EIN BEMERKENSWERTER CRUSTACEENFUND AUS GRAClSCE BEI KUBED (NORDISTRIEN) von Friedrich Bachmayer und Anton Nosan Mit 1 Textabbildung und 1 Tafel Geologische Beschreibung Das Vorkommen von Krabben befindet sich nordlich des Dorfes Gradišče bei Kubed ostlich von Koper. Das beschriebene Exemplar ist bei der geologischen Kartierung des Blattes Trst (1:50.000) im Jahre 1955 gefunden worden. Der fossilfuhrende Horizont kommt zwischen Nummulitenkalk und Flysch zum Vorschein. Er besteht aus grobkornigem und feinkornigem Sandstein, Sandmergel und kalkigem Mergel. Die Kalksandsteine sind hellgrau gefarbt, wahrend Sandmergel und Kalkmergel gelblich oder gelblichrot gefarbt sind. Die Kalksandsteine sind manehmal weniger stark verfestigt, weshalb sie auch weniger widerstandsfahig gegen Erosion sind als die Mergeln; es kommt deshalb zur Auswitterung der Fossilien. Die Sandsteine sind nicht deutlich geschichtet, wahrend die Mergeln dagegen gut geschichtet und manehmal sogar dtinnblattrig sind. Letztere sind auch gegen Erosion mehr widerstandsfahig als der liegende Nummulitenkalk. Die beschriebenen Gesteinsarten bilden einen Ubergang zwischen Nummulitenkalk und Flysch. Wir begegnen dieser Gesteinsserie in zahl-reichen Aufschltissen in einem verhaltnismaOig groBen Gebiet, des-sen ostliche Begrenzung der Slavnik-Kamm mit seiner nordlichen Ver-langerung bildet, wahrend die westliche Begrenzung aber die Linie Osp—Kubed—Gračišče ist. Von hier an gegen Westen dehnt sich das grofie Flyschgebiet aus, das bis zur Adria reicht. Der Ubergangshorizont zwischen dem Nummulitenkalk und dem Flysch kommt nur an einzelnen kleinen Flecken zum Vorschein. Eine grossere Ausdehnung hat dieser Ubergangshorizont siidlich vom Ur-sprung der Rižana, wo Sandsteine und Mergeln auf einer Entfernung Tafeierklarung: Harpactocarcinus punctulatus istriensis nov. var. aus dem Eozan von Kubed (Nord-Istrien), ca. 1,5 X vergr. Fig. 1. Cephalothorax-Oberseite Fig. 2. Untersaite des Krebses mit den Scherenhanden und dem Sternum Geologija, 5. knjiga Fig. 1 Bachmayer und Nosan: Crustaceenfund aus Gračišče Fig. 2 Geologija, 5. knjiga Bachmayer und Nosan: Crustaceenlund aus Gračišče von ca 300 m zutage treten. Weiters kommt ein grosserer Komplex auf einem steilen Abhang ostlich von Kubed vor. An alien anderen Orten treten zwischen Nummulitenkalk und Flysch nur kleine Steilen auf, deren Ausdehnung kaum 100 m2 betragen. Sehr zahlreich sind diese Stellen auf dem tektonisch gefalteten Gebiete zwischen Črni Kal und Zazid. Die Machtigkeit dieses Grenzhorizontes ist kaum 10 m. Der Grenz-horizont tritt nicht iiberall auf und es liegt oft der Flyschmergel direkt iiber dem Nummulitenkalk. Deswegen konnen wir diesen Grenzhori-zont als eine lokale Erscheinung betrachten. Fossilftihrend sind vor allem die Sandsteine. Das Vorkommen bei Gračišče umfafit ungefahr 300 m2. Das Gestein besteht aus grobkornigem Sandstein, in welchem selten Gerolle aus Nummulitenkalk eingeschlos-sen sind. Textabbiidung: Harpactocarcinus punctulatus istrtensis nov. var. ((f). Die Unterseite des Krebses, die rechte Scherenhand umd das Sternum sind in der Zeichnung etwas starker betont. Natiirliche GroBe Die stratigraphische Stellung des Ubergangshorizontes ist noch nicht endgiiltig geklart. S t ache (1889, S. 63—64) wie auch Schubert (1905, S. 163) stellen diesen in die obere Halfte des mittleren Eozans. Hinsichtlich des alteren Tertiars haben die beiden verschiedene An-sichten. Die neuen Untersuchungen, insbesondere die geologischen Kartie-rungen, Tiefenbohrungen und Schiirfungen zeigten eine gewiCe Problematik der Gliederung des alteren Tertiars auf. Es besteht daher eine Notwendigkeit einer genaueren Datierung dieser Schichten. Die Suft- und Brackwasserkalke (Kosinaschichten) liegen auf den Schichten der Kreideformation. Besonders bei den Kosinaschichten, wo sie Kohle fiihrend sind, taucht die Frage nach deren genaueren strati-graphischen Lage auf. Sie konnen ohne weiters in die obere Kreide aber Geologija V. — 6 81 auch in das Tertiar gestellt werden. Nach den heutigen Kenntnissen fehlt der oberste Teil der Kreide auf der Halbinsel Istra (Istrien). Die Kosinaschichten stellen einen Zwischenhorizont dar, der nach der Regression des Kreidemeeres entstand. Diesen Schichten folgen obere Fora-miniferenkalke, Alveolinen- und Nummulitenkalke, dann der Ubergangs-horizont und schliefilich kommt Flysch. Bei manchen Profilen fehlen die Kosinaschichten und auch die oberen Foraminiferenkalke. Es liegen also die Alveolinenkalke direkt der Kreide auf. Ein solches Profil konnen wir nordostlich von Sečovlje, im oberen Lauf des Vanderniga-Baches beo-bachten. Hier liegen Alveolinenkalke direkt auf dem hellen, fast weifien Kreidekalk. Diese Kalke fuhren auch vereinzelt Nummuliten, darauf folgen echte Nummulitenkalke, die noch im unteren Teil vereinzelt Alveolinen fuhren. Dann kommen Flyschmergeln und Sandsteine. Zwischen Kreide und Tertiar ist in diesem Profil keinerlei Diskordanz zu beobachten, obwohl dieser Ort nur ungefahr 6 Kilometer von dem Kohlenbergbau Sečovlje entfernt ist, wo eine deutliche Diskordanz zwischen Kreide und Kosinaschichten auftritt. Die Konkordanz im beschrie-benen Profil ist nur eine scheinbare. Bei der Kartierung konnten wir auch beobachten, daS die Machtig-keit der einzelnen Schichtglieder des alteren Tertiars verschieden ist. Die Tatsache, dal* vereinzelt der untere Teil iiberhaupt fehlt, zeigt uns, daB hier auch im alteren Tertiar die Verhaltnisse ahnlich wie im Jung-tertiar waren. Es hat sich bei den neuen Untersuchungen gezeigt, dafl einzelne fazielle Verschiedenheiten in der Sedimentation nicht gleich-zeitig auch stratigraphische Horizonte sein mussen. Aus dieser Bemerkung ist zu erkennen, daB der tfbergangshorizont zwischen Nummulitenkalk und Flysch stratigraphisch nicht genau fest-gestellt ist. Es ist nicht sicher, zu welchem Teil des mittleren Eozans er gehort und es wird erst spateren detailstratigraphischen und mikro-palaontologischen Untersuchungen iiberlassen bleiben, diese Frage zu klaren. Bescbreibung des Krebsrestes: Harpactocarcinus punctulatus istriensis nov. var. Material: Ein Cephalothorax (cf) mit rechter und linker Scherenhand und mit Sternum. Das Exemplar befindet sich in der Geologischen An-stalt in Ljubljana, Inv. Nr. 2211. Diagnose: Eine Varietat von Harpactocarcinus punctulatus, charak-terisiert durch ein breites Rostrum, Vorderseitenrand mit wenigen Sta-cheln besetzt. Hinterer (letzter) Seitenstachel recht kraftig. Carapax an der Stelle des ziemlich kraftigen Seitenstachels am breitesten. Rechte Scherenhand grofi, stark aufgetrieben; unbeweglicher Scherenfinger kraftig und nach aufwarts gebogen. Sternum im Vorderabschnitt (Ster-nite 1 und 2) mit tiefer medianer Furche. Carapax-Oberflache fast glatt, Vorder- und Hinterseitenrand gleich lang. Beschreibung: Cephalothorax breit (am vorliegenden Exemplar ein-gedriickt). Rostrum breit, mit zwei Loben in der Mitte und je einem Lobus an der inneren Begrenzung der Augenhohlen. Letztere sind am Vorderrand stark eingeschnitten. Vorderseitenrand stark konvex, mit nur wenigen (5 ?) Stacheln verziert, die aber an unserem Exemplar nicht gut zu erkennen sind. Wo der Carapax am breitesten ist befindet sich der letzte Seitenstachel. Hinterseitenrand fast gerade. Hinterrand ebenfalls gerade, ziemlich lang und mit einer schwachen Leiste eingefasst. Die Oberflache des Cephalothorax ist glatt und nur mit der Lupe sind ganz feine Warzchen festzustellen. Von der Oberflachengliederung sind nur die zwei halbmondformigen Furchen im hinteren Abschnitt des Carapax angedeutet, alle anderen Details der Oberflache sind infolge der Be-schadigung undeutlich. Die rechte Scherenhand ist groBer als die linke, Die rechte Hand hat einen dreieckigen UmriB. An Vorderteil, knapp hinter der Insertion des beweglichen Scherenfingers ist die Hand stark aufgetrieben. Der unbewegliche Finger ist breit und hat eine nach auf-warts gebogene Spitze. Der bewegliche Scherenfinger dagegen ist lang und breit. Am unteren Teil der Hand ist eine Porenreihe bis in die Spitze des unbeweglichen Fingers zu verfolgen. Die linke Scherenhand ist zier-lich. Der unbewegliche Finger ist abwarts gebogen. Auf dieser Scherenhand ist ebenfalls eine Porenreihe vorhanden, die ungefahr von Hand-mitte bis zur Spitze des unbeweglichen Fingers reicht. Auch sind einzelne kraftige Stacheln an der Scherenhand ausgebildet. Meropodit (Femur) zeigt die fur H. punctulatus charakteristische Schalenskulptur. Das Sternum ist besonders gut erhalten. Das Abdomen ist schmal, ein Umstand der fiir ein mannliches Geschlecht bezeichnend ist (vgl. Abb. ). Im Bezug auf UmriH, GroBe und Gestalt der einzelnen Sternite besitzt diese Form eine weitgehende Ahnlichkeit mit einem von A. B i 11 n e r (1875) auf Tafel 2, Fig. 5 abgebildeten Exemplar von Harpactocarcinus quadri-lobatus (Des m.), nur haben bei dieser neuen Unterart die Sternite 1 und 2 eine tiefe mediane Furche, die bei dem Exemplar von B i 11 n e r zumindest auf der Abbildung fehlt. So zeigt das Exemplar von Istrien, sowohl einige Merkmale von H. punctulatus als auch solche von H. quadrilobatus. Abmefiungen in mm: Cephalothorax: Breite Lange ... 53 mm Breite ... 70 mm Lange = 1,32 Rostrumbreite ......... Augenausschnitt......... Vorderseitenrand (vom Augenausschnitt 19,5 8,0 bis zum letzten Stachel) Hinterseitenrand..... Hinterrand....... . 31,0 . 31,0 . 25,0 Scherenhand: Lange: Breite: 21,4 14,7 32,3 25,5 linke Hand rechte Hand Beweglicher Scherenfinger der rechten Hand: Lange = 23 mm, groflte Breite (an der Basis) = 7,5 mm Locus typicus: Kubed, N. Istrien. Stratum typicum: Eozan Derivatio nominis: nach dem Fundgebiet Istrien. Bemerkungen: Die Formenkreise von Harpactocarcinus und von Xanthopsis sind einander sehr ahnlich. H. Milne Edwards hat Harpactocarcinus zu den Carpilidae und Xanthopsis zu den Xanthidae gestellt. Schon A. B i 11 n e r (1875) hat darauf hingewiesen, dafi Harpactocarcinus den Arten von Xa7ith.opsis viel naher steht als jenen von Palaeocarpilius; es geht also auf keinen Fall an, daft Xanthopsis und Harpactocarcinus in zwei verschiedene Gruppen eingeordnet werden. In der Folgezeit wurden weitere neue Arten aufgestellt, die dann wieder mit schon beschriebenen Arten vereinigt wurden. Viele dieser Namen sind nunmehr als Synonyma zu betrachten. Die meisten Formen wurden aber zur Gattung Xanthopsis gestellt und nur Harpactocarcinus punctulaius wurde bei der Gattung Harpactocarcinus als deren einziger Vertreter belassen. M. F. Glaessner (1929) hat Cancer seguieri, C. pachychelus, C. macrodactylus, C. brachychelus, Harpactocarcinus rotundatus und einige andere mit H. punctulatus zusammengelegt. Auch liefi er Harpactocarcinus quadrilobatus bestehen und vereinigte mit dieser Spezies Xanthopsis kressenbergensis, Cancer tridentatus und einige andere Formen. Durch diese teils berechtigten, teils aber auch mangelhaft begrtin-deten Korrekturen ist in der Systematik der beiden Gattungen Xanthopsis und Harpactocarcinus die Ubersicht vollig verloren gegangen. Sicherlich war auch die gro~e Variability der einzelnen Formen ein Hindernis fur die klare Abgrenzung der Arten. Das vorhandene Material ist sehr groB, aber es ist in verschiedenen Sammlungen verstreut, so dali eine monographische Untersuchung bislang nicht moglich war. Wenn man sich nur einmal die Muhe nimmt, die Abbildungen aller Stiicke, die unter dem Namen Harpactocarcinus punctulatus zusammengelegt wurden, zu vergleichen, so findet man, dafi in der Tat es sich nicht um eine einheitliche Art handelt, sondern diese aus mehreren deutlich unter-scheidbaren Formen besteht.. Eine Entwirrung wird nicht leicht durch-zuftihren sein und kann nur auf der Basis eines groBen Untersuchungs-materials gelingen. Die einzelnen Arten neigen zur Ausbildung lokaler Rassen: wobei auch der Geschlechtsdimorphismus nicht tibersehen werden darf. Bis zur Klarung der systematischen Einreihung soli nun das vorliegende Exemplar, das von Harpactocarcinus punctulatus auffallig abweicht, als lokale Varietat von H. punctulatus aufgefafit werden. Zum Vergleich dienten mir 19 Cephalothorax-Exemplare von Harpactocarcinus punctulatus (darunter sind 5 Originale von R e u s s) aus der geol.-palaeontol. Sammlung des Naturhistorischen Museums in Wien. SCHRIFTTUM Bittner, A., 1875, Die Brachyuren des Vicentinischen Tertiargebirges. Denkschr. k. Akad. d. Wissensch. Wien, v. 34, p. 63—106. Desmarest, A. G., 1822, Histoire naturelle des Crustaces fossiles. Les Crustacčs proprement dits. Paris. Glaessner, M. F., 1929, Fossilium Catalogus, P. 41, Crustacea deca-poda — Junk Berlin, p. 204—206. Lorenthey, E. und Beurlen, K., 1929, Die fossilen Decapoden der Lender der Ungarischen Krone. Geol. Hungarica, ser. palaeontol. fasc. 3, p. 1—420, Budapest. Milne-Edwards, A., 1862, Monographie des Crustaces de la fa-mille des Canc6riens. Ann. Sci. Nat. Zool., ser. 4, p. 163—218, Paris. Reuss, A., 1859, Zur Kenntnis fossiler Krabben. Denksch. Akad. d. Wissensch., Wien, v. 17, p. 1—90, Wien. S t a c h e, G., 1889, Die Liburnische Stufe und deren Grenzhorizonte. Abhandl. d. k. k. geol. R. A., Wien. Schubert, R. J., 1905, Zur Stratigraphie des istrisch-norddaJmatini-schen Mitteleocans, Jahrbuch der k. k. geol. R. A. Wien.