfe den Unglücklichen geleistet zu haben. — Die anhaltend herrschenden Krankheiten, die Zahlen der Verstorbenen und die krankhaften Diathesen können hinreichende Belege für diese Ansicht gebe». Wenn sich aber dieß auch nicht so verhielte, kann doch Nie¬ mand läugnen, daß die bessern Einrichtungen einen ganz andern Erfolg herbeiführen müssen. Warum soll aber der Arzt in feinem direkten Wirken, in seinem vom Augenblicke geforderten Einschreiten zur Behandlung des Kranken und Darreichung der diätetischen Vorsorge durch fortwährende Anfragen, Zweifel, Ge- wärtigung höherer Verfügungen und ewige ökonomische Hem¬ mungen gehindert werden, seine Hilfe nach der strengen Anfor¬ derung des Falles und nach der ganzen Ausdehnung des Bedar¬ fes zu bringen? Aber eben dieses allgemeine und rasche Eingreifen durch den allseitigen ärztlichen Beistand und durch den wohlthätigen diätetischen Einfluß bildet gerade jenes Verfahren, woran es nun eigentlich ermangelt und welches die Sanitätsbehörden voll¬ ständig und mit freier Bewegung innerhalb der Gränzen ihrer zu bezeichnenden Amtshandlungen zur Ausführung bringen können. Der Communalarzt ist der treue Hilfsfreund seines Vol¬ kes. Er reicht dem kranken Armen nicht bloß den ärztlichen Rath mit dem Recepte, er soll ihm möglichst die vollständige Hilfe bringen. Während gegenwärtig auch in jenen Fällen, wo ein sol¬ cher Kranke in das oft so weit entfernte Provinzial - Spital ab¬ geführt wurde, die Weitwendigkeit der Verhandlung und die Reise Lage aufzehrten, und das Nebel eben hierdurch nicht all¬ zu selten auch unheilbar machten, während die vielen in ein fol- 155 ches Krankenhaus nicht eingesendeten Kranken allen mißlichen Einflüssen der unglücklichen Umgebung ausgesetzt blieben, wäh¬ rend nun so vielfache krankheitsschaffende Ursachen fortan die Ar- muth auf allen Wegen verfolgen, soll der Gemeindearzt that- kräftig überall mit forschender und hilfeleistender Macht im Augenblicke der Noth beistehen können. Die auf dem flachen Lande in seiner Nähe bereiteten Kran¬ kenlager für die Armen, der durch die Sanitäts-Deputation directe und indirecte aufgehäufte Norrath an diätetischen Mit¬ teln, die übereinstimmende, berathenoe, handelnde und schaffend auftretende Deputation, welche in alle Verhältnisse der Gemeinde ihr forschendes Auge richtet und ihre wohlthätigen Wünsche nicht erst fremden Ansichten und langweiligen Bedenken zu un¬ terwerfen hat: dieß nur kann frommend und nachhaltig das wahre physische Wohl einer Gemeinde fördern, welche in ihrer Mitte die Leistungen für ihre Glieder gewahrend, stets bereit ist, freie Opfer dem Unglücke zu bringen. Der administrative Theil dieser Localsanitäts - Deputation leitet sich durch die einfachsten Amtshandlungen. Der Gemeindearzt führt sein Krankenprotocoll in Lags¬ rubriken, welche die vollständige Evidenz dieser seiner Leistung in ärztlicher und diätetischer Hinsicht nachweisen. Bei dem mo¬ natweise einzuführendcn Zusammentritte mit der Gemeinde - De¬ putation stellt er seine Anforderungen und berathet über die Hilfs¬ quellen, die Bedürfnisse, die Verwendung und die erforderlich werdenden Vorkehrungen durch eigene Protokollaufnahme, welche von den Beisitzenden mitzufertigen, der Bezirkssanitäts-De¬ putation vorzulegen sind und wo, falls besondere Ansichten der Deputationsglieder ein Verfahren beirren sollten, die Bezirks- Deputation sogleich die Entscheidung zu fällen hätte, oder diese in ganz besonder« Fällen von dem Sanitätsmagistrate einzu¬ holen wäre. Die erwähnten Krankenprotocolle, welche in einem Lheile die im Hause verpflegten — und im andern Lheile — die außer dem Hause bewirkte Hilfsleistung bei bedürftigen Kranken 156 nachzuweisen hätten, sind monatwcise in Original, zur Einsicht an die Bezirks-Sanitätsstelle einzusenden. Alle Hilfe, welche die Gemeindekräfte bieten, ist von dieser Deputation nur mit diesen Nachweisungen ins Leben zu rufen und die vorgesetzten Behörden überblicken und leiten das organische Gesammtverfahren. Der öconomischeTheil des Deputations-Amtsverfahrens ist als wesentlicher Behelf zum Zwecke entscheidend. Die Quellen, aus welchen der Gemeindearzt und seine Krankenzimmer, so wie die hiebei erforderliche Verpflegung die Mittel erlangen, sind theilweise bezeichnet worden. Sie reichen für die erwähnten Zwecke nicht hin und würden für ungewöhnliche Anforderungen in Sa- nitäts- und Armensachen nur Unbedeutendes bieten. Sie müssen ergiebiger zufließen. Was die Gemeinde an Steuerprocenten im präliminirten Stande bietet, sey auch nur ihrer Verwaltung eben durch obige Deputation übergeben. Dieses Präliminare darf 2 «/<, an direc- ten oder indirecten Steuern nie überragen, — eine Quote, welche schon gegenwärtig die Gemeinden bloß für diesen Zweig in der Regel trifft. Hiezu kommen die Tangenten, welche die wohlhabender» Besitzer für die communalärztliche Krankenhilfe nach einer ein¬ verständlich zu bemessenden Repartition leisten, wonach ihre Dienst¬ boten und Arbeiter die freie ärztliche Behandlung zu genie¬ ßen hätten. Ferner hätten Strafgelder in der Gemeinde, für leichte und schwere Polizeiübertretungen untergeordneter Art in diese Rech¬ nung zu kommen, welche durch Umwandlung der nun gebräuch¬ lichen Arreststrafe in Geldstrafe, selbst in der Dienstclasse, wenn auch mittelst Abzug ihres Lohnes und Verdienstes, eine ziemlich ergiebige Einnahmsquelle für diesen wohlthätigen Zweck bilden und dieser Classe von Menschen eine eindringlichere Straf- empsindlichkeit als die, ohnehin für gewöhnliche Vergehen zu ver¬ meidende defamirende Strafart des Arrestes, beibringen würden. Die Einbringung dieser Strafgelder unterliegt keinen Schwie- 157 rigkeiten. Ein Einverständniß mit den Dienstgebern wird die Ver¬ handlung erleichtern, und wenn sie auch einige Amtsmühen her¬ vorbringt, so lohnt diese wohl der Zweck und noch insbesondere die Vermeidung der vielfachen Unzukömmlichkeit, welche die Ar¬ reste in physischer und moralischer Hinsicht unerläßlich mit sich bringen. Hieher gehören weiter jene Einnahmsquelle», welche die durch die kommunal - Deputation angeregte Pietät des Vol¬ kes selbst schaffen würde, und wobei es an Geldgaben, Ver¬ mächtnissen, so wie an diätetischen Hilfsmitteln nie fehlen wird, weil, wie gesagt, die Hilfe vor den Augen der Gemeinde und von ihren Gliedern genossen, den Wohlthätigkeitssinn stets fördert. Diese Vorsorge würde übrigens dadurch ihren besondern Werth bethätigen, daß sie fortan gepflogen den Vorrath sichert, statt ihn erst in Zeiten der Noth auf das Kärgste und größtentheils schon verspätet zu Stande zu bringen. Endlich würde für die in Rede stehende Hilfe ohne Zweifel der beträchtlichste Zufluß durch die philanthropische Provinzial-Association zugeführt werden können. Der Provinzialsanitäts-Magistrat, als Staats¬ behörde, leitet jede öffentliche Sanitätshilfe und bildet die Con¬ trolle und Garantie der Amtshandlungen über die ausgebrei¬ teten Bezirks- und Gemeindesanitäts - Deputationen. Er ist durch die zeitweisen und periodischen Einlagen in fortwährender Kenntniß der Hilfsleistung und des Sanitätsbedarfes, und wen¬ det sich in dem bemessenen Bereiche bei erforderlichen Amts¬ handlungen der verschiedenen Behörden unmittelbar an diese. Er weiset seine Dienstverrichtungen durch Vorlage der Gestions- Protocolle an das Landespräsidium nach. Sobald die Bezirkssanitäts-Deputation bei irgend einer, die Gemeinde - Administration betreffenden Vorkehrung auf ungewöhnliche Weise einzuwirken hätte, müßte die Bera- thung des Gegenstandes von der gejammten Deputation einge¬ leitet und darnach das Weitere vorgekehrt werden. Dem Bezirks- Vorstand eben so, als dem ärztlichen Deputationsgliede müßte es aber unbenommen bleiben, den Gegenstand an den Sanitäts- 158 Magistrat zu leiten und weitere Aufklärungen oder Entschei¬ dungen zu fordern, welche der Sanitäts - Magistrat je nach der Natur des Gegenstandes und der Nothwendigkeit einer Mitwir¬ kung von Seite einer andern Behörde, oder mittelst Vorlage an das Landespräsidium, der weitern Amtshandlung zur Erlangung des Zweckes zuzuführen hätte. Der Art Verhandlungen fänden aber nur bei besondern Anlässen von strenge geforderten Sanitätsvorkehrungen Statt, welche die Gemeinde-Organisation in ihrem ökonomischen oder politischen Stande ungewöhnlichen Eingriffen zu unterziehen hät¬ ten, oder wo von Parteien in Recursfällen höhere Entscheidun¬ gen hervorgerufen werden. Da die Sanitätsbehörden die Mittel zu ihren Amtshandlungen und Hilfsleistungen großen Theils von dem philanthropischen Provinzial-Versorgungs - Vereine schöpfen, so müßten diesen insbesondere alle außergewöhnlichen Anträge zu Vorkehrungen, mit den erforderlichen Nachweisungen geliefert werden. Die Sanitätsämter hätten somit ungeachtet ihres selbst¬ ständigen Wirkens eine doppelte, unmittelbare Abhängigkeit: als Staatsämter von den ihnen vorgesetzten Staatsbehörden, und als Provinzialämter von dem, ihnen die Mittel zur Hilfe bieten¬ den philanthropischen Provinzial - Vereine. In Beziehung auf ihre ämtlichen Verzweigungen mit den übrigen Staatsbehörden treten sie in mehrfache Amtshandlungen, wonach diese Staats¬ behörden anzuwcisen wären, ihnen die vorschriftgemäße Mitwir¬ kung angedeihen zu lassen. Das Landespräsidium, welches den Behörden im Lande unmittelbar vorgesetzt ist, sollte bei besondern politischen Anläs¬ sen dem Provinzial - Sanitätsmagistrate die erforderlichen Wei¬ sungen erlassen und seine Vorstellungen an das Ministerium rich¬ ten, was jedoch bei dem Grundsätze der Gemeindehilfe wohl nicht häufig der Fall seyn könnte. Die Amtsinstruction hätte alle Behelfe zu geben, vermög welchen die Assistenz der Behörden von den Sanitätsstellen ge- I5S fordert würde. Sie wird sich ungefähr aus den folgenden Or- ganisations - Entwürfen entnehmen lassen. Die Sanitäts - Deputation soll die Aufgabe lösen , jeden Erkrankungsfall in der Gemeinde zu erforschen, die Genesung möglichst herbeizuführen und die ursächlichen Krankheitsbedin¬ gungen nach Möglichkeit zu beheben. In allen Sanitätsverhältnissen und Bestimmungen, wo die politische Ortsbehörde oder die Bezirksbehörde in Gemeindean¬ gelegenheiten das Einverständniß der Sanitäts - Deputation un¬ ter Zuziehung der Gemeindevorstände vollständig erzielt, und keine Gemeindekräfte oder Ansprüche in's Mitleid gezogen wer¬ den, welche in die anderweitige administrative Sphäre eingrei¬ fen, oder endlich kein Recurs angemeldet oder eingebracht wird, bleibe unter Festhaltung der Verantwortung die Amtshandlung diesen Behörden in Sanitätsangelegenheiten frei. Ohne Ver¬ trauen zu den Behörden kann die Regierung dem von der Zeit geforderten Fortschritt nimmermehr folgen. Wenn z. B. einer Ge¬ meinde aus Sanitätsrücksichten die Verpflichtung auferlegt wird, auf einem sumpfigen Weideplätze einen Ableitungscanal auszugra¬ ben , so sollte die Amtshandlung ohne jeder Anfrage bis zur Ausfüh¬ rung zu Stande kommen, sobald die Gemeinde einverstanden ist. Die Verhandlungen der öffentlichen Higieine, so wie der Krankenpflege befassen sich mit dem Detail dieses Gegenstan¬ des und geben den weitern Kreis dieser Amtshandlungen an. Die den Bezirkssanitäts - Deputationen unmittelbar vor¬ gesetzten Sanitätsstellen, nämlich die Sanitäts-Magistrate, sollen im wissenschaftlichen Gebiete, so wie in jenem der öffent¬ lichen Versorgungs- und Sanitätspflege die höhere Instanz bilden, welche ihren Bereich durch stete Beaufsichtigung der De- putations - Agenden mittelst der periodischen Nachweisungen, und Protocollsvorlagen bewirkt und in allen jenen Vorkommnissen regelt, wo vermög der, den Unterbehörden nicht zuerkannten Amtsmacht die höher» Weisungen eingeholt werden müßten, oder überhaupt durch geforderte höhere Einwirkung in die Verhand¬ lung Einfluß zu nehmen wäre, wonach der Sanitäts-Magi- 160 strat entweder für sich, oder im Einverständnisse mit den Kreis¬ behörden, oder endlich durch Anrufung einer höher» Entschei¬ dung das Amt zu handeln hätte. In Angelegenheiten, wo der Sanitäts - Magistrat einer Mitwirkung oder eines Urtheiles von Seite der Behörden und ihrer Hilfsämter oder Kunstverständigen bedürftig wäre, bliebe er verpflichtet, diese einzuholen, wonach im Falle der Ueberein- stimmung mit dem Anträge, die Endfertigung des Gegenstandes, insoferne in ökonomischen Beziehungen keine Überschreitung des Präliminars Statt findet, sogleich zu bewirken wäre. Wo diese Einstimmung nicht erzielt wird, müßte die Anfrage an das Lan- despräsidium gerichtet werden, welches die Angelegenheit an das Ministerium leitet, sobald der Sanitäts-Magistrat auf dieser Vorlage beharrt, dem cs überdieß unbenommen zu bleiben hätte, einen solchen Verhandlungs-Gegenstand dem Landtage oder auch dem Reichstage zur Entscheidung vorzubringen. — Jede Sanitätseinrichtung, welche im Umkreise der Be¬ zirksgemeinden alle Folgen derselben einschließt und die Mittel zur Ausführung der Gemeinden aus nicht dotirten Fonden zu¬ geführt werden, da dürfte der Wirkungskreis des Sanitäts-Ma¬ gistrats nicht beirrt werden, besonders wo die Sanitätsbehör¬ den durch den philanthropischen Provinzialverein in die Lage kom¬ men, außerordentliche Aushilfen zu Stande zu bringen, indem dieser große Verein allen, das physische Gemeinwohl verfolgen¬ den Zwecken nachzustreben haben wird, was durch die Filialen, welche ihn im ganzen Lande gerade mittelst der Local - und Pro¬ vinzial- Sanitäts - Commission repräsentiren, ins Leben einge¬ führt werden soll. — Eine solche Association, nicht etwa durch Milde und Spen¬ den gebildet, sondern großentheils durch eigene, combinirt zusam¬ menwirkende Kraft sich erhaltend, dehnt die Gränzen des Wir¬ kungskreises durch die der Wohlthat fortan zugewendeten Hand¬ lungen aus, insoweit als die Aufhäufung an Mitteln den Sa¬ nitäts - und Versorgungsanstalten einen Vorsprung geben kann, worauf auch im Ganzen die Sanitätsbehörden Rücksicht bei der 161 Bemessung der do tir ten und nicht dotirten Konde nehmen. Die dotirten Fonde, worunter eigentlich nur die vom Staats¬ schätze nach dem Budget begründeten oder theilweise bemessenen, zu bestimmten Zwecken angewiesenen Geldaushilfen ver¬ standen werden, sollen hier alle jene Geldmittel bilden, deren bestimmter Zufluß in Folge genehmigter Präliminaranträge, aus sicheren Quellen für eine bemessene Zeit Statt findet, ob diese aus'Staats - oder Communitätskräften, oder aus Stiftungsren¬ ten gebildet werden. Die nicht dotirten sind alle in unbestimmbarer Zeit aus verschiedenen, nicht stets voraussehlichen Quellen zufließenden Aushilfen, welche insbesondere von dem Provinzial - Vereine ausgehen würden. Die Localdeputation hätte in ihrem Wirkungskreise alle Verrichtungen, welche durch die dotirten Fonde ihr gewährt sind und welche sie durch nicht dotirte Hilfskräfte zu bestimmten, einverstandenen oder genehmigten Zwecken aufzubringen im Stande ist. Wenn sonach in einer Provinz von Einer Million Bewoh¬ nern 16V Gemeinden zu 6000 Bewohner genommen, ein 2 Zuschlag an directen Steuern, für das erste Jahr der Verwal¬ tung, der Localdeputation zugewiesen würde und dieselbe hiedurch einen dotirten Fond von etwa 800 fl. für Heilungszwecke sich sicherte, wenn ferner diese Gemeinde von dem dotirten Staats- fonde, als Besoldungs- und Heilungsbeitrag, die ihr vom Staate zuerkannte Quote von etwa 200 fl. erlangte, wenn weiter die Besitzer und Dienstgeber für die Krankenversorgung eine präli- minirte Associationsquote von 1000 fl. leisten, wenn endlich die bestimmten Erträgnisse von Krankenstiftungen in einer sol¬ chen Landgemeinde zu 200 fl. und die Beiträge aus der Rent- casse zu 100 fl. angenommen werden; so hätte die Sanitäts-De¬ putation außer ihren Besoldungen für Sanitätsindividuen an 800 fl., noch wenigstens 1500 fl. ausschließlich den Heilzwecken 11 162 zuzuwenden, welche insbesondere für die Spitalsversorgung zu verwenden bleiben. Was ferner von den nicht dotirten und nicht präliminirten Einkünften in den bestimmten Wegen einstießt, nämlich an Straf¬ geldern , an milden Spenden und currenten Verlaffenschaftszu- weisungen, dann aus der Quote, welche zu Sanitätsaushilfen von dem Provinzialvereine der Gemeinde - Deputation zukömmt, das bildet den Ertrag für die übrige Sanitätshilfe in der'Ge¬ meinde, und regelt fernerhin den Voranschlag für die Bedürf¬ nisse des nächsten Jahres, bezüglich aus die Anforderungen aus den dotirten Fonden, welche nach der Ergiebigkeit der ersteren gestellt werden, so, daß sie eine wandelbare Scala von Jahr zu Jahr eingehen und sicher in nicht langer Zeit sich bedeutend mindern würden. Doch müßte hierin stets Rücksicht auf die vor¬ handenen Provinzialkran ken - und Versorgungsinsti¬ tute in der Art genommen werden, daß bestimmte Ueberschuß- tangenten für die Verwaltung derselben zugeführt würden. Der Staat hätte durch den erwähnten Beitrag eine Lei¬ stung von etwa 32.000 st. für die Provinz zu diesen Zwecken zu dotiren. Wenn hiezu auch 18.000 st. für Besoldungen und Pensionen bemessen werden, so wäre das ganze Staatserforder- niß nicht so hoch gestellt, als es gegenwärtig erscheint, und müßte ohne Zweifel sich fortan herabmindern. Der Einwand aber, daß durch diesen Staatsbeitrag eigent¬ lich nicht die gegenwärtig großentheils dotirten Anstalten betheilt werden, somit eine Garantie für ihre Erhaltung nicht vorliegt, wird die vollständige Entgegnung in der Detailverhandlung über die Kranken- und Versorgungsanstalten erhalten, doch muß in dieser Beziehung auch hier im Allgemeinen nur Folgen¬ des erwähnt werden. — Das erste, das heiligste Bedürfniß, des¬ sen Befriedigung den Staat und die socialen Bande kräftiget, ist die eigentliche Krankenhilfe, wenn sie zweckgemäß, all¬ seitig und rechtseitig ausgeführt wird. Daß nur eine solche Hilfe, wie sie hierfür den Beginn ihrer Einrichtung auch nur ISS noch in kleinerem Maßstabe vorgeschlagen wird, die möglich wahre und haltbare sey, kann kein Verständiger mißkennen. Nur durch kleine, vielfach zerstreute, für die Glieder jeder Gemeinde leicht zugängige Krankenanstalten kann allen beabsichtigten Zwecken zur besten Förderung des physischen Gemeinwohls genügt werden. Wenn in einer Provinz von angegebener Bevölkerung 160 Gemeinden, somit eben so viele Communalärzte und Commu- nalspitäler nur zu 12 Betten sich befinden, so werden fortan bei 2000 kranke Arme Versorgung finden, wo nun außer den vorzüglichem Hauptprovinzstädten der Stand der Spitäler sammt Gebär - und Irrenanstalten höchstens anf 500 anzunehmen ist. Wenn bei einigen Gemeindehebammen nur ein Geburtszimmer zur Aufnahme für die unglücklichen Verirrten eingerichtet wird, so hätte eine solche Provinz den dießfälligen Bedürfnissen mehr als je entsprochen. Durch die Einführung dieser Gemeinde-Institute erfolgt auch die Behebung aller Gebäranstalten, weil die Unglücklichen aus dieser Elaste, das wahre Asyl in solchen Localinstituten fin¬ den, ohne der nun unbezweifelbar sich steigernden Demoralisa¬ tion durch die Gebäranstalten Vorschub zu leisten. Dasselbe gilt von der Versorgung der Findlinge, zu deren Erhaltung eigene Zuflußquellen zu dienen haben, worüber besondere Verhandlun¬ gen folgen werden. Die Negierungen würden bald die Ueberzeugung erlangen, daß diese Institutionen nur nach dem wahren Bedarfs und nach der strenge geforderten Richtung, zur Erreichung der physischen und moralischen Zwecke, begründet wurden. Der Provinzial-Sanitäts-Magistrat bildet eines Theiles die wissenschaftliche Centralvereinigung aller öf¬ fentlichen Sanitätsorgane der Provinz nach den schon gegebe¬ nen Weisungen. Er ist andererseits die unmittelbar vorgesetzte Behörde aller Sanitätsämter im besagten Bereiche. Er leitet und bestimmt alle allgemeinen Sanitäts-Maßnahmen, überwacht 11* 164 die Ausführung gebotener, besonderer Sanitätseinrichtungen in der Provinz, welche unter Mitwirkung der übrigen Landesbehör¬ den aufgestellt werden ; er leistet alle öffentliche Sanitätshilfe in dem städtischen Bereiche; insbesondere in den Kranken-, Versor- gungs - und Armen - Anstalten, welche sich insoferne auch auf die Provinz beziehen, als dieß die leichtere Ausführung beson¬ derer Leistungen in solchen Krankenanstalten zuläßt. Er crtheilt allen Behörden im Lande in allen Sanitätsforschungen, die be. züglichen Nachweisungen, Gutachten, Arbitrien, Superarbitrien und Rearbitrien. Er leitet und besorgt nach den waltenden Stu¬ dien-Normen die Sanitäts-Bildungsanstalten in der Provinz, insoweit als der Lehrkörper in dem Sanitäts - Magistrate ein¬ geschloffen ist. In den Seehäfen und Gränzprovinzen vereint der Sani, täts - Magistrat durch Zuziehung des Sanitätsdeputirten und der Sanitätsräthe aus dem Handelsstande, die in diesen Bereich einschlagenden Amtsgeschäfte und es sind ihm alle in der Pro¬ vinz befindlichen See - und Gränzsanitäts - Deputationen zu unterwerfen, deren Zahl jedoch in gegenwärtiger Zeit wohl oh¬ nehin um ein Bedeutendes sich mindern wird. Die hiebei vor¬ kommenden polizeilichen Geschäfte üben wie bis nun die hiebei angestellten untergeordneten Beamten, deren Wirkungskreis je¬ doch in der Gegenwart ohnehin nur eine unbedeutende Amts¬ handlung bildet. Der Provinzial-Sanitäts - Magistrat leitet das ganze Sa¬ nitäts- und Versorgungsfach der Provinz durch unmittelbare Vorstehuug über die Bezirkssanitäts- Deputationen, welche nicht nur in den Nachweisungen ihrer Gestwns - und Sitzungspro- tocolle, sondern in allen jenen Amtshandlungen, wo sie von der Provinzialbehörde Mittel zu erlangen haben, oder, wo be¬ sondere Rechte und Kräfte der Gemeinden in Anspruch genommen werden wollen, von dem Sanitäts - Magistrate bedingt abhän¬ gen , welcher hierin nach dem Bereiche seiner, auf dem Grunde einer genauen Amtsinstruction bestimmten Wirkungssphäre, selbst 165 sogleich die geforderte Einwirkung durchführt, oder diese nach der Natur des Gegenstandes von den Landesbehörden nachsucht, oder vom philanthropischen Associations - Vereine in Bezug auf die Erwirkung besonderer Hilfsmittel hervorruft. Der Provinzial-Magistraterhält vom Staate die bestimm¬ ten Zuschüsse nach den bewilligten Jahres- und Quartal-Prä¬ liminarien für Sanitäts-Auslagen der Provinz, welche" in ver¬ schiedene Rubriken strenge getheilt, sich für die Behebung aus den Staatscaffen unter Ermächtigung, des Landeschefs eignen und worüber die Quartalrechnungen vorzulegen sind. Diese Ru¬ briken bestehen aus den Besoldungen und Pensionen der Staats¬ sanitätsbeamten und ihrer Witwen, aus den Erhaltungskosten für Staatssanitätsanstalten, aus den Heilungsbeiträgen für die Behandlung der Volkskrankheiten, endlich aus den Anweisungen für die Bildungsanstalten. Die zweiten Präliminarien würden die Anforderungen von der Gemeinde betreffen. Die dritten Präliminaranträge hätte der Sanitäts-Magi¬ strat an den philanthropischen Affociationskörper unter folgende Rubriken zu richten: »Hilfsleistungen für kranke Arme» mit den Sub¬ rubriken, »in Gemeindespitälern» und „in den Woh¬ nungen der Kranken,» »für Arzneien,» »für diätetische Aushilfen.» »V e r s o r g u n g s a u s hilfen» mit den Subrubriken » für Gebärende,» » für Waisen und Findlinge ,» »für Irrsin¬ nige,» »für Taubstumme,» »für Erblindete,» »für Sieche und Krüppelhafte,» endlich „für Armeninstitute.» »Stiftungsaushilfen» mit den Subrubriken nach ihrer Widmung unter den erwähnten Cathegorien. „Aushilfen für Sanitätsvorkehrungen gegen krankheitschaffende Einflüsse» mit den Subrubri¬ ken »für Local - Sanitätseinrichtungen,» »für besondere durch Naturereignisse hervorkommende Gefährdung der Gesundheit.» 166 Das Staatspräliminare unterliegt keinen besondern Acn- derungen und wäre dem philanthropischen Vereine bloß zur Ein¬ sicht und zur Kenntniß nach bewirkter Ministerial - Erledigung mitzutheilen. Die Sanitäts - Bezirks - Budgets hätten der Cen- sur des Vereines insofern zu unterliegen, als dieser den ganzen Umfang des Bedürfnisses kennen lernen muß und durch be¬ stimmte, stets mehr anwachsende Einnahmsguellen, welche den Communen zu diesen Zwecken durch die Associations - Organisa¬ tion zukommen würden, die Rubriken ergiebiger bemitteln könnte, somit die Communalleistungcn sicher im gestellten Umfange öfter herabgemindert würden. Wenn z. B. der Zufluß für die Armenkrankenhilfe bei dem philanthropischen Vereine durch die ihm dießfalls zuge¬ wiesenen eigenen Quellen so beträchtlich wäre, daß der Bedarf den Gemeinden nach dem Communalbudget gedeckt werden könnte, so wären auch die Communen von ihren Steuerzuschlagslei¬ stungen nach den, vom Vereine gebrachten Mitteln zu regeln. Nach den bestimmt zufließenden Aushilfen vom philanthro¬ pischen Vereine, würden sich besonders in der ausgiebigen Rubrik . der Kranken Hilfe, welche den vorzüglichsten Zweck aller Sa¬ nitätsleistungen bildet, die Mittel ohne Zweifel so weit erhöhen, daß hierin selbst die Staatsaushilfen sich im stets verminderten Maßstabe stellen ließen. Der Sanitätsmagistrat, welcher gremialiter seine Verhand¬ lungen und Beschlüsse vollzieht, soll insoferne vom Landespräsi¬ dium abhängen, als diesem die suspensive Gewalt in der Aus¬ führung einer Amtshandlung der Sanitätsämter cinzuräumen wäre, so daß bei Vorkehrungen und besondern Einleitungen, wo die Sanitätsbehörden eine Mitwirkung verlangen, deren Opfer oder wesentliche Einflußnahme auf Rechte, Ansprüche, Giebigkei- ten und herrschende Einrichtungen der Landeschef nicht zu billi¬ gen fände, vor der Ausführung der beantragten Maßnahme, der Verhandlungsgegenstand zur Entscheidung an das Ministe¬ rium geleitet werde. 167 In allen jenen Angelegenheiten aber, wo weder ungewöhn? liehe Finanzkräfte des Staates oder der Gemeinden angesprochen werden, noch sonst die gesetzliche Ordnung einer Bcirrung un¬ terliegt, und das Werk nur durch dotirte oder freiwillig einver¬ standene Opfer zu Stande kömmt, wäre den Sanitätsämtern jede Bewegung in ihrem Wirkungskreise unbeanständet zu über¬ lassen, da ihre administrativen Einwirkungen ohnehin durch das Einverständnis der Communal- und Staatsbehörden, sowie des philanthropischen Provinzialvereines, bei dessen Direktorium auch höhere Staatsbeamte aller Provinzialbehörden Mitwirken, in der Ausführung bedingt werden. Eben diese letztere Verschmelzung reicht das große Mittel zu dem geregelten, umfangreichen und wohlthätigen Wirken, da durch die stets sich steigernden Kräfte der Philanthropie und des Associationsgeistes, an welchem alle Classen thätigen Antheil in der Vereinigung zu einem edlen Zwecke nehmen, die Bedürfnisse der Sanität bisher noch zu wenig beachtet, in würdigere Rück¬ sicht genommen würde. Man könnte hiedurch zu der Schlußfolgerung gerathen, daß, nachdem eine der Art organisirte Association so ausgedehnte Sa¬ nitätsmittel in ihrem Bereiche einschließt, derselben auch die öffentlichen Sanitätsanftalten insgesammt zu übertragen wären, um dem Staate die Sorge und die Opfer abzunehmen, wie dieß theilweise in England und Amerika schon besteht. Die Sanitätsbehörden sind in ihren wesentlichen Einwir¬ kungen auf das Wohl der Bevölkerung kunstverständige Körper¬ schaften, deren Urtheil nach wissenschaftlichen Principien und nach Regierungsgrundsätzen, nicht aber nach den Ansichten einzelner, dem Fache nicht angehörenden Glieder zweckdienlich geleitet wer¬ den kann. Die Förderung der Sanitätszwecke ist im Staats- prinzipe gelegen und ihre Erreichung von der Staatsverwaltung garantirt, weßhalb auch die Organe der Sanitätsbehörden ihre unmittelbaren Glieder bilden müssen. Wenn einst die Ge¬ meindekräfte eine solche Selbstständigkeit erlangen, daß in Bezug 168 auf intellectuclle und materielle Anforderungen ihnen aller Fort¬ schritt zur Erstrebung des Zweckes belassen werden kann, wird sich die Regierung auch bloß auf die erforderliche Beaufsichtigung beschränken können. Die andererseits etwa zur Sprache kommenden Bedenken gegen Uebertragung der Selbstständigkeit im Amtsver¬ fahren an Sanitäts-Individuen, entbehren aller Begründung. Die Sanitätsämter sind in ihrer Wirkungssphäre, nach der Natur der Berhandlungsgegenstände, bei weitem mehr einem spe¬ ziellen Wissen und Wirken zugewiesen, als alle übrigen, vom Re¬ gierungskörper gesonderten administrativen Zweige. Das Ca- merale, die Justiz, die Ordinariate, die Fiscalämter und selbst das Militärfach coincidiren weit eingreifender mit den politischen Institutionen, werden nach minder abstracten Grundsätzen gelei¬ tet, als die Sanität, und doch ist ihnen sicher mit Vortheil die eigene Amtsleitung eingeräumt. Die Aneignung der zur selbst¬ ständigen Amtsleitung erforderlichen Kenntnisse den Aerzten aber absprechen zu wollen, ist ein Unding, jeder Entgegnung unwürdig. Jedes Mißverständnis! in der Anordnung und Ausführung eines nicht allseitig der entsprechenden Beurtheilung unterlegenen Verfahrens zieht eine weit gegliederte Kette empfindlicher Fol¬ gen nach sich. Ob aber in einem wissenschaftlichen Fache durch das Urtheil der in demselben nicht gebildeten Glieder, Befangen¬ heit, Oberflächlichkeit, Irrung und Antipathie nicht als Schatten¬ bilder die Fernsicht benehmen müssen, bedarf keiner Nachweisung, sondern nur eines treuen Blickes in die Erfahrung. Man kann es überall erwahren, wie hinkend wir den hei¬ ligsten Zwecken nachkommen und wie weit wir noch von der Er¬ reichung derselben entfernt sind, da es im gesellschaftlichen Leben noch an der Erstarkung der Wohlthat und der humanen Prin¬ zipien vielfach ermangelt, um die grellsten socialen Mißverhält¬ nisse, welche im Grunde nur physische Entbehrungen und Ver¬ kümmerungen hervorbringen, zu beheben. Weil die Staats-Sanitätspflege in ihrem allverbreitenden Wirken die humanen Anforderungen der Bevölkerungen zu för- 169 dcrn sucht und überall hilfeleistend auftreten soll, um das Ge¬ deihen ihrer heiligen Zwecke nicht etwa, wie größtentheils bis¬ her, durch empfindliche Belastungen zu schaffen, wonach Wohl- thaten mit fremdem, nicht selten schwerem und kargem Erwerbe geübt werden, so muß ein solches religiöses Institut nur durch einen organischen Einklang der Bevölkerung selbst, im Geiste der Milde und Nächstenliebe geschaffen werden. Dieses umfaßt das allgemeine Associations - System , an dessen ergiebigen Quellen und berechneten Einflüssen die Sanitätshilfsleistung khre unver¬ siegbaren Kräfte schöpft, weßhalb auch die Sanitätsbehörden durch mittelbare Einverleibung mit diesem großen Körper, im allumschlingenden Bande der Versorgung, einer Abhängigkeit von diesem Provinzialverein sich zu unterwerfen haben und ihm in dieser Richtung Rechenschaft und Verantwortung schuldig sind, wobei die Veröffentlichung der Resultate des Wirkens die beste Censur bildet. Jene Sanitätsverhandlungen, welche durch die Landespräsidien an das Ministerium geleitet werden, sollten nur einem kunstverständigen Urtheile unterliegen, was ohne Zweifel durch die neue Einrichtung des Ober - Medicinalrathes bezweckt werden will. Doch ein Blick auf die dargestellte Sanitäts-Wir¬ kungssphäre wird ein solches Institut als ungenügend nachweisen. Es dürste auch schwer vorauszusetzen seyn, daß ein schon gefällter Beschluß vorliege, keiner ärztlichen Hand eine Mitlei¬ tung des Regierungsrudersanzuvertrauen. Die treue Sorge für die Erhebung des physischen Gemeinwohles würde ihrem geisti¬ gen Wesen nach verkümmern. Ich übernehme ruhig die Recht¬ fertigung der Behauptung, daß die politischen Behörden sich nicht in der Lage befinden, die Sanitätszwecke gedeihlich zu ver¬ folgen. In ihrem Berufe und ihrer Wissenschaft lassen sich die Mit¬ tel nicht so leicht finden, dieses wohlthätige Ziel zu erreichen. Ja selbst die Kunst, ein haltbares Amalgam zu bilden, zwischen dem Urtheile einer ärztlichen Körperschaft und dessen Lebensfor¬ mation im politischen Institute, bleibt eine Aufgabe, deren be- 170 friedigende Lösung selten vollständig gelingt, weil die Exekutiv¬ gewalt in fremden Händen, der harmonischen Einigungskraft ent¬ behrt. Auch sogar die D a r ste llu n g der Sanitätsverhältnisse und ihrer Anforderungen, durch politische Behörden und ihre Organe bewirkt, wird keine allseitig befriedigende seyn können, weil nur die Wissenschaft das Auge kräftiget, welches in selbstständiger, analytischer und synthetischer Prüfung die Objecte ihres Berei¬ ches zu durchforschen vermag. Der Arzt, als Glied einer poli¬ tischen Behörde, hat kein freies Urtheil mehr. Die Mißverständ¬ nisse sind unausweichlich. Er kann mit seiner vereinzelten An¬ schauungsweise selten durchdringen. Die Auslegung bleibt der Macht der Behörde anheimgestellt. Das Mittel, den Sanitätsdienst im ganzen Umfange zu überwachen und zu fördern, wird die Regierung in der Einfüh¬ rung einer Sanitäts-Central-Aufsicht durch die Anstellung eines Sanitäts-General-Jnspectors findendem in mehreren gebildeten Staaten für gesonderte Zwecke — Gefängnisse, Irrenanstalten u. dgl. schon bestehendes Institut), welchem die Verpflichtung aufzuer¬ legen wäre, alljährlich die Provinzen durch eigene Anschauung der administrativen Sanitäts- und Wohlthätigkeitshilfe zu begehen und deren Zustand, besonders bei den Landgemeinden, der ge¬ nauen Erforschung zu unterziehen, die vorgefundenen Mängel im Einverständnisse mit der betreffenden Kreisregierung und dem Sanitätsmagistrate zu beheben und bei dem Ministerium die bezüglichen Vorträge zu erstatten. Hier, wo der sichtliche Zusammenhang aller Einflüsse in treuer Auffassung mit der natürlichen und anwendbaren Garan¬ tie eines solchen Staatsdieners dargestellt erscheint, und wo meist schon über eingeleitete Maßnahmen Rechenschaft abgelegt wird, ist das Verständniß und das Urtheil jenen Abstractionen entzo¬ gen, welche die homogen zu verfolgenden Zwecke ewig verwirren. Daß hiebei Alles auf die Wahl einer solchen, in wissenschaft¬ licher, practisch-administrativer und sprachlicher Bildung hervor¬ ragenden Persönlichkeit ankömmt, ist von selbst erklärlich. 171 Durch eine critisch-treue Auffassung der weit verzweigten und gleichförmig geeinigten Einwirkungen kann der Sanitäts¬ hilfe, wie sie diese Verhandlung in ihrer Mannigfaltigkeit nach¬ wies, gebührende Rechnung getragen werden. Der im physischen Bereiche erstarkte Staat wird seine, hie¬ durch auch gekräftigten geistigen Schwingen zum frommenden Fortschritte erheben. Und die Philanthropie ist das Herz der Regierung! sAMss»- Erdrückt bei Ignaz Alois Kleinmayr.