Mahler und Ljubljana/Laibach Die Stadt Ljubljana - im einstigen Österreich-Ungarn Laibach - besaß im 19. Jahrhundert zwei ebenso traditionsreiche wie angesehene musikalische Einrichtungen: das Landestheater und die Philharmonische Gesellschaft, den ältesten Musikverein in Mitteleuropa.1 Die Philharmonische Gesellschaft, Nachfolgerin der im Jahre 1701 gegründeten Academia Philharmonicorum, war vom Jahre 1794 an bis zum Ende des Ersten Weltkriegs ununterbrochen erfolgreich tätig. Das Theater2 ist im Jahr 1765 aus Anlaß des Besuches des künftigen Kaisers Joseph II. erbaut worden. Es konnte 850 Personen aufnehmen. Die Stadt hatte zu jener Zeit 8000 Einwohner. Allerdings hatten Theatervorstellungen schon viel früher stattgefunden. Im Jahre 1846 wurde das Theatergebäude erneuert und vergrößert. Es umfaßte bis dahin 52 Logen, nunmehr waren es deren 69, und verfügte von nun an über 1000 Sitzplätze. Bis zum Jahr 1861 wirkte es als Standestheater, dann erhielt es den Titel eines Landschaftlichen Theaters. Es diente die ganze Zeit über seinem Zwecke, es wurden darin Schauspiele, Opern und Operetten, Possen, Komödien und Volksspiele aufgeführt. Darin traten auch Schauspieler des slowenischen Dramatischen Vereins bei Vorstellungen in slowenischer Sprache auf. Erhaltene Materialien bezeugen, daß auf der Laibacher Bühne manche Sänger und Sängerinnen auftraten, die auch auswärts bekannt waren. Das Auftreten von fremden Theatertruppen war allerdings von den zur Verfügung stehenden Mitteln abhängig. Das Laibacher Theater war ein Provinz-Theater und als solches wurde es auch gewertet. Doch war es ambitiös und versuchte mehrmals, den damaligen österreichischen Theater-Durchschnitt zu überschreiten. Es pflegte die deutsche Kultur, gleichzeitig aber entwickelte sich im Lande auch die slowenische Kultur. Beide wetteiferten miteinander gerade in der Zeit nach den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Es waren Jahre nationaler Kämpfe, als das slowenische Volk sich bemühte, seine Gleichwertigkeit in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht durchzusetzen. Konkurrenz und scharfe Kontroversen trugen bei, die Qualität auf beiden Seiten zu heben. Die Anzahl der Vereine, in denen bis dahin Slowenen und Deutsche mitarbeiteten, verminderte sich zusehends. Die Slowenen schufen sich allmählich eigene Anstalten und Vereine auf immer zahlreicheren Bereichen der Kultur. Bedeutend war auch der slowenische Dramatische Verein, aus dem sich später das Slowenische Nationaltheater entwickelte. Dieser Verein veranstaltete slowenische Vorstellungen im Landestheater, wo auch Gustav Mahler tätig war (September 1881/April 1882).3 Das Zentrum des slowenischen Musiklebens war jedoch die Glasbena Matica, ein im Jahre 1872 gegründeter slowenischer Musikverein. Die Philharmonische Gesellschaft wurde zu einer mehr oder weniger deutschen Vereinigung. Die slowenische Kunst war in jener Zeit in eine enge Verbindung mit der nationalen Bewegung getreten. Sie war deshalb den Entwicklungsgängen der großen Welt stärker entrückt als es im Anfang des 19. 162 PRIMO KURET (1935) 1 Primo Kuret, Glasbena Ljubljana v letih 1899-1919 [Die Musik in Ljubljana 1899-1919], Ljubljana 1985. 2 Anton Trstenjak, Slovensko gledališèe [Slowenisches Theater], Ljubljana 1892. 3 Dragotin Cvetko, »Gustav Mahlers Saison 1881/82 in Laibach (Slowenien)«, Musik des Ostens, 5 (1969), 74-83. Jahrhunderts der Fall war. Sie konnte deshalb einem bald stärker, bald weniger ausgeprägten Provinzialismus nicht entrinnen. Mahlers Wirken in Laibach ist sehr dürftig dokumentiert. Man ist im wesentlichen auf Zeitungsberichte angewiesen.4 Angaben über seine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sind nicht vorhanden. Auch Briefe, aus denen man etwas darüber entnehmen könnte, sind nicht überliefert. Als Dirigent des Landestheaters war er stark engagiert, wie die zahlreichen Aufführungen, die er vorbereiten und leiten mußte, genügend bezeugen. Die Berichte in der Laibacher Zeitung sind schon ausgewertet worden. Unberücksichtigt blieb jedoch das Laibacher Wochenblatt. Seine Berichte ergänzen das bisher Bekannte. Ich darf daher im Folgenden den einzelnen Berichten nachgehen und damit zur Kenntnis von Mahlers Laibacher Tätigkeit beitragen. Der Berichterstatter im Laibacher Wochenblatt verfolgte die Ereignisse im Theater nicht so gewissenhaft wie jener in der Laibacher Zeitung, doch würdigte er Mahlers Schaffen mit Begeisterung und Lob. Die Laibacher Zeitung liefert allerdings mit ihren täglichen Berichten über die Ereignisse im Theater die Möglichkeit einer genauen Rekonstruktion von Mahlers Wirken, so daß man trotz Mangel an originalen Theaterzetteln und Plakaten genügend informiert ist über die rund 80 Aufführungen, die Mahler in Laibach geleitet hat. Das Landestheater Mahler kam nach seinem kurzen Engagement als Kurkapellmeister in Bad Hall in Oberösterreich über die Agentur Gustav Löwy nach Laibach, wo er einen guten Freund und Studienkollegen hatte. Dies war Anton Krisper aus einer reichen Laibacher Kaufmannsfamilie.5 Die Freundschaft zwischen Krisper und Mahler wird auch durch einige erhaltene Briefe, die zwischen 1879 und 1880 entstanden sind, bezeugt. Es wäre möglich, daß Mahlers Entscheidung, dem Ruf nach Laibach zu folgen, auf den Einfluß Krispers zurückzuführen ist. Die Verhältnisse, die Mahler in Laibach traf, habe ich schon kurz gestreift. Als Theaterdirektor fungierte zu jener Zeit Alexander Mondheim-Schreiner, Komiker und Regisseur. Von ihm wurde Mahler als erster Kapellmeister engagiert. Das Orchester zählte damals 18 Musiker, es konnten jedoch wenn nötig Musiker der Militärkapelle 163 Mahler und Ljubljana/Laibach 4 Die Frage des Verfassers der Beiträge über Theater- und Konzertwesen in Laibach bleibt für die Saison 1881/82 offen. Der Deutsche Bühnen Almanach erwähnt zwar, daß in der Laibacher Zeitung und im Laibacher Wochenblatt über die Vorstellungen berichtet wird, führt aber keinen Verfassernamen an. Erst für das Jahr 1884 wird als Chronist in der Laibacher Zeitung Peter von Radics (1836-1912) angegeben, ein bekannter Historiker und Autor zahlreicher Werke, auch über Theater und Musik. Für das Jahr 1885 wird a.a.o. als Chronist der Autor Konschegg angeführt. Es dürfte sich um Valentin Konsek (Konschegg) (1816-1899) handeln, der am Laibacher Gymnasium bis zu seiner Pensionierung (1886) tätig war. Im selben Jahre hätten - so der Deutsche Bühnen Almanach - die Rezensentenstelle in der Laibacher Zeitung Robert (Rupert) Bezek (Besek), im Laibacher Wochenblatt aber Dr. Adolf Schaffer übernommen. Rupert Bezek (1858-1903) war dem Fach nach Jurist, wohl aber musikalisch und ästhetisch gebildet. Er schrieb Konzertkritiken für Slovenski Narod (Das slowenische Volk) und für die deutschsprachige Laibacher Zeitung. Adolf Schaffer (1840-1905) war Politiker und Sekretär des deutsch-liberalen Konstitutionellen Vereins in Laibach, Mitglied des Stadtrates, später Vorsitzender der deutschen Partei in Krain und ausgesprochener deutscher Liberaler. Er war in den Laibacher deutschen Vereinen tätig und leitete zwanzig Jahre lang die Intendanz des Deutschen Theaters in Laibach. 5 Primo Kuret, »Gustav Mahler und Anton Krisper«, in: Muzikološki zbornik [Musicological Annual], 17 (1981), 77-83; vgl. Mahler-Lexikon, S. 146. hinzutreten. Der Chor bestand aus 7 Männer- und 7 Frauenstimmen. Unter den Sängern, die Mahler während seiner Saison zur Verfügung standen, wurden in den Kritiken als lobenswert erwähnt besonders die Sopranistin Caroline Fischer und der Tenorist Friedrich (Fritz) Erl. Dieser trat im April 1882 drei Abende im Berliner Hoftheater auf. Man vermerkte, daß dieses Gastspiel voraus-sichtlich ein Engagement des begabten sympathischen Sängers zur Folge haben werde. Der dritte bedeutendere Sänger dieser Saison war der italienische Bariton Alessandro Luzzato. Außerdem waren die Sänger Kmenth, Linori, Payer und Unger, sowie die Sängerinnen Bruck, von Wagner, von Sonnleithner und andere engagiert. Die Szene wurde von einem Herrn Stadtler, die Beleuchtung von einem Herrn Grill besorgt. Das Theater hatte 7 Billeteure. Die Laibacher Zeitung, die zu Beginn der Saison die Namen der Sänger und der mitwirkenden Künstler sowie das Repertoire veröffentlicht hatte, verwies die Leser auch darauf, daß im Schaufenster der Giontini’schen Buchhandlung ein Tableau mit photographischen Porträts der Mitglieder der Bühne für die Saison 1881/82 ausgestellt sei. Dieselbe Zeitung wünschte zur Eröffnungsvorstellung der neuen Direktion, die sich - wie man liest - alle Mühe gab, ein befriedigendes Ensemble zusammenzustellen, »alles Glück für ihre aufrichtigen Bestrebungen im Interesse der Kunst und des Geschmackes unseres Publicums. Es ist zu hoffen, daß letzteres die Intentionen der Bühnenleitung durch anhaltenden guten Besuch des Theaters fördern und dauernd möglich erhalten werde«. Wie bekannt, dirigierte Mahler schon bei der ersten Vorstellung der Saison. Man gab das Stück Bürgerlich und Romantisch (UA 1835) von Eduard von Bauernfeld. Eingeleitet wurde der Festabend durch Beethovens Egmont- Ouvertüre, »welche das Orchester« - so die Laibacher Zeitung - »unter der Leitung des Kapellmeisters Gustav Mahler exact zur Ausführung brachte«. Nun aber überlassen wir das Wort über Mahlers Wirken den Berichterstattern der beiden Laibacher Zeitungen. Die erste Opernpremiere war Il Trovatore von Giuseppe Verdi. Die Laibacher Zeitung berichtet: »Das Orchester unter Herrn Mahlers Leitung hielt sich wacker.« Das Laibacher Wochenblatt ist ausführlicher: »Der Troubadour eröffnete den Reigen der Opernvorstellungen. Capellmeister Mahler ließ es sich angelegen sein, die Oper gewissenhaft einzustudieren und glauben wir die Überzeugung aussprechen zu dürfen, daß derselbe seiner Aufgabe vollkommen gewachsen ist und auch in Hinkunft beim Einstudieren die größte Sorgfalt an den Tag legen wird.«6 Auch die weiteren Aufführungen dieser Oper verliefen - wie die Laibacher Zeitung schrieb - »höchst genußreich«, »erfolgreich« usw. Mit den Sängern wie Erl (Manrico) und Luzzato (Luna) »fühlte sich das Orchester durch die Sicherheit der Sänger gehoben, ja, es gerieth förmlich ins Feuer«.7 Die nächste Novität, die Operette Giroflé-Girofla (UA 1874) von Charles Lecocq, »war unter Mahlers Leitung«, heißt es, »voller Verve«.8 Ein durchschlagender Erfolg muß die Vorstellung von Mozarts Zauberflöte gewesen sein. Das Laibacher Wochenblatt schrieb: »Eine Mozartsche Oper auf der Laibacher Bühne aufgeführt zusehen, gehört gewiß zur großen Seltenheit. Seit der Direction Kotzby [in den Jahren 1873 bis 1875] wurden Don Juan und Figaros Hochzeit nicht gegeben, die Zauberflöte aber sogar seit der Direction Zöllner [in der 164 PRIMO KURET (1935) 6 Laibacher Zeitung (LZg), 24. September 1881; Laibacher Wochenblatt (LWb), 10. September 7881. 7 LZg, 4. Oktober 1881. 8 LWb, 15. Oktober 1881. Saison 1856/57] nicht und unseres Wissens nur einmal zum Vortheile des damaligen vielbeliebten Tenoristen Ander. Ganz natürlich also war es, daß man heuer mit großen Erwartungen der ersten Aufführung der Mozartschen Zauberflöte entgegensah und Logen und Sitze zu dieser Vorstellung schon tags vorher vergriffen gewesen. Wenn wir jenen Maßstab anlegen, der uns bei der Beurtheilung von Aufführungen auf einer Provinzbühne als der richtige zu sein scheint, so stellen wir der Aufführung der Zauberflöte auf hiesiger Bühne das Zeugnis aus, daß sie im großen Ganzen recht gut, daß einzelne Leistungen sogar sehr gute gewesen. Herr Mahler ist unstreitig ein geschickter Capellmeister und hat sich auch um diese Opernaufführung wirklich großes Verdienst erworben. Das Orchester oblag seiner Aufgabe noch selten mit solcher Präcision und die Chöre leisteten mit Rücksicht unserer Verhältnisse wirklich Staunenwerthes.«9 Über Mozarts Zauberflöte ist in der Laibacher Zeitung sogar ein Feuilleton erschienen (2. Oktober). Da heißt es: »[...] wie wir dies sogleich nach der ersten Vorführung dieser Oper constatieren, war dieselbe nach jeder Richtung eine für die Verhältnisse einer Provinzbühne vorzügliche, sowohl in gesanglicher als auch in orchestraler Beziehung. Die Zauberflöte ist unter der Leitung des Kapellmeisters Mahlers sorgfältigst mit allem Eifer und vielem Fleiß studiert und probiert worden, sie verlangt aber auch das aufmerksamste Eingehen in die kleinsten Details der Composition. Da ist alles wichtig, nichts ist nebensächlich, die kleinste Partie muß gerade so exact gesungen werden, als wie die Hauptpartien und nur, wenn alle Mitwirkenden zusammenhelfen, ist die Gefahr eines Mißerfolges, der gerade bei der Zauberflöte sehr nahe liegt, ausgeschlossen, und nur mit dem Aufgebote eines gelungenen Ensembles ist der Erfolg ein sicherer. Diese erste und wichtigste Grundbedingung war vorhanden. Nicht nur die Hauptpartien waren fleißig studiert und befanden sich in bewährten Händen, sondern es waren auch die kleineren Partien durch erste Kräfte besetzt und fanden also ihre vorzüglichen Vertreter [...].«10 Auch die Einstudierung war Mahlers Verdienst. Es folgten dann die Vorstellungen von Suppés Fatinitza (UA 1876), »wozu das Orchester sein redlich Teil beitrug«,11 darin Flotows Oper Martha (UA 1847), »wo das sehr gut besuchte Haus geradezu elektrisiert war durch die fascinierende Wirkung, welche die noch heute überall so gern gehörte Oper ausübte!«12 Nebenbei legte aber die Laibacher Zeitung »Herrn Capellmeister Mahler dringend an’s Herz, sich die Fortbildung von Frl. Fischer, einer ausgezeichneten Sängerin, sehr angelegen sein zu lassen«. Der Kritiker meinte, daß sich ihre Stimme für den »colorirten Gesang nicht sonderlich eignet, und diese Partie offenbar mit ihr mangelhaft einstudiert wurde«. Nach zwei Monaten der Theatersaison konstatierte der Kritiker des Laibacher Wochenblatts, daß »die Unternehmung Mondheim-Schreiner eifrigst bemüht ist, durch Aufführung von beliebten Opern, Operetten und Volksspielen die heurige Saison zu einer interessanten und angenehmen zu gestalten. Die vom Director Mondheim engagierte Gesellschaft zählt tüchtige, darunter sogar einige vorzügliche Kräfte [...] Durchschlagende Erfolge erzielten die Aufführungen der Opern Troubadour, Freischütz, Zauberflöte und Martha«.13 Nicht so zufrieden war der Kritiker mit den Operetten. 165 Mahler und Ljubljana/Laibach 9 LWb, 5. November 1881. 10 LZg, 2. Oktober 1881. 11 LZg, 3. November 1881. 12 LZg, 8. November 1881. 13 LWb, 19. November 1881. Es folgten Vorstellungen von Offenbachs La Vie parisienne (UA 1866), Suppés Boccaccio (UA 1879), Donizettis Lucrezia Borgia (UA 1833) und die Benefizvorstellung für den Schauspieler und Regisseur Wallhof, der sich Shakespeares A Midsummer Night’s Dream ausgewählt hatte. Auch bei dieser Vorstellung wirkte Mahler mit. Der Kritiker der Laibacher Zeitung schrieb: »Die begleitende Musik von Mendelssohn wurde vom Orchester sehr gut vorgetragen und hatte wahrlich nicht wenig Antheil an dem Gelingen der Vorstellung.«14 Auf dem Repertoire stand weiters auch Johann Straußens Operette Cagliostro in Wien (UA 1875). Mahler hat wieder »Beethovens Originalmusik zu Egmont in verdienstlicher Weise zu Gehör gebracht und fand ebenfalls seine Anerkennung seitens des sehr gut besuchten Hauses«.15 Die Vorstellung von Goethes Egmont wurde zum Benefiz für eine Schauspielerin aufgeführt. Viel Aufmerksamkeit fand die Vorstellung von Rossinis Oper Il barbiere di Siviglia. Die Oper war in Laibach wie überall sehr beliebt. »Die Aufführung unter Herrn Mahlers Leitung ging recht gut vonstatten, und es kamen gestern keinerlei Störungen vor.«16 An diesen Störungen hatten sonst besonders die Sänger schuld. Im neuen Jahr folgte dann zuerst Suppes Operette Donna Juanita (UA 1880), sodann wieder Il trovatore, diesmal mit Gästen aus Graz. Die Vorstellung erwähnt der Kritiker mit Lob: »Auch constatieren wir mit Vergnügen, daß das Orchester unter Leitung des Herrn Kapellmeisters Mahler sich wacker hielt und alles ohne Störung vonstatten ging«.17 Die Vorstellung von Verdis Ernani (UA 1844) »unter der Leitung Herrn Mahlers war eine befriedigende«.18 Die erste Reprise dieser Oper »verlief in jeder Weise befriedigend. Auch Chor und Orchester hielten sich in anerkennenswerter Weise brav«.19 Ende Januar gelang Gounods Oper Margarethe (Faust) zur ersten Aufführung in der Saison. Nach den Worten des Berichterstatters in der Laibacher Zeitung war die Vorstellung »glänzend und das Haus war ausverkauft. Alle fügten sich in das Ensemble bestens ein - dergleichen ist vom Chor und Orchester unter des Herrn Kapellmeisters Mahlers Leitung nur gutes zu berichten«.20 »Exact und befriedigend« war auch die Vorstellung von Nicolais Lustigen Weibern von Windsor (UA 184ß). Auch diesmal berichtete die Laibacher Zeitung in Form eines Feuilletons über die Vorstellung.21 Mahler als Konzertdirigent und Pianist Am 4. März 1882 fand das 4. Konzert der Philharmonischen Gesellschaft statt, die unter der musikalischen Leitung und Programmverantwortung des Tschechen Anton Nedved stand. Jedes Jahr organisierte die Gesellschaft einige symphonische und vokal-instrumentale Konzerte sowie Gastkonzerte fremder Künstler. So gastierte z.B. vor dem Konzert, an dem Mahler mitwirkte, in Laibach der Klaviervirtuose Alfred Grünfeld. Unter den größeren Werken, die in dieser Saison aufgeführt wurden, waren z.B. Niels 166 PRIMO KURET (1935) 14 LZg, 1. Dezember 1881. 15 LZg, 10. Dezember 1881 16 LZg, 17. Dezember 1881. 17 LZg, 11. Januar 1882. 18 LZg, 12. Januar 1882. 19 LZg, 16. Januar 1882. 20 LZg, 28. Januar 1882. 21 LZg, 11. Februar 1882. Gades Violinkonzert mit dem Violinisten Hans Gerstner, Robert Volkmanns Symphonie in B-Dur, Berlioz’ Ouvertüre zu Benvenuto Cellini, Schumanns Der Kose Pilgerfahrt, Richard Wagners Marsch und Chor aus der Oper Tannhäuser, Mendelssohns Ouvertüre zu der Schönen Melusine, Anton Rubinsteins Viertes Klavierkonzert (mit Josef Zöhrer), Beethovens Siebte Symphonie u.a. Musikdirektor Nedved hatte Mahler eingeladen, beim 4. Konzert in der Saison mitzuwirken. Das Programm war zusammengestellt aus Werken von Julius Otto Grimm, Johannes Brahms, A. Dorn, Luigi Boccherini und Antonín Dvoøák. Mahler spielte Mendelssohns Capriccio brillant h-Moll op. 22 in mit Begleitung eines Streichquartetts. Weiter spielte er noch das „Jagdlied“ und den „Vogel als Prophet“ aus Schumanns Waldscenen op. 82 und Chopins Polonaise in As-Dur op. 53. Die Kritik in der Laibacher Zeitung drückte ihre Zufriedenheit mit dem Konzert aus und besonders Mahler wurde viel Anerkennung gezollt: »Der Capriccio brillante [sic] von Mendelssohn gab Herrn Mahler die beste Gelegenheit, sich dem Laibacher Publicum als tüchtiger Clavierspieler vorzustellen, der über eine brillante Technik verfügt und dieselbe auch richtig anzuwenden versteht. Herr Mahler ist ein Zögling des Wiener Konservatoriums und speziell im Pianoforte ein Schüler des Professors Epstein, in der Composition errang er den ersten Preis. Für seine gestrigen Vorträge ward Herr Mahler durch lebhaften Beifall ausgezeichnet, insbesondere für den selbstständigen bravourösen Vortrag mehrerer Musikstücke von Schumann und Chopin.«22 Auch der Bericht im Laibacher Wochenblatt war voll des Lobes: »Herr Gustav Mahler, Kapellmeister des hierlandschaftlichen Theaters präsentierte sich in vier kleineren Piecen (von Mendelssohn, Schumann und Chopin) als gutgeschulter Zögling des Wiener Konservatoriums; kräftiger Anschlag und vorzügliche Technik sind Herrn Mahlers hervorragende Eigenschaften, die in dem Concertsaale verdiente Anerkennung erfuhren [...].«23 Im Opernteil folgten noch Aufführungen der Zauberflöte und von Johann Straußens Lustigem Krieg (UA 1881). Das Laibacher Wochenblatt schrieb über die Vorstellung: »Herr Kapellmeister Mahler dirigiert mit Präcision und Feuer unter Beobachtung feinster Nüancirung, Solo- und Chorgesangskräfte und auch das Orchester leisten vorzügliches [...].«24 Die Saison ging zu Ende und es reihten sich die Benefizvorstellungen. Mahler hatte seine am 23. März 1882. Die Laibacher Zeitung wies schon zwei Tage vor der Vorstellung darauf hin: »Kapellmeister Herr Mahler hat sein Benefiz; derselbe hat die heuer noch nicht gegebene beliebte Oper Stradella gewählt, und es ist dem tüchtigen und thätigen Dirigenten unserer Oper, Operette und Gesangposse, der im Laufe der Saison viele Mühe und Plage hatte, ein sehr guter Besuch des Hauses aufrichtigst zu wünschen.«25 Und nach der Vorstellung: »Gestern hörten wir zum erstenmale in dieser Saison Flotows liebliche Oper Alessandro Stradella, die sich unser unermüdlich thätige und strebsame Kapellmeister Herr Gustav Mahler zu seinem Benefiz gewählt hatte, und die, fleißig einstudiert, auch ganz gut vonstatten gieng. 167 Mahler und Ljubljana/Laibach 22 LZg, 6. März 1882. 23 LWb, 11. Märi 1882. 24 Ibidem. 25 LZg, 21. März 1882. Als der Benefiziant erschien, ward er von dem ziemlich zahlreichen anwesenden Publicum mit lebhaftem Beifalle und vom Orchester mit einem Tusch empfangen, sowie er auch einen großen Lorbeerkranz erhielt, welches Zeichen der Anerkennung dieser tüchtig geschulte Musiker, der es wirklich ernst nimmt mit seiner schwierigen Aufgabe und der auch die Saison über viele Mühe und Plage hatte, wohl verdient.«26 Theatervorstellungen per Telephon Diese letzten Vorstellungen der Saison in Laibach waren Theatervorstellungen per Telephon! »Und bis zum Schluß der Saison finden in der Theaterdirectionskanzlei die auch hier schon sehr beliebten Vorstellungen per Telephon statt,« schrieb die Laibacher Zeitung.27 Die ersten sogenannten Telephonconcerte (die Konzerte wurden per Mikrophon auf der Bühne in das lokale Telephonnetz eingespeist) fanden in Paris und in Wien im Jahre 1877 statt. So berichtet z.B. das Wiener Fremdenblatt vom 23. Dezember 1877 über ein Telephonkonzert. Mahler ist dann noch einmal bei einer „Künstlerakademie“ aufgetreten. Das Konzert, das am 2. April stattfand, war als Benefiz für das Chorpersonal gedacht. Mitgewirkt haben die Musikkapelle des k.k. 26. Infanterieregiments unter der Leitung des Kapellmeisters Czerny, sowie viele Opernsänger und Laibacher Künstler. Mahler begleitete am Klavier den Violinisten Hans Gerstner. Sie spielten eine Ballade und eine Polonaise von Henry Vieuxtemps. Dies war auch der letzte Auftritt Gustav Mahlers in Laibach. Schon am nächsten Tag reiste er nach Triest, um zum erstenmal das Meer zu bewundern. Die Laibacher Episode war zu Ende und vor Mahler standen größere und bedeutendere Aufgaben. Wie immer Mahler seine Tätigkeit in Laibach später eingeschätzt haben mag, feststeht, daß er hier für seinen Einsatz voller Anerkennung und Bekräftigung teilhaftig geworden ist. Die Künstler, mit denen er arbeitete und die Vorstellungen vorbereitete, waren nicht nur durchschnittliche Kräfte, es fanden sich unter ihnen auch einige versprechende Talente (so z.B. der Tenorist Friedrich Erl, der später in der Uraufführung von Wolfs Corregidor in Mannheim sang, und die Sopranistin Caroline Fischer). Er hatte die Möglichkeit zu voller Tätigkeit und zum Einsammeln von Erfahrungen, die für einen jungen Dirigenten äußerst wertvoll sind. Für die Stadt Laibach wiederum bedeutete Mahlers Wirken - verfolgt man bloß die Kritiken in den Zeitungen - einen außerordentlichen Gewinn. Das Publikum war zufrieden und das Opernhaus war - auch durch Mahlers Verdienst - oft überfüllt. Einige Aufführungen, so Die Zauberflöte, Alessandro Stradella und andere, waren für das damalige Laibach ein gesellschaftliches und künstlerisches Ereignis, da ja die Stadt - dank der Philharmonischen Gesellschaft - trotz ihres Provinz-Charakters die Musik hoch zu schätzen wußte und einen guten Einblick in die Musikliteratur und in den Kreis der damaligen Künstler besaß. Man kann sagen, daß die Laibacher Saison 1881/82 für beide Seiten ein Gewinn war. 168 PRIMO KURET (1935) 26 LZg, 26. März 1882. 27 LZg, 28. März 1882; vgl. A. Urbanitzky, Die Elektrizität im Dienste der Menschheit, Leipzig 1885; M. Schmidt, Tolle Erfindungen des 19. Jahrhunderts, Stalling 1975, S. 102. Objavljeno v: Das Gustav–Mahler–Fest Hamburg 1989. Bericht über den Internationalen Gustav–Mahler–Kongreß. Herausgegeben von Matthias Theodor Vogt. Kassel [etc.], Bärenreiter, 1991. Str. 133–142. Povzetek Mahler v Ljubljani Mahlerjevo delo v Ljubljani lahko spremljamo po èasopisnih poroèilih. Vse predstave v gledališèu je zelo skrbno in natanèno beleil ljubljanski nemški dnevnik Laibacher Zeitung, ki je vsak dan sproti napovedoval program in naslednji dan o izvedbah bolj ali manj natanèno poroèal. Vestni in natanèni kronist v Laibacher Zeitungu nam omogoèa dokaj natanèno rekonstrukcijo Mahlerjevega dela v ljubljanskem Deelnem gledališèu in tako smo kljub pomanjkanju izvirnih gledaliških plakatov kar dobro informirani o vseh predstavah tega èasa. Kritika, poroèila in recenzije so bile namenjene predvsem dosekom posameznih pevcev in ansamblov. Iz njih pa ne izvemo nièesar o sami predstavi, reiji, scenografiji, kostumografiji ipd. Kritika oèitno to ni zanimalo. Glavno pozornost je posvetil izvedenemu delu in njegovemu avtorju (zlasti v podlistkih, ki so izhajali ob pomembnejših gledaliških dogodkih, kot je bila npr. uprizoritev Mozartove Èarobne pišèali). Drugi del kritike je namenil nastopajoèim pevcem, nekatere je neprizanesljivo grajal, drugim pel hvalospeve. Kritièno je ocenjeval tudi orkester. Iz njegovih opisov je razvidno, da je bil orkester vèasih na solidni višini, drugiè nekoliko manj, vedno pa je pohvalno ocenil dirigenta Gustava Mahlerja. (Edo Škulj) 169 Mahler und Ljubljana/Laibach