Beilage zur Laibacher Zeitung. ^N R^. Vierter Jahrgang. 5. Mai R86«> Eine Verlajsene. schrill gellt dcr Pfiff, dcr Anker rauscht Empor aus tiefem Mcercsgruudc, Dcr frische Wind die Sessel bauscht, Eiu Hurrah Ho! fchallt iu die Nuudc. Rasch dräugt die blaue Mecresfluth Sich wogend zwischen Schiff und Küste Uud reißt's mit frischem Iugcndmuth Fort iu die weite Wasserwüstc. Nm Bord ciu juugcs Mcuschcnpaar Steht Haud iu Haud, dcu Blick gewendet Dem Lande ;u, das sonnenklar Noch sciuc letzten Grüße sendet. Uud wie der schmale Streifen d'rauf Persiutt am Horizont, dem fernen, Da blickt die Maid verzagend auf, Sucht Trost in Seiueu Augcusterucu. „Ich hab' uuu keine Heimat mehr, Tu bist meiu Allcö auf dcr Erde! Dorthin gibt's keine Wiederkehr, Zum Vaterhaus, zur Muttererde! Nie ciuc Vlnm' im Sonnenbrand Müßt' ich vergehen uud erblassen, Wcun Tu im fernen, fremden Land Mich trculoö köuutest je verlasscu." Er küßt sie auf dcu bleichen Mund, Er trocknet schmeichelnd ihr die Waugeu — Uud iu dem ncugcfchloß'nru Bund Ist all ihr Zagen aufgegangen. Es sinkt der Tag, die Nacht bricht au, Die Segel ihre Flügel regen. Das Schiff enteilt anf feiner Vahu Pfeilschnell dem fcrncu West eutgegcu. Im cw'geu Wechsel Tag uud Nacht Vcrgeh'u uud kommen, — fern am Saume Des Himmels glüht's iu Morg/npracht Empor aus weißem Nogcuschaumc. Amerika! Ein Iubelschrci, — Uud Eiuc Lust durchzuckt die Hcrzeu, Und Alles, Alles ist vorbei, -> Vorbei sind Sorgen, Noth uud Schmerzen! Die Menschen, die dor enge Bord Auf ihrer Mccrcsfahrt umschlossen, Sie habcu sich nach Süd uud Nord, Gleichwie der Strom iu's Meer, ergossen; Dcr Eiuc sä't seiu kleines Feld, Und Jener baut des Iaukec Straßen, . Dcr sucht dcs Laudcs Gott, das Geld, Rastlos im Strom dcr Völkcrmasscu. — Am sclbcn Strand, der hoffnungsreich Dcu frcmdcu Waudrcru einst geleuchtet, Da irrt ein Weib, die Wangen bleich, Von bittern Thränen heiß befeuchtet. . ' Die Meuschcn grh'n an ihr vorbei, So kalt, so fremd, — uud keiuc Frage, Welch' herbes Schicksal wohl es sei, Das stumm aus ihrcu Augen klage? Zu ihrcu Füßeu rauscht das Meer Uud winkt ihr mit dcu kaltcu Armcn: Dort hast du keine Heimat mehr, Bei mir nnr findest du Erbarmen! „Sei Gott mit dir, du falscher Mauu! „Dciu Liebcswort hat süß gelluugcu!" Ein Sprung, ciu Todcsschrci nud dann — Die Wog?u haben sie verschluugcu. Jur „Lenore." (Schluß.) ! ^?m Opcrnhause spielte man heute dcn Fidelio. Als Iere-miaö ins Orchester trat, kamen il?:u die Instrumente, die ^ Hörner und Geigen, die Posaunen, die Vässe und Trom-^ mcln wic Geschütze vor, die in die Schlacht geführt werden ^ sollten; er betrachtete die Lampen mit so furchtsamen Augen, ^ als ob die geringste Unvorsichtigkeit eine verheerende Erplo-i sion berbeifichren müsitc. „Herr Otto, Sie schauen heute ^ wie Beethoven selbst drein, so mürrisch, Herr Otto!" also ! redete ihn einer der Virtuosen scherzend an. „Ich sr:ue inich ! auf die Musik", antwortete Iercmias, „ich fürchte mich auch ! zugleich vor ihr, wie es zwar immer bei mir der Fall ist, i sobald ich mit dem göttlichen Satan zu schaffen kriege, heute z aber mehr als gewöhnlich." Er gab das Zeichen zum Ansang, ! warf, das Haupt schüttelnd, die Haare aus dem Gesicht und taktitte mit Animo, wie cs die Musiker nennen. Eleonore saß in der Schauspieler-Loge und war leichenblaß. Die neben ihr sitzenden Frauen sprachen heimlich, doch immerhin noch vernehmlich genug für Eleonore, von dem spanischen Fürsten, der aus einer gegenüberliegenden Loge dcs ersten Ranges zu ihnen, wie sie sich ausdrückten, her- W auf sehe. Eleonore dachte Nichts, ihr Kopf war ausgeleert, ^' « ihr Herz öde. ! ^ Nachdem die erste Abtheilung der Oper gespielt war, und als sich das Orchester zur berühmten zweiten Lenore« Ouvertüre vorbereitete» ging Ieremias auf einige Minuten hinaus und wandelte, von den getrunkenen Harmonien berauscht, leuchtenden Vlicks, in einer schmalen, spärlich er» > hellten Gallerie hin und her, die an dem einen Ende ins Orchester, an dem andern ins Freie hinausführte. „Herr i Otto, ich bitte sehr, Herr Otto," rief ihm jetzt einer der ! Musikanten entgegen, der aus dem Orchester gekommen war, ! „die erste Geige neben Ihnen ist plötzlich unwohl geworden und Willen und Hotho sind nicht eben die Vesten, wie Sie lvissen! es wäre recht unangenehm, Herr Otto, wenn der spanische Prinz, der deute im Theater ist, gerade unsere Lenore nicht präzis hörte!" IeremiaZ achtete, gar nicht der Erwähnung des Prinzen, sondern war so ganz von künst« , lerischer Desperation erfüllt, daß er den Kopf immerzu nach hinten warf und an der Unterlippe nagte. Da trat ein i Mann in einem lichtblauen Nock mit silbernen Knöpfen, wie aus einer Versenkung heraufgestiegen, vor den Kapellmeister hin und ersuchte in ruhigem Tone um die Erlaubnis;, die fehlende erste Geige übernehmen zu dürfen; Bezahlung verlange er leine. „Ei, der Teufel!" fuhr Icre< mias empor, „wie kann ich einem Menschen, den ich nie gesehen, es gestatten, in so schwierigem Musikstück die schwic- > rigste Parthie zu spielen?" „Thuts nur immerhin," sagte ! der Fremde in derselben trockenen Weise, „ich werde dem ! Meister keine Schande machen! Hab' ich mich in zehn Jahren so gar erschrecklich verändert, Herr Kapellmeister, daß Ihr Lenorchcn's Singlehrer nicht wieder erkennt?!" Ieremias brach in einen Ausruf des Erstaunens aus und schüttelte dem alten Schweden, wic er sich ausdrückte, ^ wacker die Haud. »Ich wollte Euch Nachmittags besuchen," fuhr der schnurrige Fremde fort, »war auch bei Euch, Ihr i ließt mich aber nicht vor, und da mußte ich Euch hier auf- ^ passen." — „Seit wann aus Christiania zurück?" frug Iere- ! miaS. „Seit acht Tagen," lautete die Antwort — ,,dic ! Tochter ist todt — laßt, laßt, ich helf' Euch gerne mit meinem Geigenspiel aus; ich habe den Möuen in letzter Zeit ! Äiel vorlnusizin" — „I, freilich," erwiederte Iercmias, „von jeher seid Ihr mehr cin dreigestrichelter Notenkopf, ^ als ein Mensch gewesen!" uud iu wenigen Sekunden war der lichtblaue Frack im Orchester und die Leuore begann. Der Kapellmeister staunte über das Spicl des Alte::, dessen wcißschwarzes Haupt der Gorgone anzugehören schien, so diabolisch ringelten sich die kurzen, gesprenkelten Locken, vom Kopf wegstehcnd, in einander. Icrcmias sal) von Zeit zu Zeit auf ihn und bildete sich, da er heute schon in der ^ Hallltt'inatiousverfassung war, ein, Beethoven säße neben ihm ! und streiche die Geige. Eleonore wurde mit jeder Klangwoge, die aus dem Toumcer hervorquoll und Wellenberge und Wassorabgründe bildete, leiblich höher und höher. Die Züge um Mund und ^ Nase schienen zu Stirn' und Schläfe hinauf;u wollen. De ! Spanier stierte unverwandt zu ihr empor, sie sah fest und ^ lange auf ihn hinab, doch kein Atom ihrer Seele war bei ihm. Er schien die schrille Dissonanz in Fleisch gekleidet zu sein, die durch die Lenore flatterte, uud je übermenschlicher die Tonbildcr wurden, die vor den verzückten Hörern erschienen, desto, beruhigter ihr reiner Sinn. Ihr Kind ging in diesem Moment zur geöffneten Logen« thür und fuhr entsetzt zurück, weil ein schwarzes Gesicht ihm entgegenblitztc. Der Prinz hatte seinen kleinen Mohren mit einem Vricfchen hinaufgesandt uud der Vote stand vor der Loge, als die Kleine hiuausblicken wollte. Die schnee-lichtartigen Zähne und das kreidige Weiß in des Negers Augen stachen phantastisch von den schwarzen Händen ab, ^ die ein Vlättchen hinhielten, und bildeten einen wundersamen Gegensatz zu den rothen Hosen, in denen der Mohreuknabc steckte. Leise erhob sich Eleonore, von der Erzählung des Kindes iu's Herz gestochen, von ihrem Sitze, wies den Moh-! ren mit einer Handbeweguug zurück, schloß die Thüre und blieb, um keine weitere Unruhe zu verursachen, im Hintergründe der Loge stehen. So mag Iphigcnia vor Agamem-non gestanden haben, als er sie opfern wollte. Callot aber ! würde beim Anblick des Weibes geglaubt haben: das Thema ! zur Lenore hätte sich in schwellende Formen, in blaue Au» gen und flachsige Haare verwandelt und ringe sich siegreich aus dem Kampf mit dem gelben Spanier uud seinein schwär» zen Knaben hervor, und das geheimnißvolle Gorgoncuhaupt i im Orchester beuge sich, dcu Sieg noch bezweifelnd, hin und her. Eleonoren war's, als ob sie Ieremias' Hand fest in der ihren hielte und als ob die heilige Musik sie zum zweiten Male traue. Das kann sich nicht mehr lösen, was sich in dem Himmel dieses Klanges knüpfte! so sprach üe zu sich ^ selber; Ncchtthun ist keine Pflicht, ists doch ein Genießen! und sie athmete selig. i „Wo nahmst Du mciucn Brautschleier her, verwegenes ^ Kind!" rief die Mutter, indem sie die Stufen hinab sticg. ! „Ich wußte nicht, nein, nein, gewiß nicht, Mutter, daß es ! Dein Hrautschleicr gewesen, als ich ihn aus TeinerLade holte." Eleonore umwickelte sich mit dem Schleier das Haupt ! und eilte, ihren Mann am Ausgang des Theaters zu treffen. ! „Ist das eine Welt, Eleonore, eine himmlische Welt!" i sagte jauchzend Ieremias, indem er sein Weib inbrünstig umschlang. „Nicht wahr, Du verzeih'st mir," fuhr er fort, „daß mich ciu solcher Dämon heute besessen hatte —" „Uüd Du verzeihst mir auch!" erwiederte so leise, wie das Streifen ihres Schleiers rauschte, Eleonore. Icrcmias küßte ihr die Hand und ging schweigend mit ihr und dem Kinde durch die Gassen. Während ein feiner Schnee an des Weibes Schleier hcrabglitt, fiosscu hinter dem Schleier herab ! reichliche Thränen nieder. „Sei munter, Lcuorchen, sei munter!" sagte Icremias, indem sie ins Haus traten, „ich werde Dir erzählen, wer ; heute meine erste Geige spielte — 5' ist doch eine ganze ! Historie, die ein Kapellmeister schreiben könnte!" V.Kuh. Das Photogen und die ihm verwandten S'tojfe. Wer nur einiges Interesse nimmt an all' den Verbesserungen und Neuerungen, die in den letzten Iahrzehenten in allen Zweigen der Industrie zur Geltung gekommen sind, wird mit Staunen auf de» ungeheuren Fortschritt Hinblicken, welchen die angewandte Chemie in jüngster Zeit gemacht. Für unsere Vorfahren war die Chemie noch eine vage spc-kulatiue Wissenschaft, welche in Gewerben und Manufakturen nur eine oberflächliche Anwendung fand. Der Mann vom Fache erkannte in ihr nur zu oft einen Deckmantel für unlautere Zwecke, der Laie eine Wissenschaft, die, über sein Fassungsvermögen hinausreichte, der er daher auch keine be» sondere Aufmerksamkeit zuwandte. In neuester Zeit ist sie aber die Wissenschaft des Tages geworden, und ihre Nuy> anwenduug hat sich so auffällig herausgestellt, dasi es wohl sehr wenige industrielle Unternehmungen geben dürfte, die nicht Hand in Hand mit ihr gingen. Nichts wird aber die Vortheile, welche der menschlichen Gesellschaft aus den neuesten Erfindungen auf dcm Gebiete der angewandten Chemie erwachsen, klarer und deutlicher darthun, als ein genaueres Eingeben in die Art und Weise der Fabrikation oder des Gewinnens von Artikeln, welche uns alltäglich zu Gesicht kommen. Wenn in Folge von großen Erdumwälzungcn ein Wald, bestellt mit Bäumen von so mächtigen: Umfange, wie sie die nachdiluvianische Welt nicht mehr nuf;uweisen hat, Hunderte von Klaftern tief in dcm Schooß der Erde begraben, und Millionen von Zentnern, die auf ihn drücken, durch Jahrtausende auf das kleinste Volumen zusammengepreßt ist, so wäre man wohl versucht zu glauben — wenigstens in so weit als das jeweilig lebende Menschengeschlecht von dessen Genuß ausgeschlossen war — dasi sich die Natur eine große Vergeudung habe zu Schulden kommen lassen. Die größten Bäume, wenn sie gefällt, und durch Jahrhunderte der Einwirkung der Atmosphäre ausgesetzt sind, werden verrotten und sich endlich in jene Bestandtheile auflösen, aus denen sie zusammengesetzt sind. Was irird aber aus ihnen nach ! fünfzig, sechzig, nach einer unbestimmten Anzahl von Jahr- ^ Hunderten geworden sein? Verloren würden sie nicht gehen j können; die Natur verliert nichts. Als diese Wälder in ! ihrem vollem Schmucke prangten, gab es keine Hände, die sie hätten fällen, kein erfinderisches Geschöpf, das von ihrem Produkte hätte Gebrauch machen können. Was that die Natur? Sie handelte wie eine kluge, sorgsame Hausfrau. Wie diese z. V. den Ucberfluß an Früchten, die in ihrem I ursprünglichen Zustande, den atmosphärischen Einflüssen aus« ' gesetzt, nothwendig verderben müßte», sammelt, uud ihn ' durch irgeud einen kulinarischen Prozeß in ein Mus, in eine ! Marmelade, iü eine Sülze verwandelt, ihn iu dieser Um» ! gcftaltuug vor allzu schnellem Verderben schützt, uud zum allmäligen Verbrauche für den Winter aufbewahrt, eben so vergrub die Natur diese großen und damals nutzlosen Wälder in weite, finstere Höhlen, und gibt sie erst nach so vie- ' len Jahrtausenden ihren Erdensöhncn in der nicht minder werthvollen Gestalt von Kohlen wieder, aus welchen man so viele andere Substanzen gewinnt, nach denen man anderswo vergebens suchen würde. Eine der nicht unbedeutendsten davon, obgleich früher kaum beachtet, ist der Theer. Jedermann kennt wohl zu Genüge den Geruch, die Farbe und andere unangenehme Eigenschaften des Theers. Wir meinen aber nicht die fette, nicht übelriechende Flüssigkeit, bereitet aus den Wurzeln und andern Abfällen der harzigen Tanne und gekannt unter den, Namen „Stockholmer Theer," auch nicht den Extrakt, den uns die Holzessig-oder Holzsäure-Erzeuger liefern. Es sind dieß auch Theere, aber es ist nicht der, von dem wir sprechen wollen. Unser Theer ist der bei weitem unangenehmste, und wird nach dem Stoffe, aus welchem er bereitet ist und zum ! Unterschiede von allen andern Theer-Arten, „Kohlcntheer" genannt. Wenn die Kohle in einem geschlossenen Raume gehitzt wird, so scheidet stch, bevor die Gasentwicklung eintritt, aus ihr der Kohlenwasserstoff, um dessen Gewinnung es zn thun war, und mit ihm auch eine schwarze, syrup-artige Flüssigkeit, der Theer, aus. Dieser wird in eigenen Gefäßen eingesammelt, lind da er für den Gaserzeuger kci- ! neu Werth hat, an jene Leute verkauft, deren Geschäft es ! ist, sich mit dessen weiterer Verarbeitung zn befassen. Vis vor wenig Jahren irar die Anwendung des Koh« , lentheers eine sehr einfache und beschränkte, er wurde kaun» zu etwas Anderem verwendet, als zum Anstreichen /euer Gegenstände, die man vor dem Einflüsse dcr Witterung schützen wollte, als ein roher Firniß an eisernen Geländern und hölzernen Einzäunungen. i Die moderne Chemie, welche nach und nach all' die Myriaden von Stoffen, die nch auf unserem Erdball vor- ! finden, in das Bereich ihrer Untersuchung zieht, hat auch eines schönen Tages Hand gelegt an den so lange vernach- > lässigten und verachteten Theer, und nachdem sie ihn auf tausend verschiedene Arten, durch Hitze und Kälte, durch Säuren und Alkalien, durch Schmelztiegel und Reagentien untersucht und geprüft hatte, kam stc zu dein Aussprache: er sei eine sehr beachtcnswerthc und sehr komplizirte Substanz. Was ist also der Theer? Der Theer ist eine Substanz, welche aus einer Meng? von theils feste:,, theils flüssigen organischen Stoffen zusammengesetzt ist. Man zahlt deren sechzehn und unter diesen den Ammoniak, Benzole, Naphtaline, Parinaphtaline, Phe» nolsä'ure u. a. m., von denen Hede für sich wieder mehr oder weniger ein Kompositum ist. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, in eine strenge Analyje des Theers einzugehen, wir wollen nur einige dcr bedeutendsten und nutzbringend» ste» Produkte, die aus dein Kohlenthecr gewonnen werden, einer näheren Beachtung unterziehen. (Tchluß folgt.) 72 Die Cachenillekultur auf Teneriffa. *) Der blendend schöne Karmin der Maler, die scharlach« lmd karnwisinrothe Farbe, deren man sich zum Färben von Seiden- und Wollstoffen bedient, rühren von einem kleinen, einer Wanze ähnlichen Insekt her, welches sich von der Kaktus-Pflanze nährt. Dieses Thierchen war zuerst von den Spaniern aus Meriko ausgeführt wurden, wo es von den C'ingebornen schon lange zur Bereitung jener schreiend lothen Farbe verwendet wurde, womit sie ihre Federn färbten. Die Einführung und dermalige, ausgedehnte Kultur der Cochenille auf Teneriffa bilden eine bemerkenswerthe Episode in der Geschichte der Pflanzen und des Volkes auf dieser wun« dervollen Insel, deren vulkanische Gipfel sich bis an 12000 Fuß in die Wolken erheben. Vor 300 Jahren wurde darauf viel Wein gebaut; der Wein bildete den Hauptnah-rungszwcig, den Haupthandelsartikel der Bevölkerung, es wurden davon alljährlich über 60900 Orhofts erportirt, und wer hätte geglaubt, daß es jemals anders werden könnte? — Es mögen beiläusig lä Jahre sein, als die Trauben cuf Teneriffa von einer verheerenden Krankheit heimgesucht wurden. Die Früchte verwelkten, die Stöcke starben, das Volk war der äußersten Noth preisgegeben. Die amerikanischen Schiffe, welche früher in den Hafen gekommen waren, uiu Provision einzunehmen, wurden immer seltener! Was sollten die armen Insclbcwodner anfangen! Einige Jahre früher (im Jahre 5836) kam ein Ein° geborner, der wohl wußte, daß die Kultur der Cochenille in Honduras mit dem besten Erfolg betrieben werde, auf den glücklichen Gedanken, sie auch auf Teneriffa einheimisch zu machen. Er ließ sich Kakluspflauzcu und Insekten kommen, und legte eine Cochenille-Pflanzung an. Das Volk, geblendet durch alte VorurtheUe, ersah aber in der Anlage dieser Vftanzuug eine Schmach und Beschimpfung ihrer Wein« kultur und zerstörte sie iu einer Nacht bis auf den Grund. — Der neue Pflanzer ließ sich aber durch diesen Akt der Rohheit und Unwissenheit nicht beirren, und—glücklicherweise auch von der Ncqierung unterstützt — sing er sein Werk von neuem an. Dießmnl betrieb er aber die Cochenillekultur heimlich, er vertheilte sie auf einige einsame Orte und gar bald folgte all' seiner Mühe auch ein reichlicher Lohn. Die Traubenkrankheit fing an zu wüthen, alle Ver- > suche, ihr Einhalt zu thun, blieben fruchtlos, das Volk war ! der Verzweiflung nahe. In dieser schrecklichen Lage wendete cs seine Blicke doch ! wieder der so rasch gedeihenden Cochenille-Pflanzung ihres z Landsmanlicö zn, und es warf sich von selbst die Frage auf: z Warum zaudern wir denn, unsere zu Grunde gegangenen z Weingärten in Cochenille-Pflanzungen umzuwaudrlu? — ^ Ciuc wabre Wuth der Neuerung erfaßte sie jctzt, in kür- ^ zester Zeit sah man ansiatt der Nciusiöcke überall Kaktusc > ihr Haupt erheben. i Ein Morgen Landes mit Kaktus bebaut, gibt 3—600 ^ Pfund Cochenille. Die Kultur der Cochenille hat dermalen ^ so übcrdcmd genommen, daß kaum eine Hütte auf Teneriffa zu sehen ist, die nicht mit Kaktusgcwä'chscn umgeben wäre. ! Die Cockcuille gleicht — wie gesagt — einer großeu Nosen« ivanzc. Die Weibchen sind außcroldeinl'ch fruchtbar, die ! Männchen sehen aus wie Mücke» , haben ein sehr kurzes j Leben, und sind im Vergleiche zu den Weibchen nicht sehr zahlreich. Diese letzteren sind, wenn noch jung, weiß von ") Teneriffa, die größte dcr kauarischcu Iusclu, mit der Haupt- ! stadt Suutll-Cruz. Farbe uud werden erst nach und nach purpurroth, wenn sie den Saft der Kaktuspflanze in sich ausgenommen haben, sie werden dann von der Pflanze abgeschüttelt, auf reine Bret- ! ter gelegt und im Ofen getrock-iet. Erst in diesem getrock- ^ neten Zustaude kommen sie auf den Markt und liefern jene ! Farbe, die — abgesehen von ihrer Brauchbarkeit zu indu- ! striellen Zwecken — gar oft den Neiz jugendlicher Frische , und Gesundheit auf so manche verbleichte Wange haucht — l oder hauchen soll! — . Literatur. ! Illustrirtcs Familienbuch deö österreichischen Lloyd. ! Band X. Heft 6. ! Was uuscre Aufmerksamkeit dieser periodischen Schrift ! besonders zuwendet, >st dic Trefflichkeit der unterhaltenden j u»d belehrenden Aufsätze, deren daS vorliegende Heft wieder ! fünf bringt, welche Anspruch auf allgemeines Interesse ha-! ben. Aus den Kämpfen im Kaukasus, oft erwähnt, aber ,' wenig bekannt, wird vo.il Grafen Stanislaus Grabowsky eine interessante Episode, uuter der Ueberschrist »Achulgo" erzählt; von dem „Frciherrn Carl v. Stein", dessen Name einer dcr glänzendsten in dem deutschen Freiheitskampfc gegen französische Zwingherrschaft ist, entwirft N. Waldmüller ! ein im Wesentlichen getreues Bild; ein Aufsatz über das i Opium von Dr. Th. Hoh, und Andeutungen über die Ge-! schichte der Chemie von Fcrd. Kohn, sind zwei beleh-! reude Abhandlungen, welche den Forderungen der Zeit, natur-! wisftnschaftliche Kenntnisse zu verbreiten, entsprechen. Unter ! dem Titel: „Skizzen und Figuren aus Wien", schildert Hnul Kuh in lebendiger und ergötzlicher Weise eiuen Fastnachts-^ bal. Hierauf folgen kleinere Aufsätze und Gedichte. Den l Beschluß macht, wie gewöhnlich, ei,i Literaturbericht von Levin ^ Schücking. Drei hübsche Stahlstiche schmücken das Heft: ^ „Die Söhne Nubcnö", nach dem berühmte:, Gemälde ihres ^ Vaters, das sich in der Fürst Licchtensteiu'schen Gallerte in 5 Wien befindet; dann „dic Kaiserpaläsic in Nom" nach Piloti, ! und »die ^«ilieiu Ii0in<.>8v« in Mailand. Deutsche Balladen in London. Vor Kurzem erschien in London bei Houston nnci WrilU, eine Sammlung deutscher Balladen in englischer Uebcrtragung durch Das in prachtvoller typischer Ausstattung erschienene Vuch enthält Balladen von Göthc, Uhland, Heine, Lcnau, Vogl, Scidl uud Moscnthal. Am vorzüglichsten in demselben ist jedoch Ioh. Nep. Vogl vertrete", von welchem es 23 Gedichte mit eben so vielen IlluftnUiouen geschmückt cinhält, und zwar: Das Sklavenschiff. Glocke," stimmen, das Licht am Strande, die Kolakeubraut, die beiden Mütter, die büßende Nonne, der Kordonist, dcr alle König, des Räubers Liebe, der Äotauikcr, ein Friedhofs-gang, der Deserteur, des Sängers Lohn, der alte Dorfspielmann, Geld, der Weg ins Paradies, die Nothglocke, das Tschcrkesse'nnädchcn, der Mcistertrunk, der tolle Grenadier, die russische Schildwache, das blutende Herz, ein Ve« gräbi'iß. Die Uebertragungeu selbst si>,d als dem Origiuale getreu, schwunghaft und wohlklingend zu bezeichnen. Nebst den vielen Illustrationen ist dieses Buch noch mit einer Titelvigucttc z" Vogl'ö Ik<; 8Iuv<; 8!!i^ geschmückt, den Moment darstellend, in welchem das Sklavenschiff von den Wellen verschlungen wird, während der Tod mit seiner ! Hippe über dasselbe im Sturme dahiubraust. Druck und Verlag v>m Ign. V. Kleinmayr 25 F. Vamberg in Laibach. — Acrcmtwortlichcr Rldacttur F. Vamberg.