Anthropologen und Urgeschichtsforscher zu Laibach 'V a,m. 2S. -a-nd. 23. 1879. Alljahrlich, wenn es Friihling wird auf Feld und Al pen tri f ten, Die Sommersglut. sich breitet in den Liiften, Des Aelplers Jodler durch die Thaler gellen, Da zieh’n durch unser Land verschiedene Gesellen; Gar eigenartig ist ihr Sinn, geheimnisvoll ihr Thun, Da gibfs ein haslig Treiben, gibts kein Ruhn. Was ihr Beginnen? werdet Ihr \vohl fragen; Verfolget ihr Gelriebe, dann konnt 1-hr’s selbst Eucli sagen. Seht Ilir dort jenen feinen Mann im Lodcnrock, In zierlich feiner Hand den Alpenstock, Geschmeide blitet und Edelsl.ein auf Ring und Hemd Und auf der Nase ist der Zwicker festgeklemmt, Das nackte Knie zerblauet und zerschunden — Da habt Ihr gleich, wen ich da mein’, gefunden, Wer kennt es nicht, des Alpensportes neuest.es Gevvachs, Man nennt es hier m Land den »Alpenfex«. Auf and’rem Wege sehet Ihr mit schweren Miihen Den Berg hinan ein kleines Miinnchen /iehen: 2 Auch er tragt meist die stramme Alpenwichs, Am Bande hangt aus Blech die griine Budiš’; Da zieht er schwer beladen hin, dass Gott erbarm’, In steifem Pack gepresste Pflanzen unter’m Arm; Wer weiss da nicht, wer dieser Mann wohl war', Am Zunftzeug kennt Ihr den Botaniker. Und wieder And're zieh’n, den Hammer in der Hand, Beklopfen Fels und Stein im weiten Land, Und schleppen Steine und Krystalle huckepack, Als war’ es Arbeit in Accord, im Schnerfersack. Die Andern dort erkennet. Ihr vor allen Dingen Am Hute, voli gespiesst mit. Schmetterlingen, Nach denen sie mit grunem Netze haschen. Und \vieder Andere bepacken voli sich ihre Taschen Mit Wurmern, Schnecken, Ungeziefer gross und klein, Das sperren sie besorglich dann in Schachteln ein; Mit Weingeistflaschchen operiren ihre Doppelganger. Insekten-, Kafer- und die Fliegenfanger. Und And’re spah’n, man sieht sie oft in ganzen Rotten, Nach Wunderthieren rings in Hohlen und in Grotten. So sehen wir im Land herum in hellen Haufen Die sonderbaren Kauze dutzendweise laufen. Da wird, was sprosst, was. fliegt, was kraucht im Busch herum, Gesammelt fein in Schachteln, Flaschen und Herbarium; Man glaubt, was die Natur uns Schones beut, auf Ehr’, Als ob es nur fiir unsere Museen war’. Und hat man sich durch einge Zeit herumgetrieben, Da wird ein Forschertag fiir jede Species ausgeschrieben, Der Aerzte-, Geo-, Phvto- und Mineralogentag, Und wie der Tage bunte Meng’ noch heissen mag; Und ist man in der Wissenschaften Tiefen dann versunken, So wird gejubelt und getanzt und Bier dazu getrunken. Ja, eine solche Reih' von schonen Tagen Ist, wie schon Gothe meint, oft schwer zu tragen. Die Zahl der Forschergilden, ehrenwerth, Ward jiingster Zeit um eine neue noch vermehrt, Erkennbar nicht an Aussenschein, nicht am Gewand, Kein ziinftig Zeichen ruht in ihrer Hand, 3 Nicht die Natur, ihr reicher Schmuck, Naturgenusses Gliick Bezaubert dieser Manner ernsten Blick; Sie wiihlen auf' die Erd’, dem Maulwurf gleich, Sie streben nur dem Hades zu, deni Todtenreich, Denn, wo sie Todtgebein und Leichen wahnen, Eroffnen sie die Graber gleich Hyanen. Sagt an, was ist der Manner wundersam Beginnen, Gilt’s Sehatze wohl, vergrabne, zu gewinnen? 0 nein, nicht Gold, nicht Silber ist’s, um das sie werben, Ein werthlos Ding begliicket sie, ein alter Topi' mit seinen Scherben; Ein altes Eisenstiick, ein Horn, ein Thiergebein, Das schliesst fur sie den ganzen Himmel ein! So sind die Manner wohl, fast, mocht’ ich wetten, Denselben gleich, die oft in grossen Stadten Von Kehrichtplatz zu Kehrichtplatz vagiren, Um Niitzliches aus Weggeworfenem herauszustieren? Doch nein, auch dies nicht ist es, was sie \vollen, — So sagt mir an, was sie in Grabern suchen sollen? Wohlan denn! Hort,, ich will auf Euer Fragen, Was diese ernsten Manner wollen, sagen: Sind auch die Felder der Verwesung und Vermorschung Ein riithselvoll Gebiet ftir ihr e Forschung, Sehafft, doch ihr Geist aus unscheinbarem Funde Von langstverscholfner Zeit uns Kunde. Columbus gleich, der auszog, eine neue Welt zu schauen, Verstehen sie, die alte Welt neu aufzubauen, Und zaubern uns vor den erstaunten Blick Entschwundener Geschlechter Leben und Geschick. Dem Wasser gleich, das in der Gletscherkluft. entquillt, Thalabwarts sturzend allgemach zum Strome schvvillt, Dess Fluten, die da Fels und Widerstiinde hassen, Fort mit sich reissen vom Gestein die Massen Und brausend niederdonnern, wie der Gischt, der Holle, Vor sich her schiebend machfges Schuttgerolle, Das sich gewaltig auf zum Erdendamme baut,, Den Strom zurlick in and’re Richtung staut, Gleichwie des Schuttgerolls verworrenes Gestein Dem Forschergeiste schliesst des Stromes Wiege ein, 4 Der da, wo heut im Sonnenseheine lachen griine Fluren, Entdeckt des einst/gen Strombetts Riesenspuren: So hat ein Volkerstrom, in Ostens Hochland einst entsprossen, Sich nach dem Westen uberflutend dann ergossen. Die Volker kamen, bliihten und vergingen, Und neue Volkerstamme kamen her nach schwerem Ringen. Im Volkerschutt, den einst der Strom dahergetrieben, Sind stumme Zeugen der Vergangenheit geblieben, Versteht daher, in diesen Zeugen morsch, verwesen, Den Mannern gleich Vergangenes zu lesen. Ein solcher Volkerstrom ergoss mit inachhgem Schwall Sich auch durch Krain und unser griines Thal. Wo heut der Landmann in der griinen Flur die Furchen zieht, Wo goldig froh auf schwankem Halm die Aehre bliiht, Da sah man einst des Landsees Wasser schwellen, Der Sonne Spiel auf windbewegten Wellen. Und an des Seees Ufer hat sein Heim sich traut Ein wackeres Geschlecht, auf Pfahlen hoch erbaut. Indess die Frau in stiller Hutte sorglich waltet, Die Kinder pflegt und an dem Herde schaltet, Da dringt der Mann mit Steinaxt, Speer aus Feuerstein Bei Sturm und Wetter in des Urwalds Wildnis ein. Er zieht auf Fischfang aus, geht auf die Birsch Auf Bison, Elenthier, den Biber, Bar und Hirsch; Mit Beute sch\ver beladen kehrt mit frohem Blick Der Mann in seinen Pfahlbau, in sein Heim zuriick. Und kunstvoll weiss er sich Gerath aus Horn zu schnitzen, Die Axt zu schleifen und den Speer zu spitzen, Das Hausgerath, die Nadeln und des Mannes Waffen Aus Thiergebein und Felsgestein zu schaffen; Auch ohne Scheibe kann er kunstreich Topfe drehen, Versteht mit feinem Sinn mit Zier sie zu versehen; Er flechtet, Netz und Faden auch mit kunstgerechter Hand Und nestelt mit der Hirschhornfibel sich sein Fellgewand. Ein alt Geschlecht, verschwunden und verschollen, So seh’n wir’s sich erstauntem Blick entrollen, Ein Volk, entwachsen schon der Urmenschheit Verwildung, Beschienen schon vom ersten Morgenstrahl der Bildung. 5 Da kam das Schicksal; dunkel uns, doch unentwegt., Hat es das Volk sammt. Bau und See hinweggefegt, Wohin es kam, wer wagt es zu ergrimden? Nur seine Špur ist noch im Schutt.geroll des Volkerstroms zu finden. Geschichte werden alte kaum geglaubte Sagen Aus alter Steinzeit langst, vergang’nen Tagen. Da hat in Vorgeschichte altersgrauer Nacht Ein neu Gesehlecht der Volkerstrom gebraclit, Ein Volk, mit hochbegabtem Sinn beschaffen; Gar kunstvoll fiihrt es aus die bronztien Waffen, Den Gold- und Bernsteinschmuck, die bunte Perlenschnur Als Zeugen hochent.wickelter Kultur. Ein Volk, das seinen Eisenspeer mit Wucht gefuhrt, Den Buckelschild, den Panzer und den Helm geziert, Das Prachtkleid schloss mit Fibeln reich und vielgestaltig, Ein Volk, entwickelt, waffenkundig und gewalt.ig. Verbreitet langs des Savus-Stromes Strand, Der zweier Meere Handel einst verband, Dem Strom zum Schutz, wol auch zu Raub und Wehr Zog reich bewaffnet aus das Keltenheer, Den Adlerflligel auf dem Helm, den Bronzspeer in der Hand, So zog der Held zum Kampf hinaus ins Land, Und fiel er dann im wilden Kampftournier, Begrub man ihn geschmuckt, mit seiner Waffenzier. Auch dieses Volk, es ist entschwunden Bis auf die Špur, in Grabern aufgefunden. Kultur und Volk, sie sind vom Zeitenstrom zerrieben, Doch ihre Spuren sind dem Forscher noch geblieben. Und wieder stromt.e in der Vorzeit Nacht Der Volkerstrom daher mit allgewalt’ger Macht. Vernichtend brauset er daher und kiihn, Er walzt die Fluten iiber Graberhiigel hin. Gleichwie der Menschenleib, begraben in der Erd’, Mit seinen Stoffen neue Organismen nahrt, Dass auf dem Grabe, iiber ihm geschlossen, Die schonsten Blumen reichgestaltig sprossen, So dort,, wo langstverscholFner Volker Graber stehen, Wir neu aufbltihende Gesehlecht er schen. 6 — Der Romer stolzes Volk, kiihn, reckengleich, Erstrecket auch nach Krain sein Riesenreich. Und was es schuf in seiner machtgen Jugendkraft, Es strahlt im hellen Sonnenschein der Wissenschaft. Auch Roms Geschlecht konnt.’ nicht als bleibend gelten, Es sank dahin, dem Volk im Pfahlbau gleich und gleich den Kelten. Als Rom gesturzt, ging’s an ein Volkerwandern, Der eine Stamm verdrangf, im Kampi' den andern, Ein ruheloses Sein, ein stetes Wogen, Die Einen kamen und die Andern zogen. Nun wisst Ihr, was die Prahistoriker im Sinne haben, Wenn sie in moderduffgen Hiigeln graben, Weil sie mit ihrer unverdross’nen Grabersuche Zu lesen wissen in der Vorgeschichte Buche. In ihrem Geiste wird, was uns als Mžlrchen galt, Zur That,, wird greifbar, wird Gestalt. D’rum wollet, Ihr die Gilde edler Forscher ehren, Die uns der Menschheit Urgeschichte lehren. Ihr habt zu Eurem Tagen uns’re Stadt gewahlt, Das Thal, in dem die Laibach mit der Save sich vermahlt, Das \veite Thal mit Feld und griinen Wiesen, Umrahmt von stolzen Bergesriesen, Als deren Furst von hocherhab’nem Sitze Herunt,erwinkt des Triglavs weisse Spitze; Das Thal, wo Hochlands Reiz in selfner Art Sich mit des Hiigellandes Anmuth paart, Wo in der griinen Schale, wie ein glanzendes Juwel, Sich hoch erhebt. das prangende Kastell, Um das im Halbkreis Laibachs Thurme ragen, Die Stadt, an Vorgeschichte reich und reich an Sagen. Denn wisset., uns’re Stadt, die heut.e Ihr geschaut, Sie hat der kuhne Argonaute Jason einst gebaut, Als er, dem goldhien Vliesse auf der Špur, Mit seinen Argonauten nach Nauportus fuhr; Er schuf sie einst mit fliichfger Hand: ,Emona 1 ward die neue Stadt genannt. 7 Doch sagt’s nicht. laut, sonst. werdet Ihr gescholten, Emona hiess die Stadt, so hat ! s bisher gegolten, Doch hat uns ein Professor jiingst ganz ungenirt. Emona flugs hinwegescamotirt, Er hat uns statt Emona — Aquilina hergesetzt. Und uns ins Dorf, nach Brunndorf, riickversetzt, So dass wir armen Stadt.er fragen mlissen, — Wie eigentlich wir heissen nicht mehr wissen, Ob wir Emona, Aquilina oder Laibach uns benennen, Ob wir uns nicht als Roms Abkommlinge bekennen, Ob wir als Pfahldorfs Erben sollen gelten, Etrurier, Taurisker oder Kelten. Ihr seht, mit uns’rem Wissen ist’s nicht gut bestellt, D’rum habet Ihr fur Euren Tag redit gut gewiihlt. Zwar haben wir, das Wissen zu bereichern Und aus der Vorzeit Zeugen aufzuspeichern, Vorsorglich, unermiidlich, stets bereit., Wie selten, einen Mann seit langer Zeit, Wir sehen ihn das ganze Land durchwiihlen, Auf altem Ringwall, in Gradischen und Gomilen; Und was er fand gar zierlich aufzustellen Ist loblich Werk sein’s unverdrossnen Spiessgesellen. Doch, was auch Beiden schon gelang herauszufinden, Bleibt Vieles doch noch unerforschet, zu ergriinden, Vom Vormensch an, der noch in Hohlen wohnt, Zu jener Zeit, die der Geschichte Licht besonnt. D’rum rasch an’s Werk, ihr wackern Anthropologen, Die Ihr aus fernen Landen hergezogen, Habt Dank dafur und seid uns froh willkommen, Ihr Alle, die Ihr unsTer Stadt zur Ehre seid gekommen. Was wir Euch gastlich bieten, ist es prunklos auch, Fehlt aussTe Zuthat auch, wie’s sonst \vohl Brauch, Fiihlt Jeder doch das Herz sich freudig regen Und bringt Euch Gruss und Handschlag froh entgegen. Dr. Friedrich Keesbacher. Kleimnajr & Bamberg, Laibaclu