ä R umanien. 0 0 Eine Darstellung des Landes und der Leute Rudolf Bergner. Mit 26 Illustrationen und einer Karte. Breslau 1887. J. U. Kern's Verlag (Max Müller). Vorwort. Ein Buch über Rumänien! AVäre es nicht räthlicher gewesen, lieber den Hunderten und aber Hunderten italienischer Schilderungen eine neue beizufügen oder wenigstens ein Buch über Sibirien, Afrika oder die menschenfressenden Bürger Australiens zu bieten? Nun, dankbarer würde dies vielleicht vom deutschen Lesepublicum aufgenommen werden, die Frage der Nützlichkeit lässt Erörterungen zu. Ueber das Innere Afrikas ist man in Meissen und in Klosterneuburg dank einer umfangreichen Literatur gründlich orientirt, von Rumänien spricht man in den genannten Orten mit Entsetzen, wahrscheinlich weil selten eine Nachricht über jenes doch verhältnissmässig naheliegende Land in die deutschen Gaue dringt, und weil von grösseren Culturschildcrungen bisher nur zwei, das vor drei Decennien geschriebene Werk Neigebauers und das vor einem Jahrzehnt erschienene Buch 1 lenkes vorlagen. Seit den Zeiten jener Schriftsteller aber hat sich in Rumänien ein erstaunlicher Umschwung vollzogen, das junge Königreich hat sieh iius den trostlosesten Zuständen, aus (Korruption und Rechts-losigkeit zu einem politisch selbstständigen, wirthschaftlich beachtenswerthen Staate emporgehoben, dem allem Anscheine nach eine glänzende Zukunft beschieden ist. Ein solches Land und ein solches Volk, kaum aus orientalischem * Schlummer erwacht und bereits fast gänzlich befreit von orientalischen Uebelständen, sie verdienen wohl den Versuch einer dritten Schilderung in deutscher Sprache, sie verdienen die volle Aufmerksamkeit und die bisher theil-weise vorenthaltene Zuneigung Oesterreichs und Deutschlands. Langsam aber stetig scheint man in Rumänien dem französischen Vorbild zu entsagen, um an seine Stelle das deutsche zu setzen, schnell und sicher vermag jetzt deutscher Fleiss und deutsche Industrie sich an der unteren Donau ein Absatzgebiet zu verschaffen. Freilich ist dabei nöthig, dass die Deutschen im Reich sich gründlich über rumänische Verhältnisse orientiren, die Oesterreicher ihre bisherigen mangelhaften Orientoperationen durch wohlüberlegte ersetzen; peinliche Zwischenfälle, wie der letzte Zollkrieg, müssen endgiltig vermieden werden, sie fördern die „grossen gemeinschaftlichen Interessen", welche nach dem geistreichen Ausspruche des Kronprinzen Rudolf beim Festessen im Bucurescter Schlosse 1884 Oesterreich und Rumänien verbinden, keineswegs. Bei der I^intheilung des Buches ergaben sich drei Möglichkeiten. Es galt, entweder die Schilderungen in rein feuilletonistisches oder in rein wissenschaftliches Gewand zu kleiden oder auch eine Zweitheilung des Ganzen vorzunehmen. Der letztere Weg wurde nach längerem Prüfen eingeschlagen, er dürfte geeignet sein, den Anforderungen eines Jeden zu entsprechen. Der erste Theil des Buches soll durch die Beschreibung landschaftlicher Schönheiten und des gesellschaftlichen Lebens eine leichte Leetüre gewähren, der zweite mit ernsteren Darstellungen und mit Ziffern dienen, sowie den Beweis erbringen, dass ich versucht habe, nicht nur oberflächlich und im Fluge die Verhältnisse des Landes zu berühren, sondern dieselben zu durchdringen. Da nun bereits jede Abtheilung für sich ein ziemlich umfassendes Bild gibt, erscheint die Hoffnung wohl nicht unberechtigt, dass dem Leser beider Hälften Alles für den Deutschen Wissenswerthe geboten wurde. Wie bei allen meinen früheren Büchern habe ich mich auch diesmal bemüht, dem Leuchten zweier Sterne unentwegt zu folgen, sie heissen: Wahrheit und Gerechtigkeit. Falls es den deutsehen Leser bedünken sollte, als ob in beiden Theilen das Lob den Tadel überwiege, so sei bemerkt, dass dies einerseits verdientermassen geschieht, andererseits die Verhältnisse Rumäniens mehr mit denen des Orients als mit denen des Abendlandes zu vergleichen sind, ein mildes Urtheil also hier ein gerechtes ist. Wie übrigens die geringe Galanterie gegenüber der rumänischen Damenwelt im ersten Theil und die herbe Geisselung der landwirtschaftlichen Missstände in der zweiten ] lälfte des Buches beweisen, wurde das Tadeln weder gespart noch vermieden. Sollte den Rumänen dies nicht genehm sein, so muss bemerkt werden, dass ihnen mit vorurtheilsvoller Schilderung nicht gedient worden wäre, Werth für sie und die deutschen Leser kann nur eine unparteiische Darstellung besitzen. Eine Ungewissheit in Betreff der statistischen Angaben könnte wohl zuweilen auffallen, dieselbe ist durch die kaum geborene rumänische Statistik begründet. Der Forscher sieht sich nur zu oft in peinliche Zweifel versetzt; wenn beispielsweise „Annuaire de Ronumie" die Zahl der Büffel für j 873 mit 44000, der hochgeschätzte Aurelianü 1882 sie auf 111000 angibt, dabei aber jedermann weiss, dass die Büffel eingehen, so kann man dir' Verlegenheit des Schriftstellers wohl ermessen. Es erübrigt daher nur die Bitte, in Anbetracht der sich hin und wieder ergebenden Schwierigkeiten freundlichst Nachsicht zu üben und selbst zu prüfen. Aehnliehes gilt hinsichtlich der Illustrationen. Die re-producirende Kunst ist in Rumänien noch ein Mädchen aus der Fremde, die Photographen ausserhalb der Hauptstadt lieferten durchgehends behufs Wiedergabe ungeeignete Arbeiten, und wenn nicht Herr Szöllösy in Bucuresci mit der grössten Liebenswürdigkeit vorzügliche Photographien zur Verfügung gestellt, hätte die Schrift wohl ohne jede künstlerische Beigabe erscheinen müssen. Leider erwiesen sich gerade alle erlangten Porträts des Königspaares als unverwendbar für den Lichtdruck. Nicht minder bedeutende Schwierigkeiten haben sich bezüglich der Orthographie ergeben, besonders da im Lande selbst noch immer mehrere Schreibarten gebräuchlich sind. Die rumänischen Wörter wurden so vorgeführt, wie sie einer von der Akademie genehmigten Orthographie entsprechen, die türkischen Namen sind der deutschen Aussprache, die österreichisch-ungarischen dem allgemeinen Gebrauch gemäss niedergeschrieben worden. Bedauerlicher Weise war es nicht möglich, die Orthographie der beigegebenen Karte mit der des Textes in Uebereinstimmung zu bringen. Ueber Terrainzeichnung und Reichhaltigkeit der aus der Anstalt von C. Flemming in Glogau hervorgegangenen Karte lässt sich gewiss nur Löbliches sagen, dagegen sind die nach deutschen Sprachgesetzen gebotenen rumänischen Namen oft sehr entstellt, man richte sich also in dieser Hinsicht nur nach dem Texte und benutze die Karte blos zur Feststellung der Lage des Ortes. Die von 1 lerrn Alexander Degenmann freundlichst gelieferten Literaturverzeichnisse folgen dem zweiten Theil als Anhang; jenen liebenswürdigen Männern aber, die durch werthvolle Angaben das Werk gefördert, ist im Texte selbst der Dank dargebracht. Diejenigen deutsehen Landsmänner, welche die Lust Vorwort. VII verspüren oder dem Zwang- unterliegen, die rumänische Grenze zu überschreiten, seien besondersauf das Sachregister hingewiesen. Dasselbe wurde mit aller Sorgfalt hergestellt und ermöglicht es durch die Rubriken Hotels, Restaurants, Miethwagen, Birjars, nationale Speisen etc. etc., das Buch als einen praktischen Reiseführer zu verwerthen. Die .Sagen von entsetzlieh theurem Leben und enormer Schnürerei in Gasthöfen gehören einfach ins Reich der Fabel, der Fremde wird in Rumänien billiger essen und wohnen als in anderen europäischen Ländern. Zudem wird man an der unteren Donau stets höflicher und anständiger behandelt als in den meisten deutschen 1 Töteis. Höflichkeit und Anständigkeit ist in Rumänien zu Hause, auf dem Lande und im Gebirge noch immer die herzgewinnendste Gastfreundschaft. Südeuropäische Eleganz paart sich mit orientalischer Gastlichkeit, Beide lassen manche Uebelstände leicht verschmerzen. Wer aber solche entdeckt, der möge nicht zu schnell verurtheilen und sich ja daran erinnern, dass in der lieben Heimat auch nicht Alles am besten, Manches sogar recht tadelnswerth beschaffen ist. Ein jedes Land hat seine guten, ein jedes seine schlimmen Eigentümlichkeiten. Und nun, da Alles gesagt wurde, was das Herz bedrückte, nur noch der Wunsch: Gott schütze Rumänien und sein braves Volk, er bewahre es vor allen etwaigen politischen Fährnissen! Wien, i. April 1887. Rudolf Bergner. Inhalt I. THEIL. Seite Eine Reise durch das Land.........,..... 1 i. Bucuresci, die Freudenstadt im Sommer« Durch den Tömöser Pass. — Sinaia, das königliche Hoflagor. — Das Salzbergwerk Slänicü. — Die Bucurescler Birjars. — Volkslypen. Beschäftigungen der Ausländer. — Restaurants und Cafes clrantants. Chaussee KisselelT und die eleganten Bucurescierinnen. — Der Park Cismegiu. — Das Leichenbegängnis« des Bürgermeisters..... 3 2. In der Moldau. Mit dem Dampfross. — Bacäu, eine Districtsstadt. — Die Csango-Magyarcn und die Zigeuner. — Romanü. — Die Landgüter von Dulcesci und Micläuscm. — Jasi. — Im israelitischen Theater. — Zur russischen Grenze. — Eni Judenstädtchen inmitten der Steppe. — Botosani. — Judcngcschichten .............42 3. Tn den Karpathen. Noch ein Judenstädtchen und eine Judenstadt. — Das Moldavalhal aufwärts bis Dornawatra. — Mit dem Floss die goldene Bistri^a hinab, die schönste und angenehmste aller Karpathenpartien. — Bros-teni, die Domäne des Königs. — llangulü. — Von Piatra nach Neamür. — Das Mönchskloster Neamfu und das Nonnenkloster Vara-tieü. — Abschied von der oberen Moldau.........8l 4. Leben und Treiben auf und an dem Wasser. Gala|.i und Bräila, die rumänischen Seestädte an der Donau. — Lacu säratü, ein originelles Seebad. — Auf dem Wege nach Byzanz. -Im Sulina-Canal. — Sumpf- und Steppenbilder. — Der Fontus Euxi-nus. — Constanta, das rumänische Seebad. — Eine Fahrt durch die Dobrogca. Türken und Tartaren. — Die siebenbürgischen Wanderhirten. — Bei den deutschen Colonistcn. — Uebcr Ccrnavoda und Giurgiu nach BucurescT. — Rustschuk und die Bulgaren.....113 X Inhalt. 5. In der Walachei. Seite PitescT, eine Ausgangspforte der Karpathen. — Mit der Diligence nach Cämpulungü. — Rucärü. — Rumänische Sommerfrischen und Karpathen-landschaften. — Aberglaube. — Curtea de Argcsü und die herrlichste Kirche des Landes. — Die Weinlese von Dragäsani. — Craiova, die Hauptstadt der Kleinen Walachei. — Das Gefangenenhaus von Buco-vcUL - Turnu-Sevcrinü und die Trajansbrückc. Calafatu-Widdin . 166 6. Bucuresci im Jl erbst und Winter. Nochmals die Chaussee Kisseleff. —■ Erziehungsmethoden und Rathschläge. - Ein Tag in BucurescT. — Auf der 1'ia^.ä. — Doamna Bälasa und die Metroj)olie. — Asyl Klena. — Museum und Standbilder. Theater, Concerte, Bälle. — Deutsches Element. — Einwanderung. — Russisches und russische Soldaten. — Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft................216 II. THEIL. Rumänien in wissenschaftlicher Darstellung.........253 A. Geographische und naturwissenschaftliche Mit-the Hungen. 1. Grenzen, Lage und Grösse des Landes.......... 255 2. Bodengestaltung.................. 256 3. Flüsse und andere Gewässer.............. 257 4. Klima, Bäder und Heilquellen............. 261 B. Historische Darstellungen. 1. Schicksale der unteren Donauländer bis zur Gründung selbstständiger Fürstentümer...................265 2. Ereignisse in der Walachei bis zur Herrschaft der Phanarioten . 26g 3. Begebenheiten in der Moldau bis zur Ernennung griechischer Hos-podare............272 4. Die Fürstenthümer unter den Phanarioten und Iiis zu ihrer Vereinigung 275 5. Geschichte Rumäniens................285 (". Politische Angaben. 1. Staatsrechtliche Stellung...............202 2. Verfassung, Vertretung und Gesetzgebung .........293 3. Verwaltung und politische Eintheilnng........... 4. Finanzen.....................311 5. Heeresorganisation.................31c; D. Culturcllc Notizen. 1. Unterrichtswesen.................. 328 2. Kirchenverwaltung................. 332 3. Justizpflege.................... 341 4. Sanitäres .................... 343 Inhalt. XI Seite 5. Die Bevölkerung.............. 6. Sprache und Literatur........... . . . • 348 . . . ■ 36a . . • 366 .... 381 .... 385 .... 388 .... 399 7. Ackerbau, ObsLcultur und Viehzucht....... 8. Bergbau, Forstwirthschaft, Jagd und Fischerei . . • • 9. Industrie............... 10. Handel, Verkehr und Verkehrsinittel....... Anhang. Literatur über Rumänien........ . . - 402 . . . . 4°7 Sachregister................ Verzeichniss der Illustrationen. ........ 9 Castell Pelcsü............. , - y......... ' BucurcscTer Birjars • . Rahagiü............. * . _ ......... bi Zigeunerin............. . Griechisch-orientalische Kirche........ u . ..... 09 Schafhirten................. • ... 95 Wal dbc wohner ................ Mönch und Nonnen.................. Mokanen .... .......... Türken .... ' ............. '", . . . 169 Bärenführer..... ............. . . . 181 Manoli-Brunnen................ „ .... 183 Kathedrale von Curtea de Argesü........ ^ Portal der Kathedrale von Curtea de Argesü.......... _ .... 227 Doamna Bälasa............... ' ... 235 Denkmal Michaels des Tapfern.......... Dame mit Kindern in Nationaltracht, District DämbovHa.....240 2 41 Kinder in Volkstracht, District Danibovita...........^ loanü Bratianu ................... t^» • ^ ■ 288 Konig Carum 1. ............... .. . . . 288 Königin Llisabeta................. <. ... 309 Landleute von Cämpulungü............ Curcanü als Grenz Wächter................'1_::> Weibliche Trachten aus dem District Muscelü (Krauenbüd: Gegend von Golesci, Mädchenbilder: Gegend von Cämpulungü).......355 Hora.......................357 • 369 Butielgespann.................. Bemerkungen bezüglich der Aussprache. Bei rumänischen Wörtern wird r am Ende nur halb, ü gar nicht gehört, ä und e lautet wie ein kurzes, dumpfes e (gegangen), ä, e und i ist weder ü noch ö, vielmehr ein dem Rumänischen eigentümlicher Vocal; c vor a, o, u ist k, vor e und i tseh, g vor e und i ist dsch, s ist sch, t ist tz, j steht dem französischen j gleich. In nuigyarischen Wörtern lautet s wie seh, es wie tsch. I. T HEIL. Eine Reise durch das Land. 1. Bueuresei, die Freudenstadt im Sommer. Durch, den Töniöscr Pass. Sinaia, das königliehe Hoflager. — Das Salzbergwerk Slänicü. — Die Bucurescier Birjars. —• Volkstypcn. — Beschäfti-gvmgen der Ausländer. — Restaurants und Cafes chantants. — Chaussee Kisseleff und die eleganten BucurescTerinnen. -- Der Park Cismegiu. — Das Leichenbegängniss des Bürgermeisters. Bot anbrechendem Tage verlassen wir Kronstadt. Das herrliche, bergumgürtete Karpathenjuwel, welches im Sonnenglanze , dank seinem mittelalterlichen Häusermeer, seinen grünbewaldeten Bergwächtern und seinen köstlichen Promenaden, das I [erz des Fremdlings in unlösbare Bande schlägt, gleicht heute einem trostlosen, vorweltlichen Wasserbecken. Seit zwei Tagen stür/t ein entsetzlicher Regen herab, so dass man sich voller Verzweiflung fragt, wo die Natur derartige Massen aufstapelt. Die Zinne, ein breiter Bergrücken, geschmückt mit den Ruinen einer Burg der I )eutschritter, scheint sich hinter einem Schleier zu verbergen, der Abschluss des engen Thalkessels ist völlig verhüllt, der wackelnde I lotelomnibus schwimmt förmlich dahin. Wir athmen ordentlich auf, als uns das Dampfross durch die gesegnete Ebene des l »urzenlandes führt. Das erste der malerisch gelegenen, ebenso volk- als industric-reichen Siebendörfer zeigt sich, bald daraufbiegen wir in den Tömöser Pass ein. Aber ach, als wir das letzte Mal zwischen den eng- zusammentretenden Felswänden dahinzogen, ruhten die Sonnenstrahlen in verklärendem Liebreiz auf dem unermesslichen Meere der duftigem Tannen, ein tiefblauer Himmel harmonirte mit dem munteren Gebirgs-bache, rüstig schritten die Menschen auf der Landstrasse dahin. Heute aber hängen die Wolken nur fünfzig Fuss über dem schönen Thal, ihre hässlichen Nebelgebilde liegen auf den üppigen Tannen, der Himmel gähnt uns in trostloser, grauer Einförmigkeit an, Menschen und Pferde schleppen sich durchnässt und abgemattet die aufgewühlten Pfade entlang. Die Frage, ob dem Tömöser Lass oder dem Rothen-thurmpass der Schönheitspreis gebührt, dürfte wirklich nicht leicht zu entscheiden sein. Es ist wahr, dem Tömöser Ge-birgsübergange fehlt die gewaltige, furchterregende Wassermasse des Alt, dessen Schiffbarmaehung die guten Her-mannstädter jetzt sorgsam in Erwägung ziehen; allein die Natur hat dem Tömöser Lasse reichhaltigen Ersatz verliehen, sie hat ihn ausgestattet mit dem K(istlichsten auf Erden: mit überwältigenden Seenerien des I lochgebirges! In der Nähe der rumänischen Grenze steigen hinter den Vorhöhen gigantisch und wild die höchsten Spitzen dieser Karpathentheile empor. Ihre steilen, baumlosen Felsmassen sind häufig mit Schnee bedeckt, vielfach glänzen und flimmern sie infolge der Gosteinszusammensetzung. Das ist das Reich, in dem der Adler König, und wo der Jäger auf schwindelndem Pfade stieren Blickes dahinklettert, um aus der flüchtigen Gemsenheerde sein Opfer zu erwählen: das ist das Reich, wo der plumpe Bär waltet, die Geisse] des schlichten, menschenscheuen Hirten. Ein weites Gebiet, wenig erforscht in der Zahl seiner Reize und des Lebens und Webens der Natur, unvergesslich dem, der auf kleinem, klugem (u'birgspferde tagelang über seine Höhen hinweggeritten, rastend in der primitivsten, weltvergessensten menschlichen Ansiedelung, in dem I löhlenkloster Schit la Jalomita, dessen wenige Mönche den Eindruck erzeugen. Durch den Tömöser Pass. 5 als ob der Tod, der Allmächtige, unermüdlich Verändernde, seit Jahrhunderten ganz vergessen, sie abzurufen. Heute liegt ein undurchdringlicher Schleier auf den Wundern des Hochgebirges, und uns erübrigt nur, die wonigen rothgedeckten Häuser zu betrachten, aus denen die Ansiedelungen von Ober- und Dnter-Tömös bestehen. Nach Ueberwindung zweier bedeutender Tunnel überschreiten wir die rumänische Grenze und fahren in den (irenzbahnhot von Predealü ein. Rumänische Soldaten in geschmackvoller, dunkelblauer Uniform und mit weissbebändertem Tschako achten darauf, dass die Reisenden nicht ciut den durch ein Gitter abgesperrten rumänischen Theil des Bahnhofes hinüberschleichen. Ungarische Gendarmen haben sich in rührender Friedfertigkeit neben sie gestellt und weisen den Weg zum Passbureau. Der Pass wird schnell und ohne Anstand visirt, das Gepäck ohne durchwühlt zu werden mit Stempeln versehen. Anders ergeht es mit einem Körbchen, die schönsten Birnen und Aepfel der guten Sachsenstadt enthaltend. Der kleine dicke Zollbeamte wirft nicht mehr als einen einzigen Blick auf die lieblichen Früchte, stösst dann einen kaut des Behagens aus und langt mit einer Ruhe, um die ihn Sokrates beneidet haben würde, nach den lockenden Eindringlingen. Fünf Stück erfasst er mit einem Griff, ein zweiter Beamter eilt zur Unterstützung herbei, packt gleichfalls unter stummen Grimassen ein, und das ganze Drama ist bald beendet. Das Anerbieten, die Früchte zu verzollen, wird schnöde zurückgewiesen. I >agegen erregt eine Chapeau-claque-Schachtel unverhohlenes Erstaunen. Sie muss geöffnet werden; der unvermeidliche Bestandtheil des .Salonlebens wird herausgeholt, von allen .Seiten betrachtet und erst zurückgegeben, nachdem der Räuber das Toilettenstüek in bedenkliche Nähe seines hochverehrten Riechorganes gebracht hat. Die österreichisch-ungarischen Beamten bemitleiden uns lächelnd, wehmüthige Blicke auf die rumänisch gewordenen Früchte werfend. Man glaubt, sie könnten die Phylloxera nach Rumänien bringen; die bereits unbestrittene Herrschaft dieses Uebels an allen Ecken und Enden kümmert die gewissenhaften Beamten nicht. Wir danken Gott anlässlich der Rettung- des Chäpeau elaques und klettern nach halbstündigem Aufenthalt in die inzwischen herangeschobenen rumänischen Waggons, nicht ohne dabei die Nähe des Orients zu spüren. Unsere Frage nach einem Nichtrauchercoupe wird mit Achselzucken und mit dem Bedeuten beantwortet, es gebe in Rumänien keine solchen überflüssigen Räume, weil die Damen ebenso gut zu rauchen verstünden wie die Männer. Eine hinter uns daherkeuchende umfangreiche Dame beweist die Wahrheit des Gesagten. Sie besetzt zwei Plätze und ist nach fünf Minuten in eint; Rauchwolke gehüllt, zu deren Erzeugung sich in Deutschland vier biedere Bauern vereinigen müssten. Inzwischen hat man Müsse, beim Anblick des grossartigen Bucsecs die geraubten Obststücke zu vergessen. Wohl ist die Flauptmasse des herrlichen Gebirgsstockes heute dem Blicke entzogen, doch eignet das sich darbietende Bild sich ebenso zum künstlerischen Vorwurf wie der sonnenumstrahlte Riese. Einige Lichtstrahlen lassen die Ausläufer des Bucsecs in heller Beleuchtung erscheinen, neben ihnen hängt eine weisse Wolke herab, ihre scharfe Begrenzung dünkt uns mit einem Riesenzirkel bestimmt. 1 )ie Nachbarn des Berges sind unsichtbar, nur einer ragt sieghaft aus dem Nebelgewirr hervor, einem Fels im Meere gleichend. Allmählich entwickelt sich der Kampf der unfreundlichen Naturkräfte mit der mächtig durchdringenden Sonne, und als wir Sinaia erreichen, grüssen blaue .Streifen der zerrissenen Himmelsdecke herab. Sinaia war vor zwanzig- Jahren der Welt unbekannt; nur wer diese Strasse, die Verkehrsader zwischen dem östlichen Siebenbürgen und dem Orient, benutzte, der wusste auf anmuthiger Erhebung1 ein schlichtes Klostorgebäude. Als der Hohen zol lern söhn den rumänischen Fürstenstuhl bestieg, erwachte in ihm der Wunsch, der heissen rumänischen Ebene zu entrinnen. Er theilte mit den schlichten Mönchen die Wohnräume des Klosters, und Sinaia. das königliche Hoflager. 7 die königliche Familie residirte damals so bescheiden, dass man im Zimmer der Königin das Ticken einer alten Wanduhr vernahm, die in der nur durch eine Bretterwand getrennten Zelle eines Mönches thätig war. Doch die köstliche Luft des Hochgebirges bot dem erlauchten Paare reichlichen Ersatz. Hier wuchs ein liebliches Töchterlein zur grössten Freude der -Eltern heran, leider um ihnen nach wenigen Jahren zum herben Schmerz Aller, die es gekannt, entrissen zu werden; hier trat die Königin mit dem fremdartigen Volke in directen Yerkehr, allenthalben die Herzen gewinnend. Heutigentags ist das schöne, geschmackvolle Königs-schloss längst vollendet. Dicht am Fusse des Bucsecs ragen die Thürmchen und Zinnen stolz empor, die langen Verbindungsgänge des eigentlichen Palastes mit den Nebengebäuden des Hofstaates locken durch ihre luftige Kühle, die altdeutschen Fenster erglänzen am Abend in feenhafter Beleuchtung. Unweit des Schlosses steht ein Gebäude, dazu dienend, elektrisches Licht zu erzeugen, mit ihm erscheint die schöne Waldwildniss Übergossen, und vereinigt sich dann mit ihm der Mond, um in magischem Licht die herrlichen Rasenteppiche zu erhellen, so wähnt man sieh in eine Märchenwelt versetzt. Und wem es jemals gelungen, das innere des Castelles Pelesü zu betreten, ungeachtet der wachestehenden Jäger und der gussstählernen bei Plewna eroberten Kanonen, dessen Blick wird staunend durch die ebenso luxuriös als geschmackvoll ausgestatteten Räume schweifen. Von der Terrasse betritt man einen dunklen Gang, geheimnissvoll beleuchtet durch eine rothe Ampel. Rechts liegen Billardzimmer und andere Räume, aus deren Tiefe das Rauschen eines Springbrunnens hervortönt, links öffnet sich ein weiter Empfangssaal. Lerner stösst man auf ein Musikzimmer, in dem die Königin oft Orgel spielt, man trifft ein türkisches Zimmer, erfüllt mit den kostbarsten Teppichen des Morgenlandes, und man gelangt in einen kleinen Theatersaal, der achtzig Personen zu fassen vermag. Eine Treppe, verziert mit alterthümlichen Waffen, führt in den oberen Stock. Hier fesselt besonders das Arbeitszimmer von Carmen Sylva. Ein idyllischer Kaum, geschmückt mit dem Erzeugnissen der Kunst, dient der hohen ['Vau als Werkstätte für ihre schriftstellerischen und malerischen Erzeugnisse. Frühzeitig erhebt sich die Königin., um fast ohne Unterbrechung den ganzen Tag über der vielseitigsten Beschäftigung zu huldigen. Spaziergänge unternimmt neuerdings ihn1 Majestät sehr selten, ebensowenig liebt sie grosse, gesellschaftliche Vereinigungen oder öffentliche Schauspiele, wie sie sich denn auch nur selten im Bucurescier Nationaltheater zeigt. Die Liebenswürdigkeit der Königin im persönlichen Verkehre wird allgemein gerühmt, nicht minder versteht es der König, durch herablassende Leutseligkeit die Merzen zu gewinnen. Dem Schreiber dieses widerfuhr die Ehre, dem Königspaar vorgestellt und von ihm zum Dejeuner zugezogen zu werden. Sowohl vor demselben als auch nach demselben unterhielt sich Seine Majestät der Königin äusserst lebhafter und anregender Weise über die ethnographischen Verhältnisse Osteuropas, sowie über Handel und Wandel, und wer der schlanken, majestätischen Erscheinung" in solcher Stunde gegenüber gestanden, in das kühn«1 und kluge Auge des Monarchen blickend, der wird sich bewusst, dass die Geschicke Rumäniens in keiner besseren Hand ruhen könnten als in der Carol I. Das eigentliche Sinaia trägt noch denselben Charakter zur Schau wie vor drei Jahren. Längs des Thaies, erhaben über der Eisenbahn und dem Müsse, präsentiren sich in langer Reihe die Villen der rumänischen Grossen. Sie liegen wie früher an vom Walde entblössten Stellen, nur ihre Zahl hat zugenommen. Da grössere Niederlassungen sehr entfernt sind und die unentweihte Wildniss dräuend von allen Seiten herniederblickt, ähnelt das [ lofleben von Sinaia dem I loflager alter Zeiten. [unter Sinaia verliert die Landschaft an Reiz. Einige Zeit noch bewahrt die Gegend den Charakter des Hochgebirges. Der Prahöväfluss drängt sich durch ein enges, Sinaia, das königliche Koflager, 9 Castell Pelesü. mit spärlichen Wäldern geziertes Felsenthal. Sechs- bis achtmal setzt unser Dampfross über den tosenden, regengeschwollenen Gesellen, mehr als einmal wird unsere Auf- merksamkeit durch eigenthümliche Gesteinsablagerungen gefesselt. Sobald sich das Thal erweitert, verändert sich das Flussbett zu einem wüsten Steinfeld. Vier- bis fünfhundert Schritt müsste man zurücklegen, wollte man es durchmessen, träge schlängelt sich die Prahova in mehreren Armen dahin. Immer unansehnlicher gestaltet sich das Gebirge, immer uninteressanter wird das Thal. Endlich erreichen war die Ebene, die (iebirgswelt scheint hinter uns zusammenzusinken. Felder dehnen sich auf beiden Seiten aus, zur Einken ziehen die letzten Karpathenerhebungen dahin, als blaue, duftige Kette den Horizont umsäumend. Bald darauf tauchen von Bäumen umfangen fünf oder sechs Kirchen empor, eine immer origineller und glänzender als die andere. Das ist Ploesci, die erste grössere Stadt der Walachei. Von Ploesct führt eine Zweigbahn in nördlicher Richtung nach dem Salzbergwerk Slänicü. Langsam schlängelt sich ein fast nur leere Güterwagen enthaltender .Separatzug durch das freundliche Thal. Malerische Windungen werden zurückgelegt, freundliche I läuser und 1 lütten, Kukuruzfelder und Zwetschkenbäume zeigen sich. Der Eluss ist vertrocknet: wie die meisten kleinen Wasserstrassen der rumänischen EVbene dient er dem langhaarigen Gebirgsbewohner im Sommer als Verkehrsweg. Auch im Spätherbst bietet er noch dasselbe trostlose Bild, doch spricht dann die Landschaft weit mehr an als im schwülen Hochsommer. Wer einmal im October durch diese Gegend gefahren, umweht von einer lauen, melancholischen Luft, überspannt von einem blassblauen Himmel, umfangen von anmuthigen Bergen, auf denen das Braun und Gelb, Roth und Grfün der Bäume ein wunderliches (femisch bildet, der wird den Anblick nie vergessen. Slänicü selbst erinnert in seiner ganzen Lage und insbesondere durch die hochgelegenen Werke recht lebhaft an die Bleigruben von Rodna in Siebenbürgen. Liier wie dort geniesst man eine weite Aussicht, hier wie dort dringt man in ziemlicher Höhe in den Berg ein, freilich liegt Rodna dem Himmel näher, und. die dortigen Werke ruhen einsam, inmitten des Reiches der Gemsen und der Alpenblumen. Unweit der Station stossen wir auf einen mächtigen Schuppen, in dem gewaltige .Haufen von Salzstücken in die Waggons verladen werden. 10000 Kilogramm muss ein Waggon einnehmen, dann wird er versiegelt und mit der Angabe des Bestimmungsortes versehen. Die Arbeiter machen einen beklemmenden Eindruck, sie gehören den Gefallenen der Menschheit an, schwer lastet auf ihnen der fluch Kains. Bis vor wenigen Jahren wrar es in allen rumänischen Salzwerken Brauch, Mörder, Diebe und andere Verbrecher tüchtig arbeiten zu lassen. Gegenwärtig hat diese Sitte eine Abschwächung erfahren, unter den hundertfünfzig bis zweihundert Arbeitern von Slänicü befinden sich in den (Trüben nur noch fünfzig- Verbrecher, bei den Maschinen neun, bei der Verladung etwa zwanzig. Für einen jeden leistet ein Dorobanze Dienst, der Mann steht mit Gewehr über neben dem Züchtung oder sitzt auf einem Steine. Beim Verlassen des Werkes schreitet der oft sandalengeschmückte Krieger mit vorgestrecktem Bajonett hinter dem Sträfling drein, alle seine Bewegungen sorgfältig beachtend. Die übrigen Unglücklichen werden in der mitten im Orte gelegenen Strafanstalt beschäftigt. Durch zwei vergitterte Thore betritt man den traurigen Raum und sieht sich einigen Baracken gegenüber. Eine jede birgt zwei lange Bretter, auf denen man die Schlafstellen von dreissig Sträflingen bereitet hat. Die Verurtheilten selbst halten sich tagsüber in kleinen Mutten auf. Diese dienen ihnen als Drechslerwerkstätten, wo sie Löffel, Falzbeine, Spazierstöcke und Pfeifenrohre verfertigen. Kaum sind war eingetreten, so umring-en uns auch schon die härenen (restalten, und die beklagenswerthen Männer mit stierem Blick und bleichem Antlitz bieten uns die Erzeugnisse ihrer monotonen Tage zum Kauf an. Ueberraschend schöne Sachen werden zu Spottpreisen abgegeben. Da, ist ein starker Geselle, aus .Siebenbürgen gebürtig, er verkauft für drei Lei eine hübsche Marmorhand, eine Rose haltend; ein zweiter bietet um denselben Preis ein Rauchservice an, alles sorgfältig" und geschmackvoll gearbeitet, als wäre es dem Atelier eines Bildhauers entsprungen. Der Siebenbürger erzählt uns, wie er im Zorn beim Billardspiel einen Anderen erschlagen; wehmüthig fügt er hinzu, er sei für immer eingekerkert. Und er wird seine Strafe abbüssen müssen, denn der gnadenspendende Monarch kommt für die Unglücklichen viel zu selten nach Slänicü. Vor einigen Jahren weilte er daselbst, um die Gruben zu besichtigen. Noch jetzt sieht man in den Gängen derselben das Tannen-reisig, mit dem die armen Sträflinge die unterirdische Welt verzierten. Ihre Hoffnung war keine vergebliche, der Klönig begnadigte vierzig der Gefallenen, unendliche Freude und unendlichen Jubel hon errufend. Das Zusammenleben der Verbrecher, wie es die humane rumänische Justiz im Gegensatz zur deutschen gestattet, hat offenbar ebenfalls seine Nachtheile. Zeigt sich ja einer der Sünder reuevoll, so wird er von seinen Genossen verhöhnt und zu seiner alten Stimmung zurückgeführt; ist etwas Gutes noch in dem einen oder dem anderen erhalten geblieben, so wird es durch den beständigen Verkehr mit schlechten Gesellen endgiltig vernichtet. Originell ist es zuweilen, wenn für einen Unglücklichen die Stunde der Freiheit schlägt. Einer, der zwanzig- Jahre inmitten des öden Gefangenenhauses verbracht, schüttelt heute beständig das I laupt und meint verlegen lächelnd: „In fünf Tagen bin ich fron, aber lieber Gott, was werde ich denn dann anfangen?" Ein Anderer hat gebeten, man möge ihn in der Strafanstalt belassen, er habe sich daselbst zu sehr eingewöhnt. ■— Im Salzwerk bezahlt man die Sträflinge genau so wie die gemietheten Arbeiter. Die Transporteure empfangen etwa 80 Bani per lag, die Salzhauer 16 Bani für je 100 Kilogramm; sie können 2 Lei an einem 'Lag verdienen. Vom Erlös lässt man den Sträflingen 3O°/0 behufs freier Verwendung, 70°/,) des Geldes legt man in ihrem Interesse zurück. Verlassen wir den Ort des Unglücks, und wenden wir uns den Salzgruben zu. Das vorerwähnte Transportgebäude steht durch eine kleine1 Zahnradbahn mit der gegenwärtig betriebenen Grube in Verbindung1; sogenannte Hunde laufen hin und her, um das Salz, seinem Geburtsorte zu entführen. In dem einen Gebäude hat man eine Tischlerei und eine Schlosserwerkstätte geschaffen, in einem zweiten wird Salz gemahlen. Eine gewaltige Maschini1 setzt eine Drehscheibe in Bewegung, welche die grossen Salzklumpen zermalmt. Eine Etage tiefer sehen wir eine Art Trichter, in dem eine zweite Verkleinerung bewerkstelligt wird, und im Erd-geschoss Enden wir fünf Männer, deren Pflicht es ist, in festen, groben Säcken das geriebene1 Salz aufzufangen. Die dazu nöthigen Säcke werden aus England bezogen, das Stück für 2.5 Bani. Das erzeugte Salz zerfallt in zwei Gattungen, in feines und gröberes, während im Bergwerk drei Sorten, weisses, halbweisses und schwarzes, gewonnen werden. Seitwärts lehnt am Hügel ein .Schuppen, den Blick in ein wegen seiner Tiefe (140 Meter) iiufgelassenes Werk gestattend. Im Hauptgebäude hat mein eine kleine Maschine aufgestellt, für die elektrische Beleuchtung der Gruben aus Wien bezogen. Endlich stehen wir vor dem Hades selbst und blicken hinunter in die schwarze, unheimliche Tiefe. Hier geht eine Art Korb aufwärts, dort ein zweiter abwärts, ein jeder enthält einen kleinen Wagen. Wenn der gefüllte heraufgekommen, geht ein leerer hinunter. Statt eines solchen Wagens fahren wir ein. Vollständige Einsterniss umgibt uns, langsam sinken wir. Die glattbehauenen Wände werden fast berührt, wir haben die Empfindung, als seien wir lebendig- begraben. Da tönt ein Hämmern an unser Ohr, und plötzlich schwindet tue Einsterniss, um einer feenhaften Welt zu weichen. Wir schweben über einem grossen, rosig beleuchteten Kaum. Sehwarze Wände fallen conisch hinab, unten aber zieht eine glitzernde Schneefläeho dahin, besetzt mit räthselhaft erseheinenden Gestalten und elektrischen Lampen. Eine Minute hält wohl das zauberhafte Bild an, dann gelangen wir auf die weisse Fläche, um auf Salz und nichts als Salz herumzuwandeln. Eine weite Halle von 146 Meter Länge empfängt uns, an ihrem Ende hat man eine Seitengalerie abgeleitet. Eine zweite wird am anderen Ende in derselben Richtung fortgeführt, beide sollen später durch einen mit der ersten parallellaufenden Gang verbunden werden. Von all' dem ist noch nicht die Hälfte gethan, künftigen Generationen bleibt ein tüchtiges Stück Arbeit vorbehalten. Um zwei Meter wird jetzt jährlich die Grube vertieft, über 200 Meter beträgt jedoch der Salzstock, man kann also noch 100 Jahre schaffen, ehe man ihn der Tiefe nach erschöpft. Und dabei bessert sich beständig die Güte des Salzes, schon nach i5 abgetragenen Metern muss man auf das reinste Salz treffen. Etwa fünfzig bis sechzig Arbeiter sind noch in der (frube thätig. Sie hämmern nur an den Endpunkten der Halle, wo sie grosse würfelförmige Stücke, das .Stück zu 60 Kilogramm, losschlagen. Diese Kolosse liegen bunt durcheinander, bis die Hunde zur Beförderung herankommen. Fünf der Arbeiter stehen dort auf einem Salzblock, dessen Längsseiten bereits blosgelegt sind, auf sie schlägt man ein. Gleichmässig sausen die fünf Hämmer durch die Luft, gleichmässig beugen sich die entkleideten Oberkörper herab. Gibt der Block einen Klang, der nicht mehr metallisch, so treten die Männer zurück, man schiebt ein kurzes Holzscheit in ein gehauenes Loch, ein Arbeiter legt einem anderen eine centnerschwere Eisenkugel auf die Schulter, und diese saust auf die Holzstemme nieder, bis sich der Salzblock löst. Die Mitte der Halle bietet einen g-anz anderen Anblick dar. Frei von Salzhauern ist sie das unbestrittene Revier zweier Maschinen. Langsam bewegen sich diese dahin, g-etrieben durch zusammengepresste, mittelst eines Schlauches unter die Erde herabgeleitete Luft. Eine der Maschinen schneidet horizontal, die andere vertical. In siebenbürgi-schen und ungarischen .Salzwerken kennt man ihresgleichen bis jetzt noch nicht, nur in Wieliczka stehen ähnliche 1 Ulfs- mittel in Gebrauch. Ueberhaupt kann über die umsichtige Leitung der rumänischen Gruben nur Lobendes gestigt werden, die rumänischen Ingenieure, meist in Frankreich oder Belgien gebildet, sind fleissig und kenntnissreich. Nachdem wir uns an dem magischen Lichte der zwölf elektrischen Lampen sattgesehen, klimmen wir auf Treppen empor: auf ihnen steigen' tagtäglich die Arbeiter in das Werk ein. Die Wände sind feucht, und man hat an einigen Stellen der Oberfläche sogar kleine Lache ableiten müssen, damit ihr Wasser nicht die Erde durchdringe und das Salz zersetze. Nach geraumer Zeit erreichen wir eine Galerie. Tief unter uns liegt das feenhafte Arbeitsfeld, dann entschwindet es, und plötzlich gähnt vor uns ein mächtiger, unheimlicher Krater: ein aufgelassenes Werk. Unsere beiden Sträflinge erheben ihre Stimme, secunden-lang tönt es wieder. Hierauf wirft man von der Erdoberfläche brennendes Holz herein. Es bildet die schönste, zauberhafteste Rakete, die wir im Leben sehen können, ''■in Unheimlicher Eeuerball durchsaust die Luft, Funken weithin entsendend und den ganzen höhlenartigen Riesenbau erhellend. Lange stehen wir staunend, gefesselt von der (frossartigkeit dieser unterirdischen Welt. Hierauf bringt uns die Maschine in wenigen Minuten wieder empor, und wir athmen frei auf. Kurze Zeit später lehnen wir an dem Schlünde, wo man den feurigen Brand herabgeschleudert. Ausserhalb des Werkes treffen war auf ein Dutzend Bauernwagen. Ihre Führer sind aus der Umgegend gekommen, um bis 1000 Kilogramm Salz behufs Einzelverkaufes in ihrem Dorfe zu erwerben. Noch einige Stunden Rast in dem kleinen Oertchen, dann führt uns der ^ug nach Ploesc! zurück, von wo war unsere Fahrt durch endlose Kukuruzfelder und (Truppen von Laubbäumen nach ßucurescl fortsetzen können. Bucuresc!, die Ereudenstadt, gehört zu den seltsamsten, aber angenehmsten Hauptstädten Europas. Wohl citirt man noch heutigentags häufig bei seinem Namen das früher auf Budapest bezogene Wort: „Hier fängt Europa an, hier hört Europa auf", allein man thut das zumeist mit Unrecht. BucurescT hat sich seit einigen Jahrzehnten mächtig emporgerungen, es verträgt einen Vergleich mit anderen Hauptstädten des Ostens und des Südens sehr wohl. Bereits beim Verlassen des Bahnhofes wird uns ein überraschendes Bild, zutheil. Ein halbes Hundert Bucu-rescter Fiaker scheint gewillt, die Reisenden in die Metropole Rumäniens zu führen. Die Miethwagen sind sämmt-lich elegant, das Pferdematerial ist ein tadelloses, es verhält sich zu dem Wiens oder Berlins wie der Tag zur Nacht. Man hat das Land der Magyaren in allen Tonarten gepriesen, man hat es auch als Land der schönen Pferde besungen, Alles mit Unrecht. Beim ungarischen Bauern wird man nur elende Klepper mit entsetzlich herausstehenden Rippen gewahren, und nirgends werden elendere Mieth-rosse die Theilnahme des Fremden wachrufen als in Budapest Stellwagen, Pferdebahn, Fiaker wetteifern darin, ihre treuen \ I elf er gesehäftsmässig auszunützen, und Mos die Geschöpfe der Reichen machen eine Ausnahme. Der Bu-curescier Birjar verfügt über hohe, glänzend gestriegelte, g-utgenährte Thiere, mit denen er durch die Siegesstrasse dahinsaust, wie angegossen auf dem Bocke sitzend, auf den leisesten Druck des Fahrgastes achtend. Und dies thut Noth, denn in Bucuresci ist es Sitte;, sich in den Wagen zu werfen und den Kutscher selbst an dem Ort der Bestimmung zu leiten. Man tippt ihm mit Schirm oder Stock auf die rechte Schulter, wenn er rechts abbiegen soll, man versetzt ihm einen freundschaftlichen Rippenstoss in die linke Flanke, wenn man nach links verschwänden will, und man legt liebevoll die Handfläche auf seinen Rücken oder zieht mit dem Finger eine Linie von oben bis unten, als wolle man ihm Rock und Rücken entzweischneiden, sobald das Gefährt am Bestimmungsort angelangt. I )ie echt russische Tracht dieser wie besessen und dabei doch äusserst geschickt fahrenden Kutscher ist eine sehr gefällige. • Sie umfasst dunkelblauen oder grünen, langen Sammetrock, rothe, blaue1 eider weisse Schärpe und Die Bucurescfer Birjars, 17 niedrige Mütze. Die Birjars gehörten früher sämmtlich der russischen Sekte der Lipo vener oder Skopzen an, deren Haupteigenthümlichkeit noch heutigentages in dem starren Festhalten am Einkindersystem besteht. Nach der Geburt eines Erben wird der Lipovener Eunuche, daher sein in der Regel aufgedunsenes Gesicht, Aus Russland vertrieben, Hessen sich diese Leute in Rumänien nieder, um hier ungestört in eigenen , Fremden unzugänglichen Bethäusern ihren seltsamen Gebräuchen zu huldigen, und um das Geschäft der Eohnkutscher völlig unübertroffen zu betreiben. Weil nun die ganze Erscheinung- der Lipovener ebenso gefällig als reinlich genannt werden muss, kann die Vorliebe der Bojaren für sie nicht in Erstaunen setzen. Die vernachlässigten, jenen in's I landwerk pfuschenden Magyaren und Siebenbürger Rumänen sahen Sich dadurch genöthigt, Bueurescier Birjars, gleichfalls das malerische russische Kostüm anzulegen, denn nur so wurde es ihnen möglich, einen Bojaren in Beschlag zu nehmen. Beide (Truppen sind ziemlich streng geschieden, beide haben Assecuranzgesellschaften gebildet, aus deren Gassen demjenigen ein Pferd gekauft wird, dem unerwartet ein solches stirbt, und der mithin in Gefahr kommt, brodlos zu werden. Die Fahrtaxe ist ausserordentlich niedrig-, sie beträgt für eine Fahrt innerhalb der Barriere einen Leu, für eine Stunde zwei Lei. Man fährt mithin viermal so billig wie in Wien, wo die Miethwagenführer beispielslos theuer und roh sind. Fordert der Kutscher ja einmal einem LYemden gegenüber mehr, was besonders am Abend möglich, weil dann die feine Welt nach der Chaussee Kisseleff eilt, um frische Luft zu schöpfen, so muss man ihm seine Visitkarte überreichen und ihm rathen, er möge sich auf dem Polizeiamt beschweren. Auch in den Districtsstädten Rumäniens trifft man Lipovener als Wagenbesitzer, obgleich sie hier mehr und mehr durch schmierige Israeliten verdrängt werden. Die Taxe entspricht in den grösseren Orten der von Bucuresci, stellenweise, wie zum Beispiel in Romanü, wo eine Einspännerfahrt 30 Bani kostet, fährt man sogar noch billiger. Unvortheilhaft erscheint nur die Inanspruchnahme der Land-birjars. Diese verlangen fast immer 30—40 Lei für einen Tag-, trotz der vier eingespannten Pferde im Vergleich zu den Siebenbürger Taxen ein hoher Preis. Unser Birjar bringt uns schnell vorwärts. Bucuresci mit seinen Schönheiten und seinen Seltsamkeiten öffnet sich, und gleich auf den ersten Blick wird uns klar, dass wir hier nicht wie in Belgrad Gefahr laufen, unsere Seele durch eine kurze Reise zu verlieren. Wie in jeder Hinsicht ist die Hauptstadt Rumäniens derjenigen des Serbenreiches auch durch die T^flasterung- weit überlegen. Es gibt zwar noch Strassen, bei denen das Pflaster etwas an die Karpathenvorberge gemahnt, allein in der Regel hat man keinen Grund zur Klage. Die Schilderungen früherer Reisenden, denen zufolge Sumpf und Kothlöcher vorherrschten, sind gegenstandslos geworden. Und dies verdient um so mehr Bewunderung-, als Bucuresci an Ausdehnung hinter Berlin und Wien nur wenig zurücksteht. Gleich in der ersten Minute des Aufenthaltes erscheint es uns', als ob Bucuresci wohl eigentlich mehr den Namen der Melonenstadt als den der Freudenstadt verdiene. Volkslypcn. 19 Melonen an allen Ecken und Enden. Dort hockt ein Mann in einem Bretterverschlag, er hat sich ordentlich hinter den gelben Zuckermelonen und den grünen Wassermelonen vergraben. Und wie süss sind die ersteren, wie saftig, durststillend und labend die letzteren, wie billig beide! Während man in Budapest und Wien für eine grössere Melone 40—60 Kreuzer zahlt, entrichtet man hier 30—5o Bani. Dabei leben wir jedoch im Monat August; im September werden ganze Wagenladungen der köstlichen Früchte zur Elauptstadt geführt, dann kostet das Stück 10—20 Bani. In dieser Jahreszeit dient die Melone Tausenden und aber Tausenden als 1 lauptnahrungsmittel; nur gibt man der Wassermelone den Vorzug vor der süsseren Zuckermelone, der Genuss der ersteren soll unschädlich sein, während der der letzteren zuweilen Fieber erzeugt. Ausser dem Melonenhändler der Bretterbude geAvahren wir den herumziehenden. Ein gebogener Tragestock, an dessen Enden zwei Körbe herabhängen, dient dem Verkäufer zum Beiorderung-smittel. Zehn bis zwanzig schwere Melonen belasten die Behälter, und doch zieht der Mann ununterbrochen seines Weges, freilich infolge der schweren Fast mehr tänzelnd und schwebend. Unermüdlich ertönt «ein Ruf, er vermischt sich mit dem Geschrei derjenigen Händler, die mit Hühnern, Indians, Gänsen oder mit Paradeis, Gurken, Rüben, Milch und Cascavalü, dem beliebten Schafkäse, herumziehen. Ein anderer stehender Typus ist der Sacagiü. Er hat seinen Titel von saca (Fass) empfangen, seinem Berufe gemäss versorgt er die 1 lauptstadt mit Wasser. Da diese grosse Mengen der werthvollen Waare benöthigt, sieht man in jeder Strasse mehrere Sa-eagli mit zweiräderigen Karren und. kleinen, doch gut genährten Pferden einherhumpeln. Die Freudenstadt ist nut dem wichtigsten Bedürfnisse des Lebens noch immer schlecht versehen, glücklicherweise dürfte die Zeit der Wassernoth so gut wie vorüber sein. Früher bezog man das Trinkwasser nur direct von dem kleinen Flüsschen Dämbovh;a, welches munter aus den schönen Karpathen- 2* bergen hervorgeht und in seiner Jugend dank seines klarem Wassers manchen Hirten und Landmann entzückt. Ahnungslos schlängelt es sich durch die Ebene, bis es auf Lehmboden geräth; ihm sucht es sich schnellstens zu entwinden. Leider gelingt ihm dies nicht ohne Verlust seines schönen Aussehens. Unter solchen Umständen sind die oft gehörten Worte : Dämbovita apä dulce, Cine bea nu sc mai ducc (Süsses Wasser, wer dich getrunken hat, geht nicht wieder fort) ein Gegenstand des Spottes geworden. Heutigentags hat man die Dämbovifa regulirt, infolge dieses Vorganges aber sind eine Anzahl gutes Wasser liefernde Quellen zu Tage getreten. 'Damit müssen sich die schönen Bucurescierinnen bis zur Vollendung der grossen Wasserleitung von Cäm-pina, für deren Herstellung- man Millionen gezeichnet hat, begnügen. Sie wird dem armen Sacagiü den tödlichen Streich versetzen; zunächst verkauft er seine kostbare Ladung um guten Preis. Der letztere richtet sich ganz danach, von woher der Sacagiü seine Waare holt. Bezieht er sie von Filaretü, dann gäbt er das Pass für einen halben Leu, muss er weiter fahren, so lässt er sich einen ganzen Leu entrichten. Die kleinen zweiräderigen Karren wurden alle polizeilich numerirt, Abgaben zahlen ihre Führer nicht. Auf Erden ist indessen nichts umsonst, die Polizei hat sich daher das Recht ausbedungen, jede Nacht dreissig der Männer in ihren Räumlichkeiten schlafen zu lassen. Beim Ausbruch eines Leuers kommt es ihnen zu, augenblicklich dasselbe löschen zu helfen. Erwähnt sei noch, dass man das Wasser früher allgemein mit Hilfe von Alaun hltrirte; Alaun aber nennt der Rumäne äusserst treffend Piaträ acrä, den sauren Stein. Auffallend wirkt ferner in der Reihe der orientalischen Erscheinungen der Kohlenhändler; auch er trägst seine Waaren in zwei herabhängenden Körben. Neben ihm zeigt sich die Zigeunerin, ihre glühenden Augen suchen denjenigen, der ihr das Blumenkörbchen leeren soll. Sehr Volkstypen. häufig trifft man den Bragagiü. Er verkauft ein süsses, trübes Getränk, das seinen Ursprung der Kleie verdankt. Secundirt wird ihm vom Rahagiü, dem Spender orientalischer Süssigkeiten. Der Rahagiü ist in der Regel Bulgare oder Türke, sein Erzeugniss angeblich in Adrianopel geboren. Wie andere Leute bedient sich jedoch der Rahagiü der Täuschung, seine Waaren werden jetzt m Bucuresci erzeugt, und nur der Fremde glaubt an ihre Adria-uopeler Herkunft. Im Winter steht der Rahagiü auf den Strassen und bietet den Salepü »eil, einen den ärmeren Mann wohlthätig erwärmenden Thee. Alle diese Händler rufen ihre Waare in monotoner Weise aus, die Schlummernden in der Frühe aus dem Schlafe erweckend und nur die Köchin erfreuend, der uian die verschiedenartigsten Bedürfnisse ms 1 laus bringt. Die ■Kleidung der Verkäufer lst fast stets die nämliche. Barfuss kommen sie daher, den Körper dürftig durch ein weisses Hemd mit rothem Gurt verdeckt, das Haupt meistens mit einem Fes geziert. Im IIntel tönen uns durchaus deutsche Laute entgegen; Wiener, Süd- und Norddeutsche sind im ganzen Orient diejenigen Gasthaushalter, bei denen man einkehren muss, will man sich nicht der Gefahr aussetzen, mit Nachtlager Ka h agiu. und Beköstigung unzufrieden zu sein. Bei aller Intelligenz und allem Fortschritt der Rumänen muss ihren Wirthen doch die Geschmeidigkeit, der Ueberblick und die Tüchtigkeit der Deutschen abgesprochen werden. Uebrigens ist es in Rumänien stets räthlich, sich vor Bezug eines Quartiers genau nach dem Preise zu erkundigen; wehe dem, der dies unter seiner Würde hält. Ebenso muss mit Professionist oder Kaufmann verfahren werden. Ein Schlosser fordert beispielsweise fürOeffnung eines Schrankes 21/2 Fei, für einen neuen Schlüssel 2 Lei; im Lalle der Entrüstung lässt er ho°/0 nach. Im Verkaufsladen hat man sich darauf vorbereitet, 3O°/0 heruntergehen zu können, re-spective den Betrag als gute Beute einzucassieren. Im [ landelsstand zeichnen sich die Fremden nicht am vorteilhaftesten aus. Leute, die sich gezwungen sahen, ihrer Heimat flüchtigen Eusses den Rücken zu kehren, verschwanden in Rumänien; bankerotte Kaufherren, Männer, deren höchstes Ziel es war, rasch reich zu werden, widmeten dem armen, jahrhundertelang unter Türkenjoch und Phanariotenwirthschaff verblutenden Lande ihre Kraft und ihre Talente. Durch sie lernten die Morgenländer abendländische Cultur und Gesittung kennen, durch sie lernten sie jene Schlechtigkeiten, die ihnen bisher unbekannt geblieben. Wirthe, Kaufleute und sonstige Händler gehören vielfach dieser Kategorie an; löbliche Ausnahmen machen Ingenieure, Lehrer, Buchhändler, kurz Menschen, deren Beschäftigung eine idealere Denkart voraussetzt. Von den in Bucuresci und im ganzen Lande zu lindenden Fremden ernährt sich der Serbe hauptsächlich als Maurer und flirte, der Bulgare als Gärtner, der Franzose als galanter Abenteurer oder industrieller Unternehmer, der Grieche als Kaufmann, Commissionär und Spediteur. Seitdem der Tabak Monopol geworden, sind die armenischen Tabakhändler verschwunden; die Arnauten, früher als Eis- und Wasserhändler oder als Kawassen bekannt, haben dasselbe Schicksal erfahren, ebenso ist die Zahl der Italiener zusammengeschrumpft. Wohl arbeitet noch hie Beschäftigungen der Ausländer, 23 und da einer als Conditor, dagegen haben Rumänen und Zigeuner jetzt die Profession der Musiker ergriffen, italienische Künstler und Kaufleute wohnen in Bucuresci kaum noch ein halbes Dutzend. Der Deutsche treibt allerlei. Er ist Arzt, Lehrer, Kellner, Buchhändler, Kaufmann, Handwerker und vor allem Apotheker. Selbst in- Provinzstädten darf man die Apotheken in der Erwartung betreten, darin Deutsche als Leiter vorzufinden. Immerhin kann nicht oft genug betont werden, dass gerade die Deutschen bisher mit geringem Capital im Orient aufgetreten, während die Franzosen als Grossindustrielle, Leiter von Gasanstalten und anderen Etablissements walteten. Dies ein Grund, weshalb das romanische Edement besser angeschrieben ist als das germanische. Man rechne hiezu die geringe von den. hiesigen Deutschen erweckte Achtung, die natürliche Verwcindtschaft des Rumänen mit dem Franzosen, und es wird einleuchten, Warum die Sympathieen der Rumänen bisher den Franzosen gegolten haben. Selbst die sprichwörtliche Sittlichkeit der deutschen Hausfrau bewahrheitet sich in vielen Fällen nicht. Es gilt von deutschen Weibern oft dasselbe, Was man sich von ihnen in ungarischen und siebenbürgi-schen Städten erzählt: gerade solche, die durch ihre gesellschaftliche Stellung das Vorbild nicht nur der deutschen, sondern auch der rumänischen Damen sein sollten, liefern Stoff zu abscheulichen .Erzählungen. Manche der intelligenteren Germanen haben im Mutterlande ein Weib zurückgelassen, trotzdem aber in Rumänien ganz ungenirt zum zweiten Male geheiratet, und von den Professionisten sind viele nur zwei Tage wöchentlich thätig, in der übrigen Zeit berauscht oder Pfleger ihres Katzenjammers. Der Szekler ist sehr einseitig, er gibt den Elausknecht und den Holzhacker ab, gilt jedoch als äusserst arbeitsam, ungleich mannigfaltiger ist das Wirken des Zigeuners. Dieser spielt den Kegeljungen, den Musikanten, den Hufschmied, den Goldwräscher, den Händler mit Schlössern, den Erdarbeiter, den Schinder, und wenn es gerade räth- lieh erscheint, den Rossdieb und den Hehler. Durch den Verdacht eines dritten dunklen Gewerbes, den des Kupplers, thut man dem schwarzbraunen Gesellen unrecht. In der genannten Branche herrschen ziemlich unumschränkt die Israeliten. Originell dagegen dünkt uns eine vielfach geübte Beschäftigung des armen, verstossenen Sohnes Indiens. In rumänischen Restaurants schaltet und waltet der Zigeuner als Koch, das Schwelgen der Gäste in lucullischen Genüssen ist in erster Linie sein Verdienst! Was aber hat den Geächteten in die Geheimnisse der edlen Kochkunst eingeweiht? Die Leibeigenschaft war es, die Scla-verei, in der die Zigeuner bis vor drei Decennien gestanden. Damals war der Zigeuner das Spielzeug des Bojaren, die rechte Hand desselben, Kammerdiener und, dank seiner Schlauheit und Verschwiegenheit, vertrauter Freund in einer Person, unzertrennlich von dem Gebieter und höchstens für eine Stunde beseitigt, wenn ein vornehmer Gast auf dem. Bojarensitze weilte. Dies hinderte natürlich den Herrn keineswegs, die Angehörigen des Factotums kraft seines Eigenthumsrechtes öffentlich zu verkaufen. Nicht nur alte Chroniken, selbst Personen in mittleren Lebensjahren wissen von dem Jammergeschrei ganzer Flauten solcher Unglücklichen zu erzählen, deren einzige Sünde ihre Abstammung, ja oft nicht einmal diese, war. Man riss sie wie auf amerikanischen Sclavcnmärkten auseinander und verkaufte die Mutter hierhin, den Sohn dorthin. Auf vorstehendes, jetzt begrabene, menschenunwürdige Verhältnissist die Kochkunst der Zigeuner zurückzuführen, die braunen Sclaven erwiesen sich in der Küche gelehrig und aufmerksam. Die Juden treiben alles Mögliche, am liebsten, natürlich das, wo bei wenig Mühe viel Gewinn abfällt. Wie überall verstehen sie sich am besten auf den Wucher, obgleich ihnen Christen dabei ins Handwerk pfuschen. Hunderte von Procenten sind an der Tagesordnung, ein Napoleon muss oft nach einer Woche täglich mit 1 Leu verzinst werden. Fälle, wo Jemand wegen eines halben Fiunderts Beschäftigungen der Ausländer. 2 5 Lei Haus, Hof und Vermögen verloren, gehören nicht zu den Seltenheiten. Dabei erstreckt sich das Wuchernetz sogar auf die ärmeren Kreise, Eisenbahnbeamte und ähnliche arme Schlucker sind willkommene Beute. Merkwürdig ist das ziemlich concurrenzlose Betreiben der Dachdeckerkunst seitens der Israeliten. Man höre und staune: die schönen, glänzenden Blechdächer der Freudenstadt werden von jüdischen Meistern und jüdischen Gesellen hergestellt. Freilich muss man gleich eines hervorheben: die Häuser von Bucuresci sind meist ebenerdig- oder einstöckig; an den wenigen zweistöckigen Gebäuden haben sich die Israeliten gewiss nicht vergriffen, lebensgetährliche Professionen waren niemals ihre Vorliebe. Bei einer zweiten jüdischen Branche sieht man das recht deutlich. Die edlen Söhne Palästinas betreiben das Geschäft der Damenschneiderei und sollen darin Geschmack und Geschicklichkeit entwickeln. Das Heer der Modistinnen liefert den eleganten Lucurescler Damen natürlich Paris, und auf diesem Gebiete herrschen die Französinnen derart unumschränkt, dass der Begriff Modistin mit dem einer Französin beinahe zusammenfällt. Eine grosse Rolle spielen unter den Eingewanderten die Siebenbürger Rumänen. Ihre Zahl im ganzen Lande belauft sich auf mindestens 1Ö000; ihr Fleiss ist bekannt, ihre Tüchtigkeit bei weitem nicht nach Gebühr g-eschätzt. Sie stellen fünfzehn Abgeordnete der Kammer, Hunderte von Aerzten, Lehrern, Beamten und Redacteuren, Alles Leute, die ihre Heimat verlassen mussten, weil ihnen der magyarische Chauvinismus den Aufenthalt daselbst unleidlich gemacht. Für ihre Thätigkeit war jenseits der Karpathen kein Feld, in dem jungen Königreich aber können ihre Kräfte sehr gut verwendet werden. Die Einwanderung dieser intelligenten, schätzbaren Männer nimmt beständig zu, sie wird so lange anhalten, bis der magyarische Chauvinismus gestürzt wird und die Macht verliert, das rumänische Volk Siebenbürgens zu bedrücken. Und im Interesse der Siebenbürger Rumänen ist ein solcher Zeitpunkt herbeizuwünschen, es könnte sonst eine völlige Emtblössung tüch- tiger Kräfte des nationalen Elementes in Transsylvanien eintreten. Sämmtliche Ausländer standen früher direct unter ihrem Consul, ihm war sogar die Gerichtsbarkeit verliehen. Seit der Geburt des Königreiches hat sich das geändert: eine Ursache zur Klage für die EVemden, streng genommen nur eine den Verhältnissen entsprechende Verfügung. Ehemals war es heilsam, wenn der Westeuropäer einen möglichst weitgehenden Schutz seines Consulates genoss, türkische Willkür und türkischer Uebermuth wären sonst geneigt gewesen, ihm auf diese oder jene Weise das Leben zu verbittern. Mit dem Wegzug des türkischen Trosses und der Umwandlung'' der Fürstentümer in einen abendländischen Staat wurden jene Vorsichtsmassregeln hinfällig-. Die Behciuptung-, man erschwere dem Eingewanderten die Erwerbung des Zuständig-keitsrechtes, beruht zum Theil auf einem Gesetzesparagraphen, demzufolge Fremden nur gestattet ist, in den Städten (irundstücke zu erwerben. In Anbetracht des zweifelhaften Werthes der Ausländer dürfte diese Anordnung ein gutes .Schutzmittel für die eingeborne Bevölkerung sein. Ein feindseliger Charakter gegen diese oder jene Neitionalität wohnt ihr nicht inne, der Siebenbürger Sachse wird von ihr ebenso gut getroffen wie der Magyar, der Franzose oder der Rumäne aus der Kronstädter Gegend; ihre Spitze ist hauptsächlich gegen jene Heuschreckensch wärme von orthodoxen Israeliten gerichtet, welche früher zu Tausenden aus Galizien, Bessarabien und der Bukowina herüberströmten, um die ländliche Bevölkerung zu unterjochen und zu verderben. Unter den vielen haarsträubenden Schlechtigkeiten, mit denen man in Westeuropa die dunklen Berichte über Rumänien auszuschmücken liebt, steht eine enorme Theue-rung obenan. Bucuresci theilt in dieser Hinsicht das Schicksal Belgrads: der Fremde betritt beide Orte mit Herzklopfen. Hat er jedoch einen offenen Blick und etwas Acclimatisirungstalent, so ist sein Geldbeutel nicht mehr gefährdet als in einer anderen europäischen Metropole. Man studire in rumänischen Restaurants die nationale Küche, und man wird daselbst viel billiger leben als in Wien oder Berlin. Für die Existenz des Gastgebers braucht man nicht zu zittern, denn dieser bezieht alles äusserst wohlfeil. Kostet doch ein Kilogramm Rindfleisch in Bucuresci 70 Bani, in Provinzstädten 40—5o, in Craiova gar nur 2 5 Bani. Das Schweinefleisch steht ebenso im Preise, eine Gans wird hiit einem Leu bezahlt, eine Ente mit 60 Bani. Ein Kilogramm Butter erwirbt man in Craiova für 3 Lei, in Bucuresci allerdings für 8 Lei; dieses Nahrungsmittel muss aus Siebenbürgen eingeführt werden, da sich die rumänische Bäuerin noch nicht genügend auf seine Bereitung versteht. Vorweltliche Zustände herrschen in der kleinen Walachei, insbesondere in der Gegend von Tärgiüü-Jiuliü. Dort erhält man ein Huhn für 20 Bani. Wohnungen sind dagegen in ganz Rumänien theuer; für eine Doppelklafter Holz zahlt der Käufer in Craiova 70—100 Lei und für einen Centner Kohle 5 Lei. Dienstboten erhalten i5—30 Lei monatlich; dabei ziehen sie mit drei heranwachsenden, ausgehungerten Kinderchen ins Haus. Bei einer noch jugendlichen Magd ist es ein Glück, wenn sie wenigstens sechs Stunden täglich arbeitet und nicht mehr als einen Liebhaber zu beköstigen wünscht. Die Wäsche wird selbstverständlich an Waschweiber abgegeben. Was also eine sorgsame Hausfrau an Vortheilen geniesst, das wird durch allerlei Nachtheilt: wieder aufgewogen. Von der nationalen Küche kann man das Pilaf verzehren, Stücke gekochten Hühnerfleisches in einem Berge von Reis begraben, eine türkische Speise. Brathuhn am Spiesse bereitet, gebratener Kukuruz und gebackener Cascavalü (Schafkäse mit Eiern), dazu Sarmali mit Kraut, das ist gehacktes Fleisch in Kraut eingerollt, auch Ghiveci, Rindfleisch mit allerlei Gemüse, Dovlecei umplutf, gefüllter Kürbiss, Eui cu bame, Backhühner mit Barne, wird dem Ausländer allenfalls munden. Vor dem Mahle muss ein Gläschen Masticä oder Tuicä empfohlen werden, nach demselben echt türkischer Kaffee. Die Zubereitung desselben bildet kein Geheimniss mehr, Zucker und Kaffee füllen den Boden der kleinen Schale, heisses Wasser wird daraufgegossen, und das vorzügliche Getränk ist fertig. Der deutsche Milchkaffee ist in Rumänien nirgends gut, er reiht sich dem bekannten Blümchenkaffee würdig an. In den rumänischen Wirthshäusern bestehen noch einige lobenswerthe, in Westeuropa längst vergessene Einrichtungen. Will man z. B. eine Speise nicht annehmen, weil man sie sich besser vorgestellt, so schickt man sie ohne weiteres zurück und wählt eine andere; dasselbe gilt von Getränken. Niemand ist ferner gezwungen, eine ganze Elasche Borszeker Sauerwasser oder Wein zu bezahlen; berichtigt wird nur, um was der Inhalt der Flasche verkürzt worden; ebenso wenig verabreicht man dem „Gewölbs-burschen" ein Trinkgeld. Diese „Gewölbsburschen", dem Range nach Kellner, stehen in einem patriarchalischen Verhältnisse, wodurch ihr Fleiss und ihre Solidität augenscheinliche I^örderung erfahren. Sie müssen sich mindestens auf ein Jahr verdingen, sind gezwungen, zuerst in der Küche einzutreten, um allmählich zu nobleren Beschäf-tigung-en zu avanciren, und empfangen nur nach längerer Thätigkeit 20—30 Ducaten jährlich. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, sei auf einige deutsche Garteniocale hingewiesen; auch hier wird man des Abends bei Zigeunermusik gut und billig beköstigt Leider ist die Schattenseite naheliegend; gerade die deutschen und die böhmischen Wirthe verfielen vor Jahren auf die Idee, durch Engagement von Chansonettensängerinnen und anderen leichtlebigen Künstlerinnen ihr Geschäft zu heben und ihre Gäste zu fesseln. Der erste Schritt forderte zur Nachahmung auf, und bald schmachtete die Jugend Bucurescis in einigen Dutzend Etablissements in den Eesseln obscurer Künstlerinnen, hin solches Treiben entsprach ihrem auf den Pariser Boulevards gebildeten Geschmack, es reizte .Studenten, Officiere und Bojaren gleichmässig. Die Polizei ist, seitdem sie nicht mehr stundenlang- auf Befehl der Bojaren die Zig-eunersclaven prüg-elt, wirklich vom besten Willen beseelt. Sie legte sich also in's Mittel und forderte von den Schankhaltern für jede Vorstellung die Abgabe von 5o Lei. Da weder Wirth noch Gäste allzu innig an der Kunst hingen, wurde eines der Cafes chantants nach dem anderen geschlossen, und heute ist Bucuresci gänzlich frei von derartigen Pestbeulen abendländischer Uebercivilisation. Das Leben in der Freudenstadt beginnt ziemlich früh und endet spät. Es trägt ganz den Charakter wie in Städten des Südens. Ein blauer, wolkenloser Elimmel umfängt die Stadt, die .Sonne lässt ihre Strahlen unermüdlich in sengender Glut auf dem Häusermeere ruhen; kühlende Lüftchen sind sehr selten, bei ihrem Kosen fühlt sich der leidende Mensch unendlich gehoben. Unter solchen Umständen besitzt die Bauart der Stadt grossen Werth. Bucuresci umfasst nur 200000 Einwohner, und doch hält es drei Meilen im Umfang. Diese weite Ausdehnung erklärt sich aus der Anlage der Häuser. Mit Ausnahme der inneren Stadt stehen alle nach englischem Muster in einem Garten oder Hof, unberührt vom Nachbargebäude. Als zweite Wohlthat muss die niedere Bauart bezeichnet werden; fünfstöckige Zinskasernen wie sie in anderen Hauptstädten das Gemüth bedrücken, kennt man in Bucuresci nicht. Beide Wohlthaten sind bedingt durch die unglaubliche blitze, die weite Ebene und die häufigen Erdbeben früherer leiten, unter denen besonders die von 1793, 1802 und 18 1 7 hervorragen. Der Hauptverkehr vollzieht sich innerhalb der Altstadt °der, wie man noch immer zu sagen pflegt, innerhalb des rothen Viertel s. 1 )as grüne, gelbe, schwarze und blaue viertel bilden die vier übrigen Bezirke, sie umfassen das viel kleinere rothe Quartier von allen Seiten. Die Hauptverkehrsader heisst Calea Victoriel. Sie trennt das grüne Viertel vom gelben, berührt den Staatsrechnungshof, das königliche Schloss, das Nationaltheater, die Polizeipräfectur, die Spar- und 1 )epositencasse und endet an der Dämbovita. In diesen- .Strasse haben Juden, Deutsche und Rumänen Kaufläden, wo man alle Bedürfnisse des eleganten Pariser Lebens decken kann. Parfümerieläden, Schuh- und Kleidermagazine, Juwelier- und Uhrmachergewölbe locken durch den Glanz ihrer Waaren, Buchhandlungen paradiren mit den neuesten Erzeugnissen der französischen, rumänischen und deutschen Presse, elegante Conditoreien bieten Erfrischungen, dazu rollen Birjars rasselnd und nervenerschütternd über das harte Pflaster. In den Vormittagsstunden ist der Verkehr ziemlich schwach; um zwölf Uhr pflegt die feine Welt erst zu frühstücken, um fünf Uhr isst man zu Mittag, hierauf beginnt das eigentliche Leben. In dieser Zeit lässt die entsetzliche Glut ein wenig nach, das Thermometer — es hat 480 R. in der Sonne, 28° R. im Schatten gezeigt — fällt, und man athmet auf. Die eleganten "Damen der Freudenstadt kommen allmählich zum Vorschein, man besteigt einen Eiaker, und im pfeilschnellen Lauf geht es zur Chaussee Kisscleff, der ausserhalb der Stadtbarriere gelegenen I^ort-setzung der Calea Victoriei. Inmitten anmuthiger Parkanlagen führt die Strasse dahin, bis sie sich in Wiesen und Feldern verliert. Das ist das Paradies der Bucurescler, hier rollt man auf und ab, auch wohl stehenbleibend, um sich sehen zu lassen und gesehen zu werden. Da liegt die reiche Bojarin mit schwarzem Haar und dunklem Auge graciös in der Ecke des Wag-ens hingehaucht, neben ihr sitzt der ungleich ältere Gemahl, mit dem sie nur verbunden worden, weil ihre Eltern das Vermögen des Bräutigams zur Deckung- ihrer Schulden zu benützen wünschten. Ein Wag-en passirt, und ein junger Artillerieofficier in der hübschen, dunkelbraunen Uniform mit dem rothstreifigen Beinkleid fährt vorüber. Er grüsst, ein Blick der Schönen gibt ihm zu erkennen, wie sehr sie ein vertrauliches Stelldichein herbeiwünscht. Der Herr Gemahl ignorirt die Theure, seine Gedanken weilen in der Vorstadt. Dort hat er einer kleinen capriciösen E~ranzösin zwei Zimmer ge-miethet und eingerichtet. Das junge Geschöpf maltraitirt ihre Dienstboten, nicht minder quält sie ihn, doch der alte Chaussee Kisseleff und die eleganten Bncurcscierinnen. 3 I Herr weiss, was sich gebührt, er erträgt Alles -mit liebenswürdiger Eleganz. Seine gute Erziehung hat ihn auch gelehrt, Madame bei ihren kleinen Extravaganzen keinerlei Hindernisse in den Weg zu legen: er geht rechts, sie links. So war es in Bucuresci vor zehn Jahren, es ist heute noch Alles beim Alten geblieben, und was das Schlimmste, leider fehlt die Aussicht auf eine bessere Zukunft gänzlich. Die jungen Bojaren werden nach wie vor nach Paris zur Ausbildung geschickt; mit einigen aufgegriffenen gelehrten Phrasen kommt die Mehrzahl zurück und verbreitet, wenn nicht giftige Krankheiten, so doch giftige Sitten und Anschauungen. Der Sündenpfuhl wirkt fast immer, die bisherige mangelhafte weibliche Erziehung verbindet sich mit den Pariser Studienresultaten des Ehemannes, und das [{heieben ä la Paris und St. Petersburg beginnt. Lind mit Grazie wird es geführt, ähneln doch darin die Bucurescle-rinnen ihren Schwestern, den übrigen romanischen Frauen! Der Morgen wird im Bett verbracht, der Vormittag im Neglige, am Nachmittag- lang-weilt man sich, liest einen schlechten französischen Roman oder raucht, später fährt man aus, um am Abend in der Calea Victoriei zu prome-niren, zu charmiren und Erfrischungen einzunehmen. Küche und Haushalt machen wenig Scrupel, dagegen erfordert das neueste Pariser Modejournal volle Aufmerksamkeit. Und eine Königin der Toilette ist die Bucurescierin, selbst ihre Leinde müssen das gestehen! Zwar sind die Culs de Paris alle von erschreckender Grösse und die Hüte °ft thurmhoch, allein es passt zu der ganzen Erscheinung. Die l7arbenzusammenstellung ist eine tadellose, eine vom feinsten Geschmack diktirte. Die Bucurescierin schwebt wie die Pariserin gern in dunklen Stoffen daher; braun, ciivengrün, schwarzblau heissen ihre Farben, und vereinigt ;S1e mehrere, so trifft stets natürlicher Chic das Richtige. Besonders vortheilhaft unterscheidet sich Bucuresci von Budapest, wo man an einem warmen Sommerabend am ^onauquai fast nur Jüdinnen entdeckt, deren Geschmack sich auf himmelschreiende Art äussert. Die Bucurescierin vermeidet das, sie wirkt und siegt durch den Zauber, sich scheinbar einfach und doch elegant, sich scheinbar unauffällig und doch bemerklich zu kleiden. Die Casse des Ehemannes muss allerdings eine möglichst dicke Schicht besitzen, im anderen E'alle zürnen die schönen schwarzen Augen, und die langen Wimpern zucken nervös. Und dies passirt leicht, braucht doch eine Bucurescler Schöne monatlich mindestens zwei neue Kleider, von denen in Bucuresci ein jedes 5oo—800 Eei kostet; zu jeder Toilette gehört natürlich ein Hut für 60—100 Lei. Benöthigt eine Dame jährlich nur 12000 Lei, so kann sich der Ehemann glücklich schätzen; besitzt sie eigene Equipage, so reicht die genannte Summe nicht. Es wäre jedoch ein grosses Unrecht, wollte man alle vornehmen Damen mit diesem Masse messen. Viele unter ihnen befleissigen sich, eine gute Mutter ihrer Kinder und eine brave Gattin ihres Mannes zu sein, sie erfreuen sich einer vorzüglichen Bildung und sind in jeder Hinsicht äusserst schätzenswerth. Nicht nur an ihrer Grazie, auch an ihrer Tugend könnte sich die deutsche E rauenwelt ein Beispiel nehmen. Es ist mithin nicht räthlich, wie man es in Wien und Budapest gern thut, den Stein auf das gesammte weibliche Geschlecht Rumäniens zu werfen, besonders da bei einem Vergleich zwischen Bucuresci einerseits und Budapest und Klausenburg andererseits sich die letzteren Städte schwerlich ärmer an Skandalgeschichten erweisen würden. Damen, deren Reichthum oft ein unermesslicher, denen mehrere Dutzend luxuriös und geschmackvoll ausgestatteter Zimmer zur Verfügung stehen, sind soweit wirthschaftlich, als es ihre .Stellung erlaubt. Sie beaufsichtigen ihr Dienstpersonal, das selten aus weniger als sechs bis acht Köpfen besteht, sie achten darauf, dass ein Paar Hühner mit 1 Leu gekauft wird, und sie zürnen, wenn die Dienstboten rauchen, trinken und ihren Liebesabenteuern nachgehen. Selbst wandelt freilich nie eine Frau zum Markt, man lebt mehr oder weniger noch nach orientalischem Vorbild und hat, wie oben erwähnt, nur hinsichtlich der Moral Pariser Chaussee Kisselcft und die eleganten Bucurcscierinnen. 3 3 Freiheit nachgeahmt. Klug thut übrigens der Fremde, wenn er nicht allzusehr der Chronique scandaleuse lauscht, diese ist nirgends thätiger und bizarrer als in Rumänien. Heute hört man in einem Salon führende Loblieder auf diese oder jene Dame, morgen wird in einem anderen Kreise besagte Dame in den schwärzesten Farben geschildert. Das Nachtleben ist ein äusserst bewegtes. Da erglänzt in heller Beleuchtung- ein grosses Kaffeehaus, das Hauptquartier der Bojaren, nicht weit davon ein zweites, wo sich die Schriftsteller vereinigen, und ein drittes, von Officieren beherrschtes. Alle sind bis nach Mitternacht stark besucht, in den Nebenstrassen tönt das Wagengerassel noch länger fort, einige müde Schläfer aus ihren Träumen weckend, jene Damen, die man am liebsten nur halb zur Welt rechnet, schweben dahin und suchen durch ihre Toiletten zu fesseln.. Schminke und Puder sparen sie ebenso wenig wie ihre Rivalinnen, die verheirateten Frauen, beide bemühen sich redlich, die Parfümeriehändler zu Millionären zu machen. Nirgends wohl schminkt man sich mehr als in Rumänien, und wie nur der für gebildet gilt, der französisch spricht, so scheint man nur eine geschminkte Schönheit für salonfähig anzusehen; tagelang kann man in Bucuresci nach einer unbemalten vermögenden Rumänin suchen. Wenn man wenigstens das Anstreichen als Kunst betriebe und sich bemühte, der viel feurigeren Polin Concurrenz zu niachen! Aber ach, dies ist nicht der hall. Fingerdick hegt die Schicht schädlicher Substanzen; Hände und Hals erscheinen braun, das Gesicht kreidebleich oder roth wie em Truthahnlappen. Quecksilberoxyd, Salpetersäure, Blei-Weiss, Wismuth und andere Gifte werden bei der Herstellung der Schönheitsmedicin verwendet. Bei den Damen der Halbwelt ist das Malen freilich nöthig, denn ach, die meisten von ihnen blicken auf eine lange Thätigkeit in Budapest, Wien oder Klausenburg zurück. Lines muss jedoch zu ihren Gunsten gerühmt werden, ihr Betragen ist ein bescheidenes. Die Polizei übt Strenge, und Rumänien gehört noch lange nicht zu den Ländern, wo man 1 lungers sterben muss. Sind doch die jungen Bojaren gut erzogen, sie machen lieber Schulden, als dass sie ihren Günstling' darben lassen. Leider hat wiederum das Ausland das de-moralisirende Contingent gestellt. Sowohl in dieser Hinsicht, als auch in der Moral der Frauen haben die unaufhörlichen Occupationen, mit denen das Schicksal und russische Eroberungsgelüste das Land bedachten, schädlich gewirkt. Jedes russische oder österreichische Heer brachte in seinem Gefolge Cholera, Juden und zweifelhafte Damenwelt mit sich. Am ärgsten treiben es die Frauen in den sogenannten mittleren Gesellschaftsclassen. Sie bemühen sich, die Angehörigen der Aristokratie auszustechen, und da ihren Männern selbstredend weder ein entsprechendes Vermögen noch ein entsprechendes Einkommen zur Verfügung steht, leuchtet es ein, von welcher Art die Amtsführung derselben ist. Diese Damen halten es für eine Schande, im Haushalt selbst mitzuzugreifen; stets lieben sie es, die gewandten Rosselenker in Anspruch zu nehmen. Und geradezu staunenerregend ist es, wie viel in Bucuresci gefahren wird, und wer Alles fährt. Bei. Visiten gehört es ganz entschieden zum guten Ton vorzufahren, und wird Jemand allzuoft fusswandelnd getroffen, so beginnt man in gewissen Kreisen, an seiner Bildung oder an seinem Verstände zu zweifeln. Ein solcher Brauch ist indessen begreiflich. In einer Stadt, die einem Glühofen ähnelt, kann es wirklich als Qual bezeichnet werden, seine Körperlast selbst durch die Strassen zu schleppen. Zudem geht es hier wie überall, ein Jeder sucht es dem Nächsten gleich zu thun, ein Jeder befleissigt sich, Bojarenmanier nachzuahmen. Endlich mag die frühere Beschaffenheit der Stadt daran Schuld gewesen sein. Noch vor einem halben Jahrhundert waren blos die Hauptstrassen gepflastert, in den Nebengassen wandelte man auf Balkengängen dahin. Des Nachts trug ein Jeder eine Laterne bei sich, um nicht in den Graben zu fallen; wer keine besass, wurde arretirt, weil man glaubte, er habe Grund, das Licht zu scheuen. Wer bei Regenwetter nicht das Der Park Cismegiu. ß £ Leben oder die Stiefel verlieren wollte, war gezwungen, sich einem Vehikel anzuvertrauen. Heutzutage könnte man, dank der lobenswerthen Instandhaltung der Strassen, dahin-wandeln, ohne sich sonderlich zu beschädigen oder zu beschmutzen, es müsste denn ein Zusammenstoss mit einem Kohlenträger oder vag-abundirenden Zigeuner erfolgen, allein der frühere Zwang hat unwillkürlich beigetragen, die jetzige Gewohnheit zu befestigen. Und dann fährt man ja so ausserordentlich billig' und gut! Inmitten der Freudenstadt liegt Cismegiu, ein ziemlich umfangreicher Park. Man kommt von der schönen, grossen protestantischen Kirche und betritt den Ort nach Passirung einiger mit Villen besetzten Strassen. Cismegiu ähnelt hinsichtlich des Charakters jenen deutschen Pcirkanlagen, die am Ende vieler Provinzstädte den umwohnenden Familien als Kinderheim und Tummelplatz dienen. Cismegiu ist ein Mittelding zwischen Wiener Stadtpark und Wiener Augarten, es deckt sich völlig mit dem Budapester Stadtwäldchen. Schöne Trauerweiden beschatten mit ihren langen Zweigen das Wasser eines grossen Teiches. Hell und glänzend ruht der weite Spiegel im .Sonnenlicht, er ist rein, nur in den Einbuchtungen des Ufers scheint es den Wasserpflanzen gelungen, ein kleines Reich zu gründen. Am südlichen Ende schaukeln sich einige Kähne, darüber ragt ein schlichter Bau empor. Ihm wird ohne Zweifel eine schöne Mission zutheil werden. Bei hereinbrechendem Winter, wenn die weite rumänische Ebene einem unermesslichen, wehmüthigen Leichentuch ähnelt, wird die elegante Welt anfahren, um bei losem Getändel die glatte Eisfläche schwebend zu durchmessen. Der Anblick, den Cismegiu ]n solcher Zeit gewährt, muss ein höchst gewinnender sein. Jetzt besteht der schönste .Schmuck in Gruppen grosser Laubbäume, Pappeln und Platanen, in deren Schatten zahlreiche Bänke zur Ruhe einladen. Der Blick schweift über die Wasserfläche, man lauscht dem Plätschern eines im 1 eiche angelegten Springbrunnens, und man freut sich an dem stolzen Dahinsegeln mehrerer .Schwäne. Rückwärts 3* steht eine breite, kühlungspendende Allee, sie dient mit ihren Dutzenden von Bänken einem Heer von Kindermädchen, Ammen und heimatlosen Gentlemen zum Ruheort. Das ist das Sanssouci Bucurescis, es wird, dank der geringeren Bevölkerungsdichtigkeit und dem natürlichen Reichthum des Bandes, sicherlich seltener durch Lebensüberdrüssige entweiht, als das Budapester Stadtwäldchen oder der Wiener Prater. Ausser Cismegiu verfügt Bucuresci über den erzbischöflichen Garten in der Calea Victoriei und den St. Georgsgarten , gleichfalls der inneren .Stadt angehörend. Beide sind mit ihren stattlichen Bäumen und ihren gutgepfiegten Rasenteppichen im Sommer wahre Erquickungsorte der halb verschmachteten Bevölkerung. Der grösste Theil der Fremden wird heutigentags von Bucuresci angenehm überrascht werden. Ihm schweben bei der Ankunft zweifelsohne die Berichte einiger älterer Reisenden vor, denen zufolge die Freudenstadt ein elendes Gewirr schmutziger Baulichkeiten, ein wasserarmes, heberreiches und ausgedehntes Nest sein soll. Von allen diesen liebenswürdigen Attributen entspricht keines mehr der Wahrheit. Dagegen beruht es durchaus nicht auf Ueber-treibung, wenn man verkündet, kein anderer Ort verdiene eher den Namen „die Villenstadt" als Bucuresci. Die Zahl der schönen, ebenerdigen, höchstens einstöckigen Landhäuser ist geradezu eine unglaubliche. Wo man nur immer von den wenigen Geschäftsadern abbiegen mag, werden sich die Strassen als ein originelles Gemisch von Prachtbauten und Behausungen armer Leute erweisen. Die von schönem Blumenflor umgebene Villa des Bojaren, des hohen Beamten oder des reichen Kaufmannes prangt in friedlicher Nachbarschaft mit dem Heim des Professio'nisten, der Baracke des Eruchthändlers, dem Häuschen des Tag-löhners. Ueberall aber scheint es, als trügen die gefälligeren Schöpfungen den Sieg davon, als wäre die Zeit nicht mehr fern, wo in den im Centrum gelegenen .Strassen die dürftigen Wohnungen ganz verschwinden müssten, damit Der Park Cismegiu. 37 sich die Häuser der Vornehmen nur in guter Gesellschaft erheben können. Es ist, als werde hier ein Kampf geführt wie zwischen dem kühn emporstrebenden Tag- und der unterliegenden Nacht. Und dabei hilft die Natur dem Glänze und der Schönheit. In den Gärten der Vermögenden grüssen die Blätter des mächtigen Victus, leuchten im Sonnenschein die Früchte des Orangenbaumes, lockt die Citrone und wiegt sich die bereits Mitte August zur Reife gelangende Weintraube. Man hat gesagt, es existire in ganz Bucuresci kein einziges stylgerechtes Gebäude. Gott sei Dank, wieder eine Uebertreibung, das Auge wird in jeder Strasse mindestens ein Haus wahrnehmen, an dessen Formen es sich erfreuen kann. Etwas Anderes ist es mit der Belebtheit der Strassen. Durchschnittlich trifft man in jeder Gasse des äusseren Viertels zehn Menschen, mehr zu erwarten hiesse allzu optimistisch dahinwandeln. Ausnahmsweise belebt vielleicht ein verirrter Fiaker, ein grunzendes Schwein, das sich behaglich an einem Zaune reibt, eine Gruppe von italienischen Maurern, von Taglöhnerdienste versehenden Zigeunern das Bild. Angenehm berührt aber ein Blick in die Strassen der Vorstadt trotzdem. Da trifft man noch kleinere, trauliche Hütten, in jedem Garten zeigt sich die grosse, g-elbe Sonnenblume und neben ihr häufig ein schwarzhaariges Weib oder Mädchen, sicherlich im reichen Haar eine rothe oder weisse Blume. Man wird vielleicht geneigt sein, an der Wahrheit des Gesagten zu zweifeln, man wird glauben, dass hier wie in anderen Hauptstädten grosses Volksgewühl herrschen müsse und die Zahl, der pecuniär Bevorzugten eine verschwindende sei; allein man vergesse nicht, Bucuresci ist nach wie vor alles Andere als ein E'abriksort. Stundenlang kann man dahin,schlendern, ohne durch einen dampfenden Schlot Belästigung zu erfahren, werden doch sogar die wenigen Druckereien ohne Dampfkraft geleitet. Bucuresci ist eben noch immer die Ereudenstadt, die Stadt des I Aixus, der noblen Passionen und der Langeweile. Gleich in den ersten Tagen unseres Aufenthaltes wird uns das Schauspiel eines beachtenswerthen Leichenzuges zutheil. Schwarzberänderte Plakate verkünden, die Freudenstadt habe ihr Oberhaupt verloren. Der Bürgermeister ist todt, am Sonntag Nachmittag sollen seine irdischen Ueber-reste durch die Strassen zur ewigen Ruhe geführt werden. Wir beharren in unserem Quartier und beobachten das sich sammelnde Volk. Line bunte Mischung, Da ist der zerlumpte, tief braune Zigeuner, das junge, schmutzige Zi-gcunermädchen, der halbeuropäisirte Jude, die zartgebaute Bäuerin im glänzenden Nationalcostüm, der schlichte deutsche Handwerker, der barfuss daherschwebende Rahagiü, der zwilchgekleidete Soldat, der ebenfalls weissgekleidete Diener dieses oder jenes Bureaus, Glockengeläute verkündet den Beginn der Feierlichkeit, zwei königliche Gendarmen avisiren das Herannahen des Zuges. Diese Gendarmen gehören zu dem Stattlichsten, was man in Rumänien bewundern kann. Es sind grosse, schöngebaute Leute mit sclwarzem .Schnurrbart und kühnem Blick. Ihre kräftigen Pferde glänzen, ihre Uniform ist eine äusserst imponirende. Ein Helm mit mächtigem Federbusch deckt das Haupt, ein blauer Waffenrock mit rothen Aufschlägen, weisse Lederhosen, hohe Stulpenstiefel bilden die Tracht, weisse Fausthandschuhe vollenden die letztere. Die Truppe wurde erst kürzlich errichtet und gemahnt an die preussischen Lliteschaaren, zugleich, ist sie ein Mittelding zwischen den I lofgendarmen und der Arcierengarde der Wiener Hofburg. Tadeinswerth erscheinen nur die grauen Diensthosen, sie sind entsetzlich weit und lang, so dass die Leute kaum zu Fuss gehen können. Den Zug eröffnet ein Officier der Gendarmerie, ihm folgen, die ganze Breite der Strasse einnehmend, zwei Reihen Gendarmen zu je sechs Reitern. Hinter ihnen führt man den Blumen wagen, er enthält grosse, mit Schleifen gezierte Kränze aus gelben und violetten Blumen. Mit ihm wrandeln acht Vereine nebst Fahnen. Die Summe ihrer Mitglieder überschreitet schwerlich die Zahl sechzig, Das Leichenbegängniss des Bürgermeisters. 39 und der Umstand, dass sie nicht die geringste feierliche Stimmung- verrathen, sich vielmehr ohne Ordnung dciher-wälzen, berührt gar merkwürdig. Drei Diener treten auf, sie tragen bemalte Schilder, ihnen folgen acht Fiaker, mittelst derer die Geistlichkeit einhergerumpelt wird. Die grün-, blau- oder braungekleideten Herren Popen schneiden ziemlich stumpfsinnige Gesichter; ihnen möchte es gar nichts schaden, wenn sie wie die übrigen Leidtragenden zu Fuss wandelten, den Eindruck etwas feierlicher gestaltend. Infanteristen mit umgestürztem Gewehr zeigen das Nahen des Trauerwagens an. Dieser bildet das einzige staunenerregende Object der ersten Abtheilung des Conductes. Die acht mit schwarzen, gelbverzierten Decken behangenen Rappen führen den vergoldeten, blumengeschmückten Wag-en langsam vorüber. E'ast einen Stock hoch ragt die Spitze des Gefährtes empor. Leider wird der erhebende Eindruck sofort durch die Armee der trauernden Lionoratioren verwischt, welche sich gleich einem Ameisenschwarm vorüber-presst. »Statt paarweise, ernst und gesetzt dahinzuwandeln, lauft Jeder, wie es ihm gerade in den Sinn kommt. Graue, schwarze, blaue Sonnenschirme werden durch die Luft geschwenkt, Officiere in allen möglichen Uniformen plaudern mit diesem oder jenem Bürger, sich dabei die Stirn abtrocknend. Es ist wahr, die I litze ist eine drückende, sie kann unmöglich der Ordnung- förderlich sein: allein man hatte ja den Vater der Stadt ebensogut am späten Abend der Erde übergeben können. Einige prachtvolle herrschaftliche Wagen, sowie etwa zwanzig Fiaker beschliessen die erste Hälfte des unerquicklichen Schauspiels, von ihm haben Wir uns dem Range des Verblichenen entsprechend ganz andere Vorstellungen gemacht. Der zweite Theil des Zuges erregt unser Interesse im höchsten Grade, er enthebt uns des Wunsches, 'einer rumänischen Parade beizuwohnen. Der Vorübermarsch einer stattlichen Truppenmacht erfreut das Auge und gibt Gelegenheit, das zu bewundern, was der tüchtige Abkömmling der Liohenzollern mit gerechtem Stolz als sein Werk bezeichnen darf. Zwölf berittene Gendarmen, ein General, drei Adjutanten, zwei weitere Gendarmen und ein Oberst der Infanterie steilen die Spitze dar. Musik verkündet das Nahen der Krieger, 7 Hornisten, 7 Tambours und ein Musikcorps bilden die Bande. Ein berittener Officier führt sodann Infanterie in vier Zügen vorüber, denen eine Fahne, begleitet von sechs Unterofficieren, beigegeben wurde. Vier weitere Züge ä zwanzig Mann und ein ebenso organisirtes zweites Bataillon folgen. Jetzt rasseln vier Kanonen heran, jede sechsspännig, die Bedienungsmannschaft in zwei Reihen zu Fuss. Kaum sind sie vorüber, erkennen wir ein munterem Pferdegetrappel die allgemein beliebten Rosiori. Zwei .Schwadronen der gefälligen, anmuthigen Reiter werden sichtbar. Sie erinnern in ihrer Tracht an die preussischen rothen Husaren, führen jedoch im ersten Glied eine Lanze mit roth und weissem Fähnchen, im zweiten Säbel und Karabiner. Die schmucken Pferde der Officiere tänzeln selbstgefällig einher, den Elals durch einen langherabhängenden, weissen Rossschweif geziert. . Die Rosiori sind wie leicht begreiflich die 1 leiden der Bucurescier Salons und erregen wirklich durch ihr kühnes, sonnengebräuntes Antlitz und ihre unglaublich kleinen und fürchterlich blanken Stiefelchen wohlverdientes Interesse. Kaum ist das Militär verschwunden, so erhebt sich ein entsetzlicher Lärm, denn jetzt verläuft sich die schaulustige Menge. Zugleich suchen sich einige Dutzend der verschiedenartigsten I^ahrzeuge, denen der lange Zug das Weiterkommen verwehrt, Bahn zu brechen. Wir aber ziehen uns zurück, dem Zufall dankend, der uns gestattete, ein militärisches Schauspiel zu gemessen. Uebrigens fürchtet man auch für das Leben des Metropoliten. Der alte Herr ist bereits mehreremale todtgesagt worden, und wir erfahren, der hohe Priester solle alter Sitte zufolge nach wirklichem Verscheiden, auf einem Stuhle sitzend, durch die Strassen getragen werden. Einige Tage wird er, überschüttet mit Blumen, den Blicken der Menge preisgegeben , dann gedenkt man ihn, unterstützt von vier Das Leichenbegänglliss des Bikgermeistcrs. A \ jungen Geistlichen, seinen letzten Spaziergang durch die Hauptstadt antreten zu lassen. Nach Vollendung desselben bringt man den Todten zur Eisenbahn, die ihn bis Pascani befördert, von wo die Reise zum Kloster Neamtu weitergeht. So tritt hie und da ein Zug zutage, der mit seltsam beredten Worten verkündet, dass noch nicht alle orientalischen Krebsschäden im alten Dacien überwunden sind. 2. In der Moldau. Mit dem Dampfross. — Bäcäu, eine Districtsstadt. — Die Csango-Magyaren und die Zigeuner. — Romanü. — Die Landgüter von Dulcesci und Micläu-seni. — Jasi. — Im israelitischen Theater. — Zur russischen Grenze. — Ein Judenstädtchen inmitten der Steppe. — Botosani. — Judengeschichten. Auf die fürchterlicfie, geisttödtende Hitze ist ein belebender Temperaturabschlag gefolgt. Schon gestern fühlten sich alle Rheumatismusleidenden äusserst unbehaglich, und heute Nacht drang ein so kühles Lüftchen durch die geöffneten Fenster, dass man die bisher verächtlich weggeschleuderten Bettdecken liebevoll an sich zog. Auf dem Nordbahnhof empfängt uns in Reih' und Glied eine Legion Gepäckträger, über hundert Personen tummeln sich in den verschiedenen Räumen des praktisch eingerichteten Gebäudes. Heftiges Klingeln, stürmisches Hasten einiger Damen zeigt den Abgang des Zuges der Walachei an; nach einer halben Stunde werden auch wir langsam hinausgerollt auf die weite, scheinbiir dorflose Ebene. Wie wir uns überzeugen können, betrachtet man den Schienenweg in Rumänien als ein herrenloses Spielzeug, Gemütlichkeit gilt als schönste Tugend. Den Passagieren wird keineswegs verwehrt, dem sich in Bewegung setzenden Zug nachzueilen und während des Fahrens aufzuspringen; verunglückt Jemand, so thut das doch wohl nur ihm weh. Will man den Sprung wagen, nur zu, der Direction kann ein Passagier mehr blos angenehm sein, und der arme Teufel hat ja keine Uhr, kann also leicht die richtige Zeit verpassen! In Rumänien ist man in diesen Dingen wirklich vernünftiger als in Westeuropa, wo schon Alancher Mit dem Dampfross. 43 wegen eines derartigen geringen Vergehens allerlei Unannehmlichkeiten und .Strafen verfallen, ein Opfer der Übeln Laune eines Bahnbediensteten. Ueberhaupt ist den rumänischen Bahnbeamten eine gewisse Courtoisie und Duldsamkeit nachzusagen, wobei jedoch nicht behauptet werden seil, die vielbesprochene Entfernung der deutschen Angestellten habe dem Lande zum Heile gereicht. Bekanntlich sind die rumänischen Staatsbahnen das Werk deutscher Unternehmer, und der Name des genialen, vielfach genausten Strausberg wird in Rumänien unvergessen bleiben, dieser Mann gab kurz nach dem Regierungsantritt des König Karl, dem Rufe des rumänischen Volkes gemäss, dem Lande die ersten Eisenbahnen. Mit welchen Schwierigkeiten und mit welchen Unkosten Strousberg zu kämpfen hatte, das vermag nur der zu ermessen, der mitgewirkt. Nicht genug damit, dass selbst der kleinste Nagel vom Ausland bezogen werden musste, fehlte es auch im Lande selbst an allen erdenklichen Behelfen. Brunnen waren zu graben, die lächerlichsten, unvorhergesehensten Kosten traten ein, und führte Strousberg die Linie abseits der Stadt vorbei, weil ihm ein Gütsbesitzer das Laad gegen Errichtung einer Station auf seinem Grund und Boden gratis überlassen, so erhob sich ein .Sturm des Unwillens. Weil nun aber die ersten rumänischen Eisenbahnen Erzeugnisse des deutschen Geistes, des deutschen Fleisses und deutscher Hände, erscheint die grosse Zahl der deutschen Beamten begreiflich, die den Bahnverkehr leiteten Und überwachten. Man konnte an irgend welche Casse herantreten und mit irgend welchem Conducteur sprechen, Himer war man sicher, deutsche Laute zu vernehmen. Wie uberall thaten diese Leute ihre Pflicht gewandt, ernst und Pünktlich. Vor einer Reihe von Jahren drangen laute Klagen nach dem deutschen Mutterlande. Eis hiess, man beginne die Deutschen abzusetzen und ihre Verrichtungen an Rumänen zu ubertragen, besonders fühle sich das niedere Bahnpersonal avon betroffen. Die Rumänen vermögen die Wahrheit solcher [Beschuldigungen nicht in Abrede zu stellen, sie philosophiren jedoch zu ihrer Verteidigung folgender* massen. Wenn, sagen sie, die Chinesen ein neues, den Deutschen unbegreifliches Beförderungsmittel entdecken, ersucht man höchstwahrscheinlich in Deutschland die Zopfträger, sie möchten daselbst die neue Erfindung einführen. Sobald nun die Germanen durch die Asiaten den Betrieb gelernt, werden sie sich nicht entblöden, mit bestem Dank die Helfer heimzusenden, um mit Angehörigen des eigenen Volkes die betreffenden Posten zu versehen. Die Rumänen meinen, Niemand würde ein solches Benehmen in Deutschland ungerecht nennen, und wie uns dünkt, dürften sie das Richtige getroffen haben. Die in Rumänien lebenden Deutschen können nicht gegen obige Philosophie ankämpfen, doch fügen sie grollend hinzu, in der Entfernung der deutschen Beamten liege die Erklärung der sich beständig häufenden Eisenbahnunfälle. Als Erwiderung sollte man auf die in erschreckender Zunahme begriffenen Fatalitäten in Nord- und Süddeutschland verweisen, es genügt indessen die Thatsache, dass falsche Weichenstellung meistens die Dienststörungen bedingt. Die Weichensteller waren aber niemals Deutsche, dergleichen niedere Posten wurden immer mit Rumänen besetzt. Von Ploesci wenden wir uns nach Osten. Die blaue Kette der uns liebgewordenen Karpathen winkt in leichten Umrissen herüber, an ihr hin gleitet der Zug. Leider bleibt unsere Sehnsucht ungestillt, das Dampfross durchschneidet lieber üppige Kukuruzfelder oder unbebauten Boden, als in die kühlen Vorberge der Karpathen einzudringen, und uns erübrigt nur die Hoffnung- auf ein späteres Wiedersehen. Inzwischen fliegt ein hübscher, lauschiger Eichenwald vorbei; *an seinem Rande weidet eine Heerde des schwächlichen, weissen rumänischen ! lornviehes; Dörfer sind nicht sichtbar, kaum übersehbare Kukuruzfelder und endlose Steppen verleihen der Gegend einen ernsten Charakter. Wohl ist die Landschaft am Tage reizlos, weil die glühenden Sonnenstrahlen das Athmen zur Qual stempeln, allein in lauer .Sommernacht muss auch dieses Vorland seinen Zauber besitzen. Die silberne Scheibe des Mondes wird auf die weite Ebene herabblicken, die Rosse werden nut zusammengebundenen Vorderfiissen grasen, und die dunkle Bergkette muss dann eine so unwiderstehliche Kraft auf den Menschen ausüben, dass er sich erhebt, um den Höhen zuzuwandeln, sich am Glänze der Sterne erfreuend Ur>d den Stimmen der Natur lauschend. Mizilü, ein kleiner Ort, zwischen uns und dem Gebirge gelegen, präsentirt sich im Sonnenglanz und bietet ein 0riginelles Bild dar. Die winzigen Häuser reihen sich 2lemlich dicht aneinander, ihre weisse, glänzende Aussen-seite sticht scharf von dem elenden Stroh und Reisig ]hrer Dächer ab. Mitten aus dem Gewirr der zwerghaften Hütten ragen zwei prachtvolle Gotteshäuser empor, das eine mit einem grossen und zwei kleinen Thürmen, das andere mit einem dicken runden Thurm, dessen Spitze roth ^gestrichen ist, dessen Mittelpunkt aber aus einer flimmernden Blechumfassung besteht. Elende Häuschen, halb unter der Erde verborgen, eine kothige Fläche mit Schalend Kuhheerden vollenden das idyllische Bild, bei dem natürlich ein Dutzend nackter Kinder, hie und da ein monotoner Ziehbrunnen und zwei städtisch gekleidete Hebräer nicht fehlen dürfen; gestört wird die behagliche Ruhe blos A°n einer Armee schnatternder Gänse. Auf der nächsten Haltestelle finden wir grosse Fabriks-gebäude und Hunderte von I'ässern und Transportwagen für (>troleum. Eine Viertelstunde später erreichen wir Buzeü. (,n Anblick gleicht wie der der meisten rumänischen Städte dem von Mizilü. Auf dem Bahnhofe muss laut ährplan eine Restauration etablirt sein. Wir entdecken vSle in der That und können an wohlvorbereiteter Tafel El * ^ *atz nehmen. Das Bild einer solchen rumänischen Bahn-e-fsrestauration ist freilich wenig anziehend. Die Eocali-aten entsprechen nur bescheidenen Anforderungen; die Speisen sind besser als die Getränke. Das an einem gewöhnlichen Tage anzutreffende reisende Publicum setzt sich in der Hauptsache aus Personen männlichen Geschlechtes zusammen, es besteht aus Officieren, Kaufleuten, Beamten in Waggons erster und zweiter Classe, aus Bauern, Handwerkern, Soldaten und Juden in der dritten Cdasse. Die letzteren Gewächse schiessen um so zahlreicher hervor, je mehr man in die Moldau eindringt. Auf allen Stationen, selbst auf kleineren, mühen sich stets ein halbes Dutzend Menschen, dem Reisenden das Dasein zu erleichtern und ihn vor dem Hungertode zu bewahren. Da promenirt ein schwarzbrauner Gesell, der unermüdlich in hölzernem Behälter seine Dulce limonada (Citronenwasser) ausbietet. Um fünf Bani erwerben wir ein Glas und laben uns an der Frische des Getränkes. Ein Zweiter hält Bragä feil. Wir fühlen natürlich die Verpflichtung, alles Originelle kennen zu lernen und lassen uns unter Seufzen und Beben die trübe Flüssigkeit überreichen. Doch sie ist schöner als ihre E'arbe, sie wirkt ungemein kühlend, was für den gewöhnlichen Mann, dem unmöglich Eis und Eiswasser zur Verfügung steht, jedenfalls die Hauptsache; das Fieber dürfte durch Bragä eher ferngehalten als herbeigezogen werden. Andere bereits cultivirtere Elxemplare des Handels-standes spazieren mit Sonnenschirm und umgehängtem Korb herum; in letzterem ruhen Zuckermandeln, Elaselnüsse und dergleichen Leckereien. Mehrere Weiber hocken beiseite, sie wiegen für zwanzig Bani fünf Birnen ab und übertreffen an Schachertalent die schmächtigen Brctzel-verkäufer, deren runde Artikel gerade nicht allzu appetitlich dreinschauen. Einer von ihnen hat die Hände gefaltet und die Arme bis zur Achselhöhle mit Bretzeln geschmückt, er hofft dadurch Aufsehen zu erregen und Geschäftsfreunde zu entdecken. Selbst auf völlig unbedeutenden Haltestellen wird man uns im Sommer schöne Birnen und entsetzlich unreife Pflaumen, im Herbste überall das wundervollste Obst, oft äusserst geschmackvoll in zierlichen Körbchen aufgestapelt, anbieten. Vornehmlich stellt die Gegend von Pitescl durch ihre unübertrefflichen Pfirsiche, Birnen und Weintrauben alle anderen in den Schatten. In dieser Hinsicht bekunden die Rumänen weit mehr Gewecktheit als die Deutschen und weit mehr Handelstalent als die Magyaren, bei welchen A^ölkern man oft stundenlang- vergebens nach der geringsten Erquickung rufen kann. Puzeü treibt verhältnissmässig starken Gemüsebau. Hinter dem Orte zeigen sich grosse Zwiebelanlagen, lange Strecken mit Rüben, Mohn und anderen nützlichen Gewachsen. Weiterhin geht es an Feldern vorüber, wie sie ln solcher Ausdehnung in Deutschland unbekannt sind. Das Korn liegt abgemäht in Haufen geschichtet; zuweilen thun sich Schaaren von Krähen daran gütlich, es hätte schon längst in die Scheunen geschafft werden sollen. Rämnicü-Säratü ist eine Districtsstadt mit 7000 Einwohnern, Sitz eines Bischofs und angeblich Inhaberin mehrerer schöner Bojarenpaläste. Von unserm Beobachtungs-Posten aus sehen wir von all' diesen Herrlichkeiten nicht das Geringste, wir gewahren nur eine grosse Gruppe von Müschen und Pappeln, aus der zwei Dutzend Hütten hervorragen. Dagegen fahren wir ganz unerwartet eine Strecke hinter der Station inmitten eines üppigen, geheimnissvolles Dunkel gewährenden Laubwaldes dahin, dessen Eichen, fauchen, ({sehen und Erlen uns recht lockend grüssen. Hie in kleinen Haltestellen rastenden oder einsteigenden Weiber verrathen bereits ein hässliches Uebel der Moldau: die ursprüngliche schöne Nationaltracht liegt hier in den letzten Zuckungen. Die Frauen kleiden sich während der Woche beliebig, sie hüllen sich in rothe, braune oder ^raue Röcke und binden ebensolche Schürzen darüber. Helten glänzt ein weisses Hemd mit schwarzen Stickereien, dagegen wird man sich in vielen Districten über den 1 staunlichen Luxus und über die abscheulich geschminkten Wangen der Dorfbewohnerinnen wundern. Die Intelligenz der Provinzstädte trägt sich selbstverständlich nach Bucu-rescler Vorbild, es wiederholt sich hier das Nämliche, was lr in Siebenbürgen und Ungarn beobachtet. Gerade in den kleineren Landstädtehen verwendet man mit peinlicher Gewissenhaftigkeit die neuesten Pariser Erfindungen, und wie man in Klausenburg, Temesvar und Neusatz an Luxus nicht hinter Budapest zurücksteht, so hier nicht hinter Bucuresci. Nach kurzer Fahrt sind wir in Focsani, wo war über den Milcovü setzen, ein äusserst schmutziges Wasser. Rechts aber, in jener duftigen, lockenden Ferne, am Fusse mächtiger Berge, liegt Odobesci, der berühmteste Weinort der Moldau. Einige seiner Eläuser leuchten herüber, die Hauptmasse ist unsichtbar. Dasselbe gilt vom Gebirge, eine graue Wolke umhüllt es, offenbar wohlthätigen Regen spendend. Die Nachbarberge haben sich einen Kranz weisser Wolken um das schwarzgrüne Elaupt gelegt, erquickende Regendüfte werden durch die Luft getragen. Während der Zeit unseres Aufenthaltes in Focsani umzieht sich der Himmel gänzlich mit einer gleichförmigen häss-lichen grauen 'Decke, und gerade eine der köstlichsten Stätten des Landes ruft einen trüben Eindruck hervor. Wir fliegen weiter, vorbei an Kuhheerden, vorüber an unzähligen Krähen, die in Rumänien so zahlreich zu sein scheinen wie anderswo die Mücken. Die hässlichen Vögel sitzen auf den Telegraphenstangen, sie hocken zu Hunderten auf den wüsten Flächen oder stehlen dem Bauer die E"eld-früchte. Diese Thiere sind eine wirkliche Landplage, und doch nimmt sich der Rumäne nicht die Mühe, etwas zu ihrer Vertilgung zu thun. Wir begegnen zum ersten Male jener gedankenlosen Gleichgültigkeit im wärthschaftlichen Leben, deren Herrschaft im Lande äusserst verderblich wirkt. Man glaubt, der Krieg gegen solche Raubvögel müsse Mühe und Kosten verursachen; ob der spätere Vortheil die jetzigen Auslagen nicht doch vielleicht überwiegen würde, das erörtert man nicht Mit Ueberschreitung des Milcovü haben wir die Walachei verlassen und die Moldau betreten. Der kleine Eluss ist äusserst naseweis, er scheidet die gute Stadt Emesan! in zwei Theile, so dass in früheren Zeiten die Walachei und die Moldau je ein Focsani besassen. Hinten- Märäsesci, wichtig als Endpunkt der Galafier Zweigbahn, ändert sich die Scenerie. Die grosse walachische Ebene erreicht ihr Ende, ihr ausgesprochener Steppencharakter schwindet. In Märäsesci hat man uns, dank dem im Lande allgemein geltenden Grundsatze: Zeit sei noch lange nicht Geld, drei Viertelstunden spazieren gefahren; endlich geht es vorwärts, leider nicht ohne dass sich unser Zug um ein Dutzend Güterwagen vergrössert hätte. Man spürt eben deutlich, welchen Werth der kleine Bahnhof als Verbindungspunkt von Nordeuropa und Orient besitzt. Lieber den Trotus geht es nach Adjudü, einer unbedeutenden Stadt, von wo eine Flügelbahn nach dem Salzbergwerk Ocna hinüberleitet. Ocna ist Endstation für das Bad Slänicü, den berühmtesten Curort Rumäniens. Lieber die Geschichte dieses Edens hat uns W. von Kotzebue eine anmuthige Beschreibung aus dem Jahre 1860 hinterlassen. Ein leidenschaftlich die Jag-d liebender Salzwerkbeamter von Ocna, Sardar Michalaki Spridon, sank 1801 ermattet an einer Quelle nieder. Eine zweite Quelle wurde von ihm in demselben Jahre g-efunden; 1804 und 1807 entdeckte man die Quellen drei bis fünf und räumte den Wald weg-, um die schauerliche Wildniss zugänglich ^u machen. 1812 trafen die ersten Badegäste, drei an ^ahl, ein; 1816 Hess Sardar Michalaki Spridon die ersten Bretterbuden für den Metropoliten Benjamin Gerassim zusammennageln. Noch hielt die schreckliche Einöde die Besucher ab, deshalb siedelte man bis 1836 fünfzig Bauern an und stellte vierun ddreis s ig Bretterwohnungen her. Neununddreissig Jahre lang hatte Spridon die Badeanstalt als sein Eägenthum betrachtet, 1840 nahm die Regierung ihm dieselbe weg, ohne irgendwelche Vergütung zu bieten. Infolg-e der Kränkung starb denn auch der Entdecker der Quellen am 22. November 1844. Man hoffte jetzt auf Hebung des Curortes, vergebens; der Platz verfiel, und r85i schenkte Gregor Ghika das Bad der Kirche des heiligen Spridon von Jasu hoffend, diese werde etwas Entscheidendes thun. Die Zahl der Badegäste wuchs langsam, die Einrichtungen blieben dieselben. Noch vor 3.0 Jahren fand man nichts als gelichtete Wildniss mit elenden Bretterbuden. Wer baden wollte, musste sich alle Lebensmittel per Ochsenwagen mitführen, manche Familien zogen sogar in Begleitung einer Büffelkuh hierher. In den elendem Behausungen hackte man hölzerne Pritschen zurecht, in den Quellen schwammen Cigarettenabfälle und sonstige Delicatessen herum, und eine Hütte für die mitgeschleppte Wanne war gleichfalls von einem Jeden aufzustellen. Bei Abhaltung eines Balles brachten sich die Gäste Lichtstummel zur Beleuchtung mit; unternahm man einen Spaziergang, so zerriss man sich regelmässig ein Paar Schuhe, und galt es ein Feuerwerk abzuhalten, so zündete man einige Bäume an. I Eeutigentags trifft man in Slänicü allerdings einige annehmbare Hotels; das Steckenbleiben der Stiefel bei Spaziergängen und manche andere Fatalität soll jedoch noch immer nicht behoben sein. I )ie moldauischen Berge sind jetzt viel reizvoller als die Karpathen, besonders da die Strahlen der scheidenden Sonne den grünen Höhenzug beleuchten. Unerfreulicher Weise nimmt die El aide zu, man erblickt oft viertel stundenlang nichts als Einöde. Langsam bricht der Abend herein, bei völliger Dunkelheit erreichen wir Bäcäu, das Ziel unserer heutigen I^ahrt. Bäcäu ist Districtsstadt; Präfectur und Gerichtshof werden hier angetroffen. Einige hübsche Häuser deuten das Streben der Stadt an, sich zu entwickeln. Im Uebrigen bietet der Ort gar nichts, sobald nämlich seine mit allen obermoldauischen Niederlassungen gemeinsame Eigentümlichkeit nicht fesselt: Päcäu ist ein vollendetes Neujerusalem. Wo man geht und steht, wohin man immer blickt, nichts als orthodoxe Hebräer, nichts als peinlicher Schmutz und das bekannte, monotone, osteuropäische, jüdische Treiben. In den Gewölben, I läusern und Cafes herrscht pestilenzia-lischer Gestank, Myriaden von Ediegen stürzen über den Menschen her. Auf dem hundertjährigen Mist der Strassen aber stolziren am Sabbath selbstgefällig die üppigen Jüdinnen auf und ab, um ihre seidenen Kleider und ihre 20 Lei kostenden Stiefletten zur Schau zu tragen; bei Familienfesten und öffentlichen Bällen erregen sie durch die Pracht ihrer Brillanten und seidenen Schleppen das grösste Erstaunen des christlichen Elementes. Ordentlich Avohlthuend berührt unter solchen Verhältnissen das Vorbeistreifen einiger hübscher Bauernweiber in Nationaltracht. Das sind jedoch keine Rumäninnen, das sind Ungarinnen, Csango-Magyaren oder sogenannte Szek-ler, in vielen Dörfern des Seretüthales ansässig und, wie nian glaubt, durch Stefan den Grossen nach der Moldau verpflanzt. Infolge des hundertjährigen Wohnens unter Rumänen und der Einführung rumänischer Normalschulen haben diese Leute sich zum Theil romanisirt, und ein solcher Process wäre zweifelsohne schon vollendet, hätte nicht die Religion einen mächtigen Damm gesetzt. Die Csango-Magyaren bekennen sich zur römisch-katholischen Lehre und stehen unter der Leitung von polnischen und italienischen Pfarrherren. Ihr Eleiss ist ebenso unleugbar als ein gewisser Hang zur Grausamkeit. Den abschreckendsten Beweis für letztere Eigenschaft liefert ein vor wenigen Jahren vorgefallener Mord. Ein Küster von Bäcäu ritt des Nachts über das Feld. Der Mann war ermüdet, stieg ab und legte sich zum Schlaf hin. Drei in der Nähe weilende magyarische Hirten hatten das Pferdegetrappel vernommen, sie fanden den Schläfer, fesselten denselben und schleppten An zum E'euer. Die Unmenschen legten den Unglücklichen mit den Füssen in die Flammen und brieten ihn trotz seines Jammergeschreies buchstäblich. Da der Mann noch lebte, warf man ihn in den Seretü, um zu sehen, ob er ertrinken könne. Am nächsten d^ag verrieth das annectirte Pferd die Mörder, und sie wurden festgenommen. Ihrer Aussage zufolge hatten sie geglaubt, der Küster sei der Kundschafter einer Diebsbande gewiesen und habe ihr Vieh stehlen woll en. Neben den hübschen Frauen aus den Csango-Magya-rendörfern zeigen sich nicht minder hübsche Zigeunerinnen. 4* An diesem unbändigen Volke hat die rumänische Regierung ein Meisterstück vollbracht. Entgegen der vielfach in Westeuropa verbreiteten Ansicht, der Zigeuner sei uncultivirbar, ist es ihr gelungen, Tausende der braunen Gesellen ansässig zu machen. Die Bekehrten zerfallen in zwei Classen, in solche, welche in den Städten als Musiker, Kesselflicker oder Hufschmiede leben, und in Holzfäller und ländliche Täglöhner, deren Arbeit von den Gutsbesitzern sehr geschätzt wird, und die gelegentlich der Robotaufhebung Grund und Boden erhielten. Ihr Eleiss kommt dem der Rumänen gleich, dank ihrer Geschicklichkeit vermögen sie das Korn im Mondschein mit der Sichel zu schneiden, und in Erdarbeiten sind sie unübertrefflich. Eine dritte Gruppe bilden natürlich Tausende von Vagabunden mit unausgerottetem Wandertrieb. Sie zogen selbst zur Zeit der Sclaverei herum, wofür sich der Bojare von ihnen eine Kleinigkeit entrichten Hess. Leider erfreuen sich die Zigeuner eines ähnlichen Rufes wie die Csango-Magyaren, auch ihnen rühmt man Grausamkeit und fernerhin I lang zur nächtlichen Wegelagerei nach. Das Gefühl für Recht und Unrecht fehlt ihnen, jede hirtenlose Kuh wird durch sie weggeführt, und, deshalb zur Rede gesetzt, lautet die Entschuldigung-: „Ich habe das Inier gefunden." Glücklicher Weise verhindert sie ihre Feigheit an kecken Ueber-fällen, wie sie die Gutsbesitzer oft erhalten, bei denen bewaffnete Rumänen mit geschwärzten Gesichtern vorsprechen. Wer jedoch gdaubt, diesen Gesellschaften käme der Reiz des abenteuerlichen Räuberlebens zu, der irrt gewaltig; sie bestehen lediglich aus Bauern, welche sich für eine Nacht vereinigt. Taucht ja einmal eine wirkliche Banditenschaar auf, so ward sie in wenigen Wochen vernichtet. Der letzte grosse Räuberhauptmann, der im Munde des Volkes lebt, war Juon Ketrar. .Seine Schicksale hat uns Derblich in fesselnder Weise erzählt. Nachdem der Räuber jahrelang die Wälder der Moldau beherrscht, stattete er eines Abends mit neun bewaffneten Gesellen der Fürstin Cantacuzino einen Besuch ab, erlangte durch sie Be- Die Csango-Magyaren und die Zigeuner. 53 gnadigung und trat in die Dienste des Metropoliten Benjamin. Das neue Leben benagte ihm jedoch nicht, und Z i g e u n c r i n. bald drangen allerlei. Klagen an das Ohr des Kirchenfürsten. Auf einem Ausflug seines Herrn konnte sich der neue Stallmeister nicht mehr beherrschen. Einige Juden- wagen zogen vorüber, Ketrar blieb zurück, fiel über die Israeliten her und befreite sie von ihrem Gelde. Selbst ihrem Wehgeschrei schenkte der Metropolit keinen Glauben. Kurze Zeit später verschwand der Stallmeister, und der Schreckensruf: ,Juon Ketrar ist wieder da!" ging durch das ganze Gebirge. Allein Ketrar wirkte diesmal ohne Glück, er fiel 1839 mit zwölf Gesellen in die Hände der Polizei und endete am Galgen. — In einer Stunde gelangt man von Bäcäu nach Romanü. Die Stadt ist wie die meisten grösseren moldauischen Orte malerisch gelegen und wirkt von der Ferne sehr gewinnend, das Innere ähnelt demjenigen von Bäcäu. Romanü dient dem im Lande geschätzten vielwissenden Bischof Melchisedek zum Sitz, dessen geschichtliche Arbeiten allerdings mehr durch ihre Zahl als durch ihre Plastik beachtenswerth sein dürften. Eine Meile von Romanü entfernt, am Wege nach Piatra, liegt Dulcesci. Die Gegend bis dahin ist reizlos, das Herrschaftshaus steht wie die meisten Bojarengüter auf einem sanften Elügel und inmitten eines schönen Parkes. Beim Betreten des grossen Salons hat man den jenseitigen I h'ihenzug vor sich. Die Sonnenstrahlen vergolden die grünen Wälder und die Häuser des Dorfes. Die Ansiedelung enthält deren mehr als 200, sie bergen Csango-Magyaren und Rumänen und dehnen sich weithin aus. Der weitläufige Park ist arm an Blumenbeeten, dagegen reich an schönen, alten Bäumen und an Quellen, deren erquickendes, kaltes Wasser im Waldesdunkel aus dem Felsen hervorspringt. Als herrlichstes Werk der Natur prangt ein Birnbaum, einen Meter im Durchmesser haltend, weit und breit das schönste Stück seiner Gattung. 1 [in und wieder schlägt wohl der Sturm einen mächtigen Ast ab, allein er bleibt stark, seine Früchte sind zahlreich und gut. Eine Stille, nur durch den Gesang eines Vogels hin und wieder unterbrochen, durchzieht den ganzen Garten und das weiss»;, luftige Haus. Dulcesci ist classischer Boden. Die hier waltende Herrin ist eine edle Matrone, eine der besten Töchter des rumänischen Volkes: Frau Dulcesci. Sj «j Llise Stourdza, geb. Hurmuzaki. Und unten bei der scheinen, kleinen Kirche liegen, vom Dämmerlicht umfangen, zwei Gräber, deren Anblick ergreifend wirkt. Dort ruhen sie, welche einst dem rumänischen Volk in wilder Zeit als leuchtende Vorbilder dienten, die beiden Brüder Murmu-zaki. Wer kennt nicht ihre berühmten, umfangreichen historischen Werke, welcher Forscher hätte sich derselben nicht erfreut! Nicht unter den letzten ihrer Thaten muss genannt werden, dass sie dem edelsten, werthvollsten Manne der Siebenbürger Rumänen, dem Schriftsteller George Barifü, zur Zeit der Völkerstürme eine Zuflucht auf ihren Gütern gewährten und ihn daselbst ein halbes Jahr hing vor magyarischen und russischen Gewaltstreichen schützten. Etwas weiter in entgegengesetzter Richtung erhebt sich auf dem linken Ufer des Seretü Micläusem, ein zweites der Familie Stourdza gehöriges Besitzthum. Die Gebäude des Schlosses sind weithin sichtbar, selbst von Mir-cesci, wo der Dichter Alexandri geboren und wo er noch heute; öfters weilt, sieht man sie als weässe Funkte des I lorizontes, umrahmt vom weitläufigem l^irk, herüberleuchten. Gegenwärtig wird das eigentliche Schloss, eines der ältesten Landes, wiederhergestellt. Der Architekt hat sich dabei als ein äusserst talentirter, phantasiereicher Mann erwiesen. Er hat das ehemals plumpe Haus so ve)rtrefflieh in jeder Hinsicht sich zu eigen gemacht, als ob die schöne; Gothik, m der es heute glänzt, das ursprüngliche Gewand gewesen« Ebenso überraschen muss ein zweites Bauwerk, eine prachtvolle. äusserst bequem eingerichtete Manege. Sie ist vorzüglich gehalten; man bemerkt, dass ihr Besitzer die edle Reitkunst in Hannöver und Berlin studirte. Die Wände der Bahn sind mit den Namen der daselbst herangebildeten 11engste geziert, sowie mit lateinischem und griechischen Worten, Citaten aus Plato und Anderen, die wirklich merkwürdig gut hierher passen. Die1 reichgefüllte Sattelkammer, die Stallunge n unel die als Stuelirzimmer benützte Räumlie-h-keit neben den- Reitbahn weisen nicht minder die peinlichste Drelnung und Sauberkeit auf. Der Park hat die Grösse eines Waldes, drei Stunden kann man promeniren, ohne einen Weg- zweimal zurück-zuleg-en. Er enthält herrliche Partien, gutpepflegte Wiesenplane, stattliche Laubbäume, Tannen mit herabhängenden Zweigen; weiterhin wandelt man zwischen einer anmuthigen Lindenallee dahin, man trifft unerwartet auf die Familienruhestätte, auf die im Park stehende Kirche, sowie auf einen munteren Bach, der zum Schaffen eines d^eiches und einer Badeanstalt benützt worden. Endlich sieht man sich auf einer kleinen Waldeswiese in stummer Gesellschaft. Eine grosse Anzahl historischer Steine liegt hier versammelt, unter ihnen jener Block, der einst das E'estungsthor von Bräila belastete. Eine äusserst glückliche Idee war es, ein in wirklicher Grösse gegebenes Modell eines rumänischen Klostergebäudes aufführen zu lassen. Innerhalb einer TJm-plankung erhebt sich das schlichte, niedrige Gebäude, in dessen Räumen heilige Ruhe zu herrschen scheint. Einfach sind die Zellen, ein Eich ist die Ausstattung, nebenan stehen die Stallungen der Klosterbrüder. Des Schlossherrn hohe, edle Gestalt aber wandelt mit uns durch den Park, die schönen Augen leuchten in dem männlich kühnen Antlitz, und wir lauschen gespannt seinen geistreichen Ausführungen über das rumänische Klosterleben früherer Jtihr-hunderte. Das Aeussere des Schlossherrn entspricht so g-anz und gar nicht den landläufigen Vorstellungen von einem rumänischen Edelmann, Die hohen Reitstiefeln reichen bis über die Kniee, eine stramme, dunkelblaue Hose, ein ebensolcher langer Rock mit echt preussischem .Schnitt, eine Mütze, ähnlich der der preussischem Officiere, vollenden die Bekleidung. Steht man diesem Manne inmitten des Waldes gegenüber, schaut man in sein lebhaftes Auge, lauscht man seinen vorzüglichen Worten, so vergisst man, wo man weilt, und man glaubt sich auf ein Gut der Mark Brandenburg versetzt. Die Täuschung ward noch grösser, da die Lieder der das Schloss renovirenden deutschen Maurer aus der Bukowina den Hain durchdringen. Herr Stourdza ist ein Die Landgüter von Dulccsci und Micläuseiü. 5 7 aufrichtiger Anhänger deutscher Bildung, seinem scharfen Blick, seinem edlen Geiste konnte die grössere Culturfähig-keit des deutschen Elementes dem französischen gegenüber nicht entgehen. Von Romanü aus beginnt das Gebiet der Lemberg-Czernowitz-Jassyer Eisenbahn.' Auf ihrem Geleise gelangen wir nach Jasi. Unterwegs treffen wir Tärgulü-Frumos und Podü-Iloet, elende, baumlose Nester, in deren Innerem die Israeliten, in deren Umgebung unzählige Raben herrschen. Einige glänzende Kirchthürme berühren unter solchen Umständen ordentlich ironisch. Beim Eintreffen in der moldauischen Hauptstadt wirkt der erste Eindruck viel günstiger als in Bucuresct. Die Stadt hebt sich an einem I löhenzug hinauf, sie erinnert in ihrer Terrassenanlage an Belgrad. Die schönen Gärten, die herrlichen Bäume sind mit den Häusern vermischt und contrastiren mit der weissen Farbe der Gebäude ganz vorzüglich. Die Xatur hat also Jast ungleich besser bedacht als Bucuresci, wo man die Schönheit der moldauischen Häuptstadt stets in lebhaften Farben und mit Eifer zu schildern versteht. Wer jedoch hört, 60 Procent der Bewohner Jasts seien Israeliten, der ward sehr bald stutzig Werden. Die innere Stadt erweist sich als unbestrittenes Heim unzähliger Arampyre, die an Schmutz und Elend Alles bisher Gesehene übertreffen. In früheren Orten schien es, als ob die Juden das rumänische Edement verspeist hätten, in JasT dünkt es Einem, die Israeliten müssten sich gegenseitig aufzehren. Der sogenannte Tärgulü - Cuculut (Kukuksmarkt) bildet das Hauptquartier des Schmarotzervolkes. Ein Tandelmarkt ersten Ranges! In jedem Gewölbe lauern zehn bis fünfzehn hohläugige Gestalten, bereit, sich auf einen vorübergehenden Christen zeternd und feilschend zu stürzen. Dabei wohnen in einem Zimmer oft drei oder vier Familien zusammen, sich im Winter durch nhre eigene Ausdünstung erwärmend. Der Volkszählung suchen sie sich sorgfältig zu entziehen; sie glauben, man Wölk; ihre Zahl zum Zwecke der Besteuerung feststellen. Das Wirken der Commission wird genau beobachtet, und beim Nahen der Beamten schlüpfen mehrere Familien zur Hinterthür hinaus, um einstweilen in schon abgethane Baracken zu flüchten. In den Synagogen hocken sie am Freitag Abend fast auf einander, betend, lesend, murmelnd und fanatische Geberden zur Schau tragend. Die originellen orientalischen Typen des Bragagiü und des kreischenden Melonenhändlers fehlen in Jasi gänzlich; in dieser unseligen Stadt fungiren nur Juden als Melonenhändler, Paradeisverkäufer und Obstbesitzer; Juden sind die Saca-gii, Juden sind die Wasserträger, die Führer der Sand-und Kalkwagen, die Kaufleute, die Gasthausinhaber. Nicht ein einziger christlicher Fleischhacker wird gefunden, Alles ist hier Jude, und wenn man ja einmal einem Christen begegnet, fühlt man Neigung, ihn als achtes Wunderwerk der Welt anzustarren. In den Strassen verfolgen die peissigeschmückten Geldwechsler klappernd und kreischend den Fremden; zerlumpte Bettler, die denkbar köstlichsten Malermodelle, jüdeln Einen an; in dem schmutzigen Einspänner des jüdischen Kutschers rasseln drei Söhne Palästinas daher, einer auf dem anderen, alle sich sorgsam umschlungen haltend, damit ja keiner herausfalle. Und dieser beklemmende Eindruck erhält sich vom ersten Moment der Ankunft bis zu dem der Abfahrt. Der geschniegelte Zimmerkellner, die Bediensteten des Kaffeehauses, der Portier und der Hausknecht des Hotels gehören zum auserwählten Volke des Herrn; der schmierige Kutscher, der barfuss auf dem Bocke klebt, der Kellner des Bahnhofes, sie alle tragen den Stempel ihrer Rasse bis in den kleinen Finger, und wenn wir zum Abschiedsgruss den Kopf zum Coupefenster hinausstecken, starrt uns das grinsende Gesicht eines jüdischen Conducteurs entgegen. Da nun Jasi weder eine Handels- noch eine Fabriks-stadt genannt werden kann, herrscht unter diesem unsympathischen Volke die grösste Armuth und der grösste Jammer. Die Folge ist eine vor Jahren begonnene, ununterbrochene, beständig- zunehmende Auswanderung der Jasi. 5 9 Israeliten nach Amerika. Wöchentlich verlassen mehrere Hunderte das arme, mit ihnen durchfressene Land, um den Lockrufen ihrer überseeischen, vor angegangenen Glaubensgenossen zu folgen und mittelst Fahrpreisermässigung über Deutschland nach New-York befördert zu werden. Ihre gesammten FlabSeligkeiten bestehen in zweitausendjährigem, lebendigem Bettgewand und in einem Bündel. Nach Abfahrt und Lösung des Chaos muss die Bahndirection den ganzen im venetianischen Styl gebauten Bahnhof desinficiren und mit Insectenpulver bestreuen lassen. Zwanzig sind abgereist, zweihundert haben ihnen auf dem Perron das Geleite gegeben, vierzig werden als Ersatz in der nächsten Woche geboren. Jasi verfügt im Gegensatz zu Bucuresci über Asphaltpflaster, nur in den höher gelegenen Stadttheilen stösst man auf harte, holprige Steine. Als schönster Schmuck der Stadt wird die Strada Carolü genannt, die Bojarenstrasse, ein Seitenstück zur Calea Victoriei in Bucuresci. Von ihren vornehmen Palästen gerieth bis jetzt nur einer in die Hände der Juden, mehrere wurden von der Primarie angekauft, am sie vor demselben Schicksal zu bewahren. In der nämlichen .Strasse befindet sich die Malerakademie mit freilich noch bescheidenem Inhalt. Man trifft dreissig Marmorstatuen auswärtiger Künstler, sodann eine schöne Figur vonTronescu, die Unabhängigkeit Rumäniens darstellend, und ganz gelungene Oelstudien junger, talentvoller Rumänen, von denen namentlich einige jüdische und rumänische Bettler* typen, sowie rumänische Landschaften erwähnenswerth sind. Das Aman'sche Bild, einen Gebirgskampf zwischen Polen und Rumänen unter Stephan den Grossen vorführend, verfehlt wegen des grellen Mangels an historischen Costümen jeden Eindruck. Die zierlichen, glänzend gewichsten Salon-stiefelchen der polnischen Krieger inmitten der Karpathen-wiklniss bieten der Phantasie allzuhohe l^orderungen. Die Anstalt beschäftigt fünf Lehrer und dreissig Schüler. Zu den letzteren zählt auch ein Hebräer, früher waren drei vorhanden, allein das Geschäft des Malens erschien den Söhnen Israels als kein Geschäft. Aehnliches Schicksal erleiden die verschiedenen, von Bojaren oder Gemeinden gestifteten Gewerbeschulen. Israeliten bleiben fern, selbst die Rumänen widmen sich ihnen mit wenig Vorliebe. Aus der Jasier Gewerbeschule gehen Schneider, Schuster und Spengler hervor, die frühere Anstalt bildete Böttcher, Tischler, Wagner, Riemer, Schlosser, Schneider, Fassbinder heran, sie ist längst in eine technisch-praktische Schule umgewandelt worden. Die Jasier Universität umfasst 200 Hörer und 30 Professoren. Bis zum 26. October 1860 war sie nur eine Akademie mit Rechts- und Philosophiefacultät, seit dem genannten Tage umfasst sie Facultäten für das Recht, für Literatur und Philosophie, für Mathematik und Naturwissenschaften und für Medicin. An die Strada Carolü schliesst sich ausserhalb der Stadt der öffentliche Garten Grädinä publica; unter seinen Bäumen oder auf der nebenherlaufenden Allee entwickelt sich um Abend der Corso der eleganten Welt. Die moldauische LIauptstadt verfügt gleichfalls über eine Chaussee Kisseleff. In der Stadt fesselt vor Allein der alte fürstliche Palast; in ihm waren einstens alle Ministerien vereinigt, jetzt dient er einem Appellationshof mit zwei Sectionen der Präfectur und dem Post- und Telegraphenamt. Leider brannte das Gebäude vor einigen Jahren aus, die Renovirung- dürfte; keine besonders glückliche gewesen sein. Auffällig für eine Provinzstadt ist in Jasi der gänzliche Mangel von Leetüre in öffentlichen Localen. Selbst in dem sonst tadellosen Hotel Trajan lieg-en ausser der „Neuen Freien Presse" nur zwei rumänische Zeitungen auf, und selbst hier spielt man an demselben Tage, wto die Nachricht der Entthronung des Fürsten Alexander von Bulgarien eintrifft, in aller Gemüthsruhe Schach und Puff, Zeitungen verlangt kein Mensch. Als besuchtestes Kaffeehaus gilt Cafe Kolo, allein dort verkehrten niemals Christen, es ist der Mittelpunkt des jüdischen Geschäftslebens. Hunderte von alttestamentarischen Gestalten, deren Acusseres jede Berührung fürchterlich macht, streiten in dieser dumpfen Höhle über Getreidepreise etc. Ihre lieben Angehörigen kann man an einem schönen Sommerabend im Bahlui beobachten. Bahlui heisst ein kleines Flüsschen, ähnlich der Dämbovita. Es windet sich langsam durch den Tärgulü-Cucului, natürlich nicht ohne Veränderung seiner Farbe. Ausserhalb der Stadt badet sich in seinen Fluten alles Mögliche. Da tummeln sich neben Pferden und Ochsen jüdische Knäblein und Mägdelein, weiterhin Männer und Weiber Israels, alle in unverfälschtem Adamscostüm und nicht die geringste Notiz von dem verblüfft dastehenden Fremden nehmend. Wie allen rumänischen Städten gereicht Jasi die grosse Zahl seiner Kirchen zum bemerkenswerthesten Schmuck, in nicht weniger als achtzig Gotteshäusern sollen die Christen ihrem Gott dienen. Da die meisten der griechischorientalischen Kirchen zwei, drei und noch mehr Thürme und Thürmchen besitzen, gewähren sie einen romantischen Anblick und erregen das Interesse der Reisenden. Als bedeutendstes der Bauwerke leuchtet natürlich die Kathedrale oder Metropolitankirche hervor. Diese herrliche .Schöpfung überragt wie ein Riese die anderen Baulichkeiten, auf allen Seiten weithin sichtbar. Vier Thürme bilden die vier Eckpfosten und geben dem Ganzen die Eorm einer umgestürzten Bettstatt, an das Pressburger Schloss mahnend. Die Form der ITiürme ist eine edle, die Seitenwände sind schön, obwohl etwas gedrückt. Ein Erdbeben hatte das Meisterwerk dem Verfalle nahe gebracht; jahrelang klafften seine Risse in bedrohlicher, herz? zerreissender Weise, und erst jetzt hat sich die Regierung entschlossen, das Gebäude zu restauriren. Das Innere stellt sich erhebend dar. Ein guter Geschmack zieht durch die ganze Ausstattung, der bunte, theatralische, kreischende Schmuck der kleinen Gotteshäuser hat hier keinen Eingang gefunden. Gute Malereien zieren die Bilderwand, die Ca-lerien sind einfach, aber bequem, die Fenster mit neuen, grossen Glasmalereien geziert. Ein Ebenster zeigt die beiden Metropoliten des Reiches, ein anderes das Königspaar. Leider, widerfuhr selbst hier Ihrer Majestät ein Unglück, dem sie auf dem verbreitetsten Oeldruckbilde des Landes nicht entgehen konnte. Der Maler, wahrscheinlich ein nationalgesinnter Herr, hat in der Meinung, alle Damen des Königreiches müssten schwarzes Haar tragen, der blonden ehemaligen deutschen Prinzessin schwarzes, glänzendes Haar verliehen. Ein anderer Künstler wollte Ihre Majestät rächen, sie besitzt auf einem zweiten Bilde schönen, allzu blonden Kopfschmuck. Ausser der Kathedrale gibt es noch eine Anzahl Klöster und Kirchen, die hinsichtlich ihres Styles interessiren. Unter ihnen ragt die Kirche Trei Erarchi durch ihre edle, erhabene Schönheit sieghaft empor. Der ganze grosse Bau trägT von oben bis unten die herrlichsten, mannigfachsten Ornamente. Fürst Vasile Lupü hat das Gotteshaus, ein Meisterwerk byzantinisch-maurischer Architektur, den drei Heiligen geweiht. Das frühere goldene Dach haben die Türken abgetragen, immerhin ist das Bauwerk noch Goldes werth, wir finden auf den infolge gründlicher Restaurirung in den Hof geworfenen Säulen überall Spuren von Vergeldung. Nicht müde wird man, auf den Trümmern vergangener, kunstsinniger Zeiten zu sitzen und das köstliche Werk mit seinen sich nie wiederholenden Zeichnungen zu betrachten. Im Innern des Gotteshauses aber bewahrt die Geistlichkeit eine wunderthätige Mutter Gottes auf. Ebenso wie an Se. 'Heiligkeit den Popen wendet man sich an sie, sobald der Regen längere Zeit ausgeblieben. Der Fall ereignete sich letzthin ausser halb Jasts, zwei Priester nahmen die Mutter Gottes, fuhren zum Bahnhof, und da sie das Heiligthum nicht als Gepäck aufgeben wollten, mussten sie für sich und die Reliquie vier Plätze eines Coupes erster Classe bezahlen. Weitere Sehenswürdigkeiten existiren in ]asi nicht; eines jedoch ist vorhanden, was man in Oesterreich und Deutschland vergebens suchen dürfte: ein rein jüdisches dTieater. Dort wird im jüdischen Jargon gespielt, die Vortragenden sind ohne Ausnahme Israeliten, die Stücke Im israelitischen Theater. 63 jüdische Genrebilder. Wir halten uns die Geruchsorgane zu und tappen durch einige dunkle Gassen, um uns den erhofften Genuss nicht entgehen zu dassen. Ist es doch r--r——■-—--■-—I G riechisch-orientalische Kirche- ohnehin das letzte Auftreten der Truppe in Jasi, da man s*e um einen hohen Preis für eine (rastreise nach Amerika gewonnen! Eine kunstgierige Menge umlagert die Pforte zum Schauspielhaus, doch was thut man night der Kunst zu Liebe! Hindurch pressen wir uns, um in einem winzigen Bretterhäuschen 4 Lei gegen zwei Billets umzutauschen und den Eingang zur Kunststätte zu erschliessen. Dieselbe ist eigentlich poetischer als in unseren Grossstädten. Das Publicum sitzt auf etwa zwanzig Bänken im Ereien, über ihm wölben mächtige, schöne Bäume ihre Zweige. Ihre I^arbe muss infolge des matten Lampenlichtes eine wirklich magische genannt werden. Zehn Musiker mühen sich ab, das bereits versammelte Publicum zu unterhalten. Hinter ihnen erhebt sich die kaum acht Schritt lange und ebenso tiefe Bühne. Das Chor der Zuschauer mag 400 Köpfe zählen, nicht alle gerade mit Peissi geschmückt, 99 Procent aber sicherlich auf jüdischen Schultern ruhend. Merkwürdig dünkt uns, wie die Culturstufe mit dem Geldbeutel übereinstimmt. Auf den Reihen des drei Leiplatzes lassen sich unter entsprechendem Rauschen der schönen Kleider üppige Damen nieder. Die Ehemänner im Cylinder führen die heranwachsende, ebenfalls elegant geschniegelte Jugend herbei. Auf dem zweiten Platz herrscht der Pilzhut und unauffällige Tracht; der dritte Platz zu einem Leu zeigt bereits eine bedenkliche Mischung des Talars und der Peissis mit europäischer Toilette und Frisur; der vierte Platz endlich ä 5o P>ani wird ausschliesslich von dem Attributen der echten Talmudlehre regiert. Uebrigens scheinen diese den Kopf auf dem rechten Fleck zu haben, denn halb neun Uhr — auf acht Uhr war der Anfang festgesetzt - - macht man schwache Versuche zum energischen Eingreifen. Der drei Leiplatz hält dies Benehmen für unstatthaft und zischt. Sofort duckt sich die peissigeschmückte Reserve. Nach i5 Minuten jedoch erneuern sich die Versuche, und wir, zur Verzweiflung gebracht durch das entsetzliche, himmelschreiende Gekreisch der zehn mittelalterlichen Musikinstrumente, spielen den Mephistopheles und vermehren den Kampfeslärm. Wieder siegt der drei Iri-platz; endlich dreiviertel auf neun Uhr ertönt ein Glöckchen. Dreimal wird es geschwungen, sein Wimmern dringt Einem durch Mark und Bein, stolz rollt der Vorhang in die I [Ohe, Im israelitischen Theater, 65 Das Stück führt den Titel ,,Der Revisor" und zeigt in wirklich komischer Weise, wie die Juden stellenweise regieren und zweifelsohne überall regieren möchten. Ein Rabbiner hat sich gewisse Gesetzesübertretungen zu Schulden kommen lassen, er hat die Matrikel gefälscht und allerlei andere A^erbesserungen begangen. Nachdem er daher einen witzigen Dialog mit seiner Tochter geführt, erschrickt er, als zwei israelitische Schnorrer in Gesellschaft zweier jüdischer Spassvögel bei ihm auftauchen, um ihm mitzutheilen, der Revisor sei im Anzüge. Alle Fünf pressen sich auf drei Stühlen aneinander, stecken die straimelgeschmückten Köpfe zusammen, zupfen sich an den langen Barten und entwerfen ihren Feldzugsplan. Ein christlicher Dienstmann wird sodann gerufen, ihm geben alle Fünf gleichzeitig einen Auftrag, den Boten jedoch noch vier Mal mit Gewalt zurückbringend und den Befehl erweiternd. Dass dabei für den untergebenen Goj stets einige Fusstritte abfallen, dürfte den jüdischen Charakter bezeichnen. Im zweiten Act wird der Revisor sichtbar, ein unverschämter Bursche hebräischer Abstammung. Er hat ein komisches Intermezzo mit seinem dicken, struppigen, wackligen, slavischen Diener, den er schlafend antrifft, und der die Reste seines Mahles in wenigen Secunden verschlingt. Endlich produ-cirt sich der Rabbiner, er nimmt in demüthigster Weise Stellung und muss die Vorwürfe des Beamten geduldig hinnehmen. Dabei secundirt ihm ein kleiner, überaus verschmitzter Israelit; gleich einem Raubthier lauernd duckt sich dieser nieder. Als der Herr Revisor im besten Toben begriffen, erlaubt sieh der Rabbiner den Vorschlag, man könnte die Sache vielleicht gütlich ausgleichen. Sofort erhellt sich die Miene des Gewaltigen, sein Blick wird freundlich, ein süsses Lächeln umspielt den Mund. Hundert Rubel wird als entsprechend erachtet, und der Rabbiner drückt ihm gerührt den Betrag in die Hand, erfreut, dass jener nicht mehr verlangt. Jetzt verändert sich das Benehmen der Israeliten. Der Rabbiner gibt seine demüthige Haltung auf, stolz richtet er sich empor, sein Begleiter aber, der kleine, verschmitzte Spitzbube, mustert den Beamten mit überlegenen Blicken und behandelt den gutmüthigen russischen Diener äusserst herrisch. Köstlich ist es, wenn der kleine Knirps sich auf die Zehen erhebt, um den vorübergegangenen Revisor von oben herab zu mustern, noch köstlicher, wenn er sich zusammenzieht, da der Blick des Beamten auf ihn gefallen. Zum Schluss erscheinen die drei übrigen Hebräer. Sie stimmen einen fürchterlichen Gesang an, springen siegesjubelnd in die Luft und begleiten den abreisenden Revisor. Gesten und Geberden der männlichen Schauspieler sind ausgezeichnet, die dargestellten Figuren der Wirklichkeit vollständig entnommen. Der verschmitzte Blick, das demüthige, auf Verstellung beruhende Wesen der Juden, der Uebermuth im Triumphi-rungsfalle, das beständige Zupfen am Barte, das gemeinsame Brüten über schwarzen Plänen, die grosse Sparsamkeit, die ungeheure Zähigkeit, das Alles wird vorzüglich angedeutet. Einmal soll man in Jasi des Morgens oder des Abends auf einen alten, baufälligen Thurm steigen, der sich so ziemlich inmitten der Stadt erhebt. Die Aussicht ist eine wunderbare, die ganze Niederlassung wird von unseren Blicken umfangen. Im Norden breitet sich die Bojarenstadt aus, ein Gemisch von Gärten und schönen Landhäusern, deren helle, silberglänzende Blechdächer nur zuweilen von grellrothem Eisenblech und dunkelrothen Ziegeln unterbrochen werden. Dieser sich am Hügel hinaufziehende Theil ist der schönste von Jas! Neben ihm liegt ein monotoner Fleck. Grau und braun sind seine Farben, winzige Häuser erscheinen wie angeheftet, Bäume und Büsche fehlen, der Erdböden schaut kahl hervor. Daran stosst ein drittes derrain. Es wirkt äusserst gewinnend und umfasst Vororte mit kleinen aber netten Häusern; sie vermählen sich, begleitet von einigen Kirchen, mit dem Grün der Gärten. Umschreiten wir die Plattform des Thurmes, und gewinnen wir den Blick nach Süden. Vor uns sehen Zur russischen Grenze. 6 J wir, wie sich die Mähala in dem ziemlich öden Höhenland verliert. Um uns herum liegt das Centrum, die Residenz der Juden, da der Tärgulü-Cucului und dort die Markthalle. Eines Nachmittages fahren wir zur russischen Grenze. Ausserhalb der Stadt erfreut das Bild eines Viehmarktes das Auge. Es ist eine echte Volksseene des Ostens. Das Geisse Rindvieh vermischt sich mit den Pferden, und wohl hundert Wäglein mit Juden und Armeniern sind eingetroffen. Man debattirt und feilscht, und man betrügt sich gegenseitig. Abseits hat ein Maler seine Staffelei aufgeschlagen. Der Mann müht sich, das lebensvolle Bild auf die Leinwand zu zaubern. Eeider ist die Stellung schlecht gewählt, wendet der Stadt den Rücken und lässt sich den schönsten Hintergrund für einen osteuropäischen Markt entgehen. Und das wäre Jasi wirklich. In langer Reihe ziehen sich die Hunderte und aber Hunderte von weissen Häuschen auf den I lohen entlang-, stolz heben sich die auffallenden Kirchen der Griechisch-Orientcilen aus dem Gewirr hervor, Mld über dem allen hat die Sonne ihr flüssiges Gold ausgegossen. Bald ist das Bild entschwunden. Meilenweit sich erstreckendes Haideland umgibt uns, auf ihm sucht sich abgemagertes Vieh die nöthigste Nahrung-. Man hält es nicht für möglich, dass in der unmittelbaren Nähe der moldauischen Hauptstadt derartige Strecken uncultivirten ÖOdens vorhanden sein können. Endlich, endlich sehen Wir wieder Pflanzenwuchs, leider nur eine riesige Schilffläche, an derem Rande vier Pferde herumspringen. Dahinter erscheint eine Station mit elenden, halbversunkenen I lütten, einige Kukuruz- und Tabakfelder bilden die Staffage. Dicht am Pruth liegt das rumänische Oertchen Unghent, dabei das Zollamt. Rumänische Gendarme salu-t,rn Grau mit Braun. Elalb Abscheu, halb Heiterkeit muss die Thier weit erwecken. Schweine, Hunde, Schafe und Katzen tummeln sich mitten unter den Menschen herum, ihre Enormen sind oft kaum wahrnehmbar, so sehr gleichen S1(' wandelnden Kothmassen. Kein Baum, kein Busch, keine Blume spriesst im ganzen Orte aus dem Boden her-v°r. Ausserhalb desselben stehen wir der endlosen, schweigenden Steppe gegenüber. Soweit das Auge reicht, nichts 'ds eine Fläche von grünem, dürftigem Gras, ohne jede Abwechslung-, still und erhaben wie das Meer, nur ungleich monotoner, denn der sanfte Luftzug, der über die Steppe dahinstreift, findet viel zu winzige Grashalme, als dass er sie bewegen könnte. Von der Thierwelt ist hier nichts zu beobachten, höchstens dass hin und wieder eine Schaar Raben nach Aas spähend über die Haide dahinzieht. Die Judencolonie gleicht einem Eiland, auf dem ein ausgestosse-nes Volk brütet, nur zuweilen von einem handelslustigen Seefahrer erforscht und aufgesucht. Wir kehren dem kleinen Judenstädtchen, welches in seinen sechzig bis achtzig Häusern sicherlich 5oo bis 600 Seelen beherbergt, den Rücken. Kaum hciben wir jedoch einige Schritte gethan, als wir Wehgeschrei vernehmen, und die talargekleideten Herren daherstrampeln. Aus einem Hofraum dringt schwarzer, übelriechender Rauch, ein Feuer kam zum Ausbruch. Glücklicherweise steht kein Weltbrand zu befürchten, im Kellerraum brennen alte Lumpen. Wir dürfen daher die ganze Komik des jüdischen Genrebildes auf uns wirken lassen. Da hastet man durcheimmder, die Männer zetern im unverdorbensten israelitischen Jargon, ein halbes Hundert Kinder erscheint wie aus der Erde hervorgestampft, und einige unförmige Weiber haspeln neugierig heran. Alles zappelt, tanzt und prustet derart, dass man befürchten muss, das Feuer werde dadurch nur vermehrt. Auf der Station haben wir hinlänglich Zeit, die Physiognomie eines Nihilisten zu studiren. Er ist in sechsfacher Abnahme vorhanden, drei Photographien zeigen ihn mit Mütze, drei ohne dieselbe, in jeder Kategorie ist er bartlos, mit Schnurrbart und endlich mit Schnurr- und Vollbart abgebildet. Auf die Einbringung- sind 0000 Rubel gesetzt. Langsam sinkt der Abend herab, bei seinem Anbruch rollen wir wieder über die Pruthbrücke zurück, wo sich der rumänische Curcanü und der russische Soldat friedlich betrachten. Links und rechts an dem mächtigen, seine Fluten ruhig dahinwälzenden Strome liegt das christliche Dorf Ungheni. Der eine Theil gehört zu Russland, der andere zu Rumänien. Den rumänischen Ort durchwandeln wir. Niemals erblickte unser Auge eine armseligere Niederlassung. Ein echtes Steppendorf, kläglich zum Elerzbrechen, Kin |udenstüdtcl)cn inmitten der Steppe. y I einförmig zum .Sterben. Die strohgedeckten Häuser stehen entweder hinter einer Distel- und Gestrüppsumzäunung oder auf einem kahlen IMatze. Das Innere ist trostlos, die Menschen sind schüchtern und unstät wie Rehe. Um ihre Nahrung wird sie niemand beneiden. Wir betreten eine der Hütten und begehren Wasser. Ein langhaariger Bursche bringt es, allein was da im d'opfe herumschwämmt, kann nicht verwandt sein mit dem köstlichen Eiswasser, das die Damen von Bucuresci und Jasi schlürfen. Diese Flüssigkeit sieht graugrün aus, sie ist warm und dick wie abgekühlte Milch und schmeckt höchst widerlich. Weiterhin beschäftigen sich einige Weiber mit der Zubereitung des Abendmahles. Im Hofe hat man ein Loch gegraben, über ihm ruht eine kleine Eisenstange. In der Vertiefung wird das Feuer entzündet, auf der .Stange schwankt der Topf, worin die Frau armseligen Kukuruz kocht. Daneben spielen einige zottige, unwirsche Hunde, der einzige Reichthum des Dorfes, grunzt ein Schwein und heult ein junger Erdenpilger. Dies das Eäld, welches jedes Haus, jeder Hofraum gewährt, es stimmt in seiner g-eisttödtenden Einfachheit unsagbar traurig. Fusshoher Staub deckt die Verbindungswege der einzelnen Gassen, Schwärme von Mücken schwirren von den fi ebererzeugenden Stromniederungen herbei. Wir wandeln weiter, gelangen zum Ende des Dorfes und stehen am Rande der schweigenden Steppe, über welche die letzten Strahlen der scheidenden Sonne in eigenthümlichem Glänze dahinfluten. Vor uns erheben sich vier kurze dicke Pfähle, em Dach tragend, unter dem eine Glocke ruht: die Kirchenglecke. Wo aber treffen wir das Gotteshaus und den Friedhof? Ein kleiner Raum ward durch einen fusshohen Erdwall umzäunt, in ihm steigen einige Kreuze empor, sie kennzeichnen den Ort als letzte Stätte der Ruhe. Eine Stute weidet mit ihrem Fohlen in dem üppigen, wunderbar duftigen Gras. Es erfüllt den ganzen Raum, freilich vermischt mit Disteln, die hier die erste Stelle in der Pflanzen-Welt einnehmen. Das erbärmliche Mäuschen ohne Thurm, nur mit zwei winzigen Fenstern und einigen Löchern versehen , stellt die Kirche dar. Ein armseligeres Gotteshaus vermag man wohl nirgends auf weiter Frdenrunde zu entdecken, es kann die Gemeinde unmöglich belasten. Die Nacht sinkt allmählich herab, ein kühles Lüftchen streicht über die Haide, wir aber sitzen noch lange und mustern schweigend das Bild, welches so farbenarm, aber gerade wegen seiner Dürftigkeit so ergreifend wirkt wie selten eines. Als es dunkel geworden, dringt ein schwermüthiges Volkslied vom Pruth herüber, die Luft sättigt sich mit einem scharfen, beissenden Rauch, den die unter freiem I limmel kochenden Bäuerinnen hervorrufen. Flügelbahnen befördern uns nach Botosani, der zweit-grössten Stadt der Moldau. Botosani ist äusserst rein gehalten, was um so an erkennens werther, da die Ansiedelung sehr umfangreich genannt werden muss. .Sie zerfällt in zwei streng geschiedene Theile. Der eine besteht in der inneren .Stadt, den andern bilden die der Idaute volee gehörigen Vororte. In dem ersteren gewahrt man nichts als Juden, Juden in allen Grössen, in allen Facons, einen immer schmutziger, einen immer ärmlicher als den andern. Auf dem Marktplatz herrschen sie natürlich ausschliesslich. Hier schreien und zetern sie durcheinander, dass einem schier das Trommelfell zerspringt. Zwei Dutzend bieten kreischend in grossen Kisten Zwetschken, Reineclauden, Pflaumen, Birnen und Aepfel aus, edles zu einem ziemlich wohlfeilen Preise und von herumstreichenden, zwiebelduft-spendenden d'alarbesitzern rleissig gekauft. Die Häuser sind schmutzig, schauderhaft schmutzig-, braun, gelb oder roth angestrichen, an jedem aber fehlt ein Stück, sei es Holz, sei es Mauer. Das ganze Juden viertel gleicht einer Cloake, und schwer fällt es der Obrigkeit, auch hier den sanitären Verordnungen Ling-ang zu verschaffen. Flochinteressant ist die Besichtigung eines der jüdischen, von der Religion vorgeschriebenen Bäder. Man denke sich eine in drei Räume zerfallende Baracke. Im ersten Loch hocken in vier oder fünf Bretterverschlägen je drei oder Botosani. 73 vier Juden über- und nebeneinander, auf einer Bank kleben mindestens zwanzig. Körper an Körper gedrückt gleichen sie einer .Schaar Häringe. Im zweiten Räume befindet sich das Dampfbad. Dil fast jeder Besucher zu dampfen pflegt, kann auch in diesem Behälter keine Stecknadel zur Erde fallen; im dritten Räume dasselbe Schauspiel, liier stösst man indessen auf das Werthvollste des Bades, aui eine acht Fuss lange Vertiefung, in deren trüber Jauche einige menschliche Körper herumkrabbeln. Alle Bänke wurden vollständig mit Beschlag- belegt, und da selbst die Zwisehengänge von Juden in edlen Grössen bis herab zu sechsjährigen Sprösslingen vollgestopft erscheinen, so tritt man buchstäblich auf lauter Hebräer. Alle präsentiren sich natürlich im Adamscostüm, das geringste Schamgefühl liegt ihnen fern. Der Bademeister tanzt wohl mit einem Bündel Blätter herum, sie erweisen sich jedoch nicht als ¥ eigen-, sondern als Eichenblätter, mit denen die dem Dampfbad Entronnenen gepeitscht werden. Dunst und Geruch nach Schweiss erfüllen das mit menschlichen Eeibern vollgepfropfte Paradies. Am Montag und am Donnerstag baden die EVauen, am Dienstag und Freitag die Männer. Jeder Padegast zahlt zehn Bani, in verschiedenen Anstalten begnügen sich die Inhaber sogar mit fünf. 1 )er weitaus grössere Theil von Botosani setzt sich aus einem Dutzend unbelebter Strassen zusammen, in denen man die Villen der materiell Gesegneten aufbaute. Man sieht da prachtvolle Bojarenpaläste, mit wunderbarem Vorbau, grossen, luxuriös ausgestatteten Räumen und eleganten Schönen. In einigen Strassen wieder -wohnen nur reiche Armenier, meistens Grundbesitzer oder Pächter, deren Erauen oft weit schöner und noch feuriger sind als die Rumäninnen. Zwischen beiden macht das Volk strengen Unterschied. Nur ein Rumäne kann Bojare sein, der Armenier ward immer kurzweg Armena genannt. Es erinnert das einigermassen an ein Märchen der Siebenbürger Sachsen, welches den Charakter der Armenier trefflich andeutet. Als Gott die Völker schuf, so berichtet es, w^ar ihm von dem Lehm, aus dem er den Zigeuner und den Juden gemacht, je ein Stückchen übrig geblieben. Damit sie nicht verloren gingen, knetete er sie zusammen, und es erstand der Armenier. Botosani besitzt ein prachtvolles Gymnasium, gross ist ferner die Anzahl der Gotteshäuser, verfügen doch die Armenier allein über zwei Kirchen, die Juden über zwanzig Betsäle. Am Tage unserer Anwesenheit in Botosani herrscht interessantes Leben. Ein Caroussel ist eingetroffen, es macht unermüdlich Concert. I hinderte umstehen es, leider kann von allen d>achten nur die eines jungen Mädchens mit glitzernden Katrinzen, weissem Kopftuch und weissem, reichbestickten 1 lemd für volksthümlich gelten. Nebenan bemüht sich ein Ausrufer, das Publicum für ein Zaubertheater und allerlei bisher in Botosani nie Gesehenes zu begeistern. Es ist ein in Anbetracht der trostlosen Umgebung widerliches droben, und da am Abend in unserem liötelgarten eine halb jüdische, halb rumänische Kapelle ihre Kunstfertigkeit beweist, müssen wir uns schon auf eine schlaflose Nacht gefasst machen. Uebrigens wird uns einigermassen Ersatz geboten. Die Musikkapelle spielt nicht schlecht, und nachdem wir uns an das d^ongewirr des Caroussels und des Ausrufers gewöhnt, vermögen wir einem der Violinspieler zu lauschen, der melancholische Volkslieder mit Gefühl vorträgt und sie selbst mit wirklich guter Stimme begleitet. Zudem sitzt im Garten die Aristokratie versammelt. Die glänzendsten Pariser Toiletten, blassblaue Atlastaillen, weisse Spitzen- und Mullkleider werden der Betrachtung anheim gestellt, die l'ournüren übertreffen an Grösse alle von Bucuresci und Jasi. Dreissig oder vierzig der Schönheiten promeniren im I lauptgange auf und ab, bewundert von eleganten Cavalieren und schmucken Officieren. Ob sie freilich dauernde Eroberung machen, muss dahingestellt bleiben, das ungeheuere Talent der Schönen, dem Luxus zu huldigen, dient jedenfalls nicht zur Aufmunterung für das beliebte ewige Binden. - Die weltbekannte Klugheit und Gewissenlosigkeit der Israeliten tritt in der Moldau allerorts zutage. An jedem Morgen hüpfen die Juden zur Barriere, wo sie den handelslustigen Bauern Hühner, Obst und Gemüse fast gewaltsam für einen Spottpreis entreissen. Oft bringt der Rumäne eine Fuhre Holz zum Markt. Der Hebräer bietet ihm to Fei, der Landmann willigt nicht ein, er denkt, wenn der Jude so viel gibt, könne er vom Christen noch mehr erhalten. Es erscheinen wirklich Christen, sie sind geneigt 7 Lei zu zahlen, der Besitzer weigert sich ganz entrüstet. Am Abend steht er noch immer mit seiner Fuhre da, und muss, weil die Zeit drängt, seine Waare an den Juden für 4 Fei losschlagen. Häufig nöthigt auch der Hebräer den Bauern zum Kaufe, er hält ihn zu diesem Zwecke gewaltsam fest oder zerrt ihn hin und her. Bleibt der Christ unerbittlich, so ruft der Jude die Polizei herbei und verkündet, der Rumäne habe dies oder jenes stehlen wollen. In der Regel zieht der Bauer in solchen Fällen den Kürzeren, die Klugheit des Israeliten triumphirt, unterstützt von der Ausdauer derselben. Die letztere ist bewunderungswürdig-. Zehnmal geht der Landmann am Laden des Israeliten vorüber, ohne dessen Lockrufen zu folgen, das elfte Mal dürstet ihn gar zu sehr, und er tritt ein, weil er vom Nachbar gehört hat, der Jude habe einen vorzüglichen Tuicä und sei freigebig damit. Noch zweimal bewirthet ihn der Hebräer gratis, beim vierten Besuch dringt er dem völlig Bethörten Geld auf, und der Verführte lst für ewige Zeiten sein Opfer. Zur Illustration der Art und Weise, wie die intelligentesten und angesehensten Israeliten Rumäniens operiren, seien folgende wahre Begebenheiten angeführt. In Bucuresci War eine Licitation bereits geschlossen worden, und man hatte dem einen Bewerber die Lieferung übertragen, als die Thür aufgerissen wurde, und ein angesehener Israelit hereinstürzte. Der Schweiss rann ihm stromweise herab, er achtete dessen jedoch nicht, durchbrach vielmehr eilig die Reihen und rief fortwährend: „Ich geb's 5o Procent billig-er wie der Billigste!" Hin ander Mal war die Armeeleitung- gewillt, die Lieferung von iooo Musikinstrumenten öffentlich zu vergeben. Hauptbewerber, das war augenscheinlich, würden ein eingewanderter Böhme und ein Israelit sein. Am Morgen des Licitationstages erschien ein junger Mann bei dem Czechen, die Nachricht bringend, er möge auf ein Dorf unweit Bucuresci kommen, auf dem Gute sei eine Orgel zu repariren. Der biedere Instrumentenmacher rechnete aus, er könne zur Stunde der Licitation zurück sein und folgte den Lockrufen. Eine bereitstehende Birjä brachte die zwei Reisenden in das eine Stunde entfernte Dorf. Hier bat der Fremdling-, der Czeche möge einstweilen im Gasthaus verziehen, er werde ihn anmelden. Der Meister liess sich bei einem Glas Wein nieder, als jedoch nach einer längeren Zeit der Unbekannte nicht zurückkehrte, erhob sich der Handwerker. Birjar und Fremdling waren verschwunden, und der Meister ahnte, wer ihn geprellt hatte. Zu Fuss eilte er in der grössten Sonnenhitze zur Stadt zurück, denn in dem elenden Dorfe war absolut kein Fuhrwerk aufzutreiben. Als er das Licitationslocal schweiss-triefend erreichte, erfuhr er, alles sei vorüber, man habe dem Juden als einzigen Bewerber die Lieferung zugesprochen. Wie man übrigens gestehen muss, ist die rumänische Regierung bisher in lobenswerther Weise darauf bedacht gewesen, das jüdische Element möglichst niederzuhalten, und in einzelnen Fällen mag- sogar eine ganz entschiedene Begünstigung der eigenen Volksangehörigen vorgekommen sein. Einige Bauern entliehen von Israeliten lang-e Zeit Geld, alle Eamenti der Hebräer bei der Obrigkeit betreffs Auspfändung etc. nützten nichts, und die Rumänen verhöhnten ungestraft die Wucherer. Entgegen ihrer sonstigen Abneigung drängen sich die Hebräer der Moldau vielfach zum Militärdienst heran, sie wissen, dass in Rumänien ein Jeder durch die Waffenleistung- das Zuständigkeitsrecht erwirbt. Die Regierung vermeidet es nun, die Kaftan-träger einzureihen, und hat ja einmal einer gedient, so sucht (udengeschichten. 7 7 sie ihm dennoch das Zuständigkeitsrecht vorzuenthalten. Der Israelit weiss sich natürlich zu helfen, er pachtet trotzdem ausserhalb der .Stadt einem Branntweinschank oder ein Grundstück und setzt der Form halber einen Christen ein. Von offener Unterdrückung der Juden kann in Rumänien wahrlich keine Rede sein, wäre dies der Fall, dann würde man das israelitische Theater in Jasi längst geschlossen haben, für die Ausschreitungen einzelner gewissenloser Beamter aber die Regierung verantwortlich zu machen, hiesse eine Ungerechtigkeit begehen. Die rumänische Beamtenwelt wTar früher wehl in vielen Fällen bestechlich, unpünktlich und gewissenlos, heutigentages hat sich das geändert, die jüngere Generation verfügt über tüchtige, tadellose Kräfte. Leute, wie jener Polizeidirector, der am Freitag Abend das jüdische Päd sperren liess und eine Stunde später von den zeternden Juden ioooo Lei empfing, oder jener Schulinspector, der da drohte, die jüdischen Winkelschulen schliessen zu lassen, um infolge dessen 5oo Ducaten zu erhalten, gehören einer vergangenen orienudischen Beamtengeneration an. Zudem fielen ihre Angehörigen dem rumänischen Volke nicht einmal zur Last, sie waren vielfach Griechen, Armenier und Russen, kurz Günstlinge der Phanarioten. Dass einzelne Beamte auch heute zuweilen nicht ihre; Pflicht thun, erklärt sich durch die allgemein menschliche Natur, es ward durch einige mang-elhafte Institutionen gefördert. Der rumänische Beamte ist niemals fest eingesetzt, er kann schon morgen seinen Abschied erhalten; sodann existirt kein IYnsiotis-gesetz; nur wer 30 Jahre gedient, wird pensionirt. Thatsache ist, dass die Rumänen in weiser Beurtheilung-der Verhältnisse bis zum Berliner Vertrag die Gleichberechtigung der Juden verweigerten, dass sie sich mit schwerem II erzen jenen internationalen Verfügungen unterwarfen und Hoch heutigentages in lobenswerther Weise darauf achten, dass das von religiösem Hass bethörte Volk der Hebräer nicht unumschränkt eine entsetzliche Herrschaft ausübt, wie (i'<'s beispielsweise in dem durch magyarische Beamten- wirthscfoaft verwahrlosten Marmaroser Waldgebirge geschieht. Dort fühlt sich der Israelit völlig Herr der Situation, und man hat in Westeuropa keine Ahnung von den daselbst geschehenen, ungerügt gebliebenen Verbrechen. I )ie jüdischen starren Satzungen bezeichnen es als Sünde, wenn ein Judenmädchen einen Christen ehelicht. Man verurtheilt die Verliebte in der Synagoge zum Tode, ein jedes Mitglied der Chille hat die Pflicht, den Spruch zu vollziehen, und nur, wenn die Verirrte inzwischen getauft worden, wird der Spruch hinfällig. Ihre Familie aber bleibt ein Opfer der Schande, man begräbt einen jeden Angehörigen derselben nicht auf dem Rücken, sondern auf dem Bauche liegend. In der Gemeinde Visso flüchtete sich eine in einen Ruthenen verliebte Israelitin in das Pfarrhaus und blieb, von ihren Verwandten bedroht, drei d^age daselbst, bis die Taufe vollzogen; und in der Gemeinde Bocsko-Raho mussten sogar die deutschen Colo-nisten bewaffnet werden, um eine einen Rumänen liebende schönt; Jüdin vor den Angriffen der rachebrütenden Israeliten zu schützen. Die von religiösem Wahn Verleiteten hielten das Pfarrhaus zwei Tage lang- umstellt. Das Aerg-ste geschah vor mehreren Jahren in Borsa. Ein Friedensrichter war den Juden durch seine Bemühungen, die Bauern aus den Wucherhänden ihrer Peiniger zu befreien, verhasst. Er wurde im Tempel zum Tode verurtheilt und zu nächtlicher Stunde hinterrücks erschlagen. Und was widerfuhr den vier Mördern? In erster Instanz freigesprochen, in zweiter verurtheilt, entliess man sie in dritter und letzter Instanz wegen Mangels an Beweisen! Ein leuchtendes Beispiel magyarischer Justiz! In der Moldau sind solche Sachen dank der Regierung nicht gut möglich. Mithin äussert sich hier der Aberglaube, der religiöse Wahn und der 1 lass auf unschuldigere, oft auch auf recht komische Weise. In Jasi wurde unlängst ein reicher, angesehener Rabbiner begraben, wohl tausend Leidtragende folgten dem durch mehrere Strassen geführten Sarg. Unglücklicherweise kam der Zug- beim Grundstück | udengeschichten. 79 einer rumänischen Witwe vorüber, die sich in ihrer Ahnungs-losigkeit an die Planke des Gartens stellte und dem Schauspiel zusah. Das jüdische Gesetz verbietet jedoch, dass Frauen eine solche Beerdigung durch ihre wissbegierigen Blicke entheiligen. Die neugierige Witwe ward bemerkt, Regen- und Sonnenschirme schwirrten durch die Lüfte, und lawinenartig ergoss sich ein g-anzer Strom kreischender Hebräer über die Planken hinweg in den Garten der entsetzten Witwe, diese selbst tüchtig bearbeitend. In dem sich daraus entspinnenden Process traten 1 lunderte von Entlastungszeugen auf, trotzdem wurden einige der 1 laupt-schläger mit gering-fügigen Strafen belegt. Merkwürdigerweise hat sich ein angesehener, sonst emancipirter, jüdischer Arzt, Eigenthümer eines der schönsten Häuser von JasT, unter dem Heer der Stürmenden befunden. Der jüdischen Lehre zufolge soll ein d'odter zwei Stunden nach dem Verscheiden, der Sanitätsvorsehrift gemäss erst am dritten Tage, beerdigt werden. Es ist nun ungdaublich, welche Mittel die Juden ersinnen, um die gesetzliche Frist möglichst herabzumindern. Das unschuldigste ist noch das Gewinnen des Arztes zum Ausstellen eines falschen d'odtenscheines. ■ Naht der Zug dem Friedhof, so hat ihn der Friedhofswärter zu empfangen. Weil nun die ausserordentlich furchtsamen Israeliten glauben, die Todten halten des Nachts in der Synagoge ihre Zusammenkünfte und der Engel des Schreckens lasse sich auf einem ueugeworfenen Grabe nieder, so sind diese Friedhofswärter fast immer Rumänen. Beim Todtenfeld angekommen, pflegt man den Hüter zu fragen, ob noch Platz vorhanden: seine Pflicht ist es, dies zu verneinen und sich nur nach heftigem Zureden zu dem (ieständniss herbeizulassen, ,,es sei zur Noth noch Platz, aber blos für einen." Erst nach dieser Beruhigung- gibt sich das Häuflein zufrieden und schlüpft durch das Thor. Nicht nach Wunsch verlief vor einiger Zeit ein Begräbniss in Botosani. Der rumänische riedhofswächter war längere Zeit ohne Gehalt geblieben und brütete in unheimlichster Weise Rachegedanken. Als der Zug der PeYssigeschmückten Einlass begehrte und die übliche Frage stellte, brüllte ihnen der getreue Eckart entgegen: ,,Fs ist nicht für einen Platz, sondern für euch Alle." Der Zug kam in unbeschreibliche Verwirrung; mit schreckensbleichen Gesichtern und unter Ach und Waih wurde der Verblichene zurückgeschleppt. Man knüpfte Unterhandlungen mit dem grollenden Hüter an, und als man zum zweiten Male heranrückte, hörte man die trostreiche Versicherung, „es sei nur noch Pkitz für einen, und auch für diesen nur, wenn der rückständige Gehalt baldigst gezahlt werde." Fin ander Mal war ein reicher Jude in Jas! mit Tode abgegangen. Leider verbreitete sich das Gerücht, sein Geist gehe um, man wollte ihn des Nachts auf der Gasse gesehen haben, andere hatte er zu Hause besucht. Was erfand nun der spitzbübische Sinn der Hebräer? Sie rechneten auf die mit all' seinen Brüdern getheilte, heillose Furcht des Geschiedenen vor dem Spital. Eine Deputation begab sich zum Grabe des Verstorbenen, beugte sich nieder und rief unaufhörlich ,,Moischele, Moischeid" Als man glaubte, der Störenfried werde erwacht sein, theilte man ihm mit, er möge die Güte haben, alle nächtlichen Spaziergänge zum Spital zu richten, dort habe man für ihn ein Zimmer g-emiethet. Moischele hat nie wieder etwas von sich hören lassen. 3. In den Karpathen. Pfoch ein Judenstadtchen und eine Judenstadt — Das Moldavathal aufwärts 9.is Dornawatra. — Mit dem Floss die goldene Bistrifa hinab, die schönste und angenehmste aller Karpathenpartien. BrostenT, die Domäne des Königs. —- Hangulu. — Von Piatra nach Xeamtu. — Das Mönchskloster Ncamtu und das Nonnenkloster Varaticü. Abschied von der oberen Moldau. Von Botosani bringt uns das Dampfross in zwei Stunden nach Veresci, einem an und für sich völlig werthlosen Punkt. Von hier geht es über mittehnässig gute Felder nach denn Dörfehen Dumbrovent, wo wir in der Familie eines liebenswürdigen Polen allerlei Aufschlüsse über Land und Leute erhalten. Der I lerr ist Director der (füter der berühmten moldauischen Familie Balsü. Fs sind ihrer nicht Weniger als dreizehn, verpachtet an drei Armenier, an einen Juden und an einen Rumänen. Gegen Mittag führt man uns nach der Bukowina. Durch Wald, Wiesen und Feld fahren wir hinüber. Rechts liegt auf einem sanften Höhenzug Suczawa, die einstige Residenz der moldauischen Lürsten. Seine Thürme heben sich vom Grün der Bäume ab, seine weissen Häuser glänzen im Sonnenschein, über dem ganzen Bild steht ein lachender blauer Himmel. Auf dem diesseitigen I löhenzug kommt man durch BurduzenT, ein Judenstadtchen wie Lngheni, ebenso originell und elend, nur weitaus grösser, indem der Ott nicht aus einer einzigen Gasse besteht, sondern aus Bergner, Rumänien. o vier oder fünf. Heute sind die Veranden unbelebt und die Klappen geschlossen, heute ist der liebe Schabbes erschienen, dem die Israeliten gern bei verschlossenen d nüren huldigen. 11inunter geht es zur Grenze. Rumänische Soldaten im blauen Waffen rocke mit weissen .Schnüren empfangen uns hier, österreichische Finanzsoldaten dort. Beide Parteien prüfen unsern Pass und stecken die Nase der Form halber in den Wagen. Eine halbe Stunde später rollt unser Gefährt durch die Strassen Suczawas dahin. Die .Stadt kann mit ihren ioooo Einwohnern als eine der volkreichsten der Bukowina bezeichnet werden, leider auch als eine der hässlichsten und schmutzigsten. Die Strassen sind durchaus uninteressant, man müsste denn die Hunderte von Israeliten studiren. Wie in Galizien schmücken sie sich mit dem pelzverbrämten Straimel und, wenn es ihre Mittel gestatten, mit seidenen Strümpfen und seidenem Talar. Das einzig Xennenswerthe der .Stadt sind die Ruinen des ehemaligen Eürstenhauses und die drümmer einer alten Kirche. Schon bei unserer Anfahrt wurden wir die Beute einiger Dutzend I [ebräer. Edner erklärt sich bereit, uns immer billiger wie der andere zu befördern. Fünfzehn Gulden verlangt der I iauptschreier, als wir aber einschlagen wollen, um den I fandel abzuschliessen, lispelt er schnell das Wort ,.zwanzig". Ein günstiger Zufall hält unsere 1 [and zurück und lässt uns mit einem Nebenmann überein kommen. Nach qualvollem Marren führt uns der christliche Knecht des Hebräers davon, der letztere verspricht nachzureisen, darf er doch am Schabbes vor Sonnenuntergang nicht arbeiten, das heisst nichts eigenhändig verdienen! Die jetzt folgende Fahrt ist angenehm. Wir haben ein Stück österreichischer Cultur vor uns und können überaus fesselnde Vergleiche zwischen den Zuständen der Bukowina und denen der Moldau ^lnstellen. Ein Blick auf die österreichische Generalstabskarte hat uns schon belehrt, dass wir weit dichter bevölkerte Landstriche durchreisen wie bisher. In der Moldau kann man meilenweit in einer Richtung wandern, ohne auf ein Dorf zu stossen, Hügelland und Seretüthal sind gleich dünn bevölkert. Auf der Karte der Bukowina reiht sich ein Ortsname an den andern, die Höhen sind mittelmässig, ■ die Thäler ungemein stark besiedelt. In diesem Lande ist auch alles bebaut, nicht begegnet man da wüsten, weiten Flächen, wie in der Moldau. • Eier schliesst sich ein Feld an das andere; da grüsst Weizen, dort Hafer, dort Gerste, dort Klee, hier Hanf. Einigermassen verstimmend wirkt das Berühren von sechs Mauthstellen auf dem Wege von Suczawa bis Dorna-watra, an jeder sind 20 bis 30 Kreuzer zu entrichten. Die ganze Strecke ist um 80 000 Gulden von der Regierung an mehrere Juden verpachtet. Der Gedanke, dass diese Strasse die einzige, welche der österreichischen Regierung einen Reingewinn abwirft, berührt uns nur wenig tröstlich, unserer Ansicht nach wäre es am richtigsten, wenn der Staat selbst die Strasse verwaltete und seine eigenen Beamten einsetzte. Man hat darauf zweierlei erwidert, erstens würde dies dem Staate grössere Regie verursachen, zweitens, wer sollte die draschen der Beamten controliren? Allein eine gute Regierung muss Mittel und Wege wissen, um Sich ehrliche Beamte zu erziehen, und für den Reingewinn der jüdischen Pächter könnte man sehr gut die Regie befreiten, man würde dann wenigstens weit eher der Welt glauben machen, die Juden seien noch nicht die Herren des Landes. In Wahrheit ist die ganze Bukowina bei den Juden verschuldet. Einige rumänische Ortschaften mit zerstreut liegenden Häusern werden durchflogen, bei hereinbrechendem Abend erreichen wir lliesesci, eine grosse Gemeinde mit stattlichen Häusern. Es muss eine deutsche Ortschaft sein! Dies verräth uns ein jedes Fenster, Vorhänge schmücken dasselb e, und Blumentöpfe schauen heraus. Die Pflege der Blumen aber ist in den Karpathen nur bei deutschen dauern zu finden, dem slovakisehen, rathenischen und rumänischen Landmanne mangelt es an Schönheitssinn, ihn 6* beschäftigen vollständig die gemeinen Bedürfnisse des alltäglichen Lebens. Der Abend tritt inzwischen seine Herrschaft der Nacht ab. Die Sonne lag geraume Zeit wie eine goldene Kugel auf den Karpathenbergen, den Himmel, der durchsichtig und wie aus unzähligen Diamanten zusammengesetzt erschien, in allerlei ddnten hüllend. Der violette und hellblaue .Schimmer ist jetzt verschwunden, statt dessen nimmt das Firmament eine düstere Farbe an. Um uns her herrscht reges Leben. Man hält heute grossen griechischen Feiertag. Infolge dessen tummeln sich rumänische Burschen und Mädchen in ihrer Sonntag-s-tracht. Das Hemd glänzt reing-ewaschen, die weissen Aer-mel sind mit g-rossen, rothen Achselklappen versehen, sie verleihen der hiesigen und der moldauischen Tracht das Charakteristicum. Den Hals zieren eine Unmasse werthloser Perlen; blaue, gelbe oder weisse, vielfach mit Münzen gemischt, herrschen vor. Rothe oder rothbraune und schwarze Schürzen und Röcke vollenden die Tracht. Nachdem unsere Thiere getränkt, rollen wir durch die fröhlich schäkernden Menschen davon, um in eine waldreiche (fegend einzutreten. 1 )unkel und drohend ragen die schönen Tannen auf beiden Seiten empor. Zuweilen erschreckt uns ein Kilometerzeiger, dessen weisse Spitze wir für die Pudelhaube eines Bauern g-ehalten, zuweilen sehen war ein Licht im Walde glänzen. Die Gegend ist sieher, Gendarme und Finanzsoldaten haben seit Jahren dafür gesorgt. Jene grosse Räuberbande, welche vor einem Decennium die; südliche Bukowina durchschwärmte, ist längst beseitigt, und die an jeder Grenze in Osteuropa üblichen Einfalle in's g-egmerische Gebiet nehmen beständig-ab. Kleine Lichter zeigen sich, sie rühren von den Leuchtkäfern her, die auf diesem oder jenem Busche haften. Der Mond scheint zu zürnen, er erfreut uns nicht mit seinem milden Lichte. Kühl wird es, man fühlt, der Herbst steht vor der Thür. Uns dünkt, als ob die Wälder kein Ende nehmen könnten, spät erst erreichen wir Gora 1 lumora, ein kleines Oertchen, dessen Einwohner sich aus Rumänen, Deutschen und Juden zusammensetzen. Die letzteren haben natürlich das Heft in Händen. Am nächsten Morg-en geht es weiter. Wir athmen im Thale der Moldava, inmitten des Karpathischen Waldgebirges. Aber auch hier besteht ein grosser Unterschied zwischen Bukowina und Rumänien. Das Gras der Wiesen ist viel feiner als das der Moldau, weil es jährlich mehr als einmal abgemäht wird, die Felder erweisen sich als besser bebaut, alles, Feld* Wiesen, Haus und Hof hat man mit Brettern umplankt, was einen sehr günstig-en Eindruck macht und von Ordnung-ssinn zeugt. E>eilich wächst hier mehr Holz als in dem moldauischen Hügelland, wo das Holz als kostbarer Artikel gilt. Anfangs muss das Thal der Moldava ziemlich breit genannt werden, eine rumänische Ortschaft und eine mit Deutschen gemischte wird pas-sirt, dann gelangen wir über das rumänische Warna nach Eisenau. Der Abstieg in die kleine Ortschaft ist reizend. Auf .drei Seiten ragen bewaldete, dunkle Berge empor, vor uns zieht der Fluss seine Bahn. Man läutet gerade zum Gottesdienst, die schmucken Zipserinnen rüsten sich, E'olge zu Bisten. Und einen deutschen Ort haben wir vor uns, das predigen die starkknochigen Gesichter mit energischen Zügen, das verkündet die Sauberkeit in Haus und Hof, das verräth. die Kleidung! In Eisenau kann man keine Nationaltracht wahrnehmen. Die Mädchen hüllen sich in feuerrothe, in blaue oder in graue Waschkleider, ihre Schönheit steht der der Rumäninnen weit nach. Die Zipser von Eisenau sind nicht die einzigen, welche den rumänischen (irundstock der hiesigen Bevölkerung durchbrechen, wir treffen in der Gegend noch einige ru-thenische Ansiedelungen? deren Einwohner sich durch Rohheit auszeichnen sollen, in Poianä Balta und in Schwarzthal l^eutschböhmen, in Luisenthal, Freudenthal, Pozaritta, Jacoben! und Kirlibaba wiederum Zipser. Die meisten dieser deutschen Colonisten wurden von einem gewissen Manz hereingeführt, der vom griechisch-orientalischen Religions- fonci grosse Complexe in Pacht nahm und Tausende ernährte, später in Wucherhände fiel und, gänzlich verarmt, sich erschoss. Die materielle Lage der Colonisten soll ganz günstig- sein, obgleich sie in einem seltsamen Abhängigkeitsverhältnisse zum griechisch-orientalischen Religionsfond stehen. Das Wohnhaus ist allerdings Eigenthum der Leute, dagegen wird ihnen Grund und Boden nur gegen Entrichtung von Abgaben geliehen. In Eisenau standen früher Frischöfen in Betrieb, in Pozaritta wurde auf Kupfer gebaut, in Jacoben! und Eisenau gewann man in grossartigem Massstabe Eisen. Fleute sind die Werke von Pozaritta eingegangen, die Deutschböhmen von Schwarzthal ernähren sich durch Holzfällen, Holzflössen und Strassen» bauten, die Zipser von Jacoben! betreiben in bescheidener Weise ihr althergebrachtes Geschäft. Eisenau gewährt mit dem munteren, hindurchströmenden Bach ein gar liebliches Bild. Jedes der Häuser besitzt einen Garten, in dem ausser Gemüse selbst Zierpflanzen gepflegt werden, ein sicheres Zeichen für das Vorhandensein des Deutschthums. Allmählich belebt sich die Strasse mehr und mehr, und als wir in das Oertchen Kimpolung einfahren, erblicken wir eine grosse Menge Volkes in Sonntagstracht. Leider ist die Kleidung bei weitem hässlicher wde in Iliesesc!. Wohl besitzen die Weiber hier wie dort weisse Hemden mit rothem, gelbem oder schwarzem Besatz, was man in Siebenbürgen und der Marmaros nicht entdeckt, wohl erscheint ihr Hals mit einer Unzahl bunter Glasperlen geziert, allein sie schreiten barfuss, mit bis an die Kniee aufgeschürztem Rock daher und schleppen sich mit hässlichen, der Form nach chinesischen Sandalen. Ihre Katrinzen liegen ausserordentlich eng an, sie verbieten jede schnelle Bewegung, der Oberkörper steckt in einem Leibchen aus Schaffell; die ganze Person ähnelt einem Manne zum Verwechseln. Etwas gefälliger tragen sich die Männer. Ihr Hauptkleidungsstück bildet die lange, schwrarzverbrämte, weisse, schaffellene Weste, den Kopf ziert ein runder, mit einer feuerrothen Kunstblume besetzter Filzhut. Das schwarze Haupthaar fällt in langen Strähnen, meistens etwas gelockt, bis auf die Schultern herab, einige der jüngeren Burschen können dies als Schmuck betrachten, da ihr Maar schön glänzt, bei anderen dagegen wirkt der Brauch abschreckend. Die Hauptstrasse von Kimpolung- weist freundliche Häuser auf. Verunstaltet wird sie nur durch eine ganze Legion jüdischer Läden. Diese bestehen eigentlich blos aus einer emporgeschlagenen Klappe, unter der von jedem Genussmittel ein .Stück enthalten ist, ein Zuckerhut, ein Paket Kerzen, ein Brod, ein Stück Fleisch. Die Israeliten wandeln in grosser Zahl herum, sie dürften die Hälfte der Bewohnersertaft ausmachen; auch in allen berührten Dörfern dominiren sie. Wer die Bukowina gesehen, der kann ermessen, wie vortheilhaft die rumänischen Gesetze sind, weil sie den Hebräern den Aufenthalt auf dem Lande verbieten. Zum Glück sind die Beamten der Bukowina ach-tungswerther als die der Marmaros und Galiziens. Von den dortigen ist meist nichts Löbliches zu melden, sie gelten als Werkzeuge der Juden. Unter denen der Bukowina muss man die juridischen durchaus als Ehrenmänner bezeichnen, über die politischen circuliren weniger günstige Urtheile. Kimpolung mit seinen freundlichen weissen 1 läusern, seiner hübschen katholischen Kirche, seinen dreithürmigen ruthenischen und rumänischen Gotteshäusern und seinen Israeliten liegt hinter uns. Vor uns erheben sich auf beiden Seiten die herrlichsten Tannenwälder. Ihre Bäume steigen kerzengerade empor, sie sind so schön und üppig, dass man meint, sie seien eigens von einem Gärtner gepflegt und absichtlich in grösster Regelmässigkeit nebeneinander und amphitheatralisch übereinander gesetzt worden. Die Gegend zeigd sich nicht mehr so stark bevölkert, die Leider verschwinden gänzlich. Auch der mächtig rauschende Mxddavafluss ist längst von dem kleinem Putnabache abgelöst worden, harmlos plätschernd fällt dieser zu Thal. Pozaritta heisst die letzte Ortschaft, dann geht es vorüber bei einem grossen leerstehenden Gebäude, einer ehemaligen Kaserne, und. nachdem unsere Pferde getränkt, erklimmen sie die .Bergeshöhe. Ungezählte Serpentinen müssen zurückgelegt werden, kaum haben wir einen dunklen Nadelholzwald zur Rechten gehabt, so wenden wir uns und fahren wieder an ihm zurück, nur etwas höher steigend. Oft gewahren wir drei, vier Schlangenwindungen unter uns, auf. dem Gipfel des Berges liegen acht dicht nebeneinander zu unseren Füssen. Bis hierher war die Umschau eine mannigfaltige, schnell veränderliche, wir erfreuten uns dieser und jener bewaldeten Schlucht, unser Blick hingbewundernd an diesem und jenem vorüberschwindenden Hügel; auf der Höhe umfassen wir jetzt die durchmessene Gegend mit einem einzigen Blick. Eine ganze Gebirgswelt winkt ihre Abschiedsgrüsse, ein ganzes Heer von Wäldern, einige Ortschaften und auf den .Bergwiesen zahlreiche Schafheerden sind sichtbar. Vor uns aber liegt ein neues Paradies. Neue Berge haben sich gleichsam emporgehoben, ausgedehnte, entholzte Halden mit kleinen Elauschen und dürftigem Weide- und Wiesenland glänzen im berückenden Sonnenschein. Hinab geht es. Der Staub umgibt uns in ungeheuren Wolken, schon längst sind wir mit einer fingerdicken, grauen Schicht bedeckt. Da zeigt sich ein wohlbekanntes Karpathenbild. .Ein schmächtiger, dunkeläugiger, schwarzgelockter Knabe stellt sich im Adamscostüm zur Schau und bettelt in ohrenzerreissenden Bauten. Er verfolgt uns, ein Kreuzer wird ihm zutheil, statt aber wie andere seines Stammes mit dem Beworbenen abzuziehen, verlangt er mehr. Eine Dirne unterstützt ihn dabei. Eine Schönheit ersten Ranges. Die Züge des ovalen Gesichtes dünken uns von grosser Reinheit, ihre Augen zeugen von Intelligenz und Lebhaftigkeit, ihre Körperformen sind schlank und ebenmässig-. Wohl ist ihre Ehiutfarbe hellbraun, könnte sie aber in Salontoilette erscheinen, so möchte diese Farbe ihre .Schönheit nur erhöhen. Auch die bald darauf vorüberziehenden zwei Wagen führen hübsche Ladung. Die Weiber sind zwar unansehnlich, dagegen mehrere der Kinder wirklich reizend, Besitzer frischer hellbrauner Gesichter und Schafhirten. des schönsten schwarzgelockten Haares. Nicht lange währt es, und wir stehen einem ganzen Stamme gegenüber. Nicht weniger als zehn Wagen mit je zwei Pferden halten seitwärts der Strasse; keiner der Insassen macht Anstalt zu betteln, mehrere grüssen, und viele haben regelmässige Gesichtszüge, so dass wir auf den Gedanken verfallen, die Aristokratie des Zigeunerthums sei von uns entdeckt worden. Immerhin ist es niemals rathsam, sich mit den braunen Kindern des Waldes und der Haide auf freundschaftlichen Fuss zu stellen. Eine Bäuerin der Bukowina erfuhr dies vor Kurzem. In ihrem Hause erschien ein Trupp Zigeuner, bittend, man möge ihm Milch verkaufen. Mehrere begleiteten die Erau in den Kuhstall, die Uebrigen blieben zurück, erbrachen eine d>uhe und raubten einen Hundertguldenschein. Als der Bauer nach Hause kam und erfuhr, welchen Preis die Zigeuner für die Milch gezahlt, schöpfte er sofort Verdacht, eilte zur TYuhe und vermisste das Geld. Gendarmen setzten den Spitzbuben nach, und man hielt die Bande an, um sie wochenlang in Dornawatra einzusperren. Von hier brachte man die hartnäckig Leugnenden nach ihrem Zuständigkeitsort zurück, wo man ihnen den Process machen wird. Die Banknote dürfte für immer verschwunden sein, entweder hat die Gesellschaft einen der Genossen mit ihr sofort in's Gebirge gesandt oder ein Wagenrad besitzt eine geheime gut verschlossene Höhle, in der man das Papier verborg-en. Ueber den Humor der Zigeuner erzählt man sich wie allerwärts auch in der Bukowina und in der Moldau verschiedene ergötzliche Stücklein. So weiss man in letzterem Bande von einem braunen Gesellen zu berichten, der bitterlich geweint, als am östertag der Priester vom d'ode des Heilandes g-epredigt. Im nächsten Jahre trug der Pope die Leidensgeschichte ebenso rührend vor, der Zig-euner aber blieb unbewegt. Ueber den Grund dieser auffälligen Theilnahmlosigkeit befragd, erwiderte er ruhig: „Ihm geschieht recht, warum ist er wieder zum Pilatus hingegangen, der Heiland." Die Landschaftsbilder von der Höhe der Strasse bis zu dem kleinen Badeörtchen Dornawatra sind gar wunderlieblich. Der Abend ist im Anzüge, die Gebirgsluft rein und erfrischend, das Wasser, das überall aus dem Felsen hervorsprudelt, nicht minder. Ein blauer, strenger Himmel schaut auf das Thal der goldenen «Bistrifa herab; ach, es ist uns ja ein lieber alter Bekannter! Vor Jahren kletterte unser Gefährt den steilen Prislop empor, eine mächtige Bergwand, von der Natur zur schwerübersteiglichen Schranke zwischen der Marmaros, Siebenbürgen und der Bukowina bestimmt. Damals war ein Abend wie heute, still, erhebend, bezaubernd. Unbeweglich standen die Tannen, kein menschliches Wesen War zu sehen, nur inmitten des Waldes blies ein Hirt auf der Schalmei seine einfachen, ergreifenden Weisen. Heute rauscht derselbe klare Fluss zu unseren Füssen* dieselbe erquickende Euft erfreut uns, blos die Landschaftsbilder sind andere. Das ganze weite Thal ist mit den schmucken Häusern der deutschen Colonisten von Jacoben! erfüllt, sie erheben sich auf beiden Ufern des Flusses und rufen im Verein mit den hübschen Kirchen des Ortes und den grünbewaldeten Bergen den Wunsch in uns wach, von Haus zu Haus zu pilgern. Vor der Schenke haben sich die strammen Burschen versammelt, sie schäkern mit den einfach gekleideten, jeden Schmuckes entbehrenden Dirnen. Doch bald bleibt der grosse Ort mit seinen fleissigen Bewohnern zurück, und war sehen uns wieder allein im engen Bistritafhal. Der Schatten der Berge fällt bezaubernd in dasselbe herein, die wenigen weissen Eläuser contrastiren mit den grünen Wäldern, der Fluss vervollständigt das farbenreiche Bild. Nach einer Stunde bietet sich eine Brücke vermittelnd dar, eine grosse, weiss angestrichene Kirche mit drei rothen Thürmen erscheint hinter einem jäh hervorspringenden Berg-e, wir sind in Dornawatra. Dicht hinter dem Kloster liegt der Ort, eine freundliche Niederlassung von zwei grossen .Strassen. Das Bade-publicum wandelt dem Parke zu, WO eine Musikkapelle aufwartet, es besteht aus jüdischen, rumänischen und deutschen Frauen * hauptsächlich von der Bukowina und der angrenzenden Moldau gestellt. Gewinnend wirkt der Anblick mehrerer schöngebauter Weiber und Mädchen, deren Tracht von der hiesigen grundverschieden. Sie stecken nicht in enganliegenden, hässlichen Schürzen, sie tragen vielmehr vorn eine schwarze, rückwärts eine prachtvolle ziegelrothe, weissgestreifte Katrinze, sodann ein geschmackvolles Kopftuch und ein einfaches Hemd, dessen Reinheit besticht. Ihre Haltung ist eine freie, ihre Wiege stand jenseits der Berge. Sie gehören nach »Siebenbürgen, von wo sie Obst zum Verkauf gebracht. Der Aufenthalt in Dornawatra kräftigt Ende August am meisten. Die Tage sind in dieser Jahreszeit noch heiss genug, Morgen und Abend erfrischend, die Nächte freilich sehr kühl. Das Wetter ist beständig, die Benützung der eisenhaltigen Quellen und Bäder empfehlenswerth. Das Dornaer Wasser soll eines der reinsten eisenhaltigen auf dem Continent sein, leider war das Bad 1886 kaum von 500 Personen besucht. Die Schuld daran trug der schlechte < o'schäftsgang und die sechswöchentliche Regenperiode. Am Morgen des zweitfolgenden Tages haben wir Ursache uns zu bekreuzen, der Himmel erscheint in einem düsteren, grauen Mantel. Fröstelnd sitzen wir auf einem Bündel Heu, welches nur wenig die entsetzlichen Stösse des Bauernwagens lindert. Anfangs ist es, als ob die Nebelgebilde der siegenden .Sonne weichen sollten, allein die Mächte der Ednsterniss triumphiren, die blauen Stellen verschwinden, und nach wenigen Minuten umgibt uns wieder ein trauriges, graues Einerlei. Wir sind an der Bände angekommen. Hunderte von Flössen liegen reisefertig am Ufer, ihrer Bemannung harrend. Eines von ihnen hat man für uns vorbereitet. Es umfasst i5 Stämme, alle etwa 40 Fuss lang und einen Ediss breit. Da zwischen je zweien das Wasser emporspritzt und wir mithin sammt unserem Gepäck durchnässt werden würden, hat man inmitten des Fahrzeuges ein Dutzend der schönsten, weiss-glänzendsten Bretter dicht nebeneinanderg-elegt, so dass war jetzt trocken wie auf einem Tanzboden tagelang reisen können. Doch die freundlichen Leiter der Gesellschaft Gcetz & Co. haben es dabei nicht bewenden lassen. Unser Tanzplatz wurde auf drei Seiten von aufeinandergeschich-teten Brettern umgeben und die dritte Seite zu einer bequemen Bank hergerichtet, auf jeder stehen sechs d'annen-bäumchen als Schmuck und als Schattenspender. Acht weitere hat man gefällt, um' sie am vorderen und hinteren Ende des Flosses anzubringen. Unsere Fährmänner werden sichtbar, ein energischer, starkknochiger Israelit in Opintschen und ein in die Nationaltracht seines Volkes gehüllter, grimmig dreinblickender, aber äusserst gutmüthiger Rumäne. Die weisse Bammfellmütze, der rothe Hemdkragen, das unrasirte Gesicht, die kleinen Augen, das lange, zottig-e Haar geben ihm ein gar curioses Aussehen. Das Gepäck wird aufgeladen, und wir könnten die Flussreise antreten, wenn wir nicht auf den Vamesü warten müssten. Wohl hat er am Abend vorher versprochen, um 7 Uhr an Ort und Stelle zu sein, er kommt indessen nicht. Vergebens lassen wir zwei Boten nach der zehn Minuten seitwärts gelegenen Zollstation absenden, der hohe Herr bleibt unsichtbiir. I )er Nebel hebt sich inzwischen, und es ward entsetzlich heiss. Nach zweieinhalb Stunden kommt der Vamesü gemächlich dahergeschlendert, er erklärt, wir dürften ohne Gepäcksvisitation passiren. Wie man sagt, bereitet er allen Reisenden einen derartigen unliebsamen Aufenthalt, er scheint wie die Damen seines Landes gern in den Tag hineinzuschlafen. Das Floss verlässt den Hafen, ruhig gleitet es die goldene Bistrita hinab, so dass war versucht sind, die Augen zu schliessen und uns den lieblichsten d>äumen zu überlassen. Immer herrlicher, immer grossartiger werden die Bilder. Das kleine Kirchlein mit dem Hütten der Flösser bleibt zurück, die Wälder mit den Bergen treten heran, die unentweihte Wildniss, avo selbst die mörderische Axt bisher fast wirkung-.slos gearbeitet, umgibt uns. Eine kühle, reine Luft fächelt die Stirn, und dicht zusammentretende Felsen gewähren Schatten. Herrliche, unvergessliche Partien ziehen vorüber; ach, wer sie alle malen könnte in ihrer herzbezwingenden Schönheit, wie sie wirklich sind, um sie zu einem Album zu vereinigen, dessen einzelne Blätter Goldes werth sein müssten! Begreiflich ist es, wenn die guten Bucurescier aus ihrer geist- und gemüth-tödtenden Ebene hier heraufziehen, um die Wunder der Natur zu geniessen und sich schüchtern ob ihrer ungeahnten Grösse aneinander zu drängen. Dieses ruhige Dahingleiten bildet die tingenehmste Reise, die man in den Karpathen machen kann, die zurückgelegte .Strecke wird an Schönheit nicht einmal durch die lAihrt auf dem Dunajec vom Rothen Kloster nach dem polnischen Bade Szczaw-nica übertroffen. Dort sind die hohen, steilen, nackten Belsen die interessanten Schaustücke, hier sind es dunkle, kräftige Tannenwälder, welche Herz und Sinn fesseln. Sie spiegeln sich in dem klaren Wasser der Bistrita, wenn dieselbe tiefe Stellen bildet; anderswo wälzt sich der fluss über unheimlich starrende Steine und Eelsblöcke hinweg. An solchen Orten knirscht unser Fahrzeug ob des Gerölles, einzelne .Stämme desselben heben sich, allein ein Unglück geschieht nicht. Windung auf Windung fliegt vorüber, eine romantischer als die andere. Wenn die eine Seite des Thaies im .Schatten ruht, wird die zweite von der Sonne beschienen; auf dem Flusse theilt sich das schattenspendende Element mit dem d'agesgestirne in die Herrschaft. .Stundenlang geht es so fort, kein lebendes Wesen ist sichtbar, kein Geräusch ausser dem des langsam sich vergrössernden Edusses dringt an unser Ohr. An einer Stelle kommen wir vorbei, wo der Fels steil in die Bistrita abfällt und nur eine Rinne zeigt. In dieser mussten laut Bericht unserer Eührer die Elösser Rumäniens einstens hinauf- und hinunterklettern, da man ihnen nicht gestattete, auf ihrem Wege das österreichische Gebiet zu betreten. Heutigentags überspemnt eine Brücke den Eduss, und die armen, gequälten Beute sind wenigstens einer Gefahr und einer Mühe enthoben. Gleich einem neckischen Spiele der Natur erweitert sich zuweilen das ddial, um die saftigsten, lockendsten Bergwiesen, geziert mit den schlichten I läusern der Berg- Waldbewohn bewohner, dem Auge darzubieten. Einige Kühe stehen bis zum Bauch im Fluss und schauen uns mit ihren gut-müthigen Augen an, kleine, wohlgenährte, kluge Pferde springen davon, noch einige Kinder und eine Bäuerin mit dem Spinnrocken in der Hand, dann ist das Bild entschwunden, wir sind wieder mit der Wildniss allein. Ach, sie ist so reizvoll, sie erweckt den Wunsch, sich einmal wochenlang zu vergraben, um nach Herzenslust zu jagen, was die dunkeln Wälder in ihrem Schosse bergen. Plötzlich bemerken wir, dass das Bloss steht. Wir sind an einer Klippe haften geblieben, unsere Edösser müssen in die klare, warme Flut steigen und versuchen, mittelst kräftiger Stemmen das E'ahrzeug flott zu machen. Vergebens ist ihr Mühen, und wir könnten wohl noch lange sitzen, käme nicht hinter uns ein zweites Edoss. Es wird angerufen und kommt auf uns zu. Wird es uns in den Grund bohren? Ein Stoss folgt, dass wir sammt unserem Gepäck durcheinander geschüttelt werden, doch der Stoss war gut, wir gleiten von Neuem thalabwärts, Stunde auf Stunde verrinnt, die Sonne verliert nach und nach an Kraft, endlich versinkt sie hinter den Kuppen der Bergriesen. Die drückende Schwüle, ungemildert durch jeden Eufthauch, verwandelt sich in eine empfindliche Frische, und wir begrüssen daher freudig ein grosses Sägewerk nebst einigen Iläusern. Das ist Barnarü, ein Besitzthum des Königs, auf dessen Domäne Brosteni gelegen. Noch eine kleine Weile, und wir sind in Brosteni selbst. Die deutschen Vertreter der Firma Gcetz & Co. schütteln uns die Hand, der Verwalter des Königs, ein .Schweizer, kommt uns auf's Liebenswürdigste entgegen. Die Domäne Brosten! gehört zu jenen dreizehn Krongütern, welche der rumänische .Staat dem König überlassen. Sie umfasst nicht weniger als 7,5000 Joch, meistens Tannenwälder, deren Bewirtschaftung durch 2 8 Waldheger geschieht. In Brosteni ist der Verwalter des Gutes thätig, mit ihm ein Cassirer, ein Buchhalter, ein Exportationschef. In Barnarü zerschneiden acht, in Brosteni sechs Sägewerke Brosteni, die Domäne des Königs. 97 Tausende von Stämmen. Das I lolz wird von der Gesellschaft Gcetz & Co. oder einem hier weilenden Türken übernommen. Noch ist die Bereitung von vorzüglichem Schweizerkäse zu erwähnen, jährlich werden ,3000 Kilogramm dieses Nahrungsmittels durch die 1 )omäne hoch oben im Gebirge erzeug-t. Am nächsten Morgen schiffen wir uns wieder ein, diesmal mit einem schlanken, intelligent aussehenden Rumänen und dessen kleinem Weib. Unsere Eäührer vom Vortage haben ihre Schritte heimwärts gelenkt; wie in allen Karpathentheilen vermeiden sie es, sich allzuweit von ihrer Heimat zu entfernen. Müssen sie doch ohnehin von Brosteni bis Dornawatra einen halben Tag lang, von Piatra bis Brosteni einen ganzen Tag lang wändern. Vasilc weiss sehr geschickt die Stromtiefen zu umgehen, ununterbrochen steht er an dem unförmigen Ruder, während sein Weib ihm Cigaretten dreht, selbst eine raucht oder sich niedersetzt, um ihr einfaches Mahl — übelriechenden Schafkäse und uralte Mämäligä — zu verzehren. Wie am Vortage hüpft auch heute bei einer Anlegestation ein schwarz-bärtig-er Jude auf das Floss, ein Bündel in der Hand, mit den Zipfeln des langen Rockes fast die Wellen berührend. Er kauert sich nieder, starrt uns an und geht an ein fröhliches Examen. Woher, wohin, weshalb, warum, tönt an unser Ohr. Es macht einen ordentlich peinlichen Eindruck, inmitten der Wildniss und des menschenleeren Gebirges die Söhne Israels hantiren zu sehen, sogar hier bleiben ihre Geschäftskniffe nicht unerprobt, sogar hier ist das Fand von ihnen zersetzt und verpestet. Immer grösser ward der Fluss, das unbändige Kind des Gebirges. Allerorts zeigen sich kleine Bäche, die dem Gewaltigen ihren Tribut entrichten. In solchen wänzigen Gesellen wohnt noch die muntere geschmeidige Forelle, ungejagt schnellt sie in ihrem kühlen Reiche dahin. Der Fluss beherbergt höchstens einige Eachsforellen, die Flösserei und das Dynamitlegen der Bauern haben das zierliche Heer der Fische aus diesem Revier vertrieben. Berjner, Rumänien. • Am Nachmittag erleiden wir .Schiffbruch. Pfeilgeschwind und ahnungslos schiessen wir durch die grünen Wellen. Plötzlich erhebt unser israelitischer Reisegefährte kreischend die Arme und veranlasst den Steuermann beizulegen. Unter grossen Anstrengungen bewegt mau das schwerfällige Beförderungsmittel zum Ufer, und wir nehmen jetzt wahr, dass eine Mühle der indirecte Störenfried gewesen. Ihretwegen hat man den Pluss mit einer Art Wehr versehen, welches einen Theil des Wassers der Mühle zuschickt. Die Hälfte des .Stromes ist durch ein aufgefahrenes, auseinander gebrochenes Floss gesperrt; berühren wir dasselbe, so können wir ein unfreiwilliges Bad in der hier besonders ungestümen Bistrita nehmen, halten wir uns rechts, so werden wir der Mühle zugetrieben. Die Schiffer des Wrackes liegen im Grase und schauen kaltblütig herüber, erst nach heftigen Reden entkleiden sie sich, patschen in's Wasser und stemmen sich gegen die Balken. Ihr Mühen ist ein vergebliches. Wir fordern daher unsere Flösser und einen inzwischen herangekommenen Burschen auf, ihre Gefährten zu unterstützen. Sie aber erwddern, das gehe sie nichts an; zwei Männer lehnen an einem Gartenzaun des jenseitigen Ufers, wir bieten ihnen einige Lei, wenn sie die Grossmuth haben wollen, ihre Mitmenschen zu unterstützen, selbst diese rühren sich nicht vom Flecke. Erbost winken wir mit der Flasche, es verfängt nicht, die beiden Gesellen schreiten vielmehr davon. Endlich gelingt es den drei verunglückten Schiffern, von denen einer stark an Fieber leidet, das Wrack zu entfernen. Wir gleiten weiter, der Schaum spritzt an uns empor, einige .Steine starren uns drohend an, allein glücklich streifen wir an den äussersten Stämmen des Wracks vorüber, und die Gefahr liegt hinter uns. Die Landschaftsbilder verlieren immer mehr an Wildheit, das Thal erweitert sich, Häuser und Felder treten zum Ufer heran. Um so überraschender wirkt der Anblick des Ceahläu, des höchsten Gipfels der rumänischen Karpathen. In bläulicher Beleuchtung strebt er empor. Zu HangulQ. 99 seinen Füssen ziehen sich amphitheatralisch zwei Höhen hin, weit über ihnen ragt der Gewaltige gen Himmel, das Haupt frei von Nebel präsentirend. Seine Gestalt ist eine merkwürdige. Auf dem linken Flügel trägt er ein Horn, eine Finsenkung führt zum Centrum, wo ein Kegel die höchste Erhebung- bildet. An den Kegel lehnt sich ein runder Sturz. Der rechte Edügel fällt in fünf bis sechs Abstufungen in's Thal; man kann sich nicht sattsehen an den herrlichen Formen, Sind sie doch schon deswegen verlockend, weil man auf dieser Seite in sechs Stunden mühelos zum Gipfel hinaufreitet! Oben reicht das Auge bis Romanü und bis Jasi. Die Domäne Hangulü umfasst nicht weniger als 80000 Joch. Die Liebenswürdigkeit, mit der man uns in der Familie des Pächters empfängt, lässt die Strapazen des heutigen Tages vergessen und die des morgenden nicht fürchten. Das Haus selbst ist voller Gäste. Eine ganze Gesellschaft, wohl fünfzehn Personen, hat sich zusammengefunden. Da sind einige Officiere von Romanü nebst Gemahlinnen, sie wollen morgen mich dem in vier Stunden mit Wagen erreichbaren siebenbürg-ischen Badeort Borszek reisen, weiterhin Beamte von Bäcäu. Die Officiere zeichnen sich durch gediegene, ernste Reden, die Damen durch musikalisches d'alent aus. Ueberhaupt muss auf den Unterschied hingewiesen werden, der zwischen dem Benehmen der höheren gesellschaftlichen Kreise Rumäniens und denen Deutschlands besteht. Die rumänischen Männer und Frauen sind fast stets von schlanker, schmächtiger Figur und geschmeidigem Wesen, deutsche Plumpheit und deutsche Körperfülle werden selten wahrnehmbar sein. Ebenso übertreffen beide Geschlechter in Rumänien das deutsche Element durch Grazie des Geistes, durch gewinnende Liebenswürdigkeit und besonders in der Moldau durch Offenheit und herzlich gebotene Gastfreundschaft. Auch die ungewöhnliche Sorgfalt, welche man der Kleidungwidmet, berührt vom -ästhetischen Standpunkt aus betrachtet uur angenehm, Höflichkeit, gesellschaftliches Ceremoniell 7* • und ein unbezwinglicher ruhiger Ton sind für den Deutschen nicht minder beneidenswerthe Eigenschaften. Die Gesammtheit dieser Dinge bewirkt, dass man sich in Rumänien äusserst behaglich fühlt, und nach einem mehrmonatlichen Aufenthalte im Lande die Bewohner Wiens und Berlins nur wenig anziehend erscheinen. Die Schönheit ist in Rumänien mehr ein Attribut der Männer, kühngeschnittene Züge, rabenschwarzes Haupthaar, glänzende Augen, ein bleicher Teint und schöner Bart verleihen den Herren der Schöpfung vielfach grosses Interesse. Zeitiger als sonst besteigen wir am dritten Tage das Edoss, um unsere Gebirgsfahrt zu vollenden. Es ist kälter, der Nebel dichter als gestern. E>östelnd hüllen wir uns in die Mäntel, verstimmt blicken wir auf das graue Wolkengewirr und den immer mehr anschwellenden Eduss. Der Himmel erweist sich jedoch auch heute freundlich gesinnt; die Sonne, anfangs eine glanzlose, unscheinbare Scheibe, wird immer feuriger, bis sie durchdringt und Wolken- und Nebelgebilde in wenigen Minuten zerstäubt. Nur hie und da bleibt noch eine weisse, hässliche Masse an den grünen Wäldern hängen. Sobald es völlig klar geworden, können wir das Charakteristische des letzten Reisetages ermessen. Die Landschaftsbilder sind an demselben nicht so reizvoll wie bei Brostent, sie sind entschieden grossartiger wie am vergangenen Tage. Zuweilen erinnern sie an die Flussengen von Dornawatra, nur erfreuen sich jetzt die dannenwälder nicht mehr der Hegemonie, sie theilen die Herrschaft mit schönen Eaubbäumen. Herrliche Eichen, Erlen, Eschen zieren die auf beiden Ufern in den Eduss fallenden Berge, die daraus entstehenden Waldgruppen wechseln mit schlichten I lütten ab, Die Bistrita ist jetzt um das Doppelte gewachsen. Während am ersten Tage die weissen, rundgewaschenen Steine des Edussbettes sichtbar waren, herrschen zwischen Hangulü und Piatra Stellen vor, an denen der Fluss ruhig und majestätisch seine Eduten dahinwälzt, seinen Grund verbergend, den versinkenden Schiffer mit dem Untergang Piatra. IOI bedrohend. Kommen dann Partien,, wo hohe Felsblöcke das Wasser zum schäumenden Strudel erregen, so ist die ganze Geschicklichkeit des Steuermannes erforderlich. Das Wasser spritzt dem Führer in's Gesicht, es durchnässt ihn völlig, und doch darf er seinen Posten nicht verlassen. Zuweilen erweitert sich die Bistrita beckenartig, an einem solchen Orte fahren wir auf. Eine halbe Stunde lang arbeitet unser Ehepaar, bis an die Kniee im Wasser stehend und eine grosse Anzahl Steine aus dem Wege räumend. Währenddem nehmen wir wahr, wie unser Beförderungsmittel beginnt auseinanderzubrechen, ein gestrandetes Edoss vor uns ist gerade nicht geeignet, die Stimmung rosiger zu gestalten. Alles läuft indessen glatt ab, das Fahrzeug setzt sich dank den Anstrengungen Vasiles in Bewegung, und wir treffen am späten Nachmittag in Piatra ein, froh, dass eine dreitägige Wasserreise vorüber, andererseits bedauernd, dass diese herrlichen Bilder entschwunden. Bei seinem Ursprünge wird es sich der klare, reine Gebirgsfluss schwerlich träumen lassen, wen er einst in Piatra als Gast beherbergen und wie man ihm dies lohnen wird. Wir wissen es jetzt gleich ihm. Aller zehn Schritte plätschert ein Adam oder auch eine Eva im Wasser herum, hier starren uns zwei enorm dicke Jüdinnen mit Negligehäubchen und Badehosen an, weiterhin scheint es, als ob eine Rabenmutter ihre sieben Kinder ertränken wTollte, so laut wenigstens ertönt das Jammergeschrei der armen Würmer. Am Bandungsplatz ragen zwei hölzerne Baracken aus den Fluten empor, besetzt mit Herren und Damen, vermuthlich sämmtlich der christlichen Confession zugehörig, da wir ja bereits ganz Israel schwimmend und krabbelnd angetroffen. Wer all' dies gesehen, der schwört bei seinem Heiligen, eher zu verdursten als unterhalb Piatra das Wasser des entheiligten Fdusses zu trinken. Die Stadt Piatra ward weder durch ihre Eage noch durch ihr Inneres entzücken. Einige Strassen mit einzelnen hübschen Gebäuden ziehen sich zum Fluss hinab, der eigentliche Ort breitet sich am Fusse mehrerer kahler, entsetzlich hässlicher Berge aus. Den Namen „.Stadt" verdient dieses Gewirr von elenden Holzbaracken ganz entschieden nicht. Die üblichen jüdischen Kaufläden erinnern keineswegs an Magazine eines cultivirten Staates, sie. sind in ihrem starrenden Schmutz, mit ihren abscheulichen, stinkenden Waaren und ihren ebenso abscheulichen Israelitenfamilien den Schlupflöchern eines Rattenvolkes zu vergleichen. Die .Strassen sind ebenso unbelebt wie in Bäcäu und Romanü, hinsichtlich der einzelnen Wanderer aber müssen die obengenannten Niederlassungen als Paradies gelten. Die Juden von Piatra bestehen aus wandelnden Kothhaufen. Dass sie in Lumpen gehüllt auftreten, ist am Ende nichts Ueberraschendes, allein man bemerkt viele, die nur einen zerfetzten Rock mit sich herumtragen, die übrige Bekleidung- besteht aus einem Hemd, das in seinen unzähligen Falten, Fetzen und Pissen ein unbegreifliches Wunderwerk der Schöpfung* genannt werden muss. Nicht einmal die Zigeuner erzeugen derartige räthselhafte Gebilde der Schneiderkunst. Wie neugeboren fühlt man sich, wenn man die Ansiedelung im Rücken hat und durch blühende Felder dahineilt. Ein Birjar in der Tracht der Lipovener, der sich beim Oeffnen seines Mundwerks als harmloser Sohn Israels entpuppt, bringt uns in leichtem Fiaker und mit zwei gutgenährten Rossen nach Neamfu. Die durchmessene Gegend ist landschaftlich anmuthig, culturell bedeutend. Man fährt drei Stunden, ohne auf grössere .Strecken Haidelandes zu stossen, ein Zeichen für die Nähe der Karpathen. Anfangs führt unser Weg über einen Höhenzug. Die Strasse schlängelt sich durch jungen Laubwald, dessen Lieblichkeit an die kleinen Karpathen zwischen Pressburg und ddrnau gemahnt. 1 Herauf geht es eine Stunde lang- durch ein weites Thal, dann hebt sich die Strasse, und wir berühren den Badeort Bälfätesci. Seine Lage ist keine gewinnende. Der Wald winkt von der Ferne, die sanftgewellten Hügel bieten keinen Schutz vor den sengenden Sonnenstrahlen, ein erquickender, die Einförmigkeit behebender Bach zeigt sich nirgends. Ein grosses luftiges Hotel und einige Von Piatra nach NcamUi. 103 kleinere Gebäude im Schweizerstyl, ein Badehaus und ein langhingestreckter, pavillonartiger Holzbau umfassen die Wohn- und Gesellschaftsräume des Curortes. Der Aufenthalt daselbst muss trotz der, augenscheinlich neugeborenen Turnapparate, Schiesshalle und der Kegelbahn ein entsetzlich geisttödtender sein. Wer sich durch Ruhe und durch Langeweile curiren will, kann in Bälfätescl am besten seine Absicht erreichen. Unmittelbar hinter dieser Oase in der Wüste hebt sich der Weg, und uns rückwärts wendend erblicken war eine ganze Kette dunkler Karpathenberge; vor uns ragt eine zweite Legion empor, geziert mit einer Ruine. Das ist die Burg Neamtu, ein vi ereckiger Bau; zu seinen Füssen liegt die Stadt gleichen Namens. Wenn man sich in dem lieblichen Piatra mit dem Gedanken getröstet, es könne nichts kommen, was noch übler sei, so spürt man gar bedd die gründlichste Täuschung-. Piatra stellt doch wenigstens den schwachen Versuch dar, einen jüdischen Ameisenhaufen durch einzelne Villen und Gärten zu verschönern, in Neamtu bleibt der Charakter der Judenstadt rein erhalten. Breite, schmutzige Gassen, die Rückseite mit ihren fensterlosen Bretterwänden an die Verkaufsstände eines Jahrmarktes erinnernd, die Vorderseite, wenn man übertreiben will „die Strassenfacade", die schlechtesten Schlupfwinkel von Botosani und Jasi in den Schatten stellend, das ist Neamtu, das vielgenannte Neamtu. Wer Christen sehen will, muss die Popen besuchen oder die Beamten interviewen, Bauern sind unsichtbar. Spät Abends verlassen wir den Ort, dessen glänzende Kirehthürme von der Ferne unendlichen Respect einflössen. Ein emaneipirter Jude, der einzige SabbathVerächter der ganzen Moldau, entführt uns in einer altersschwachen, schwerfälligen Carosse. Nach Landessitte hat er vier Pferde vorgespannt, allein die vier mageren, kleinen Geschöpfe ähneln vier Katzen und ziehen nicht besser als die zwei gutgenährten d?hiere des Birjars von Piatra. Die Nacht ist kalt, zum Glück scheint der Mond. In Begleitung des g-anzen .Sternenheeres taucht er empor, die Gegend weithin erhellend und seine silberne Scheibe auf dem von uns durchmessenen Neamfuflusse spiegelnd. Hinein geht es in den geheimnissvollen Schoss der Nacht. Die Schellen unserer Pferde verbreiten einen unheimlichen Eärm. Läge eine Räuberbande auf der Pauer, sie müsste eine halbe Stunde vorher von unserem Kommen benachrichtigt sein. Der Kutscher scheint diesem Falle vorbeugen zu wollen, er stösst von Zeit zu Zeit ein diabolisches Geschrei aus, etwaige Räuber würden dadurch sicherlich unschlüssig werden, Zigeuner aber in Ohnmacht fallen oder spornstreichs davonlaufen« Dabei betheuert unser Beschützer, er könne mit dem Peitschenstiel zehn oder gar zwölf Räuber erschlagen. Wir glauben ihm dies sehr bereitwillig, ziehen indessen zum Ueberfluss den Revolver hervor. Einzelne Häuser und Heuschober fliegen gespensterartig vorüber, hie und da blinkt ein Feuerschein. Sind es Zigeuner, ist es ein Strassenhüter? Gott weiss es; vorwärts stürmen die vier Pferde. Ein Eaubwald umgibt uns, düster starren die Bäume auf uns nieder, es ist als zürnten sie den vorwitzigen Menschen, durch die sie aus ihren nächtlichen d räumereien erweckt werden, und die mit beängstigendem Eärm dahinstürmen. Zwei dunkle Gestalten wackeln vorbei, fleissige, von später Feldarbeit heimkehrende Bauern, zwei Ochsenwagen mit Heu werden überholt, hierauf ist alles still. Bange geht es so fort, die schwarzen Enormen der Bäume, das Heer der Sterne und der silberne Mond, das sind die einzigen Begleiter der nächtlichen Reise. Zuweilen leuchtet ein Eicht aus dem Wald herüber, ist es ein Irrlicht, ist es eine Oeffnung im Walde, durch die ein Stern herauslugt? Wir wissen es nicht, es scheint, als ob einer der ungezählten .Sterne vom Himmel gefallen wäre, um in den Zweigen einer mächtigen Eiche hängen zu bleiben. Plötzlich erhellt sich das Dunkel. Ein Feuerschein schwankt von rechts nach links, kein Zweifel, eine Eickel wird geschwungen. Wir sausen daran vorbei und blicken in das Antlitz einer hässlichen Megäre; neben ihr schreitet Das Mönchskloster Neamtu. 1*^5 ein hagerer, langhaariger Mann chihin, — ein Zigeunerehepaar auf der Streife. Der Wald wird lichter, und wir erreichen das Feld. Bei einem kleinen Häuschen hält unser Hebräer. Er lässt so lange sein diabolisches Indianergeheul ertönen, bis dasselbe aus dem Innern der Hütte Beantwortung erfährt. Die Thür des Gebäudes öffnet sich, und ein Greis im Eiernd tritt hervor. Er und der Kutscher raffen unermüdlich von dem grossen Heuhaufen weg, bis wir sammt dem Gepäck fast im Heu vergraben sind. Vierzig Bani zahlt der Kutscher für das Erworbene, nach westeuropäischen Begriffen ein Spottgeld, nach hiesig-en sehr viel, da wir selbst am nächsten Tage erleben müssen, wie der Kutscher einen ganzen Heuhaufen packt und dem hinterher springenden, jammernden weisshaarigen Bauer fünf Bani zuwirft. Und dabei klagt der edle Rosselenker beständig, er müsse nach Amerika auswandern, in der Moldau benähme sich der Bauer wie ein Bojar, er behandle den Juden als Scla-ven! — Während wir halten, dringen die Töne einer Flöte zu uns herüber. Schlichte Hirten hüten am Ufer des Flusses ihre Heerden, die gefühlvollen Melodien ihrer Instrumente verkürzen ihnen die unfreundliche Nacht. Wenige Minuten später fahren wir an zwei Mönchen vorbei. Die Umrisse einer ganzen Reihe von Thürmen und eines gewaltigen, festungsartigen Gebäudes steigen gigantisch vor uns herauf, eine kleine Pforte öffnet sich, war sind in Mänästire Neamtu, dem vornehmsten und berühmtesten aller moldauischen Klöster. Am Morgen blickt die Sonne lächelnd in unser streng klösterliches Gemach und bescheint den Erdäpfelteig und die bittersauern fletschen, womit uns einer der Brüder tractirt. Der kleine Kerl ist zwar nicht sehr appetitlich, trotzdem muss man ihm hold sein. Er ist flink wie ein Wiesel, sucht unsere Gedanken zu errathen und wirft sich beim Bereiten des Nachtlagers mit den Beinen haumelnd auf die im Lande üblichen Schlafdivans. In der Kirche dienen die Mönche dem Herrn. Wir folgen ihnen und finden etwa zwanzig, meist weissbärtige, von der Last der Jahre gebückte Greise. Ihre Tracht ist eine seltsame. Ein grobwollenes, braunes Gewand um-schliesst den Körper, ein schwarzer Cylinder den Kopf, von ihm fällt ein dunkles, feierlich stimmendes Tuch den Rücken hinab. Die Kirche ist sehr interessant, werthvolle, vollständig gut erhaltene Freskogemälde bekleiden die Wände von der Decke bis zum Boden. Der Ikonostas wurde reich vergoldet und gleich der Decke mit guten Malereien verziert. Lauscht man dem eigenthümlichen, ernsten Gesang der Mönche, blickt man in die leidenschaftslosen Gesichter der alterthümlich gekleideten Greise, so wird man gar seltsam gestimmt, man schliesst unwillkürlich die Augen und wähnt sich in einer Gruft, dem Gesang versunkener, mittelalterlicher Mönchsgeschlechter lauschend. Dicht am Eingang zeigt sich eine frischgemauerte Stelle in den Steinplatten, ein d^eppich ist darüber gebreitet, eine ewige Ampel daraufgestellt. Der Metropolit von Bucuresci, kürzlich gestorben, schläft hier den letzten Schlaf. Zwei Tage nach seinem Hinscheiden hat ihn die Geistlichkeit nach dem angesehenen Kloster gebracht, um ihn daselbst in Gegenwart von einigen Hundert Mönchen und Nonnen beizusetzen. Leider ist der Gottesdienst der Mönche das einzige Interessante, was sie bieten. Die Wissenschaft scheint heutzutage nicht den geringsten Gewinn von ihnen zu haben, der Feldbau ebenso wenig, sie leben von Müssig-gang und von Hunger. Die Geldnoth dieser Leute muss eine grosse sein, haschen sie doch förmlich nach der kleinsten verabreichten Münze. Ihre Behausungen sind meistens ärmlich, eine hölzerne, feilen- und kotzenbelegte Bank dient als Ruhestätte. Die wenigen Kleider hängen an den Wänden, Kochgeschirr, Eier, Mämäligä und ein Gebetbuch vervollständigen das Meublement. Hundert Mönche beherbergt Mänästire Neamtu, über zweihundertsiebzig findet man in drei benachbarten Klöstern. Die Bibliothek ist werthvoll, in ihr stösst man auf einige tausend Das Nonnenkloster Varaticü. 11)7 Bände, darunter alte in Neamtu gedruckte Kirchenbücher rh.it kostbaren Initialen. Die Ungebildetheit der hiesigen Mönche spielt uns zu unserem grossen Leidwesen einen Mönch und Nonnen. argen Streich. Kaum haben wir zwei der Bücher hastig durchblättert, so nimmt uns schon der Bibliothekar das dritte weg, sperrt alle Schränke ab und öffnet mit unzweideutiger Geberde die Thür. Die Versicherung, dass wir ihm in einem Buche über Rumänien ein Denkmal setzen wollen, fertigt er mit graziöser Handbewegung ab. Noch einen Blick werfen wir in die für vornehme Fremde bestimmten Zimmer, dann wenden wir dem ungastlichen Hause den Rücken, um nicht Gefahr zu laufen, vor die Thür gesetzt zu werden. Die landschaftliche Lage, sowie das Aeussere des Klosters ist herrlich, die dunklen, mit schönen Wäldern gezierten Karpathenberge umgeben es wie ein Kranz. Mänästire Neamtu besteht aus einem einstöckigen, lang-seitigen, viereckigen, weissen Gebäude, nicht weniger als zehn grössere und kleinere Thürme verleihen dem Complex imponirenden Reiz. Doch zurück geht es nach der Stadt Neamfu. Der uns in der Nacht gespensterhaft erschienene Wald grüsst jetzt in holder Freundlichkeit, auf der einen .Seite dicht und undurchdringlich, auf der anderen den Ausblick in ein liebliches Thal gestattend. Flie und da fährt einer der Mönche auf einem winzig kleinen Bauernwägelchen vorüber. Nicht eines der Gesichter ist wirklich intelligent, dagegen duften die Leute nach Branntwein, nach Schafkäse und Gott weiss was, einen Mann wie den gelehrten serbischen A rchimandrit Ruvarac im Kloster Grgetek dürften sämmtliche rumänische Klöster nicht mehr aufzuweisen haben. Auf schlechtem Feldwege eilen wir nach Varaticü, einem Nonnenkloster. Oftmals droht unser grosser Familienwagen umzustürzen und sich seines Inhaltes zu entledigen, doch die Gefahr geht glücklich vorüber, und endlich können wir uns sorglos eines lieblichen Anblickes erfreuen. Das Kloster liegt dicht an einer herrlichen Bergkette der Karpathen, es erscheint wie eingemauert in die dunklen Nohen. Sein Hauptschmuck besteht in einem halben Dutzend Kirchthürmen und einer grösseren Anzahl dicht bei einander stehender Häuser. Rechts und links davon, versteckt zwischen Busch und Baum, erheben sich noch fünfzig bis sechzig andere Gebäude. Es muss hier bemerkt werden, dass in Rumänien jene Klöster selten sind, die Das Nonnenkloster Varaticü. wie Neamtu allen Zugehörigen in einem einzigen Gebäude Unterkunft gewähren. Die meisten der Mönche und der Nonnen haben ihr eigenes Häuschen, in dem sie ungenirt kochen, lesen, schlafen, arbeiten, wann und soviel es ihnen beliebt. Nur der Gottesdienst vereinigt sie. Sehreiten wir durch das Klosterthor von Varaticü. Nicht wie in Neamtu gähnt uns die Oede eines weiten Klosterhofes entgegen, man sieht, hier walten Frauen. Zwei eingefasste Quellen nebst Birnbäumen zieren den Hof, inmitten steht die Hauptkirche, ringsherum bilden etwa zwanzig Wohngebäude ein sympathisches Viereck. Ueberau Obstbäume, überall Blumen. Besuchen wir eine der Schwestern in ihrem Hause weit oben in der Dorfgasse. Das Gebäude enthält nur zwei winzige Räume. In dem einen steht ein Webstuhl und ein Divan, auf dem eine Maicä mit untergeschlagenen Beinen sitzt und spinnt. Tuch, welches man am Webstuhl erzeugt, bringt man zur Ansicht, es ist geschickt verfertigt und offenbar äusserst dauerhaft. Das andere Zimmer macht einen anheimelnden Findruck, es gleicht einem Boudoir. Zwei grosse Divans mit einem Dutzend kleiner Zierpölsterchen nehmen die eine Wand in Anspruch, an der gegenüber liegenden steht eine Commode mit Nippsachen, Dulcetä, T'ellern und Gläsern. Die Nonnen besitzen frische, blühende Gesichter. Das sorglose Leben scheint ihnen gut anzuschlagen, es dürfte einige sogar übermüthig machen, auf diese Weise wenigstens lässt sich der UmsUmd erklären, dass mancherlei galante Geschichten im Umlauf. Bei vielen der Schwestern freilich scheint das Geld das Höchste auf Erden zu sein, sie dürften im Stillen bedauern, dass sie bei unserem Scheiden nur über zwei Hände verfügen. Eine Stunde später rollen wir durch die Stadt Neamtu. Wieder ist es Schabbes, wieder sitzen ihm zu Ehren am Abend im ganzen Lande die israelitischen Familien im schönsten Schmucke vor den Thüren. Zum (duck für uns hat sich unser Edlhrer von althergebrachten Satzungen losgesagt und es keineswegs als Sünde erachtet, am Sabbath Geld zu verdienen, um sich und seine Pferde ernähren zu können. Die Juden von Neamtu denken anders; sie werfen ihm entweder misstrauische Blicke zu, oder lächeln, mit dem Finger drohend. Plötzlich erfährt unsere Reise eine unerwartete Unterbrechung. Bin robustes Judenweib fällt den Pferden in die Zügel, lässt sich eine Strecke weit mitschleifen, reisst dann die .Schellen herunter und jüdelt tapfer drauf los. Die Sabbathruhe geht ihr über Alles. Wir zittern, unser Kutscher wird sie vielleicht niederschlagen, die bekannte, fürchterliche Peitsche liegt in seiner Hand. Doch nein, der Mann, der in der vergangenen Nacht zehn Räuber getödtet hätte, wenn sie nämlich seinem diabolischen Geheul Widerstand geleistet, weint wie ein Kind. Zwanzig Schritte fährt er weiter, und dann - charakteristisch für den unbeugsamen Sinn seines Volkes befestigt er die Schellen von Neuem, bereits unter Thränen lächelnd. Die Stadt Neamtu ist heute todt. Israel hält alle Läden geschlossen, mithin hat ein Christ nichts im Orte zu suchen. Wir athmen auf, als wir den hässlichen Platz hinter uns haben und durch die freundlichen Felder, immer auf schnurgerader Strasse dahinjagen. Unter den Bauern trifft man bemerkenswerthe Typen, Während die Rumänen in Siebenbürgen und im Banat sich immer rasiren und nur den .Schnurrbart stehen lassen, entdeckt man hier eine grosse Anzahl Männer mit Vollbärten. Alle Barte sind indessen ergraut, es dürfte mithin das Privüegium nur den Greisen zukommen. Solche Bauern sehen dann imponirend wie siebenbürgäsche Landpfarrer aus, ebenso berühren die Weiber sympathisch. Ein sonnenverbranntes Antlitz ist selten, rosige Farbe der Wangen gewöhnlich. Die Kinder besitzen meistens Flachsköpfe, offenbar laufen sie ohne Kopfbedeckung im Sonnenschein herum. Sie benehmen sich so schalkhaft und gefällig, dass man unwillkürlich verleitet wird, ihnen Obst und andere Kleinigkeiten zuzuwerfen. An dem breiten Flussbett der versandeten Moldava, unserer alten Freundin von Gora llumora, machen wir Abschied von der oberen Moldau. I I I Halt; unsere armen Pferde müssen getränkt werden. Weit und breit Steppe, nur an der Brücke eine Schenke. Diese rumänischen Strassenwirthshäuser rufen einen unsagbar kläglichen Rindruck hervor. Kein Busch, kein Baum schmückt die Umgebung des düsteren, halbverfallenen Baues. Ringsum die schweigende, geisttödtende Steppe, nur ein Strohhaufen und eine Distelgruppe, zwischen denen eine Hündin vier Junge geworfen, vertreten das Pflanzenreich. Vor der Thür sitzt die Jüdin, träumend und blos wenn Fremde kommen erwachend, um dieselben auszuforschen. Im Gebäude selbst herrscht Pätriarchenthum. Da stehen einige Holzbänke für Branntweinbehälter, Zuckerhüte und andere Steppenraritäten; im Zimmer nebenan einige wurmstichige Divans, ein Tisch und mehrere Stühle. Hinter einem Bretterverschlag luiust die Familie des Schank-wirthes, jedes Jahr mit grösster Pünktlichkeit um ein Mitglied wachsend. Ueber einen nicht unbedeutenden Höhenrücken steigen wir zum Thale^des Seretü hinunter. Oben passiren wir ein ärmliches Dorf, dessen letzte Häuser von Zigeunern bevölkert sind. Einige der braunen Gesellen unterhalten ein mächtiges, weithin sichtbares Feuer, als gälte es, einen Ochsen zu braten. Sie kochen ihre Mämäligä; ein halbes • Hitzend Kinder begleitet uns. Auf der höchsten Stelle des Berges hat man ein Triangulum errichtet, hier gilt es, Abschied von den moldauischen Karpathen zu nehmen. Ihre blaue Kette hat sich wie zürnend in Dunst und Nebel gehüllt, nur an wenigen Punkten gewinnen ihre Formen Gestalt. Vor uns liegt das reizlose, moldauische Hügelland und das fruchtbare Thal des Seretü. Hinab geht es, im Galopp durch Pascani, einen Ort, dem russischen Unghent ■so ähnlich wie ein Ei dem anderen. Und hier, am letzten läge in der oberen Moldau ereilt uns noch das Unglück. Auf der vorzüglichen Bahnhofsrestauration hält man keine l^assagierzimmer, war müssen daher in der schönsten der zwölf gegenüber stehenden Baracken übernachten. Wohl heisst das Hotel „Gasthof zur Rose", allein man liegt nicht wie auf Rosen gebettet. Allerdings bleiben auch hier wie in jeder der hundert vorangegangenen, in Rumänien verbrachten Nächte gewisse kleine Thierchen ferne, doch dafür sind allerlei bedenkliche Gerüche der Bettwäsche im Stande, uns des Athems zu berauben. Selbst diese Qual geht vorüber, am Morgen kommt das Dampfross, um uns der oberen Moldau zu entführen. In etwas mehr als zehn Stunden, wovon der dritte Theil auf Dulcetä-, Weintrauben-, Melonen-, Bisquit- und Wurststationen verbracht wird, befördert man uns nach Galaff. Eine neue Welt empfängt uns, das gemüthliche Völkchen der moldauischen Bauern, das curiose Heer der Hebräer sinkt vor unserer Erinnerung hinab, und ein reges See- und Hafenleben erschliesst sich. 4. Leben und Treiben auf und an dem Wasser. Gralaf! und Bräila, die rumänischen Seestädte an der Donau. — Lacu säratü, ein originelles Seebad. — Auf dem Wege nach Byzanz. — Im Sulina-Canal. -•Sumpf- und Steppenbilder. — Der Pontus Euxinus. — Constanta, das rumänische Seebad. - Eine Fahrt durch die Dobrogea. — Türken und Tartaren, — Die siebenbürgischen Wanderhirten. — Bei den deutschen Colonisten. — Ueber Cerhavöda und Giurgiu nach Bucuresci. — Rustschuk und die Bulgaren. Mehr als 24 Meilen oder 184 Kilometer von der Mündung der Donau in den Pontus Puxinus entfernt liegt Galati, einst das rumänische Hamburg, jetzt eine verfallene, stille Stadt. Galati und Präila, das letztere noch i5 Kilometer weiter westwärts gelegen, bezeichnet man mit dem Ausdrucke der „rumänischen Seestädte". Auf den ersten Blick mag das widersinnig- erscheinen, man gebraucht jedoch eine solche Benennung mit dem nämlichen Rechte, mit welchem man etwa 1 lamburg oder Bremen als Seestadt hinstellt. Wohl muss der Schiffer noch tagelang 1 an (hinwärts reisen, will er Gakiti und Bräila erobern, es bleibt ihm indessen keine andere Wahl, denn erst in diesen beiden < )rten wird alles ein- und ausgeladen, was zur Meeresfahrt bestimmt. Die Lage von Galati ist eine durch die Natur bevorzugte. Im Norden der Stadt breitet der Bratesüsee seine klaren Fluten aus, im Süden zieht die Donau entlang, im Westen erhebt sich das Hügelland von Barbosl, Cätusa ur>d Calica. Hinter demselben wälzt der Seretü sein Wasser dem mächtigen Strome zu, um es unweit der Stadt mit dem der Donau zu vereinigen. Dank dieser wasserumschlossenen Lage ist der Gesundheitszustand der Bevölkerung ein günstiger. Betritt man die Stadt vom Bahnhof aus, so kommt man durch freundliche, breite .Strassen, von hübschen I läusern und Gärten gebildet, man vermisst aber jeden regen Verkehr. Hin und wieder eilt ein Birjar davon, hin und wdeder tauchen einige Fussgänger auf. Der Volksgarten harmonirt mit denn Stillleben. Es ist ein abseits gelegener, verwahrloster Ort. Alan wandelt zwischen einigen Beeten von Georginen, Pelargonien, Blattpflanzen und Ver-gissmeinnicht dahin, betrachtet mehrere hundert Pappeln, Akazien, Linden und fachen und gelangt zu einer Art von Esplanade. Zu ihrer Linken liegt der Garten, zur Rechten die kaum übersehbare Edäche des Bratesüsees. Steigt der Mond empor, um sich mit seiner runden Scheibe auf der glatten Fläche zu schaukeln, dann ist der Volksgartom ein zu Träumereien geeigneter Platz, allein auch da wird sich das Heer der Kröten unangenehm bemerkbar machen; es hat bereits am Nachmittag einzelne hässliche Mitglieder über den Weg geschickt. Der Mittelpunkt der Stadt ist das Geschäftsviertel. Man findet hier gutbesuchte Kaffeehäuser, in denen selbst Wiener Zeitungen aufliegen, und wo zu allen Tageszeiten ein reges Kommen und Gehen herrscht. Das sind Eocale, die zu den zeitungslosen, unbesuchten Jasier Cafes einen erfreulichen Gegensatz bilden. Im genannten Viertel trifft man ferner die Präfectur und andere Amtsgebäude, sämmt-lich ziemlich alt und baufällig, sowie die Hauptmasse der Magazine. Die meisten derselben sind von einer staunenerregenden Vielseitigkeit. Wir stehen vor einem Baden, dessen Schild ihn als Rasirsalon bezeichnet. Allein sein Inhalt scheint nicht recht damit übereinzustimmen, denn neben Cravatten und Bürsten bemerken wir Spazierstöcke, neben falschen Zöpfen Uhren und Ohrringe. Der Nachbar hält Juwelen, Services, Stickereien und Nippsachen feil, in Galati und Britta« 115 einem dritten Locale winken allerlei Confectionswaaren, in ihrer Gesellschaft Schuhe, Hüte, Portemonnaies, Stöcke, Tücher, Kleiderstoffe. Früher soll die Reichhaltigkeit einiger Magazine eine derartige gewesen sein, dass man in einem einzigen alle Bedürfnisse des Lebens auf 10 Jahre erstehen konnte. Für die Nahrungsmittel sorgen die Delicatessen-handlungen. Die mannigfachsten Bewohner des Meeres stehen in Tonnen und Tönnchen, sowie in verschlossenen Schachteln aufgestapelt, Caviar in centnerweisen Portionen, verlockendes Obst, Wurst und Fleisch vollenden die Herrlichkeit. In einer besonderen Strasse stösst man - Ende gut, Alles gut — auf ganze Reihen von Baden, in denen die edlen Israeliten Woll- und Leinwandwaaren feilbieten, in einer anderen Gasse herrschen gleichfalls nur die Nachkommen Mosis. Zwischen beiden Strassen besteht indessen ein seltsamer, ergötzlich wirkender Unterschied. In der ersteren zeigen sich die Verkäufer in moderner Kleidung, sie sprechen deutsch und benehmen sich äusserst geschmeidig, in der letzteren hausen in ungesunden Höhlen Tandler und allerlei Professionisten. Sie verstehen meistens keine fremde Sprache, sind Spagniolen und vcrrathen in ihrem Aeusseren den strenggläubigen Juden. Ihr Benehmen ist oft recht ab-stossend, übrigens gleichen sich beide Gruppen wenigstens in einem Punkte: sie bestürmen in mehreren Exemplaren den Spaziergänger und suchen ihn zum Betreten des Ladens zu überreden. Obgleich erstere Sippschaft die Aristokratie, die letztere das Plebejerthum der Judenschaft darstellt, sind beide Parteien fähig, dem Fremden nachzulaufen und sich an seine Rockschösse zu klammern. Auch anderswo erweist sich das Hebräerthum als herzlich unverschämt, trotzdem ist man in Galatf ziemlich tolerant, und wenn Leute, wie Rudolf Henke, versichern, Judenhetzen seien an der Tagesordnung, so ist dies eine arge Uebertreibung, dictirt von einer unbegreiflichen Zuneigung für dieses ^chmarotzervolk. Leider befinden sich auch die meisten Birjars in den Händen der Israeliten, man ist daher 8* gezwungen, in Galafi mit wenig appetitlichen Wagen und Pferden vorlieb zu nehmen. Der Marktplatz erscheint nicht uninteressant. Er bietet die uns bereits bekannten Producte, zu denen die Donau und das Meer das ihrige beigetragen haben. Pulgaren und Griechen liefern das Haupteontingent der 1 ländler. Auffallend wirkt ein Artikel, den wir in Bräila in grösster Anzahl nochmals entdecken werden. Es sind dies Reisekoffer, aus Holz verfertigt und mit grünem, gelbem oder grauem Plech überzogen. Das Blech glitzert und glänzt und verleitet den vorüberwandelnden Fremdling zum Kaufe eines solchen Ungeheuers. Aber ach, die Freude wird bald gemindert, man bemerkt mit Schrecken, welch' entsetzliche Schwere das neuerstandene Möbel besitzt, und dass die orientalische Neigung für äusseren Glanz wieder einmal einen tüchtigen Betrug gespielt. Den schönsten Schmuck des Mitteltheiles der Stadt bilden unstreitig zwei neben dem vorzüglichen I lötel Metropole gelegene öffentliche Gärten. Beide gewähren mit ihren hübschen Anlagen, ihren alten Bäumen und ihrer reichen Beleuchtung einen sehr angenehmen Aufenthalt, im Com-munalpark spielt sehr häufig eine Militärbande, im neben-liegenden „Universel", eigentlich Kaffeehaus und Bierlocal, vereinigt sich allabendlich die feine Welt, um die Vorträge von Volkssängern - vielfach russische Juden - - und ähnlichen Künstlern mit ihrer Anwesenheit zu beehren. Wenn aber Rudolf Henke, dessen Buch zum grössten Theil durch die Beschreibung der beiden Schwesterstädte gebildet wird, behauptet, die schönsten Damen von Galant wären Jüdinnen und es könnten sich hinsichtlich der Eleganz nur noch Deutsche, Französinnen und Griechinnen mit ihnen messen, irrt er ganz gewaltig, er dürfte die graziösem rumänischen Damen möglicherweise für Französinnen gehalten haben. Das Richtige hat er nur mit der Angabe getroffen, die meisten Mitglieder der Demimonde gehörten zur Judenschaft Ein drittes schönes Plätzchen ist der sogenannte Park regal, ein Kaffeehaus, welches am Ende der Oberstadt liegt. Von ihm aus geniesst man ein hochinteressantes Panorama. Unmittelbar vor dem Beschauer endet der Höhenzug, der den vornehmen Theil der Stadt von der Mahalä trennt, und man blickt nunmehr in die einzelnen Gassen der Vorstadt hinein. Daneben zeigen sich die Hafenstrassen, hinter ihnen ragen die Masten der Schiffe empor, und weiterhin zieht der silberne Streifen des Stromes entlang; jenseits desselben kosen die Sonnenstrahlen mit den blauen Bergen der Dobrogea. Diese Höhen spielten ]rn Jahre 1877 eine ernste Rolle. Am 22. Juni setzten die Russen von Galati aus in Kähnen über die Donau, am folgenden Tage thaten sie dasselbe bei Bräila. Am 26. Juni nahm General Zimmermann Isaktscha, Tulcea und llirsowa, vollendete den Brückenbau bei Bräila und rückte am 15. Juli bis zum TrajanswalL Erst am 28. August stiess von dort aus russische Cavallerie in südlicher Richtung vor, am 26. September rückte ein stärkeres Detachement von Med-Schidsche auf das leicht vertheidigte Bazardschik, und im November kam das 1 .and drei d^agemärsche weit vor dem 1 raj ans wall in die 1 lande der Moskowiter; Baltschik und Bazardschik wurden beobachtet. In dieser Stellung verblieb man, ohne sieh gegenseitig zu belästigen. DerUeber-gang aber hatte Blut gefordert, mehrere Bataillone Türken massen sieh mit den Russen am Busse jener Berge, und das liebliche Gras der Steppen färbte sich mit Menschenblut. Damals wurde auch Bräila beschossen. Ein türkisches Kanonenboot erschien auf dem .Strome, und indem es sich wie in lustigem Tanze drehte, feuerte es einige Stunden lang gegen die Stadt und die russischen Batterien. In jenem Jahrzehnt mag das Bild, welches man von dem Kaffeehaus oder der jetzt eingegangenen Conditorel Bellavista aus ge-noss, ein noch viel fesselnderes und reizvolleres gewesen sein. In der Regel spielte eine Zigeunerbande hier oben, und man musterte bei den Klängen des Donauwalzers den unten hingleitenden mächtigen Strom, seine zahlreichen Schiffe, sowie die buntbelebte Unterstadt mit ihrem entsetzlichen Gedränge und ihren Besuchern edler Nationen. I [eutzutage kann mein die aus abscheulichen Häusern, zweideutigen Hotels, finsteren Kaffeehäusern voller Nargilehs bestehende Hafenstrasse leicht passiren. Die wenigen türkischen und griechischen Matrosen, sowie die Soldaten und Hafenbeamten vermögen die gähnende Leere des Platzes nicht vergessen zu machen, schläfrig lehnen die Grosshändler vor ihren Läden. Früher mietheten sie dieselben für tausend Ducaten jährlich, jetzt sind die Gewölbe bereits für hundert Ducaten zu erhalten. Wandeln wir den Quai entlang. Er ist nicht mehr aus Holz, sondern aus Stein hergestellt und sehr sauber gehalten. Da liegen die stattlichen Agentieen der Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft, des österreichisch-ungarischen Lloyd und anderer Vereinigungen, dort die gewaltigen Seefahrer. Allen voran zeichnen sich die Schiffe der genannten Gesellschaften durch Sauberkeit und Geschmack aus, neben ihnen stechen die einfachen 1 lolzbauten der türkischen und griechischen Händler, zwei- oder drei-mastig und der Dampfmaschine entbehrend, seltsam genug ab. Auch ein russischer Kreuzer hat dicht am Ufer geankert, er zählt zu jener Flotte, welche seitens der Garantiemächte beständig an der unteren Donau stationirt ist. Eine halbe Stunde können wir am Quai dahinpilgern, und noch immer zeigen sich Schiffe, ganz am Schluss zierliche, kleine Dampfschaluppen und ein grösseres, auffallendes Fahrzeug. Die kleinen Geschöpfe sind Werkzeuge der Strompolizei, das grössere ist der Stefanü celü mare, das namhafteste K rieg-sschiff Rumäniens. Es rangirt freilich nur als Transportdampfer, weshalb auch sein Deck, abgesehen von einigen Kanonen und Mitrailleusen gänzlich kahl erscheint. An seiner Seite ruht eines jener Ungeheuer, bei deren Gedenken dem friedliebenden Bürger das Blut in den Adern erstarrt: ein Torpedoboot. Ein zweites wird unweit davon am Ufer vollendet, so dass wir Gelegenheit haben, das düstere Ivrzeugniss mit Müsse zu betrachten. Es ist kaum 30 Emss lang- und ward in der Regel nicht mehr als einen Officier und vier Mann beherbergen. Um so grössere Bedeutung besitzt eine am Bugspriet hervorragende Stange. Ihre Bestimmung ist es, den Torpedo zu werfen und ihn unter das dem Verderben geweihte Schiff zu expediren. Im Arsenal, dessen liebenswürdiger Vorstand uns mündliche Erläuterungen zutheil werden lässt, sehen wir sämmtliche Maschinentheile entstehen, und in einer Kammer entdecken wir Hunderte von Torpedos. Gegenwärtig hat man ein neues Arsenal errichtet, es liegt am entgegengesetzten Emde der Stadt, auf gesunder, den Winden ausgesetzter Anhöhe; in seiner Nähe befinden sich einige Kasernen. Weithin nach Osten dehnt sich die Mahalä aus, die sogenannte Unterstadt, hier Hafenstadt. In ihr fallen noch heute blutige Raufereien vor, besonders von den heiss-blütigen griechischen Matrosen ins heben gerufen. So stark wie früher wird natürlich nicht mehr in der Mahalä gekämpft und g-etrunken, und zwar aus dem einfachen Gründe, weil weniger Schiffe ankommen und die Polizei nicht mehr so gemüthlieh ist. Gemüthlich sind dagegen noch immer viele Strassen der Mahalä. Pflaster existirt hier nicht, und trifft nun auch die .Schilderung von 1 lenke, Patrick O'Brien und anderen Reisenden, derzufolge die 'Mahalä ein Gemisch von Düngerhaufen und Spelunken sei und man in ihrem fusshohen Koth trotz des Bretter-ganges die Stiefel verlieren könne, nicht mehr zu, so ist es doch gewiss, dass im Frühjahr nach den häufig- eintretenden Donauüberschwemmungen oft ein zollhoher Koth sichtbar wird. Ebenso wäre es Büge, wollte man die Stadtverwaltung wegen Beleuchtung und Reinlichkeitspflege loben. Um so merkwürdiger erscheint es, dass die Cholera von [873 in Gala^ verhältnissmässig wenig Opfer gefordert hat und gerade die sumpfige I lafengegend glimpflicher wegkam als die obere Stadt. Welches aber ist die Ursache des in Deutschland fast unbekannt g-ebliebenen Verfalles von Galatf und des in demselben Verhältnisse statthabenden Aufschwunges von Bräila? Es sind mehrere Gründe vorhanden, ihre Gesammt- heit hat den Verfall der einstens bedeutenden Handelsstadt herbeigeführt. Zunächst hat man in den angrenzenden Districten Berladü und Tecuciü seit einigen Jahren Missernten gehabt, so dass der Getreidehandel jener Gegenden brach liegt, ausserdem hat die Aufhebung des Freihafens entschiedenen Nachtheil gebracht, ferner holen die Engländer ihre Getreideladungen lieber in Bräila ab, weil dort der Eisenbahnzug direct zum Elafen fährt und ihnen somit Spesen erspart bleiben, endlich hat Bräila durch Vollendung des walachischen Eisenbahnnetzes eine hervorragende Bedeutung erlangt. Ausserdem führt man noch an, die Galanter Kaufleute seien pedantischer als die Bräilaer, die letzteren schlügen die Waaren los, selbst wenn sie nur geringen Gewinn erzielen könnten. Die Regierung bemüht sich redlich, dem „rumänischen I lamburg" von Neuem zu regem Verkehr zu verhelfen, sie hofft dies durch den Ausbau der Binie Berladü-Galafi zu erreichen, wodurch der Ort direct mit der oberen Moldau verbunden wird. Endlich ist man gesonnen, Docks zu errichten. Alles dies dünkt uns recht löblich, allein war glauben, es wiegt einen einzigen Umstand nicht auf: Rumänien war früher nur über Galant und Bräila mit dem Ausland verbunden, heute bezeichnen die Eisenbahnen nach Neu-ltzkciny, Verciorova und Predealü wichtige Aus- und Einfuhrstrassen. Nun möge Galafi wieder emporblühen und jene Zeiten einiger-massen zurückkehren, wo ein Schiff eine halbe Stunde laviren musste, wollte es nicht mit anderen Fahrzeugen zusammenstossen! Von Galafn bringt das Dampfschiff den Reisenden in einer Stunde stromaufwärts nach der Schwesterstadt Bräila. Die Fahrt ist wunderlieblich. Rechts ragten die blauen Höhen der Gebirge empor, links entschwindet langsam der Hafen, sowie das graue und gelbe Häusermeer von GalatT, um den Reisenden Müsse zu gewähren für die Betrachtung der auf ansehnlicher Höhe gelegenen Kasernen, einig-er bewaldeter Inseln, und der schönen Segelschiffe, die mit weisser Leinwand gleich herrlichen Schwänen stronmuf «der stromab schwimmen. Der erste Anblick von Bräila ist hochinteressant. Eine Staub- und Dunstwolke bedeckt den Strom. East traumhaft und gespensterartig nimmt sich unter derselben das Leben und Treiben des Hafens aus. Schiff liegt an Schiff, das eine, um seine Waaren auszuladen, das andere, um sie in ferne Länder zu führen. Efunderte von Segeln bieten sich dem Blicke dar, und kommt man direct von Galafi, so wirkt das wde ein Zauberschlag-. Gewandte Lastträger und Matrosen tummeln sich mit Säcken, Kisten, Körben und Handwagen durcheinander. An der Landungsbrücke Enden wir als Entree eine elende Holzbude, von wackeligen Stangen über einem Kothmeere erhalten: ein türkisches Kaffeehaus, wo täglich Hunderte und aber Elunderte schwarzen Kaffee und Dulcetä schlürfen. Beim Austreten wrälzt die Donau ihre Eduten unter dem Bretterbau hin, und die Besucher des Erquickungslocales ■schweben thatsächlieh über dem Wasser. Ein zweites »'igenthümliehes Wahrzeichen von Bräila sind die grauen Echmwände, welche sich fünfzig Schritte vom Ufer erheben und auf deren Kücken die Stadt steht, in Tausenden von Löchern hausen, unbekümmert um das hässliche Ereiben der Menschen, ungezählte Schwalben, deren lustiges (rezwitscher im Sommer den Eremden überrascht. Der Aufgang- zur Stadt ist wie in Gabun ziemlich kurz und steil. Hat man ihn überwunden, so steht man auf dem St, Michaelsplatz. Ein freundliches Stück Erde, ringsherum durch stattliche, behäbige 1 läuser abgeschlossen, in der Mitte mit hübschen Pflanzungen besetzt. Nicht die geringste Zierde sind zwei Cafes, deren (raste während des Sommers im Freien sitzen. Tische und Stühle nehmen das Trottoir wohl fünfzig Schritt weit in Anspruch. Vom Michaelsplatz führt direct nach Norden die Hauptstrasse der Stadt: Strada Bucuresci Sie ist von beträchtlicher Preite, schnurgerade angelegt und enthält viele schöne Bauwerke. In ihr vollzieht sich der Hauptverkehr, hier hegen die vornehmsten Magazine, hier preisen die bedeutendsten Obsthändler prachtvolle Weintrauben, Melonen, Birnen, türkische Haselnüsse und andere Herrlichkeiten an, endlich aber trifft man auf Schritt und Tritt reichhaltige Niederlagen mit den schon in Galati vereinzelt entdeckten Koffern. Diese blechglänzenden Erzeugnisse, die süssen Melonen und die in allen möglichen Farben dahersegelnden türkischen Schiffer gemahnen einzig und allein noch an den Orient. Bräila ist im Vergleich zu Galati entschieden schön zu nennen. Während Galafi die orientalische Bauart in seinen krummen und engen Gassen vorführt, trägt Bräila mit seinen durchg-ehends breiten und geraden .Strassen einen europäisch-modernen Charakter zur .Schau. Es trifft somit die Schilderung ffenkes bezüglich des äusserlichen Eindruckes beider Städte noch vollständig zu, während man nicht begreifen kann, wie der Irländer Batrick O'Brien, Berichterstatter zur Zeit des Krimkrieges, zum Tadel von Bräila und zum Lobe von Galafi g-elangen konnte. Ihm zufolge war die „sogenannte Stadt Bräila" nichts als eine staubige Ebene mit verstreut lieg-enden Häusern. Galati erschien ihm nach dem ,,erbärmlichen Bräila sehr zu seinem Vortheil", er fand breite, gutgepflasterte Strassen und lobenswerthe Behörden. Der Mann musste in Bräila in einem elenden Khan, dessen Wände und Kitzen von Myriaden kleiner Bewohner wimmelten, übernachten, möglicherweise ist dadurch sein Blick getrübt worden. Ausserhalb der auf einem Plateau gelegenen Stadt Bräila dehnen sich wüste Strecken aus. Die Sonne hat hier entsetzlich gewirthschaftet, der Boden ist völlig verbrannt, das dürftig-e Gras braun und gelb. Eine dichte, den Athem versetzende Staubwolke umgibt unsere Birjä. Das Gefährt kommt langsam vorwärts, eine eigentliche Strasse existirt nicht, jeder fährt, wo es beliebt, fünf Schritt weit ziehen sich die Wagenspuren hin. Nach einiger Zeit wechseln bestaubte Kukuruzfelder mit braunem und grauem Gestrüpp ab, aus dem Hunderte von Zuckermelonen hervorblicken. Ihr Ruf ist weit und breit berühmt, mehr als ein Schiff läuft wöchentlich in den Bräilaer Lacu saratii. 12 3 Hafen ein, um sich mit den köstlichen Früchten beladen zu lassen. Wie auf dem Meere schwimmen wir auf diesem von der Sonne gequälten Fandstriche dahin. Allein alles Leid hat ein Ende, nach einer halben Stunde hebt sich am Horizont das Ziel unserer Reise empor, eine weisse, glitzernde Fläche. Das ist der Lacu säratü, an seinem Ufer treffen wir einen rumänischen Curort. Aber gerechter Himmel, wir linden keinen anmuthigen Platz, wo sich die Naturkräfte mit der Lieblichkeit der Landschaft vereinigen, um den Leidenden zu gesunden. Man möchte es am Ende dem einförmigen Spiegel der salzigen Flut und der baumlosen Ebene verzeihen, dass sie so und nicht anders, wäre nur ein freundliches Hotel zu entdecken, wro bei befriedigender Nahrung und allerlei Gesellschaftsspielen die d^age verbracht worden könnten. Allein von all' dem keine Spur. Vier Strassen sind vorhanden, aber was für Eläuser bilden dieselben! Numcrirte Bretterverschläge mit je einer Thür und einem Fenster schliessen sich aneinander, ihrer zwanzig oder dreissig machen eine Gasse. Eine Küche existirt nirgends, wer kochen will, mag sich ins Freie bemühen; Wäsche, Bettgewand etc. ward natürlich mitgebracht. Doch warum sind denn diese Behausungen gar so elend? Die Antwort fällt kurz aus. Das Bad ist Eigenthum der Stadt Bräila, die schon längst einen stattlichen Gasthof hätte bauen können, da die Zahl der Besucher eine wirklich bedeutende Höhe erreicht, und es diesen schliesslich gleichgiltig sein kann, ob sie von einzelnem kleinen Räubern oder von einem Pächter zum Vortheil der Gemeinde geschnürt w^erden. I )er Unternehmungsgeist im Bande fehlt jedoch überall, und die Stadtbehörden thaten bis jetzt nicht das Geringste. Mithin haben zweihundert kleine Hoteliers (relegenheit gefunden, die elendesten Bretterbuden zu erbauen und sie für 300 Lei und noch mehr per Monat an einen armen Kranken zu vermiethen. Den Hütten reihen sich einige Schenken ebenbürtig an, hier bemühen sich die Wirthe im Vereine mit Millionen von entsetzlich kecken Fliegen, die Fremden zur Verzweiflung zu treiben. Uebrigens amüsiren sich die Gäste trotz des fehlenden Luxus vorzüglich. Bälle werden in der Hochsaison abgeheilten, und verirrt sich ja einmal ein Sänger oder ein Leierkastenbesitzer nach dem Lacu saratü, sc wird ihm in demselben Masse jubelnd gehuldigt, wie dem neuentdeckten Amerika seitens des Christoph Co-lumbus. Auf dem Rückweg nach Bräila haben wir noch Gelegenheit, einen wüsten Bark zu besuchen, dessen Bäume und Gräser unter der entsetzlichen Glut fast verschmachten. Inmitten des Gartens erhebt sich das Denkmal des russischen Generals Pawlowitsch. Der Feldherr liess 1828 vor Bräila sein Leben. Am Sockel der Säule, sind vier Kanonen angebracht, am Fusse derselben vier Adler: die Spitze ziert ein Kreuz, welches auf einem Halbmond steht, Zwischen Galafi und Bräila zieht das Seretüthal entlang, eine mit herrlichem Graswuchs besetzte, wildreiche (regend, schön für den Naturfreund, nicht minder einziehend für den jäg-er und den Alterthumsforscher. Auf dem erhöhten linken Ufer des Idusses steigen die sogenannten Römerschanzen empor. Dem Beschauer dünkt es, als seien sie durch die Arbeit der Sterblichen hervorgerufen, allein es muss angenommen werden, dass die Naturkräfte sie erzeugt und die Menschen nur ihre ausgleichende I [and erhoben. Der Punkt ist von grosser strategischer Wichtigkeit; wer die Donau überschreiten will, der muss seiner Herr sein. .Seit Jahrhunderten haben das die Kriegführenden erkannt, so lehren es die vielen Gold- und Kupfermünzen, die man hier und bei Barbosl zutage gefördert. Schritt für Schritt stösst man auf die Spuren alter Niederlassungen, sie beweisen, dass hier sogar vorrömische Völker gehaust. In allen russischen und türkischen Feldzügen haben die Römerschanzen eine Rolle gespielt, sie werden dies bei allen künftigen Kämpfen an der Dernau thun. Energischen d'adel erntete die türkische Heeresleitung', weil sie im Jahre 1877 die Hohen nicht besetzte, um den russischen Aufmarsch zu stören. Allein abgesehen von diplomatischen Bedenken waren keineswegs genügende Truppen zur Hand, und endlich, was hätten die Türken wohl mit einer Offensive • in Rumänien bezweckt? Die Römerschanzen wTären eine Art Brückenkopf geblieben, der die Russen einige Zeit aufg-ehalten, um jedoch schliesslich als schmerzlicher Verlust wie der Kopf vom Rumpfe abgeschlagen zu werden. Die Aussicht von den Römerschanzen ist bei untergehender Sonne von eigenartigem Zauber, freilich darf man nicht allzulange mit der Trennung zögern, denn mit den Nebelgebilden steigen Fiebermiasmen herauf. Die vSonne schwebt noch als rother, dunstumgebener Ball über dem mächtigen Strome, als wir an Bord des österreichischen Lloyddampfers steigen. Die Reisegesellschaft ist eine weitaus interessantere als auf der oberen Donau. Dort ist sie durchaus modern und monoton, hier echt orientalisch. tTieich am Eingang sehen wir einen wrissbärtigen Türken mit untergeschlagenen Beinen am Boden kauern. Neben ihm hocken zwei Weiber, den K örper in hässliche, schwarze Kleider gehüllt, das Gesicht zur Hälfte mit weissen Tüchern bedeckt. Mehrere blondhaarige Kinder füllen den ausgebreiteten Teppich, auf dem die Gesellschaft Platz genommen. Daneben liegt ein starker, blaugekleideter, weissbeturbanter junger Mann, er hat sich ein förmliches Ruhebett mitgebracht. Weitere Türken stehen wie Marmorfiguren vor der Kajüte, der unerschütterliche Ernst, das unbesiegbare Phlegma charak-terisirt sie. Juden, Rumänen und Bulgaren tummeln sich in buntem Gemisch, unter ihnen leuchten die überaus sauberen Uniformen der Schiffsbeamteh hervor. Beider inte-ressirt das Publicum des ersten Platzes bei weitem nicht ■so wie das des zweiten. Auch hier wird das Volk Israel durch wenig saubere, äusserst hässliche Jüdinnen und sehr arrogante Juden vertreten, ferner zeigen sich kreidebleiche Rumäninnen, deren Teint nicht einmal durch die aller* ärgste Seekrankheit vornehmer werden könnte, sowie eine Anzahl räthselhafter Salonfiguren, versehen mit rothgebundenem Führer für Konstantinopel. Stiefelputzer, Weintraubenhändler und Bretzelverkäufer treiben sich auf dem Deck herum, besonders von den Passagieren des zweiten Platzes stark beschäftigt. Mehrere Male lässt die Maschine nervenerschütternde Pfiffe hören, dann müssen die Geleitspersonen das Fahrzeug räumen, es geht an ein Küssen, Händeschütteln und Drücken, dass man glaubt, man fährt der Ewigkeit entgegen: das Schiff verlässt den Hafen. Freilich wird dies nicht mühelos bewerkstelligt, der schwere, hohe Seereisende vermag nicht, sich leicht wie ein gewöhnlicher Stromdampfer loszulösen, langsam wendet er sich, den Curs donauabwärts nehmend, immerhin ist die Bewegung gut ausgeführt worden, die französischen und russischen Schiffe sollen weit mehr Zeit dazu benöthigen, wie sie überhaupt in jeder I Einsicht hinter denen des Lloyd zurückstehen. Bald schwimmen wir in der Mitte der majestätischen Wassermasse. Das Bild, welches (falati in der Abschiedsstunde gewährt, ist von unvergesslichem Reiz. Ein leichter, kaum merklicher Dunst liegt wie ein feiner, durchsichtiger Gazeschleier vor der Hafenstadt. Zunächst fällt der Blick auf die .Masten der Kauffartheifiotte, auf die Rauchschlote der Dampfer, auf einige Edscherbarken und das Leben und Treiben am Quai, weiter hinaus hebt sich das Häusergewirr der Stadt empor. Wohl sind der Kirchen wenige, auch die Zahl der hervorragenden Gebäude ist gering-, allein das (femisch von Tausenden gelber, grüner, brauner I läuser und Häuschen bietet eine stolze und überwältigende Gesammtheit. Langsam gleitet der Dampfer den Strom hinab, der hier, vollständig rein von Sandbänken und Untiefen, gdatt wie ein Spiegel seine ungeheuren Wassermassen dem Grabe zuwälzt. Plötzlich wird uns ein betrübender Anblick zutheil. Vor uns zeigen sich die Umrisse eines gestrandeten Schiffes. Der Rumpf ist versunken, der Kiel ragt ein wenig hervor, Schlot und Mäste streben wehklagend gen Himmel. Ein englisches Fahrzeug wurde vom tückischen Schicksal ereilt. Vor zwei Monaten stiess es dicht am Ufer mit einem anderen zusammen und sank, ein Mitglied seiner Bemannung' in den Fluten verlierend. -Die Mündung des Prath, die dicht am Ufer hinführende Eisenbahn und das freundliche Reni verwischen den tragischen Eindruck. Der erste russische Ort besitzt einige am Ufer liegende hervorragende Gebäude, sowie den zweifelhaften Ruhm, den von niederträchtigen Verräthern seinem Palaste und seinem Volke entrissenen Fürsten Alexander von Bulgarien einen Tag lang beherbergt zu haben. Hierher wurde Fürst Alexander auf seiner Yacht, begleitet von fünf pflichtvergessenen Olli eieren und hundert abtrünnigen, bestochenen Soldaten, geführt. Um den ungdücklichen Regenten unkenntlich zu machen, hatte man ihn in schafwollene Bauernkleider und in eine Lammfellmütze gehüllt; die russischen Behörden thaten zudem alles Mögliche, um dem Ueberraschten seine Lage zu verbittern. Hinter Reni wechseln schier unermessliche Steppen, hin und wieder mit einer Viehheerde durchsetzt, mit sumpfigen Strecken ab, selten fliegt eine Ortschaft vorüber. I läufig tauchen dagegen russische Wachtposten auf. Der Dienst in denselben kann nicht gerade der angenehmste des Riesenreiches sein. Busch und Baum umgeben die drei oder vier Häuser der Colonie, am Ufer wiegt sich ein Kahn, mit dem die Insassen des Postens spazieren fahren, tischen oder ihre etwaigen Feinde verfolgen. Einzelne Soldaten liegen im Grase, einer führt w:ohl auch ein lJferd zur Tränke. Weit fesselnder sind die Bilder der Dobrogea. Obgleich die Berge nicht einmal die Höhe von tausend Fuss erreichen, erscheinen sie doch gigantisch, die Tiefe des ^onauthales bewirkt das. Manche sind mit herrlichen Wäldern bedeckt, wieder andere mit spitzen Zacken und Elüften grotesk gestaltet. Alle diese Hügel klimmen jedoch nicht unmittelbar am Ufer gen Himmel, sie erheben sich erst eine Stunde landeinwärts. Das Vorland ist mit Sümpfen, Wiesen, Büschen und einigen Fischerhütten aus Stroh erfüllt. Die ehemals türkische Stadt Isaktscha bildet in diesem Einerlei eine erfreuliche Abwechslung. Ihre wenigen I lundert Flauschen können keinen Anspruch auf .Schönheit machen, ein Minaret ist die einzig sichtbare Kirche, ein grosses, rothangestrichenes Gebäude und offenbar die grösste Sehenswürdigkeit des Ortes. Ausserhalb desselben ragen ein Dutzend Windmühlen unthätig in die Luft, daneben ein kahler, runder Hügel, so jäh aus der Steppe emporsteigend, dass wir uns geneigt fühlen, an seinem natürlichen Ursprung zu zweifeln, In der ddiat ein Werk der Menschenhand! Als im Jahre 1877 das nimmerrastende Russland die abscheuliche Kriegsfackel auf die Balkanhalbinsel schleuderte, rüsteten sich die Muselmänner zur Vertheidigung. Sie errichteten diesen Kegel, um von ihm aus weite Strecken des feindlichen Landes zu beherrschen. Jetzt ist der Halbmond in Isaktscha verschwunden, der Ort Sitz rumänischer Behörden. Hinter Isaktscha trauern die Ruinen des römischen Noviodunums. Unweit davon befindet sich eine Stromenge von 200 Metern, wo der Vermuthung zufolge König Darius 503 v. Chr. seinen Donauübergang bewerkstelligte. Um die Fahrt zu kürzen, unternehmen wir einen Rundgang- auf dem Vorderdeck. Man hat sich daselbst nach Völkerschaften gruppirt. I )as Osmanenthum ruht auf Teppichen und Polstern, drei Türken schlafen, ein vierter, in schwarzem Kaftan und mit grünem dmrban, lehnt ernst an der Schiffswand. Die Weiber beschäftigen sich mit der Reinigung der Kinder, von denen eines von einer wahren Flut goldenen I Paares fast verdeckt wird. Eine zweite Gruppe besteht cius Rumänen, eine dritte aus schmierigen Juden und Jüdinnen. Der letztere Trupp ist natürlich der zahlreichste, der lebhafteste und der beweglichste. Er sendet seine Mitglieder oft in glänzen Schaaren auf das Gebiet der ersten Classe, wo alsdann ein peinlicher Knoblauchgeruch und ein ebenso peinlicher Jargon die Butt durchdringt. Bei solchen Invasionen suchen die übrigen Reisenden vergebens nach Sesseln und Bänken, alle sind von dem Heuschreckenschwarme mit Beschlag belegt worden. Gegen Mittag erblicken wir Tulcea. Die Donau bildet eine halbmondförmige Einbuchtung, deren eines Ende durch einen schönen Hügel abgeschlossen wird. Auf ihm starren drei altersschwache Windmühlen in die blaue Luft, ein schlankes Minaret verkündet, dass noch nicht alle Türken vor dem verhassten christlichen Regiment weggezogen. Weiterhin liegen die theilweise schmutzigen und verfallenen Häuschen in fünf, sechs Abstufungen und mit Grün vermischt, über einander. Ihre braunen Dächer sind nicht wie die der rumänischen Häuser fast ebenso hoch wie der ganze Bau, sondern flach, ein Charakteristicum des Orients. Ein zweites Minaret, einige ansehnliche Amtsgebäude, ein Cafe am Ufer, dazu einige Dutzend buntbewimpelter Barken und Schooner, fungiren als Zierrathen des eigenartigen Panoramas. Hinter dem Orte beleidigen wiederum zwei Dutzend der unvermeidlichem Windmühlen das Auge. Am Landungsplatz drängt sich eine bunte Menge. Mindestens fünfzehn ddirken mit rothem Fes, einige Bulgaren in braunen Farben, acht oder zehn rumänische Officiere mit Pariser Modedamen stehen bei einander, und damit Niemand fehle, wenden einige Pei'ssigeschmückte dem Dampfer ihre Aufmerksamkeit zu. Das Bemerkenswertheste dünken uns sechs Gestalten, Träger von klatschrosenrothen Hemden und hohen .Stiefeln. Man sagt uns, dass es Lipo-vener sind. Vor dem Kaffeehaus hockt auch ein Albanese, seine Tracht gehört zu dem schönsten, was man von männlicher Kleidung sehen kann. Ein rother Fes mit schwarzer Quaste ziert den Kopf, eine schwarze Weste den Oberkörper. Die Aermel derselben hängen auf dem Rücken des Mannes herab. Das Hemd ist ein halber Kittel, in unzähligen Falten reicht es nur bis zu den Knieen, unter ihm sieht man hohe, braune Gamaschen, sie bedecken fast die Beine. Ziemlich spät steigt ein vornehmer fürke in Begleitung eines Dieners an Bord, der I lerr im langen, schwarz seidenen Kaftan, mit roth und weissem d'urban. Die Kleidung- des Dieners muss wirklich geschmackvoll genannt werden. Sie besteht aus einem hellrothen, weissgestreiften Hemd, dunkelblauer Hose, dunkelrother Schärpe, blauen Gamaschen, weissen Sandalen und einem prachtvollen Turban, dessen Mitte dunkelblau, dessen Rand blendend weiss erscheint. Uebrigens feiert man heute türkisches Osterfest, wo ein jeder, der es nur halbwegs vermag, einen Widder schlachtet. Und es werden viele dieser ddiiere bluten müssen, denn von den ehemals zahlreichen d'ürken ist der vierte Theil geblieben. Handel und Wandel der Stadt tragen noch immer einen echt türkischen Charakter. Eine Stunde stehen wir, währenddem ein- und ausgeladen wird. Ein stattlicher Lloyddampfer rauscht stolz durch die Mitte des Stromes, ihm folgt ein kleinerer, griechischer, eine blau-weisse Flagge führend, Bereits vor Tulcea ist der Chilia-Arm abgebog-en, hinter Tulcea scheidet sich die Donau in den St. Georgs- und in denSulina-Canal. DerGeorgs-Canal zieht scheinbar unregulirt seitwärts ab, wir fahren in den Sulina-Canal ein. Die jetzt folgende Reise bis zur Mündung- des Stromes in das Schwarze Meer dürfte wohl die seltsamste Strompartie Europas sein. Sie soll mit der Passage des Suezcanals viel Aehnlichkeit besitzen. Landschaftlich ist sie entsetzlich öde und trostlos. Sechs Stunden schlängelt sich der Dampfer dahin, ohne dass das Auge etwas Anderes erblickt als Schilf. Schilf rechts und links, Schilf soweit das Auge reicht, nur am Horizont ragen einige blaue Berge der Dobrogea empör. An ihnen hängt das Auge mit demselben Wohlgefallen, wie das der Schiffbrüchigen an dem rettenden 1 .ande. Kein lebendes Wesen unterbricht die Stille dieser Rohrwüste, in der das Lieber lauert, Frösche und Kröten herrschen und Millionen von Oelsen am Abend ihre wilden Jagden halten. Besonders im Sommer sollen die letzteren Geschöpfe eine wahre Landplage sein, sie stürzen auf die Ochsenheerden der Gegend und peinigen das Vieh. Die Pferde magern in der genannten Jahreszeit ganz ab, da Tin Sulina-Canal. 1 3 I sie sich beständig vertheidigen müssen und nie zum Schlaf kommen können. Dass aber die Schwalben Erlösung von dem Uebel bringen, ist schon deswegen ein Irrthum, weil die Schwalben unter die TagvÖgel; jene aber unter die Nachtschwärmer zu rechnen sind. Die Rohrwüsten gleichen in ihrer Einförmigkeit dem Meere, jenes wird durch die Wellen, diese werden durch die im Winde schwankenden Halme bewegt. Und im EYühjahr stellen sie ein wirkliches Meer vor. Dann ist das Land, so weit das Auge reicht, überschwemmt. Im Sommer sucht das Wasser der Donau in ungezählten grösseren und kleineren Armen und Canälen seinen Weg zum Pontus Euxinus, ein g-anzes Königreich unbebaut und unbenutzt lassend. Worin besteht denn aber der Reiz einer solchen Fahrt zwischen Rohr und Sumpf? Gleich bei unserem Einzug in den Canal haben wir Veranlassung zum .Staunen. Der Sulina-Arm ist nicht breiter als vierzig bis sechzig .Schritte, er ist also so schmal, wie der Donau-Canal bei Wien oder rrgend ein gewöhnlicher Fluss. Dabei hat er jedoch die Bestimmung, mächtigen Seeschiffen den Weg zum Binnenland zu erschliessen. Unzählige rothe, schwimmende Zeichen deuten an, wo Untiefen vorhanden sind. Rechts von ihnen muss unser Dampfer laufen, links davon würden wir stranden oder festfahren und mehrere Stunden oder auch Tage mit dem Wiederflottwerden verbringen. Der Canal erscheint vorzüglich regulirt, dank der unermüdlichen Thätig-keit der europäischen Donaucommission. Millionen hat freilich die Instandsetzung der Wasserstrasse verschlungen, Millionen dafür an Gütern und Tausende von Menschenleben gerettet. Zuweilen taucht rechts oder links über dem Schilfe ein Mast oder ein dampfender .Schlot auf, es sind hahrzeuge, die wir einholen, oder denen wir begegnen müssen; die vielen 'Biegungen des Canales künden ihr Nahem vorzeitig- an. An einer etwas breiteren Stelle, kennbar gemacht durch eine grosse Anzahl von Bojen und anderen verdächtigen Vorrichtungen, begegnen wir zwei grossen Schiffen. 9* Lange bleiben wir liegen, endlich kommen sie heran. Der schwarze Rumpf eines englischen Kauffahrers windet sich dicht an uns vorüber, das Deck mit vollbärtigen Matrosen, echten Söhnen Albions, besetzt. Ihnen folgt in kürzester Zeit ein altes, griechisches Fahrzeug, weit weniger stattlich und weit weniger reinlich als jenes. Seine Bemannung unterscheidet sich von der des vorigen Baues in mehr als nur in der Kleidung. Wettergebräunte, kühn geschnittene Gesichter, blitzende Augen und schwarzes Ff aar verrathen die Kinder des Beleponnes. Die Capitäne beider Schiffe werden von unserem Piloten heftig zur Rede gesetzt, sie haben die Vorschriften der Donaucommission ganz ausser Acht gelassen, indem sie statt links rechts ausgewichen, sie werden deshalb ohne Erbarmen Strafe zahlen müssen. .Selbst das Lamento des weissbärtigen griechischen Führers kann sie vor diesem Schicksale nicht bewrahren. Eine vStrecke weiter streifen war an zwei türkischen Barken vorüber. .Sie transportiren Bauholz nach Konstantinopel, vielleicht das nämliche, das wir auf der Bistrita als Bloss benützt. Die ernsten Gesichter der Muselmänner sind auf unsere ,,Galatea" gerichtet; vor jedem Fahrzeug rudert ein Kahn mit je vier Osmanen einher. Da die Schiffe keine Maschinen besitzen und der Wind nur sehr leicht weht, müssen die Leute auf eine solche anstrengende Weise ihr Fortkommen zu fördern suchen. Tritt auf dem Schwarzen Meere Windstille; ein, dann heisst es, sich in Geduld fassen und tagelang oder selbst wochenlang warten. Ein darauf folgender Sturm vernichtet vielleicht alle Mühen und Hoffnungen, indem er das Fahrzeug sammt seiner Ladung und sammt seiner Bemannung dem Untergange weiht. Ganz besonders tückisch ist die Mündung des Sulina-Armes, an der vor geraumer Zeit drei .Schoner und fünfzehn Menschenleben endeten, und wo oft in einem. Monate ein Dutzend Leichen ans Land geworfen werden. Lange bleibt uns jetzt jede Begegnung erspart, trotzdem wird unser Interesse stets lebendig erhalten. Die Enge des Canales, seine Windungen, die verschiedenen Sumpf- und Steppenbilder. 133- Schifffahrtszeichen, der Umstand," dass unser Seedampfer fast das Ufer berührt, ein sich entwickelndes Gewitter mit Sturm, gibt Stoff zu Betrachtungen. Allmählich hat sich der blaue Himmel verfinstert, endlich steht eine unheimliche Wolkenmasse über dem Sehilfmeer, und ein heftiger Wind bricht los. Das Schicksal möge unserer Meeresfahrt gnädig sein. — In der Mitte dieses seltsamen Sumpfreiches wird uns ein merkwürdiger Anblick zutheil. 1 Her muss sich der Landkarte zufolge auf dem rechten Ufer ein stattliches Dorf, Namens (iorgova, erheben, in Wirklichkeit finden wir nur ein Dutzend zerfallener Rohrhütten, und ein kleines, hübsches Häuschen; es dient einem lieaimten der Donaucommission zum Aufenthalt. Der Mann muss hier die Sommermonate verbringen, um den Wasserstand zu messen und seine Ergebnisse den Seefahrern zugängig zu machen. Vor den Hütten sind die bischer beschäftigt, kleine, curiose Männer mit schmutzigen Barten und schwarzen Beizmützen. Grobe blaue, ziegelrothe oder braune Beinwandkittel geben den Beuten ein plumpes Aussehen, hohe Stiefel verrathen ihren Beruf. Das sind weder Rumänen, noch Türken, es sind Lipovener und andere Russen. Den Sommer über treiben sie hier ihr Handwerk, kommen die eisigen Stürme des Winters und friert der Canal zu, so verlassen sie die Ungastliche Einöde und ziehen gleich dem Beamten der Conimission weg. Heute kauern etwa zehn von ihnen an einem Feuer, mit der Stillung ihres Hungers beschäftigt l|nd an die Worte 1 leinrieh Heines erinnernd: In Lappland sind schmutzige Leute, Plattköpfig, breitmäulig und kloin; Sic kauern um's Feuer und backen Sich Fische und quaken und silnvi'n. Bei der Betrachtung dieses unermesslichen Sumpflandes drängt sich einem die Ansicht auf, die Bewohner von Gor-gfova und Tulcea müssten an allen mögliehen Krankheiten darniederliegen, dies trifft indessen nicht zu. Brustleiden smd in Tulcea fast unbekannt, (ficht und sonstige Uebel selten. Das Fieber grassirt natürlich, besonders bei dem ärmeren Theile der Bevölkerung-. Gesunde Nahrung- steht dem Befallenen ebenso wenig- zur Verfügung- wie entsprechendes Obdach und Pflege. Als Hauptmittel gegen die Krankheit benützt der Leidende schwarzen Kaffee, ihn trinkt er in grosser Menge. Das Fieber zehrt, der Kaffee zehrt, und man sieht förmlich die Beute ins Grab sinken. Am Abend naht der Schluss unserer Isterfahrt. Der Punkt ist da, wo sich die Donau mit dem gewaltigen Meere vermengt. Ein Hafenbild, wie es eigenartiger gar nicht gedacht werden kann, zieht an uns vorüber. Rechts und links in dem kaum fünfzig- bis achtzig Schritt breiten Strome liegen die Seeschiffe aller Nationen. In unermess-licher Zahl sind sie vor Anker gegangen, auf dieser Seite ein Glied, auf jener zwei Reihen bildend. Zwischen ihnen dampfen wir dahin. Wohl hundert Schiffe können wir betrachten. Die meisten von ihnen tragen griechische Namen und die griechische Flagge, indessen hantiren auch auf einigen buntgekleidete Muselmänner, drei oder vier zeigen die österreichisch-ungarischen Farben, andere die englischen, eines die französischen. Fünf oder sechs Schiffe haben sich in Gala gekleidet und ihre Masten, sowie die .Stricke der Segel mit allen erdenklichen bunten Fetzen und Wimpeln geschmückt; ein gar lieblicher Anblick. Was aber hat die ernsten, dem Tode beständig entgegen sehenden Männer bewogen, dem Beben eine freundliche Seite abzugewinnen? Ein von der Donaucommission veranstaltetes Pdottenfest wird gefeiert, seit einigen d'agen belebt es den kleinen 1 Iafenort. Böllerschüsse durchzittern die Luft, Hochrufe folgen ihnen, und als wir die letzten der ankernden Riesen erreichen, erblicken war den Landungsplatz. Hunderte und aber Hunderte von Menschen drängen sich durcheinander. Ein buntes Gemisch; alle Nationen Europas haben sich gut vertreten lassen. Zwischen ihnen zeigen sich die Edirengäste, die rumänischen Damen in Cremekleidern, Seide und Spitzen, die Kinder in Nationaltracht, die 1 lerren im schwarzen Salonanzug, die Officiere Der Pontus Euxinus. 135 in (falaunitorm. Eine Militärbande spielt soeben die österreichische Volkshymne, leider entsetzlich schlecht. Entweder kommt es den Künstlern schwer an, dem Nachbarstaate zu huldigen, oder die Capelle macht eine Ausnahme von den sonst so lobenswerthen Militärbanden Rumäniens. Kleine Boote tummeln sich im Strome, sie geben dem •schaulustigen Publicum genügend Stoff zur Unterhaltung-. Wie man uns sagt, finden allerlei Belustigungen statt. Ein Schwein wird glatt rasirt, wer es auf dem Bande mit blossen Händen fängt, ohne Ohren und Schwanz zu berühren, erhält es als Eigenthum. Auf dem Wasser werden Beutel mit Geld auf schwimmenden Stangen befestigt, die darnach Greifenden Edlen natürlich eher in die Edut, als dass sie das Entschlüpfende erobern. Eine Stunde rastet unsere „Galatea", eine Stunde können wir das Gewühl und die beflaggten Gebäude Sünnas bewundern. Die Nacht bricht herein, eine Strecke des Ufe rs wird illuminirt. Endlich sticht unser Schiff in See. Grüsse werden gewechselt, Buntfeuer in rothen, grünen, weissen Farben erhellt unser Fahrzeug, und von der Commandobrücke lässt man ununterbrochen Raketen zUm dunkeln Firmament aufsteigen. Vor uns erhebt sich ein gigantischer, schlanker Bau aus den Fluten. Hoch °ben endet er, sein Haupt trägt ein mächtiges Feuer. Das ist der Beuchtthurm von Sulina, das Wahrzeichen an der Istermündung und an den (festaden des wilden Pontus Euxinus, ein ldoffnungs- und Warnungszeichen in einer Gestalt. Der mächtige Dampfer beginnt leicht zu schwanken, Wir haben die offene See erreicht. Das Schwarze Meer liegt vor uns, eine endlose, in seiner majestätischen Wildheit beklemmende Wüste. Vergebens sucht das Auge das vertraute Gestade, allzubald entschwinden die Lichter von Sulina, und in dem ewigen glatten Einerlei ruft nur der Mond eine angenehme Abwechslung hervor. Er präsentirt ruhig und heiter wie gewöhnlich seine runde Scheibe, eine Fläche des Meeres in unstät flimmerndes Silber kleidend. Scharf hebt sich der schwarze Rumpf unseres Dampfers ab, starr ragen Masten, Maschinentheile und Commando-brücke empor, und doch erscheint das Schiff nicht mehr mächtig genug, den Gefahren zu trotzen. Was ist es denn im Vergleich zu dieser Wasserwüste ohne Grenzen? Ein unscheinbarer Punkt, schwach wie ein Blatt, das der .Sturm davon trägt. Von den Passagieren ist einer nach dem anderen zur Ruhe gegangen, sedbst ein verliebtes Ehepaar hat sich zurückgezogen. Unsere Türken schlummern längst. In Sulina sassen sie in einer Gruppe beisammen und verzehrten Schafkäse, Weintrauben und Brod. Wir liessen uns ein Stück von ersterem reichen und drängten, um ihren Charakter zu erproben, den Beuten einige Münzen auf. Ein allgemeines „Nein" scholl uns entgegen, lebhafte Entrüstung verkündete den gastfreundlichen Sinn dieses Volkes, welches zu ehrlich, zu bieder, zu edel und zu rechtlich, um noch heutigentags eine Kode zu spielen, da es nun einmal nicht verstanden, die Ruhe und den Hang zum Träumen mit reger Beweglichkeit, künstlerischem, erfinderischem Sinn und Gleichberechtigung der Frauen zu vertauschen. Ein einziges Eicht noch leuchtet als letztes Wahrzeichen des Landes herüber, es gdeicht einem ins Meer sinkenden Brillanten, das ist der Leuchtthurm an der Mündung des St. Georgs-Canals, Am Himmel erscheint ein Stern nach dem anderen, bis sie alle versammelt sind. Ab und zu schwankend, strebt der Dampfer vorwärts, ein frischer Wind streicht kühlend über das Deck, unsere Träume davontragend. Wie viele Hundert Fahrzeuge, wie viele Hundert Tausend Menschen müssen auf dem Grunde dieses Meeres ruhen, welche Schätze müssten zutage treten, wenn die Wassermasse plötzlich eintrocknete! An den Gestaden des Westens erstand in längst vergangenen Zeiten eine Reihe glänzender Empörten. Das handeltreibende Volk der Griechen gewann hier die Schätze der Barbarenländer. Da wrar Tomi, wo Oxid in der Verbannung lebte, weiter südlich Callatis, Odessus, Mesembria und Apollonia. Alles das waren volkreiche Orte, in denen Constanta. I 3 7 sich herrliche Paläste aneinander reihten, wo die Kunst ein Heim fand und nur der Arme wie heutigentags trauernd durch das Leben schritt. Die blühenden Städte fielen, Barbarenhorden hausten zwischen ihren THitrimern. Doch Avas hier verwüstet wurde, erstand im Osten des Meeres in voller Pracht Auf der Halbinsel Krim, dem lieblichen Garten an der .Schwelle des Morgenlandes, waltete die Hand des Genuesers. Byzanz aber, das herrliche Eden, blieb immer dasselbe, gleichviel ob seine Herrscher der deutsche Ritter, der griechische Kaiser oder jene Heldengeschlechter von Sultanen waren, denen die AVeit für ihr .Schwert zu klein dünkte. Gegenwärtig trauert es an der Stute des sterbenden Gebieters. Das Schicksal wird ihm einem jugendlichen, neuen Herrn vermählen, unter dem es zu frischem Dasein erwacht; hoffen wir, dass dies nicht das rohe Moskowiterthum ist. Mitleidig lullt uns der Schlummergott in der bequemen Schiffscabine ein. Bange Träume belästigen uns, das Schwanken der ,,Galatea" unterbricht oft den Schlaf. Am Morgen turnen wir vom Lager herab, um in der Cajüte hin und her geschleudert zu werden. Wir taumeln aufs Deck und gewahren in weiter Ferne Lichter, das bedeutet Land, das rettende Constanta naht. Doch ist es noch zu fern, und die Katastrophe verschont uns nicht. Nach kurzer Zeit bringen wir dem Meere unseren Tribut dar, und eine Stunde lang würde uns selbst die Aussicht, dass es in Konstantinopel Ducaten regne, keineswegs zur Weit er reise verlocken können. .Sogar beim Einlaufen in den I [afen verunglücken wir. Und dies ist freilich kein Wunder, denn gerade da gehen die Wellen am höchsten. Acht kleine Barken nähern sich, behend wie Corsarenfahrzeuge, sie werden in Schwindel erregender Weise von den Wellen auf- und abgeschleudert, dies hält jedoch ihre Insassen nicht ab, mit den Bandungslustigen über den Preis der Ausschiffung zu verhandeln. Wir scheiden vom I Dampfer, die schwankende d>eppe geht es hinunter, hinein m die ebenso schwankenden Boote, und an den im 1 lafen liegenden Schiffen vorbei zum Lande. Hier offenbart sich die Tücke und Roheit der Kahnführer. Man fordert statt des festgesetzten Leustückes drei Lei und scheint nicht übel Lust zu haben, mit uns in thätliche Verbindung zu treten. Alle Drohungen mit Präfecten und Polizei werden verlacht, und wir müssen die privilegirten Räuber ihrem Wunsche gemäss bezahlen. Wie war später erfahren, sind diese rohen Blutsauger sämmtlich Griechen und erkennen keine andere Autorität an als die des Hafencapitäns, eines Landsmannes, der wiederum von höherer Seite Schutz geniesst. Es wäre wirklich angezeigt, wenn dem anders würde und man einen Tarif vorzeichnete, damit der erste Eindruck im rumänischen Seebade kein allzu ungünstiger ist. Kaum sind wir dem geldgierigen 1 Tellenenthum entronnen, tritt uns ein zweites Ffinderniss entgegen. Ein verschlafen dreinschauender Herr nimmt den Pass ab, und Emde gut, Alles gut — ein Zollbeamter durchsucht das Gepäck. Seine Herren Collegen waren bisher allzu che-valeresk, sie warfen einen einzigen Blick in den grössten Koffer und Hessen das Uebrig-e unerforscht. Unser heutiger Geschäftsfreund durchsucht Alles, nicht das kleinste Stück Papier bleibt ihm fremd. Nachdem er den Salonanzug tüchtig mit Insectenpulver, die Hemden mit Cacao angeschüttet, wird uns gestattet, mit den Trümmern unserer Efabe zu entfliehen. Zwei armenische Lastträger stehen uns bei, und nach kurzer Zeit befinden wir uns im Hotel Carolü, einem monumentalen Prachtbau ersten Ranges, errichtet auf einem in das Meer hinaus springenden Felsen. Es ist das einzige Hotel in Constanfa, welches europäischen Anforderungen entspricht. Die übrigen Gasthöfe sind echt orientalisch, allerlei Ungeziefer soll daselbst über den Reisenden herfallen. Elötel König Carolü I ist Eigenthum einer Aktiengesellschaft, als Leiter fungirt ein deutscher Landsmann, ein geborener Elildesheimer. Wir treten in unser Zimmer und eilen überrascht zum Fenster. Zur Rechten und zur Einken wälzt das Schwarze Meer seine blauen Fluten heran, in der Mitte breitet sich Cpnstar4a. 139 die Stadt aus. Das ist ein Ort, der am Tage wohl weniganheimelnde Freundlichkeit und nicht die geringste im-ponirende Schönheit besitzt, am Abend aber, wenn der silberne Mond die Landschaft mit seinem zauberischen Lichte übergiesst, glauben wir uns in die Geheimnisse des Orients versetzt, und uns dünkt, als ob ein leichtes Lüftchen holde Märchen aus 1001 Nacht herantrüge. Gotteshäuser steigen nur drei aus dem Gewirr empor: dicht am Meere ein monumentales Bauwerk, die neue griechische Kirche, welche fünfhunderttausend Bei kostete; weiterhin zeigen sich zwei Moscheen. Sie besitzen kleine, auffallend dünne Thürmchen, kaum dicker wie Mastbäume. Oben auf der Galerie erscheint bei Sonnenuntergang der Muzzetin, unten stehen die Gläubigen, um sich betend zu neigen. Wer bei Tage die Stadt durchwandert, wird freudig erregt ein echtes Stück Orient wahrnehmen. Der Westeuropäer und besonders der Ethnograph muss sich angenehm berührt fühlen ob der bunten Völkermischung und des vorzüglichen Studienfeldes, das sich ihm darbietet. Constanfa ist nach wie vor eine türkische Niederlassung. Die Besitznahme der Dobrogea durch Rumänien hat nichts herbeigeführt als ein Heer von rumänischen Beamten und rumänischen Soldaten, die Einwohner sind die alten geblieben. Turban und Kaftan herrschen vor, diese aber in allen Farben. Die Türken und Tartaren leben als bescheidene Verkäufer, Sagacii, Fischer, Bauern und Bast-träger, die Griechen beherrschen den Handel. Ausserdem findet man sie als Obsthändler, Barkenführer und Fischer. Die Armenier stellen einige Magazinsinhaber und Bast-träger, die Spaniolen gehören zu den reichsten Kaufherren, die Bulgaren zu den Gemüseproducenten, einzelne deutsche Familien zu den Landbebauern. Das Gemisch wirkt äusserst buntfarbig. Hier schreitet der ernste Türke davon, dort humpelt der hässliche Tartar einher. Seine Augen sind geschlitzt, seine Ohrmuscheln stehen weit ab, Hals und Gesicht sind äusserst starkknochig. Trotzdem gilt er als gutmüthig, selten wird er zum Verbrecher. Diebstähle kennt man in tartarischen Dörfern nicht, und nur die Eifersucht vermag diese Leute lebendig zu machen. Zum Bauern eignen sie sich keinesfalls, in der Früh arbeiten sie einige Stunden, kommt die Sonne herauf und wird es den Tartaren zu warm, so lassen sie am liebsten alles liegen, um zu Hause einen schwarzen Kaffee zu schlürfen. Auf einem kleinen Plateau, wo man dem Vater Ovid er soll einstens hier in der Verbannung geathmet haben — ein Denkmal errichten will, steht ein echt orientalisches Kaffeehaus. Vor demselben sitzen an wackeligen daschen Türken, (friechen und Fremde, Dulcetä, Scherbet oder Kaffee schlürfend, sowie die Wasserpfeife rauchend, deren Genuss bekanntlich schier betäubend wirkt. Fan zweiter, offener Raum dient als Marktplatz. Hier nehmen die Melonen den ersten Platz ein. Iis gibt Buden, in denen nichts anderes als Hunderte dieser köstlichen Fdaichte, das Stück zu fünf Bani, feilgeboten werden. Auch in den grösseren Magazinern der .Stadt sind Delicatessen, Con-serven, Putter, Käse, Obst und andere Lebensmittel elie gesuchtesten Artikel. Dort fallen besonders die türkischen Früchte auf, Feigen, Datteln, Oliven, Trauben, daneben Aepfel mit ungewöhnlich dickem Stiel, Nerazmi, halb Citrone, halb Apfel, nur zur 1 )ulceä;ä verwendbar, sowie türkische Haselnüsse, besser als die westeuropäischen und nicht wie diese von runder, sondern von ovaler (festalt. Die Verkaufsläden des Orients sind von den unseren sehr abweichend. Sie bestehen meist aus kleinen Holzbuden, deren ganze Frönt entweder gegen die .Strasse hin offen, oder deren Fenster die: sämmtlichen Herrlichkeiten ver-rathen. In den I löhlen der Bäcker liegen gdeich neben dem Backofen die Producte desselben zum Verkaufe bereit. Ausserhalb des ehemaligen türkischen Köstendsche stellen sich täglich die Landleute derDobrogea mit Ochsenwagen oder Pferdegespannen ein und veräussern die Erzeugnisse ihrer Felder an Händler, elie das Gewonnene weiter nach dem Morgenlande verschiffen. Tartaren, Türken, Rumänen und deutsche Colonisten bilden das bunte Gonstanta. 141 Gemisch der Getreidelieferanten, Griechen, Armenier und Juden sorgen für die Weiterbeförderung. Ein Spaziergang zum Hafen bietet wenig Merkwürdiges dar. Die Eisenbahn fährt längs der Meereseinbuchtung bis zum Zollamt hin, von hier beginnt ein Molo, der den eigentlichen Hafen abschliesst. Innerhalb desselben beobachten wir einen stattlichen Dreimaster, mehrere kleinere Schiffe, einige Dutzend winziger Barken und Kähne und ein englisches Kriegsschiff. Das ist ein stattlicher, vornehmer Bau. Zwei mit hellgelber Oelfarbe bestrichene Essen nehmen die Mitte ein, an sie reihen sich hochelegante Wohnräumlichkeiten. Oberhalb derselben läuft eine Art Verdeck hin, auf ihm machen sechs Mcitrosen Fechtübungen. Das Bugspriet führt zwei Kanonen, ausserdem enthält das Schiff noch vier Mitrailleusen und achtundfünfzig Mann Besatzung. Es ist ein Remorqueur, der im Pontus Euxinus Polizeidienst versieht. — Am Ufer fischen zwei Griechen. Einer von ihnen hütet einen Korb, zum Theil mit unzähligen, winzigen, silberglänzenden Fischchen gefüllt, die sich auf ihrem Todtenbette zappelnd herumwinden. Der andere wirft das Netz aus, um mit jedem Zuge zwanzig neue Schlachtopfer zu erwerben. Es sind Atherin, kleine Meeresbewohner, die man gerne gebacken geniesst. In der Nähe promenirt die Frau des türkischen Gesandten, tief verschleiert und in Gesellschaft eines Dieners. Ihr Mann weilt in Bucuresci, sie selbst darf sich dort indessen nicht aufhalten, da das türkische Gesetz einer Frau das Wohnen in einem Ort mit Moschee vorschreibt. Weit, weit an der Küste sieht man zwei kleine Häuschen herüberwinken. Erst dort unten konnte man die Badeanstalten errichten, in der Nähe des Ortes war der Meeresgrund zu steinig. Constanfa ist seit einigen Jahren als Seebad stark in Aufschwung gekommen, weilen doch jetzt jährlich gegen 2000 Gäste hier, um Luftkur und Bäder zu benutzen! Das Publicum setzt sich fast ausschliesslich aus Rumänen zusammen, von denen wiederum 6o°/0 auf Bucuresci, mehr als 2O°/0 auf (ialati und Bräila entfallen. Beider hat man bisher viel zu wenig- für Sportbelustigung-en gesorgt, Con-stanta hätte sich sonst schon längst zum Rendezvousplatz der gesammten feinen Welt Rumäniens und der angrenzenden Länder emporgearbeitet. Immerhin wächst die Zahl der Besucher beständig, obgleich auch Spaziergänge fehlen. Nicht wie an den Gestaden der Ost- und Nordsee bieten die Küsten des Schwarzen Meeres herrliche, meilenweite Buchenwaldungen, hier ist alles kahl, und wer Wald sehen will, der muss zwei Tage weit reisen. Wird doch sogar Holz aus Anatolien herübergebracht! Anders dürfte das freilich werden, wenn man erst die grosse Brücke bei Cernavoda über die Donau gebaut hat, bestimmt, das neuerworbene Gebiet mit dem rumänischen Hauptlande zu vereinigen. Für dieses Communicationsmittel bewilligte die Kammer zwanzig Millionen Lei, weitere zwanzig Millionen Lei setzte mim für den Umbau des geg-enwärtig sehr kleinen und ungenügenden Hafens aus, so dass alle Aussicht vorhanden, den rumänischen Hafen ort in 4—,5 Jahren zu vervollkommnen. Wie sich Constanta unter rumänischer Herrschaft entwickelt, ist wirklich bewunderungswerth, es stellt der rumänischen Regierung ein sehr günstiges Zeug-niss aus. Noch vor zwei Jahren war der Import eben so schwach wie der Export, heute wird um 100°/0 mehr ex-portirt, der Import ist um 300°/0 gestiegen. Unter türkischer Hoheit bildete die Ansiedelung nur ein elendes Dorf, gegenwärtig zählt sie 6000 Einwohner und besitzt eine Menge hübscher Häuser, in denen Beamte und Er-holungsbedürftig-e residiren. Beider steht es um die Unterhaltung der Gäste schlecht genug. Von ihnen ist wohl nicht einer, der auf den Gedttnken verfällt, das Band ethnographischer Studien halber zu durchstreifen. Aber an der Küste des fast immer bewegten Pontus Euxinus entlang zu wandeln, Seegras und Muscheln zu betrachten und die Edisse von den weissköpflgen Wellen benetzen zu lassen, ist nicht leicht durchführbar, da keine Wege am Gestade hinleiten. Eis bleibt nur der gut gepflegte Boulevard, der vom Hotel Carolü zum Hafen führt, er gewährt einen herr- liehen Ausblick auf das unbegrenzte Meer. Einige Pavillons, ins Meer hinausgebaut, laden zur Ruhe ein, und wenn der Mond sein Eicht auf dem alten Türkenort spielen lässt, versammelt sich das Publicum, um zu promeniren und zu kokettiren, alles bei den Klängen der schmucken Rosiorimusikanten. Zur Ruhe gehend kann es sich als Sehlusseffect ereignen, dass man Ohrenzeuge eines einstündigen entsetzlichen Wortwechsels wird, welchen im Nebenzimmer ein vornehmer' Rumäne mit seiner Gattin auskämpft. Die Güte vertheidigt sich mit 1 Ein den und Füssen gegen die Beschuldigamg der allgemeinen Menschenliebe, ihr Mundwerk lässt nichts zu wünschen übrig. Das Ende erinnert an die Meistersinger von Nürnberg', zu dem stimmungsvollen Eandschaftsbilde da draussen und dem Märchenduft von iooi Nacht passt es ganz und gar nicht. Wer eine Eahrt durch die Dobrogea unternommen, dem wird dieselbe Zeit seines Lebens in der Erinnerung haften. An ddirken und d'artaren vorbei verlassen wir Constanta. Die Casernen zeigen sich in freudeloser Gegend, einige unförmige Windmühlen sind in ddiätigkeit, die Zahl ihrer Flügel beträgt nicht wie anderswo vier, sondern zwölf, auch hat man sie nicht von Holz, sondern von Segeltuch verfertigt, was viel vortheilhafter sein soll. Sobald sie entschwunden, umgibt uns die Steppe. Ein hässliches Land. .Auf beiden Seiten Disteln, verkommenes Gras, werthlo^e Blumen, alles grau und gelb. Auf der Strasse liegt zollhoher Staub, in dichten Wolken wirbelt er auf, sobald ihn die Räder des Wagens berühren. Rechts herrscht das Meer, man sieht, wie sich seine Wellen am Ufer brechen, es schickt einen starken Wind ins band herein. Die .Strasse ist anfangs sehr belebt. Unförmige Wagen mit munteren Kleppern rasseln vorüber; in diesem sitzt mit untergeschlagenen Beinen, bunt gekleidet wie ein Stieglitz, ein stumpfnasiger Tartar, seine hässlichen Kinder hinter sich, im nächsten kommt ein Rumäne mit weisser Lammfellmütze daher, der dritte birgt ein halbes Dutzend deutscher Colonisten, hierauf folgen wieder Wagen mit Tartaren. Nach einer Viertelstunde erreichen wir Anatolkiöj, eine elende Ansiedlung, mitten in der Steppe gelegen und aus wenigen Häusern bestehend. Hier wohnen deutsche Colonisten. Ihrer sind wenige, höchstens fünfzehn kleine Lehmhäuser stehen dicht bei einander, je zwei Fenster der Strasse zugekehrt. 1 unter den Wohnräumen gruppiren sich die Ställe, hinter diesen mächtige Berge von .Stroh und Heu. Das Innere der Häuser entspricht den Begriffen, die man sich in der Regel von deutscher Reinlichkeit macht, ganz und gar nicht, Einzäunung, Gemüseanlage oder Busch und Baum sucht man vergebens. Da über die deutschen Colonisten der Dobrogea im Mutterlande viele und zwar sehr abenteuerliche Gerüchte verbreitet worden, dürfte es angezeigt sein, in vorliegender Schrift die Verhältnisse der Wahrheit und Gerechtigkeit gemäss zu schildern. Nachdem die Gewaltherrschaft des ersten Napoleon niedergeworfen und Russland mehr wie zuvor in Verbindung mit dem westlichen Europa getreten, zogen Tausende von Deutschen, denen ihre Heimat zu eng und zu dicht bevölkert erschien, nach dem Osten, wo schon unter Katharina IL deutsche Dörfer entstanden, Bayern, Württemberger, Oesterreicher, Preussen, Elsässer und Holländer Hessen sich in Bessarabien nieder, weite Strecken Landes erfüllend und cultivirend. Ihre Thätigkeit war eine segensreiche, ihre Enkel findet man noch, heute in gut gebauten Dörfern. Von Odessa bis Kischineff trifft man links vom Dnjester drei deutsche Sprachinseln mit Petersthal, Freudenthal, Mannheim, Strassburg, Glücksthal, Bergdorf, weiter hinaus liegt Hoffnungsthal, München, Worms, Landau. Die grösste Insel erstreckt sich zwischen Odessa und dem Pruth. Da wuchs Leipzig, Kulm, Borodino, Kraszna, d^eplitz, Arcis und manch' anderer blühender Ort empor. Die Aussicht, unter türkischer Herrschaft vom Militärdienst frei zu bleiben und auch sonst ausser der Abgabe des Zehnten in jeder Hinsicht unbelästigt zu leben, bewog viele dieser weggesetzten Deutschen, nach der Dobrogea zu ziehen. liier gründeten sie sich ein neues Heim und bebauten so viel Land, als sie wollten und konnten, denn die ganze Provinz war Eigenthum des Sultans, Die Abgabe des zehnten Theiles aller Feldfrüchte sagte ihnen sehr wohl zu. Gerieth in einem Jahre das Getreide gut, so kam es ihnen leicht an, den zehnten Theil zu entbehren, gerieth es schlecht, nun so bekam der Sultan gleichfalls wenig. Die Rechnung war freilich ohne den Wirth gemacht, das Schicksal wünschte, dass der Muselmann das Steppenland an die Giaurs verlieren sollte. Eines schönen Tages sahen sich die guten Deutschen unter rumänischer Herrschaft, und der türkische Schlendrian hatte ein Ende. Da kamen Beamte, die das Fand vermassen, es kamen Steuerzettel, und es kam die Nachricht, die deutschen Bauernsöhne müssten Soldatendienste leisten. Alles das war wenig nach dem Geschmacke der Germanen. Immer lauter wurden ihre Klagen, immer verbreiteter das Urtheil, es sei unter den Türken viel besser gäwesen als unter den Rumänen. Die letzten Windeswehen solcher Jeremiaden drangen nach Deutschland, und dort säumte man nicht, die rumänische Regierung schlechtweg zu ver-urtheilen und zu verkünden, die Deutschen der Dobrogea würden gleich denen Ungarns und Siebenbürgens unterdrückt und misshandelt. Unserer Meinung nach beruhen derartige Urtheile entweder auf völliger Unkenntniss der Verhältnisse oder auf absichtlicher Entstellung. Beweis dafür ward die Fortsetzung unserer Reise bieten. - Wenige hundert Schritte hinter Anatolkiöj steht an der Strasse ein einsames Haus. Vor demselben sieht man einige primitive Bänke und Tische, ja, es ist sogar der Versuch gemacht worden, etwas Grünes zu pflanzen. Infolge des unglaublichen Staubes musste es natürlich beim Versuch bleiben. Das Gebäude ist vielleicht das merkwürdigste in der ganzen Dobrogea, es ist eine deutsche Bierbrauerei! Der Besitzer stammt aus dem Banat; er theilt uns mit, er verkaufe jährlich 5o 000 Biter Bier, leider zahle er für jeden Liter 28 Rani Verzehrung-ssteuer, für jedes Kilo 1 lolz .5 Bani. Seine besten Abnehmer sind die Tartaren; die Deutschen sollen zu sparsam sein, als dass sie ihr Nationalgetränk genössen. Dem 1 lause gerade gegenüber liegt das Eldorado des Sacagiü. Eine Quelle entspringt dem Boden, sie wird beständig von den Eohn-fuhrwerken und von den Sacagil umlagert. Das Wasser von Constanta gilt übrigens als nicht besonders gut. Es erzeugt Diarrhöe und fieberhafte Erscheinungen; Fremde können nicht genug vor seinem Genuss gewarnt werden. Das Klima von Constanta ist gleich dem der ganzen südlichen Dobrogea sehr gesund. Unmittelbar hinter der Brauerei erscheint alle Cultur versunken. So weit das Auge reicht, nichts als unbebaute Flächen. Stellenweise wird diese entsetzliche Einförmigkeit von völlig abgerundeten Hügeln unterbrochen. Sie rufen den Eindruck wach, als ob sie nicht von der Natur, sondern von Menschenhand geschaffen seien. Das sindlumuli, Grabhügel, die Ruhestätten alter Helden, die I leiligahümer von Völkern, die seit Jahrtausenden verweht und vergessen. Ihre Zahl ist eine ungeheure, wie denn überhaupt die ganze Dobrogea eine Eämdgrube interessanter Älterthümer bildet. Auf dem Boulevard von Constanta können wir zwanzig eingemauerte Römersteine bewundern und im türkischen Kaffeehaus römische Münzen und Statuetten erstehen. Die Bodenbeschaffenheit scheint sich verändern zu wollen: plötzlich gewahren wir, wie sich aus dem felslosen Steppenlande ein ganzes Chaos von .Steinen loslöst. Es sind meist unbedeutende, in die Erde versunkene Stücke, neben ihnen ragen jedoch einige grössere säulenartig empor. .Sollte hier wieder die Menschenhand im Spiele sein? Es ist so. Dieses melancholische Steinmeer stellt das türkische Todtenfeld von Constanta dar. In seiner fürchterlichen Realistik übertrifft es alle jene christlichen Friedhöfe Osteuropas, deren Gras von weidenden Pferden oder .Schafen verzehrt wird. Da ist nichts als Himmel, Steppe, ein erbärmlicher, winziger, grauer Vogel, die verwahrlosten .Steine und das ewig schweigende Meer. Doch nein, nicht immer verhält sich dieses stumm, oft wälzen sich die Wellen wie Berge heran, und die Blut drängt ans Ufer, als wollte sie die Schatten der ernsten Muselmänner aus dem Grabe heraufbeschwören. Vorüber, vorüber, das Bild war gar zu düster. Weiter rollen wir, die Strasse entlang. Eigentlich ist das ein ganzer Landstrich, auf dem wir vorwärts streben. Achtzig bis hundert Schritt breit gehen die Wagenspuren, die eine hier, die andere dort, man reist, wie es gerade einem Jeden beliebt. Nach einiger Zeit steigen grosse, graue (fegenstände aus der Steppe empor. Sind das Häuser, ist das ein Dorf? Wir halten erstaunt inne, uns an den Anblick zu gewöhnen. Kein Zweifel, hier vegetiren menschenähnliche Geschöpfe. Eine Pflanze ist nicht zu entdecken, nicht einmal Flecht-vverk grenzt die einzelnen Gebäude ein. Diese erscheinen mit der Erde wie verwachsen. Viele von ihnen stecken bis zum Dach unter dem Boden, nur die Strohbedeckung schaut empor. Beim 1 linunterklettern Endet man einen einzigen Raum, in dem Schmutz, Unrath und die gräss-lichste Armuth hausen. Das sind sogenannte Bordehs, halbunterirdische Wohnungen, wie sie früher in ganz Rumänien im Gebrauche waren und noch heute in vielen Gegenden, namentlich in den ]Landstrichen längs der Donau, wahrgenommen werden. Der Umstand, dass Gewalt im Eande regierte und blutige Kriege das Errichten kostbarer Wohnobjecte untersagten, bedingte ihre Bebensfähigkeit. Heute verringert sich allerorts ihre Zahl, und in Dörfern, wo noch vor zehn Jahren nur sechs oder acht wirkliche Häuser zu finden waren, sind jetzt deren fünfzig oder sechzig vorhanden, während sich die Menge der Bordehs um die Hälfte verringerte. Der Besitzer" unseres Bordehs hat sich in Fetzen gekleidet, stoisch raucht er seine Ci-garette, das Weib wiegt den Säugling und kocht dabei eine Mämäligä. Melonen, Ackergeräthschaften, einige Kleider, die eingeheimste Feldfrucht und gepresster Kuhdünger als Feuerungsmaterial füllen den Raum. Wollen wir die ddirtaren kennen lernen, so müssen wir uns abseits wenden. Dort an einer durch einen Damm vom Meere abgeschlossenen Wasserfläche liegen wohl fünfzig tartarische Häuser. Sie sind nicht wie die rumänischen und deutschen aus Lehm, sondern aus Stein erbaut, ebenso wird die im Innern herrschende Reinlichkeit überraschen. Der Erdboden ist sauber und weiss wie Mehl, auf ihm liegen Kohrmatten, sie dienen den Frauen und Kindern zum Lager; Die Weiber zeigen weit weniger asiatischen Typus als die Männer, ihre Nasen sind nicht so stumpf, ihre Augen heller. Mit untergeschlagenen Beinen hocken sie da, in demselben Grade erstaunt über die ungewöhnlichen (raste wie die beturbanten herbeieilenden Gatten. Diese waren gerade damit beschäftigt, im freien ihre Feldfrücht durch die Pferde austreten zu lassen. In der Ecke liegen Ruhekissen; in einem zweiten Räume hängen an Stangen hübsch gewebte Tücher, der kleine Webstuhl steht daneben. Ein wenig Kochgeschirr, und die Habseligkeiten wurden alle genannt. Beider erträgt man das Ath-men im Häuschen nicht lange. Der Rauch des gepressten Kuhdüngers schlängelt sich allzu träge zu der Oeffnung im Dache empor, er würde einen Europäer in wenigen Stunden dem d'ode nahe bringen. Verfallene Steinmauern umgeben die Gebäude, hinter ihnen liegen ganze Haufen des edlen Brennmaterials. Geflügelzucht muss eine Lieblings-beschäftig-ung der Asiaten sein, prachtvolle Indians, schöne flühner und zahlreiche Ganse stolziren herum. Im nächsten Decennium wird man vielleicht in Kana-rakiöj vergebens nach einem d^artaren suchen. Obgleich die rumänische Regierung ihnen in jeder Hinsicht tolerant entgegentritt, — nur eigene Schulen besitzen die Tartaren nicht, — ziehen die Leute dennoch weg, ihr Glaube verbietet ihnen, unter der Elerrschaft der Giaurs zu leben. In unergiebigen Jahren pilgern sie mithin davon, weil sie sich unglücklich fühlen, in ergiebigen, weil sie Reisegeld besitzen. Geflügel, Webstuhl und Kochgeschirr wird verkauft, das Bettzeug mitgenommen, und mehr besassen sie niemals. .Sie folgen dem untergehenden Sterne des Padi-schahs, selbst dem Untergange geweiht. Ihre Auswanderung erklärt die erschreckende Bevölkerungsabnahme der Dobrogea. Von 2 5oooo Seelen ist die Einwohnerschaft auf i 70 000 gesunken. Das beständige Herüberkommen rumänischer Bauernfamilien der (fegenden von Bräila und Cä-lärast, verursacht durch die Bedrückungen einzelner Pächter und den finanziellen Nothstand, vermag die Bücken umso weniger zu füllen, aEs die Präfecten solche Umzüge gegenwärtig verhindern. Unweit des Dorfes wird uns noch auf andere Art der Beweis geliefert, dass wir im Orient sind: neben einigen plumpen Büffeln weidet ein hässliches Kameel. Beide Thiergattungen sind in der Dobrogea heimisch. Doch weiter geht die E'ahrt durch die Steppe, Kukuruzfelder und abgemähte Edächen werden sichtbar, bald darauf erscheint ein drittes Dorf. Das ist Karamurat, ein lläuser-haufen, der siebenbürgischen Rumänen und deutschen Colonisten dient. Hier haben wir (felegenheit, die Eandsleute zu beobachten und ihr Treiben mit dem ihrer Nachbarn zu vergleichen. Wohl sind ihre meist weissgetünchten 1 ,ehmhütten von denen der Rumänen zu unterscheiden, allein man erwarte in ihnen nicht Ebenbilder der schwäbischen, sieben bürgiseh-sächsischen oder zipserischen deutschen Wohnhäuser. Man trifft einfache, nur das Nöthigste enthaltende Baulichkeiten. Das Innere ist erbärmlich ausgestattet, Truhen, Bettstellen und Kochgeräth bilden das Mobiliar, der sprichwörtlich gewordene Bettenreichthum der deutschen Bäuerin fehlt so ziemlich. Keinlich kann man die Stammesverwandten auch hier nicht nennen. Eh dieser Hinsicht sollten sie sich an den culturell viel tiefer stehenden Tartaren ein Beispiel nehmen. Besonders die Frauen verdienen getadelt zu werden; sie leiden ausserdem an 1 lässlichkeit und machen oft einen widerlichen Eindruck. Anders die Männer. Unter ihnen Stessen wir auf stramme, kernige (festalten mit intelligenten Gesichtszügen und lebhaften, klugen Reden. Man freut sich ihrer und wünscht, dass das Land einige Tausende mehr besitze. Der Ausspruch, die Leute seien der Ausschuss des deutschen Volkes und bereiteten dem Mutterlande Schimpf, wird vielfach von Deutschen und Anderssprachigen verbreitet. Er verdient ganz entschieden zurückgewiesen zu werden. Wohl ist die Richtigkeit des Sprichwortes: ,,Böses Beispiel verdirbt gute Sitten" wahrzunehmen, indem von den umwohnenden Völkern manches LJeble angenommen wurde, allein die Schwaben sind noch immer ffeissiger, sparsamer, nüchterner und moralischer als ihre Nachbarn. Während jene des Sonntags in der Schenke zechen und raufen, sitzen die Deutschen zu Hause oder besuchen sich gegenseitig. Dass sie starke Trinker seien, widerlegt der Ausspruch unseres Freundes, des Bierbrauers von Constanta, dessen Urtheil uns jedenfalls massgebend dünkt. Sparsamkeit ist eine ddugend, welche bei allen anderen umwohnenden Völkern nicht gefunden wird. Das Bestreben vorwärts zu kommen, kann als weitere gute Eigenschaft gelten. Dagegen muss man die vielen Klagen der lieben Eandsleute über die rumänische Regierung- zum grössten Theil als grundlos zurückweisen. Es ist ihnen nicht angenehm, ihre Söhne für den Militärdienst abzuliefern und Viehsteuer, Kopfsteuer und Eeldabgaben zu entrichten. Allein fast in ganz Europa besteht nun einmal die unschöne Einrichtung des allgemeinen Wehrgesetzes. Der Sohn des rumänischen Ministers wird ebensogut Soldat wie der des Tartaren von Kanarakiöj; warum sollte gerade der Einwanderer aus Bessarabien eine Ausnahme machen? Ferner fühlt sich der Deutsche behaglieh, wenn er jetzt auf guter Strasse und ohne überfallen zu werden, dahinfahren kann; eine Kopfsteuer von q Lei jährlich ist mithin nicht unbillig. Mit den Eeldabgaben hat es folgende Bewandtniss. Die rumänische Regierung nahm als Nachfolgerin des Sultans die Dobrogea in Besitz. Bei der Vertheilung des Bodens ging- sie von dem vollständig- zutreffenden Grundsatz aus, den Bauern nicht allzu viel Feld zu überlassen, damit dasselbe umso sorgfältig-er gepflegt werde. Ein jeder Colonist erhielt also nur zehn Hektar für immer zugewiesen. Für jeden dieser zehn Hektar zahlt er jährlich 41/,, Lei Leihgebühr, nach zwei Decennien wird das Land sein Eigenthum. Wünscht ein Bauer mehr (frund zu cultiviren, so empfängt er weitere Hektar in unbestimmter Zahl - das Maximum ist 60 -....... und entrichtet für einen jeden derselben 6 Lei per Jahr. Leider vermag bei der zweiten Kategorie von Feldern der Inhaber zu wechseln. Beispielsweise ereignet es sich, dass ein Bauer im Sommer auf dem elften Hektar Kukuruz gezogen, der sehr gut gerathen. Der Nachbar, ein Schlaukopf, beobachtet das, er geht bei Beginn des Frühlings zum Dorfprimar, verspricht demselben eine Eiihre Heu, gibt eine Declaration für das laufende Jahr ab, und der erste Besitzer hat das Nachsehen. Es wäre wünschenswerth, wenn die Regierung Mittel fände, einen derartigen Zustand zu beheben, besonders da die rumänischen Dorfprimare wirklich oft Leute von zweifelhaftem Werthe sein sollen. Auf Bestechlichkeit aber versteht sich der deutsche Colonist nicht, seine Hände sind dazu von der Arbeit zu hart geworden. Auch in anderer Hinsicht acclimatisirt er sich wenig. Seine Hautfarbe verräth ihn in ihrer Blässe unbedingt als Mitteleuropäer, sie liefert den besten Beweis für die Unbrauch-barkeit der Deutschen zum Cultiviren des afrikanischen Bodens. Besonders hinfällig erscheinen uns die endlosen Jeremiaden der deutschen Colonisten in Bezug auf den Militärdienst. Dieser wird nämlich in der ganzen Dobrogea nur im Verbände der Territorialarmee geleistet. Der Bursche hat also nicht nöthig, die Dobrogea zu verlassen, sein Dienst ist kein langwieriger, und ausserhalb der Dobrogea kann er dem Gesetz nach nicht verwendet werden. Ferner ist eine gerechtfertigte Klage der deutschen Colonisten jetzt beseitigt Bisher lagen die Eelder der Germanen mit denen der Rumänen vermischt um das Dorf herum. Infolge dessen trieben die Rumänen sehr häufig ihre Heerden auf die Aecker der Deutschen und weideten sie daselbst. Neuerdings luvt man den Wunsch der Schwaben erfüllt, indem man alle ihre Felder auf eine Seite des Dorfes verlegte. Mit ihrer Kirche ist man etwas unglimpflich vorgegangen. Eigentlich sollte ein jedes Gotteshaus in der Dobrogea, gleichviel ob tartarische Moschee oder rumänische Kirche, zehn Hektar Eand erhalten. In Kara-murat sprach man nur dem rumänischen Gotteshaus jenes Gebiet zu, die tartarische und die römisch-katholische Con-fession gingen leer aus. Die Colonisten klagen deshalb im Interesse ihres Glaubens: Sie zahlen ihrem Pfarrer, einem Polen, jährlich iooo Lei, führen ihm das Holz kostenfrei zu und entrichten ihm Gebühren für Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse. Er benöthigt obig-en Grund und Boden infolge dessen nicht, wohl aber möchten die Leute aus jenem E'ond eine Kirche errichten. Bis heute dient ihnen ein Saal, anstossend an die Wohnung des Seelsorgers, zur Zusammenkunft. Ebenso fehlt eine deutsche Unterrichts-anstalt. Es missfällt den Germanen, ihre Kinder in die rumänische Dorfschule zu schicken, wo sie kein Wörtchen verstehen und nutzlos die Zeit verbringen. Wie anderen deutschen Colonisten sollte die rumänische Regierung auch denen von Karamurat die Errichtung eines eigenen Schulhauses gestatten. Da die Rumänen mit vollem Recht die Unterdrückung ihrer Stammverwandten in Siebenbürgen durch den magyarischen Chauvinismus verurtheilen, sollten sie Alles vermeiden, was der Freiheit und Gleichberechtigung zuwider läuft und der Belmuptung des Fremdenhasses den Schein der Wahrheit aufdrückt. .Ausser dem katholischen Pfarrherrn von Karamurat wohnt ein zweiter derselben Confession angehöriger in Tulcea, ein dritter in Constanta. Die Aemter von dmlcea und von Constanta wurden bis vor Kurzem durch italienische Franziskaner verwaltet, neuerdings sind deutschsprechende Geistliche aus Bucuresci gekommen. Lehrer findet man in den meisten germanischen Ortschaften, doch geht ihr Wirkungskreis nicht viel über den Schreibunterricht hinaus; Sonntags lesen sie eine Predigt vor. An dieser mangelhaften geistigen Führung haben jedoch die Leute selbst die grösste .Schuld. Die Wenigsten von ihnen bezeugen dafür ein so reges Interesse wie die Karamurater, den Meisten fehlt es gänzlich an religiösem Bedürfniss. Unleugbar hängt ein solches Sichgehenlassen mit der Einführung der Civilehe zusammen, welche den Colonisten das religiöse Gefühl nimmt. In Angelegenheiten der protestantischen Gemeinden erscheint jährlich zweimal der evangelische Pastor von Galaff Er ertheilt die Bestätigung' von häufe, Efeirat und Confirmation, stellt die darauf bezüglichen Urkunden aus und hält wohl auch Gottesdienst. Alles nur ein Tropfen Wasser auf einen heissen Stein. Der Boden der Dobrogea kann als mittelmässig gut bezeichnet werden; würde der Regen im Lande häufiger und regelmässiger fallen, so wäre eine befriedigende Ernte fast immer gewiss. Leider bleiben häufig die Niederschläge zwei Monate lang aus, Erklärung genug für die seit vier Jahren erzielte Missernte. Gegenwärtig ist das Ergebniss ein befriedigendes, Gerste und besonders Beinsamen finden wir in jedem Hause aufgestapelt. Eetztere Educht liefert ein gutes Erträgniss, das Kilogramm verkauft der Eand-mann für 12—15 Bei. Von Erdäpfeln gedeihen vorzügliche, tadellose Gattungen, auch ihre Eeider vertragen jedoch das Düngen nicht; der trockene Boden reisst nach dem Düngen auf. Holz vermisst man weit und breit; will der Colonist solches erstehen, so muss er weit nach Norden fahren. Dort in der Gegend von* dmlcea zahlt er 3 bei für eine lumre; nach drei d'agen kehrt er wieder zu den Seinen zurück. Es ist vielleicht nicht uninteressant, die Namen der deutschen Brüder zu erfahren, die als weggesetzte, verlorene Aeste der Muttereiche im ehemaligen dmrkenlande ein monotones Steppenleben führen. Die Eamilien in Karamurat heissen: Arnold, Fähnrich, Bolitschky, Bunogovsky, Götz, Greiss, Getak, Heitrig, Kuhn, Mass, Mengs, Miller, Ruschainsky, Schäfer, Speicher, Söhn, Thernes, Weber, Schröder, Erker, Blotzky, Furch, Moser, Eloffart, Nitsche, Wolf. Mit energischem Händedruck und den besten Wünschen scheiden wir von unseren Landsleuten in dem Bewusstsein, dass sie allerdings nicht auf Rosen gebettet, dass es ihnen aber befriedigend ergeht. Für das grosse Mutterland müssen sie freilich schon seit Decennien als verloren gelten, ihrer politischen Ansicht nach sind sie Zigeuner. - Auf unserer Rückreise machen wir noch eine interessante Bekanntschaft. Abseits vom Wege bemerken wir /ahlreiche Hausthiere, hier eine Kuhheerde von mehreren Hundert Stück, dort endlose Mengen grosser, g-robwolliger, brauner und weisser Schafe. Die mürrisch dreinblickenden Bluter sind keine Söhne dieses freudelosen Landes, es sind Siebenbürger Mokanen (Mocanü, Mocanl), Männer, die Weib und Kind verlassen haben, um im fremden Lande, auf den menschenleeren Flächen der unteren Donauländer ihre ddiiere zu weiden. Früher wurde ihnen dies leichter möglich als heute, damals achtete die türkische Regierung wenig auf ihr Thun und Treiben Gegenwärtig haben sie sich fast alle nach Bulgarien und nach der Dobrogea zurückgezogen, aber auch in letzterer Provinz müssen sie Steuer zahlen. Für jedes Pferd oder jeden Ochsen verlangt die Obrigkeit 2 Bei, für jedes Schaf 5o Bani per Jahr; Schnittlinge, Kälber und junge I Jimmer gehen frei aus. LIat der Mo-kane diesen geringen Betrag entrichtet, so darf er seine Heerden wo immer, natürlich nur auf dem Boden der Regierung, herumtreiben. Ein einfaches, langes Gebäude dient dem Manne zur Behausung, dort schläft er mit seinen Knechten, dort bewahrt er den gewonnenen Käse auf. Das Vieh frisst bis zum Winter das Gras der Steppe, im Winter scharrt es den Schnee weg, um zur Nahrung zu gelangen; und wenn endlich das nicht mehr genügt, lässt man es zu den grossen 1km- und Strohhaufen heran, die man während der Ernte um ein geringes Entgelt von den Bauern gekauft. Käse und Wolle sind die Handelsartikel des Mokanen. Er verkauft das Kilogramm Käse für i Leu, das Kilogramm Wolle für i—i]/r> Leu. Die Betztere geht selbst bis England und Frankreich. Das Vieh setzt der Die siebcnbürschieden, und doch sagt man uns, im vorigen Jahre sei die Quantität noch viel grösser, die Qualität freilich schlechter gewesen. Wir meinen, eine grössere Anzahl Früchte wie gegenwärtig, könnten die kräftigen mannshohen Stöcke Wohl schwerlich tragen. Mehl- als ein Dutzend hängt oft an einem Stock, von einem zum andern aber ist vielfach eine Rebe gezogen, an der sich die Trauben scheinbar des Raumes halber bekämpfen. Und wie köstlich däucht ihre Farbe, ihre Gestalt, ihr Geschmack! Da sucht man vergeblich nach jenen hässlichen, harten, ovalen türkischen Beeren, die im Munde nicht zerfiiessen wollen, man findet ebenso wenig die halbsauere Waare des Bucurescler Fruchthändlers. Nicht eine Traube ist wahrzunehmen, die nicht gelblichweiss dreinblickte, und der man nicht anmerkte, dass ihr die Sonnenstrahlen liebliche Süsse verliehen. Die rothen allerdings schauen kläglicher drein, doch sind ihrer weitaus weniger. Dragasani ist hauptsächlich die Geburtsstätte eines schweren, weissen Weines. Jetzt stossen wir auf Leute, das Schreien eines Kindes erzählt davon. Ein kleines Häuschen taucht auf, neben ihm liegt ein bedachter Raum. Unter dem letzteren steht ein riesiger Ständer, in ihm birgt man die gepflückten Beeren. Tausende und Abertausende stürzen übereinander, rothe und weisse, ihre Schwere bewirkt das Flinaussickern des Saftes am vorderen Ende. Nach einiger Zeit steigt ein Mann hinauf, um seine Füsse in Bewegung zu setzen: das Schauspiel von Rustschuk wiederholt sich. Wer aber darin einen Grund erblickt, gering von den Dragäsaniern zu denken und den Genuss ihres Weines verschwört, dem sei bedeutet, dass der weltberühmte Rothwein von Bordeaux fast nur auf die nämliche Art gewonnen wird. Man müsste also auch diesem die Feindschaft erklären, und man erkennt deutlich, wie unrathsam es oft ist, die Geheimnisse des menschlichen Bebens zu ergründen. Glaubt man, die Thätig-keit des Mannes könne kein Ergebniss mehr erzielen, so kommt die zerstampfte Masse in eine nebenstehende Presse, und eine zweite Gattung Most, heller als die erste, wird gewonnen. Quetschmaschinen und Kellerwirthschaft werden als überflüssig erachtet. Wenn der Saft von den Schalen geschieden worden, gibt der Weinbauer das Getränk aus den Blanden, das heisst, die Meute der Weinhändler ent-reisst es ihm förmlich. Und sie zahlt dabei noch immer Die Weinlese von Dragäsani. I9I schlecht genug. Wohl erhält in anderen (-regenden der Bauer für eine Vadra Most nur 80 Bani, hier in Dragäsani dagegen 2 Bei. In einem leidlich guten Jahre ist dabei auch etwas zu verdienen, bei schlechter Ernte aber werden kaum die Auslagen gedeckt. Das Bearbeiten eines Hektars kostet 100 Bei, das Beschaffen der nöthigen Fässer 5o Lei. Etil Hektar gibt im günstigsten Falle i5o Vadra oder 20 f lektoliter und wirft 300 Lei ab. Wegen des Absatzes brauchen die Dragäsanier niemals verlegen zu sein, die Weinhändler zahlen vielfach Angabe und führen fast immer den Most weg. Bleibt Jemandem der Wein übrig, dann bringt er ihn selbst nach Bucuresci, wo er in der Regel einen bessern Preis erzielt und nur mit dem Uebelstand einer mehrwöchentlichen Besichtigung von Bucuresci zu rechnen hat. Interessiren dürfte vielleicht das Factum, dass unlängst ein Weinhändler aus Hamburg in Dragäsani aufgetaucht, der Mann erstand 2000 Vadra alten Weines. Eine Kellerwirthschaft existirt in Dragäsani eigentlich nicht, höchstens fünf oder sechs Herren verfügen über einen entsprechenden unterirdischen Raum, in dem sie mehrjährigen Wein aufstapeln und abziehen können. Einer von ihnen beherrscht nicht weniger als 100 Pogon Rebenland, andere 5o. Das Revier des gewöhnlichen Bauern belauft sich auf 10—30 Pogon, das des armen auf 2—10 Pogon. I )abei ist der äusserst sonderbaren besitzrechtlichen Verhältnisse von Dragäsani zu gedenken. Das ganze Paradies, i5 Kilometer lang und 5 Kilometer tief, bildet ein Staatsgut. Weil nun aber die Regierung die Weingärten nicht selbst ausnutzen will und kann, so hat sie das Gebiet an etwa 4000 Weinbauer vergeben. Jeder derselben wird gehalten, den zwanzigsten Theil seines Gewinnes der Regierung abzuliefern; falls er dies vermeiden will, steht es ihm frei, durch Zahlung einer grösseren Summe — 200 Bei per Pogon — sich ein für allemal von der jährlichen Abgabe zu befreien. Einige haben sich auf diese Weise losgekauft und ihre Weingärten eigenthümlich erworben, die übrig-en müssen dem Pächter des Staates, der jährlich 30000 Lei entrichtet, den oben angedeuteten Theil ihres Mostes ins Haus führen. Gearbeitet wird auf den Hügeln von Dragäsani sehr sorgfältig, obgleich die d^aglöhner noch viel schlechter bezahlt werden als beispielsweise in Rust und anderen ungarischen und österreichischen Weingegenden. Der Hauer erhält nicht mehr als 1 Leu täglich; während der Weinlese, wo die Arbeit eine mühelosere, zahlt man 40 Laui und gibt ihm die Erlaubniss, sich an den Weintrauben satt zu essen. Trotzdem kommen die Leute aus der ganzen Umgegend nach den Weinbergen, die Arbeit ist ihnen vertraut und darum sympathischer als das ungewohnte; Schaffen beim Bau einer Eisenbahnlinies obgleich sie sich daselbst täglich 2 Bei verdienen könnten. Man wird nicht müde, stundenlang durch dies Paradies zu wandeln, stets auf die kleinen Häuschen treffend, in denen ausserhalb der Weinlesezeit die Geräthschaften aufbewahrt werden. Ueberau stampfende Männer, pflückende Weiber und wespenumsehwärmte Kinder. Wohin man aber kommt, immer grüssen die Leute in der freundlichsten Weise und fordern zum Genüsse der Trauben und zum Kosten des Mostes auf. Ihr herzliches Benehmen wirtl eine angenehme Erinnerung an Dragäsani bilden. - Unsere Rückkehr von Dragäsani gestaltet sich ziemlich romantisch. Man beredet uns, die neue Bisenbahnlinie zu benützen. Lüne Eocomotive führt sechs Wagen davon, um Schwellen und Schienen abzuholen. Auf einem der Wäglein neben einigen Dutzenden zwiebelverschlingenden, übelduftenden Bauern nehmen wir Platz, und hinaus geht es die schnurgerade Linie mit den provisorischen Brücken entlang. Die wirklichen Brücken werden aus Belgien bezogen, sie kommen vollendet hier an und brauchen nur zusammengesetzt zu werden. Beider bringt uns das Dampfross blos bis zur nächsten Station und packt uns daselbst aus. Zwei Stunden lang ladet man Schwellen ein, dann geht der Zug zurück. Inzwischen hat man freilich eine Draisine nach Dragäsani entsendet, sie soll einen Ingenieur herbeiholen und uns mit nach Piatra nehmen. Nach vier Stunden kommt sie zurück, wir werden aufgenommen und fortgerädert. Der Unternehmer treibt wie ein Sclavenvogt die vier Arbeiter an, allein es nützt Alles nichts, die Draisine will sich durchaus nicht in einen Vogel verwandeln, und da der Führer zweifelt, den schvvarzbärtigen Ingenieur rechtzeitig nach Piatra transportiren zu können, setzt er uns kurz entschlossen mitten' im Felde ab und saust davon. Nachdem wir der Erfindung desd?eufels einen misstrauischen Blick gewidmet, können wir unser (-i-epäck aufgreifen und es keuchend querfeldein schleppen. Auf der Landstrasse bitten wir einen Bauern, den Koffer auf seinen Ochsenwagen zu legen, doch der Arme hat das Unglück gehabt, taub zu werden. Erst die Versicherung eines Bakschisches gibt ihm das Gehör zurück, und wir wandern auf diese Weise, halb erfroren, sturmgepeitscht und regenbefeuchtet, bis zu einem ehemaligen Wirthshause, wo wir wenigstens ein Glas Wasser erhalten. Sehnsüchtig schauen wir nach einem Wagen aus; es kommt keiner in Sicht. Unsere letzte Hoffnung- bleibt die Locomotive, sie soll am Nachmittag nach Piatra fahren. Und wirklich naht sie, wir gönnen uns das ganz besondere Vergnügen, sie mittelst eines weissen ddiches aufzuhalten, und in wenigen Secunden befinden wir uns wdeder inmitten der Zwiebelvertilger. Die Fahrt geht jetzt langsam, aber ohne Scheitern bis Piatra. Vom Orte selbst entdeckt man nicht die geringste Spur, doch stösst man beim Stationsgebäude auf einige sogenannte Gasthäuser, wo ein recht zweifelhaftes Unterkommen möglich. Von Ruhe kann natürlich nicht die Rede sein, da der Zug- mitten in der Nacht weiterfährt, wir bis dahin aber mehrmals gestört werden. — Westwärts die Fahrt fortsetzend, erreichen wir Craiova, die Hauptstadt der kleinen Walachei. Ein Birjar, seiner Herkunft nach ein Siebenbürger Sachse, geleitet uns durch einige dorfähnliche Gassen, sowie an einem ehemaligen Kloster, jetzt Gerichtshof, und einer geräumigen Markthalle vorüber in den Mittelpunkt der Stadt. Craiova ist eine Hergner Rumänien. 1 3 Ansiedelung, in der man sich wie in Cämpulungü dauernd wohl fühlen könnte. Das edle Heer der Israeliten hat bisher ein an und für sich bedeutendes, in Anbetracht der zahlreichen Einwohnerschaft aber verschwindendes Con-tingent gestellt. Zudem muss ja hier das Volk Israel ziemlich bescheiden auftreten, noch fungirt es nicht als unumschränkter Gebieter; übrigens vielleicht der Grund, weshalb sich Craiova sowohl in seinen äusseren als seinen inneren Theilen als eine auffallend wenig belebte Stadt erweist. Die Hauptstrasse durchschneidet den Ort von Nord nach .Süd, an ihrem einen Ende erhebt sich die protestantische und die katholische Kirche, in der Mitte der Strasse liegen die grösseren Magazine, Hotels, das Gebäude der Ackerbaugesellschaft und ein deutscher Biergarten. Betritt man das Local desselben, so wird man sich erstaunt fragen, ob man denn wirklich in Rumänien athmet. Das Gastzimmer ist im altdeutschen Stil gehalten, die Täfelung der Wände, die Wölbung der Decke, Tische und Stühle, Alles erinnert an jene traulichen Keller und Kneipstuben, die als das eigentümlichste Erzeugniss des fröhlichen Zechsinnes im lieben, guten Vaterlande bezeichnet werden müssen. Dazu zieren nicht weniger als 60 Krüge, Humpen und Seidel von mittelalterlicher Form ringsherum die Wände. Auch in Bucuresci kann man in einigen solchen Räumlichkeiten Gerstensaft gemessen. Die vStrada Eipscani, wie überall die Hauptg'eschäfts-strasse, durchschneidet die Strada unitiri. In ihr hat man meistens Manufacturwaaren aufgestapelt. Wer in Craiova Jemanden treffen will, der muss in den genannten Strassen promeniren; erlangt man den Gewünschten hier nicht, dann kann man ruhig nach Hause gehen, denn in den übrigen Strassen sieht man oft keinen einzigen Menschen. Auch durch Wagengerassel wird man nicht im mindesten gestört, die Birjars verschwinden in den langen Gassen, und wünscht man einen zu benützen, so muss man ihn eine halbe Stunde weit herholen. Lastwagen sind wie Diamanten zu suchen; Craiova präsentirt sich als echte Provinzialstadt und keineswegs als Handelsemporium, es ist die Schulstadt Rumäniens. Nicht weniger als 28 höhere und niedere Schulanstalten sorgen für die Ausbildung der Jugend. Unter ihnen gebührt den Pensionaten Arnold und Olteanü alles Lob. Das Letztere wird gleich den Galatier Pensionaten Negri (Cer-chesiü) und Radu von Siebenbürger Rumänen gehalten, es nimmt nur Schülerinnen auf, denen es vorzüglichen Unterricht zutheil werden lässt. Zwanzig oder dreissig derselben schlafen in geräumigen, einfach möblirten, gesunden Zimmern; die jährlich für Unterricht, Beköstigung und Wäsche zu entrichtende Summe beträgt nicht mehr als 700 Lei. Die evangelische Schule bildet 109 Kinder heran, welche freilich den vorzüglichen Unterricht nicht wie in rumänischen Anstalten unentgeltlich erlangen, sondern monatlich 3—4 Lei Schulgeld entrichten müssen. Subventionirt wird die Anstalt vom Kaiser von Deutschland, während das Cultusministerium in Wien die katholische Schule höchst freigebig bedenkt Se. Majestät der Kaiser von Oesterreich hat bereits mehrmals bedeutende Summen für die Sache der österreichisch-ungarischen Ausgewanderten gespendet, so 20000 fl. für das Seminar in Bucuresci. Regelmässigen Besuch verdient am Sonntag Morgen die Biserica mare, die grosse Kirche. Von Aussen bietet sie absolut nichts, das Innere zeigt eine luxuriöse Ausstattung. Der Besuch ist bei halbwegs schlechtem Wetter ein verhältnissmässig schwacher. Einige alte, schwarzgekleidete Weiber liegen horizontal auf dem Fussboden, neigen beständig das Antlitz auf die steinernen Platten und bekreuzigen sich unermüdlich. Ihr Anblick muss schon nach kurzer Zeit äusserst peinlich wirken, dagegen gebührt dem Chor die vollste Aufmerksamkeit. Die Sänger sind nicht sichtbar, die jugendlichen reinen, geschulten Stimmen bezaubern mithin um so mehr. Hinter der katholischen Kirche prangen einige öffentliche Gärten, an deren Stelle sich früher Schutthaufen und 13* Kothmeere befanden. Dort trifft man auch einen ruinenartigen, modernen Bau aus Ziegelsteinen: der Anfang eines projectirten Theaters. Das unvollendete Blaus macht einen wehmüthigen Bindruck. Ganz anders präsentirt sich das Nachbargebäude, das Bad, ein monumentaler Prachtbau, in dem wie in allen anderen Badeanstalten der grösseren Städte des Landes für jede Benützung 2 Lei entrichtet wird. Die Ausdehnung der Stadt muss eine ungeheure genannt werden, sie dürfte der von Leipzig oder Dresden wenig nachgeben. Beträchtlich ist leider die Zahl der unbebauten, distelbewachsenen Winkel und selbst für rumänische Verhältnisse der Umfang vieler Privatplätze und Höfe. Gepflastert erscheint natürlich bei diesem riesigen Umfang nur ein verschwindend kleiner Theil des Ortes, das Uebrige gleicht bei eintretendem Regenwetter einem Sumpf. Die grösste Sehenswürdigkeit der Hauptstadt der kleinen Walachei besteht unstreitig in. ihrem Wochenmarkt. Derselbe wird auf einem grossen Platze am Bnde der Stadt abgehalten und führt den Namen: Tärgu de afarä, Markt ausserhalb des Ortes. Bereits Mittwoch Nachmittag nimmt er seinen Anfang. Von allen Seiten strömen Plünderte von Menschen, Hunderte von Thieren und Hunderte von Wagen herzu, und gegen vier Uhr gleicht der weite Blan einem dichtbelebten Jahrmarktsfelde. So weit das Auge reicht nichts als schaffellgekleidete Bauern, welche durcheinander stolziren, dies und jenes erproben, hie und da etwas kaufen oder verkaufen. Da sind Buden mit Beinwand und Tüchern, hier stehen Weiber mit Hausindustrie-Erzeugnissen, mit rothen, schwarzbestickten Herrenhemden, mit ebensolchen Westen, mit Eeinwand und seidenen Kopftüchern. Dort werden riesige Haufen von grünem und rothem Paprika, von Krautköpfen, von Kukuruzzapfen und Obst feilgeboten. Weiter drüben hat man Pferde, Ochsen, Schweine und Schafe zum Markt geführt, dort wieder preist man Bretzeln an, und ein Rahagiü sucht Abnehmer. Hunderte von Holzbottichen, grob gearbeitet, werden von dahinterhockenden Bauern abgesetzt, Zigeuner bemühen sich, fürchterlich plumpe Löffel ein den Mann zu bringen. Das Betztere darf man eigentlich wörtlich nehmen, denn selbst in Rumänien ist noch Manches von der echt orientalischen Sitte haften geblieben, der zufolge der Hausherr und nicht die Blausfrau die Einkaufe besorgt. Dabei beginnt wohlgemerkt die rumänische Dame erst seit zehn Jahren auf der Strasse zu F.uss zu gehen, früher wäre dies allerorts unerhört gewesen. Neben den Bottichhändlern halten ungezählte Ochsenwagen, sie haben Holz herbeigeschafft. Dasselbe sieht durchgängig grün aus, scheint aber ein sehr gesuchter Artikel zu sein, offenbar fürchtet man das Herannahen des Winters. Einige Wagen sind mit Truhen beladen, aber ach, diese blicken doch gar zu erbärmlich drein, die bekannte Kronstädter Waare gilt im Vergleich mit ihnen als pures Gold! Die meisten Händler haben ihre Ankunft mittelst Wagen bewerkstelligt. Die Fahrzeuge präsentiren sich in einer Reihe, in vielen sitzen hübsche Weiber, die Spindel in der Hand und in die auffällig schöne Nationaltracht der Gegend gehüllt. Unter den flüchtigen Fusses herumstreifenden Besuchern zeichnen sich besonders dunkeläugige Zigeuner und Zigeunerinnen aus, auch an Bettlern mangelt es nicht. Am widerlichsten berührt ein AVeib, welches wde ein AVurm auf der Erde hinkriecht, eine zweite Person schreitet hinter ihr her, mit der ersteren durch einen Bindfaden verbunden. Das ganze Leben und Treiben ist schon am Vortage so lebhaft, dass es einem ungarischen Jahrmarkt gleichkommt. Man kann sich mithin eine Vorstellung machen, wie bedeutend und welche werthvolle ethnographische Fundgrube ein wirklicher Jahrmarkt sein muss. Fahrende Künstler, wandernde Barbiere, ganze Zigeunersippschaften, die A^ertreter von zehn Nationalitäten, und plumpe d^anz-bären geben sich ein lärmendes Rendez-vous mit Tausenden von Landleuten. Man zecht in eigens errichteten Schenken, tanzt Hora und prügelt sich wohl auch ein wenig. Allen voran wird der im Juli stattfindende Markt von Eolticent in der Moldau und der im September abgehaltene von Bämnicü-Välcea in der grossen Walachei genannt. Im Auslande erfreut sich der Mösl, das im Juni regelmässig wiederkehrende achttägige Volksfest von Bucuresci des grössten Ruhmes. Ihm zu Ehren fährt die gesammte Aristokratie Bucurescis auf die sonst wüste, weite Edäche im Osten der Stadt hinaus, selbst die Königin zeigt sich bei dieser Gelegenheit dem versammelten Volke. Man jauchzt und vergnügt sich, und unter dem Bären des Zigeuners liegt hie und da ein Mann, der sich bereitwillig auf dem Rücken herumtreten lässt. Unter Aechzen und Stöhnen erhebt er sich, um einem Anderen Platz zu machen. Der tambourinschlagende Bärenführer spielt den Wunder-doctor. Man glaubt, wenn man das 1 Vamp ein des braunen Gesellen mit Zaubersprüchen begleite, entfliehe der hartnäckigste Rheumatismus, eine Meinung, die in Anbetracht der entsetzlichen Edlsschen des Meister Petz und des dadurch erzeugten beschleunigten Blutumlaufes wirklich nicht grundlos sein dürfte. — Die Mitte des Craiovaer Marktfeldes durchschneiden zwei Reihen elender Buden, sie dienen besonders l^öpfern zur Behausung und zum Verkaufslocal. Ganze Armeen von Krügen, Schüsseln und Tellern, denen man den orientalischen Ursprung sofort ansieht, fesseln das Auge. In ihrer Nähe prangen buntbemalte, recht abscheuliche Kreuze und Ideiiigenbilder, weiterhin kleine, runde Tischchen. Sie sind kaum handhoch und haben nur drei Füsse; an ihnen lässt sich der Bauer mit untergeschlagenen Beinen wie ein Türke zum Mahle nieder. Ausser dem d'ärgulü de afarä stehen den Damen von Craiova noch zwei kleinere Marktplätze zur Verfügung, die ihnen Gelegenheit bieten, alle Bedürfnisse des täglichen Lebens zu erwerben, ohne sich zu dem entfernten Riesenplatze begeben zu müssen. Die Umgebung von Craiova besitzt an landschaftlichen Genüssen nur wenig, indessen sind einige Punkte vorhanden, deren Besuch in allen Jahreszeiten gleich interessant erscheint. Da ist Brazdä, eine kleine Ortschaft, kaum t*/j Stunden von der Stadt entfernt. Das Gut liegt auf einem Höhenzug, von dem man eine prächtige Ausschau geniesst. Unmittelbar zu Füssen schlängelt sich der Jiulü dahin, hübsche Waldungen bespülend. Weiter hinaus koket-tiren Felder und Wälder in buntem Gemisch, bläuliche Höhen umgürten den Horizont, und zeitweilig zeigt sich die duftige Kette der Karpathen. Ein solcher Anblick ist allerdings nicht immer und nicht Jedem erwünscht; er lässt auf Regen schliessen. Bemerkenswerth wurde Brazdä dadurch, dass ein hiesiger Grundbesitzer sich mehrere Schwärme Italiener kommen liess, er baute für sie Eläuser und wies ihnen Grund an. Allein die Leute entpuppten sich als grosse Faulenzer, ein Theil von ihnen zerstreute sich im Lande, und der getäuschte Bojar hat sich schon mehrmals gezwungen gesehen, für Nachschub zu sorgen. Der Plan war von vornherein ein verfehlter, denn das romanische Element lieferte noch niemals ackerbautüchtige Colonisten für fremde Länder. Ebenfalls am Jiulü, nur etwas weiter südlich, liegt das Strathaus Bucovetü. Ein Birjar bringt uns zum Ufer des Jiulü, wo die grosse, schöne Brücke über den breiten Fluss gleich zwei anderen benachbarten im.EVühjahr infolge der fehlenden Eisbrecher weggerissen wurde. Eine äusserst primitive Fähre empfängt uns, sowie den Wagen und ein halbes Dutzend Bauern und Bäuerinnen. Allein der gute Wille reicht nicht aus, mitten im Eduss gerathen wir auf den Sand, und das schwerfällige E'ahrzeug rührt sich nicht eher von der Stelle, als bis man drei Bauernreitpferde ins Wasser treibt. Wer den Jiulü an seiner Wiege kennen gelernt, dort drüben im schönen, bergumgürteten Tratts-sylvanien, der wird kaum meinen, der schmutzige, träge Gesell, der sich hier so breit macht, sei dasselbe Gebilde der Natur. Und doch ist er bei aller Langweiligkeit hämisch und tückisch. Wehe dem Badenden, der kein Schwimmer! An dieser Stelle reicht ihm das Wasser kaum bis zu den Knieen, einen Schritt weiter schlägt es über ihm zusammen, seinen Untergang besiegelnd. - Unweit des Flusses ragt das ehemalige Kloster Buco-vetü empor, es dient seit mehreren Decennien als Gefangenenhaus. Zunächst begegnen wir bewaffneter Macht, eine Compagnie Jäger hat man ausersehen, die gefallenen Mitglieder der menschlichen Gesellschaft zu hüten. Einige der .Soldaten exerciren, andere lehnen plaudernd beisammen. Durch das ehemalige KlosterpfÖrtchen betreten wir einen kleinen Vorhof, um uns beim Commandanten der Anstalt zu melden. Kaum ist dies geschehen, so tauchen auch schon einige Verbrecher auf, wie in Slänicü die Erzeugnisse ihrer einförmigen d^age präsentirend. E)a steht ein bleicher, schwarzbärtiger, junger Gesell, er hat aus Nuss-baumholz Kaffeeschalen, Eierbecher, Leuchter, Salzfässer und Credenzen verfertigt. Der Mann liess sich in einer schwachen .Stunde verleiten Dieb zu werden; mit trauriger Miene ersucht er uns um Zusendung einiger Modellirbogen, damit er nicht gezwungen sei, Alles wie bisher nach der Phantasie zu arbeiten. Ein Zweiter bringt auf einer Platte ähnliche Sachen, nur etwas plumper, ein Dritter bietet Löffel aus, ein Vierter eine Locomotive und ein Schiff, jedes Stück um 30 Lei, jedes Stück unbegreiflich talentvoll gearbeitet. Sieht man diese Dinge und bedenkt man, dass alle die armen Gestürzten erst zu solchem Handwerk in der Strafanstalt ihre Zuflucht genommen, so muss man staunen über die natürliche Begabung des rumänischen Volkes. Im Hof beschäftigen sich einige Gefangene damit, Kukuruzbrod für die grosse, stille Gemeinde zu bereiten. Wohl hundert Portionen des gelben Gebäckes sind aufgestapelt, ein jeder Sträfling empfängt davon täglich zwei. Die Kost ist den Umständen angemessen sehr gut zu nennen: dreimal wöchentlich vertheilt, man Fisolen, dreimal Fleisch, in. beiden Fällen mit saurer Suppe vereinigt. Im Parterre des ehemaligen Klosters treffen wir die Werkstätten der Drechsler, im ersten Stock die Zellen der Sträflinge. Schwere, eiserne Thüren schliessen die einzelnen Räume ab, feste Eisenstäbe zieren die Ebenster. Das Gefangenenhaus von Bucovetü. 201 Wie in Slänicü kann hier keineswegs von Einzelhaft die Rede sein, die Leute wohnen zu zehn und zu zwanzig beisammen. Leider hat man nur die gewährte Freiheit seitens der verbrecherischen Gesellen unlängst gemiss-braucht, indem drei der Gefangenen von anderen erschlagen wurden; eingetrocknetes Blut auf dem Edassboden predigt davon zur Genüge. Im letzten Zimmer stossen wir unter Anderen auf einen Juden. Die Frage, wie er hieher gekommen, erledigt er dahin ', er habe stehlen wollen und sei dabei ertappt worden. Noch fünf Monate muss er verweilen, dann erlangt er die Freiheit zurück. Einstweilen beschäftigt er sich mit dem Brennen von Kukuruzbrod, aus dem er allerliebste Sachen anfertigt. Er offerirt uns Haarnadeln mit bunten Rosetten und Rosenkränze, denen man es nicht im entferntesten anmerkt, aus welcher Masse sie verfertigt sind. Ein anderer, ein untersetzter, junger Mann mit gelblichem d'eint macht einen recht gediegenen Eindruck, Er verbringt seine Tage mit dem Nachahmen irgend welcher schlechten Abbildung durch dmsche und Reissfeder. Das Bildchen, welches er uns überlässt, ist mit überraschendem Verständniss, mit peinlicher Sorgfalt und Accuratesse geschaffen, man hält es nicht für möglich, dass es von einem simplen Sträfling- herrührt. Die melancholische Redeweise des langsam dahinsiechenden, reuevollen Mannes erweckt unser Mitleid; sein Vergehen war Diebstahl, fünf Jahre hat er noch in Bucovetü zu verleben. Eines der Zimmer wurde zur Krankenstube bestimmt. Zwei der Unglücklichen liegen fiebernd auf eisernen Bettstellen, ein Wärter leistet .Samariterdienste. Hinter dem Hauptgebäude befindet sich ein grosser Hof, die Gefangenen dürfen sich auch dort ergehen, so dass sie wenigstens des Genusses der freien Luft und des unbedeckten Himmels theilhaftig werden. Noch einmal präsentirt man uns im Vorhofe die verschiedenen Erzeugnisse des Flauses, noch einmal blicken wir in das Antlitz des geschicktesten der Männer und lesen in seinem wehmüthigen, verschleierten Blick. Ach, wer würde in diesem Menschen einen Mörder vermuthen! Und doch steht ein ergreifender Roman in seinen Zügen geschrieben, düster und erhaben. Der Mann entbrannte in leidenschaftlicher Idebe zu einer jüdischen Schönheit, sie verhöhnte ihn in Gemeinschaft mit ihrem Ehegatten, und der Erzürnte erschlug beide. Ein ganzer Kreis der Geächteten umgibt uns, meistens robuste Gestalten mit düsteren Mienen, Entsagung und Verzweiflung im Auge. Manche von ihnen erscheinen intelligent, Andere wieder geistig und moralisch verkommen. Das Haupteontingent stellt natürlich das rumänische Volk, doch finden sich auch einige Serben, Bulgaren, Zigeuner und Juden vor. Alle betrachten uns schweigend, die Mütze in der Hand. Tief* bewegt scheiden wir, begleitet von den sehnenden Blicken der Beklagenswerthen, einigermassen getröstet durch das Bewusstsein, dass die rumänische Gerichtsbarkeit wirklich nach humanen Grundsätzen handelt. Den umfriedigenden Mauern des Klosters gegenüber hat man eine E^abrik errichtet. Der Lederbedarf für die Armee wird hier gedeckt; die Arbeiter sind sämmtlich Mörder. Vor dem grossen Gebäude liegen Hunderte von Büffelfellen bunt durcheinander. In Amerika geboren, kommen sie von Paris und verbreiten einen entsetzlichen Geruch. Im Gebäude empfängt uns grosser Eärm. Da beschäftigen sich allerlei Maschinen mit der Verarbeitung der amerikanischen Büffel- und rumänischen Ochsenhäute, mit der Herstellung, Verfeinerung und Geschmeidigmachung des Beders; weiterhin schaffen in einem grossen Saale an marmornen Tischen etwa 2 5 Männer. Einige davon kennzeichnen sich durch niedrige Mützen als Meister, die übrigen durch ihre Physiognomien als Mörder. Von früh bis abends sind sie unermüdlich thatig, wofür sie täglich 30 Bani eigenthümlich erhalten. Für dieses Geld können sie sich kaufen, wonach ihnen gelüstet, ein geringes Zugeständniss in Anbetracht dessen, dass sie ihre Freiheit lebenslänglich verloren haben. Immerhin dürfen sich die Sünder im Vergleich zu ihren Schicksalsgenossen in anderen Bändern Turnu-Scverinu. 203 glücklich preisen, hat man doch den Mördern von Buco-vetü das höchste Glück des Menschengeschlechtes gelassen: die beruhigende Arbeit. Sinken die Leute nach vollbrachtem Tagewerke auf ihre Lagerstätte, so werden sie vielleicht Zufriedenheit empfinden, es müsste denn sein, dass sich in ihrem Innern ein unheimlicher Gast regt: das Gewissen. Bis vor einem halben Jahre war freilich ihr Loos ein ganz anderes. Damals umschloss eine hässliche eiserne Kette die Füsse der Sträflinge, die Arme blieben frei. In Cozia, hoch oben im Norden, im Herzen der Karpathen gelegen, war nicht einmal das der Fall. In den grossen Salzbergwerken jener Gegend werden die militärischen Sträflinge untergebracht, Leute, die in Kriegszeiten fahnenflüchtiggeworden, im Frieden einen Vorgesetzten oder Kameraden erschossen. Sie müssen Hammer und Schlägel mit eisenumschlossenen Füssen und eisenumschlossenen Händen führen, eine Sisyphusthätigkeit, unendlich mühselig, unendlich qualvoll; mehr wie einer der Verbrecher ist ihr nach ver-hältnissmässig kurzer Thätigkeit erlegen. Hoffentlich wird die Regierung den Principien der Milde und Humanität baldigst selbst in Cozia huldigen, damit Niemand die Berechtigung entdeckt, von einem rumänischen Sibirien zu sprechen. — Die Fahrt von Craiova nach Turnu-Severinü vermehrt nur wenig unsere interessanten Beobachtungen. Der Bummelzug hält bei jeder Station fünf Minuten und länger, auf dem Perron aber zeigt sich kaum ein Hund, und man späht vergebens nach einem Rahagiü oder nach einem Obst verkaufenden Bauernweib. Auch die Landschaft vermag uns nicht zu begeistern. Um so mehr sind wir erstaunt, als sich nach dreistündiger Fahrt plötzlich vor uns ein Panorama von unendlicher Schönheit eröffnet. Der ganze Horizont ist weithin mit blauen Bergen und Höhenzügen amphitheatralisch erfüllt, wir selbst rollen auf bedeutender Höhe dahin, zwischen uns und dem Horizont ein ganzes Reich. Mitten drin sucht sich ein silberglänzender Bach seine Bahn; doch nein, die weitumfassende Ausschau täuscht, das ist kein Bach, es ist die Donau, der mächtige Isterstrom, er hat im Vergleich mit den vielen Bergen, Thälern und Wäldern den kürzeren gezogen und erscheint inmitten ihrer Gesammtheit wie ein Zwerg. Weit oben im Norden sieht man eine Stadt dicht am Stromufer ausgebreitet, zierlich im Sonnenschein wie ein Kinderspielzeug. Bange bleibt uns freilich der Anblick nicht gegönnt. Hämische Felsen schieben sich vor, dann wieder verbieten junge Eichenwaldungen die Umschau, inzwischen geht es rüstig bergab, noch einmal winkt die Niederlassung, diesmal viel näher; eine weitere Viertelstunde durch Wald und Hohlweg, und wir haben das Bett des mächtigen Stromes erreicht. Dicht neben dem Schienenweg wälzt er sein Wasser dahin, eine breite, glitzernde, imponirende Masse. ddrrnu-Severinü ist eine classische Stätte. Hier war es, wo der stolze Besieger des Dacierkönigs Decebalus, der grosse Kaiser Trajan, durch den Griechen Apollodorus von Damaskus eine Brücke über die 3000 Fuss breite und 20 Fuss tiefe Donau schlagen liess. Auf 23 Pfeilern ruhte der Riesenbau, und bewundert man heutigentags die Kettenbrücke von Budapest und andere Werke der Baukunst, so wird man in Anbetracht der enormen Schwierig*-keit dieser antiken .Schöpfung vergebens nach Worten der höchsten Begeisterung suchen. .Stand doch den ehemaligen WTeltbeherrschern nichts von allen jenen Hilfsmitteln zur Verfügung, welche sich die moderne Zeit dienstbar macht! Und endlich, würde eine Brücke der Jetztzeit nach [700 Jahren noch kommenden Geschlechtern von blutigen Eroberungen erzählen? Mit der Arbeit des Apollodorus, des Erzengers der Trajanssäule in Rom, ist dies zum Theo der Fall, und die Brücke wäre wohl noch vollständig erhalten, wenn nicht die Weltbeherrscher an ihr selbst das Werk der Zerstörung vollzogen hätten. Schon der Nach-folger des grossen Siegers, Eladrian, liess die Brücke abbrechen, wie einige meinen, aus Neid vor seinem unerreichbaren Vorgänger, wie die Logik lehrt, aus Furcht vor den heranstürmenden Wogen der Völkerwanderung. Heute sind die Trümmer den Blicken entzogen, die 20 Pfeiler Turnu-Severinü und die Trajansbrückc. 205 liegen unterhalb der Oberfläche des Stromes, sie treten nur beim niedrigsten Wasserstand hervor, an jedem Ufer aber ragt ein Pfeiler in die Luft» ein Merkzeichen jener Riesenschöpfung, die man gerade an einer ausserordentlich breiten Stelle des Stromes, ohne Benützung einer unfern gelegenen Insel, aufgeführt. Offenbar behufs Deckung des .Meisterwerkes hatte man auf einem an und für. sich nicht bemerkenswerthen, aber infolge seiner Isolirtheit bedeutenden Hügel des linken Ufers eine Schanze erbaut. Was die Natur geboten, wurde weise benützt, neue Steine führte man hinzu, und so entstand eine mauerumgürtete Veste, in ihrer Mitte ein hoher Thurm. Ein reges Leben muss sich damals hier entfaltet haben, von jener Zeit angefangen, wo der schwere Tritt der I leldenlegionen des Bezwingers von Dacien die Brücke traf, bis zu jenem bangen Augenblick, wo die Cultur dem Ansturm der Barbaren wich. Von all' dem gibt dasjenige reichliche Kunde, was man dem Boden entnommen. Ungezählte Gold- und Kupfermünzen hat man zutage gefördert, schöne Sarkophage und sonstige Monumente treffen wir auf dem Concertplatz des Volksgartens, Trümmer von anderen liegen achtlos neben dem zur Hälfte eingestürzten Thurm. Die Mauern sind theils in die ddefe hinabgesunken, theils noch leidlich erhalten, geeignet, um ernste Träume wachzurufen. Von der Donau aus verbergen sich freilich die meisten Reste der Ruine. Die mächtigen Bäume des Volksgartens, als dessen Zierde die alte Zwingburg dient, verdecken die Trümmer mitleidig mit ihrem schönen Mantel. Im Volksgarten selbst stellt der Thurm des Severus Wohl das Interessanteste dar, das Herrlichste aber ist unstreitig eine Art Terrasse. Auf ihr promenirt beim Beuchten des lieben Mondes die schöne Damenwelt der rumänischen Stadt, um zu plaudern und zu kokettiren; zwei Reihen alter Römersteine, Sarkophage und andere Hinterlassenschaften einer grossen Vorzeit starren dem Treiben unbewegt zu. Am Nachmittag herrscht Stille, die rumänischen Mausfrauen halten ihre Siesta, um so anziehender ist es dann, hier zu sitzen und die liebliche Landschaft zu betrachten. Dicht unter uns zieht der blaue Strom seine Bahn, dort drüben glänzt das hellbraune Gemäuer des Brückenpfeilers herüber, neben uns leuchten einige Gebäude von Turnu-Severinü, rings im Kreise reihen sich die blauen und braunen Berge aneinander. Ueber dem ganzen Bilde spannt sich ein wolkenloser, reiner LIimmel aus, und von der angrenzenden Kaserne schallen die gefälligen Töne der Regimentscapelle herüber. Das dem Auge Erreichbare gibt ein Panorama, wie es nicht leicht classischer und anmuthiger gedacht werden kann. Eben so fesselnd wie dieses denkwürdige Stück Erde, ebenso reizlos däucht uns die Stadt dmrnu-Severinü, der eigentliche rumänische Grenzort gegen Oesterreich-Ungarn. Unten am Strome liegen die Gebäude und Gehöfte der Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft, auf der Höhe strebt eine griechisch-orientalische Kirche stolz empor. Auf den ersten Blick nimmt man wahr, dass man eine der schwachen Nachcihmungen des herrlichen Baudenkmales von Curtea de Argesü vor sich hat. Hier wie dort zwei grosse Thürme hintereinander, zwei kleine Thürmchen nebeneinander, die lezteren mit spiralförmigen Windungen bedacht. Etwas weiter rückwärts beginnt der Boulevard, dem von Orsova ausserordentlich ähnlich. Rechts prangen in entsprechenden Zwischenräumen die Häuser etwaiger Bojaren und anderer glücklicher Beute, links läuft eine Reihe kleiner Akazien hin, nicht im Stande, die herrliche Aussicht zu verkürzen. An den Boulevard Carolü I. stösst ein gewaltiger Platz, rundherum mit Bäumen und elenden Edakern geziert, im Uebrigen könnte indessen Gras auf dem fürchterlich weiten Räume wachsen, denn die Läden besitzen zwar eine lebhafte jüdische Verkäuferschaft, aber sehr wTenig Käufer. Auf der einen Seite sticht besonders in die Augen ■— ein Cafe chantant, wro allnächtlich abgetakelte Wiener Soubretten und anderer socialer Bodensatz bei entsetzlich brummigen Musiktönen bis Morgens vier Uhr die armen gelangweilten Severinüer unterhalten; auf der anderen Seite Turnu-Severinü und die Trajansbrüeke. 207 steht das Grand Hotel, ein Stock hoch, eine moderne Räuberhöhle. Das ganze jüdische Heer der dienenden Geister, vom Herrn Cohn herab bis zum Portier, scheint der Ansicht zu sein, der Schooss Abrahams bleibe verschlossen, wenn man nicht jeden Fremden als ein sorgsam zu überwachendes und sorgfältig auszupressendes Geschenk des Schicksals betrachtet. Der Arme wird allen Göttern danken, wenn es ihm gelingt, die Geister, die er rief, endlich wieder loszuwerden. Den Hintergrund des Platzes nimmt ein Haufe Bretterbuden ein; er dient bei der Abhaltung- des Wochenmarktes. Ein Dutzend Strassen, ohne jedes hervorragendes Gebäude, ein wüster Platz: das ist das Paradies, in dem mehrere Beamte der Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft residiren müssen. Ausser den Concerten der Militärcapelle fehlt selbst die harmloseste Unterhaltung. Verirrt sich ja einmal eine herumziehende Schauspielertruppe in den todten Ort, so schwärmt die Intelligenz schon drei Wochen vor ihrer Ankunft und zahlt gern 3 Lei für einen Stehplatz, bleute erscheint die Stadt wie ausgestorben; die Bewohner müssen plötzlich in einen geheimnissvollen Schlaf versunken sein, oder das gelbe Fieber waltet. Man hat fast alle Läden geschlossen, was um so auffälliger genannt werden muss, da man ja nicht einmal Schabbes feiert. Trotzdem ist die Erklärung einfach: die Israeliten halten den langen Tag, sie haben alle Magazine fest verriegelt, die meisten Ebenster verhängt, und ein Jude zeigt sich nirgends. Das Alles dünkt uns insofern lehrreich, als man jetzt erkennt, in welchem Procentsatz die Israeliten vorhanden, und welchen Einffuss sie ausüben müssen. Die christlichen Geschäfte sind natürlich geöffnet, sie zählen nicht mehr als ein Dutzend. Christen fungiren eben nur als Mützenmacher, Verkäufer von Bauernkleidern und Manufacturwaarenhändler. Noch herrscht das Dunkel der Nacht, als wir uns zur Agentie der Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft begeben. Das g-anze Heer der Sterne zeigt sich in seiner unendlichen Schönheit, das Edrmament in eine silbergestickte Sammet- decke verwandelnd. Vor uns liegt der „Orient", der prächtigste von allen Passagierdampfern der Gesellschaft. Der riesige Bau ist streng nach den Gesetzen der Bequemlichkeit und der Eleganz ins Leben gerufen worden; dreihundert Fuss betragt seine Länge, zwei Rauchfänge und zwei Mastbäume geben ihm ein stattliches, seemässiges Aussehen. Wie wir an Bord erfahren, hätten wir heute ausnahmsweise noch des Schlafes pflegen können: die Passagiere von Oesterreich und Ungarn sind gestern Nachmittag nicht eingetroffen. Als das kleine Dampfschiff, dem es obliegt, die Reisenden durch die Katarakte des grossen Eisernen Thores zu führen, sich demselben näherte, sank die Nacht herab, dem Capitän entfiel der Muth, und das Schiff kehrte um. Allmählich schwindet das unheimliche Dunkel, der Tag kommt herauf. Am Horizont entsteht ein hellgelber Streifen, er wird intensiver, und plötzlich zeigt sich über dem Wasser eine blutrothe Kugel. Anfangs ist nur der obere Abschnitt sichtbar, doch der Körper nimmt rasch zu; jetzt ruht die Hälfte ciuf der glitzernden Edäche, und jetzt schwebt der ganze Ball auf dem mächtigen Strome. Beider währt das herrliche Bild nicht lange, die glühende Kugel verwandelt sich in eine unförmige, verschwommene Masse, welche alles Bewundern tückisch untersagt. Die Passagiere aus dem Abendlande kommen an; unglücklicher Weise herrscht in Budapest die Cholera, und so werden die Be-klagenswerthen erst tüchtig geräuchert und untersucht, ehe man sie zum „Orient" heranlässt. Weitere drei Stunden liegt dieser unbeweglich, umflutet von den glitzernden Wogen und den Sonnenstrahlen, welche mit den blauen Bergen des Banates, mit dem d hurme des Severus, sowie den Brückenpfeilern des Apollodorus von Damaskus neckisch verfahren. Endlich, endlich rauscht das herrliche Fahrzeug den Strom hinab, und das romantische rechte Ufer gleitet in seiner fesselnden Eagenart an unseren Blicken vorüber. Die linke, rumänische Seite bleibt sich immer gleich, sie ist mit Ausnahme von drei Punkten durchaus uninteressant. Diese drei Punkte heissen Calafatü, das Gegenüber Wid-dins, I urnu-Mägairele, das Vis-ä-vis Nikopolis' und Giurgiu, das Vis-ä-vis Rustschuks. Die Orte sind alle im fröhlichen Aufblühen begriffen, von den Niederlassungen des rechten Ufers unterscheiden sie sich sehr vortheilhaft. Da waltet eine Kluft wie Tag- und Nacht, die hübschen, gefälligen Häuser, die Sauberkeit und das lebhafte Treiben charak-terisiren die rumänischen Orte als um hundert Jahre den ehemals türkischen überlegen. Sonst bietet das rumänische Ufer gar nichts. Haide wechselt mit schwachen Waldungen, hin und wider erhebt sich am Ufer ein Wachthaus, vor dem ein Curcanü das (rewehr schultert und gelangweilt dreinblickt. Das frühere osmanische Gebiet verdient volles Interesse, unablässig erfreuen uns malerische Pikier. Die ersten gehören zum jungen König-reich Serbien. Was wir davon am Ufer erblicken, ist gar nicht so übel. freundliche, weissgetünchte Häuser treten hervor, alle mit rothen Ziegeln gedeckt, eine im mächtigen Königreiche Rumänien seltene Erscheinung-. flinter den Uferpartien ragen malerische Gebirge empor. Sie zeigen sich bedd in dieser, bald in jener Form, immer aber fesseln sie den Blick und erwecken den Wunsch, auf ihnen herumzusteigen. Bis zum späten Nachmittag geht es so weiter, dann passiren wir die bulgarische (irenze. Sie wird durch den Timok gebildet, von ihm erhielt jene 10000 Mann starke serbische Armee den Namen, die unter dem greisen Besch-janin im Jahre 1885 nicht im »Stande war, die verfallenden zweifachen Wälle von Widdin, vertheidigt von zwei Bataillonen und wenigen Compagnien, zu erobern. Bei untergehender Sonne taucht die altbekannte Veste vor uns empor. Wir stehen stumm ob des überwältigenden, traumhaften Anblickes. Das ist wirklich ein Märchen aus 1001 Nacht, zu eigenartig und zu überwältigend, um es mit der Feder wiedergeben zu können! Dort breiten sich schwarz und unheimlich die altersschwachen Festungswerke aus, hier liegt die Stadt, ein türkisches Haus neben dem anderen, das eine oder das andere sogar Ruine, denn 187C1 wurde besser geschossen als im letzten Kriege, Widdin gerieth damals hie und da in Brand und für die Muselmänner waren schwere Stunden gekommen. Aus dem Häusermeer und über den Wällen, Bäumen und Büschen ragt das Charakteristicum eines echten Heims der Muselmänner empor: ein ganzes Ideer von Moscheen. Allerorts streben ihre schmächtigen Thürmchen in die Höhe, sämmt-lich weiss angestrichen, sämmtlich mit einer Spitze geziert. Nur dreien fehlt dieser Schmuck: trotz des schlechten Ziel-objectes hat man sie im Jahre 1876 zerstört, jetzt starren die Trümmer melancholisch drein, das Sinnbild des einst so mächtigen Reiches der Badischahs. Ueber« der Veste und über den Moscheen schwrebt der Mond, eine zarte, silberne Sichel, genau so gestaltet wie ihn türkische Flaggen darstellen. Allah lässt ihn noch immer über der Stadt der Giaurs glänzen, wohnen doch daselbst noch zahlreiche Rechtgläubige. Am Bandungsplatze tummeln sie sich mit allen möglichen lurbanen als Eastträger und Händler. Neben ihnen erscheinen bulgarische .Soldaten und Officiere, auch ein russischer Capitän kommt aufs Schiff, er war lange Zeit Instructor in der bulgarischen Armee. Der Herr sucht uns sehr angelegentlich zu beweisen, dass man den Fürsten Alexander gewaltsam entfernen musste, dass dies in seinem eigenen Interesse geschehen, dass man ihn deshalb auf seiner Yacht nicht an Deck gelassen, damit er nicht ins Wasser springe, und dass er gewiss blos dann ermordet worden wäre, wenn man Anstalten getroffen, ihn zu befreien. Nur zu rasch entschwindet das unvergess-liche Bild Widdins, das vor unsere Seele in einer Beleuchtung getreten, wie sie nicht günstiger hätte gedacht werden können. Die kernigen, stämmigen bulgarischen .Soldaten sind alle eingeschifft "worden, und wir scheiden. Der Himmel über unserem Haupte erscheint als schwärzliche Decke, weiterhin wird er bläulich, endlich hellblau, daran schliesst sich am Horizont ein ins Grünliche spielender Calafatü-Widdin. 2 I I Streifen, dem ein gelblicher und em glutgoldener folgen. Wahrlich, eine solche Farbenpracht ist eine Gabe des Ostens und des Südens, unserem Deutschland bleibt sie fremd. Man rühme immerhin die Schönheit der Strompartien des Rheines, die der Donau übertreffen sie zweifelsohne an Majestät und an Originalität. Kein Geringerer als Se. kais. Hoheit der Kronprinz Rudolf hat den Zauber des Ister empfunden und ihm in seinem so überaus interessanten, geistreichen Buche: „Einige Jagdreisen in Ungarn" auf seine markante, plastische Art Worte verliehen. „Wenn man", sagt der erlauchte Schriftsteller, „lange im stimmungs-losen Grau in Grau, in der fahlen, immer gleichen Cultur-farbe des Westens gehaust hat, dann sehnt man sich zurück nach urwüchsigen Gebieten, wo man das einzig und allein wirklich Grossartige, die Natur mit ihren ewig- scheinen Erscheinungen und mit dem Earbenreichthum, den ihr der Osten verleiht, bewundern kann; wie herrlich ist es, wenn das schwere Bewölk blutigroth erglänzt, die Sonne goldig hinter sanften Flügeln verseil windet, orangenfarbene Töne sich durch violette scheiden von dem tiefen Blau der Nacht, die geheimnissvoll schon auf der Landschaft liegt, und leichte Nebel über den rauschenden Wellen des grossen Stromes ruhen." Die Berg-e Bulgariens präsentiren sich intensiv schwarz, der Strom aber gleicht einer silbernen Schlange. In eigen-thümlich glatter, glänzender Strasse, Wellen wie Stahl werfend, zieht er dem Meere zu. In der Nacht legen wir bei Born Palanka an. Hier leuchtet die Eandungsbrücke, wo ein unglücklicher, heldenhafter Fürst gewaltsam von elenden Verschwörern auf sein eigenes Schiff geschleppt wurde, dort träumt der Ort, wo sein Fuss zum letzten Male den Boden Bulgariens betrat. — Am nächsten Morgen derselbe wunderbare Sonnenaufgang* wie am Vortag, mit ihm zugleich präsentirt sich Rahowa, eine kleine bulgarische Niederlassung, malerisch zerstreut auf einschliessenden Höhen. Die ersten Segelschiffe zeig-en sich, ihnen begegnen wir von jetzt ab in 14* 2 I 2 I. Theil. Eine Reise durch das Land. Zwischenräumen von höchstens einer halben .Stunde. Der Bauart und Bemannung nach sind es fast nur türkische und griechische; viele liegen an geschützter Stelle vor Anker, andere kommen mit aufgeblähten Segeln schnell daher, denn der Wind ist heute fast zum Sturm geworden. Das bulgarische LTfer bleibt sich immer gleich; selten ein Dorf, dessen elende Lehmhütten sich derart in die Erde wühlen, dass man nur die mächtigen Heuhaufen wahrnimmt. Selten ein Baum, immer bis hundert Fuss und noch mehr jäh ansteigende längst entholzte Höhenzüge; zeitweilig werden sie von Rindvieh- und Pferdeheerden belebt. Bndlich erreichen wir Nikopolis. In einer engen Schlucht, auf dem unbedeutenden Ufergelände, auf den umliegenden I Tügeln und wahrscheinlich hinter den verdeckenden Höhen zieht sich die alte Siegesstadt hin. Wie alle bedeutenden ()rtschaften des rechten Ufers ist sie ein Erzeugniss jener grossen Periode, in der die stolzen Weltbeherrscher einen drohenden (.frenzwall gegen die Barbarenhorden errichteten. Da wo heute Widdin hegt, erhob sich das römische Bo-nomia, das Budinum des ersten Bulgarenreiches, zwischen Widdin und Born Balanka lag das römische Ratiaria, bei Rahowa das römische Variana, das bulgarische Orechow, bei Nikopolis aber soll Trajan den König Decebalus besiegt haben. Als sicher gilt, dass hier Sultan Bajazed I. den deutschen Kaiser Sigismund bezwang und deshalb den Blatz die Siegesstadt nannte. Das heutige Sistow hiess bei den Römern Ad Novas, beim Bulgarcmchan Zibestow. Medschidschie ist das römische Axiopolis, Cernavoda das römische Capidava, Giurgiu aber taufte der Kaiser justinian seiner Gemahlin zu Ehren Theodoropolis. Dort lieferte i5q5 Michael der Bapfere den Türken eine .Schlacht, 18Ö4 siegte hier Omer Pascha über die Russen. Heute macht Nikopolis einen recht kläglichen Eindruck, es gelingt nicht, eine .Spur von Handel und Verkehr wahrzunehmen. Da sieht man keine Fracht- und Passagierwagen am Ufer, man bemerkt auch keine Bojarenpaläste, allein vergleicht man die strammen bulgarischen Soldaten (laläfatü-Widdin« mit den ernsten Turbanträgern, so gewinnt man die Ueber-zeugung, auch für Nikopolis müsse die Morgenröthe einer neuen Zeit gekommen sein. Nikopolis und Turnu-AIägurele, ein ungleich sauberer und netterer Ort, entschwinden gar bald den Blicken, der Strom windet sich an mehreren grossen Inseln vorüber, und man zeigt uns die Stelle, wo die Russen am 27. Juni 1876, zwei Uhr morgens in Kähnen den Donauübergang vollzogen. Infolge der Nachricht von der Anwesenheit der Ungläubigen auf dem rechten Ufer eilten mehrere türkische Bataillone von Nikopolis herbei, und es entwickelte sich ein Kampf, der den Russen 700 Mann, den Türken nicht viel weniger kostete. Die Gefallenen ruhen auf jenen kahlen Höhen; ein melancholischer Ort. Das ehemals türkische, jetzt bulgarische Sistow bietet nichts als Moscheen, Türken, türkische verschleierte Weiber, bulgarische Soldaten und Officiere, kurz den gewohnten Anblick. Er ist bei allen bulgarischen Orten der nämliche und erfährt nur eine Ausnahme in Rustschuk, dessen Inneres uns bereits bekannt geworden. Wer mit dem Schiff aus dem Westen heranfährt, der glaubt sich nach der Küste eines morgenländischen Meeres und in Sicht einer arabischen Stadt versetzt. Kahle Kalksteinhöhen, zahlreiche Moscheen und echt türkische Häuser begrüssen uns. Der 1 Eifen wirkt durch einige Neulinge des nassen Elementes besonders anziehend: Rustschuk fungirt als Station der bulgarischen Kriegsflottille. Ader oder fünf kleine Dampfer liegen ruhig vor Anker, ihre weissen Eissen glänzen im Sonnenschein, ihre gelben, schwarzen und blauen Aussenseiten geben den tückischen Ungeheuern einen munteren Charakter. Die Landungsbrücke von Rustschuk ciber bildet heute das interessanteste Stück Erde, welches wir je gesehen. Ein Ethnograph hat gar nicht nöthig, nach dem Orient weiter zu reisen. Hat er eine Stunde auf dem Verdeck des „Orient" gestanden, hinunterblickend in dieses Menschengewühl, so kann er ruhig- nach Hause zurückkehren. Vier Matrosen legen die sehmale Eandungsbrücke an, und es beginnt die Aus- schifTung. Drüben harrt ein bunter Menschenknäuel, um sich lawinenartig- aufs Fahrzeug zu stürzen. Zunächst winden sich wohl hundert Menschen hinaus. Buntfarbige türkische Trachten entschweben, modern gekleidete Juden und Jüdinnen mit Koffern und Kisten pressen sich durch, schreiende Kinder werden hinausexpedirt, stolze bulgarische Officiere schreiten ans Band, .Soldaten aller Waffengattungen folgen, endlich rückt ein ganzer Stamm von Albanesen nach Rustschuk hinüber. Wir fanden sie heute Morgen am Deck, wo sie sich über Nacht auf Grund von ungezählten bunten Decken und Teppichen häuslich eingerichtet hatten. Stämmiges, kühnes Volk, die Frauen oft recht hübsch und frisch, die Kinder sehr dick und kräftig. Kaum ist der ganze Haufe am festen Bande, so wird er reichlich ersetzt. Eine unheimliche Masse wälzt sich heran. Die türkischen Gepäckträger drängen sich schreiend mit ihrer Bast durch die Schiffsleute, ihnen folgen neue Soldaten, neue Hebräer, neue Türken und Albanesen, selbst türkische Frauen schwimmen im Gedränge daher. Wir aber danken Gott, dass wir hoch oben auf dem Verdeck stehen, denn da unten wechseln tragdkomische Scenen mit komischen ab. Den Andringlingen wirft sich nämlich ein Heer von Dienstmännern entgegen, bemüht, zahllose Kisten und Ballen ans Land zu schaffen. Jetzt will ein Türke an Bord, er trägt eine Wiege voll Tücher, ihm begegnet ein Bastträger mit einem Ballen zweimal so breit wie die Eandungsbrücke; der Türke muss zurückweichen. Eine eiseme Kiste auf der Schulter eines todesverachtenden andern Taglöhners zwingt eine Matrone zu seltsamen Windungen, einen Juden veranlasst sie zum Niederknieen, einem schaffellgekleideten Bauern reisst sie die Pudelmütze vom Kopfe. Geschrei, Edüche und Klägern durchzittern die Luft, nur einige türkische Frauen wandeln dicht verschleiert und kalt daher, als lägen sie daheim und träumten, oder als seien die starken Träger nur Steinfiguren. Unter dem Strom der Einwanderer zeigen sich gar seltsame Typen: hier sucht ein Mann einen Leierkasten g-anzbeinig an Bord Bucuresci. 2 15 zu bringen, dort kommt ein Vogelhändler daher, ihm folgt jemand mit Teppichen, hierauf überfluten allerlei Verkäufer den Dampfer und das Ufergelände. Obst, orientalische Messer, Pfeifen, d.'abak, Packwerk, dessen Appetitlichkeit erst festgestellt werden müsste, werden ausgeboten, unter dem Schwärm der Schacherer zeigt sich auch eine türkische krau. Sie hält Geldbörsen und Pantöffelchen in die Höhe, will man sich mit ihr verständigen, so muss dies freilich durch Zeichensprache geschehen, da die Gute ein schwarzes Tuch fest um den Mund gezogen, wodurch ihre Rede einem räthselhaften Brummen gleicht. Am Ufer sitzen drei andere Weiber, schwarz gekleidet, Kopf und Gesicht mit weissen Tüchern derart verhüllt, dass nur die Nase und die Augen sichtbar. Sie starren herüber und freuen sich offenbar gleich dreissig auf einer Anhöhe hockenden Soldaten des peinlichen Gedränges, in dem sich ihre Nebenmenschen befinden. Nach einstündigem Aufenthalt stösst der „Orient" ab, um uns in (fiurgiu ans Band zu setzen. Gegen Mitternacht treffen wir auf dem Filaretüer Bahnhof von Bucuresci ein; leider sind diesmal wohl Gepäckträger in genügender Anzahl, doch kein Fiaker zu haben. Wie arme Waisenkinder halten wir zu mitternächtiger Stunde Zwiegespräche mit den Sternen und einigen schadenfrohen Gepäckträgern, bis eine erlösende Birjä heranrasselt. 6. Bucuresci im Herbst und Winter. Nochmals die Chaussee KisselefT. — Erziehungsmethoden und Rathschläge. Ein Tag in Bucuresci. Auf der Piata. — Doamna Balasa und die Metro-polie. Asyl Elena. Museum und Standbilder. — Theater, Concertc, Balle. - Deutsches Element. Einwanderung. — Russisches und russische Soldaten. - Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der Herbst ist in diesem Jahre nicht der wohlgefällige Jüngling, als den ihn die Bucurescler Schönen kennen. Eine Woche lang erschien er in gewinnender Anmuth, dann jedoch zeigte er ein gänzlich ungewohntes, mürrisches Gesicht. Eine undurchdringliche, gleichmässige graue Decke verhüllte den Himmel, eine Kälte wie im Marz beherrschte die Welt, den halbbekleideten Bettler belästigend. Die vornehmen Damen schlüpfen bereits in ihre herrlichen Brocatmäntel, einige tragen Muff und kostbare Pelzjacke. Mit der Chaussee KisselefT ist eine bedeutende Veränderung vor sich gegangen. Die stattlichen Eindenbäume überschütten nicht mehr wie sonst die elegante Welt mit ihren lieblichen Blüthen, sie stehen trauernd da, bedrängt von dem rauhen Winde; ihr schöner Blätterschmuck bedeckt zum Theil den Erdboden, zum anderen Theil hängt er lebensmüde und in verschiedenen Farben schillernd an den Zweigen herab. Auf allen Seiten hat jene Herz und Auge erquickende Laubwand fallen müssen, welche im Sommer so verlockend winkte und mehr wie einem Liebespaar Nochmals die Chaussee Ivisselell. 2 I / willkommenen Schutz geboten haben mag. Die Zahl der Besucher erscheint an Wochentagen sehr gering. Einige graziöse Damen mit natürlich gerötheten Wangen prome-niren an der Seite ihrer Galans, ein Dutzend Equipagen oder Birjen rollt auf und ab. Am .Sonntag ändert sich freilich das Bild. Wagen auf Wagen rasselt durch die Calea Victoriei, Hunderte von ihnen tummeln sich zwischen dem ersten und zweiten Rondeau der Chaussee. Allein an Spaziergängern herrscht selbst dann noch Mangel und die distinguirten Bahrgäste luiben nicht nöthig, ihre Blicke anderswohin zu richten als auf die prachtvollen Rosse, die ihres Gleichen in der Welt suchen, und auf die Mitglieder der höchsten Gesellschaft Will ein Fremder mit einem Male die bedeutendsten und bekanntesten Bersönlichkeiten, als da sind Minister. Fremde, Gesandte, Senatoren, sowie die tonangebenden und schönsten Damen der Bucurescier Gesellschaft mustern, so mag er sich nur zur Chaussee begeben. Seine Wissbegierde wird Befriedigung erfahren, und dies um so mehr, als das Haupteontingent der Reichen anlässlich der Wintersaison nach der Hauptstadt zurückgekehrt ist. in jener zierlichen Reiterin erkennen wir eine bekannte Bojarin, diese kühne Rosselenkerin hat ihren Mann bereits drei Mal nach sehr stürmischen Scenen verlassen, eine dritte auffallende Schönheit gehört zu den vielbesprochensten Damen der Demimonde. Bezeichnend dürfte es übrigens für die rumänische Gesellschaft sein, dass man derartige Geschöpfe als vollwerthig betrachtet und von ihnen ganz ernsthaft spricht. Falls es einem Advocaten oder Officier beliebt, sich mit einer solchen Dame zu assoeiiren, nimmt kein Mensch daran Anstand, sie in Gesellschaft einzuführen. In den Badeorten trifft man jährlich einige Dutzend kecker Abenteuerinnen, und um die Originalität zu vollenden, schalten und walten sie daselbst in tonangebender Weise, Ueber die Gesammtheit der Chausseebesucher liessen sich Romane schreiben, an denen ein Mensch 10000 Jahre zu lesen hätte, die Toilettenschilderung allein müsste Hunderte von Bänden füllen. Niemals mangelt es an sauberen [ listörchen, welche theils einen tragikomischen, theils einen recht erheiternden Eindruck hervorrufen. Daneben flattern allerdings auch ernste Episoden von Mund zu Mund, sie verkünden, dass in einer kleinen Provinzstadt ein weiss-haariger 1 lerr bei einer jungen Frau vom Ehegemahl derselben in flagranti ertappt worden sei, dass die jugendliche Schöne ihren Ehegemahl auf Geheiss des Galans habe vergiften wollen, dass kürzlich wieder ein hochgestellter Beamter seine theure Hälfte im Wagen seines Busenfreundes unvermuthet auf der Chaussee KisselefT getroffen und dergleichen mehr. Doch genug davon, das Alles sind eigentlich doch nur Dinge, die sich in anderen Bändern gleichfalls ereignen. Die Chaussee Kisseleff bildet auch in anderer I linsicht das interessanteste ethnographische Schaukästlein des Bandes, das Studienfeld des Romanciers und Dramatikers. Die Entdeckung, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, bleibt nicht erspart. Alle Welt kennt beispielsweise jene schlanke, künstlich verschönte Dame mit der wundervollen blauen Brocatdecke. Man bezeichnet sie als die dichter des bekanntesten Bucurescier — Edeischermeisters, eine in Bucuresci sonst seltene Seitenfigur zu dem Wiener Brater- und Ringstrassenleben. Nicht lange wird es übrigens währen, und die Schönen können mit dem Eiebhaber vom Schlitten aus liebäugeln, der Winter wird sich streng herabsenken, die Chaussee mit fusshohem Schnee bedecken und die Birjars müssen sich in ihre kostbaren Pelze hüllen. Dann heulen die Wölfe da draussen beim Wäldchen Bäniasa am Emde der Chaussee, und das winterliche dVeiben währt bis zum April. Im letzten Jahre sind sogar die Wölfe noch im Juni in die Meierei von Wotsch eingefallen. Und nun genug von der Chaussee. Sollte es vielleicht den Einen oder den Anderen bedünken, als würe es unsere Absicht, die Regeln der Galanterie zu verhöhnen und die gesammte elegante Damenwelt Rumäniens zu erbittern, so sei bemerkt, dass ein Irrthum vorliegt. Die Skizzirung der Erziehungsrnethoderj und Rathschläge. 2 19 Mäng-el der rumänischen Damen geschah nur, um ihnen selbst einen Spiegel ihres eigenen Ichs entgegenzuhalten, und um auf Grund dessen den .Schönen und ihren Erziehern einige Winke behufs Besserung zu ertheilen. Alle beabsichtigten Behren lassen sich in einem einzigen Rathschlage zusammenfassen: Man trachte im ganzen Lande und \ in allen Verhältnissen darnach, das bisher als Vor-bild verehrte französische Wesen endgültig durch das deutsche zu ersetzen. Derartige Worte dürften in Rumänien vielfach verächtliches Achselzucken und die Meinung hervorrufen, sie seien nur deshalb gefallen, weil Schreiber dieses ein Kind des neuerstandenen deutschen I Reiches ist. Allein wir urtheilen vom Standpunkte des j Kosmopoliten und haben die Kehren der Geschichte ins Auge gefasst. Französischer Luxus und französische Sitten-verderbniss können nicht als empfehlenswerthe Lehrmeister bezeichnet werden, sie vermögen es nicht, ein sich entwickelndes Volk zu erziehen. Dagegen sollte man sich im Orient an der Herausarbeitung des preussischen Polens ein Muster nehmen. Der grösste Deutscht- aller Zeiten, jener Philosoph und Feldherr, der seine Krone auf die Spitze seines Degens setzte, um in siebenjährigem verzweifelten Ringen ganz Europa zu widerstehen, er wusste am besten, wie man den Geist eines Volkes erweckt. Er hatte nicht nur gleich seinen Ahnen dem wilden Adel der Mark und Pommerns Gehorsam gelehrt und ihm gezeigt, wie es höchste Pflicht und Ehre sei, in selbstloser Aufopferung für das Vaterland zu sterben, sondern auch einen weisen, tadellosen .Staatshaushalt geführt. Und als das Alter herannahte, seine schwere Hand auf den Greis legte und dieser seine Tage still verbrachte, unermüdlich an dem Ausbaue des preussischen Staates, dem grössten Werke der modernen Staatengebilde, schaffend, da wurde ihm die schöne Mission zu theil, verwahrloste, sumpfartige neuerworbene Gebietsteile zu cultiviren. Der preussische Schulmeister und der preussische Unterofficier thaten wahrt1 Wunder, sie verrichteten dieselben nicht schnell, geräusch- voll und glänzend, sondern still, langsam, aber nachhaltig. Ahnliches würde dem rumänischen Volke frommen; der französischen Übercivilisation und Sittenverderbniss müsste gänzlich der Ldnfluss entzogen werden, tüchtiges, gediegenes, ruhiges Wesen und gründliches, planmässiges »Schaffen an seine Stelle treten. Dabei wäre jedoch das eigene nationale Leben zu wahren, und treffliche Männer, wie der Bruder des gegenwärtigen Cultusministers Herr (feorgius Alexander Stourdza auf Micläuseni, könnten als leuchtendes Beispiel dienen. Der genannte, geistig so hochstehende Mann hat es bisher vermieden, sich dem Staatsdienst in der Hauptstadt zu widmen, er hat mit scharfem Blick erkannt, dass dem Staate vor allem Beute noth thun, die auf dem offenen Bande freudig schaffen, daran arbeitend, durch ihr eigenes Beispiel Menschen und Verhältnisse zu veredeln. Was die Erziehung des schwachen Geschlechtes anbelangt, so kann selbstredend nicht von einer Umbildung der jetzigen Generation die Rede sein, allein die in unserer Generation herrschenden Schönen sollten sich mit den Erzeugnissen des deutschen Geistes bekannt machen, statt alles Germanische mit dem einzigen verächtlichen Worte: Nemfoaicä abzuthun, sie sollten auf Grund der vorzüglichen Übersetzung Negruzzis von Schillers -Stücken den Gehalt derselben mit dem der leichten französischen Operetten oder Ediebruchsstücklein vergleichen und dann erst die Erziehungsmethode ihrer Töchter feststellen. Ihnen kann das Studium in französischen Pensionaten unmöglich vor-theilhaft sein, weit räthlicher wäre es, die Kinder nach guten deutschen Anstalten zu entsenden und ihnen statt des I^ächers — o wie prosaisch — lieber den Kochlöffel in die Hand zu drücken. Dadurch würde das Bernd einen schätzenswerthen Mittelstand und eine geistig vornehme, tüchtige Aristokratie erhalten, in Verlust geriethe dabei nichts, höchstens dürfte die nächste Generation um einige Ediebruchsgeschichten und andere pikante Episoden ärmer sein. Das gesteigerte Eieranziehen deutscher Gouvernanten müsste einen wesentlichen Edictor der neuen Entwickelung Erziehungsmethoden und Rathschläge. 2 2 1 ) bilden, wobei den blonden Töchtern Germaniens die Annahme einer Gouvernantenstelle in Rumänien nur empföhlen werden könnte. Sie vermöchten daselbst ihren Gesichtskreis zu erweitern und erhielten bei anständiger Behandlungvorzügliches Salair. Der bekannte Artikel des Karl Emil Franzos, in dem er die rumänischen Bojaren als mordlustige Don Juans schildert, ist als elendes Gesudel aufs schärfste zu brandmarken;, wer wirklich bisher tadellos gelebt, kann das auch in Rumänien ungestört fortsetzen, übrigens steht es ja ängstlichen Gemüthern frei, sich bei den deutschen Geistlichen Rumäniens über dieses oder jenes Bojarenhaus zu erkundigen. Ein zweiter Factor wäre das veränderte Programm vieler Eehranstalten. Uns will es bedünken, als hätte man bisher in Rumänien viel zu wenig für die körperliche Ent-wickelung der Jugend gethan. Grazie ist beiden Geschlechtern niemals abzusprechen, wohl aber Kraft, die mit ihr zusammenhängende Geschicklichkeit in körperlichen Uebungen, die auf beiden beruhende Lust zur Arbeit und die Fähigkeit der,Selbstbeherrschung. Man trifft Ehemänner, die da klagen, dass sich ihre Frauen unglücklich und krank fühlen, weil sie nicht die Kraft und den Willen besitzen, sich die Zeit durch Bewegung in Blaus und Feld zu kürzen. Solche Uebelstände, eheliche Unzufriedenheit und krankhaftes Aussehen — letzteres bedingen Klima und Race nur theilweise, da die rumänische Bäuerin blühend daher-wandelt — sie würden verschwinden, wenn man mehr auf vernunftgemässe, systematische Ausbildung der Muskeln geben wollte, was sich wiederum am ehesten durch fleissiges 1 urnen beider Geschlechter erreichen lässt. 1 )och das I Urnen, eines der Zaubermittel, durch welches in schweren Zeiten das preussische Volk seinen Unterjocher bezwTang, seheint leider sehr wenig nach dem Geschmack sämmt-licher osteuropäischer Völker zu sein. Auch die Lebensweise nach italienischer Art müsste eine Aenderung erfahren. Solange das späte Aufstehen in Gebrauch bleibt, wird man die beste Kraft zur .Arbeit ein- büssen. „Morgenstunde hat Gold im Munde", man erhebe sich frühzeitig und man wird finden, dass sich die in der kühlen, belebenden Luft des Morgens entstandene Arbeit nicht nur dreifach so schnell vollenden lässt, wie die des sclrvvülen Tages, sondern dass sie auch jene an Güte weit überragt. Wahnwitz wäre es, das süsse Hineinleben in die Nacht gänzlich verurtheilen zu wollen, es ist unleugbar durch das Klima vorgeschrieben, es möge abgekürzt auch weiterbestehen, nur ruhe man zum Ersatz für die Morgenstunden während des Tages. Die Befolgung aller dieser Rathschläge dürfte jedenfalls auch eine Verringerung der jetzt enormen Zahl von Ehescheidungen zur Folge haben, und es würden dann vielleicht sogar Heiraten aus Liebe möglich sein! Gegenwärtig staunt man derartige Verbindungen an, in der Regel vereinigt man sich aus Neigung zum Luxus, auf Wunsch der Eltern, weil man nicht mehr jung ist und fürchten muss, sitzen zu bleiben, oder weil man sich — langweilt. Wir empfehlen daher derartige Betrachtungen allen gebildeten Rumänen und hoffen von ihrem anerkannten Gerechtigkeitssinn, dass sie darin keine Beleidigung ihres Volkes erblicken, sondern nur den Wunsch, ihnen zu dienen und zu nützen. — Unternehmen wir an einem kühlen Herbsttag einen Rundgang durch die mächtig sich entwickelnde Hauptstadt des Bandes, um endlich einmal, unbeengt durch geisttödtende sommerlicht! Schwüle, ihre Sehenswürdigkeiten gründlich kennen zu lernen! Dicht beim Centrum der Stadt findet man die Piafä, den grossen Marktplatz von Bucuresci Ihn zu betreten ist doppelt interessant, da er, wie alle orientalischen Märkte, ein werthvolles ethnographisches Studien-feld darstellt und sich ausserdem erfreuliche Vergleiche mit den schmutzigen Judenmärkten von Jasi, mit dem winkeligen Griechenmarkt von Galati und dem ländlichen Treiben auf den Plätzen von Dragäsani und Craiova ergeben, liier, das gewahren wir auf den ersten Blick, ist Alles grossstädtisch geordnet und sauber. Ein Tag in Bucuresci. 223 Noch lag-ert der Frühnebel aui den Ufern der Däm-bovifa, und schon herrscht auf dem weiten Territorium das regste Leben. Alltäglich wird Markt gehalten, alltäglich werden sämmtliche Nahrungsmittel und sonstige Bedürfnisse des Haushaltes gegen klingende Münze umgesetzt. Betritt man das Operationsgebiet der Köchinnen, der Mägde und einzelner praktischer Ehemänner von der inneren Stadt aus, so stösst man zunächst auf einen von Häusern und von einer Kirche umschlossenen viereckigen Platz. Eine Seite desselben ist charakterisirt durch eine Reihe von Baden, wo Schuhe und Stiefeln in allen erdenklichen Grössen und zu beliebigen Preisen feilgeboten werden, auf der entgegenliegenden Seite dagegen sieht es viel mannigfaltiger aus. Bunte böhmische Wolltücher, Nationalhemden, Leinwand und Gott weiss was alles paradiren in zehn Localen, das Passiren dünkt gefährlich und wird von einem Fremden nur einmal vollbracht, denn vor jedem Baden haben sich zwei oder drei Juden postirt, die sich redlich bemühen, mit deutschen oder rumänischen Zauberdeclamationen den Fremden zu verführen. Auf dem Platze selbst finden wir ringsumher hölzerne Buden, in einer Gruppe derselben prangen Schuhe, Schuhleisten und ganze Armeen von .Sandalen, einen ekelhaften Geruch verbreitend; in einer anderen werden Pudelhauben veräussert, weisse, schwarze und braune; weiter oben kann man Siebe, Besen, Fässer und hölzerne Behälter erstehen. In der Mitte der Piafä aber residiren Händler mit Hühnern und Tauben} sowie hinter einer Reihe primitiver Stände bejahrte Mitglieder der Damenwelt nebst nationalen I lemden, Strümpfen, Bändern und Bein wandstücken. Bedauerlicherweise sind der Käufer nur wenige, der Platz ist ziemlich verödet. Ganz anders verhält es sich in den anstossenden Gässchen. Diese leiten auf den grossen Platz am Ufer der Dämbovita hinaus und ähneln einem ewigen Jahrmarkt. Da windet sich stets ein zahlreiches Völkchen durcheinander, die Herrlichkeiten der jüdischen Händler betrachtend und ihren ohrenzerreissenden Ruf überhörend. Wachskerzen, I. Theil. Eitie Reise durch das Land. dunkelbraun und schlank, Seifen, Portemonnaies, Tücher, grell, dass einem die Augen überlaufen, Bürsten, Spiel-waaren, Messer, wundervolle Bleiligenbilder sollen die Menge verführen, dazwischen heult ein Slovake, um seine Draht-waaren zu veräussern, und wandelt stumm und langsam wie der (feist von Hamlets Vater ein Bretzel Verkäufer daher. Am Ausgang der (fasse hocken die Blumenweiber, keineswegs Blumen zu vergleichen, aber wenigstens Kränze und anspruchslose Bouquets feilhaltend. Vor ihnen breiten sich die leinwandgeschützten Stände aus, unter denen die lieben Köchinnen rothe Paradeisäpfel, grüne Paprikaschoten, verlockende Gurken und Fisolen, grosse Zwiebelkränze und sorgfältig übereinander gelegte Erdäpfel um billigen Preis erwerben können. Es gewährt wirklich ein grosses Vergnügen , durch diese Reihen zu wandeln und sich am Anblick der wunderbaren, schönen Bodenerzeugnisse zu erquicken, welche so recht einen treuen Beweis für die gesegnete Fruchtbarkeit des Bandes bieten. Neben den Ständen ragt die Eleischhalle empor, ein stattliches Gebäude, bei dem man hohe Fenster nicht gespart hat. Bin Blick ins Innere belehrt uns, dass man zwar auch hier die Kunst noch nicht erlernte, das Fleisch in geschmackvollen Stücken zu präsentiren, allein es ist doch ebensowenig zu leugnen, dass die Waare viel appetitlicher als in den Pro-vinzstädtchen auftritt. Früher wäre man freilich schwerlich zu solchen Betrachtungen gelangt, weil damals die Ochsen und andere Schlachtopfer gleich hinter der Halle abgethan wurden, und ihr Gebrüll und ihr Blut unbedingt starke Nerven des Beschauers voraussetzten. Heutigentags denkt man daran nicht mehr, der betäubende Eärm der Käufer und Verkäufer dagegen hat sich erhalten. Er ist von solcher Stärke, dass man wahrhaftig meint, man befinde sich an der Wiener, Berliner oder Hamburger Börse oder was dem hinsichtlich des Lärmes gleichkommt, in einem Irrenhause, wo tausend Tobsüchtige in Streit gerathen und sich gegenseitig mit Todtschlag bedrohen. Ungleich anmuthiger und friedlicher nimmt sich ein Auf der Piatä. 225 viel kleineres Bauwerk aus, in dem die köstlichsten Erzeugnisse des Bodens nebeneinander auftreten. Ein jedes Eocal dient einem Obsthändler, der seine Waare amphi-theatralisch in 10 bis 12 Reihen aufgestellt hat; das köstlichste Obst und das feinste Gemüse leuchtet dem Promenirenden entgegen. Am anderen Ende der grossen Fleischhalle liegt das Reich derjenigen Staubgeborenen, die ihre Nebenmenschen mit Holzkohle, Kraut, Möhren, kolossalen Paprika- und Zwiebelmengen, mit Sämereien, Kukuruzmehl, mit Geflügel, Edschen und Pästramä zu beglücken wünschen. Der letztere Artikel ist ein specifisch orientalischer. Er besteht aus dünnen, schwarzen, lederartigen Stücken, die sich bei näherer Besichtigung und Beriechung als getrocknetes, an der Sonne gedörrtes, mit Salz und zerquetschten Ediegen besetztes Schaffleisch entpuppen. Armen Beuten dient diese Sorte Edeisch als beliebtes Nahrungsmittel. Der entlegenere ddreil des Marktplatzes sieht weniger gefällig aus, es hat den Anschein, als könnte man hier bei Regenwetter den einen oder den anderen Stiefel vergessen. Dagegen fehlt der Humor im Gewühle der Biatä keineswegs. Zwei edle Damen pflegen seiner, die eine sitzt stumm und starr wie Bots Töchterlein auf einem Steine. Mit beiden I landen hält sie einen Besen empor; die andere hockt hinter einer Reihe von verlockend ausg-ebreiteten — Elaar-zöpfen. vSie scheint jedoch zu schlummern; solche Artikel vertragen es nirgends, an die grosse Glocke gehängt zu werden. Unweit der Beiden hat sich ein fliegender Buchhändler etablirt, er beglückt das Volk durch Gebetbücher, Kalender und sonstige Herrlichkeiten. Auf dem anderen Ufer der Dämbovita treffen wir auf das herrlichste Baudenkmal, welches sich unsere Generation rn Rumänien errichtet hat. 1 )as Gotteshaus Doamna Balasa ist ein Werk, das die rumänischen Schriftsteller mit vollem Recht nicht hoch genug preisen können. Die Kirche gehört 2u den wohlthätigen Stiftungen der Familie Brancovanü Bergner, Rumänien. '5 und steht inmitten der köstlichsten Gartenanlagen neben dem Brancovanü-Spital und dem gleichnamigen Asyl. Aeusserst gewinnend wirkt schon beim Herantreten ein Teppich von bunten Blumen, die in Form und Farbe das Wappen des Landes in riesiger Ausführung zeigen. Das Gotteshaus wurde im reinsten byzantinischen Stil erbaut und entzückt gleich seinen vier Thürmchen das Auge durch die Reinheit seiner Linien. Die grösste der vier Facaden ist mit einem Ehrenportal geschmückt, im maurischen Stil gehalten, und durch vier Säulen aus grauem Stein von Cämpina chamkterisirt. Ueber der Thür befinden sich Darstellungen der beiden Patronatsfeste: der Himmelfahrt und der Taufe Christi; die grosse vergoldete Thür zeigt die Bilder der Apostel Peter und Paul. Im Innern vereinigt sich die höchste Harmonie der Bauformen mit dem grössten Buxus der Einrichtung und den werthvollsten Deckengemälden, um den Fremden in sprachloses Entzücken zu versetzen. Die von München bezogenen Glasmalereien stellen die Apostel und die Mitglieder der fürstlichen E'amilie Brancovanü dar, der Chor, die ddironsessel des Königspaares und des Metropoliten sind aus Eichenholz gefertigt, mit rothem Sammet überzogen und gleich dem Ikonostas und den religiösen Geräth-schaften reich vergoldet. Das .Schiff der Kirche bildet die Form eines griechischen Kreuzes, es erinnert somit ein die Kathedrale von Curtea de Argesü. In einer Nische zur Rechten nimmt man ein schön ciselirtes Mausoleum aus carrarischem Marmor wahr, die sterblichen Reste der frommen Stifterin, der Prinzessin Brancovanü, enthaltend. Die Sculptur rührt von Georgesco her und besitzt eine erhebende allegorische Idee. Ein Weib, die Wohlthätigkeit, weiht über einem Sarge, über dem ein schwebender Engel eine zierliche l'afel hält, geschmückt mit den in goldenen Bettern eingravirten Namen Brancovanü. Bilder und Kunstarbeiten sind in vielen Fällen nach berühmten Meistern entstanden. Die Kreuzabnahme an der Decke, von dem Ausschmücker der Wiener Votivkirche gemalt, wurde nach Rubens, das Abendmahl nach Leonardo da Vinci, die Mutter (fottes nach Murillo geschaffen. Doamna Balasa. Ein Luit, aus Kupfer ciselirt, hält das Bild des Tages-patrones, ihm zur Seite prangt eine Marmortafel für das heilige Brod und die Coliven. Ausser den imponirenden Kronleuchtern sind kleinere silberne Lampen vor Heiligenbildern vertheilt, ihre (fesammtheit wirkt am Abend über- 15* wältigend. Das Innere der Sakristei enthält alte Stickereien, sowie Messgewänder, deren Gold, Silber und Brocatmassen einen gewaltigen Reichthum repräsentiren. Das Fesselndste bleibt natürlich der Ikonostas; mit Gold und Pretiosen überladen, bietet er einen feenhaften Anblick dar. Tritt man aus der Doamna Balasa, um die übrigen Kirchen Bucurescis zu mustern, so vermögen diese erklärlicher Weise nicht mehr das Entzücken des Besuchers wachzurufen. Die Metropolitankirche ist zwar sehr gross, bietet aber nichts Besonderes, der denkwürdige Coltathurm, erbaut von den tapferen Kriegern Karls XII., verfällt, die Särindarükirche neben dem Boulevard zeigt Risse und Sprünge, soll abgetragen werden und steht verwaist, die Kirche St. Spiridonü (erbaut von Mircea dem Alten, 1387 bis 1419), wo ehedem die Fürsten gesalbt wurden, muss restaurirt werden, und es bleiben einzig und allein die protestantische Kirche und die römisch-katholische Kathedrale St. Joseph als stattliche Bauwerke übrig. An historischem Werth kommen sie freilich jener kleinen Capelle an derDämbovita keineswegs gleich, die als Bucurü-Capelle an den flirten Bucurü, den angeblichen Gründer von- Bucuresci, erinnert. Viele wollen die Gestalt dieses Vielgenannten in das Reich der Sage verweisen, belmuptend, der Name des Ortes rühre her von „Stadt der Ereude" oder ,,Stadt der guten Herzen". Sie meinen, seit uralten Zeiten seien hier in der (fegend des römischen Einums Blockhäuser für Kriegszwecke errichtet worden. Gewiss ist, dass Bucuresci seit 1387 als AVinteraufenthalt der Fürsten, seit Emde des 17. Jahrhunderts als ständige Residenz und Hauptstadt der Walachei diente, drotz alledem erscheint die Geschichte des Ortes bis zum 17. Jahrhundert dunkel, wie denn überhaupt die Historiker Rumäniens noch manches harte Stück Arbeit zu bewältigen haben, obgleich die hochverdiente Akademie durch ebenso umfangreiche als werthvolle Publicationen sich bereits grosses Verdienst erworben hat. Von den kleineren Kirchen des inneren Viertels erregt besonders die Kirche Stavropoleos grosses Interesse. Sie stellt ein winziges Bauwerk dar, ist aber vermöge ihrer herrlichen Ornamentik ein wahres Schatz-kastlein. Die Metropolitankirche verdankt ihre Berühmtheit einer verzüglichen Ausschau. Zu ihr gelangen wir' von der Doamna Balasa aus. Zunächst gilt es, einige unmittelbar an die Dämbovita anstossende Strassen zu überwinden, die uns denn doch einigermassen an den Orient erinnern, und bei deren Betreten man sich kopfschüttelnd fragt, ob man wirklich in der Stadt der Chaussee Kdsseleff, des Boulevards und der Calea Victoriei weilt. Das Pflaster ist holprig, die Düfte sind trotz der Herbstluft nicht immer wonnig, die Häuser oft originell. Eines zeigt man uns, welches vor Decennien eine türkische Kaserne war. Der grosse, schmutzige Hof des Gebäudes liegt jetzt unbelebt, das Haus dient Proletariern zur Wohnung. Nach kurzer Zeit schreiten wir an den Ruinen des Bibesco'schen Palastes vorüber und die gutgehaltene E'ahrstrasse der Metropolie hinan; bald breitet sich rechts und links das anmuthigste Panorama aus. Dank dem Umstände, dass die Metropolie nicht allzufern dem Centrum der Stadt, beherrscht man von hier aus den grössten Theil Bucurescis. Soweit das Auge reicht, ein gewinnendes Häusermeer, meist aus weissen, braunen und gelben Gebäuden zusammengesetzt. Die Zahl der (fürten, welche das Bild verschönen, muss als eine bedeutende bezeichnet werden, dasselbe gilt von stattlichen Häusern, welche sich gdeich Eeldherren über die gewöhnlichen Krieger emporheben. Kirchen steigen allerorts herauf, ihre Thürme und Dächer flimmern und funkeln im Sonnenschein, dass es eine wahre Lust ist, rechts aber zeigt sich ausserhalb der Barriere das grosse Zuchthaus Vacaresci, umfangen von lieblichen Weinbergen und Bäumen. Kein Lärm dringt herauf, nur Mittags zwölf Uhr würde ein von der Eieblichkeit des Panoramas Bezauberter unliebsam aus seinen dräumereien geweckt werden. Jene kleine Kanone, welche neben uns verborgen durch einen schützenden Holzkasten steht, gibt um diese Zeit einen Schuss ab. Die Stellung des Zündloches des rebellischen Ungethüms wird nämlich täglich anders gerichtet, zur Mittagsstunde fallen die Sonnenstrahlen darauf, und das Geschütz entladet sich. Auch im Winter dürfte kaum die jetzige idyllische Ruhe herrschen. In dem langen ebenerdigen Gebäude dort tritt das Parlament zusammen, um über Wohl und Wehe von Stadt und Land zu berathen, und ohne nun die Herren irgendwie haranguiren zu wollen, ist doch anzunehmen, dass auch sie nicht völlig den so gebräuchlich gewordenen parlamentarischen Lärm vermeiden werden. Ein Brand verwüstete vor einigen Jahren das innere des Gebäudes, die dadurch verursachten Reparaturkosten beliefen sich auf iöoooo [.ei. Neuerdings hat man beschlossen, das unschöne Haus gänzlich zu verlassen und in der Strada Plevnei ein Prachtparlament für Senat und Kammer um den Preis von r5 Millionen Bei zu errichten. Nachdem wir noch einen Blick in den Garten des todten Metropoliten, der ein ausserordentlicher Idebhaber überseeischer Ziervögel war, geworfen, sagen wir dem entzückenden, von einem kräftigem blauen 1 ierbsthimmel überspannten Panorama Valet und wandeln wieder hinunter in die Tiefe. Zunächst führt unser Weg durch unerquickliche Gassen, sie bilden das sogenannte 'Ididescu-Viertel, in dem eine grosse Anzahl deutscher Handwerker vegetirt. Während die Rumänen es lieben, eine elegante Wohnung inne zu haben, selbst wenn dadurch ihre Nahrung eine erbärmliche werden sollte, fühlen sich die guten Bandsleute in feuchten, ungesunden Quartieren solange ganz behaglich, bis ihnen der Genuss einer Pfeife und die Möglichkeit, sich zuweilen einen ordentlichen Rausch anzechen zu können, gänzlich fehlt. Und das Letztere geschieht leider nicht selten: noch für zehn Bani vermag- sich der Arbeiter eine genügende Menge Spiritus zu erwerben. Die berührten Stadttheile zeigen oft alte l läuser, deren Dächer nach türkischer Art mit runden Ziegeln belegt sind. Die ganze (fegend ist in jeder Hinsicht verwahrlost, und das wohl deshalb, weil hier keine Bojaren wohnen, denen zu Biebe man die Strassen reinigte. Immerhin hat die gute alte Zeit manches Geschenk hinterlassen, um das die Bojaren die Handwerker beneiden könnten, so besteht beispielsweise der Dachstuhl der alten Baracken aus gutem, dauerhaftem Eichenholz. Eine Badeanstalt wird uns gewiesen, ihr dient freilich das Wasser der Dämbovita zur Füllung, während im Bade der Ephorie filtrirtes Wasser zur Verwendung gelangt. Weiterhin begrüssen uns die Umrisse eines Gebäudes, dessen Vollendung jeder enragirte Bucurescier schon längst herbeigesehnt:* ein eleganter Circus, allen Anforderungen der Bequemlichkeit und des Sports genügend. Der Bau soll 5ooo Zuschauer fassen können und allen wandernden Künstlern, besonders deutschen Operettengesellschaften, die Sorge um Dach und Fach benehmen."') Von drüben, vom andern Ufer des Flüsschens winkt das dreistöckige Hotel de France und das Districtsgebäude von Ilfovü herüber, weiterhin präsentirt sich die Staatsdruckerei. Ein flotter Birjar bringt uns im Fluge aus dem Bannkreise der Dämbovita fort und zu Opplers Colosseum hinauf. er Name seines Gründers und Besitzers hat nicht nur in der deutschen Colonie einen guten Klang, sein Etablissement dient auch oft vielen Nichtdeutschen zum Vergnügen. Ein hübscher Saal eignet sich für Bälle, Hochzeiten und sonstige Familienfeste, und tritt man zum obersten .Stockwerk des Hauses hinaus, so gewahrt man sich in einem auf einem Hügel gelegenen Garten. Hier sitzt es sich an warmen Sommerabenden bei den Klängen einer Rosiori-Capelle ganz angenehm, wozu das Opplersche Bier wesentlich beiträgt. Uebrigens hat der Besitzer einen recht unliebsamen Concurrenten erhalten. Derselbe ist ein *) Leider hat inzwischen, Mitte Januar 1887, eine Feuersbrunst das Schöne Gebäude zerstört; ihr folgte acht Tage später eine zweite, der das 'imposante Grand Hotel Boulevard, das schönste Haus von Bucuresci, zum Opfer fiel. Namensvetter des grossen Eislebener Reformators und scheint mit diesem eine gewisse Pfiffigkeit gemein zu haben. Gleich vielen anderen Ausländern kam er arm wie eine Kirchenmaus nach Bucuresci, um zunächst sein Bier in einem einfachen Bottich zu brauen. Bandsleute besuchten ihn und tranken eines Abends seinen ganzen Vorrath weg. Das Resultat rief in der deutschen Colonie allgemeine Freude und grenzenlose Bewmnderung für die wackeren Zecher hervor, und man versuchte seitdem unermüdlich, den Keller des gedemüthigten Brauers zu leeren. 1 Eerr Pfiffikus machte gute Miene zum bösen Spiele, dabei sehr wohl seine Rechnung findend. Unweit des Opplerschen Gartens erhebt sich auf einem sanften Hügel die neue Officiersschule, ein stattliches, freundliches Bauwerk, welches wir indessen bei unserer Weiterfahrt links liegen lassen, um zur Stadtbarriere hinaus zu dringen. Einige Minuten fahren wir auf einsamer Strasse dahin, wobei sich eine grosse Cementfabrik zeigt, in der alles Mögliche, von den ordinärsten Ziegeln und Krügen angefangen, erzeugt wird, dann halten wir vor einem in ernstem Styl aufgeführten Gebäude. Das ist das Asyl Elena, ein edles Werk edler Menschen. Bereits im 18. Jahrhundert vermachte der fromme Metropolit Edlaretü ein bedeutendes Vermögen zum Besten der armen Waisenkinder, allein für dieselben wurde nie recht gesorgt, so dass es der hochherzigen Gemahlin des Fürsten Cusa vorbehalten blieb, tausend Dukaten zum Bau eines Waisenhauses zu spenden und im ganzen Bande Sammlungen zu veranstalten. Der Generalarzt Dr. Davila, selbst ein Kind der Biebe, übernahm mit seiner gleich edlen Gemahlin die Leitung dieses Hauses des Friedens und der Civilisation, er führte dieselbe bis zu seinem I linscheiden in vorzüglichster mild-thätigster Weise. Als Fürstin Elena das Land verliess, trat wohl eine empfindliche Bücke ein, indessen hat sich ein voller Ersatz gar bald ergeben Dem edlen Sinne einer Carmen Sylva musste eine solche Schöpfung- der Menschenliebe volle Sympathie abringen, Ihre Majestät übernahm Asyl Elena. das Protectorat, und der Ausbau des Asyles wurde vollendet. Das Innere des mit zwei Seitenflügeln versehenen Hauses ist jetzt ebenso zweckmässig als sauber eingerichtet. Gegen 300 weibliche Zöglinge weilen im Institut, die jüngsten drei, die ältesten achtzehn Jahre alt. Alle werden in weiblichen Handarbeiten und in fremden Sprachen, viele auch in Musik und Malerei unterrichtet, ausserdem hat man eine grosse Anzahl zu barmherzigen Schwestern herangebildet oder sie verheirathet, im letzteren Falle also vorzügliche Hausfrauen schaffend. Eine derartige Anstalt verdient mit vollem Recht den schönen Namen eines Zufluchtsortes, sie glänzt in der grossen Kette der wohlthätigen Institutionen des Fandes als eines der herrlichsten, köstlichsten Glieder. Und Rumänien ist das Land, in dem Wohlthätigkeit und Menschenfreundlichkeit ihren Lieblingssitz aufgeschlagen zu haben scheinen! Wahrlich in dieser Hinsicht könnten sich unsere westeuropäischen .Staaten an dem östlichen Reiche ein Vorbild nehmen. Welches Volk darf mit Stolz verkünden, dass in seinem Lande der Leidende unentgeltlich im Krankenhause verpflegt wird, wer kann der Wahrheit gemäss erzählen, dass in seiner Heimat der Schulunterricht eine Gabe bildet, die ohne Entschädigung verabreicht wird? In den weitläufigen Gartenanlagen des Asyls Elena tritt uns in erhabener und bezwing'ender Schönheit Grabmal und Denkstein des Davilaschen Paares entgegen, seitwärts ziehen sich herbstlich bunte Räume und Büsche hin. Kiefern, Tannen, Farrenkräuter, Laubbäume geben ein freundliches, trauliches Gemisch, in dessen Mitte ein kleines .Stück Erde liegt, welches einer edlen Fürstin unendlich theuer geworden. Ein niedriger Grabhügel mit schlichter Tafel bezeichnet den Ort, wo Carmen Sylva ihr Liebstes gebettet. Es war wohl einer der schönsten und erhabensten Gedanken, den die Konigin je geboren, als sie den Wunsch aussprach, die sterblichen Reste ihres geliebten Töchterleins möchten dem Schutze der Waisen anvertraut werden. Eine geschmackvolle Capelle schliesst den Hintergrund ab, Laub- bäume und Kiefern umfangen den Ort, Rosen und allerlei Blumen zieren das Grab, seitwärts aber steht eine einfache Ruhebank. Und flüsternd geht es in Bucuresci von Mund zu Mund, dass noch heute die hohe Frau auf ihr oft stundenlang sitzt, in Erinnerung an das geraubte Kleinod versinkend und seinem Andenken heisse Thränen widmend. — Unweit vom Asyl Elena liegt Cotroceni, ehemals ein Kloster, jetzt die Frühjtihrsresidenz des Königspaares. Die umschlossenen Höfe und der düstere Styl der Gebäude machen einen durchaus kalten Findruck. Nach der Stadt zurückkehrend, berühren wir eine schöne, nach dem Vorbilde der Malmaisoner Kaserne errichtete Soldatenbehausung und erreichen endlich am Cismegiupark vorüber wieder den Mittelpunkt der Stadt. In diesem fallen uns an stattlichen Bauwerken die Häuser der Nationalbank und der Dada auf, wahre Monumentalbauten, ausserdem vermag der Boulevard uns zu fesseln. Die eine seiner Seiten ist mit Barkanlagen geziert, aus denen drei Monumente hervorragen. Als ansehnlichstes von ihnen steigt das Michaels des d'apfern empor. In Bebensgrösse hat man die Figur des mächtigen, aber eidbrüchigen Fürsten auf markigem Streitross dargestellt und ihm eine .Streitaxt in die Hand gegeben. Dieses älteste Standbild der Hauptstadt macht einen etwas gedrückten Eindruck, den Anforderungen moderner Kunst entspricht es nur wenig, trotzdem trifft man es in allen Photographien an dlungen des Landes und in den meisten fremdländischen Reisebeschreibung-en. Weiterhin finden wir das Denkmal des Gelehrten Radulesco und vor Allem die am 23. Mai des vergangenen Jahres eingeweihte Statue George Lazarus. Anlässlich der Inauguration der einfachen aber hübschen Lazarüstatue hielt der geistreiche Cultusminister Demeter Stourdza eine seiner glänzenden, classischen Reden. Er schilderte in lebhafter Weise, dass George Lazarü in einem elenden Dörfchen am Oltü das lacht der Welt erblickt, wie er sich mühsam bis zum Kirchenprediger emporgerungen, um endlich missmuthig seiner Heimat Siebenbürgen Denkmal Michaels des Tapfern, den Rücken zu kehren und, beauftragt von der Ephorie der Schulen, in Bucuresci die erste rumänische Anstalt zu eröffnen. Damals herrschten in Rumänien traurige Zustände, fremde Cultur regierte, und die Landessprache vegetirte nur in den Kreisen der Bauern. Auch die Dauer der ersten Schule war keine bedeutende. 1816 that Eazarü sein Haus auf, 1821 schloss er dasselbe, um bald nachher in seinem Heimatdörfchen zu sterben. Doch der Funke genügte, um ein mächtiges Feuer zu entfachen, der Klang der rumänischen Sprache weckte das Volk aus seiner Bethargie, und es begann, sich eine Sprache und ein«1 Biteratur zu schaffen. Gegenüber dem Michaelsdenkmal steht eines der wichtigsten Gebäude der Hauptstadt: die Akademie. Hinsichtlich seines Aeusseren gehört es zu den schönsten, hinsichtlich seines Inhaltes zu den werthvollsten. Im Erdgesehoss finden wir das Museum untergebracht. Da fällt unser Blick auf eine äusserst zahlreiche Sammlung von römischen Inschriftsteinen, Statuen, Sarkophagen und Blöcken, in den Sälen können wir kirchliche Alterthümer, herrliche Messgewänder und hochinteressante Gebetbücher mit köstlichen Initialien, die für den hohen Kunstsinn der mittelalterlichen rumänischen Mönche zeugen, betrachten, sodann präsentirt sich eine Münzsammlung und eine Meng-e verschiedener kunstindustrieller Gegenstände. Alte Gemälde zieren die Wände, eine eg-yptische Mumie erzählt von fremden Erd-theilen. Das fesselndste von Allem ist jedoch unstreitig der Schatz von Petroasa. Die Geschichte verkündet uns mit düsteren Lettern, dass der heidnische Westgothenkönig Athanarich bei seiner Educht aus Siebenbürgen, zu der ihn die wilden Hunnen gezwungen, seinen Schatz, s/4 Ctr. Goldes schwer, im walachischen Bande vergraben. Lange suchte man den Schatz vergebens, endlich stiessen Bauern von Petroasa am Buzeü im Jahre 1837 auf denselben, hoben ihn, schafften ihn beiseite und brachen kostbare Steine aus. Die Stücke des Schatzes ruhen jetzt, allen Besuchern sofort in die.Augen fallend, inmitten eines Zimmers unter Glas- stürz, sie zeigen sehr sorgfältige Arbeit, geschmackvolle Ringe, Verzierungen, welche zwei Leoparden darstellen und einen Armring mit dem Runenspruch: Gotha niopi hailag „dem Bedürfnisse der Gothen geweiht." König Athanarich hat Band und Schatz nicht wieder gesehen, über beiden schlugen die Wogen der Völkerwanderung zusammen, seine Hinterlassenschaften aber bilden ein gewaltiges Zeugniss für die germanische Geschichte in Osteuropa und haben bereits mehrfach Anlass zu grossen literarischen Bublicationen geliefert. Die Parterreräume des Gebäudes enthalten ferner eine ansehnliche Bibliothek mit Besecabinet, ein Zimmer für die geographische Gesellschaft, ein mineralogisches Cabinet und andere, ernsten Studien gewidmete Räume. Im ersten Stock schliessen sich die Hörsäle der Universität aneinander, wir entdecken ein zoologisches, sowie ein botanisches Cabinet und vor Allem den nicht allzugrossen, aber sehr elegant ausgestatteten Saal, in dem der Senat seine Sitzungen abhält. Die ganze Schöpfung beweist deutlich das Streben des rumänischen Volkes, in Poesie, Kunst und Wissenschaft Achtunggebietendes zu leisten. Ordnung und Sauberkeit herrscht überall, und für das Erreichen obigen Zieles bürgen die glänzenden Namen, über welche die Akademie verfügt, und denen anzugehören für jeden Ausländer eine Ehre sein müsste. 1884 zählte die Gesellschaft 36 ordentliche Mitglieder und ausser dem königlichen Paare noch 41 Ehrenmitglieder, darunter Mommsen, Miklosich, Eepsius, Forma, Picot. Für dramatische und musikalische Genüsse scheint in Bucuresci nicht am schlechtesten gesorgt zu sein. An ihrem unteren Ende erweitert sich die Calea Aictoriei zu einem freien Platz, den das Nationaltheater schmückt. Das Gebäude wurde i852 eingeweiht und dient seit 1879 hauptsächlich rumänischen Künstlern. Die Operette führt man bereits in der Bandessprache auf, und da die bisher regelmässig erschienenen italienischen Künstler denn doch nicht allseitig begeistern, hat man jetzt begonnen, auch der rumä- nischen Oper Eingang zu verschaffen. So ist bereits die Oper Lucia, dank den ausgezeichneten Chören und der vorzüglichen Sängerin Carlotta Leria mit vielem Erfolg über die Bühne gegangen. Die Saison begannt am i. October, die Leitung des Hauses besorgt ein auf Vorschlag des Unterrichtsministers ernannter Director, dem ein Comite von '7 AIitgdiedern zur Seite steht. Zuweilen wird Bucuresci selbst von französischen Truppen oder berühmten Schauspielern auf Gastreisen berührt, und die Bucurescier haben in den letzten zehn Jahren auf diese Art Rossi, Salvini, Pezzana und Celine Chaumont gesehen. Die Preise der italienischen Oper sind etwa doppelt so hoch wie die der rumänischen Bühne. Was die letztere anlangt, so haben sich für vShakespearestücke besonders Herr Manolesco, für andere Dramen die Herren Notara, Michel Galino in Jasi und die Damen Aristiza, Manolesco, Wilner Notara und Popesco, für das Bustspiel die Herren Julianü, Buchianü (Jasi), Balanesco (Jasi), Vladicesco (Gahna), für Gesang Fräulein Carlotta Leria, erste Sängerin der Königin, einen bekannten Namen erworben. Die letztere Künstlerin hat schöne Triumphe in Italien und Spanien gefeiert. Auf der anderen Seite des Theaterplatzes erhebt sich der Saal Bossel, zu dem man mittelst eines dunklen Ganges und einer ebenso dunklen Treppe gelangt. Der Saal selbst ist klein und unbequem. Uebrigens wird derselbe mehr zum Tanzen als zum Komödienspielen benützt, nur wenn eine deutsche Operettentruppe die Köpfe der 30,000 Deutschen Bucurescis mit ihren Melodien erfüllt, herrscht in dem unfreundlichen Eocal andächtige Stimmung. Den Bucurescier Deutschen fehlt es keineswegs an Gelegenheit, sich den Abend angenehm zu vertreiben. Wer nicht im Orpheum oder im Cafe Raska den Vorträgen einer Wiener Damencapelle oder einer Volkssängergruppe lauschen mag, der kann in Bier- oder Weinlocalen gute Musik geniessen, ausserdem bieten zahlreiche Vereine die dem deutschen Naturell nun einmal unentbehrliche Geselligkeit. Da ist vor Allem der Turnverein. Die Zahl seiner Mitglieder muss als sehr Achtung gebietend bezeichnet werden, nicht minder die Leistungsfähigkeit derselben; ddirnfeste, Vereinsausflüge, Tanzkränzchen mit Vorträgen belustigen Mitglieder und Gäste. Dasselbe gilt von den verschiedenen Gesangvereinen, von den Kegelgesellschaften und von der Schützengilde, welch' letztere öfters ein Preisschiessen veranstaltet. Deutsche Operettengesellschaften versuchen zuweilen ihr Glück, sie kommen auch nach Gakuu und Craiova, während rumänische Truppen alle halbwegs nennenswerthen Provinzstädte durchziehen. Wer ernste Unterhaltung liebt, der hört Kirchenconcerte oder die philharmonischen Concerte im Athenäumssaale an. Man protegirt daselbst hauptsächlich die classische deutsche Musik; das Orchester setzt sich aus den bedeutendsten Lehrern des Conservatoriums, aus ihren genialsten Schülern und aus fremden Künstlern zusammen. Die IJflege der Musik hat bei dem allgemeinen Aufschwung im Lande nicht das kürzeste Boos gezogen. Die erste Musikschule wurde im Jahre 1860 zu Jasi errichtet, und zwar war es Herr V. A. Urechia, der in der Eigenschaft des interimistischen Cultusministers die Musikschule in das moldauische Budget einschrieb. Der Künstler Can-della wurde der erste Director, und als V. A. Urechia 1864 den Posten des General-Secretärs des öffentlichen Unterrichts in Bucuresci erhielt, errichtete er hier eine zweite Musikschule, die gegenwärtig achtzehn Lehrer zählt. Aus diesen beiden Anstalten sind die jetzigen Künstler hervorgegangen. Der Zweck, den Urechia bei den Schulen verfolgte, war, den musikalischen Geschmack im Lande zu wecken, der seit Anfang des Jahrhunderts nur bei Bojarentöchtern schwach vorhanden gewesen. Für die eigentliche Volksmusik galten lange Zeit die Cäntarh, vielfach Zigeuner, als die einzigen Träger. Die Zahl derjenigen Künstler, die auf dem Gebiete der nationalen Musik in unserem Jahrhundert TYeffliches geleistet, ist keine geringe. Unter ihnen ragen besonders Miculi, Flechtenmacher, Wachmein, der Vater des gegenwärtigen Bucurescier Directors, hervor, sodann die Herren und Damen Stefanesco, Ventura, Schi- letti, Humpell, Candella, Burada, Cavadia. Die besten Operetten haben Otremba, Candella, Wachman und Dame mit Kindern in Nationalcostüm. District Dämbovi|.a. Flechtenmacher geschrieben. Die beliebtesten Operetten heissen: Baba Hirca, Fata aerului, Urita Satulut, Hatmanulü Baitag. Hübet ist der Autor der Nationalhymne, er wirkt als Generalinspector für Musik. Auch wenn jemand den Tanz der Musik vorzieht, hat er in Bucuresci keine Ursache zum Klagen. An der Däm-bovita wird ebensoviel und vielleicht viel feuriger getanzt als in den anderen europäischen Metropolen. Die Zahl der I [ausbaue übertrifft die der Sterne am Himmelsgewölbe, öffentliche Bälle haben besonders* im Saal Dacia, Saal Kinder in Volkstracht. District Dämbovita. Bossel und im Saal der Concordia grossen Anklang. Als vornehm gelten zwei oder drei Bälle der Grande Opera, obenan stehen natürlich die Hofbälle. Es gibt deren in der Regel jeden Winter zwei, als besuchtester erweist sich der erste des Jahres, der zweite nimmt weniger Besucher auf, vereinigt aber sehr distinguirtes Publicum. Um die nationale Hausindustrie zu heben, zeigt sich ihre Majestät Bergner, Rumänien. ' * nebst den Hofdamen, wie bei allen sonstigen öffentlichen Festlichkeiten, in dem schönen, malerischen Volkscostüm und nöthigt dadurch das Publicum, ihrem Beispiel zu folgen. Das sich dann darbietende Bild dürfte; an Glanz, Schönheit und Originalität von keinem anderen ähnlichen erreicht werden und bleibt demjenigen unvergesslich, der bisher bei derartigen Anlässen an die unbequemen und unästhetischen Modekleidungsstücke gewöhnt gewesen. Im geselligen Verkehr zeichnen sich in Bucuresci wie allerorts die Siebenbürger Rumänen aus. An herzlicher Liebenswürdigkeit, gewinnender Gastfreundschaft und natürlicher Gutmüthigkeit stellen sie nicht nur die Deutschen tief in den Schatten, sie übertreffen darin auch ihre Landsleute aus dem Königreiche. Ihre Aufopferungsfähigkeit ist eine geradezu unglaubliche, sie wirkt auf den Westeuropäer derart verblüffend und bezaubernd, dass es hier wohl Pflicht sein dürfte, einige darauf bezügliche Episoden anzuführen. Ein rumänischer Arzt in den westlichen Bergen Siebenbürgens, den wir vor drei Jahren flüchtig kennen gelernt, begleitete uns auf einer halbtägigen Gebirgsreise, während, seine Gemahlin Proviant herrichtete und nachsandte. Erst einige Tage später erfuhren wir, dass man für den nämlichen Tag die Entbindung der gastlichen Frau erwartet hatte! Wo in aller Welt und bei welchem Volke wird man eine derartige Neigung für uneigennützige Gefälligkeiten finden? Ein Bandpfarrer in derselben Gegend nöthigte zum Verweilen, obgleich der Mann Strohwitwer war; arme Familien zwingen den Reisenden die letzte Edasche Dulcetä auf, und dass man zu längerem Verweilen fast gewaltsam bewegt wird, ist etwas Gewöhnliches. Die lärmende Gastfreundschaft des intelligenten Magyaren, der sich erst befriedigt fühlt, wenn der (fast unter den ddsch sinkt, kennt der Rumäne nicht. Es erübrigt jetzt nur noch behufs Vervollständigung unserer Angaben über Sehens- und Wissenswürdigkeiten von Bucuresci einige Ziffern anzuführen. Die Stadt soll nach der Zählung vom Jahre i85g 121 734 Seelen, nach der vom Jahre 1878 177646 Einwohner beherbergt haben. Leider sind alle Ergebnisse der Volkszählung sehr vager Natur. Erzählt man sich doch, dass die Herren der Com-mission die E'amilie des Hausherrn interviewten, nicht aber in die oberen Stockwerke stiegen. Auch die in deutschen Schriften vorhandenen Angaben sind oft mit Misstrauen aufzunehmen; beispielsweise erzählt uns der österreichisch«1 Ofticier Fütek von Wittinghausen, dass Jasi 1300 Privatequipagen, 5ooo Droschken und 12000 Pferde, Bucuresci 12000 Luxusequipagen und 40,000 Luxuspferde besitzt, es würde also in Bucuresci auf fünf Menschen ein Luxuspferd entfallen, was den diversen Schneider- und Schuhmacherfamilien gewiss sehr angenehm sein müsste, leider aber nicht zutrifft. In Derblich finden sich merkwürdigerweise die nämlichen Angaben, sie beweisen zur Genüge, wie fatal es unter Umständen werden kann, wenn ein Schriftsteller ohne zu denken von einem andern abschreibt. Der Beschäftigung nach wurden die Einwohner 1878 wie folgt vertheilt: freie Professionen 50977, Handelsstand 27100, Industrie und Künste 64732, Arbeiter 11 993, Dienende 19,531. Heutigentags kann man die Bevölkerung der EYeudenstadt gewiss auf 260000 Seelen veranschlagen. Dass man an den Ufern der Dämbovita keineswegs dem Vegetarianerthume huldigt, geht aus den Ausweisen des Schlachthauses zur Genüge hervor. Laut ihnen wurden 7885 getödtet und zerlegt 37686 Ochsen, um 7727 mehr als im Jahre 1884, 16267 Kühe, um 2532 mehr als im Vorjahre, 706 Kälber, um 5o2 mehr, 544 Büffel, um 201 mehr, 375 Büffelkühe, um 267 mehr, itöo Büffelkälber, um 1049 mehr, 11 783 Sclrweine, um 77 weniger, 1035 Schafe, um 64 weniger, 17743 Lämmer, um 13892 mehr als im Vorjahre; daraus erhellt deutlich, dass der Fleischconsum stetig wächst. Gleichwohl geben die obigen Ziffern des mangelhaften Schlachthausdienstes wegen kein genaues Bild. So werden beispielsweise alljährlich mehr als 100,000 Lämmer abgethan, wovon auf die genannte Anstalt kaum der fünfte Theil kommt. Die Stadt zerfällt in fünf Bezirke, deren Unterscheidung auf Farben beruht. Das nördliche Revier wird der gelbe Bezirk genannt, das westliche heisst das grüne, das östliche das schwarze, das südliche das blaue. Von allen umschlossen Avird die eigentliche City oder das rothe Quartier, es muss als commerziellcr Bezirk bezeichnet werden, während der gelbe Stadttheil das Reich der Aristokratie bildet. 1 )ie Pferdebahn spielt bei der Verbindung dieser weitläufigen Stadttheile eine völlig unbedeutende Rolle, sie wird der billigen Miethkutschen halber wenig benutzt und verfügt nur über die drei Linien: Barriere M.ogosoie-Calea Mosilor, Chaussee Bonaparte = Calea Vergu und St. ( dieorghe = Calea Vacarescl Das rothe Viertel umfasst 71 Strassen und 8 Gässchen, das gelbe 158 Strassen, 22 Gässchen, das grüne 158 Strassen und 14 Gässchen, das blaue 131 Strassen, 23 Gässchen, das schwarze 90 Strassen, 56 Gässchen. Die Breite der Gassen variirt zwischen to und 14 Meter bei den grössten, zwischen 3 und 6 Meter bei den engsten. Als längste Strassen gelten Calea Plevnei 3300 Meter, vSer-banü-Voda 3137 Meter, Mosilor 3068 Meter, Calea Victorie! 2800 Meter. Die Zahl der Häuser wurde auf 21 037 angegeben. Davon gehörten zum rothen Bezirk 1430, zum gelben 4867, zum grünen 3891, zum blauen 5175, zum schwarzen 5681. 635 Häuser sind in der Zeit von 1400 bis 1800 erbaut worden, 3963 von 1800—1830, 2492 von 1830 —1840, 3064 von 1840 — i85o, 3673 von i85o—1860, 3730 von 1860—1870, 1859 von 1870—1875, der Rest später. 19 163 Gebäude wTaren Eigenthum der Rumänen, die übrigen gehörten den E>emden. — Interessant dürfte für die deutschen Eeser vielleicht das Berühren der Auswanderungsfrage nach Rumänien sein. Rumänien gehört bekanntlich keineswegs zu den dicht bevölkerten Ländern, ohne Schädigung könnte es die doppelte Zahl Menschen ernähren. Die rumänische Regierung weiss das sehr wohl, aber obgleich man ihr sowie dem Volkscharakter d^oleranz nachsagen muss, sträubt sie sich doch gegen das massenhafte Zuströmen fremder Elemente. Sie nimmt ganz richtig an, ein solcher Act müsse der nationalen, durch allerlei fatale Zustände in der Entwickelung zurückgebliebenen Bevölkerung bedeutenden Schaden zufügen, und sie fürchtet, das rumänische Volk könne durch anderssprachige Nachbarn in jenen beklagens-werthen Zustand verfallen, in welchen in Ungarn, Siebenbürgen, in der Bukowina, in Ofalizien und in Russland die christlichen Völker durch den lebensfähigen jüdischen Schmarotzertross versetzt worden. Ein warnendes Beispiel und zugleich einen Beweis für die Richtigkeit solcher Ansichten bietet die Bage der Rumänen in der von Israeliten überfluteten oberen Moldau. Unter solchen Umständen wird man es der rumänischen Regierung gewiss nicht verargen, wenn sie die eingeborene Nation vor fremden Eroberungen möglichst schützt und allerlei Mittel ergreift, um eine starke Invasion zu verhindern. Natürlich ist es wünschenswert!!, wenn diese Absichten offen und ehrlich bekannt werden und sich nicht etwa hinter leeren Ausflüchten verstecken. So wirkt es geradezu ergötzlich, die Ausführungen eines Herrn Nicianü zu vernehmen, der vor kurzer Zeit ein umfangreiches Buch über die Dobrogea veröffentlicht hat. Der genannte Herr führt aus, es sei nicht rathsam, die Dobrogea durch Germanen zu colonisiren. Eine derartige Handlung sei gegen die Constitution und man könne um so weniger das hoffnungsvolle Band den Deutschen ausliefern, als die Germanen ja stets und überall an der Heimat hängen blieben, nicht nur ihre .Sprache und Nation zu erhalten wünschten, sondern auch nur provisorisch erschienen. Das Beispiel Amerikas beweise das deutlich, von dort kehrten die Deutschen in grosser Menge nach Europa zurück. Mit Italienern sei dies etwas ganz anderes, diese aeclimatisirten sich, gehörten dem romanischen Elemente an und gewöhnten sich sehr schnell an ihre zweite Heimat. Nun, ich denke, wenn Elerr Nicianü ein Jahr lang Deutschland bereiste, um solche Beute zu entdecken, die aus Amerika als Colonisten zurückgekehrt, er würde vergebens suchen, denn von Israeliten und Taugenichtsen kann hier nicht die Rede sein. Endlich wäre dem Herrn Nicianü eine Reise nach Italien zu empfehlen. In wenigen Tagen könnte er sich dort von der Trägheit und (adonisationsuntüchtigkeit des italienischen Volkes überzeugen, und bei den einigermassen brauchbaren Norditalienern würde er die Beobachtung machen, dass die im Ausland thätigen beständig ihren Erwerb heimsenden, um nach geraumer Zeit selbst wieder nach BEiuse zu ziehen. Am vortheilhaftesten und einfachsten wäre es freilich, wenn man siebenbürgisch-rumänische Colonisten in grösserer Anzahl herbeiführen könnte, denn diese sind im Ganzen arbeitsamer und an Kenntnissen den hiesigen Bauern weit überlegen, so dass sie ihnen ein leuchtendes Vorbild sein würden. Allein in Siebenbürgen herrscht keineswegs Ueber-völkerung, der Rumäne fühlt sich daselbst, un gedrückt vom Juden, materiell behaglich und verlässt nicht gern dauernd die heimathliche Scholle. Jene 20—30 000 Menschen, welche alljährlich durch den Tömöser- und den Rothenthurmpass arbeitsuchend hervorgehen, kommen hier nicht in Betracht, sie ziehen meist nach geraumer Zeit zurück, ein 1 leer von periodischen Wanderern und eine Erscheinung wie Ebbe und Blut bildend. An einzelnen unzufriedenen Elementen aber gewinnen die ehemaligen Donaufürstenthümer nichts. Veranlassung zu einem bedeutenden Eierüberströmen des rumänischen Elementes könnte einzig und allein eine fortgesetzte verschärfte Unterdrückung der Rumänen seitens des magyarischen Chauvinismus bewirken, ihm würde sich jedoch zweifelsohne die Budapester Regierung mit aller Kraft entgegenstemmen, etwaige Ermuthigungen seitens der rumänischen Regierung müssten nur bedenkliche Streitigkeiten zur Eolge haben. Und somit bleibt entweder das Zurückgreifen auf das germanische Volksthum oder das Belassen des gegenwärtigen Zustandes. Wie sich die Stimmung im Bande momentan äussert, ist also ein massenhafter Zuzug aus Deutschland nicht in Betracht zuziehen; nach Decennien, wenn sich die nationale Kraft des rumänischen Volkes consolidirt hat, erscheint ein solcher nicht unmöglich. Indessen kann auch heutigentags manchem tüchtigen Arbeiter, der sich in seinem Vaterlande als Pechvogel erwiesen, Rumänien als ein Band mit goldenen Sesseln und gefüllten Fleischtöpfen empfohlen werden, wobei wir aber wohlgemerkt nur von fleissigen Professionisten reden, denn verwahrlosten Nichtsthuern fliegen nirgends die gebratenen d'auben in den Mund. Schmiede, Schlosser, Tischler, Schuhmacher, Schneider, Klempner etc. werden in den kleinen Provinzstädten des Bandes gewiss eher ihr Auskommen erlangen wie daheim, im Dorfe freilich können sie sich nur niederlassen, wenn sie ihr Heimatsrecht aufgeben und darnach trachten, Angehörige des rumänischen Staates zu werden. Zunächst erscheint allerdings auch ihr Auszug- nach dem gelobten Bande bedenklich, da die Lösung der orientalischen Frage noch immer an eine Sphinx mit verschlossenem Mund gemahnt, die grosse Frage, ob die Hegemonie auf der Balkanhalbinsel Russland oder Oesterreich-Ungarn gebührt, noch offen steht, und der allmächtige Zar an der Newa mit unverhohlenem Groll auf Rumänien blickt. In Rumänien lässt man sich durch die russische Gefahr nicht einschüchtern, man erwddert ganz unumwunden Gleiches mit Gleichem, und schwach ist Gott sei Dank die Partei der Russenfreunde, die dem Predigen der Masse, die drohende Gefahr komme von Osten, noch immer taube Ohren entgegensetzt. Der Austausch der Dobrogea gegen Bessarabien schwebt allenthalben noch unvergessen und un gerächt vor, und man weiss, dass Russland bisher für Rumänien weit mehr ein Fluch als ein Segen war. Eine gedeihliche Entwickelung erschien in den verflossenen Decennien schon deshalb nicht möglich, weil immerwährende Occupationen das Band unendlich schädigten und dabei der Einfluss der Muselmänner entschieden weniger cultur-feindlich wirkte als der der Glaubensgenossen. Die Russen erwiesen sich jederzeit als Barbaren, und wer in Deutschland etwa noch einen geringen Rest von Sympathie für die Moskowiter bewahrt, dem wäre zu wünschen, dass er einige Zeit in den Ländern der unteren Donau verweilen könnte, um dort von Augenzeugen über das Czarenvolk Berichte einzuziehen. Mit gerechtem Schaudern würde er hören, dass nach der Einnahme von Plewna viele Lausende von türkischen Gefangenen nicht am Typhus gestorben, sondern unter russischer Escorte thatsächlich verhungert sind. Wie die Fliegen fielen damals die tapferen Krieger Osman Paschas, und nicht genug damit, sie hatten vor dem Aushauchen des letzten Seufzers die schändlichsten Misshandlungen zu erdulden. Mit Kopfschütteln sah der rumänische Soldat, der Zeit seines Bebens doch auch nur ein einfacher Bauer gewesen, wie der russische betrunkene Krieger den gefangenen Osmanen mit Fusstritten traktirte und ihm dcis militärische Ehrenzeichen abriss, weil er glaubte, es sei von edlem Metall! Dem intelligenten rumänischen Städtebewohner aber ward Gelegenheit, allnächtlich das Lallen und Schreien betrunkener russischer Officiere zu vernehmen, und wer ein Tingeltangel besuchte, der befand sich plötzlich in vornehmer Gesellschaft. Er traf daselbst zechende und bezechte Grossfürsten und Generäle an, Brüder und Adjutanten des jetzigen Beherrschers aller Reussen, die da jauchzten und schrieen. Und mitten unter ihnen sass ein kleines Männlein mit durchgeistigten Zügen, auf dessen Schoosse leichtsinnige Dirnen schäkerten, das war Fürst Gortschakoff, der edle Berather des Czaren. Empörende Züge von Rohheit konnte man in solchem Zirkel tagtäglich wahrnehmen, kein Wunder, dass die Sclaven dieser Meute einen abschreckenden, den Namen Menschen nicht verdienenden Haufen bildeten. Befand sich ein russisches Regiment im Anmarsch, so trafen einige Lage zuvor bereits in endlosem Tross die polnischen Juden ein, ein hässliches, widerliches Gesindel, Schmutz und Krankheit verbreitend. Ihre Untergebenen waren die sogenannten Pohontzen, d>ainknechte aus allen möglichen Volksstämmen Europas und Asiens zusammengesetzt, zerlumpte, schmutz- Kussische Soldaten. 249 starrende und über alle Begriffe gemeine Kerle. Die jüdischen Armeelieferanten standen ihrer eigenen Aussage nach — wir haben selbst derartige Leute gesprochen -auf intimem Fusse mit den Generälen. Herrliche Verträge wurden geschlossen, die Generäle erhielten io°/0 vom Reingewinn, die Soldaten mussten hungern. Warmes Wasser mit Zucker wurde vor Plewna um 1/a Leu verkauft, ein Gläschen Jauche musste der Officier als Cognac annehmen, und sobald ihm der Hefentrank in den Kopf gestiegen, prügelte er für ein solches Genussmittel den Juden windelweich durch und schleifte ihn an den Haaren herum. Unterschlagung seitens der Intendantur, das Veräussern von Lazarethbetten ä 1 Leu seitens eines Officiers war an der Tagesordnung, Officiere und .Soldaten taumelten in betrunkenem Zustand ins Feuer, beim Wäldchen Baniasa erschoss man den Zehnten der eigenen Krieger, weil sich diese ob der miserablen Verpflegung beklagt, die verwundeten Türken liess man liegen, wo sie fielen, und der jetzige Czar stiess öffentlich seinen Oheim mit aller Kraft beiseite, um den Vortritt zu erlangen. Alles das, so bunt es auch zusammengewürfelt sein mag, gibt doch ein klares Bild davon, dass die Cultur diesem Staate noch unbekannt geblieben, und dass in demselben nur Barbarei und Corruption von oben bis unten herrschen. In Deutschland waren die erwähnten That* sachen bisher unbekannt, möge das deutsche Volk derselben eingedenk sein und sich vergegenwärtigen, was es vom Osten zu erwarten hat. In Rumänien kennt man das Volk der Barbaren zur Genüge, man weiss, was folgen muss, wenn sich die Schaaren der religiösen Glaubensgenossen von Neuem in die üppigen Gefilde des Bandes ergiessen sollten, und es findet sich im ganzen Lande heutzutage wohl kein ernster Mann mehr, der für die Moskowiter zu schwärmen vermag. Culturell steht der Rumäne unendlich höher als der Russe, tief unter dem rumänischen Staate liegt in moralischer Hinsicht das grösste Reich der Welt, eine Association mit dem letzteren wäre für Rumänien gleich- bedeutend mit einem Rückschritt, und darum gibt es für den Donaustaat nur eine Losung, sie lautet: enger Anschluss an Oesterreich-Ungarn und an Deutschland, wie er durch die vorjährige Reise des Ministers Stourdza zu den gali-zischen Kiiisermanövern und nach Berlin in der That zum Ausdruck gelangte. Den letzterwähnten Grossmächten aber kann nicht warm genug ein wohlwollendes Entgegenkommen empfohlen werden. Allen drei Staaten sei dabei eines zum Bewusstsein gebracht: die militärische Inferiorität Russlands und die Tüchtigkeit des rumänischen Heeres. Jene Zahlen, mit denen die Russen so gern den deutschen Spiessbürger und den kurzsichtigen Politiker erschrecken, jene Millionen von Kriegern, sie existiren in Wirklichkeit nicht. Der Koloss ist vermöge seiner Grösse unbeholfen, man ziehe die sibirische und kaukasische Armee in Betracht, berechne, was Russland in vier Wochen mobil machen kann, und man ward finden, wie schwach sich die russischen Kräfte im Vergleich zu den österreichischen und deutschen gestalten. Und nun erst die Güte des Materials! Das rumänische tieer mag in vielfacher Blinsicht hinter dem deutschen, ja auch hinter dem österreichischen zurückstehen, dem russischen kommt es an Tüchtigkeit des einzelnen Mannes, an Besonnenheit der Officiere und vor Allem an moralischem Werth, an Disciplin, gleich. Nicht zu viel sagen war, wenn wir behaupten, dass die rumänische Armee, sei es am Pruth, sei es innerhalb der Befestigungen von Bucuresci, 200,000 Russen, den dritten Theil dessen, was Russland überhaupt anfangs in den Kampf zu führen vermag, aufhalten könnte, vorausgesetzt natürlich, dass die rumänische Armee wie vor IQ Jahren durch den Adlerblick und die feste Hand des Königs Karl geleitet wird. Die russische Flotte hat Rumänien nicht zu fürchten — es war ein rumänischer Marineofficier, der mittelst Torpedos ein türkisches Kanonenboot bei Bräila in die Buft sprengte, und im Arsenal von (falafl liegen Hunderte solcher Torpedos! Den Schlüss unserer culturellen Schilderungen mögen einige Worte über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. des Donaustaates bilden. Im Jahre 15 71 schrieb Jacopo Ragazzoni: „die christlichen Bewohner der Türkei bauen nur soviel sie brauchen, um ihr Beben zu fristen, sie fürchten, das Mehr möchten ihnen die Türken nehmen." Damals behandelte der Bojar den armen Bauern als Schaven, die Söhne des Landes mussten als Blutsteuer den Türken ausgeliefert werden, sie wurden von ihren Gebietern zu Jani-tscharen oder zu Renegaten erzogen und im Kampfe gegen die Christenheit geopfert. An solchen entsetzlichen Aderlässen siechte das rumänische Volk Jahrhunderte lang dahin, und es ist ein Zeugniss für seine ausserordentliche Bebensfähigkeit, dass es nicht gleich anderen Nationen schon längst spurlos vom Erdboden verschwunden. Dieses Volk, wie kein zweites von fremdländischen Gebietern und ihren Beamtenknechten gedrückt, erhielt sich lebendig, und als (Midlich die Zeit der Selbstständigkeit kam, erwies es sich einer solchen würdig. Was von den westlichen Cultur-völkern in Jahrhunderten erworben wurde, das eigneten sich die Rumänen spielend in wenig Decennien an, und wenn auch hie und da nicht Alles Gold ist was glänzt und der hämische Ausdruck feindselig Gesinnter „Talmicultur oder Culturfirniss" zuweilen berechtigt erscheint, so ist es doch ebenso wahr, dass man redlich darnach strebt, alles Oberflächliche durch Gediegenes zu ersetzen. Wer vor zwanzig Jahren das Land gesehen und es erst heute zum zweiten Male betritt, der wird es nicht wieder erkennen. Lebensweise und Wohnart besassen ehemals echt orientalischen Charakter, Verbindung- und Verkehr mit dem Auslande waren kaum der Rede werth, die Strassen spotteten jeder Beschreibung, ihnen entsprach völlig- die Post und andere Communicationsbehelfe. An Eisenbahnen dachte kein Mensch, wer zu jenen Kaufleuten gehörte, die nach der Leipziger Messe zogen, um von dort Waaren zurückzubringen und sie in der Strada Lipscanh welche in jeder grösseren rumänischen Stadt dem Namen nach noch heute zu finden ist, auszustellen, der wurde angestaunt. Nationide Schulen waren zu Anfang des Jahrhunderts un- bekannt, der Bojar that mit dem Bauer, was er wollte, der Zigeuner galt als ein Stück Vieh. Heutzutage erfreut sich Alles eines fröhlichen Aufschwunges und einer unaufhaltbaren Entwickelung. Ein gewaltiges Netz von Eisenbahnen überspannt das ganze Königreich, die politische Freiheit hat eine junge, gefällige Literatur gezeitigt, die rumänische Sprache wird in tausenden von Lehranstalten unentgeltlich vorgetragen. Die Landstrassen sind im besten Stande, eine mächtige Armee steht zur Vertheidigung des heimischen Herdes bereit, ein reger Elandel verbindet Rumänien mit dem übrigen Europa, das Anstaunen der waarenreichen Strada Lipscani ist der Verwerthung der neuesten Erfindungen gewichen, Gleichheit vor dem Gesetz und eine Reihe von humanen Anstalten verkünden, dass die Lage der Armen eine freundlichere geworden. Möge auch die Zukunft von Land und Volk eine rosige sein und die weitere blühende Entwickelung aller Verhältnisse bewirken, man wird sich dann in Europa mehr und mehr gewöhnen müssen, Rumänien sowohl in cultureller als in politischer Elinsicht als einen wichtigen Factor in alle Combinationen einzuziehen!---— II. THEIL. Rumänien in wissenschaftlicher Darstellung. A. Geographische und naturwissenschaftliche Mittheilungen. i. Grenzen, Lage und Grösse des Landes. Das heutige Königreich Rumänien umfasst die ehemaligen Fürstenthümer Moldau und Walachei, sowie die vor acht Jahren neuerworbene Provinz Dobrogea. Das Land liegt im Südosten Europas und zwar zwischen 43° 38' und 48° 5o' nördlicher Breite und zwischen 40° 20' und 470 io' östlicher Länge. Im Norden grenzt es an die Bukowina und Siebenbürgen, im Westen an Serbien, im Süden an Bulgarien, im Osten an das Schwarze Meer und. an Russland. Gegen Oesterreich-Ungarn bildet der Karpathenkamm, gegen Serbien und Bulgarien die Donau je eine militärisch schwer zu bewältigende Grenzlinie. Das südöstliche Rumänien wird ausserdem durch einen von Silistria nach Mangalia gedachten Strich von Bulgarien geschieden. Rumänien enthält zur Zeit 129947 Quadrat-Kilometer. Das an Russland abgetretene Gebiet von Bessarabien betrug 8480 Quadrat-Kilometer mit 136600 Einwohnern, die dafür eingetauschte Dobrogea 13210 Quadrat-Kilometer mit 110,000 Seelen. Als Durchschnittsdichtigkeit ergibt sich per Kilometer die Zahl 40, sie steht der Ungarns mit 48 fast gleich, während beide von der entsprechenden Ziffer Belgiens 188, Grossbritanniens 112 und des Deutschen Reiches 84 weit übertroffen werden. Die Rumänen haben sich seit Menschengedenken Roman!, ihre Sprache aber limbä romäna genannt, die Bezeichnungen Walache und Moldauer sind mithin eigentlich unstatthaft. Die erstere wurde offenbar von den Slaven erfunden, die alle Völker italienischer Abstammung Vlach oder Valach tauften. Ebenso unpassend dünkt den Rumänen und allen gerecht Urtheilenden der Name Moldauer; das Volk hat sich auch diesen nicht aus eigenem Antrieb beigelegt. Die d>ennung des Landes in Walachei und Aloldau wird heutigentages an der unteren Donau nicht mehr gern gesehen, sie wurde in vorliegenden Schilderungen indessen beibehalten, nicht um die Rumänen an ihrem Nationalgefühl zu kränken, sondern weil dem deutschen Leser jene Ausdrücke genehmer sein dürften als die Bezeichnungen „Land jenseits und diesseits des Milcovü". Beide Landestheile müssen in der 'Darstellung nach wie vor streng von einander geschieden werden, da sich durch die jahrhundertelange Trennung bedeutende Differenzen im Volkscharakter und in den culturellen Verhältnissen ergeben haben. 2. Bodengestaltung. Rumänien dacht sich ziemlich gleichmässig amphi-theatralisch ab. Ein solches allmäliges 1 lerniedersteigen findet bei der Walachei mehr von Norden nach Süden als von Westen nach Osten, bei der Moldau dagegen mehr von Westen nach Osten als von Norden nach Süden statt. Auf diese Weise zerfällt das ganze Gebiet in drei Abstufungen, in die Region des Hochlandes, in ein anmuthiges Hügelterrain und in die eigentliche Tiefebene. Das Gebirgsland gehört den Karpathen an, von deren [200 Kilometer betragender Länge etwa 410 Kilometer auf Rumänien kommen. Die Erhebung der rumänischen Karpathentheile variirt zwischen 810 und 2680 Meter über dem Meeresniveau; sämmtliche Gewässer fliessen der Donau zu, die mit einem Lauf von 960 Kilometer die bedeutendste Flüsse und andere Gewässer. 257 Wasserstrasse des Königreiches bildet. Als die gewaltigsten Berge werden die folgenden genannt: Omü oder Caraimanü 2630 m, Bucsecs 26S0 m, Negoi 2680 m, Orlulü 2600 m, vSurulü 2410 m, Ceahläu 2300 m. Die wichtigsten Passübergänge sind von der nördlichen Moldau angefangen: der Pass von d'ölgyes, Verbindung -/wischen Borszek und Piatra, der Gymespass zwischen Ocna und der Csik, der benachbarte Ojtoczpass für Adjüdü und Kronstadt, der Bodzaerpass, Verkehrsweg /.wischen Kronstadt und Buzeü, der Tömöser Pass zwischen Kronstadt und Ploescl, der Törzburg-er Pass zwischen dem Burzenlande und Cämpulungü, der Rothenthurmpass für Idermannstadt und Craiova und der Vulcanpass zwischen Petroseni und Craiova. Für die wichtigsten dieser Uebergänge müssen der 85o Meter hohe Vulcanpass, der 37 Kilometer lange, nur 320 Meter hohe Rothenthurmpass, der Tömöser Pass, 920 Meter hoch, und die Strasse über Törzburg erklärt werden. Ausserdem vermitteln zahlreiche Saumpfade Händel und Wandel mit Oesterreich - Ungarn. In der Moldau lösen sich an den Seretüquellen ansehnliche Gebirgszüge vom Karpathen.stock los, um die Moldau als verschönerndes Element zu durchziehen, ihre flöhe schwankt zwischen 100 und 300 Meter, ihr Rücken ist oft bewaldet. Das Hochgebirge beansprucht etwa 40°/,,, Hügel- und Flachland je 36% der Gesammtfläche des Königreiches; das Gebiet der Ebene fällt dem grossen südrussischen daef-und Steppenlande zu, dessen letzten kleinen Ausläufer es darstellt. Uebrigens sind hierher auch die verschiedenen Inseln des Donaubeckens zu rechnen. 3. Flüsse und andere Gewässer. Rumänien g-ehört ohne Ausnahme dem Stromgebiete der Donau an, von deren 836360 [^Kilometer zählendem Flussg-ebiet über 116000 [^Kilometer auf das junge König- ßerjjner, Rumänien. '7 reich kommen. Die Uferhöhen des Stromes betragen auf dem bulgarischen Ufer 40-— 100 Meter, auf dem rumänischen steigt das Terrain bei Turnu-Severinü bis zu 70, bei Cala-fatü bis zu 60, bei Giurgiu bis zu 30 Meter empor. Bei Bräila misst es nur 2 5 Meter, unterhalb Galatff ist es ganz flach und derart mit Morästen und Schlamm bedacht, dass noch 18.53 der Irländer Patrick O'Brien ganz betrübt schreiben konnte: ,,Bei der Donaumündung war die schlammige Wasserfläche mit Schiffstrümmern besät, der Anblick hatte etwas furchtbar Trostloses. Wo das Wasser seicht war, schauten die schwarzen Schiffsrumpfe über die gelbe Flut heraus wie halbbedeckte Leichen, und an anderen Stellen sah man nur die Mäste des gesunkenen Schiffes aus dem Wasser sich erheben wie die ausgestreckten Arme eines Ertrinkenden. Am Ufer lag der mächtige Rumpf eines gestrandeten .Schiffes von holländischer Bauart, welcher in der Sonne vermoderte, und dicht bei uns bemühten sich einige Männer in Booten, die Ladung eines erst am Tage vorher untergegangenen Schiffes heraufzufischen. Sulina gehört zu Russland. Es besteht aus einer doppelten Reihe einstöckiger hölzerner Häuser, welche sich am Flussufer hinziehen und hinter denen ein öder Sumpf liegt. Die meisten Häuser sind auf Pfählen in Pfützen von fauligem, aus dem benachbarten .Sumpfe hervorsickernden Wasser erbaut." Heutzutage ist Vieles anders geworden, dank den Bemühungen der europäischen Donaucommission. Dass die rumänische Regierung jedoch wTacker mitgeholfen, kann Niemand leugnen; für ihr Cultivirungstalent zeugt am besten die Dobrogea, welche als verwüstetes Land mit niedergebrannten Dörfern übernommen wurde und sich jetzt zur blühenden Provinz entwickelt. Man trifft in Rumänien sechs Wasserbecken an. Da ist zunächst das des Jiulü. Dieser Fluss gehört keineswegs in seiner ganzen Ausdehnung zu Rumänien, seine Quelle befindet sich vielmehr in dem bergumgürteten Transsylva-nien, dessen Grenze er im Vulcanpasse überschreitet. Er Flüsse und andere Gewässer. 259 fällt bei Bechetü in die Donau und empfängt als Nebenflüsse auf dem rechten Ufer den Motru, auf dem linken Ufer Gilortü und Amaradia. Einige andere Flüsse bewässern gleich dem Motru den Bezirk Mehedima, ergiessen sich aber direkt in die Donau. Der jiulü erreicht bei Craiova die Breite von 100 Meter, bei Rahowa die von 170 Meter, seine Tiefe beträgt —3 Meter. In östlicher Richtung folgt das Gebiet des Oltü. Auch seine Quelle liegt in Siebenbürgen, welches er in der Fo-garaser Landschaft durchströmt, um es durch den Rothenthurmpass bereits als kräftiger Geselle zu verlassen. Er durchläuft die Bezirke Välcea, Romanati, Argesü, Oltü, Teleormanü und berührt die Städte Rämnicü-Välcea, Dragäsani und Slatina. Bei Turnu-Mägurele sucht er die Vereinigung mit der Donau. Der Oltü empfängt den Oltetü, hat ein Stromgebiet von über 11 600 |~~) Kilometer, eine Bange von 480 Kilometer, eine Breite von 60 bis 200 Meter und eine Tiefe von 4 Meter. Oestlich von ihm ergiesst sich das Edüsschen Vedea bei Sistowa in die Donau. Als dritter Wasserriese tritt der Argesü hervor, dessen Eauf sich im Gegensatz zu dem seiner (fenossen von Nord nach Südost richtet. Im Districte gleichen Namens entspringend, berührt er die Orte Curtea de Argesü und Pitescl, ergiesst sich bei Oltenita in die Donau und verfügt über eine Breite von 100 bis 180 Meter sowie über eine Tiefe von 3 Meter. Sein wichtigster Nebenfluss heisst Damboyita. Der vierte grössere Eduss ist die Jalomifa, an deren Ufer besonders schöne Nationaltrachten zu finden sind. Sie entspringt in den Bergen des Districtes Dämbovifa und durchschneidet träge die walachische Ebene in der Richtung von West nach Ost, um sich bei Hirsowa in dem mächtigen Strome zu verlieren. Auf der linken Seite empfängt sie die Prahova. Die Moldau zerfällt in die Herrschaften des Seretü und des Pruth. Der Seretü, Siretü oder Sereth entspringt in der Bukowina und berührt bei der österreichischen Stadt ,7* gleichen Namens in der Breite von 5o Meter zuerst rumänisches Gebiet, das er, bis auf 180 Meter verbreitert, nicht mehr verlässt. Seine Tiefe beläuft sich auf 7—8 Meter, seine Bange auf 420 Kilometer; in der Nähe des im vierten Capitel erwähnten Oertchens Barbosü verliert er sich in die Donau. Dieser mächtige Strom spielt in der Moldau eine grosse culturelle Rolle und verschlingt sehr wichtige Nebenflüsse. So bei Litenl die Suczawa, rumänisch Su-ceava, bei Romanü die 100 Meter breite, 6 Meter tiefe Moldova, bei Bäcäu die reissende Bistrita, bei Adjudü den ebenfalls aus Oesterreich-Ungarn kommenden Trotusu, sodann die Putna mit dem Milcovü, den Rämnicü, den Bü-zeü, ferner Berladü und Gerü. Der mächtige Nebenbuhler des Seretü ist der Pruth. Er geht aus Galizien hervor, um mit einer Länge von 040 Kilometer den bedeutendsten Fluss Rumäniens darzustellen. Seine Breite beträgt an der Mündung 200 Meter, seine ddefe 8 Meter. Auffällig dünkt das gänzliche Fehlen von bedeutenden Zuflüssen, nennenswerth dürfte höchstens die Jijia erscheinen, in welchem (fewässer der Jasier Bahlui sein Ende gefunden hat. Bis Skulenl, 40 Meilen aufwärts, kann der Pruth mit Schiffen bis zu 1 Meter Tiefgang zu jeder Jahreszeit befahren werden. Als siebente Gruppe erscheinen die Flüsse der Dobrogea. Unter ihnen tritt besonders der Dunawetz hervor, er vermittelt die Gommunication zwischen dem See Ramzin und dem St. Georgs-Arm, ferner der Babadagh und der Taschaul, welche ihr Wasser den Seen gleichen Namens zuführen. Der Mangalia ergiesst sich in den Mangalia-See. Von den vielen Bandseen Rumäniens erfreuen sich folgende grösserer Bedeutung: Ramzin im District Tulcea, Bratisü im District Covurluiü, Dorohoiü im Bezirk Doro-hoiü, Säratü bei Bralla, Balta-Albä in Rämnicü-Säratü, BalärasT in Jalomifa, Grecilorü in Dfovu, Suhanl in d^eleor-manü, Potelü in Romanafl, Nedei'a in Doljü. Die stehenden Wässer liefern Fische und Schilf; Sümpfe und Moräste trifft man am unteren Laufe des Jiulü, des Oltü, des Seretü Klima, Bluter uml Heilquellen. 261 und des Pruth, umfangreiche Inseln nur in der Donau, wo man ein mit Baumen und Gestrüpp bedecktes, wasserumschlossenes Stück Land Ostrovü nennt. Ueberfähren und Brücken finden sich bei allen Flüssen gegenwärtig in genügender Anzahl vor, Dampfschiffe nur auf der Donau und dem Bruth. Auf dem erstgenannten Strome herrscht nach wie vor, unbeirrt durch alle Concurrenzunternehmun-gen, deren beachtenswerthesten die russischen sind, die Brsto k. k. privilegirte Donau-Dampfschifffahrts-(f(:sellschaft. Diese vorzüglich geleitete, über tadelloses Material und lobenswerthes Bersonal verfügende Vereinigung ruht fast ausschliesslich in österreichischen Händen. Sie beherrscht die Donau von Donauwörth bis Sulina, also auf einer Strecke von beinahe 2625 Kilometer, ausserdem Raab, Drau, Theiss, Maros und Save, zugleich befördert sie von Galaft nach Odessa. Die zu ihrer Verfügung stehende Flotte umfasst 200 Dampfer und mehr als 700 Schleppschiffe. - I >ie anderen Flüsse Rumäniens werden mit Ausnahme des Bruth nur für die Idösserei benützt. 4. Klima, Bäder und Heilquellen. Das Klima Rumäniens ist keineswegs so mild, als es die südliche Bage des Bandes, in welcher Rumänien Oberitalien und Südfrankreich gleichkommt, vermuthen lasst. Insbesondere sind die Extreme ausserordentlich gross: der Sommer gibt sich heisser als in den genannten Bändern, der Winter schnell hereinbrechend und meist ausserordentlich streng. Es trifft sich, dass man zu Weihnachten noch im leichten Ueberzieher ausgeht oder im Freien sitzt, wenige Lage später herrscht eine Kälte; von -20° Reaumur, ja nach Henke verzeichnete man im Januar 1870 30" Reaumur unter Null. In solchen Zeiten frieren nicht nur sämmtliche Llüsse gänzlich zu, sondern auch die Donau bedeckt sich Uüt Bis, und selbst das Schwarze Meer schliesst sich für einige Wochen auf mehrere Meilen seeeinwärts. Neigebauer berichtet, dass im Jahre 1829 die Donau sechs Schuh tief bei 200 Kälte fest gefroren war. Damals barst die Erde, und das Holz bekam Risse. Indessen versichert man, die neuesten Beobachtungen hätten ergeben, die Rauhheit des Winters habe seit einigen Jahren bedeutend nachgelassen, insbesondere sei der Winter in der Dobrogea ein angenehmer. Nachdem die trostlose Ebene oft vier Monate hindurch in Eis und Schnee begraben gewesen, bricht der Frühling plötzlich herein, und ohne jeden mildernden Uebergang entwickelt sich eine tropische Ilitze. lieber Nacht werden Bäume und Sträucher grün, und bereits im Mai kann man 30° Reaumur im Schatten beobachten. März und April sind mit Niederschlägen reich versehen; der Sommer regiert fast regenlos, weshalb jedes Gewitter als luftreinigend flehentlich erbeten wird; der September besitzt die meisten Ergüsse. Von entzückender Schönheit pflegt der Blerbst zu sein, und es scheint, als ob die Natur durch seine lange Dauer Menschen und Thiere mit ihren üblen Launen versöhnen wollte. Kommt dann ein Crivefü, so ist freilich die BTerrlichkeit vorüber, und das alte Leid beginnt. Als Crivetü bezeichnet man einen eiskalten Nordost wind, der im Mittel jährlich 155 Tage bläst; ihm tritt der Westwind mit 126 Tagen im Mittel entgegen. Die Niederschlagsmenge ähnelt der des europäischen Russlands, des östlichen Deutschlands und Ungarns. Sie schwankt zwischen 40 und 5o Centimeter jährlich und steht somit hinter der Bulgariens, Siebenbürgens und des westlichen Deutschlands zurück (70—85 Centimeter); nur in den Karpathentheilen wird dieses Mass erreicht. Meteorologische Stationen existiren an verschiedenen Punkten des Landes, ihre Beobachtungen liefern interessante Resultate. Mit Heilquellen hat die Natur Rumänien wie alle Karpathenländer so ausserordentlich wohlwollend bedacht, dass das Band in dieser Hinsicht gleich Ungarn und Siebenbürgen wohl endlich einmal einerseits die vollste Aufmerksamkeit des Westens, andererseits aber das ernsteste Klima, Bäder und Heilquellen. 263 Bestreben der eigenen Bevölkerung nach entsprechender Ausnutzung verdiente. Nach Angaben der ebenso liebenswürdigen als unterrichteten und wissenschaftlich gebildeten Herren Weinhold, Pharmaceut in Pitescl, und Dr. Dragescu, Primararzt von Constanfa, verfügt das junge Königreich über äusserst zahlreiche und wichtige Schwefel-, Jod-, Chlornatrium- und Eisenwässer. Einige von diesen Quellen, deren Gesammtheit man bei weitem noch nicht entdeckt hat, sind Eigenthum des Staates oder der öffentlichen .Spitalsverwaltung, andere gehören Privatleuten. Alle Besitzer haben neuerdings wirklich Löbliches durch Errichtung von Badeanstalten nach modernem Vorbild geleistet, so dass es nur erübrigt, sie im Interesse des Bandes zur Fortsetzung ihrer Bemühungen zu ermuntern, damit die rumänischen Bäder recht bald wohlhabenden Kranken denselben Comfort gewähren wie die verwandten Anstalten in 1 )eutschland, Frankreich und Oesterreich-Ungarn. Unter den rumänischen Mineralquellen ragen vor Allem die Schwefelbäder von Serbanesct-Pucioasa hervor, welche bei 100,5 Milligramm in iooo Gramm Wasser nächst Deutsch-Altenburg und Challes in Savoyen die stärksten des Continentes übertreffen; ferner die Wässer von Neamfu, Boboci, Nifonü, Cämpina und Mangalia. jodhaltige Schwefelquellen treten in StoenescT. (1478 (framm Jod in 10000 Gramm Wasser), in Bughea (1314 Gramm Jod in 10000 Gramm Wasser), Vulcana, Virfurile, Bäcäu, Cozia, Calimänesei und Slänicü zu Tage. Sehr gerühmt werden die trinkbaren jodwässer von Predealü und Sinaia, der jod- und schwefelhaltige, uns schon bekannte Bacu-Säratü und der für Harnorganleiden empfohlene alka-linische Brunnen von Caciulata. Bacu-Säratü besitzt in 10 Kilogramm Wasser 720 Milligramm Jod. Alkalinische Quellen und Bitterwässer existiren in Slänicü, Borca, Bäl-tätescl, Piatra, Tazlau; Eisenwässer in Lopatarü. Am besuchtesten sind die Moorbäder vom Balta-Albä, die des Lacu-Säratü, die Anstalten von Strunga, Bälfätesci, Cali-mänesci, das hydrotherapeutische Institut von Sinaia, endlich einige bereits im ersten Theile erwähnte Luft- und Milch- curorte. Unter allen Anstalten dürften dem Lacu-Säratü trotz der unwirthlichen Lage nicht die schlechtesten Aussichten für die Zukunft winken, besonders da die Eisenbahnlinie von Bräila aus bis zum Curorte verlängert werden soll. Bedeutenden Schaden richteten bisher mangelhafte Einrichtungen an. So soll man im vorigen Jahre oft drei oder vier Stunden auf ein Bad gewartet haben, bei den Damen war männliche Dienerschaft angestellt, kaum sechzehn Cabinen erwiesen sich als benutzbar, die Maschinen als verdorben; wenn Wasser vorhanden war, fehlte der Dampf. Aehnlich geht es noch immer in dem reizenden Slänicü zu, wo allerdings die Epitrophie eine tüchtige I )<>robanzen-( 'apelle unter Leitung des 1 lerrn flinke enga-girt, aber die Wohnungen nur dürftig eingerichtet hatte. B. Historische Darstellungen. r. Schicksale der unteren Donauländer bis zur Gründung selbstständiger Fürstenthümer. Wenige europäische Gebiete können eine so wechselvolle Vergangenheit aufweisen, wie die Länder des heutigen Rumänien, wozu natürlich der Umstand, dass die beiden Fürstenthümer an der Schwelle Asiens gelegen sind und mithin bei den verschiedenen Völkerwanderungen berührt werden mussten, sowie dass Rumänien eine Ausfallspforte des kraftstrotzenden Osmanenvolkes gebildet, das meiste beigetragen hat. I lerodot und Thukydides nennen als Bewohner des linken Donauufers die ungestümen Skythen und die goldreichen Agathyrsen. Die ersten Kriege in jenen Steppengebieten soll Alexander der Grosse geführt haben, im Jahre 355 v. Chr. brachte er seine unbesiegten Schaaren über die 1 )onau, setzte die Barbaren in Schrecken und wiederholte seinen Einfall kurz darauf nochmals. Nicht hinge nachher dürften gallische Völkerschaften von Westen her eingedrungen sein, immerhin ist ihre Iferrschaft eine kurze gewesen, denn schon im 2. Jahrhundert vor Christi erscheinen die thracischen Dacier als unbestrittene Lierren des heutigen Siebenbürgens und Rumäniens. Ihren Wohnsitz wagt Strabo sogar bis zu den Donauquellen anzugeben. Ptolemäus kommt der Wahrheit näher, indem er meint, dass sie von der Theiss bis zum Pruth gesessen haben. Der grosse Dacier-König Burvista machte seinen Namen weit und breit furchtbar, nicht minder Decebalus, mit dessen Gestalt und Schicksalen Poesie und Wissenschaft sich eifrig-beschäftigt haben. Und nicht mit Unrecht, denn die Erscheinung dieses Barbarenhäuptlings gehört unstreitig zu den bedeutendsten des Alterthums. Decebalus zählt zu den Wenigen, denen es, geleitet von kühnem, trotzigem Sinn, gelang, den allmächtigen Weltbeherrschern furchtbar zu werden. Das Heer des Fuscus erlag seinem Schwerte, das Pegionszeichen ging verloren, und der .Stern des Königs erbleichte erst, als Trajan, der edelste und grösste der römischen Imperatoren, die Donau überschritt, das Kleine Banat durchzog- und Sarmizegethusa im heutigen Hatseger Thal erstürmte. Decebalus stürzte sich in sein Schwert; aus den Trümmern seines Reiches aber erwuchs eine blühende römische Provinz, über welcher der Name des gewaltigen Siegers schirmend leuchtete. Von den Hinterlassenschaften des Dacierreiches und der römischen Provinz Dacia ist in dem bergumgürteten ddanssylvanien weit mehr gerettet worden, als in dem offenen Lande der unteren Donau; dort erhielt sich auf schwer zugänglichen Bergen manche werthvolle Ruine, hier verwehten wilde Völkerschwärme alle ihnen unverständlichem Vermächtnisse der Cultur. Nur die Trajans-brücke blieb erhalten; sie glänzt als würdiges Seitenstück zur Trajanssäule in Rom, welche bekanntlich für alle Besucher der italienischen Hauptstadt von unschätzbarem Werthe sein muss, da sie in wahrheitsgetreuer Weise Scenen der dacischen Kriege, sowie Physiognomie und d>acht der idten Dacier verkündet, die mit denen der heutigen Rumänen unverkennbare Aehnlichkeit aufweisen. Als die bedeutendsten Stützpunkte Roms in den Fürstenthümern werden uns folgende Niederlassungen genannt: Anutrium am Jiulü, Romula, Castra nova und Pelendona zwischen Jiulü und Oltü, Acidava, Rusidava, Pons Aluti, Buridava, Castrum Trajana am Oltü, Hydata, Arcinna, Pinum, Soruum in der Grossen Walachei, Dinogetia, Augaistia am Seretü, Paloda, ütidava, Arcobadara am Pruth. Schicksale der unteren Donauländer. 267 Im Jahre my n. Chr. hatte Trajan Dacien endgiltig in Besitz genommen, es blieb bis zum Jahre 274 römische Provinz. In jener Zeit drangen die tapferen Gothen aus Osten vor, und der römische Imperator hielt es für wünschens-werth, das Tand als schwer haltbar ganz aufzugeben. Er brach die Brücke seines grossen Vorgängers ab und verlegte Schwerpunkt und Namen der Provinz Dacia auf das rechte Donauufer. Ob seinen Legionsadlern alle Colonisten gefolgt, oder ob ein Theil Von ihnen zurückgeblieben, um sich in den Bergen Siebenbürgens kümmerlich zu erhalten, das ist eine f^rage, über welche die Geschichtsforscher noch immer nicht einig. Mit den Gothen haben sie sich schwerlich vermischt, denn Spuren der gothischen Spracht; kennt das Rumänische nicht. Die Gothen breiteten sich weithin aus, unternahmen lebhafte Einfälle in Moesien und theilten sich in Ost- und Westgothen. Beide, vielfach mit einander verfeindet, unterlagen dem Ansturm der Alanen und der Hunnen, wilder Schwärme, berufen, wie eine Windsbraut einherzustürmen und hundert Jahre lang den Schrecken Europas zu bilden. Ihnen folgten 493 die Bulgaren, bisher an der Wolga sesshaft, nicht minder ungestüm, an Kraft aber von den Avaren übertreffen, denen sie im Jahre 562 unterthan wurden. Die Avaren bestanden, gleich den Hunnen, Bulgaren, Alanen, Skythen und Parthern, aus Reitertrossen, deren Kampfart eine verwirrende, unberechenbare und darum schwer besiegbare gewesen sein soll. Ihre wiederholten Eintälle in Deutschland und Italien galten als entsetzlich, ihr Anstürmen auf das byzantinische Reich rief allenthalben Schrecken hervor. Erst Carl der Grosse besiegte sie 796 und eroberte ihre festen Plätze, die sogenannten Avarenringe. Bereits vor ihm hatte der Bulgarenkhan Kuvrat das lästige Joch abgeschüttelt und. seinen Söhnen und Nachkommen, den Kuvratiten, ein grosses Reich hinterlassen. Im heutigen Bulgarien entstand ein mächtiger Staat, dem im Jahre 680 die Avaren tributpflichtig wurden. Schon zu jener Zeit hatte eine gewaltige, aber dem Auge späterer Historiker lange unbemerkt gebliebene Slaveninvasion stattgefunden. Gewaltige Massen slavischer Hirten drängten von Norden nach Süden und überschwemmten binnen kurzem die Balkanhalbinsel derart, dass sie ihr einen slavischen Charakter aufdrückten und das lateinische Wesen verdrängten. Abtheilungen dieser neuen Ankömmlinge haben sich in den Donauländern niedergelassen, von ihnen rühren zweifelsohne die Städtenamen Craiova, Tergoviste, Slatina, Slänicü, Rämnicü und Ocna her. Den Slaven muss es auch zugeschrieben werden, dass die Bulgaren ihr ursprüngliches Wesen ablegten, zu den Sclaven ihrer Knechte wurden, dass uns die heutigen Bulgaren als ein slavisches Volk erscheinen, und dass ein grosser Theil des rumänischen Wörtschatzes, nach Einigen 3/6, sla vischen Ursprunges ist. Die schönste Blüthe des Bulgarentrosses fällt in den Anfang des 9. Jahrhunderts'. Unter dem Khan Krum erwuchs ein mächtiges bulgarisches Reich, dem das heutige Rumänien, Bessarabien, ein Theil von Serbien, Bulgarien und die Dobrogea angehörte. Einige Decennien später, im Jahre 861, hielt das Christenthum durch Methodius seinen Einzug in diese Länder, um sie seitdem nicht mehr zu verlassen. Im ix. Jahrhundert finden wir in der Moldau und in der östlichen Walachei die räuberischen Betschenegen, gleich ihren späteren Bezwingern, den Rumänen, ebenso unbändige Gesellen wie die vor ihnen einhergebrausten Magyaren. Freunde der Rumänen waren die Walachen, die heutigen Rumänen. Von ihnen erfahren wir zuerst anlässlich des Aufstandes, den die beiden Brüder Peter und Asan in Scene setzten. Die Genannten wohnten mit ihren Landsleuten im Hämus und sind zweifelsohne Nachkömmlinge der römischen Colonisten Daciens. Welchen Nationalitäten die römischen Colonisten entsprossen, ob die Rumänen sich nicht vielleicht in Siebenbürgen entwickelt, wo sie natürlich seit Kaiser Trajan unangefochten hätten sitzen müssen, solche Fragen haben Stoff zu wissenschaftlichen Erörterungen über die Abstammungstheorie der heutigen Rumänen geboten. Der hochverdiente Grazer Universitätsprofessor Roesler und seine Nachfolger, unter denen Hunfalvy alias Hundsdörfer am meisten Lärm macht, leugnen die Möglichkeit einer Uransässigkeit in Transsyl-vanien, Mommsen und Jung stimmen für dieselbe. Seit dem Untergang des Bulgarenreiches durch Kaiser Basilius 10iq gehörte alles Land bis zur Donau zum oströmischen Reich; gegen dieses richteten die Brüder ihr Schwert, und es gelang ihnen, für ihre Nachfolger, die Asaniden, ein neues walachisch -bulgarisches Reich zu gründen. Im heutigen Rumänien herrschten freilich die Rumänen, sie wurden endlich von den Mongolen, welche den vorletzten, zweitfürchterlichsten Ansturm auf das Abendland ausführten, bewältigt. Das zuletzt kommende Volk war auch das kräftigste: den Osmanen blieb es vorbehalten, die ganze Balkanhalbinsel, einschliesslich des zweiten Bulgarenreiches, ihrer Herrschaft zu unterwerfen. Dies fand jedoch erst am Ausgang des Mittelalters statt, von 1000 bis 1200 zog sich ein bedeutender Theil der Rumänen unbehelligt nach Siebenbürgen hinauf. 2. Ereignisse in der Walachei bis zur Herrschaft der Phanarioten. Im Jahre 1241 stieg Radu Negru, angeblich „LIerzog von Fogaras", aus den Bergen TransSylvaniens nieder, erschien mit einem zahlreichen Heere in der Walachei und gründete hier ein eigenes walachisches Reich. Die näheren Umstände einer solchen Staatenbildung werden in Deutschland noch immer stark angezweifelt, ohne dass mein jedoch genügenden Ersatz für die entstandene Bücke bieten könnte. Von Radu Negru erzählt die Geschichte, er habe in Cämpulungü seine Residenz aufgeschlagen, sie später nach Argesü verlegt und den römischen Adler und das christliche Kreuz in sein Wappen aufgenommen. Die Verfassung wurde eine monarchisch-aristokratische mit einem Wojwoden und einem Rathe von Bischöfen und Bojaren an der Spitze, die Masse der Bevölkerung wurde leibeigen. Die Ungarn, Bolen und Türken stritten sich lange um die Oberherrlichkeit des neuen Staates, die Wojwoden befanden sich daher in einer schwierigen Lage, und um ihr gerecht zu werden, schlössen sie sich bald an diese, bald an jene Dränger an. Einer der Fürsten, Mircea I. (1389 bis 1419), spielte sogar den Schiedsrichter zwischen Ungarn und Polen, sah sich dafür jedoch 1391 zur ersten Capitu-lation mit den Türken genöthigt. Er brach das Bündniss, wurde von Bajazet I. vertrieben, durch König Sigismund von Ungarn aber wieder eingesetzt. 1394 war er siegreich gegen die Türken, während Sigismund die Schlacht von Nikopolis verlor. 1397 schlug der von Polen protegirte Gegenwojwode Dan die Türken bei Craiova, vor Mircea musste er zurückweichen. Bajazet I. starb 1405, und Mircea lieferte jetzt, unterstützt von seinem Neffen und Mitregenten Dan IL, den Türken von Neuem ein glänzendes Treffen. Der erwähnte Dan IL trat 1419 an Stelle Mirceas, hauchte in einem Kampfe gegen Dracu seinen letzten Seufzer aus und erhielt in Dan IV. einen Nachfolger. Dan IV. entsandte zu dem Zuge Hunyadys 8000 Mann Ililfstruppen, weshalb Soliman Vlad III. zum Wojwoden ernannte. Vlad III. schuf die zweite Capitulation, laut welcher die Unabhängigkeit der YWtlachei und eigene Gesetzgebung gegen einen jährlichen Tribut von 10000 Ducaten und 5oo Jünglingen, sowie gegen die Investitur des Wojwoden durch den Sultan zugestanden wurde. Vlad III. war ebenso kriegerisch als unklug, er beseitigte die angesehensten Bojaren, zog ihre Güter ein, widersetzte sich dem Sultan, flüchtete nach Ungarn und starb durch seine eigenen Unterthanen. Nach seinem Bode gerieth die Walachei vorübergehend unter moldauische Herrschaft; Radu der (f rosse trafVerbesserungen in weltlichen und geistlichen Angelegenheiten, trat den Bojaren entgegen und machte seinem grausamen Sohne Michael I. Platz. Die Schlacht von Mohacs bereitete auch der Walachei unendliches Elend. Nach ihr erkannte Dracu V. die osmanische Herrschaft unumschränkt an, wurde jedoch von den Bojaren deshalb ermordet. ^ Sein Nachfolger Moises rächte ihn, indem er bei einem Gastmahl die Führer der Bojarenpartei massakriren liess. Ende des 16. Jahrhunderts bestieg der bedeutendste walachische Fürst den Thron. Michael dem Tapferen (1593 —1601) war es beschieden, die Walachei, die Moldau und Siebenbürgen unter einem Scepter zu vereinigen. Mit Sigmund Bathory und dem -moldauischen Wojwoden verbündet, schlug er 1693 auf osmanischem Gebiet drei an Zahl überlegene Heere. Nachdem er die ganze Walachei an die Türkei verloren hatte, gewann er sie binnen Kurzem zurück, leistete 1597 dem Sultan Mohamed III. den Eid der dd-eue, that dasselbe im nächsten Jahre mit dem deutschen Kaiser Rudolf IL, fiel 1099 durch den Rothenthurmpass ein und erlangte durch eine Schlacht bei LIermannstadt die Ilerrschaft über Siebenbürgen. Im nächsten Jahre entriss der tapfere, aber gewissenlose, grausöime und eidbrüchige Mann dem Fürsten Jeremias Movila die Moldau. Schliesslich verlor er durch Abtrünnigkeit der Bojaren und durch eigenen Uebermuth Alles und beschloss sein abenteuerliches Leben unter den Streichen erbitterter Mörder. Alle diese wechselvollen politischen Schicksale, die unaufhörlichen Kämpfe als Vormauer der Christenheit gegen die Osmanen, die Herrschaft wilder Fürsten, einer unbändigen Bojarenpartei und die häufige Anwendung von Dolch und Treubruch waren geeignet, die culturellen Zustände des Landes zu zerrütten. Vergebens suchten edlere Fürsten wie Mathias I. (1627 —1664), der in Bucuresci die erste rumänische Buchdruckerei errichtete und Gesetzbücher schreiben liess, und Serbanü II. Cantacuzino (1679 —1688), der Schöpfer des ersten rumänischen Collegiums, der Beschützer deutscher und griechischer Gelehrter, unter dessen Herrschaft die Bibel übertragen und die Zölle gemindert wurden, eine erfreulichere Lage zu schaffen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wanderten zahlreiche Phana-riotenfamilien ein. bewirkten die Ausmerzung des rumä- mischen Gottesdienstes und ermöglichten der türkischen Kleidung die Hegemonie auf dem Gebiete der Mode. Dass Serbanü II. die Pläne Kara Mustaphas 1683 an Oesterreich verrieth, nützte der Christenheit wenig und schadete dem Lande viel. Seinen zweiten Nachfolger, Stephan III. Canta-cuzino, liess der Sultan entthronen und im Jahre 1716 tödten. Mit ihm schwand der letzte Schimmer von Unabhängigkeit. Fortan ersetzte die Pforte die bisherigen nationalen Regenten durch die Abkömmlinge vornehmer Griechen aus dem Phanar, der griechischen Vorstadt von Konstantinopel. Dem rumänischen Volke aber gebührt genau in demselben Masse wie dem ungarischen der Dank des Abendlandes: es diente im heissen, verzweifelten Ringen als beklagenswerther Mauerbrecher gegen das Osmanenthum und beugte sich diesem endgültig erst in jener Zeit, wo Westeuropa, dank dem Genius und dem Glücke eines Prinz Eugenius, erleichtert aufathmete! 3. Begebenheiten in der Moldau bis zur Ernennung griechischer Hospodare. Erst hundert Jahre nach dem Auszug des Radu Negru wurde die Moldau auf ähnliche Weise wie die Walachei mit rumänischem Element besiedelt. Es kann als historisch sicher angenommen werden, dass 1364 Bogdanü Dragosü von dem urwaldreichen Bergland der Marmaros herniederstieg und in dem bis dahin als Rumänien bezeichneten Lande den Staat Bogdania gründete. Der Name der neuen Schöpfung- wurde g-ar bald in Moldau, abgeleitet vom Mol-davafluss, umgewandelt. Bogdanü wählte zunächst ßaja an der Moldava als Sitz, gab seinem Staate den Kopf eines Auerochsen mit einem zwischen den Hörnern glänzenden Stern als Schild, eroberte noch einiges Gebiet hinzu und liess sich vom oströmischen Kaiser zum Despoten ernennen. Wie in der Walachei verhinderten in der Begebenheiten in der Moldau. 2 73 Moldau schon in den frühesten Zeiten unselige Parteikämpfe eine gedeihliche Entwickelung, wozu noch kam, dass sich hier wie dort Ungarn, Polen und Türken um die Lehensherrschaft stritten. Fürst Peter Ii. verbündete sich mit den Polen gegen die Ungarn, sein Nachfolger Stephan III. hob das Bündniss auf; Alexander willigt«1 ein, den Polen Tribut zu zahlen, den Ungarn Behensdienste zu leisten. Bange vor Michael dem Tapferen erwuchs der Moldau ihr bedeutendster Regent. Der Fürst oder Wojwode Stephan VI., auch der Grosse oder der Gute genannt, nahm 14^6 den moldauischen Fürstenstuhl in Besitz. Die einbrechenden nogaischen Tartaren wies er energisch zurück, hierauf führte er glückliche Kriege mit allen seinen Nachbarn. Die Ungarn, die Polen und die Walachen lernten ihn fürchten; weil er aber die Betzteren auf ihrem (febiet unglimpflich heimgesucht, zogen die Türken wider ihn zu Felde und bezwangen ihn. Dass auch seine Politik eine immer wechselnde, anscheinend gewissenlose und eidbrüchige war, kann nicht in Erstaunen setzen, wenn man bedenkt, wie hart die rumänischen Bänder damals durch drei kriegslustige Nachbarn bedrängt wurden. Nachdem Stephan der Grosse 1Ö04 verschieden, folgte ihm sein Sohn Bogdanü II., dessen Regierung bis 1546 währte, (fequält von den Tartaren, schloss er mit den Türken einen Eehensvertrag, worauf dann sein Nachfolger Peter VI., ursprünglich ein Fischhändler, doch natürlicher Sohn Stephans des Grossen, von 1536 den üblichen Tribut zahlte und dafür von Soliman dem Prächtigen volle Souveränität erhielt. Auch sollte fortan kein Muselmann mehr beständig in der Moldau wohnen dürfen; Versprechungen, um welche sich die Pforte nie sonderlich gekümmert hat, und trotz welcher Peter VI. in einen Krieg mit den Türken gerieth. Der Kampf hei natürlich zu Ungunsten des Schwächeren aus, und die d^ürken verbrannten 15,^8 jast. Peters Nachfolger wurde 1558 wegen seiner abscheulichen Grausamkeit ermordet Mit ihm erlosch der ungesetzliche NebenzwTeig der ursprünglichen Wojwodenfamilie. Bergner, Rumänien. ' " War die moldauische Geschichte bisher keine erfreuliche, so wird sie jetzt eine geradezu abschreckende und düstere. Unruhen und Parteikämpfe kommen ap die Tagesordnung. Alexander IV. wurde i56i von dem griechischen Matrosen Jacob und dessen zusammengelesenen polnischen Miethstruppen verdrängt, und der Abenteurer liess sich mit Brlaubniss des Sultans iöo^ zum Könige oder Despoten krönen. Glücklicherweise dauerte die Herrlichkeit nicht lange, der neue Purpurgesehmüekte ward von dem erbitterten Pöbel in Stücke zerrissen. Die Türken benutzten derartige Zustände, um die Moldau zum Pasehalik zu machen, einen Pascha einzusetzen und bedeutende Ländereien an den Tartarenkhan Kazigerai zu verschenken. Dem widersprach der von Polen begünstigte Jeremias Movila, welcher es verstand, i.Sqö die Anerkennung und Gunst des Sultans zu erlangen. Michael der dTapfere vermehrte die Venvirrung, er hei fünf Jahre später in die Moldau ein, übergab sie seinem Sohne Peter VII f. als bürsten und rief dadurch heisse Kämpfe zwischen beiden stammverwandten Ländern hervor. Mitte des 17. Jahrhunderts verjagte Kürst Rakoczy den epirotischen Griechen Fürst Vasile Lupü, einen warmen Beschützer von Kunst und Wissenschaft; ihm folgten der gleichfalls vertriebene Stephan Xfll. und der Phanariote Ghika. Der Letztere nannte sich Georg IL und verlor im Jahre i6ög im Vereine mit den Szeklern eine dreitägige Schlacht am Bahlui unweit Jasi gegen die verbündeten Polen und Tartaren. Bereits mit ihm beginnt die Reihe der griechischen llospodare. Aus alledem ersieht man, dass die Geschichte der rumänischen Moldau viel später anfängt als die der Walachei, während sie zugleich viel früher mit völliger Knechtschaft schliesst. Schon deshalb ist sie weit weniger fesselnd als jene. Die KiirslenUiiimer unlev den Plianavioten. 275 4. Die Fürstenthümer unter den Phanarioten und bis zu ihrer Vereinigung. Dank der Phanariotenwirthschaft entfällt mit dem Beginne des 18. Jahrhunderts jede Einzelgeschichtie der beiden FüfstenthÜmer, so dass es undenkbar; ja unmöglich erscheint, beide nach wie vor zu trennen. Die vom Sultan ernannten Gebieter der zwei .Staaten waren unterwürfige Lehens-fürsten, einzig und allein bedacht, ihren Säckel zu füllen und die dem Sultan für Ueberlassung des Ilospodaren-stuhles entrichtete ungeheure Summe von einer halben Million LÖwenthaler, d. i. über eine Million Mark, baldigst wieder aus dem entnervten Lande herauszupressen. Bot Jemand mehr, so erhielt er den Posten; Niemand blieb länger im Amte als sechs Jahre, je öfter gewechselt wurde, um so wohler fühlte sich der Padischah. Da ausserdem türkische Truppen die Phanarioten beschützten und türkische Dragorhahs sie1 beaufsichtigten, kann es nicht in Verwunderung setzen, wenn jede nationale Regung erstickte und dem rumänischen Volke der Untergang drohte. Die Familien Mavrocordatü, ( alimaehü und Racovita stellten die grösste Zahl der Käufer, eines ihrer Mitglieder, Constantin Mavrocordatü, wurde nicht weniger als sechsmal (1731, 1731, 173.5, 1744, 17S6, 1761) flospodar der Walachei und viermal (1733, 1741, 1748- 1769) Flospodar der Moldau. Unter den Phanarioten verdient Nicolaus Mavrocordatü, bis 1716 moldauischer, später walachiseher flospodar. Erwähnung. Er ordnete4 zwar die Regierung, sog aber das Land derart aus, dass man ihn auf Befehl des Sultans gefangen nahm. Sein Nachfolger und Bruder, Johann Mavrocordatü, schloss mit Kaiser Karl VI. insgeheim einen Neutralitätsvertrag und scink so zu dessen Vasall herab, allein trotzdem verlor die Walachei im Frieden von Bassaro witsch die Kloine Walachei oder das Banat von Craiova an Oesterreich, um es erst 1739 durch den Belgrader Frieden gegen eine massige Zinszahlung wieder zu erlangen. Von 1719 bis 1730 herrschte in der Walachei Nicolaus III., ihm folgte sein Sohn Constantin Mavrocordatü als Constantin III. Auch er musste wegen allzu grausamer Bedrückungen den walachischen Bürstensitz mit dem moldauischen vertauschen, gewann indessen mittelst Bestechung den ersteren zurück. Schliesslich machte er sich durch lierabminderung des Heeres und der Frohndienste bei den Bojaren verhasst und wurde 1739 durch Michael Y. ■ersetzt. 1741 tritt Constantin III. von Neuem die Regierung* an, sah sich aber gezwungen, wegen Gregor III. zu verzichten. Mit diesen unliebsamen inneren Verhältnissen vermischten sich nicht lange nachher alle jene Trübsale, welche sich als das Resultat der aufgeworfenen orientalischen Frage, das ist des Räthsels, wie das Verdrängen des entnervten Padischahs und das Vertheilen seines Erbes zu lösen sei, ergaben. Der erste russisch-türkische Krieg von 1768-—1772 brachte die erste jener unseligen österreichisch-russischen Invasionen, die nicht nur den Fremdlingen Tausende von Menschen kosteten, sondern auch das rumänische Volk durch Cholera und andere Krankheiten deeimirten. Die Soldaten der russischen Kaiserin Katharina II. eroberten mit Leichtigkeit die Moldau und 1770 auch die Walachei. Wohl zogen sich die Türken nach der vSchlacht von Giurgiu am 30. October 1771 nach Rustschuk zurück, allein der Krieg endete erst 1774 mit dem Vertrag von Kutschuk-Kainardschi. Er verpflichtete die Pforte, die Vorstellungen des russischen (resandten zu Gunsten der Fürstenthümer zu beachten und bot die Gewähr der freien Einwanderung und der ungestörten Religionsausübung. Durch die Abtretung der Bukowina an Oesterreich erhielt die Rivalität Russlands und Oesterreichs neue Nahrung. 1781 sandte Katharina II. russische Consuln nach Jasi und Bucuresci, welche die Einanzverwaltung beaufsichtigten und von den Türken unterhalten werden sollten; zwei Jahre später that Kaiser Josef II. das Nämliche. Seine Absicht war, den russischen Einfluss zu beschränken und die Die FülBtenfhuiaer Witer den Phanarioten. 277 Verbindung- der Donaufürstenthümer mit der Türkei zu lockern. Nicht einmal zwei Decennien waren seit dem ersten Besuche der mächtigen Nachbarn verstrichen, als sich die drei Streitenden zum zweiten Male ein hässliches Rendezvous ertheilten. Der zweite russisch-türkische Krieg führte die Russen in die Moldau, die Oesterreicher in die Walachei. Lascy, der unglücklichste Feldherr des vorigen Säculums, mühte sich vergebens mit einem von Seuchen geschwächten 1 leere vor Belgrad ab, und der verzweifelte Kaiser Josef sah sich genöthigt, den .Sieger von Hochkirch und Kunersdorf, den Freiherrn Gideon Ernst von Baudon, herbeizurufen, ihm blieb es vorbehalten, in einem zweiten Feldzug Belgrad und Semendria zu erobern und den Ruf der österreichischen Waffen zu sichern. Bucuresct befand sich vom 10. November 1789 an bis zum 4. August 1791 in den Händen der österreichischen dimppen; erst am 9. Januar 1792 machte der Friede von Jas! dem Kriege ein Ende. Ihm zufolge wurde alles Band bis zum Dmjester an Russland übergeben. Kaum hatten sich die Wunden der ersten Streitigkeiten einigermassen geschlossen, als auch schon der nächste Confhct heraufbeschworen wurde. Kaiser Alexander I. von Russland liess 1806 seine Truppen von Neuem in der Moldau einrücken und veranlasste so den dritten russischtürkischen Krieg- (1806 -.....1812). Sein Gegner war bedeutend. Das grosse Geschlecht der Sultane, dem die Welt für seinen Ruhm und seine Eroberungslust zu klein dünkte, verkam seit Soliman dem Brächtigen mehr und mehr. Die im Harem erzogenen Padischahs verweichlichten, und der I lalbmond erblich. Erst Anfang unseres Jahrhunderts war . September hielten die Oesterreicher ihren Pdnzug in Bucuresci, am 23. September übernahm Fürst Stirbei die Regierung. Am 2. October kamen die Oesterreicher nach Jas!, am o. Xo- vember folgte ihnen Fürst (rhika, um sich mit einem russenfeindlichen Ministerium zu umgeben. Der Pariser Friede vom 30. März i856 raubte den Russen alle bisherigen Erfolge, garantirte die Suzeränitätsrechte des Sultans und hob das russische Brotectorat auf. Russland gestand die Regelung derDonauschifffahrt durch eine europäische Com-mission zu, verzichtete darauf, im • Schwarzen Meere Seekriegsarsenale anzulegen, und abdicirte einen Theil Hessarabiens an die Türkei, respective an die Moldau. Dieses (febiet betrug etwa 222 f"!Meilen mit 200000 Seelen. Nachdem die Oesterreicher als Friedensvermittler das Einhalten der Bedingungen für geschützt erkannt, zogen sie im Frühjahre 18.57 ihre Truppen zurück, eine That, die ihnen noch heute vielfach als eine politische Thorheit angerechnet Wird, in Anbetracht der französischen, italienischen und russischen Feindschaft aber erklärlich erscheint. Nachdem Fürst Alexander (rhika die moldauische Eandesbank zu Jasi concessionirt und ein Gesetz über Pressfreiheit erlassen hatte, dankte er ab, und die Pforte setzte an Stelle der bisherigen zwei Hospodare zwei Kaimakams oder Verweser ein, als deren erste Alexander Demeter Ghika und Theodor Balsü auftraten. Mit den Finanzen beider Staaten sah es übel aus. 1863 fast schuldenfrei, hatte die Moldau drei Jahre später schon 21,'., Millionen Lei, die Walachei .5 Millionen Lei Schulden, wozu noch 2 Millionen Lei für den Loskauf der Leibeigenen in der Moldau kamen. Die Salinen waren billiger als sonst verpachtet, die Pensionscassen geleert. Inzwischen hatten die Verhandlungen einer europäischen ( ommission in Bucuresci ihren Anfang genommen, und es entstand eine mächtige, besonders durch die jüngeren, in Baris gebildeten Elemente geleitete Partei, deren Wunsch es war, die beiden stammverwandten Staaten unter einer I lerrschaft vereinigt zu sehen. Solche Ideen wurden von Napoleon III. lebhaft protogirt; ihm ist es hauptsächlich zuzuschreiben, dass die im nicht-runionistisehen Sinne ausgefallenen Wahlen annullirt wurden und neue erfolgten. Am 4. October konnten die für die Union begeisterten Anhänger der neugewählten Divans in Jasi, am 8. (Jetober in Bucuresci zusammentreten. Beide bestimmten die Aufrechterhaltung der Autonomie der Fürstenthümer, die Vereinigung derselben zu einem einheitlichen Staate, sowie die Regierung desselben durch einen erblichen Fürsten aus einem europäischen Herrscherhause. Die Entscheidung über den Pfortentribut stellte man dem Bariser Congress an-heim. Die dmrkei protestirte lebhaft gegen eine derartige Wendung der Dinge, erlaubte indessen endlich eine gewisse legislative und behördliche Vereinigung mit Aufrechterhaltung der politischen Trennung. Die Hospodaren sollten wieder eingesetzt, der Tribut der Moldau auf i1 2 Millionen Piaster, der der Walachei auf 2J/,2 Millionen Piaster bestimmt werden; jeder Staat durfte seinen eigenen Landtag und sein eigenes Heer besitzen. Die Verhinderung einer vollkommenen Union gelang den Türken trotzdem nicht. Das rumänische Volk legte ein mächtiges Veto ein, indem es am 17. Januar i85rj in der Moldau, am 5. E'ebruar desselben Jahres in der Walachei den Obersten Alexander Cusa zum flospodar wählte, dadurch wenigstens eine Personalunion erzielend. Die sieben Pariser Garantiemächte verwarfen die ©oppelwahl, empfahlen jedoch der Pforte die Investitur, die denn auch mittelst zweier getrennter Germane erfolgte. Die Lage Cusas war dennoch wenig erfreulich, so dass er mehrmals die Kammern auflöste und ein Ministerwechsel den anderen jagte, immerhin bemühte sich der Fürst redlich um die endgiltige Verschmelzung der Edärstenthümer, und nach langen Verhandlungen zwischen den Vertretern der sieben (farantiemächte und der Hohen Pforte; genehmigte die Betztere am 4. December 1861 wenigstens die zeitweilige Verbindung. Nachdem dieser Act allseits anerkannt worden, publicirte Alexander Johannes f., wie sich Fürst Cusa seit dem 8. l^ebruar 1860 nannte, durch die Broclamation vom 23. December i8f>i die Gründung eines einheitlichen Staates unter dem ddtel Rumänien". Cresclnchte Rum unnis. 285 5. Geschichte Rumäniens. Oberst Cusa, geboren am 20. März 1820 zu Galafi als Sohn eines moldauischen Bojaren und einer Griechin, stu-dirte in Athen und Paris, diente als Oberst in der Armee und heiratete 1845 Helene, die Tochter des Bojaren Rosetti, eine ebenso edle wie tugendhafte Krau. Beider war Selbst dieses kostbare Weib nicht in der Lage, den sinnlichen Ausschweifungen des üppigen Mannes ein Ziel zu setzen, und sie musste es endlich • dulden, dass die Witwe des serbischen Pürsten Obrenowitsch, Marie, eine Tochter des moldauischen Grossbojaren Catargiu, ihren Gemahl gänzlich bezauberte. Die genannte geistreiche Dame liess sich dauernd in Bucuresci nieder, schenkte dem Geliebten einige Kinder und begleitete ihn schliesslich in die Verbannung. Die kinderlose Helene Rosetti that dasselbe, und Europa erlebte das seltene Schauspiel, dass eine der edelsten Brauen mit einer der schönsten in Eintracht lebte. Nach dem d'ode Cusas und der Catargiu-Obrenowitsch erzog Helene die Kinder der Beiden; ein Sohn der Madame Catargiu ist der jetzige König Milan von Serbien, in dessen Adern mithin kein ddropfen serbisches, sondern nur rumänisches Blut fliesst, eine bemerkenswerthe, wenig gekannte 1 natsache. Fürst Cusa hatte einen schweren Stand. Die Einbürgerung der Verfassung nach belgischem Muster erntete wenig Beifall, da es damals wohl verschwenderische Bojaren und gehorsame Bauern, aber keinen Mittelstand gab, Handel und Gewerbe aber in den Händen von Ausländern ruhten. Am 5. Februar 1&62 bildete Cusa ein gemeinsames Ministerium, ernannte Bucuresci zur Haupt- und Residenzstadt des ganzen Landes, schuf sodann neue Stellen, gab ein Communalgesetz und hob in kluger Erkenntniss die Robotpflicht auf. Ebenso löblich war die Säcularisation der Klostergüter laut Erlass vom 5. Januar 1864, das Erscheinen eines einheitlichen Civil-, Criminal- und Handelsgesetzbuches, sowie eines allgemeinen Unterrichtsgeselzes. Bedauerlich erschien dagegen das Auftauchen von nicht weniger als /.wanzig Ministerien bei siebenjähriger Re-gierungszeit, die Belastung der Staatscasse und der Staatsstreich vom 4. 'Mai 1864, der die Sprengung der Nationalversammlung, die Einsetzung eines Senates und eine günstige Volksabstimmung herbeiführte. Eine I Iungersnoth in der Moldau, das Stocken des Handels und die leeren Gassen, die Eürst Cusa wohl vor den Händen seiner Beamten, nicht aber vor seinen eigenen geschützt, veranlassten seine Entthronung. Am 23. Eebruar 1866 brach eine Verschwörung aus, an deren Spitze General Golesco, Oberst Eeca, Oberst CreDulesco und vierzig Andere standen. Ahm überfiel den Bürsten in seinem Schlafzimmer und zwang ihn zur Abdankung. Obgleich sich Güsa im Bande grosser Beliebtheit erfreute, rührte doch Niemand eine Hand zu Gunsten des Eürsten, allgemein wurde vielmehr der Wunsch geäussert, einen Regenten aus fremdem Bande zu erhalten. Beide Bammern wählten in Eolge dessen den Grafen von Blandem, einen jüngeren Bruder des Königs von Belgiern Die Türken zogen jedoch ein Armeecorps bei Rustschuk zusammen, der Gewählte schlug aus, und statt seiner berief man einstimmig Prinz Karl von I lohenzollern-Sigmaringen. Er wurde am 20. April 1866 zum Fürsten von Rumänien proclamirt und trotz des Widerspruches der Grossmächte am 22. Mai desselben Jahres feierlichst in Bucuresci empfangen. Bring Karl Eitel Friedrich Zephyrin Ludwig ist als Sohn des Eürsten Karl Anton von 1 lohenzollern-Sigmaringen und der Prinzessin Jösephme von Baden am 20. April 1839 geboren und diente als Ofhcier im preussischen Heere. Sofort nach seiner Ankunft ergriff er mit eiserner Hand die Zügel der Regierung. Er bemühte sich, die drohende tiungersnoth abzuwenden, veranlasste durch Zusammenziehung seiner Truppen und Verhandlungen mit den Grossmächten den Sultan zur Anerkennung und wählte sich ein Ministerium mit J'uonü Bratianu als Einanzminister. Bratianu hat sich seitdem als einer der tüchtigsten rumä- nischen Staatsmänner erwiesen, und insbesondere ist seine auswärtige Politik eine derart geniale gewesen, dass man ihn mit vollem Recht als den Bismarck Rumäniens bezeichnet. Er ging mit aller Energie vor, brachte Ordnung ins Mün/.wesen und führte das Decimalsystem ein. Beider | u on Q Bratian u. war man mit seiner Härte den jüdischen Schmarotzern gegenüber nicht einverstanden, und er sah sich deshalb zunächst zum Rücktritt gezwungen. Ende 1867 stand er von Neuem an der Spitze des Cabinets, und nun kam für Rumänien die eigentliche Morgenröthe einer neuen Zeit und eine gedeihliche culturelle Entwickelung. Eisenbahnen wurden geschaffen, Schulen gestiftet, Aorzte ins band gerufen und sonstige segensreiche Neuerungen getroffen; nur zu früh — schon nach einem Jahre erfolgte cler Sturz Bratianus als Ministerpräsident. Fürst Karl bemühte sich indessen redlich, festen Fuss in dem Bande zu fassen, als dessen Sohn er sich beim Betreten erklärt und seitdem erwiesen. Br suchte Fühlung mit den europäischen Mächten, gewahrte sich aber durch allerlei Kammermiseren plötzlich in einer unbehaglichen Lage. Nur das Zureden Oesterreichs und Preussens bewog ihn zum Ausharren bei einem vielfach widerstrebenden Volke, dem er sich durch seine Vermählung mit der liebenswürdigen und herzgewinnenden Prinzessin Pauline Elisabeth Ottilie von Neuwied zu nähern suchte. Die Herrscherin Rumäniens erblickte am 29. December 1843 das Eicht der Welt und reichte dem Fürsten am i5. November 1869 zu Neuwied ihre Hand. Angeregt durch den deutsch-französischen Krieg unternahm die im Bande noch immer sehr mächtige, feindselig gesinnte Partei im August 1870 zu Ploesci einen bedenklichen Putsch. Der Aufstand scheiterte gänzlich und bewies, dass die grosse Masse des Volkes dem fremden Herrscherhaus bereits völlig gewonnen. Die folgenden Jahre förderten wesentlich die Entwickelung. Die Eisenbahnlinie bis Verciorova wurde eröffnet, die Finanzen verbesserten sich, Tabaksmonopol, Brantweinlicenz und Stempelsteuer traten in Kraft. Abschluss von Handelsconventionen, ein neues Mauthgesetz bedeuteten neue Errungenschaften, zugleich rief Majorescu Realschulen ins Beben und sorgte für die 1 lebung der Volkslehranstalten. Die russisch-türkischen Feindseligkeiten stellten alles in Frage. Das Cabinet Catargiu musste in Folge seiner eigenen Unthätigkeit zurückweichen, und Bratianu leitete als Ministerpräsident die Unterhandlungen mit dem Czaren zu Eivadia. Die politische Situation drohte jetzt wiederum verhängnissvoll zu werden. Die Osmanen meinten, Rumänien sei eine integrirende Provinz, die Rumänen entgegneten, sie betrachteten sich Vom türkischen Reiche Elisabeta, Königin von K u mani cn. Carolö [., Köllig von Rumänien. Geschichte Rumäniens. 289 losgelöst und schlössen mit den einmarschirenden Russen eine Convention, laut welcher die Unantastbarkeit des Staates gegen freie Durchzugsverhältnisse garantirt erschien. Während die Moskowiter vergebens versuchten, die Osmanen niederzuwerfen und vor Plewna in eine verzweifelte Lage geriethen, sammelte Fürst Karl seine Truppen zwischen Calafatü und Zimnifa, der Aufforderung harrend, am Kriege theilzunehmen. Die russischen Politiker trachteten darnach, das zu vermeiden, trotzdem sahen sie sich, dank der Unfähigkeit .der russischen Heerführer, in die Lage versetzt, die Rumänen inständigst und kläglich durch ein Telegramm des russischen Obercommandanten Grossfürst Nikolaus um Hilfe anzuflehen. Die Rumänen überschritten am 17. Juni die Donau, siegten in rascher Reihenfolge bei Calafatü, Nikopolis, Rahowa und Smär-danü, und nachdem Fürst Karl den Oberbefehl vor Plewna übernommen, war es ihnen hfeschieden, durch Erstürmung der Grivitza-Redoute den Fall von Plewna und damit die Entscheidung des ganzen sechsten russisch-türkischen Krieges zu erwirken. Vielleicht gerade weil die rumänische Armee ruhmbedeckt aus diesem Kampfe hervorgegangen, benahm sich Russland abscheulich. Rumänien wurde beim Friedens-schluss von San Stefano nicht zugelassen, seine Wünsche und Vorstellungen auf dem Berliner Congresse nicht beachtet. Als einziger Gewinn des blutigen Kampfes winkte die vollständige Unabhängigkeit des Landes, indessen erkannte man auch diese erst an, nachdem Bess-arabien gegen die Dobrogea abgegeben worden, und man durch die Gleichberechtigung aller Confessionen eine politische Gleichstellung der Juden erzielt. Immerhin erscheint damit die düstere, blutige, durch unsägliche Beiden und I )rangsale gekennzeichnete rumänische Geschichte gänzlich abgeschlossen, und es hat den Anschein, als sollten jetzt endlich nach jahrhundertelangem Dulden für das rumänische Volk Zeiten der Ed-holung und der Kräftigung gekommen sein. Eine freudige Ueberraschung bedeutete es für die ganze Bevölkerung der ehemaligen I^ürstenthümer, als am .2 6. März üergner, Rumänien. '9 1881 die gesetzgebenden Körperschaften die Erhebung Rumäniens zum Königreiche beschlossen, ein Project, mit welchem sich sämmtliche Mächte einverstanden erklärten. Am 22. Mai 188 r wurde Karl I. als erster König, seine Gemahlin Elisabeth als erste Königin in Bucuresci feierlichst gekrönt und von einem dankbaren, treuergebenen Volke begeistert umjubelt. Wir glauben unsere anspruchslose historische Skizze nicht besser schliessen zu können, als indem wir den diesbezüglichen Krönungserlass beifügen. Er lautet: Wir Carolü I., König von Rumänien, von Gottes Hand und von der Bestimmung des tapferen und weisen Rumänenvolkes geleitet, haben am 22. Mai 1866 unseren Einzug in Rumänien gehalten. Die vereinigte Moldau und Walachei beriefen uns mittelst Plebiscites vom 20. April 1866 (am Jahrestage unserer Geburt, den 20. April 183g) und kraft des Votums der Nationalversammlung vom 13. Mai desselben Jahres zur Elerrschaft. Nachdem wir der rumänischen Nation mittelst der Verfassung vom 30. Juli 1866 deren Rechte und Freiheiten gesichert, gelangten wir endlich nach Tagen der Noth und der Bedrängniss dahin, dass die gesetzgebende Versammlung des Bandes am 22. Mai 1877 die Unabhängigkeit desselben proclamiren konnte. Gott, der allein den Sieg verleiht, führte in rascher Reihenfolge unsere Armee am 17. Juli 1877 über die Donau und unsere Fahnen zu den Siegen von Calafatü, Nikopolis, Rahowa, Smärdanü, Grivitza, Opanez und am 28. November desselben Jahres zur Einnahme von Plewna, so dass die altbewährte rumänische Tapferkeit das Votum der gesetzgebenden Körper auf den Schlachtfeldern Bulgariens zur Geltung brachte. Die blutigsten Opfer, welche die Rumänen der Ver-theidigung der Unabhängigkeit ihres Vaterlandes gebracht, fanden am 26. März 1881 ihren Bohn. Von dem Wunsche beseelt, dem aus der Vereinigung der Moldau mit der Walachei constituirten Staate eine grössere .Sicherheit und eine noch glänzendere Manifestirung der Individualität desselben zu geben, haben die gesetzgebenden Körperschaften die Einreihung Rumäniens unter die Königreiche Europas beschlossen. Das ganze Land, repräsentirt durch . . . (folgt die namentliche Anführung der betreffenden geistlichen und weltlichen Körperschaften), vereinigte sich am 22. Mai 1881 angesichts des heiligen Altars der Metropolitankirche von Bucuresci in unserer, der Königin, des Thronfolgers, wie unserer Angehörigen (fegenwart zur Einsegnung der vom Bande uns dargereichten Krone, diesem kostbaren Symbol der Stabilität und der EJnabhängigkeit Rumäniens. Die Krone, welche das Land uns heute aufs Haupt setzt, ist in unserem Arsenale aus dem Stahle einer dem Feinde bei Plewna am 28. November 1877 abgenommenen Kanone angefertigt. Sie ist mit dem Blute der Elelden geweiht, welche für die Unabhängigkeit des Landes fielen. Die goldene Krone, welche das Land heute der ersten seiner Königinnen aufs Haupt setzt, ist nicht mit kostbaren Steinen geziert. Doch werden die Handlungen der Königinnen, welche die einfache Goldkrone der Königin Elisabeth tragen werden, den Strahlenglanz derselben bilden. Damit der 22. Mai 1881 den künftigen Geschlechtern nie aus dem (Tedächtnisse entschwinde, haben wir heute in Gegenwart (folgt neuerdings die Anführung- der Namen) diesen Act unterzeichnet. Unterfertigt: Carolü Elisabeta Leopold, Erbe von Hohenzollern. Calinicü, Josifü, Dimitrie Ghika, Metropolit-Primas. Metropolit der Moldau. Senats-Präsident. C. A. Rosetti, AI. Crefulescu, Präsident der Deputirtenkammer. Präsident des Cassalionshofes. Die Minister: Dimitrie Bratianu, E. Statescu, N. Dabija, Dim. Stourdza, M. F'erichide, General Slaniceanü, V. A. Urechia. C. Politische Angaben. i. Staatsrechtliche Stellung. Rumänien bildet jetzt ein völlig unabhängiges Königreich, dessen Dynastie trotz aller russischer gehässiger Hinwendungen und der Schürereien vieler Bojaren durchaus geregelt erscheint. Bereits [866 wurde die Naturali-sirung des ganzen Sigmaringenschen Zweiges der Biohen-zollernschen Familie durchgeführt und somit in Anbetracht der Kinderlosigkeit des Königspaares für die Nachfolge hinlänglich gesorgt. Erbprinz Leopold von llohenzollern-Sigmaringen steht dem Throne am nächsten, sein Sohn Ferdinand dürfte bei der voraussichtlichen Entsagung des Brinzen Wilhelm als Familienhaupt in Deutschland einst berufen sein, ihn zu besteigen. Dieses Verhältniss erhielt im Jahre 1886 anlässlich der Anwesenheit der Familienmitglieder in Bucuresct politisch bedeutsamen Ausdruck. Die Brüder Prinz Ferdinand und Karl Anton wohnten im Herbst des genannten Jahres der Parlamentseröffnung bei, um zugleich in die Armee einzutreten. Dem Fürsten von Ifohenzollern wurde ein Regiment verliehen, alle geehrt und decorirt. Ueber die Frage der Nachfolge hat Cultus-minister Stourdza eine ebenso wichtige als interessante Broschüre unter dem Titel: „La succession au trone de Roumaine. Presente et lu dans la seance du senat du 1/13 decembre 1880" veröffentlicht. Das ehemalige Wappen der Walachei war ein römischer Adler verbunden mit einem christlichen Kreuz, das der Moldau der Kopf eines Auerochsen mit einem zwischen den Hörnern angebrachten Stern im Schilde. .Selbstverständlich hat man sich bemüht, die Insignien beider Staaten in dem Wappen Rumäniens wiederzugeben. Einem solchen Verlangen ist dadurch Genüge geschehen, dass das Wappen Rumäniens ein schwarz und weiss quadrirtes Mittelschild zeigt. Das eine blaue Feld des 1 lauptschildes trägt den gekrönten goldenen Adler, in dessen Schnabel ein silbernes Kreuz, in dessen Klauen Schwert und Scepter glänzen, im zweiten, rothen Felde gewahrt man einen schwarzen Stierkopf mit goldenen Hörnern, zwischen denen der goldene fdalbm ond leuchtet, im dritten Felde steigt aus einer Königskrone ein doppelschwänziger goldener Löwe theilweise hervor; er zeigt zwischen den Pranken einen goldenen Stern; das vierte, blaue Feld besitzt zwei mit den Köpfen zusammengewandte Delphine. Als Schildhalter dienen zwei Löwen auf goldener Arabeskenverzierung, verbunden mit einem blauen Bande. Das letztere trägt die Devise: „Nihil sine Deo." Die 1 Landesfarben sind blau, gelb, roth, die Flagge ist vertical gestreift. Früher existirto von Orden nur eine Militärverdienstmedaille, seit 1877 besitzt man den Stern von Rumänien, seit dem 22. Mai 1881 die Krone von Rumänien. 2. Verfassung, Vertretung und Gesetzgebung. Rumänien ist laut der am 12. Juli (30. Juni) erlassenen, vom Fürsten Karl feierlichst beschworenen und somit als fortan für rechtsgiltig erklärten Verfassungsurkunde eine eonstitutionelle erbliche Monarchie. Revidirt wurde die Verfassung im Jahre 1884. Ihr zufolge behält der jetzige Regent allerdings die Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche bei, doch sind seine Nachfolger verpflichtet, die griechisch-orientalische Lehre anzunehmen. Eine Gross-jährigkeitserklärung des Königs kann erst mit dem vollendeten 18. Lebensjahre eintreten. Der König regiert mit einem Ministerium von acht Mitgliedern. Dieses war 1886 aus den Herren Bratianu, Präsident und Minister des Innern, Demeter Stourdza, Minister für Cultus und Unterricht, Pherykide, Minister des Aeussern, Nacu, Minister der Finanzen, Stolojanü, Minister für Ackerbau, Industrie, Handel und Domänen, Statescu, Justizminister, Angelescu, Kriegsminister, und Radu Mihai, Leiter der öffentlichen Arbeiten, zusammengesetzt. Von den genannten Männern sind Joanü Bratianu und Demeter Stourdza im Auslande am bekanntesten, ihr Name ist in die Geschichte der Menschheit eingeschrieben. Joanü Bratianus Vater war ein Grossgrundbesitzer, wenn auch nicht aus sehr reicher, so doch aus sehr alter I^amilie. Der rumänische Bismarck sah neben sich noch zwei Brüder und zwei Schwestern heranwachsen, denen er fast immer hintennach gesetzt wurde. Insbesondere wurde sein älterer Bruder Demeter tüchtig verhätschelt, ein Umstand, der wohl die Erklärung bieten dürfte, weshalb der Genannte dem jetzigen Ministerpräsidenten gegenüber gern den Herrscher zu spielen versucht. Joanü Bratianu genoss gleich seinen Brüdern den Unterricht der damaligen Behranstalten seiner Heimat, folgte sodann dem Beispiel seiner Altersgefährten, indem er in die Armee eintrat, und ging hierauf nach Paris. Dort in dem verführerischen Babel an der Seine wich er von seinen Landsleuten ab, indem er während einer ansehnlichen Reihe von Jahren ernste Studien trieb, mit vielen geistig bedeutenden Männern Verkehr pflog und dadurch jene schätzenswerthen Kenntnisse erwarb, die er heute zum Vortheil seines Landes und von ganz Europa verwerthet. Im Jahre 1848 war ihm eine bedeutende Rolle beschieden. Zurückgekehrt in seine Heimat, verfocht er mit glühendem Eifer freisinnige Ideen, immer beherrscht von dem Streben, die Dinge von einem objectiven, selbstlosen Standpunkte aufzufassen. Seine Ideale gelangten nicht zur Realisirung, und der edelsinnig-e Mann sah sich genöthigt, ins Exil nach Paris zu wandern. Dort harrte er geduldig einer neuen besseren Zeit entgegen. Und sie kam. Im Jahre 1857 konnte Bratianu den Staub der französischen Hauptstadt von den Füssen schütteln und gestärkt und kampfeslustig nach den unteren Donau-staaten zurückkehren, liier war er fortan die Seele der fortschrittlichen Bewegung, als Führer der liberalen Partei leistete er schon von Anfang an Bedeutendes. Joanü Bratianu ist von mittlerer, ziemlich gedrungener Gestalt, sein Haar ist bereits ergraut, seine Stimme eine volltönende, seine Physiognomie eine unvergessliche. — Die Fürstenthümer unterhielten ehedem einen diplomatischen Agenten in Constantinopel, nach der Union wurde für die beiden Staaten 1862 eine Agentie in Paris und 1863 eine solche in Belgrad geschaffen. Unter der Herrschaft des Königs Karl entstanden sodann die Agenden von Wien 1868, Berlin 1872, Rom 1873, St. Petersburg 1874. Mit der Unabhängigkeit Rumäniens verwandelten sich die Agentien in Gesandtschaften. Heute zählt Rumänien deren neun, ferner eine diplomatische Agentie, vier Generalconsulate, zwei Consulate, sechs Ehrengeneralcon-sulate und 23 Ehrenconsulate. Ausser den genannten Metropolen ist Rumänien in Bondon, Athen, Brüssel, Budapest, Odessa, Salonichi, Christiania, Monaco und Stockholm in erwähnenswerther Weise vertreten. In Sofia existirt eine diplomatische Agentie nebst Generalconsulat, von der das Consulat Rustschuk -Warna abhängt. Das Ausland wird durch eine Menge von Consulaten in Bucuresci Jasi, Galant, Bräila, Botosani, Craiova und Giurgiu repräsentirt. Oesterreich-Ungarn, als am meisten interessirt, unterhält ausserdem noch in Berladü, E'ocsani, E^olticenl, Ploesci, Romanü und idirnu-Severinü Viceconsuln. An der Spitze eines jeden Ministeriums steht der verantwortliche Minister, ihm sind ein Director und Sections-chefs beigegeben. Die Controle über die Verwaltungsausgaben führt ein oberster Rechnungshof; für die Verwal- turtg der Eisenbahnen, des Tabak- und Salzmonopols und des Postwesens existiren eigene Generaldirectionen. Im Finanzdepartement findet man alle Cassen zu einer General-casse vereinigt. Die Existenz des Ministeriums des Aeussern datirt seit 1. Juli 1867, das Gesetz über diese Abtheilungen seit 187.3. Es zerfällt in drei Sectionen, in eine politische, in ein Rechnungsamt und in eine Consularabtheilung; die letztere besitzt wiederum zwei Sectionen, das Rechnungsamt, Bureaux für Schiffahrt und Belohnung. Die Volksvertretung gelangt der Verfassung zufolge in einem Senat und einer Deputirtenkammer zum Ausdruck. Der erstere umfasste im verflossenen Jahre den Eürsten Demeter Ghika, vier Vicepräsidenten und elf Secretäre als Beiter, zwei Metropoliten, sechs Bischöfe, 110 Gewählte und zwei Universitätsrectoren als Mitglieder. Die Deputirtenkammer setzte sich aus 183 Mitgliedern zusammen. Von den politischen Parteien des Landes verdienen drei dem deutschen Leser namhaft gemacht zu werden, eine eingehendere Unterscheidung wäre ebenso schwierig als uninteressant. Da ist zunächst die Weisse Partei, sie gilt als durchaus conservativ, vereinigt in sich die vornehmsten Bojaren und zeigt sich der jung-en Dynastie feindlich gesinnt. Ein Herrscher mit deutschem Blute, wenn er auch noch so sehr und noch so oft seine Zugehörigkeit zum rumänischen Volke betont und dies so streng- durchführt, dass man zuweilen schon gemeint hat, er sei dadurch ungerecht gegenüber dem deutschen Edement, was jedoch bei dem anerkannten Gerechtigkeitssinn König Carolüs nicht zutrifft, ein solcher Herrscher dünkt jenen Beuten ein Greuel. Sie möchten am liebsten einen eingeborenen Fürsten zum Regenten proclamiren, ihn mit Hilfe Russlands beherrschen und frühere Bojarenvorrechte wieder zur Geltung bringen. Nur an solchen Beuten vermöchte Russland einigen Halt zu finden; glücklicherweise ist ihre Zahl eine sehr geringe und ihre Existenz nur ihrer materiellen Mittel halber zu beachten. An ihrer Spitze steht der Gross-bojare Catargiu. Die Mitglieder der weissen Partei halten sich von den jetzigen Kammerbeschlüssen fern, sie beobachten eine Passivitätspolitik und betheiligen sich keineswegs an den Wahlen. Ihren lebhaftesten Klagen zufolge wurden die Wahlen stets ungebührlich beeinflusst, welches unedle Beginnen ihnen nicht gestattet, am Wahlkampf theil-zunehmen. Als ausgemacht gilt, dass sie selbst keine Mittel und Wahlmanöver scheuen,- sobald ihnen nur die Aussicht des Sieges im Entferntesten winkt Die Führung der Regierung und der gesummten fortschrittlichen Bewegungen gebührt der Rothen Partei. Sie bezeichnet den Nationalliberalismus, die Bourgeoisie, betreibt eine Opportunitätspolitik und ist dynastisch gesinnt. Diese Parlamentsmajorität theilt sich wieder in zwei Gruppen, in die gouvernemental-liberale Partei unter Joanü Bratianu und in die oppositionell-liberale unter Demeter Bratianu. Ihr steht die zweite Parlamentspartei, die sogenannte Junea Dreaptä, gegenüber. Die Anhänger derselben erweisen sich als sehr dynastisch, haben aber für die Parlamentssitzung nur eine geringe Anzahl von Männern stellen können. Unter ihnen befinden sich freilich viele der tüchtigsten Redner der gesetzgebenden Versammlungen und der bedeutendsten Gelehrten des Landes. An ihrer Spitze waltet ein Redner wie Carpü, ein Schriftsteller wie Negruzzi, dessen Monatsschrift als Organ der Partei gilt, ein Polyhistor wie Majorescu. Die Wünsche dieser Leute gehen vor Allem dahin, selbst ans Ruder zu gelangen, da das Herrschen bekanntlich einem Jeden wünschenswert!! erscheint. 1 )ie äussere Politik des Ministerpräsidenten hat ihre Billigung gewonnen, mit der innern zeigen sie sich keineswegs einverstanden, Sie meinen, das Regime Joanü Bratianus entbehre der tüchtigen Beamten, seine Werkzeuge müssten unbedingt durch fähigere, edlere abgelöst werden, endlich sei es tadelnswerth, dass manche Angestellte mehreren Beschäftigungen zu gleicher Zeit nachgingen. Ob es ihnen gelänge, eine Veredlung des Beamtenstandes herbeizuführen, soll unerörtert bleiben, den letztern Punkt aber anlangend, ist zu bemerken, dass sie selbst diejenigen sind, welche zu gleicher Zeit vielen Herren dienen. Gerade die tüchtigsten Männer des Bandes reiben sich durch Ueberbürdung mit Arbeiten auf, und wenn sie auf vielen Gebieten Treffliches leisten, werden sie dadurch verhindert, auf einem einzigen Unübertreffliches zu bieten. Viele Anhänger der Junea Dreaptä sind Universitätsprofessoren, Schriftsteller, Kammerdeputirte und Arzt oder Ad-vocat in der nämlichen Zeit, man kann also täglich viermal bei ihnen erscheinen, um ihren Geist auf ganz entgegengesetzte Arbeitsfelder zu führen. Es ist dies ein Verhältniss, welches nicht ernstlich genug der Beachtung empfohlen werden kann, gegen dessen Aenderung aber leider sich Manches vereinigt. So vor Allem der Umstand, dass die Zahl der brauchbaren geistig-en Kämpfer noch immer eine geringe ist und solche Beute fast gewaltsöim zu einer Ueberbürdung gezwungen werden. Dies ist eigentlich um so schwerer zu begreifen, als ja bekanntlich im Bande sich viel zu viel Jünglinge den Gymnasien und Universitäten, viel zu wenig den Gewerbeschulen widmen, und mithin ein lästig werdender Ueberfluss an Aerzten und Advocaten dem Mangel an tüchtigen Handwerkern gegenübersteht. Ein wesentliches Verdienst von Carpü und Ma-jorescu, dem Sohne des grossen Siebenbürgers, wurzelt in dem warmen Protegiren der Siebenbürger Rumänen. Noch gibt es ja Männer im Lande, welche lieber einen Bulgaren oder Griechen als einen Kronstädter Rumänen glücklich und geachtet sehen, ihnen treten die Genannten mit voller Kraft entgegen. Die Kamm erwählen werden im Bande oft mit Leidenschaft geführt, enden aber äusserst selten mit blutigen Excessen, wie sie in Ungarn bei allen möglichen Wahlgelegenheiten gang und gäbe sind, und wodurch oft in einem einzigen Orte mehrere Wähler ins bessere Jenseits befördert werden. Im vergangenen Herbst fielen nur in Botosani Unruhen vor, sie wurden jedoch sofort gestillt. Gegen die rumänische Gesetzgebung lässt sich eigentlich nichts dradelnswerth.es vorbringen. Man ist aufrichtig bestrebt gewesen, jene Errungenschaften, welche den westeuropäischen Staaten erst als EYucht jahrhundertelangen Ringens zu Theil geworden, gewissenhaft und klug zu ver-werthen und aus dem Vorhandenen ein segensreiches Re-sume zu bilden. Dies Ziel ist denn auch in vorzüglichem Masse erreicht worden. Die Anzahl der seit zwei De-cennien eingeführten (desetze ist eine bedeutende, gegen sie Messe sich höchstens einwenden, dass man, wie in Ungarn, zu schnell vorgegangen und ihr Werth mithin von vielen Beamten nicht begriffen wird. Das ist indessen zunächst unvermeidlich, derartige Klüfte werden sich nach zehn oder zwanzig Jahren gänzlich geschlossen haben, so dass dann das Volk den Segen einer guten Gesetzgebung ungestört zu gemessen vermag-. Der Staatsstreich des Fürsten Cusa fegte alle Missbräuche und Uebelstände wie eine Windsbraut hinweg und erleichterte die Einführung von neuen Verordnungen nach französischem und belgischem Muster. Die Codices stellen sich demnach mehr oder wenig-er als Abdrücke der westeuropäischen dar. Der wichtigste von ihnen ist der Civil-codex, nach ihm herrscht in Rumänien die Civilehe. Sie ist der des Code Napoleon sehr ähnlich, bestimmt jedoch abweichend und in richtiger Würdigung der Verhältnisse, der Ehebruch des Gatten sei auf dieselbe Stufe wie der der Gattin zu stellen. Die Ehe zwischen Geschwisterkindern wird verboten. Betreffs der natürlichen Abstammung weicht das rumänische Gesetz vom französischen völlig ab. Das rumänische lehrt, es gäbe keine natürliche Vaterschaft, sondern nur eine Art Mutterschaft, legitim oder illegitim, infolge dessen könne weder eine Nachforschung, noch selbst eine Anerkennung der natürlichen Vaterschaft stattfinden, der Vater dürfe nicht einmal den Unterhalt bewilligen. Die Kinder einer Mutter, gleichviel ob legitim oder illegitim, haben die nämlichen Rechte auf Unterhalt und Nachfolge. Ebenso bedeutende Differenzen gegenüber den französischen weisen die rumänischen Bestimmungen über das Erbrecht auf. Die Lehre der Schuldscheine ist nach italienischem Vorbild, die der Hypotheken nach belgischem geregelt. Das civilgerichtliche Verfahren ähnelt dem des Canton Genf. Es muss sehr lückenhaft, aber ebenso einfach genannt werden. Anwälte gibt es in Rumänien nicht, die Parteien pflegen direct mit den Richtern zu verkehren. Auch die Notare fehlen, indem die Tribunale deren Functionen versehen, daraus resultirt das Mangeln einer genauen Bixirung der Competenzgrenzen solcher Tribunalnotare! Das bedeutendste Gesetz, welches in allernächster Zukunft seiner Umänderung und endgiltigen Aufstellung entgegengeht, ist das Handelsgesetz. Man hat dasselbe mit dem italienischen und deutschen verglichen, den Code Napoleon infolge der beständig wachsenden Bedeutung der Aktiengesellschaften für veraltet erklärt und die wichtigsten Reformen vorgenommen. Bin Patentgesetz existirt bis jetzt nicht, dagegen hat man eine Verordnung für Fabrikszeichen erlassen. Das literarische und künstlerische Eigenthumsrecht wird durch ein Pressgesetz von 1864 geschützt. Es garantirt das Eigenthumsrecht auf zehn Jahre nach dem Tode des Autors. Tadeinswerth erscheint dagegen die völlige Pressfreiheit. Bine Censur ist unbekannt, jeder Zeitungsredacteur schreibt, was ihm die jeweilige Stimmungeingibt. Beleidigungen, ja unverkennbare Beschimpfungen der königlichen Familie, Verhöhnungen der Minister durch Witzblätter, Pamphlete gegen den Ministerpräsidenten sind an der Tagesordnung, hässliche Auswüchse, welche aus dem Bestreben, dem Bande nur ja möglichst viel Freiheit zu gewähren, hervorgegangen sind. Anlässlich des letzten Attentates, das ein herabgekommenes Individuum aus Rämnicü-Säratü in einer entlegenen (fasse Bucurescis auf den Ministerpräsidenten verübte, hat sich deutlich gezeigt, wie nothwendig hier eine kleine Einschränkung ist. Die Organe der Weissen Partei, voran die löbliche Epoca, gaben ihrem Bedauern ob des fehlgegangenen Schusses unverhohlen Ausdruck, die Folge davon war, dass eine zahlreiche Volksmenge das Local der genannten Zeitung erstürmte, Fensterscheiben, Laternen und Satzformen zer- schlug und einen Redacteur zwang, sich durch den Schornstein ins Nebenhaus zu flüchten. Während der nächsten Tage erwarteten die Redacteure der regierungsfreundlichen Blätter zitternd und zaghaft den Besuch eines wüthenden, Oppositionellen Haufens. Er unterblieb; zum eigenen Vortheil der Redacteure und zur Verhinderung ähnlicher Ereignisse wäre aber ein Druck von oben sehr angezeigt, zu dem sich gewissen Informationen zufolge der Ministerpräsident Ende 1886 auch entschlossen haben soll. Unter den neuen Gesetzen zeichnet sich besonders aus ein Wahl- und Wählererlass; eine Verordnung, die dem Bauer Grund von Stacitsgütern überlässt, sobald ihm solcher nicht schon durch das Gesetz von 1864 zu Theil geworden; ein Verbot, durch welches der Bauer seinen Grund in dem Zeitraum von 30 Jahren nicht verkaufen kann; ein Gesetz, laut dem in allen Districten agricole Banken zur Errettung des Landmannes aus Nothlagen zu errichten sind, sowie ein Erlass, der das Uebereinkommen des Bauern mit dem Bojaren — falls ersterer von letzterem Grund zur Bearbeitung übernimmt — regelt. Die am 27. Juni 1886 abgeschlossene Kammersession war eine ebenso fruchtbare als interessante. Es traten dabei eine gewisse leichte Lockerung der Majorität, kleine Blossen der liberalen Partei und allerlei Rancunen zu d^age. All das veranlasste die Juninisten zu der viel zu optimistischen Efoffnung, die liberale Partei liege im Sterben, und es sei die Zeit nicht mehr fern, wo die liberale Herrschaft wie ein Kartenhäuschen zusammenfalle, damit ihr eigener Weizen blühen könne. Mit erneuerter Kraft und hoffnungsvollem Muthe ging man den Wahlen entgegen, allein diese fielen im ganzen Bande im regierungsfreundlichen Sinne aus, und so sahen sich die Juninisten nach wie vor zum Warten verurtheilt. Die liberale Partei ist kräftig und kampfgerüstet in die im November 1886 eröffnete Session 1886/87 eingetreten und wird sie allem Anscheine nach siegreich überdauern. Die vergangene Periode 1885/86 hat ausser jenen beachtenswerthen inneren Zwistig-keiten zahlreiche Verordnungen gebracht, unter denen besonders drei von hervorragender Wichtigkeit und weitgehender Tragweite sein dürften. Ks ist dies der Erlass, betreffend die Erhöhung der Spiritussteuer und die Einführung des Zündhölzchen-Monopols, das Gesetz des autonomen Zolltarifs und eine noch in letzter Stunde durchgebrachte Industrie-Vorlage des Herrn Costinescu. Die Erhöhung der Spiritussteuer und die Einführung des Zündhölzchen-Monopols erfolgte, um ein entstandenes Budget-deficit zu begleichen. Mit dem autonomen Zolltarif, der so viel Staub aufgewirbelt, beabsichtigte man durchaus nicht, unüberwindliche Zollbarrieren gegen das Ausland zu errichten, man wollte dadurch nur jene Staaten, die mit Rumänien Handelsverträge schliessen, zwingen, den eigenartigen wirthschaftlichen Interessen der Donauländer Rechnung zu tragen. Dass der autonome Zolltarif wirklich keine andere Bedeutung besitzt, geht aus der ddiatsache hervor, dass die Regierung bald darauf mit der Schweiz und mit Frankreich Handelstractate geschlossen hat. Die Regierung war sehr gut berathen, als sie so handelte. Es lag hier ein Gebot der Nothwendigkeit vor, es galt, an Stelle des verschlossenen österreichisch-ungarischen Marktes den französischen zu gewinnen. In unverkennbarem Zusammenhang mit dem Zolltarif steht der Industrie-Entwurf des Herrn Costinescu. Der autonome Zolltarif will allerdings jene Industriezweigt;, für deren Entstehen und Erblühen günstiger Boden vorhanden, beschirmen, dazu bietet jedoch die Abwehr der Concurrenz der similaren ausländischen Industrieerzeugnisse nur negativen Schutz. Die Schaffung einer nationalen Industrie kann blos durch positive Massnahmen, durch ganz besondere Begünstigungen erreicht werden. Das neue Spirituosengesetz hat bereits seine Wirkung ge-than. Wenige Monate nach seinem Inslebentreten konnte man aus Rämnicü-Säratü melden, es seien von dreissig Wirthshäusern nur noch neun in Thätigkeit, von den benachbarten Dorfgemeinden gelte Aehnliches, und der Tiucä, das liebliche Gewächs, sei auf den Aussterbe-Etat gestellt. 3. Verwaltung und politische Eintheilung. Hinsichtlich der politischen Administration wird Rumänien gegenwärtig in 32 Districte (judete) eingetheilt, von denen 17 auf die Walachei, 13 auf die Moldau, 2 auf die Dobrogea kommen. Jeder District zerfällt in Bezirke oder Arrondissements, deren man 163 unterscheidet. Die Verwaltung der Districte liegt in den Händen der Präfecten, die der Bezirke wird von Unterpräfecten ausgeübt, beide Chargen werden von der Regierung ernannt. Jeder District verfügt über einen Generalrath, bestehend aus einer permanenten Section von drei Mitgliedern. Die Gemeinden wählen die Gemeinderäthe, die Bürgermeister und ihre Beistände hängen von der Wahl des Gemeinderath es ab und müssen von der Regierung Bestätigung erfahren. Die Zahl der städtischen Gemeinden betrug 72, die der ländlichen 2998. Wir geben nachfolgend eine d^abelle, um das Bevölkerungsverhältniss der Districte zu einander zu veranschaulichen. Die erste Rubrik wird von der Einwohnerzahl laut Angaben von i885 gebildet, die zweite verkündet die Zahl der Trauungen, die dritte die der Geburten ohne Todtgeborene, die vierte die der Todtgeborenen, die fünfte die der Gestorbenen, die sechste den Ueber-schuss zwischen der dritten und der fünften Rubrik, die siebente Columne nennt die Zahl der Steuerträger laut Ausweis vom 1. April 1886. Die letzteren Ziffern erscheinen vielleicht unrichtig, allein sie wurden absichtlich angeführt. Nach der Meinung hochgestellter bedeutender Männer sind, wie schon mehrfach erwähnt, die Ergebnisse der Volkszählung keineswegs verlässlich, einflussreiche Persönlichkeiten behelfen sich daher damit, dass sie die Zahl der vSteuerträger eines Districtes mit 6, 7 oder 8 multipliciren und das so erhaltene Resultat für die Bewohnerschaft eines Bezirkes oder einer Stadt als ziemlich zutreffend erachten. Es ist somit hier gleichzeitig dem Leser die Möglichkeit geboten, durch Anwendung des angedeuteten Rechen-exempels zu erfahren, wie man im Bucurescier Finanzoder Unterrichtsministerium über die Volksmenge dieses oder jenes Districtes denkt. Die Multiplication mit sieben gilt als die gebräuchlichste, doch dünkt sie uns in vielen Fällen nicht genügend, da beispielsweise die 26378 Steuerträger von Bucuresci 184646 Seelen ergeben würden, was uns entschieden zu tief gegriffen dünkt. Name des Districtes. Einwohner. Heiraten. Geburten. Todt-geborene. Gestorbene. Ueber-schuss. Steuerträger. i Argesü 164610 1410 6284 29 3622 2662 30575 2 Bäcäu 159160 1631 6792 82 5318 1474 22979 3 Botosani 141369 1172 6818 128 3837 2981 26774 4 Bräila 110485 692 5015 68 2846 2169 20278 5 Bu/ceü »83235 1495 7557 27 3841 37l6 33541 6 Constanta 89349 460 3519 28 1741 1778 19495 7 Covurluiü 112068 800 4907 58 3844 1063 19334 8 Dämbovi|.a 1^3533 1280 7160 72 4160 3000 3M3i 9 Doljü 268147 2706 12769 67 6512 6257 51812 10 Dorohoiü 127017 1170 6361 101 3822 2539 25574 11 h'alciu 79353 803 3447 43 3328 119 15965 12 Gorj u 148720 1496 5855 67 3292 2563 27700 !3 Jal omita 132936 994 6673 14 3073 3600 23858 14 Jasi 161914 1378 7284 301 5900 1384 28801 15 Ilfovö 35l57i 2847 15621 305 " 1.339 4285 64385 16 Mehedintl 208115 1901 7770 74 4389 338l 41006 17 Muscelü 90399 867 3579 3i 2338 1241 17302 18 Neamüi 124547 1290 4937 119 3270 1667 23972 19 Ol tu 115924 966 4094 18 2364 I730 22922 20 Brahova 241184 2146 10637 3 5675 4962 44200 21 Putna 123429 1140 5365 58 3775 159° 24234 22 Ramnicü-Säratü 109131 969 4895 67 2386 2509 22941 23 Roman u 98183 1028 4509 46 2925 1584 "19225 24 Roman at! 155348 '454 6951 19 3809 3'42 30645 25 Suceava 109649 1041 4694 100 275* 1943 21638 26 Tecuciü 101351 1099 4409 46 3H3 1266 18916 27 Teleormanü 181704 1425 7840 30 4243 3597 31921 28 Tulcea 91899 461 4164 28 2187 1977 18622 29 Tutova 100556 957 4172 83 35°3 669 19428 30 Välcea 154391 1374 6012 56 3128 2884 30685 3i Vaslui 94927 •045 4090 41 3Z5° 840 18355 32 Vlasca 156619 1051 7230 43 4197 3°3° 3I2I5 4650823 40548 201410 2252 123808 77602 879729 Ebenso schwer wie richtige Zahlen für Districte lassen sich solche für die einzelnen Bezirksvororte und die übrigen Stadtgemeinden erbringen. Wir geben nachstehend ein Verzeichniss der 32 Präfecturstädte nach alphabetischer Reihenfolge der Departements, ihre Nummern correspon-diren mit denen der vorstehenden Districtsliste. Betreffs der Bewohnerschaft wurden zweierlei Angaben benützt, die erste entstammt der E^eder eines höheren Beamten im Finanzministerium, die zweite ist das Ergebniss der mit sieben multiplicirten Ziffern der Steuerrollen. Danach gestaltet sich die Charakteristik der 32 Districtsvororte wie folgt: 1) Pitescl 108 Kilometer von der Landeshauptstadt entfernt, c; 7 7 5 (14084) Einwohner. Ivrstere Ziffer offenbar zu niedrig gegriffen. Sitz eines Tribunals, der 2. Militär-Division. 1 Gymnasium, 2 Primarschulen für Knaben, 2 Mädchenschulen, 2 Knabenpensionate, 2 Mädchenpen-sionate. DiligenceVerbindung mit Cämpulungü und Rämnicü-Välcea. Markt am 5. Mai. 2) Bäcäu. 425 Kilometer von Bucuresci. 10836(14875) Einwohner. Erstere Ziffer wird vertheilt auf 4690 Orthodoxe, 4890 Israeliten, 1008 Katholiken, 286 Armenier, 26 Protestanten. 8 Kirchen, von denen die katholische 1380 erbaut worden ist. Gymnasium, Cfewerbeschule, 5 Primarschulen. 3) Botosani. 475 Kilometer von EJucuresci. 27870 (38 192) Ednwohner. Die erste Angabe erscheint wenig vertrauenerweckend, die zweite richtig. Sitz der 8. Militär-Division. 1 Lyceum, 1 Gewerbeschule, 5 Primarschulen, 2 armenische Schulen. Filial-Spitäl von St. Spiridonü in Jasi. 12 orthodoxe Kirchen, 72 »Synagogen, 2 Lipovener-kirchen, 2 armenische Kirchen, 1 katholische Kirche. 2 öffentliche Gärten. 4) Bräila. 228 Kilometer von Bucuresci. 37 323 (57904) Ednwohner. Die letztere Ziffer dürfte zutreffend sein. Umfang 7749270 | |Meter. 99 Strassen, 16 Plätze, 2 öffentliche Gärten. 8 orthodoxe Kirchen, 1 katholische, 1 armenische, 1 bulgarische, 1 griechische, 1 lipovenische, 2 Sy- Bergncr, Rumänien. 20 nagogen. 1 Gymnasium, 1 Secundarschule für Mädchen, 9 Primarschulen. Man gdaubt in Bräila das alte Peristhlaba entdeckt zu haben. 1475 wurde die Stadt erobert und verbrannt, 1573 von Johann Bürst der Moldau genommen, der alle Türken massakriren liess. 1609 wurde sie nochmals von Mircea verwüstet. 5) Buzeü. 128 Kilometer von der Hauptstadt. 15084 (16464) Einwohner. 2587 Häuser. 6 Kirchen. Seminar, Gymnasium, 4 Brimarschulen. Die bischöfliche Kathedrale ist von Radu dem Grossen i58o erbaut worden. 6) Constanta. 5935 (12929) Seelen. Die Einwohnerzahl dürfte keinesfalls mehr als 6000 betragen. Man unterschied vor einigen Jahren: 1400 Griechen, Arnauten, Albanesen, 800 Türken und Tartaren, 5oo Bulgaren, 55o Rumänen, 400 Israeliten und Spaniolen, 300 Deutsche und Magyaren, 300 Armenier, 750 Engländer, Italiener, Russen, Franzosen etc. 1100 Häuser. 4 Kirchen, 3 Moscheen, 1 Synagoge. 2 Primarschulen. 1854 Gefecht zwischen Russen und Türken. 7) Gralati 248 Kilometer von Bucuresci. 46 257 (46 g5b) Einwohner, davon i5ooo (?) Juden. 7562 Häuser. 23 Kirchen. 1 katholisches, 2 evangelische, 2 jüdische Gotteshäuser. 1 Gymnasium, 1 Seminar, 16 niedere Schulen, 1 Gewerbeschule. Am 22. März 1854 setzte hier General Lüders 6 Bataillone über die Donau und schlug am 23. eine Brücke. Nach dem Abzug der Russen hatte die Stadt eine österreichische Garnison von 4400 Mann und 700 Pferden. 8) d'ergoviste. 79 Kilometer von Bucuresci. 7125 (7847) Einwohner, unter ihnen 70 Israeliten. 1402 Häuser. 30 Kirchen. Sitz der 4. Militär-Division, d'ergoviste war von 1383 bis 1716 Hauptstadt der Walachei. 9) Craiova. 2 5o Kilometer von der Bandeshauptstadt. 31818 (43862) Einwohner. Selbst die letztere Zahl beruht keineswegs auf Uebertreibung. In Craiova wohnen mehr als 3000 Katholiken, 1800 Israeliten und g5o Serben. 35io Häuser. 27 orthodoxe Kirchen, 1 katholisches, 1 protestantisches und 3 hebräische Gotteshäuser. 10) Dorohoiü. 478 Kilometer von BucurescT. 7096 (9800) Einwohner, nach Dame sogar 14000 Seelen, gewiss ist, dass 60 °/0 der Bevölkerung Israeliten sind. 2 Kirchen, 2 Primarschulen. 1 1) Husi. 236 Kilometer von Bucuresci. 12 004 (i5 253) Einwohner. Die Stadt wurde im i5. Jahrhundert durch vertriebene Elussiten gegründet. Sie besitzt ein Diöcesan-seminar mit 118 Schülern, eine 1491 erbaute Kathedrale, 6 Kirchen, 5 Volksschulen, 1 Gewerbeschule für Mädchen. EIusT ist durch den Friedensvertrag vom 21. Juli 171t zwischen dem Grossvezier Mohamed-Baltadji und Peter dem Grossen bekannt, der Russland vor dem Untergang bewahrte und seine Hegemonie im Norden und Osten Europas ermöglichte. 12) Tärgulü-Jiului 3712 (4242) Einwohner. 5 Kirchen, 1 Normalschule, 2 Primarschulen. 13) Cälärasi. 7734 (10346) Einwohner, davon 300 Griechen. 1700 Häuser. 3 Kirchen. 1 Gymnasium, 3 Primarschulen, 1 Spital. 14) JasT. 461 Kilometer von Bucuresci 62689(70280) Bewohner. 10000 Häuser. 43 Kirchen. Hauptstadt der Moldau von 1565 bis 1862. Civil- und Militärspitäler. Universität, 2 Lyceen, 2 Gymnasien, Conservatorium für Musik und Declamation, Schule der schönen Künste, höhere Normalschulen, 18 Primarschulen, 1 Gewerbeschule, 1 Normalschule für Mädchen. Nach Jast flüchtete 1711 Peter der Grosse, dessen Gemahlin Katharina den Grossvezier bestach (siehe Husi). Am 18. April 1788 Gefecht zwischen Natir Pascha und dem österreichischen Oberst E'abri, 1812 Zerstörung durch die Janitscharen. 15) Bucuresci. In seiner Umgebung liegt Herästreü, Stelldichein der Biebespärchen, eine halbe Stunde ausserhalb der Stadt; der fdatz besitzt eine Quelle mit gutem, sehr wohlschmeckendem Wasser; Colentina, Dorf mit fürst- 20* Echem Schloss und dem Grabmal des Eürsten Gregor Ghika, Pantelimonü und Colea mit .1 lospitälern. 16) Turnu- Severinü. 362 Kilometer von Bucuresci 75oo (17437) Seelen. E)ie Einwohnerzahl dürfte nicht höher als 10000 sein, 9 Kirchen. 1 Gewerbeschule, 3 Primarschulen. Donau - Dampfschifffahrts - Agentie, Edlial - Schiffs-werfte, Mäschinenwerkstätte mit 300 Arbeitern. 17) Cämpulungü. 9320 (12978) Einwohner. 24 (?) Kirchen. 1 Spital. 18) Piatra. 13890 (16240) Seelen. 7 orthodoxe Kirchen, darunter Mänästire Domneasca, erbaut 1497. 1 lipo-venisches Bethaus, 2 Synagogen, 1 armenische, 1 katholische Kirche. Primarschulen, Gymnasium. 19) Skitina. 189 Kilometer von Bucuresci 5554(8162) Einwohner. 9 Kirchen. 1 Spital. 20) Ploescl 59 Kilometer von Bucuresci 145 Meter über dem Meere. 33691 (41230) Einwohner, davon 2000 Juden. 6064 Häuser. 29 Kirchen, davon 1 kcitholische, und 3 jüdische Bethäuser. 1 Byceum, 1 Gewerbeschule, 1 Normalschule, 1 Handelsschule, 11 Primarschulen. 1 Spital. 21) Focsani 198 Kilometer von Bucuresci 15434 (23 2o5) Seelen. Die letztere Zahl dürfte glaubwürdiger sein als die erste. Angeblich 6000 Israeliten, 2600 Fremde. 8 Primarschulen, 1 byceum, 1 armenische, 1 israelitische Schule. 27 orthodoxe, 1 katholische, 2 armenische Kirchen, 2 Synagogen. Markt am 17-/29. April. Am 1. August 1789 siegten hier Prinz Coburg und Suwaroff über die Türken. 22) Rämnicü - Säratü. 162 Kilometer von Bucuresci. 9544 (11984) Seelen. 4 Primarschulen. 2 Spitäler. 23) Romanü. 345 Kilometer von der Bandeshauptstadt. 13334 (46996) Einwohner. 4300 Häuser. Seminar. Militär-Divisionsstab. 7 orthodoxe, 2 katholische, 1 armenische, 1 lipovenische Kirche. Spital. 24) Caracalü. 8700 (13 545) Seelen. Zur Annahme könnte das Mittel empfohlen werden. 11 Kirchen, 1 Gewerbeschule, 4 Primarschulen. Spital. Landiente von Cämpulungü. 25) Folticenl 7802 (11200) Einwohner, davon mehr als die Hälfte Israeliten. Gymnasium, 4 Primarschulen, 1 Gewerbeschule. Spital. 26) Tecuciü. 236 Kilometer von Bucuresci. 9081 (12 289) Seelen. 6 Volksschulen, Gymnasium. Spital. 27) Turnu-Mägurele. 5780 (6748) Einwohner. Hafenplatz an der Donau und an der Mündung des Oltü, daher lebhafter Handel mit Cerealien. 28) ddücea. 15236 (21826) Seelen. Die letztere Zahl ist die glaubwürdigere. In dmlcea wohnen mindestens 3000 Russen, 1600 Griechen, 800 durken, 700 Tartaren. 5 orthodoxe Kirchen, 2 Moscheen, 1 armenische, 1 katholische Kirche. 1 Gymnasium, 2 Primcirschulen, 2 bulgarische, 2 griechische, 2 katholische Schulen. Im Jahre 1789 wurde Tulcea vom russischen Admiral Ribas erstürmt, am 9. Juni 1791 siegten hier die Russen unter Repin über die Türken. 29) Berladü. 286 Kilometer von der Landeshauptstadt. 19451 (25270) Bewohner. 12 Kirchen, 1 Lyceum, 9 Primarschulen, 1 Gewerbeschule für Mädchen, 1 Töchterpensionat, 1 Spital. 30) Rämnicü-Välcea. 3746 (4578) .Seelen. 1 Seminar. 12 Kirchen. 31) Vaslui. 338 Kilometer von Bucuresci. 6419 (7280) Einwohner. 2 Primarschulen. 1 Spital. 32) Giurgiu. 74 Kilometer von der Landeshauptstadt. 12740 (19999) Seelen. Das Mittel kann zur Annahme empfohlen werden. 4 orthodoxe, 1 griechisches, 2 jüdische Gotteshäuser. Gymnasium, 4 Primarschulen. 1 Spital. Es würde zu weit führen, alle übrigen Städte und Marktflecken Rumäniens hier zu charakterisiren. Es seien daher nur noch einige der interessantesten gekennzeichnet. Der Verwaltung nach gehört zum District Bäcäu Moi-nescl mit 700 Familien, unter denen 400 israelitische sind, d^ärgulü-Ocna und der Weinbergort OdobescT. Im Bezirke Botosani liegt Plirleu, im Bezirke Buzeü Mizilü mit 8000 Seelen; im Districte von Constanta treffen wir Cernavoda mit 3000 Seelen, worunter 65o Rumänen, 5oo Griechen, Die Finanzen. SU 680 Tartaren, 180 Bulgaren; Hirsowa mit 426 Familien, wovon 220 türkische; das handeltreibende Ostrovü besitzt 45o rumänische Familien. Zum Kreise Dorohoiü, dem Eldorado der Israeliten, gehören die beiden gänzlich ver-judeten Marktflecken Berta und Mihailem. Im ersteren waren von 827 Familien 627 jüdisch, im letzteren von 3000 Seelen 224.5 Israeliten; es sind dies also Orte, vollkommen der Mühe werth, ihretwegen eine Reise von 200 Meilen zu machen. KadautT und Darabini reihen sich ihnen ebenbürtig an. Im Kreise Jalomita Endet man Gura Jalomif/ei und Slobozia; im District Brahova Cämpina, c.5 Kilometer von BucurescT, mit 3800 Seelen, 3 Kirchen und 2 Primarschulen; im Kreise Teleormanü liegt die 10000 Einwohner zählende, vom Eürsten Cuza regelmässig angelegte Stadt Alecsandria sowie RosT de Vede mit 1462 Seelen und 8 Kirchen. 4. Die Finanzen. Das rumänische Ednanzgebahren erweist sich als ein sehr festes, so dass der Staat ohne störende Zwischenfälle in io Jahren die Periode der Deficits gänzlich überwunden haben wird. Nicht am wenigsten tragen dazu die vermehrten Einkünfte bei; die d^abaksteuer bringt seit Einführung des Monopols jährlich 16 Millionen, statt der früheren i] /2 Millionen Lei, Alkohol ergibt statt i1 /2 Millionen 7 Millionen, die Zölle gewähren 16 statt 8, die Grundsteuern 8 statt 4 Millionen Lei. Die für unsere Generation interessanten Ednanztabeilen Rumäniens beginnen mit dem Jahre 1861, das heisst mit dem Zeitpunkt der endgiltigen Vereinigung der beiden Edirstenthümer und einer für beide gemeinsamen Ednanz-verwaltung. Im Jahre 1861 beliefen sich die Staatseinkünfte auf nur 34 Millionen Lei, i865 auf 47 Millionen, 1870 auf 62 Millionen, 1875 auf 86 Millionen, 1880 auf 128 Millionen, 1886 auf 130 Millionen. Nettodeficits von 1861 — 65 betrugen I31/,, Millionen, das Deficit von 1866—70 2g3/4 Millionen, von 1871—75 121/., Millionen, 1876—80 18 Millionen, Deficit von 1880/81 —1885/86 10 Millionen. Die letzte Periode ist die des liberalen Gebahrens. Die liberale Regierung fand bei ihrem Antritt eine wenig löbliche Finanz Verwaltung vor, an deren Deficits sie bis vor Kurzem zu arbeiten hatte. Von 1871—75 endete nur ein Jahr ohne Deficit, von 1876 — 80 zwei Jahre, von 1880/81—86 zwei Jahre. Das jetzige Deficit vom vorigen Jahre beträgt 8J/l2 Millionen, es repräsentirt so ziemlich das Agio. Dabei traten in den elf Jahren des liberalen Elementes folgende Steuernachlässe ein. Zunächst am Salz in neun Jahren eine Reduction von 2 Millionen Lei, Lizenz 24 Millionen, Personalsteuer 23 Millionen, für höhere Steuer und Spitalabgaben 1 Million, Tabak cd ., Millionen, Branntwein Millionen, Eisenbahntarif 4 Millionen, im Ganzen also bis Ende 1884/85 66 Millionen, das ist 17 Millionen per Jahr Reduction oder 480/0, bei Abzug der Domänen sogar 57% des Budgets, so dass in 9 Jahren '/.> Jahr Budgeteinnahme abgelassen worden ist. Bei Uebernahme durch die Biberalen wies das Budget 861Millionen Bei aus, mit einem jährlichen Deficit von 12 Millionen Lei und einer schwebenden Budgetschuld von 33 Millionen Bei. Jetzt sind die Steuerrückstände mit 1 — 2°/0 gegen die damaligen 12—i5°/o sehr gering, die indirecten Steuern heben sich, und die Einkünfte sind von 86 auf 125 Millionen gestiegen, wobei Tabak und Eisenbahn schlecht gerechnet wurde, so dass sich streng genommen i5o Millionen ergeben; trotz des Nachlasses von 66 Millionen und des Agios, welches auf das Finanzgebahren drückt, ist ein geringeres Deficit vorhanden. Dieses mindert sich durch die indirecten Steuern, es wird sogar ganz verschwinden, und man hofft, sich ein für allemal aus der Deficitwirthschaft herauszuarbeiten. Die Einnahmen vertheilten sich je im Durchschnitt von fünf Jahren, auf Millionen Lei abgerundet, wie folgt: Die Finanzen. Periode Direc'te Steuern Indirecte Steuern Do-manen Oeffent-liche Arbeiten Post undl „ „, , , .sonstige I cJe- .„ ~° . t osten graphen | _1__ Zusammen I87I—75 1876—80 1881—85 2 21! 23 26 24 5l% 17 18 8l/a 83/4 21/., I51/. 73/; 1123/4 741/* 1Ü7V,, I241/s Die Staatsschuld belief sich 1865/66 auf 7921/2 Millionen für Deficits, 546 Millionen für Eisenbahn schulden und öffentliche Arbeiten. Ersterer Posten bildet 31%, letzterer Ö9°/0 des Ganzen. Im Jahre 1886 betrug die Staatsschuld 689 Millionen; 184 Millionen Deficit waren abgezahlt, 5o41/3 Millionen oder 73% entfielen auf öffentliche Angelegenheiten und zwar für Eisenbahnen 453 Millionen ohne Amortisirung, 243/4 Millionen für Armee, 2 2:!/4 Millionen für öffentliche Hauten, 3]/o Millionen für Credite und industrielle Zwecke. 1876 zählte man 063 Millionen Staatsschulden, für die man 60 Millionen ohne Agio bezahlte, das macht io8/4°/0, 1886 bezahlte man für 689 Millionen 523/4 Millionen mit Agio also 7 V/o- An Staatsgütern wurden von 1868—86 i52 610 Hektar für 5i Millionen Lei verkauft, zu 5°/0 g-crechnet gibt das 2^2 Millionen jährlich, trotz alledem sind die Domänen-Einkünfte nicht gesunken, sondern gestiegen. Man könnte noch achtmal so viel wie bisher verkaufen und mithin 400 Millionen aus den Staatsdomänen beziehen. Es ist dies höchst erfreulich, da ein solcher Vorgang eine eminente Bedeutung besitzt. Er gewährt die Mittel, neu sich bildenden Bauernfamilien billig Grund und Boden zu überlassen, und er lässt kein landwirthschaftliches Proletariat aufkommen. Unverhältnissmässig viel neue Ansiedelungen sind besonders im District Jalomi^a entstanden, der bisher nur schwach bevölkert war. Die Staatssparcasse hat einen erfreulichen Aufschwung erfahren. Sie erntete an Einlage: 1865: 60000 Lei 1870: 85 000 ,, 187.5: 5oo 000 Lei 1880: i 000 000 ,, 18 8 5: 16 000 000 ,, Die Civilliste des Königs wies einen Betrag von 620000 Gulden auf. Sie war ausser Serbien (450000 fl.), Bulgarien (300 000 fl.) und Montenegro die geringste. Hinter Griechenland (65oooo fl.), Baden (700000 fl.), Holland (8ooooofl.),Würtemberg (1 000000fl.), Dänemark (1 200000fl.), Sachsen (1300000 fl.), Portugal (1900000 fl.) und Belgien (2100000 fl.) stand sie entschieden zurück. Jedoch sind dem König dreizehn unveräusserliche, sehr werthvolle sogenannte Krondomänen verliehen worden, deren Ergebniss gegenwärtig auf 13 Millionen Bei geschätzt wird. Um einen Einblick in das rumänische Budget zu ermöglichen, sei hier dasjenige wiedergegeben, welches durch das Gesetz vom 23. März 1883 für 1884/85 festgestellt wurde. Danach ent- fielen auf: Die Ausgaben: • T . _ fe Lei Bani Oeffentliche Schuld......... 50130063 87 Ministerrath............ 62 960 — Ednanzministerium.......... 10709539-— Kriegsministerium.......... 30551213 — Justizministerium.......... 4739978 — Ministerium des Innern........ 9897 402 — Ministerium der öffentlichem Arbeiten . . 4418024 - Ministerium für Cultus u. öffentl. Unterricht 12786239 - Ministerium des Aeussern....... 1 587 363 19 Domänen, Ackerbau und Industrie . . . 3961860 39 Andere Posten........... 1 424 849 63 130269492 08 Die Einnahmen: T . „ . Lei -Bau 1 Directe Steuern.......... 24930000 ■— Indirecte Steuern.......... 58330000 — Domänen............. 20075566 — Inneres.............. 4 830 000 — Transport 108165 566 — Lei Bani Transport 108 i65 566 — Finanzen............. * $$d> ooo — Üeffentliche Arbeiten........ 9617925 44 (Jeffentlicher Unterricht ....... 104222 — Justiz............. 3 000 — Aeussere Angelegenheiten...... 12 5 000 - Krieg .......... 783 000 — Diverse Einkünfte.......... 771772027 Von 1882/83............ 1400000 -— 130269433 71 Die Einnahmen für 1886/87 waren mit 138 237 693 Lei berechnet, mit 10698975 Lei mehr als im Vorjahre, das Ausgabebudget ist mit 134244650 Lei ausgeworfen, so dass ein Ueberschuss von 4 Millionen erzielt werden soll, woran freilich die Juninisten noch nicht glauben wollen. Wie viel geringer gestaltet sich dagegen das Staatsbudget desjenigen vielgenannten Nachbarstaates, dem jetzt ein ähnlicher Entwickelungsgang wie Rumänien vorbehalten zu sein scheint! Das bulgarische Amtsblatt bezifferte das Budget pro 1887 wie folgt; Einnahmen aus den directen Steuern 29807508, indirecte Steuern 16 165398, andere Eingänge! 1 245360, Ersparnisse 510388, Summa der Einnahmen 47 7 28 65 4 Lei. Die Ausgaben betragen: El ofverwaltung und obere Verwaltung 1529092, Staatsschulden 2239898, Ednanzminister und Nationalbank 9 148 676, Inneres 6 742 480, Auswärtiges 3 768 862, Unterricht 2 314 335, Justiz 3 486 722, Krieg 18 207 34g; Summa der Ausgaben 47 437 434; Ueberschuss der Einnahmen 291 220 Lei. 5. Heeresorganisation. Die rumänische Armee ist das ureigene Werk des Königs Karl E, sie ist das Werkzeug, auf welches der Monarch mit Stolz und freudiger Genugthuung hinblicken darf, überzeugt, dass es ihm in politisch düsterer Stunde den Thron, seinem Lande die heissersehnte, mühsam erkämpfte Unabhängigkeit erhalten wird. Als der Blohen-zollernsohn ins Land kam, fand er einen matten Sinn und eine Armee vor, die dank den Bemühungen des Fürsten Cuza im Begriff stand, sich zu entwickeln. Die Bewaffnung war indessen noch mangelhaft, der gemeine Soldat ein undiseiplinirter träger Gesell, der Officier weder im Salon noch im öffentlichen Verkehr gut eingeschrieben, der Schatz seiner Kenntnisse war gering, sein Fleiss noch viel unbedeutender. Mit dem Einzug des ehemals preussischen schneidigen Gardeofficiers hielt auch ein neuer Geist seinen Einzug in die Reihen der rumänischen Kriegerschaaren. An allen Ecken und Enden kam man in Bewegung, Reformen fanden in allen Branchen und in jeder Hinsicht statt, und das scharfe Auge des Königs überwachte den begonnenen -Neuguss. Bereits vor zehn Jahren gab der russisch-türkische Krieg Gelegenheit zu beweisen, wie vorzüglich das Werk des hohen Reformators ausgefallen; gegenwärtig nimmt die rumänische Armee eine noch weit mehr achtunggebietende Stellung ein, wie dies die Erklärungen des Kriegsministers in einem durch die bulgarischen Wirren hervorgerufenen Ministerrath zur Genüge darthun. Rumänien besitzt demzufolge 400 Geschütze, 200 weitere sind bei Krupp bestellt und werden demnächst in Bucuresci eintreffen, ausserdem ist — last not least - für den Fall, dass Rumänien in eine Action eintreten muss, ein Capital von 20 Millionen in Gold bereit. Und als Entgegnung auf eine an ihn ergangene Interpellation gab Kriegsminister Ange-lescu December 1886 noch andere wichtige, auf das Ergänzungswesen bezügliche Notizen. Demzufolge beträgt das alljährliche Recruten-Contingent 28000 Mann, wovon 11 000 Mann auf die permanent unter Waffen stehenden Truppen und 17 000 Mann auf die nur zu periodischen Dienstleistungen einberufenen Dorobanzen entfallen. Da die Dienstzeit bei den stehenden dYuppen drei Jahre, bei den Dorobanzen fünf Jahre beträgt, so ergibt sich für erstere ein Normalstatus von 33000 Mann, für letztere von 85 000 Mann. Zuzüglich der Reserven kann demnach Rumäniens Heeresmcicht mit i5oooo Mann veranschlagt werden , eine Ziffer, die gewiss zu niedrig gegriffen ist. Sie bildet einen beachtenswerthen Factor, zumal sich Bewaffnung — die Einführung des Repetirgewehres Mannlicher ist zwar unwahrscheinlich — und Schulung der Truppen vollständig auf der Höhe aller Ansprüche unseres Jahrhunderts erhalten. Dieses tüchtige Heer würde durch die Vollendung der Bucurescier Befestigungsarbeiten, ausgeführt nach den Entwürfen des belgischen Generals Brialmont, eines zweiten Vauban, welche Bucuresci in eines der grössten Heerlager verwandeln, eine erhöhte Bedeutung gewännen. Für die genannte Arbeit sind 200 Millionen Bei bewilligt worden; die damit verknüpften Schiessübungen gegen aufgestellte Banzerthürme auf dem Plateau von Cotroceni haben die Aufmerksamkeit aller europäischen Officierskreise erregt. 1 )ünkt uns nun die von den Befestigungsarbeiten verschlungene .Summe eine ungeheure, so ist dafür der jährliche Budgetposten des Kriegsministeriums ein niedriger. Während vom Gesammfbudget des Jahres 1886 die Heeresleitung in Serbien 33%, in Russland iS°/0, EVankreich 2 8°/0, in Deutschland 2 6°/0 beansprucht, erfordert sie in Rumänien 2 2°/0. Die Armee Italiens mit 2o°/0 und die Oesterreich-Ungarns mit i5°/0 repräsentiren sich als noch anspruchsloser. Es sei hier zunächst gezeigt, aus welchen Anfängen die jetzige Armee Rumäniens hervorgewachsen. Als Fürst Cuza zur Eierrschaft gelangte, fand er in der Walachei ein stehendes Heer von 6126 Mann vor. Ausserdem waren angeblich vorhanden 4677 Gendarmen der Walachei und 934 der Moldau, 7397 Volkswehrmänner und Grenzwächter der Walachei und 12730 der Moldau, Alles in Allem 34144 waffentragende Individuen. Von ihnen kamen zunächst nur die 8406 Köpfe des stehenden Eleeres in Betracht; sie erschienen dem Fürsten so gering, dass er entgegen dem Pariser Vertrag von i;856 das Corps auf 11 000 Mann erhöhte. Zugleich errichtete er die Milizen und die Doro- banzen; er bemühte sich beständig, die stehenden Truppen zu vermehren, und es schien, als strebe er dahin, auf diese Weise eine politische Rolle zu spielen. Im Jahre 1861 erbat und erhielt Cuza von der französischen Regierung eine Anzahl Officiere und Unterofficiere und liess das rumänische Heer nach französischem Vorbild einexerciren und kleiden, weshalb dasselbe auch noch heute, trotzdem König Karl 1. auf alle mögliche Art das vielbewährte preussische Modell bevorzugt, an die Helden der Pariser Boulevards erinnert. Bei der Abdankung Cuzas wies das rumänische Heer folgende Zusammensetzung auf: I. Stehende Armee. 1) Stäbe, Intendanz, Administration. 2) Infanterie: 8 Regimenter ä 3 Bataillone ä 4 Compagnien und 4 Jäger-Bataillone ä 4 Compagnien. 3) Cavallerie: 2 Banciersregimenter ä 4 Bscadrons. 4) Artillerie: 2 Regimenter ä 8 Batterien ä 6 Geschützen und 1 Train-Abtheihing, 5) Genie: 2 Sappeursbataillone ä 4 Compagnien und 1 Compagnie Pontoniers. 6) Gendarmen: 2 Compagnien und 5 Escadrons. 7) Pompiers: 1 Bataillon in Bucuresci, 2 Compagnien in Jasi. 8) Train: 2 Escadrons. 9) Sanitätswesen: 80 Mann. 10) Marine: 1 Dampfer, 5 Kanonenboote, 2 Compagnien. Die Gesammtstärke sollte sich auf 25310 Mann belaufen. II. Die Dorobanzen sollten 8 Divisionen mit 30 Escadrons umfassen, ihr Stand 12 246 Mann und 12 256 Pferde sein. III. Die Grenzwach e wurde auf 9 Bataillone mit 3 3 Compagnien und 21476 Mann festgestellt, das gesammte Material sollte 85 000 Mann ergeben. Sebald König Karl an die Spitze der Armee gelangte, sahen sich die französischen Officiere derart vernachlässigt, dass man in Baris ihre Abberufung verfügte. An ihren Platz traten jetzt zum Theil preussische, zum Theil öster- reichische, unter den letzteren besonders solche, die dem siebenbürgischen Rumänenthum angehören, wie z. B. einer der Helden von Plewna, der jetzige Oberstlieutenant Groza, bekannt als Militärschriftsteller; ihm sind einige dieser Angaben zu danken. Als Schriftsteller hat sich ferner Oberst A. Gbrjanü ausgezeichnet. Am 24. October 1866 hatte Karl I. gelegentlich seiner Anwesenheit in Constantinopel die Investitur und das Recht erhalten, sein stehendes Heer auf 30000 Mann zu bringen; er gesellte daher laut Decret vom 9. August 1868 den drei vorhandenen ddaippenkörpern einen vierten, die Miliz hinzu und setzte ihn vorläufig mit 30 Bataillonen ä 6 Com-pagnien fest. Das Gesetz vom 27. März 1872 bestimmt die Organisation des Heeres wie folgt: I. Reguläre Armee. Stehendes Heer. Officiere Mann Summa Geschütze Pferde Stabe........ 133 133 106 Intendanz, Administration III 679 790 — 179 Infanterie: 8 Regimenter zu je 3 Feld- und i Depot- bataillon ä 4 Compagnien 552 32448 33000 — 88 Jäger: 4 Bataillone ä 4 Com- pagnien ....... 88 2592 2680 — 16 Cavallerie: 4 Regimenter a 4 Feld- u. 1 Depötescadr. Artillerie: 4 Regimenter ä 8 124 2932 3056 — 2688 Batterien ä 8 Geschützen, 1 Compagnie und 3 Sec- tionen I landwerker . 170 4784 4954 192 3300 Genie: 1 Bataillon Sappeurs ä 4 Compagnien u. 1 Com- pagnie Pontoniers . 30 770 800 — 19 Train: 1 Escadron .... 4 157 161 — 191 Gendarmen: 2 Compagnien 8 295 3°3 — 8 und 2 Escadrons 8 230 238 — 245 Sanitätswesen: I Compagnie 69 117 186 — 4 21 457 478 — 81 Marine: 3 Dampfer, 6 Ka- nonenboote . . . 20 246 266.. — — 1338 45707 47045 192 6925 II. Territorialarmee. 1 < M'liciere Mann Summa Geschütze Pferde 16 Regimenter Dorobanzen 8 Regimenter Calarasien 30 Batterien (im Frieden ausser Dienst) .... 2 Bataillone Pompiers 570 172 170 49280 III28 4716 1671 49850 11300 4886 1727 192 582 1-1308 33oo 578 968 66795 67763 192 15768 Reguläre Armee 2306 112502 114808 384 22693 III. I rreguläre Armee. 30 Bataillone Miliz 47746 47746 — Summa der gesammt. Armee 2306 160248 162554 384 22693 Seit Aufstellung dieser Liste resp. seit dem letzten russisch-türkischen Kriege hat der König unermüdlich für die Vermehrung des Heeres gesorgt. Die Dorobanzen-regimenter wurden auf 30, die der Miliz und ihrer Cavalle-rie ebenfalls auf die genannte Zahl vermehrt. Hierzu kamen 4 Calarastenregimenter sowie die in der Dobrogea gebildeten Truppen, zu denen im März 1887 noch 2 neue Dorobanzen- und 1 Calarasienregiment getreten sind. Die Flotte weist jetzt einen Bestand von 4 Avisos, 3 Kanonenbooten, 1 .Schulschiff, 1 Tqrpedofahrzeug, 2 Torpedobooten und 10 Schaluppen mit 60 Officieren und 700 Mann auf. Das ganze Staatsgebiet zerfällt in vier Armeecorpsbezirke und einen Divisionsbezirk (Dobrogea). Sitz des 1. Corps ist Craiova, Sitz des 2. Corps Bucuresci, Sitz des 3. Corps Galati, Sitz des 4. Corps Jast, Sitz des 5. Armeekörpers Tulcea, jedes Corps hat seine eigene Intendanz und sein Spital. Die Feldtruppen eines jeden Corps werden aus dem stehenden Heer und den l'erritorialtruppen gebildet, jedes Corps zunächst zu 28000 Mann, die Tulceaer Division der Dobrogea zu 16000 Mann gerechnet. Die zu dieser Eintheilung noch fehlenden 4 Jägerbataillone, 2 Cavallerie-regdmenter und Geniecompagnien sind momentan in der Bildung- begriffen. An militärischen Anstalten bestehen 1 Militärwaffenfabrik und 14 Militärhospitäler. Der Generalarzt der Armee, Dr. Theodori, gehört zu den wissenschaftlich und menschlich bedeutendsten Männern des Bandes. Die Ofhciersschule von Bucuresci mustert jährlich i5o Officiere aus, für den Bedarf der Armee kaum ausreichend. Die Unterofficiersschule. von Bistrita producirt gleichfalls Officiere, ausserdem senden zwei Untererziehung-s-schulen ihre Zöglinge nach der Bucurescier Ofhciersschule, wo übrigens auch Studenten aufgenommen werden, welche eine entsprechende Prüfung abzulegen vermögen. Nach zwei Jahren erfolgt die Ernennung zum Officier; das alsdann übliche Avancement ist ein sehr schnelles und ein viel günstigeres als in Oesterreich und in Preussen, weshalb der Uebertritt aus den Armeen jener Staaten unleugbar als ein Act der Klugheit erscheint. Auch die Gage muss eine durchaus acceptable genannt werden, obgleich die Uniform der Officiere aus sehr feinem ddich besteht, durch Regen leicht ruinirt wird und mithin viel Ausgaben erfordert. In die Bistritaer Schule können Unterofticiere eintreten, die Officiercharge zu erlangen wünschen. Die Anstalt entspricht den gewöhnlichen Cadettenschulen, während die Bucurescier Lehranstalt mit der Wiener Neustädter Akademie correspondirt. Die tüchtigsten der Bucurescier Zöglinge werden der Artillerie und dem Genie zugetheilt, sie besuchen noch zwei Jahre lang Specialschulen. Viele von ihnen schickt man auch nach dem Auslande. Eine Generalstabsschule soll errichtet werden, eine zweite Unterofficiers-schule thäte gleichfalls noth, denn die Wichtigkeit der Bistritaer ist nicht genug hervorzuheben, obgleich wir keineswegs gesonnen sind, gegen gewiegte Militärschriftsteller anzukämpfen, nach deren Meinung jenem Officiercorps der einheitliche Geist mangelt, dessen Mitglieder verschiedenen Gesellschaftsclassen entsprossen sind. Ueber die innere Einrichtung der rumänischen Wehrkraft muss Folgendes gesagt werden. Vor dem Regierungsantritt des Fürsten Cuza herrschte ein Recrutirungs- Bergner, Rumänien. -1 brauch, der geradezu an die Despoten Innerafrikas und an ihre Sclavenjagden gemahnt. Allgemeine Wehrpflicht exi-stirte damals nicht, jeder Flecken und jedes Dorf waren vielmehr verpflichtet, eine bestimmte Anzahl Recruten herbeizuschaffen, gleichgiltig, von wo bezogen. Da nun aber die Dienstzeit 2 5 Jahre währte und die Behandlung der tapferen Krieger keine gute war, so hütete sich ein Jeder sorgfältig, Soldat zu werden. Fast nie gelang es den Behörden, ihr vorgeschriebenes Quantum von Menschenmaterial zu liefern, und es blieb daher nichts übrig, als vollständige Razzias auf die Militärpflichtigen zu unternehmen. Ganze Dörfer wurden umschlossen, die Bewohner überfallen und die gesetzliche, auch wohl die ungesetzliche Anzahl von Recruten gefesselt und fortgetrieben. Jeder Widerstand war vergebens, Rettung vermochte nur eine Handvoll Ducaten zu gewähren, die die Eltern der Gepressten dem Militärarzt in die Bland drückten, damit er den kräftigsten Burschen für kränklich erkläre. Da nun nicht jede Familie klingende Münze besass oder dieselbe nicht eines mittelalterlichen, barbarischen Gesetzes halber verlieren mochte, so versteckten sich oft sämmtliche jungen Burschen einer Ortschaft monatelang, erst wieder erscheinend, wenn weniger gut Verborgene die Unglückszahl vollgemacht. Eine düstere, schreckensvolle Zeit! Heutigentages gilt jeder taugliche Rumäne als persönlich militärpflichtig. Der Dienst im stehenden Heere ist jetzt dreijährig, in der Territorialarmee fünfjährig. Nach Ablauf dieser Zeit verbleibt man in der Reserve bis zum 30., in der Miliz bis zum 36., im Eandsturm bis zum 46. Jahre. Ausserdem gibt es noch Freiwillige und aus der Reserve wieder Eintretende. Die Emtscheidung betreffs der stehenden Armee und der Dorobanzen richtet sich danach, ob der Stellungspflichtige ein hohes oder ein niedriges Loos gezogen hat. Die Territorialarmee repräsentirt eine uralte, aus dem 15. Jahrhundert stammende nationale Einrichtung und wurde seit jeher zum Zolldienst und zur Grenzbewachung bestimmt. Dagegen thun die mit ihr correspondirenden Calarasien- regimenter keinen (frenzdienst, doch ersetzen sie die Landgendarmerie, so dass man - jedem Souspräfecten eine Anzahl behufs Aufrechterhaltung der Ordnung beig-egeben hat Die Dorobanzen, auch Curcanü genannt, weil sie an der schwarzen Lammfellmütze eine d>uthahnfeder tragen, haben im Frieden keinen permanenten Dienst. Monatlich treten sie auf 10 d\ge unter die Waffen, während der übrigen 20 d?age können sie ihren häuslichen Beschäftigungen nachgehen. Die 30 Dorobanzenregimenter entsprechen den 30 Districten des Bandes, ihre jeweilige Stärke richtet sich selbstredend nach der Einwohnerzahl des Bezirkes, das Romanüer Regiment umfasst beispielsweise nur 2300 Mann, wogegen andere Curcanükörper 5—6000 Mann aufweisen. Die weitere Eintheilung ähnelt insofern der der alten österreichischen Grenzregimenter, als 4—6 Dörfer den Rayon einer Compagnie bilden und über ein AVaffendepot verfügen. So kommt es, dass das Romanüer Dorobanzenregiment bei 27 Officieren nur 280 Gemeine aufweist; eine weitere nicht zu unterschätzende I^olge dieser in. Deutschland vielleicht belächelten Institution ist aber auch die, dass jedes Dorobanzenregiment in höchstens 5 Tagen kampfbereit in Bucuresci stehen kann. Zur Miliz gehören alle jungen Beute, die sich aus irgend einem Grunde der Conscription nicht unterworfen, endlich alle diejenigen, welche ihre Dienstzeit im stehenden Heere oder in der Territorialarmee abgeleistet haben. Die Miliz zerfällt in drei Aufgebote, und zwar umfasst das erste Aufgebot die unverheirateten Männer oder Witwer, das zweite die verheirateten Männer ohne Kinder und das dritte die Familienväter. Die Nationcdgarde, Bürgergarde oder der Bandsturm (glötä) begreift in sich alle Männer zwischen dem 37. und dem 46. Bebensjahre. Sie ist zum Wachdienst an der Grenze bestimmt, falls die reguläre oder die territoriale Armee ausgerückt, die Miliz zum Wachdienst in den Städten consignirt sein sollte. Die Miliz exercirt gleich den E)orobanzen in bestimmten Zeiträumen Ei ihrer Heimat. Zu ihrer permanenten Ausbildung hat 21* Gott den Sonntag- geschaffen. An ihm schultert der Milizsoldat sein Zündnadelgewehr, welches während der Woche im Winkel seines Stäbchens gestanden, und zieht auf den Exercirplatz, wo er mehrere Stunden hindurch gedrillt wird. Seine Quälgeister sind Unterofficiere, seine Führer zur Kriegszeit gebrechliche Officiere. Es dürfte einleuchtend sein, dass bei einer derartigen Organisation die Stärke der rumänischen Streitkräfte eine äusserst schwer zu bestimmende ist, als unwiderleglich kann nur angegeben werden, dass die stehende und die Dorobanzen-Armee nicht unter iöoooo Mann, die Summe aller vier Classen ohne Mühe 2 5oooo Köpfe betragen könnte. Noch ist zu erwähnen, dass bei jedem Regiment eine Schule existirt, in welcher Lesen und Schreiben gelehrt wird. Solche Anstalten sollen das Material für die Unterofficiere liefern; sie bilden einen wahren Segen, indem sie dem Krieger die Möglichkeit gewähren, nach Vollendung seiner activen Dienstzeit als halbwegs gebildeter Mensch in seinen I leimatsort zurückzukehren. Grössere fixirte Manöver kennt man im Lande nicht, man hat sie bisher in Anbetracht ihrer beträchtlichen Kosten unterlassen. Immerhin finden kleinere Vereinigun-g-en statt. So hat man iS86 bei Buzeü 6 Cavallerieregi-menter auf mehrere Wochen zusammengezogen. Im Frühjahr wird regelmässig eine Revue abgehalten; mehr erscheint vollkommen unnöthig, da die vielen nationalen Festlichkeiten Gelegenheit zu ebenso vielen Revuen bieten. Wer einigen beige wohnt hat, der muss der Haltung und Ausrüstung der druppen volles Lob zollen, mangelhaft erscheint einzig und allein das dürftige Pferdematerial der (alarasien und der Artillerie. Ein Calaraslenregiment macht den Eindruck, als könne es keine tausend Schritt mehr zurücklegen, und als müssten die kleinen Pferde demnächst umfallen, ist es nun auch richtig, dass ein solches Regiment einem schweren Kürassiertross nicht widerstehen könnte, so ist es doch ebenso wahr, dass der mit seinem Thiere verkettete, von Kind auf an das Reiten gewöhnte Calarasi einem Kosaken völlig gewachsen ist, diesem als Kundschafter gleichkommt und ihn im Kampfe übertrifft. Die dürftige Erscheinung des Rosses rührt daher, dass es dem Reiter eigenthümlich angehört, und dieser für seinen Unterhalt sorgen muss; ausserhalb des Dienstes wird das Schlachtross beliebig verwendet. Obgleich man den Cala-rasfen mancherlei Vorrechte gewährt, sie nach vierjähriger Dienstzeit entlässt und ihnen bedeutende Steuerabzüge gewährt, so finden sich doch sehr viele wohlhabende Bauernburschen, denen der Calarasiendienst unangenehm dünkt. Man gewinnt sie sofort, indem man ihnen andeutet, man werde sie bei Widerspruch in die Linie einreihen. Juden existiren natürlich weder bei den flotten Calarasien noch sonstwo in grosser Anzahl; die untauglichen drängen sich in ungeheuren Schwärmen zur Assentirung und die tauglichen besitzen wohlweislich fremdländischen Pass. Unter den Officieren trifft man nur einen Israeliten, unter den Unterofficieren viele; man kann sie als Schreiber und Rechner gut verwenden, nur nicht zum eigentlichen Waffenhandwerk. Die rumänischen Soldaten gelten als behende und intelligent, sie sind gleich den russischen an Strapazen und Entbehrungen gewöhnt und können gleich jenen den schroffsten Wechsel von Hitze und Kälte vertragen. Die Uniform der Dorobanzen besteht aus einer Bammfellmütze nebst Eeder und Cocarde, aus einem langen grauen Mantel und bis unter die Knie umwickelten Bandagen, Opintschen; die letzteren vertreten die Stelle der Stiefel. Die Miliz hat keine Uniform, sondern trägt die gewöhnliche Volkstracht; die Infanterie führt das Zündnadelgewehr, die Artillerie die gezogenen Geschütze preussischen Musters. Besondere Erwähnung verdienen noch die Pompiers. Sie bilden wie in Frankreich eine Art militärisch organisirter Feuerwehr, die übrigens sehr gut geschult sind und ihrem Berufe völlig entsprechen. Was Henke und Eilek von Wittinghausen an Parallelen vorbringen, indem sie die Uniform der Dorobanzen mit denen der österreichischen Grenzer vergleichen, die der Calarasien der der preussischen Gendarmen gleichstellen, ist völlig unzutreffend und unergründlich. Die österreichischen Grenzer trugen Tschako und braunen Waffen-rock, die heutigen Calarasien ähneln den preussischen Gendarmen nicht im Geringsten. Ihre feine, höchst gefällige Uniform besteht aus weissen Hosen, blauem Waffenrock und schwarzem Tschako nebst weissem Federstutz. Eines ihrer Regimenter daherfliegen zu sehen, ist einer der g-rössten Genüsse, deren man in Rumänien theilhaftig werden kann. D. Culturelle Notizen. i. Unterrichtswesen. Das rumänische Unterrichtswesen hat sich dem Staatsbudget zufolge ausserordentlich entwickelt. Dieser Aufschwung trat unter der Amtsführung Maiorescus, welche die Gründung von Realschulen erzielte, klar zu Tage, er ist zum vollen Ausdruck gelangt, seitdem Demeter Stourdza den Posten eines rumänischen Ministers für Cultus und öffentlichen Unterricht versieht. Stourdza, richtiger Stürza oder Sturdza, gehört zu den ausserordentlichsten Männern seines Volkes. Wer jemals der mittelgrossen, gedrungenen Gestalt mit dem ausdrucksvollen Kopfe, dem kurzgestutzten ergrauenden Vollbart und den geistreichen Augen gegenüber gestanden, der wird die Bedeutung eines solchen Mannes für einen jungen Culturstaat wohl ermessen. Die Thätigkeit des Ministers ist eine ebenso vielseitige als fruchtbare. Bereits in den frühesten Morgenstunden sitzt Demeter Stourdza am Schreibtisch, um mit geringen Unterbrechungen bis in die Nacht hinein zum Segen des Tandes zu schaffen. Oft trifft es sich, dass der Minister 14 Stunden, ja noch mehr ohne Pause arbeitet; dabei treten aber sehr häufig historische Missionen ein ihn heran, wie die Reise zu den Kaisermanövern und die anlässlich der Zoll-verhandlungen nach Wien, welche den Minister seinem Arbeitstisch entziehen und mit Strapazen verbunden sind. Ihrer kann sich Herr Stourdza um so weniger entschlagen, als er die deutsche Sprache in demselben Masse beherrscht wie seine eigene. Möge dieser Mann noch viele Jahre seinem Volke und der Menschheit erhalten bleiben! Ueber die Vergangenheit Demeter Stourdzas ist zu bemerken, dass er im Jahre 1849 nach Deutschland kam und in München drei Jahre ernsten Studien oblag. Von da ging er nach Göttingen, ein Jahr später nach Bonn. Hier am schönen Rheine fühlte sich der junge, strebsame Rumäne äusserst behaglich, verliess aber trotzdem den Ort nach einem Jahre, um durch einen zweijährigen Aufenthalt in Berlin seinem Studium die Krone aufzusetzen. 1856 kehrte Demeter Stourdza in die Heimat zurück und trat ins politische Beben ein. Zunächst wirkte er als Kanzleiführer der Moldau, sodann als Secretär der provisorischen Regierung vor der Wahl Cuzas. Im Frühjahr i85g wurde er Minister für Cultus und öffentlichen Unterricht, um dieses Amt bald mit der Verwaltung der öffentlichen Arbeiten, der Finanzen und der äusseren Angelegenheiten zu vertauschen. Die köstliche Buft Constantinopels war ihm im Jahre 1870 beschieden, damals erfolgte seine Ernennung zum Gesandten Rumäniens in Constantinopel. Gegenwärtig scheint Demeter Stourdza berufen zu sein, die Leitung des Ministeriums des Aeussern zu übernehmen, möglich, dass es ihm bestimmt ist, in schweren Zeiten hiebei sein bedeutendes diplomatisches d'alent zu bekunden. Das Unterrichtswesen hat sich nach allen Seiten hin entwickelt, doch ist man früher leider nicht systematisch, sondern sprungweise vorgegangen, immer nur bemüht, die Bedürfnisse des Augenblicks zu stillen. Da man nun gegenwärtig einen grossen Andrang zu den höheren Eehranstal-ten constatirt hat, so kommt es vor, dass sich deren Lo-cale für zu gering erweisen, dass die Facultäten über fehlende Laboratorien klagen und Mangel an entsprechenden Bibliotheken herrscht. .Schwerer noch als die Abstellung dieser schliesslich überall möglichen Bücken fällt dem rastlosen jetzigen Beiter des Cultusministeriums die Zurück- Weisung- eines hochmüthigen Lehrerstandes in die gebührenden Schranken. Die Professoren hielten sich bisher für ganz besonders intelligent und erhaben, beaufsichtigte man sie nicht, so riss in den Schulen leicht Zerfahrenheit ein, der abzuhelfen sich das bisherige Unterrichtsgesetz des Jahres 1864 als durchaus ungenügend erwies. Seine Schöpfer sind die Lehrer, ihre Absicht war, sich dadurch eine Sonderstellung zu schaffen, mittelst welcher sie ausserhalb der Staats-controlle stehen. Die bezeichnete Kaste bildete eine festgeschlossene Phalanx, gegen welche anzukämpfen Maiorescu und Conta vergebens, die späteren Minister gar nicht versuchten. Demeter Stourdza war der Erste, der, ungeschreckt durch das Factum* dass sein Ressort das dornenvollste und schwierigste, das heisse Ringen unternahm. In der letzten Versammlung des Generalschulraths, October 1886, trat Demeter .Stourdza mit entscheidenden Reformplänen auf, welche die Wuth jener Clique wachriefen. Trotz vielstün-diger genialer Reden, welche die Wahrheit auf den Kopf trafen, blieb der Erfolg dem Minister versagt, und Demeter Stourdza sah sich veranlasst, seine Pläne der Kammer zu unterbreiten. Jene Verhandlungen haben auf die jetzigen Lehrkräfte kein günstiges lacht geworfen, am wenigsten die Frage, ob es auch fürderhin dem Lehrer gestattet seftl soll, allerlei Nebengeschäfte zu betreiben. Bisher hat es sich getroffen, dass viele Lehrer zu gleicher Zeit Halter von Branntweinschänken waren, gewiss ein Factum, welches ganz seltsam berührt. Es wäre wahrlich zu wünschen, dass sich die öffentliche Meinung Rumäniens der guten Sache annähme und den Cultusminister in seinen Bestrebungen unterstützte. Ueber die Intelligenz der Lehrer lässt sich wirklich nichts Abfälliges sagen. Wir hatten in Bäcäu Gelegenheit, einer Prüfung- beizuwohnen, zu der der dortige Bezirksschulinspector an 70 Dorfschullehrer des Districtes versammelt. Der Mann stellte den Leuten, unter denen sich einige Popen und viele Lehrer in Volkstracht befanden, allerlei Aufgaben, beispielsweise musste einer von ihnen einigen Kindern eine Fabel erklären und die übrigen Lehrer die Art und Weise seines Vortrags kriti-siren. Jährlich finden solche Versammlungen in jeder Districtsstadt in der Dauer von einigen Wochen und zwar während der Ferienzeit statt. Der betreffende Districts-leiter hatte auf Kosten des Cultusministeriums Deutschland bereist, um die Einrichtung- der dortigen Lehranstalten zu studiren und daraus zu lernen; übrigens ist er nicht der Linzige, der Deutschland auf diese Art kennen gelernt hat. Auf solche Weise und durch Errichtung von Kinderg'ärten, wo vor Allem die in vornehmen Kreisen vernachlässigte Landessprache herrschen soll, sucht Herr Stourdza seinem Vaterlande kleine und grosse Dienste zu erweisen. Die Schulstatistik wies 1885 folgende Anstalten auf: Anstalten Lehrer Schüler Niedere Lehranstalten: Dorfprimarschulen..... t., 1, 11 1 für Knaben Stadtprimarschulen < [ für Madchen Normalprimarschulen . . . 2459 146 125 8 2378 479 345 85 83076 23832' 12949 741 Höhere Lehranstalten: 7 9 160 180 99 2108 2077 i512 Special- u. priv. Schulen: Specialschulen...... Privil. Schulen...... 1 landelsschulen..... Tochterschulen..... 3i 2o5 5 12 217 1120 56 144 2035 11124 77* 1316 1 3026 5263 141542 1884/85 betrug das Budget für die Lyceen und (rym-nasien 1195747 Lei, für die .Stadtschulen 1037380, für die Dorfprimarschulen 2021 960, für die Specialschulen 392014, für die Töchterschulen 333451 Lei. Die Bucurescier Universität umfasste 1886 die Faculte des sciences mit 11 Professoren, darunter Marin (Chemie), Orescu (Geometrie), die Faculte des lettres mit 10 Professoren, darunter Hasdeu I Philologie), Maiorescu (Logik), Tocilescu und Urechia (Geschichte), eine Rechtsfacultät mit 10 Professoren, darunter Pascal (Civilrecht), Negruzzi (Nationalökonomie), eine medicinische Facultät mit 22 Professoren, worunter Dr. Felix (Hygiene). Die drei ersten Facultäten liefern nur Abgangszeugnisse, die medicinische Doctordiplome. Die Behrer werden mittelst Concursausschreibens gewonnen, die Unterrichtsprogramme entsprechen denen Frankreichs. Die Brimarschulen und die Gymnasien haben je 4, die Byceen je 7 Classen. Die Schüler, welche die Brimarschulen verlassen, treten direct in die erste Classe des Gymnasiums oder Byceums ein. Um von einer Classe in die andere zu gelangen, ist das Bestehen eines Examens nöthig, welches vom 14. bis 2 5. Juni dauert. Die Unterweisung geschieht in allen Graden gratis, der Unterricht für die Primarschulen obligatorisch. Der dem Minister beigegebene permanente Rath besteht aus 7 Mitgliedern, der Generalschulrath aus 60. Wie anders gestalten sich dagegen die früheren Angaben! 1844 kannte man beispielsweise in der ganzen Moldau nur 14 öffentliche, städtische Elementarschulen mit 1244 Schulkindern, auf dem Bande lernten 751 Besen und 312 Schreiben; drei Districte waren bar von jeder Unterrichtsanstalt. 2. Kirchenverwaltung. Ebenso wie die politische Unabhängigkeit Rumäniens der Türkei gegenüber stets in Frage gestellt erschien, ebenso war die .Stellung der rumänischen Landeskirche eine schwankende. Trotzdem war die rumänische Kirche eine von Constantinopels Patriarchen durchaus unabhängige. I v i ich eaverwaltung. Beweis dafür ist, dass die beiden Metropoliten von politischen Versammlungen gewählt wurden und nur eine Anzeigepflicht dieses Vorganges in Constantinopel oblag, Einspruch gegen die Wahl pflegte man nicht zu erheben. Die ruhige Entwickelung der Kirche erfuhr durch die Phanariotenwirthschaft eine Aenderung. Die Fürsten suchten ihren Halt in der Kirche und liessen sich besonders zu Eingriffen in die Rechte derselben in der Walachei hinreissen. Nicht minder wurde die Kirche durch das griechische Protectorat ausgebeutet, sie sollte eine Bland-habe zur Befestigung des russischen Einflusses sein. Infolge der politischen .Selbstständigkeit erwachte auch das Bedürfniss der kirchlichen, und so gelang es im Ed-ühjahr 1885, die wirkliche, vollkommene, unumstössliche Unabhängigkeit zu vollziehen. Bis dahin fielen dem Constanti-nopeler Patriarchat gewisse kirchliche Rechte, wie der Bezug des heiligen Oeles und anderes, anheim. Ein von Demeter .Stourdza geleiteter Schriftenwechsel hatte den gewünschten Erfolg. Die Geistlichkeit war von den schwebenden Verhandlungen vollständig in Unkenntniss gehalten worden und sah sich am i. Mai durch Verkündung der neuen Edaamgenschaff freudig überrascht. Man hätte nun glauben sollen, dass der Jubel ein allgemeiner sei, dem war indessen nicht so. Wenige Wochen später bildete sich eine Gesellschaft zur Vertheidigung der orthodoxen Kirche, ein an und für sich also durchaus unerklärliches Flreigniss. Wer jedoch tiefer blickte, erkannte bald den wahren Grund. Russische Agenten, wie Rosnovano und Vocuridi, leiteten die Bewegung, als Seele des Gcinzen diente der uns schon bekannte, vielwissende Romanüer Bischof Melchisedek. Die Partei strebte danach, junge Geistliche ohne Vorwissen der Regierung nach den Kiewer Bildungsanstalten abzusenden und eine Agitation gegen die römisch-katholische Kirche hervorzurufen. Der Stoss war natürlich gegen die Kirche nur gerichtet, für den König Karl bestimmt. Obgleich der König der orthodoxen Kirche stets die schuldige Ehre erweist und die römisch-katholische keineswegs protegirt, glaubte man doch gegen den ehemals deutschen Prinzen eifern zu können. Derartige Vorkommnisse haben Ursache zu der Verordnung gegeben, laut welcher alle geistlichen Versammlungen höherer und niederer Seelsorger ohne Erlaubniss des Bischofs unstatthaft erscheinen, den Bischöfen ist übrigens nicht erlaubt, an solchen Vereinigungen theilzunehmen. Ausnahmen bilden selbstverständlich die Synoden und Parlamentssitzungen. Bei den letzteren gemessen die Bischöfe bedeutende Privilegien, indem sie die einzigen lebenslänglichen Parlamentsmitglieder sind. Momentan herrscht bewegtes Beben in den Verhältnissen der rumänischen Geistlichkeit. Die weltlichen Priester fordern stürmisch eine Verbesserung ihrer Bage, die höheren sind geneigt, sich dem entgegenzustellen. Das Betztere wohl mit Unrecht, denn die Einkünfte der niederen Geistlichen müssen wirklich sehr geringe genannt werden. An Fixum erhält in den Provinzstädten die Mehrzahl der Popen kaum ,30 Bei per Monat, auf dem Dorfe ist dies noch weniger, so dass es den Leuten nicht verübelt werden kann, wenn sie mit eigener Hand den Pflug führen. Etwas günstiger' gestaltet sich natürlich ihre Lage durch die Stola, sie beziehen für Taufe, Hochzeit und Begräbniss kleine Summen und wandern monatlich einmal Weihrauch spendend von Haus zu Blaus, wofür ihnen gleichfalls eine Kleinigkeit entrichtet wird. Die Frage, wie ihnen endgiltig geholfen werden könnte, ist noch eine offene. Soll man das Budget durch neue Steuern belasten, um an Stelle einer gerechten Klage eine nicht minder berechtigte zu setzen? Als unleugbar gilt, dass die Zahl der geistlichen Functionäre eine unnöthig hohe ist, trifft es sich doch, dass in vielen Kirchen drei bis fünf Geistliche celebriren. Dagegen fehlte bisher den meisten rumänischen Geistlichen das Verständniss für ihre Mission gänzlich. Während die siebenbürgischen Rumänen zu Hunderten nach den deutschen Universitäten zogen, um dort die Schätze der Wissenschaft zu heben und sich zu bilden, von ihren Landsleuten aber Fundationen dortselbst gestiftet wurden, verharrte die Geistlichkeit Rumäniens in dumpfer Apathie. Sie führte bis zum Jahre 1864 keine Matrikel, und wäre damals nicht mit der Civil-ehe eine gewissenhafte Matrikelführung erstanden, so fände man heute nicht die geringste Ordnung in kirchlichen Dingen. Die Popen wandten ihr Augenmerk dem Osten zu und wählten sich als Heilige Russen und Phanarioten-günstlinge. Und dies dünkt um so merkwürdiger, als Rumänien von den Staaten griechischer Religion das meiste Verständniss für den Fortschritt zeigt. Die Rumänen streben nicht wie die Russen danach, einer eigenen, ganz aparten Bildung zu huldigen, sie befleissigen sich vielmehr, westeuropäischem Vorbild unbedingt nachzueifern. Ganz und voll kann das freilich erst geschehen, wenn die Besserung der kirchlichen Schulen eine steigende Volksbildung nach sich zieht. Der Einfluss der Geistlichen ist ja hier wie in allen europäischen Bändern ein grosser, geniessen doch die Geistlichen bei den Wahlen einen entscheidenden Einfluss, so dass die Regierung in dieser Hinsicht mit der niederen Geistlichkeit wohl zu rechnen hat. Wünschens-werth wäre es vor Allem, wenn man dahin kommen könnte, keine Zöglinge mehr nach Kiew und Athen abzugeben, eher wäre die Czernowitzer geistliche Bildungsanstalt zu empfehlen. Durch den Kiewer Besuch bilden sich vielfache Beziehungen zu dem Moscowiterthum heraus, was unmöglich zum Heile Rumäniens gereichen kann. In früherer Zeit hatten die Russen Rumänien in Händen, so wie sie bis vor Kurzem Bulgarien beherrscht, mit dem Krimkrieg löste sich ihre Position in dem Fürstenthum in Nichts auf, ihr Bemühen aber blieb immer beachtenswerth. Die rasche Entwickelung Rumäniens war ihnen ein Greuel, das feste Einwurzeln der Dynastie ein Schrecken, und man hat daher bis zu diesem Augenblick russischerseits nichts unterlassen, um an dem entstandenen Bau zu rütteln. Seit Jahren ist kein Winter verflossen, an dem Russland nicht einen Trumpf ausgespielt, bald versucht man es durch Anzettelungen von Judenkrawallen oder von Bauernrevolten, bald mit Studenten-excessen. Dcis Resultat war bis jetzt ein negatives, und man hat sich daher entschlossen, den letzten Trumpf auszuspielen: die Kirche. Eine solche Unterminirung-sarbeit wird nach zwei Richtungen hin betrieben: man verkündet, die orthodoxe Kirche sei durch den römisch-katholischen Elerrscher gefährdet und man wiegelt die untere Geistlich-keit mittelst Agenten gregen die höhere auf. Der kirchlichen Organisation zufolge gehört die höchste Gewalt der heiligen Synode. Sie umfasst: 1) den E>zbischof und Metropolit von Ungro-Vlachien, Primas von Rumänien und Präses der heiligen .Synode. Ihm unterstehen sieben Districte: Ilfovü, Vlasca, Teleor-manü, Prahova, Jaiömfya, Muscelü. Gehalt: 36996 Lei per Jahr und 10000 Lei Repräsentationszulage. 2) Den Erzbischof von Moldau und Suceava. Seine Diöcese wird von den fünf Districten Jasi, Neamtu, Botosani, Dorohoiü, Suceava gebildet, sein jährlicher Gehalt beträgt 36 996 Lei. 3) Die Bischöfe von Rämnicü mit fünf Districten: Välcea, Doljü, Gorjü, Mehedinti, Romanati, von Romanü mit Romanü, Bäcäu, Putna, Tecuciü, von Buzeü mit Buzeü und Rämnicü-Säratü, von Husi mit I^alciu, Tutova, Vaslui, von Argesü mit Oltü und Argesü, von der unteren Donau mit Covurluiü, Bräila, Tulcea, Constanta. Jeder dieser sechs Kirchenfürsten bezieht 18492 Lei. 4) Die acht Bischöfe in partibus, welche weder Diöcesen noch Gehalt haben. Sie tragen den ddtel einer Stadt der acht Diöcesen und den des Coadjutors des Bischofs. Zur Beschlusstähigkeit der Synode ist die Gegenwart von zwölf Mitgliedern nöthig-. Der Cultusmfnister kann, wenn er der orthodoxen Behre ang-ehört, an den Sitzungen der Synode theilnehmen, falls er nicht orthodox, ordnet er einen seiner Collegen ab. Sowohl die Metropoliten als die Bischöfe werden von einem besonderen Körper gewählt, bestehend aus Senats- und Kammermitgliedern. Die Can-didaten sind von den Bischöfen in partibus aufgestellt, diese werden von der .Synode dadurch creirt, dass sie dem Minister drei Candidaten vorschlägt, von denen er einen bestätigt. Unter sich ordnen sich die Bischöfe von Rämnicü, Buzeü und Argesü dem von Bucuresci, die von Romanü, Husi und der unteren Donau dem von Jasi unter. Gleichwohl beschränkt sich heute eine solche Abhängigkeit auf das Recht der Inthronisation des Bischofs seitens des Metropoliten. Der Erzbischof von Bucuresci hat als Primas und Erzbischof von Hungro-Vlachien den Vortritt vor seinem Jasier Collegen; ein jeder Bischof besitzt seinen Vicar oder Archimandrit, seinen Kanzleidirector und andere Beamte, in kirchlichen Angelegenheiten wird er vom Consistorium berathen. Ein Hauptübelstand scheint uns in den ehelichen Verhältnissen der Priester zu liegen. Die höheren Geistlichen müssen dem Mönchstand angehören, also dem Cölibat huldigen, weshalb ihr Privatleben oft ein wenig ehrfurchterweckendes ist, die niederen Geistlichen müssen vor ihrer Priesterweihe ehelichen. Diesem Gebote unterliegen auch die Popen Siebenbürgens; es erzeugt allerlei seltsame Vorfälle. So erfreuen wir uns beispielsweise der E>eundschaft von F.xpriestern, deren Hausfrauen bei Schliessung- des Ehebundes nur vierzehn Jahre alt g-ewesen. Einer von ihnen suchte gleich seiner Schwiegermutter kurz nach der Hochzeit vergebens seine Ed'au, endlich entdeckte er sie hinter der lischdecke, wohin sich das geängstig'te Kind mit der Puppe geflüchtet! Ein zweiter wollte weder seine Priesterweihe hinausschieben, noch auf das Mädchen seiner Wahl verzichten, er heirathete also das Betztere, um es sodann wegen körperlichen Unentwickeltseins noch einige Zeit in die Schulen zu senden. Die dd-acht der Geistlichen in Rumänien wurde schon an anderer Stelle beschrieben; vor einigen Decennien war dieselbe ganz besonders abscheulich, weil die cylinderartigen Kopfbedeckungen damals oben kolbig und unten viel enger waren, somit Unsicherheit erzeugten. Die Behre der griechischen Kirche besagt, der heilige Geist gehe lediglich von Gott dem Vater aus, es seien sieben Sacramente vorhanden, bei der Taufe sei ein drei- Bergnor, Rumänien, 2 2 maliges Eintauchen in mit Oel besprengtes Wasser zum Abwaschen der Erbsünde nöthig. Anstatt der Firmung oder Confirmation tritt eine Salbung gleich nach der d'aufe ein, sie soll dem Täufling die Graben des heiligen Geistes verleihen. Beim Abendmahl legt man ungesäuertes Brod in den mit Wasser gemischten Wein; auch den Kindern ist ein solcher Genuss unter beiderlei Gestalt erlaubt. Die Lehre vom E'egefeuer und dem Ablass für Bebende wird verworfen, beim (fottesdienst allerlei Ceremonien, das Vorlesen von Schriftstellen, Eleiligenlegenden und Gebeten, sowie das Hersagen von Sprüchen, das Absingen von Psalmen als ELrsatz der Predigt geboten. Die Orgel kennt man nicht, dagegen eine Unzahl 1 ieiligenbilder, denen man eine grenzenlose Verehrung erweist. Unter den Bleiligen sind der Schutzpatron der Walachei: der heilige Demetrius, der der Moldau: der heilige Georg, und der von Jasi: der heilige Paraskeva, die vornehmsten. Als ein untrügliches Mittel zur Gewinnung des Himmels wird das Fasten betrachtet. Während der Fastenperioden dürfen keine Fleischspeisen, niemals Milch und Eier, sondern nur Vegetabilien genossen werden, woran das Volk noch jetzt unentwegt festhält. Die wichtigsten Elasten sind die zu Weihnachten, die zu Ostern, welche sechs Wochen währen, zu Maria Himmelfahrt, zu St. Peter und im September, sie nehmen mit 165 Tagen fast die Hälfte des Jahres ein. Ihnen secundiren die E'esttage, deren man an grossen und kleinen jährlich 180 zählt. Beide verhindern unserer Meinung nach die volle Kraftentwickelung des Volkes und insbesondere auf dem Bande eine volle Ausnützung der Arbeitsfähigkeit; wir werden dies bei der Schilderung der Bevölkerung noch näher erörtern müssen. Die Ansicht, dass durch das E7asten die Gesundheit und EVugalität E'örderung erfahren, ist eine irrige, denn während der E^astenzeit liebäugtdt der Landmann mit der Tiucä, nach derselben überladet er sich den Magen. Linsen und Erbsen werden verkauft, die Bohnen folgen nach, und es bleibt für die Elasten nur Mais und Weizen übrig, die arm an Stickstoff sind und mithin das Fehlen plastischer thierischer Stoffe nicht zu ersetzen vermög-en. Nachstehend die Zahl der Gotteshäuser: Gotteshäuser Personal Orthodoxe .... 6765 . . . 22 178 Römisch-katholische . I2Ö 4O9O Lutherische . . . . 9 . . 15 Calvinische .... '5 . . 8 Armenische .... 12 . . 53 Lipo venische .... 23 . . 70 Israelitische .... 8o5 Mohamedanische . . . 238 . . 610 Die Klosterwirthschaft ist seit der Säcularisirung der Klostergüter in stetiger Abnahme begriffen. Vor ungefähr zwanzig Jahren zählte man allein in Nearfltu 1980 Mönche mit 55 Novizen und 1395 Nonnen mit 593 Novizen. xNoch vor zehn Jahren wurden für die Moldau 60 Klöster ohne die kleinen Privatklöster mit zwei oder drei Mönchen, für die Walachei 202 Klöster, von denen die Hälfte Nonnenklöster, aufgewiesen; gegenwärtig nennt die Statistik für das ganze Land 168 Klöster mit 1429 Mönchen und 2709 Nonnen. Man erkennt daraus, dass das Klosterwesen auf den Aussterbe-Etat gesetzt ist und in zehn Jtihren zu den Sehenswürdigkeiten Rumäniens gehören wird. Und dies ist eigentlich ganz in der Ordnung, denn die wenigsten rumänischen Klöster haben ihre Mission erfüllt. Beinahe ein Drittel aller Bandgüter war ihr Eigen, statt aber dafür landwirthschaftliche Schulen zu gründen, Ackerbau und Viehzucht zu heben, ahmten die Mönche in Aeusserlichkeiten den Bojaren nach. Dagegen umgingen sie die Bestimmungen der testirenden Grossen, und während die Bojaren Spitäler errichteten, alte Beute erhielten, armen Mädchen vielfach Aussteuer gewährten und Schulen gründeten, sandten sie anstatt des vorgeschriebenen Rauchwerkes eine Menge Geld an den Konstantinopler Patriarchen. Das Dasein der unwissenden Nichtsthuer ist freilich ein recht dürftiges, sie hängen jetzt gänzlich vom Betteln und vom Cultusministerium ab. Das Resultat des Ersteren kann kein besonderes sein, das Letztere gewährt ihnen 37 Bani pro Tag für Nahrung, 5o Lei pro Jahr für Kleidung. Als landschaftlich bemerkenswerth gilt das gegenwärtig- verfallene und verlassene Kloster Täsmana in der Kleinen Walachei, das Ilöhlenkloster Pescerea oder Jalomitaquelle. Das letztere wurde 12 15 in einer tiefen Grotte erbaut und besitzt eine derartige Kälte, dass selbst im Juli g-eheizt werden muss. Im Winter ist das Kloster völlig- von der Welt abgeschlossen. Sinaia wurde 1675 von Michael Cantacuzino erbaut, damit den Reisenden nach und von Kronstadt ein Hospiz erstehe; ebenso verdienen Bistrita und die jetzige Unterofficiersschule Orezo erwähnt zu werden. Bistrita liegt äusserst romantisch, Orezo stammt aus dem 17. Jahrhundert, wurde von Constantin Brancoveanü gegründet und bietet mit seinen Schiessscharten, ddioren und Fallgittern einen kriegerischen Auldick. Durch culturelle Thätigkeit ragen Putna, Neamtu und Govora hervor, doch unterhielten ausser ihnen noch viele andere Klöster Schulen, alle laut Bedingungen von Fürsten und anderen Testirenden. V. A. Urechia wird demnächst eine Serie von 5oo hochwichtigen Documenten über das rumänische Klosterleben publiciren. Einen ganz seltsamen Ruf haben sich seit altersher die rumänischen Nonnenklöster erworben. Noch 1840 lagen die socialen Verhältnisse derart, dass der Vater vornehmer Kinder ihnen nur als streng-es Oberhaupt des Hauses bekannt war. Die heranwachsende Jugend blieb der Obhut der Zigeunersclaven überlassen und erblickte den stolzen Erzeuger blos während der Mahlzeiten, an denen sie in stummem Schweigen theilnahm. Um sie kümmerten sich die Idtern nur, wenn es galt, sich über die Erbfolge zu entscheiden. Waren mehrere Kinder da, so bestimmte man alle Güter den Söhnen und machte mit den Töchtern sehr oft kurzen Process. Eines Tages hüllte sich die schöne Bojarin in ihren kostbaren Pelz, fuhr mit den Mädchen davon und lieferte die Weinenden und sich Sträubenden an der Pforte eines Nonnenklosters ab, um ihre Kinder in Justizpflege. 341 vielen Fällen nie mehr wieder zu sehen. Die also Ver-stossenen und zu einer verhassten Lebensweise Verurtheilten wussten sich natürlich zu entschädigen. Sie veranstalteten Festlichkeiten und lebten dem Tanze, der Musik und dem Luxus, soweit sich dies nur thun liess. Häufig sah man im Besitz einer solchen maica die prächtigste Equipage, während seidene Kleider allgemein waren. Zum dulce jubilo gehörten natürlich die Liebhaber, und deren fanden sich g-enug, dies beweist schon der Umstand, dass man einmal beim Ablassen des Klosterteiches von Varaticü eine entsetzlich grosse Zahl von Säuglingsskeletten fand. Der Teich wurde seitdem auf Befehl des Jasier Metropoliten nicht wdeder zugefüdlt. Ebenso zahlreich wie die Bojarentöchter waren Frauen und Mädchen aus den untersten Schichten des Volkes vertreten. Ihnen erschien das Beben zu Hause zu hart und zu mühselig, sie zogen es daher vor, in den Klosterverband einzutreten, sich Kukuruz und Brennholz liefern zu lassen und die Früchte ihrer am Webstuhl verbrachten Stunden zu veräussern. Weit geringer an Zahl erschien das 1 lauf lein derjenigen, denen da.s Klosterleben Herzensbedürfniss dünkte; allein ihrer findet man in allen Klöstern der Erde nicht allzuviel. 3. Justizpflege. Für die Justiz bestehen ein Cassationshof, geleitet von anerkannt gediegenen Männern, 4 Appellhöfe und 30 Tribunale, das sind Gerichtshöfe erster Instanz, die gleichfalls wissenschaftlich gebildete Männer besitzen und wie die Dorobanzenregimenter den 30 Districten entsprechen. Ausserdem kennt man noch die zwei Specialtribunale in Tulcea und Constanta und die 163 Friedensjustizien der Unterprä-fecturen, endlich sind am 13. September 1886 in der Dobrogea zwei mohamedanische Tribunale ins Beben getreten, berufen, nach echt mohamedanischem Brauch die in Bezug auf E'amilienorganisation, elterliche Macht, Ehe und Scheidungen .schwebenden Streitfragen zu lösen. Für Criminal- und Presssachen ist die Jury eingeführt, das Verfahren in edlen Instanzen wird mündlich und öffentlich betrieben. Als Sitz der Appellhöfe fungiren Bucuresci, Jasi, Focsani, Craiova. Die d^odesstrafe wurde endgiltig abgeschafft, ein Factum, welches vielleicht hie und da Kopfschütteln erregen mag, dem aber die statistischen Verbrecherlisten kein ungünstiges Zeugniss ausstellen. Auch das sonstige Straf-ausmass ist sehr milde. Beider scheint es, als ob selbst die mit der Aufsicht der Sträflinge Betrauten mit den Pflichten der Humanität bekannt wären, erzählen doch rumänische Zeitungen nur allzu häufig, dass in diesem oder jenem Cfefängniss neuerdings wieder Häftlinge entronnen. Seit Ende Juni 1886 publicirt man in Bucuresci unter der Leitung des verdienstvollen Sectionschefs im Ministerium des Innern, Dr. Basilesco, eine allgemeine Revue für Jurisprudenz und Staatswissenschaften. Um einen Einblick in die Verbrecherwelt des Bandes zu gestatten, seien hier einige Zahlen vorgeführt. Im Jahre 1878 belief sich die Höhe der zu erledigenden Angelegenheiten beim Cassationshof auf 4000, bei den Appellhöfen auf 65q5, bei den Tribunalgerichten auf 20163. Die Zahl der gerichtlich Angeklagten betrug 22 5oo Männer und 2100 Frauen. 115 waren unter 16, 926 unter 21 Jahren, 16035 waren verheirathet. Hinsichtlich der Religion zerfielen sie in 21 291 Orthodoxe, 13 Protestanten, 235 Katholiken, 18 Armenier, 835 Israeliten, 10 Mohamedaner, 207 Verschiedene; hinsichtlich der Nationalität in 21820 Rumänen, 9 Franzosen, 10 Italiener, 74 Deutsche, 170 Oesterreicher, 60 Türken, 54 Russen, 5z Serben, 234 Verschiedene; der Beschäftigung nach in 16689 Ackerbauer, 1641 Handwerker, 1711 Handeltreibende, 172g von freien Professionen, 34 Rentiers, 97 Vagabunden etc. In Bucuresci allein ereigneten sich dem offieiösen Mo-nitorü zufolge 1885 1247 Verbrechen. Sie vertheilten sich also: Morde 3, Kindesmorde 1, Mordversuche 1, fahrlässige Tödtungen6, Vergiftungsversuche 1, Falschmünzer 3, Acten-fälschungen 4, Sittlichkeitsattentate 41, Kindesweglegungen 13, Entführungen 2, Einbruchsdiebstähle 166, einfache Diebstähle 79g, schwere Arerwundungen 29 etc. etc. 768 waren Rumänen, 89 Juden, 146 Oesterreich-Ungarn, 16 Griechen, 2 Deutsche, 4 Italiener, 5 Serben, 12 Bulgaren, 1 Türke, 2 Russen, 66 Zigeuner etc. 4. Sanitäres. Gleichwie an der Spitze des Departements für Unter-richt und Kirchenwesen in der Person Demeter Stourdzas ein hochbedeutender Mann steht, ebenso ruht die Beitung des öffentlichen Gesundheitsamtes durch Dr. Felix in den tüchtigsten, erprobtesten Händen. Dank der unermüdlichen Thätigkeit des Tag und Nacht beschäftigten und dabei äusserst humanen Arztes ist man in Rumänien über die sanitären Zustände des Landes weit besser als über manches Andere unterrichtet, besonders sind in dieser Eiinsicht die jährlichen Berichte des Dr. Felix und ein im Jahre 1883 von ihm gehaltener Vortrag von hohem Werthe. Die Organisation des Gesundheitswesens wurde durch das Gesetz von 1874 festgestellt, welches 188 t einige Aen-derungen erlitt. Dem Minister des Innern liegt die oberste Leitung ob, ihm secundirt ein Obermedicinalrath mit sieben Mitgliedern. Ausserdem fungiren noch eine chemisch-pharmaceutische Commission von drei Mitgliedern, eine Veterinär-Commission von fünf Mitgliedern und ein Veterinärrath von zwölf Aerzten. Den Präfecten, Bürgermeistern und localen (fesundheitsräthen kommt die Einzelverwaltung zu, für die Dorfbewohner existirt in jedem Bezirk oder in je zwei Bezirken ein Bezirksarzt, für jede Stadt ein Stadtarzt. Ueber die Gesundheitszustände Rumäniens sind oft dunkle, höchst abenteuerliche Gerüchte nach Deutschland gedrungen, in denen besonders die geheimen Krankheiten eine grosse Rolle spielten. Ganze Dörfer sollten syphilitisch sein, die höhere Gesellschaft ihnen darin ähneln, die Geschlechtsärzte gesuchte Personen sein. Es ist wahr, 1840 hatte die syphilitische Ansteckung einen bedenklichen 1 löhepunkt erreicht, so dass Eäirst Cuza deshalb viele Aerzte zur Conferenz nach Bucuresci entbot, allein heutigentags gehören jene Beschuldigungen ins Reich der Fabel und der* Verleumdung-. Die grösste entdeckte Zahl .Syphilitischer in einer einzigen Gemeinde belief sich auf 17, im Durchschnitt findet man nur einige Köpfe per Dorf, also nicht mehr wie in Deutschland oder Oesterreich, und unter den 12 6 Aerzten Bucurescis paradiren wohl 12 °/0 mit echt jüdischen Namen, aber keineswegs ebenso viele Geschlechtsärzte. Die vorhandenen erfreuen sich keines allzu grossen Zuspruchs. Viel hat zu einem derartigen günstig-en Umschwung die Einführung der Bordells beigetragen, denn dadurch wurde eine genaue Controle der öffentlichen Dirnen selbstverständlich ermöglicht, ganz abgesehen davon, dass durch genaue Abgrenzung der Prostitution das moralische Vergiften von Handwerkerfamilien unterbleibt, welches die Wiener lockeren Sittenverhältnisse beispielsweise herbeiführen. Die frühere Infection der E'ürstenthümer aber ist nachweislich den unseligen Occu-pationen zu danken; stets, so auch nachdem letzten russischtürkischen Kriege, ist nach solchen Epochen eine Zunahme der Syphilis constatirt worden. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass die Zahl der Prostituirten in Bucuresci 33g ausmacht; die geheime Prostitution, welche sich freilich der Controle entzieht, erfreut sich der gleichen Blüthe wie in Paris, sie übersteigt sicherlich die Zahl 1000, Die Pest herrschte zuletzt 1828 und 1829 in grauenerregender Weise, gleichfalls eine Folge des Russenkrieges. Man errichtete die aufgelösten Quarantäneanstalten von Neuem, und seitdem blieb Rumänien von der hässlichen Seuche verschont, obgleich sich dieselbe 1834 in Bulgarien, 1837 m Pessarabien, 1841 in Constantinopel zeigte. 1860 schritt man zur endgültigen Auflösung der Quarantäneinstitute und verwendete das Personal anderweitig. Ueber sonstige Einrichtungen führen wir Folgendes an. Die Kuhpockenimpfung ist obligatorisch und unentgeltlich, ihre Gegner im Lande sind keine Gelehrten, sondern nur Türken, Tartaren und Lipovener. Die Impfung geschieht mittelst humanisirter Lymphe. In Bucuresci übersteigt die Zahl der jährlich Geimpften ohne Revaccinationen (7000 Vaccinationen und 1200—3000 Revaccinationen) jene der Geburten. Der Gifthandel ist ein sehr beschränkter, Cur-pfuscherei und Quacksalberei gesetzlich verboten. Dagegen kennt man eine ärztliche Todtenschau nur in den Städten, in den Dorfgemeinden genügt die Prüfung des Ortsvorstandes. Die Beerdigung geschieht jetzt nach 36 Stunden; das Begräbnisswesen selbst gilt durch das 1864er Gesetz als geregelt, es gebietet die Schliessung der innerhalb der Ortschaften gelegenen Friedhöfe. Früher verfuhr man mit den Todten des Bandes oft gar seltsam. Nach sieben Jahren, also wollte es die Religion, wurde nämlich der Verblichene wieder ausgegraben. War er völlig verwest, dann gab man sich zufrieden und überantwortete ihn für immer der Erde; zeigte sich der Verfall als noch nicht vollendet, so stellte man das Skelett vor der Kirche aus, bis Wind und Wetter ihre Arbeit gethan. Erst hierauf nahm man an, dass dem Todten alle .Sünden vergeben seien. Ein abscheulicher Brauch, dessen Schwinden deutlich beweist, welchen Fortschritt das Band gemacht! Die Gesundheitspflege des einzelnen Individuums lässt noch Manches zu wünschen übrig. Der Bauer bewohnt nach wie vor häufig enge, feuchte Hütten aus Ruthenwerk und Lehm, mit Schilfdach und dem nackten Erdboden als Untergrund. Das Abfuhrsystem ist noch mangelhaft, wenn auch nicht mehr wie sonst das Aas auf den Strassen liegt; der Wassermangel bringt manchen Nachtheil mit sich. Beispielsweise wird sich der Fremde vielleicht jetzt in Bucuresci entsetzen, wenn er das fast gänzliche Fehlen der Pissoirs wahrnimmt und sieht, wie ungenirt sich selbst die feinsten Elerren über diesen Mangel hinwegsetzen. Nun, die seit 1882 von 7 Kilometer auf 41 Kilometer durchgeführte Canalisirung der Stadt wird hoffentlich in der Wasserleitung bald einen segensreichen Genossen erhalten, der zugleich obigen Uebelstand beseitigt. Die Wasserleitung soll täglich ein' Quantum von 46 000 Kubikmeter reinem Trinkwasser herbeiführen, es entfallen mithin auf jeden Einwohner täglich 100 Liter Wasser. Verfälschung der Lebensmittel ist selten, viel verderblicher die Massen des genossenen unreifen Obstes, weshalb tlenn auch der oberste Gesundheitsrath unter seinem Vicepräsidenten Dr. Felix kürzlich verschärfte Marktüberwachung angeordnet. Auch für die Schulen sorgt man neuerdings sehr energisch. Kurzsichtigkeit ist hier bei den Nichtrumäncn häufiger als bei den Rumänen; in den Knabenvolksschulen constatirte Dr. Manolescu von je 100 Rumänen 2,2, von 100 Nichtrumänen 14,8 als kurzsichtig, von den Mädchen o,5i und 6,52. In den höheren Anstalten betrugen die betreffenden Ziffern 3,5, 10,6; 11,29, 22,22; die kurzsichtigen Nichtrumänen waren meistens israelitischer Herkunft. Die Gesammtzahl der Doctoren der Medicin betrug 070, die der Licenziaten 82, Thierärzte gab es 80, geprüfte Hebammen 5o6. Es entfiel mithin 1 Arzt auf 7888, eine Hebamme auf 10632 Seelen. Um die Ausbildung der Krankenpflegerinnen hat sich besonders Ihre Majestät die Königin sehr verdient gemacht. Medicinische Gesellschaften blühen in Bucuresci, Jasi, Galafi; medicinische Zeitschriften findet man in Bucuresci drei. Wie schon erwähnt, dünkt uns das Thema der Heilanstalten Rumäniens eines der herzerquickendsten. Dank den zahlreichen und bedeutenden Stiftungen ist es möglich, arme Kranke, gleichviel welcher Nation und Religion, unentgeltlich zu behandeln. An Heilanstalten unterhält der Staat fünf Ruralspitäler mit 220 Betten; in Bucuresci und Jasi hat je eine Central Verwaltung von Krankenhäusern ihren Sitz, die aus eigenen Fonds erhalten werden. Die Bucurescier Verwaltung verfügt über 21/« Millionen Lei jährlich und über 9 Krankenhäuser mit 1120 Betten. Idiezu kommt in Bucuresci unter Oberaufsicht des Metropoliten das Brancoveanü-Spital mit 280000 Bei und 200 Betten, ferner existiren Kinderspitäler in Bucuresci und Jasi, Irrenanstalten in Craiova, Bucuresci, Jasi, Neamtu. Die israelitischen Kranken haben einige vSpitäler, in denen sie koschere Speisen erhalten. Alles in Allem waren 1883: 87 Anstalten und 4020 Betten vorhanden. An Tüchtigkeit übertreffen zunächst wohl noch immer die deutschen Spitalärzte ihre rumänischen Collegen, doch ist dies durchaus nicht durch eine Differenz an Intelligenz oder Kenntnissen hervorgerufen, sondern lediglich durch den romanischen resp. germanischen Charakter und durch die Erziehung bedingt. Dass die deutschen Apotheker im Bande verfolgt und verdrängt werden, gehört ins Reich der Fabel, Wer seine Pflicht thut, ist gern gesehen; die Abnahme der deutschen Apotheker aber erklärt sich daraus, dass jetzt gebildete Rumänen ihnen als ebenbürtige Rivalen entstehen. Unter den landesüblichen Krankheiten nehmen Malaria und Pellagra die ersten Stellen ein. Die erstere hat sich allerdings in den bebauten Flächen des Bandesinnern vermindert, beherrscht aber von den 1878 erworbenen 2812 [^Kilometern des Donaudeltas und den 12 180 [^Kilometern der Dobrogea das nicht weniger als 4000 [ | Kilometer betragende Sumpfland. Diese Krankheit war schon den Alten als dacisches Fieber bekannt. Die Diphtheritis tritt in Bucuresci viel milder auf als in anderen (frossstädten; die Blattern sind fast ganz verschwunden. An ihnen starben 1879 294 Personen, 1880 640, 1881 22, 1882 5, 1883 1, 1884 3, 1885 7. An exanthematischem Typhus verschieden 1877 64, 1878 25o, 1879 27, 1880 23, 1881 8, 1882 4, ebenso erscheint der .Scharlach milder als anderswo. Um nun zu beweisen, dass war keineswegs ein Loblied auf die Dämbovitastadt singen wollen, sei gesagt, dass 1885 auf 1000 Bucurescier 26,70 d^odesfälle kamen, während Bern mit 27,3, Wien mit 27,9, Petersburg mit 29, Budapest mit 29,4, Breslau mit 30, München mit 30,7, Prag mit 32, Krakau mit 37 paradirt. Auch die Zahl der unehelichen Kinder ist gering. Sie machte 21,8% der Gesammtgeburten aus, während sie in anderen Grossstädten 20—3Q°/o beansprucht. Von den 6014 Todesfällen des Jahres 1883 kamen auf Rückenmarkkrankheiten 83, Schlagfluss 66, Epilepsie 23, Herzkrankheiten 113, Diphteritis iy'5, Croup 68, Krampfhusten 36, Diarrhöe 56o, Scropheln 5y, Geschlechtskrankheiten 155, Altersschwäche 154. Auf die Krankheiten der Athmungsorgane entfielen 1885 1904, das war 35,6°/0 der Gesammttodesfälle. Die Pellagra gehört zweifelsohne zu den seltsamsten menschlichen Leiden. Lange war man sich über ihre Ursache nicht klar, gegenwärtig nimmt man an, sie entstehe aus dem Genuss von infolge feuchter Witterung verdorbenem Kukuruz. Die schlechte Nahrung der Landleute leistet der Krankheit Vorschub. Sie äussert sich in Jucken der Haut, in Rothwerden derselben, ergreift den Darm-canal, das Nervensystem, verhindert jede Thätigkeit und führt in vielen Italien zur Tobsucht und zum Irrsinn. Schlechte Maisernten haben stets eine Zunahme der Pellagra zur Eolge; so hat man gegenwärtig mit dem ungünstigen Ausfall der 1884er Kukuruzernte zu kämpfen, er führte 1886 allein im Botosanier und Dorohoiüer District über 1000 Bauern den .Spitälern zu. Nur verbesserte Nahrung vermag hier zu helfen, und darum nochmals: Yort mit dem Basten. 5. Die Bevölkerung. Seit Jahren sind die rumänischen Zeitungen unablässig bemüht, ein Schreckgespenst an die Wand zu malen. Die bisher vielfach mangelhafte Statistik des Bandes hat ihnen verkündet, das rumänische Volk degenerire, sowohl die städtische, als die ländliche Bevölkerung sei in erschreckender Abnahme begriffen. Die Gelehrten des Bandes zerbrechen sich die Köpfe, wodurch man dem abhelfen könne, und die Behörden äussern ihre Besorgnisse über die nicht verminderte, sondern stark zunehmende Zahl der Fremden. Die Bevölkerung. 349 Man citirt den berühmten Nationalökonomen Eeroy-Beaulieu, der da nachgewiesen, dass Frankreich das einzige europäische Band mit stationärer Bevölkerung sei, also Gefahr laufe, von Deutschland überflügelt zu werden, und der da meint, man müsse die Fremden hob reu, um die Bebensfähigkeit des französischen Blutes durch Assimilirung zu erreichen. Herzlich gern würden die rumänischen (feiehrten diesen Wink in ihrem Interesse beachten, allein sie fürchten, wenn sie beispielsweise 20000 für Amerika bestimmte Deutsche ins Band riefen, dass diese Zahl genügen wird, das rumänische Volksthum zu schädigen. Wir sind anderer Meinung; dem deutschen Volke kann es zum mindesten gleichgiltig sein, ob sich seine Angehörigen für ewig- den amerikanischen Sümpfen und Klapperschlangen oder dem fruchtbaren rumänischen Tief lande zu Biebe losreissen; die Rumänen aber dürften sich glücklich schätzen, gute Colonisten und frisches Blut zu erwerben. Dass ein Häuflein von 20000 Colonisten übers ganze Land vertheilt die fünf Millionen Rumänen entnationalisirt, ist nicht zu erwarten, derjenige Rumäne aber, der das ernstlich betürchtet, muss eine beschämend niedrige Meinung von seinem Volke besitzen. Wir möchten ihn daran erinnern, dass die Rumänen Siebenbürgens mit grösstem Erfolg den Entnationalisirungs-versuchen des magyarischen Chauvinismus widerstehen. Die Frage, ob man Colonisten einführen soll, ist Sache der rumänischen Regierung, uns kommt es hier nur zu, zu constatiren, dass man sich in Rumänien vor einem wirklichen Schattenbild ängstigt. Die rumänische Race nimmt nicht ab, sondern zu; dagegen lehrt eine bisher in Deutschland völlig unbekannt gebliebene Thatsache, dass die Bevölkerung solcher Städte, wo die Zahl, der Israeliten die der Christen übertrifft, in demselben Masse abnimmt, als die der Juden wächst; die städtische Bevölkerung der Walachei und die der Dorfgemeinden des ganzen Reiches vermehrt sich beständig. Als Gründe der jüdischen statistischen Erfolge kann man die Ueberlegenheit des jüdischen Elementes im Kampfe ums Dasein anführen, die ausserordentliche Vermehrungsfähigkeit desselben, sowie die Kinderarmuth der rumänischen Intelligenz. Das E*actum der Zunahme der ländlichen Bevölkerung beweist uns der amtliche Bericht über die Sanitäts-Inspection vom Jahre 1886 des Dr. Felix. Laut ihm wurden in den Dorfgemeinden des Districtes Suceava 1885 4143 Kinder geboren (3908 Christen und 235 Juden), es starben 2240 Personen (2149 Christen und 91 Israeliten), die christliche Bevölkerung wuchs somit um 1709, die israelitische um 144 Seelen. Im ersten Halbjahre 1886 wurden 2277 Kinder geboren (2136 Christen und 14t Israeliten), es starben 1256 Christen und 63 Juden, die christliche Bevölkerungstieg somit um 880, die israelitische um 78 Seelen. Im District Dorohoiü stieg 1885 die gesammte Bevölkerung durch (feburten, nach Abzug der T"odesfalle, um 2164 Seelen, davon entfielen auf die Dorfgemeinden 2o52 Seelen (1856 Christen und 196 Juden). Im ersten Semester 1886 wuchs die gesammte Bevölkerung um 1200 Köpfe, davon 1094 in den Dorfgemeinden (997 Christen, 97 Juden). Im District Botosani vermehrten sich x885 die christlichen Dorfbewohner um 2160, die jüdischen um 194 Seelen, im Districte Jasi die ersteren um 1335, die letzteren um 111 Seelen. Um die Bevölkerungsfrage im Sinne der rumänischen Race zu lösen, wäre es unserer Ansicht nach nöthig, dass der bäuerlichen Bevölkerung aufgeholfen würde, einestheils durch verbesserte materielle Bage seitens der Bojaren, anderntheils durch Verdrängung der bisherigen schlechten Ernährung. Die städtische Bevölkerung würde sich durch veränderte Lebensweise und Sitten am besten dem jüdischen Element coneurrenzfähig umgestalten. Der unbedingten Abnahme der rumänischen Bevölkerung widerspricht endlich noch manches Andere. Wäre es möglich gewesen, an ein untergehendes Bauernvolk so immense Staatsgüter zu verkaufen, wie dies wirklich geschehen? Von 19 Millionen Bei Einnahmen für Staatsdomänen der letzten Jahre erhielt die Regierung über 71/- Millionen von Bauern; im Ganzen bezog- die Regierung-von 1868 —1876 5i Millionen Bei, von denen ein Viertel von Bauern bezahlt wurde. Die Städte der Walachei sind ebenso wie die Judenstädte der oberen Moldau im Ausdehnen begriffen, der rumänische Mittelstand daselbst, vor zwanzig Jahren kaum geboren, ist endlich erstanden, der Grund und Boden ist theurer geworden. Während beispielsweise vor zwanzig Jahren der Hektar bei Romanü mit 340 Bei erstanden wurde, zahlt man jetzt datür 800 Lei. Deutet das Alles gleichfalls auf eine Abnahme? Eine wirklich unangreifbare Ziffer für die Bevölkerung Rumäniens lässt sich schwer erbringen, indessen kann man, ohne viel zu irren, die Gesammtzahl aller Bewohner auf über 51/., Millionen angeben. Wenn die Zählung von i85q cils ihr Resultat 4424961, die von 1885 4650123 bezeichnet, so ist es augenscheinlich, dass die letztere Ziffer zu tief gegriffen. Der Nationalität nach möchten wir obige Zahl wie folgt vertheilen: Rumänen 41/3 Millionen, Juden 300000, Zigeuner 200000, Bulgaren 100000, Magyaren 5o 000, Deutsche 5oooo, Griechen und Armenier je i5ooo, Russen, Bipo vener, Türken, Tartaren, Italiener, Franzosen (die letzteren drei besonders in den Hafenstädten), bilden den Rest. Im moldauischen Oberland wohnt auch eine kleine Zahl russischer Starowinzen und Bukowinaer Ruthenen. Die Zahl der Juden gibt M. J. Ghika mit 134 168 viel zu niedrig, M. Frunzecu mit 400000 viel zu hoch an. Im Ganzen dürften über 9 Millionen Rumänen vorhanden sein, von denen wir glauben, dem Königreich 4*/» Millionen, Bessarabien 1ji Million, Siebenbürgen i!i4 Millionen, Bukowina l/5 Million, Ungarn i-5 Millionen, Bulgarien und Serbien ]/4 Million, Macedonien und Thessalien 1/2 Million, Oesterreich */4 Million zuweisen zu müssen. Zigeuner sollen schon 1340 in der Walachei vorhanden gewesen sein; 1369 schenkte der Wojwode Wladislaw dem Kloster des heiligen Antonius 40 Zigeunerfamilien. Die nomaclisirenden Zigeuner nennt man netoci (Sclaven), die sesshaften ursari (Bärenführer), lingurari (Eöffelmacher), rudari oder run.iri (Goldwäscher) und läutari (Spielleute). Deutsche Colonien gibt es fast in jeder vStadt Rumäniens. Speciell deutsch-evangelische Gemeinden existiren in Turnu-Severinü, Craiova, Pitescl, Bucuresci, Bräila, Galati und Jasi. Die Colonie von Turnu-Severinü besitzt circa 300 Seelen und eine Schule mit zwei Classen, ihr Beiter ist Pfarrer Plathner; die Craiovaer hat etwa 600 Seelen, eine Schule mit drei Classen, Beiter Pfarrer Nesselmann; die von Pitesci zählt 2,5o Seelen, ihr Pfarrer Vorhauer ist zugleich Lehrer der einclassigen Schule. Gahna besitzt 600 Seelen und eine dreiclassige Anstalt, ihr Pfarrer Matzke bereist die Dobrogea. Bräila verfügt über 600 Deutsche und eine einclassige Schule, der Pfarrer heisst hier Müller, der in Jasi Hartmann. Für die deutschen Dörfer der Dobrogea stellen wir folgende Liste auf: Name des Ortes Religion Besteht seit ungefähr Jahren Ungefähre Anzahl der Familien Malkotsch..... römisch-katholisch 26 40 Kulului...... dto. 6 20 protestantisch 26 50 dto. 34 70 Tschukurowa .... dto. 34 70 dto. 10 110 dto. 10 90 ' dto. 6 3° 4 30 In nachstehenden Ortschaften wohnen Deutsche mit Türken, Tartaren, Rumänen oder Bulgaren gemischt: Name des Ortes Religion Besteht seit ungefähr Jahren Ungefähre Anzahl der Familien Babadagh . . protestantisch 2 5 10 Tulcea....... Protest, u. katholisch 25 40 Karamurat..... römisch-katholisch lO 5° Anatolkiöj..... profest. u. katholisch 6 *5 Köstendje ..... protest. u. katholisch 6 Diese Daten beziehen sich auf die Gemeinden als Ackerbaucolonien; deutsche Handwerker sitzen seit Menschengedenken wie überall so auch in der Dobrogea. Der Rumäne (romäni) ist im Allgemeinen leicht beweglich, freundlich, wohlthätig, massig und fromm, obgleich er den Namen des Teufels fleissig im Munde führt und ebenso oft flucht wie der benachbarte Magyar. Die Männer der niederen Stände - und es kann hier nur noch von diesen die Rede sein — sind ziemlich träge, ihre Frauen dagegen äusserst fleissig und nie ohne Beschäftigung. Die Ansicht von Franzos und Diefenbach, derzufolge die rumänischen Bäuerinnen als Sclavinnen behandelt würden und die Trunksucht der Männer theilten, ist entschieden unrichtig; die rumänische Frau trägt oft die werthvollsten Münzen als Halsschmuck mit sich herum, man sieht sie reiten, während der Mann nebenhergeht, und die Anlage zur Pantoffelregentin und Herrscherin ist oft genug wahrnehmbar. Der Rumäne aber besitzt Sinn für Ordnung und Disciplin, und gibt daher einen guten Soldaten und auch oft einen guten Ehemann ab. Hinsichtlich der socialen Stellung zerfällt die Bevölkerung nach wie vor in drei Hauptclassen. Die erste wird von den Grossbojaren gebildet, den Beherrschern des Grossgrundbesitzes und den Inhabern der höchsten Staatsämter; die zweite umfasst die Kleinbojaren, also gewissermassen den niederen Adel. Mit ihnen, den sogenannten Niames und Postelnicl, war früher die Zahl der Adeligen derart bedeutend, dass in der Walachei jeder 28. Mensch ein Adeliger gewesen. Ferner gehören hierher die Geistlichen und die Bürger. Der dritte Stand begreift die Bauern und die Zigeuner. Eine eigentliche Nationaltracht trifft man nur noch bei den Bauern; die Handwerker der Städte haben sie bereits abgelegt, die Bojaren aber suchten den Phanarioten dadurch zu gefallen, dass sie türkische und griechische Tracht, gelbe Stiefel, rothweisse Beinkleider, weite Gewänder und Bergner, Rumänien. 23 Shawls anlegten. Dies ist um so bedauerlicher, als die 1 lirtentracht an die Kleidung der alten Dacier und Römer gemahnt, und die der Bäuerinnen • denen der Romagna ähnelt. Die Männer tragen hier und da Stiefel (cismä), am häufigsten aber die originellen Bundschuhe oder Opincen, aus ungegerbtem Sohlenleder bestehend und mittelst einer Bandage den Fuss umfangend. Daran schliessen sich weite Bmterbeinkleider, gehalten durch einen einfachen Bund, einen rothwollenen Shawl (brau) oder auch einen Beder-gurt. Das Hemd (cämasä) hängt kittelartig über die Beinkleider herab, ist in der Regel schön schwarz oder roth gestickt und bildet den Stolz des Mannes; eine kurze, ärmellose Jacke mit bunten Tuchstreifen (ilicü), ein langer Rock (hainä oder subä) und im Winter ein kurzer Bammpelz (cojocü), dessen Wolle bei Regen nach Aussen gekehrt wird, vollenden den Kleiderreichthum. Bei den krauen sind gleichfalls die Opincen gebräuchlich, die Stickereien des Blemdes dürfen von der ärmellosen Sommerjacke nicht verdeckt werden, um die Hüften liegt die zevelcä, darunter die Schürze, cätrintä oder pestelcä; bei den Mädchen umschliesst wohl auch ein zehn Ellen langes Band die Hüften. Die wahre nationale Kopfbedeckung der Bäuerin besteht aus einem weissen baumwollenen, drei Ellen langen und beiläufig eine Elle breiten Tuche, welches sie an den Werktagen trägt, und aus einem für die Festtage bestimmten, etwas grösseren Schleier aus roher, gelber oder weisser Seide, die sie aus den Cocons der Seidenwürmer erhält, selbst spinnt und selbst webt. Dieser Schleier (cärpä, marama oder propodä genitnnt) ist oft so fein, so prachtvoll mit Blumen und Verzierungen von weisser, etwas gröberer Baumwolle durch webt, dass er •allgemein und in allen Ausstellungen bewundert wird. Die Bäuerin wickelt diesen Schleier leicht um den Kopf und um das Kinn und schlägt die beiden Emden über die Schulter. Bei Städterinnen in Nationaltracht wallt der Schleier theatralisch den Rücken herab. Die Ausstattung der fast immer aus Stein oder Holz errichteten Häuser ist eine sehr einfache. Betten kennt man nicht; der unbemittelte Rumäne legt sich gleich dem Ruthenen oder Slovaken auf die Ofenbank, der reichere hat Kissen, die ihm am Tag als Sopha, in der Nacht in Weibliche Trachten aus dem District Muscelu. Frattenbild: ('regend von (iolesct. Mädchenbilder: Gegend von Cämpulungti- herumgeklappter Lage als Bett dienen. Kleine Schemel, Kochgeräthschaften, hie und da eine einfache Kleidertruhe, an den Wänden Hausindustrieerzeugnisse, im Winkel Schafwolle und ein Webstuhl, das bildet so ziemlich das Mobiliar, dessen echt orientalischer Bestandtheil ein kleiner Tisch ist, so niedrig, dass mein nur liegend an ihm essen kann. 23 * Unter den Nahrungsmitteln steht die Mämäligä obenan. Man gibt Wasser in einen Topf, salzt es und lässt es sieden. Sodann setzt man Maismehl zu, lässt es etwa eine halbe Stunde kochen, nimmt den Kessel herab, rührt den Inhalt mit einem hölzernen Stock (päcalifü) um und stellt den Kessel noch einmal auf das Feuer, damit sich die Mämäligä von ihm loslöst. Nach zwei Minuten stürzt man sie auf ein Brett oder eine Schüssel und kann sie warm oder kalt gemessen. Ihrer Festigkeit nach ist sie kein Brei, sondern ein Kuchen. Als Beigabe dient Sauerkraut, Speck, Gurken, Tomaten, Zwiebeln oder gebratener Paprika; weitere Beckereien des Rumänen sind der Donauhering (scumbrie), ein ziemlich grosser, mit Oel oder Zwiebel genossener Fisch, der gewöhnliche Bandwein, der Pelinü, das ist ein mit Wermuth gemischter Wein, und der türkische Kaffee. Die Heiterkeit bildet eine der vielen von Blenke dem Rumänen irrthümlich verliehenen Eigenschaften. Man ver-misst sie, dank den unseligen Kriegsgefahren vergangener Jahrhunderte, nicht nur im täglichen Beben, sondern auch bei den rumänischen Nationaltänzen. Diese athmen meist einen bezwingenden Ernst. Da ist die „Hora", der Chorus der Alten. Männer und Frauen schliessen einen Kreis, gehen langsam vor, zurück und seitwärts, neigen den Kopf und wiegen würdevoll den Körper hin und her. Sanfte Klagelieder begleiten häufig die Bewegungen, welche den Tanz eines unterdrückten Volkes darstellen. Noch symbolischer ist der biru greu (schwere Steuer), während der brau (Gürteltanz) einen kriegerischen Anblick gewährt. Zu ihm singt man Verse, laut denen man das Joch abschütteln will, zum Schluss bilden die Tänzer eine offene Kette, gewissermassen den E'eind herausfordernd. Ra^atanz (Ententanz) heisst ein fröhlicher Reigen, bei dem man die Bewegungen des genannten Thieres verhöhnt, der Chindia (Abendröthe) wird an erquickenden Sommerabenden von den heimkehrenden Schnittern getanzt und ist gleich der Zoralia ein schneller d?anz. Ihnen gibt der Mocanconfü, der von Mann und Frau aufgeführte Elirtenreigen, nichts nach. Am unvergesslichsten bleibt dem Fremden der Cabaseril, ein von zwölf eigens dafür vorbereiteten Männern producirter Tanz. Alle führen schwere Stöcke, haben sich jahrelang durch Fasten auf ihren Beruf vorbereitet und sollen dem Volksglauben nach dem Teufel verfallen sein. Beim Tanz legt sich einer von ihnen auf die Erde, um die übrigen über sich wegsetzen zu lassen, in den Dorfgemeinden rauben sie ausserdem eine Jungfrau, um sich mit ihr zu drehen. Sie sind alsdann gehalten, neun Jahre hintereinander wieder zu kommen und mit der nämlichen Person zu tanzen; erscheinen sie nicht, so hält man sie der Bestrafung durch die Flexen verfallen. Möglicherweise hat dieser Brauch zu der Annahme geführt, die Cäluserl stellten den Raub der Sabinerinnen vor, ihr Tanz sei historischen Ursprungs. Unleugbar ist, dass sich römische Traditionen im Volke erhalten haben und dass der rumänische Bauer ebenso sehr dem Aberglauben wie der Erömmigkeit huldigt. Wie die Römerinnen hüten sich die rumänischen Weiber am Dienstag zu spinnen, sie meinen, „wir verlieren sonst unsere Männer"; am Freitag- ruht gleichfalls die Spindel, weil dieser als Tag der Venus gilt. Der Aberglaube des Bauern, der nie Schulunterricht genossen, lehrt, die Krankheiten rührten nicht von Erkältung her, sondern von den Wassernixen, Waldnymphen oder der heiligen Schaar der Nymphen, nur diese hätten den Beiden den verzaubert. Eäne alte Hexe im Dorfe hat mehr Eanfluss als der beste Arzt, sie spricht über den Kranken geneigt einige Sprüchlein, und dieser hält seine Genesung für gewiss, Bei E'amilienfeierlichkeiten spielen Aberglaube und alterthümliche Gebräuche eine grosse Rolle. Bei der Taufe bläst der Pope das Kind, die Pathin und die Eltern an, damit der Teufel und alle bösen Geister vertrieben werden, alsdann schreiten der Pope mit dem Weihkessel, die Pathin, Kind und Kerzen träger dreimal um einen heiligen Tisch, wozu der Säng-er beständig ruft: „jesaias tanzt, Jesaias tanzt." Hierauf schneidet der Pope dem Täufling einige Haare ab und reicht ihm das heilige Abendmahl Bei der Brautwerbung tritt in vielen Gegenden des Bandes ein gewisses Bestreben hervor, dem Vorgang Poesie zu verleihen. Nur noch selten aufgeführt, aber von schöner Originalität ist der Brauch, den man die „allegorische Hirschkuh" nennen könnte. Die besten Freunde des Verliebten werben in seinem Namen um die Pfand der Erwählter^ sagen die Eltern zu, so "erscheint am Tage der Verlobung der Bräutigam an der Spitze vieler Burschen, und der vornehmste von ihnen wendet sich an den Schwiegervater in spe. Er sagt, die Vorfahren der Vorfahren hätten in diesen Wäldern einst gejagt, ihrem Beispiele folgend habe der heutige Bräutigam eine Hirschkuh gefunden, die jedoch in vorstehendem Hause verschwunden sei. Der Brautvater leugnet das, man beschreibt ihm Augen und Haar der „Hirschkuh", und als er sich noch immer weigert, dringt man mit Messern und Gewehren auf den Hausherrn ein; endlich zieht sich dieser zurück, um mit der Tochter wiederzukehren. Weist man die Heirathsvermittler ab, dann entführt der Bursche das Mädchen und sucht es während der nächsten Nacht zu verbergen. Wenn ihm das gelingt, folgt in der Regel allgemeine Aussöhnung. Vor dem Traualtar hält der Pope dem Bräutigam mehrmals ein Stück Zucker hin; sobald er Miene macht, danach zu schnappen, zieht es jener weg, um es endlich der Braut zu gewähren. Nach der Hochzeit nimmt das bisherige Mädchen das Kopftuch an, und fortan gibt es für sie kein grösseres Unglück und keine grössere Schande, als wenn sie von einem Manne, sei es auch ihr eigener, ohne eine solche Bedeckung gesehen wird. Der Todtencultus wird in keinem Lande mehr beachtet als in Rumänien; doch gibt man auch hier wie in den übrigen Karpathentheilen auf die Pflege der niedrigen Grabhügel nicht viel. Römische Traditionen spielen eine gewichtige Rolle, obgleich sie mehr und mehr in Abnahme gerathen. Vor drei Decennien noch herrschten sie überall vor. Lag damals ein Kranker in den letzten Zuckungen, so hielt man die ganze Nacht hindurch eine brennende Kerze über ihn, war er verschieden, so erschienen wie im alten Rom die Klageweiber, um die Bocete zu singen. „Lass dich nicht bethören und verlass uns nicht!" schrieen sie dem Verblichenen ins Ohr. Da dies nichts fruchtete, riefen sie: „Wehe uns, du hast uns verlassen, fremd sind wir auf Gottes Erde zurückgeblieben! Wohin bist du gegangen? Und warum sagst du uns nicht, ob du an einen Ereuden- oder an einen Schmerzensort gekommen bist? Wehe uns!" Beim Eierankommen der Zimmerleute sang man: „Wehe uns! Jetzt müssen wir ihm ein Wohnhaus bereiten, und wen finden wir dazu? Siehe, die Zimmerleute! Seid gesegnet, liebe Eeute!" War der Sarg vollendet, rief man: „Herbei, ihr Brüder, herbei, Schwestern; kommt und seht das Elaus, in dem unser alter Vater wohnen wird." Mittlerweile war Mämäligä, Edeisch, Wein und Branntwein gespendet worden, man legte dem Verstorbenen ein Geldstück unter die Zunge und zog dem EViedhof zu. Voran schritten Bauern mit Wachskerzen, dann kam eine E'ahne, hierauf die Coliva, ein Kuchen von weichgekochten Weizenkörnern mit Honig und Zimmt, der das Gesicht des Todtetl darstellen und auf dem Grab den Armen gespendet werden soll, endlich der Sarg und die Beidtragenden. Noch vor nicht allzulanger Zeit wurde der Sarg in Dorf und Stadt offen zur Ruhestätte geführt. Man legte dem Todten die besten Kleider an, schminkte ihn sogar, steckte in den halbgeöffneten Mund eine Blume und goss Oel und Wein über den Beichnam. Wer als Hinterbliebener das altgewohnte Eierkommen ehren will, der muss nach dreBfagen ein neues Gastmahl, nach neun Tagen ein drittes und nach 40 Tagen — die arme Seele ist dann in den Gefilden des besseren Jenseits angekommen ein viertes (Tastmahl veranstalten. Hierauf ist jeden Monat und nach Ablauf des ersten Jahres an dem alljährlich wiederkehrenden Todestage eine Speisung vorzunehmen. Solche Vorschriften sind im Interesse der Armen löblich zu nennen, sie haben aber auch schon manchen Alten zu den seltsam wehmüthigen Worten veranlasst: „Ja, Dömne, wenn man lebo1, kann man mit Wenigem auskommen; stirbt mim, so braucht man viel." - Die heiligen Feste werden sinnig begangen. Zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag wird ein hölzerner Kasten von der Grösse eines Kubikmeters und der Gestalt eines Tempels, verziert mit Thürmen und ausgestattet mit Marionettenfiguren, gezeigt. Maskirte Männer und Knaben stellen die heiligen drei Könige, den König Hemdes und römische Soldaten dar, ziehen von Flaus zu Haus, lassen ihre Puppen fleissig spielen und singen dazu ein originelles Lied. Am Sylvesterabend versammeln sich die Birjars und sonstigen Kutscher, dringen in unverschlossene Höfe und machen mit Peitschen, Schellen und Glocken einen entsetzlichen Lärm. Zu gleicher Zeit wird eine geschmückte Puppe in Gesellschaft eines Geigenspielers herumgetragen. Die Puppe soll das Christkindel oder auch das neue Jahr darstellen, den Leuten Glück wünschen und ihren Besitzern gleich den Birjars zum Bakschisch verhelfen. Am Neujahrsmorgen ziehen arme Kinder mit einer Ruthe (Sorcova) durch den Ort, welche mit Goldpapier und Bändern verziert ist. Die Kinder kommen in die Häuser, schlagen die Bewohner auf die Schulter und singen dazu folgende Verse*): Sorcova vesela! Sorcova, Sorcova, lustige, heitere! Sä traiesci, sä'mbätränesc!, Sollst leben, sollst alt werden, Ca merulü, ca perulfl Wie der Apfel und der Birnbaum, Ca tömna; ceä bogatä. Wie der Herbst, der reiche. La multi ani cu sänState ! Noch viel Jahre in Gesundheit! Cäte pe casä (Haus) Wie viele Nägel sind am Dache, Atätia galbeni pe masä So viel Ducaten auf dem Tisch. Cäte paie pe umbrarü Wie viele Halme auf der Laube, Atatia pol! in buzunarü. So viel Gold in der Tasche. Das Fest der drei Könige gehört den unteren Classen der Beamten, den Gerichtsdienern, Polizisten, Strassenräu-mern und Nachtwächtern. Sie nehmen eine Schüssel oder ein Theebrett, legen Immergrün oder Buchsbaum darauf *) Wortgetreu übersetzt von Emilie von Skrzeszewski in Craiova. und gehen zu den höheren Beamten oder zu anderen Herrschaften. Ein jedes ,,Ea multi ani" kostet einige Lei, und doch gönnt man ihnen das gern. Zu Ostern werden rothe Eier getauscht, man tanzt fleissig und schaukelt sich; zu Pfingsten regiert der uns bekannte Tanz der Cälusert 6. Sprache und Literatur. Die rumänische Sprache ähnelt dem Italienischen, sie ist jedoch durch Aufnahme vieler Slavicismen weniger weich als jene. Hinsichtlich der Orthographie hat man noch immer keine volle Einigung erzielt, immerhin dürfen jetzt die Hauptschwierigkeiten, welche sich bei E'eststellung einer einheitlichen Schreibweise der streng genommen noch so jungen Sprache zeigten, als überwunden gelten. Und das ist ein Glück, denn bisher schrieb ein Jeder, wie es ihm gerade angenehm und gut dünkte. Man fand bei fünf Professoren fünf verschiedene Schreibarten, und man wird oft wirklich verlegen, welche bei diesem oder jenem Worte die richtige. Die gebräuchlichste Orthographie ist diejenige, welche ein kurzes, eigentlich stummes ü am Ende vieler Wörter kennt und es beim Anhängen des Artikels in einen langen Laut verwandelt. Gleich dem Albanesischen und Altslavischen besteht nämlich im Rumänischen der seltsame Brauch, den Artikel am Ende der Wörter anzufügen. In vorliegenden .Schilderungen wurde diese Schreibart gegeben, da sie wie gesagt noch immer als die gebräuchlichste gilt, dem Ausländer die Artikelbildung erleichtert, von der Bucurescier Akademie anerkannt wurde und die Eigenthümlichkeiten des Rumänischen charakterisirt. Der heillosen, fatalen Verwirrung wird voraussichtlich in wenigen Jahren durch die Akademie ein Ende bereitet werden, sie scheint geneigt, das stumme ü gänzlich zu entfernen, und hofft, feste Regeln aufstellen zu können. Die Be- nutzung cyrillischer Lettern darf als überwundener Standpunkt betrachtet werden. Die Lautlehre des Rumänischen weicht von der des Deutschen bedeutend ab. So lautet ä und e wie ein kurzes, dumpfes e, ch vor e und i wie k (siehe italienische Lautlehre), c vor a, o, u, ä, e wie k, vor e und i wie tsch, g vor a, o, u, ä, e ist Gaumenlaut, vor e und i ist es ein zarter Zischlaut und klingt wie dsch, s wird wie sch, f wie z gesprochen. Die Laute ä, e, i lassen sich schwer defi-niren, weshalb die Grammatiken einfach verkünden, sie seien nur durch den Umgang mit Rumänen zu erfassen. Am meisten dürfte es der Wahrheit entsprechen, wenn wir sagen, diese Zeichen kommen einem deutschen dumpfen ü gleich; I am Ende wird halb, ü gar nicht gehört; die Endsilbe vieler Namen wird statt esci häufig auch est! oder esti gegeben; ersteres ist gebräuchlicher, die letzteren beiden Variationen sind phonetischer. Die ältesten poetischen Erzeugnisse des rumänischen Volkes sind naturgemäss jene tiefsinnigen, schwermüthigen Volkslieder, welche sich von Mund zu Mund, von Generation zu Generation vererbten, und in unserem Jahrhunderte durch bedeutende d'alente, insbesondere den von seinen Landsleuten fast vergötterten Nestor Rumäniens, Alecsandri, erweckt und grösseren Kreisen zugänglich gemacht wurden. Ausser jenen Liedern besitzen wir alte Chroniken, wie die von Mironü Costinü, von N. Costinü, von Greceanü und die relig'iösen Arbeiten von Luca Stroici, von Coressi und vom Metropoliten Dositci. Die rumänischen Druckereien des 17. Jahrhunderts zeitigten eine weitere religiöse Literatur; ihr folgten die Werke Demeter Costemirs, Enake Cogal-niceanus und im 18. Jahrhundert die historischen gelehrten Abhandlungen von Samuel Miculü oder Klein, Peter Maiorü und Sincai. Erst zu P>eginn des ig. Jahrhunderts erstand in Enake Vacarescu ein bedeutender Dichter, dessen Neffe Ivan Vacarescu einen ebenfalls bedeutenden Namen besitzt. (leliade Radulescu wirkte als Bahnbrecher, übersetzte die Classiker und die modernen Meister, schwärmte für die neuen Ideen seiner Zeit und eiferte eine Menge junger Talente zur Nachahmung an. Unter ihnen ragen Aristia, Aronü Florianü, Poenarü, Eaurianü, Bapiu, Marian ü besonders hervor. In Gr. Alecsandrescu erstand 1812 dem Volke ein populärer Fabeldichter, in Cre^eanü 1819 ein beliebter Journalist und in Rosetti — nach der Rückkehr aus dem Asyl 1877 Gründer des Romanulü — einer der gelehrtesten Männer des Landes. D. Bolintineanü singt von den Kämpfen Mirceas, seine Thierlegenden sind voll Gefühl, seine Dramen beachtens-werth. Anton Panü ist der Troubadour der unteren Donau, Eminescu der arme, jetzt geisteskrank gewordene Sänger der Liebe. Tocilescu und Urechia gelten nebst dem greisen Siebenbürger George Barifü für die drei bedeutendsten Geschichtsforscher und Geschichtschreiber ihres Volkes und ihres Landes. Michel Cogalniceanü glänzt als Wiederhersteller alter Chroniken, B. P. Hasdeu als ein bedeutender Philolog, Maiorescu als ein vornehmer, besonders in Philosophie und Geschichte wohlbewanderter Geist, er sowohl als Bratianu, Carpü, Jonescu, Gradisteanü, Statescu, Ver-nescu, Fleva und Blaremberg haben durch vorzügliche parlamentarische Reden der Sprache Gelenkigkeit und Achtung verschafft. Als Dichter steht über Allen bisher völlig unübertroffen Alecsandri. Er bildet mit Demeter Bolintineanü und Andreas Muresianü ein unvergleichliches Kleeblatt. Muresianü besang in seinen Oden den Schmerz und die Sehnsucht seines Volkes mit ergreifender Wärme, mit bedeutender Kraft und Hoheit der Gedanken; Bolintineanü schrieb leicht und zierlich das Heldengedicht Traia-nida und mehrere Dramen. Alecsandri aber, der Fürst der rumänischen Dichter, war auf allen Gebieten in rastloser Weise thätig. 1821 zu Mircescl geboren, studirte er in Jasi, um sich später ganz der französischen Cultur zu widmen; auch jetzt ist Alecsandri rumänischer Gesandter in Paris, das er nur selten verlässt. Der Dichter sammelte zunächst die alten Balladen und Romanzen des Volkes, veröffentlichte als ersten Versuch eine Novelle, „Das Blumenmädchen von Florenz", versah in den vierziger Jahren das Jasier Theater mit Schau- und Lustspielen, trat Ende der fünfziger Jahre als Volksvertreter und Minister des Aeussern auf, zog sich aber bald darauf wieder auf sein Gut zurück. 1864 unterstützte er T. Maiorescu und die literarische Schule Societate Junimea in dem Bestreben, die Volkssprache als grammatische Richtschnur zur Geltung zu bringen. Dabei ist er als Mensch gross und edel;k er war derjenige, der 1848 seine Beibeigenen freigab, und dessem Beispiel dann 991 Grundbesitzer folgten. 1869 gewann er mit seiner Hymne ,,Canteculü gintei latine" auf dem Congresse von Montpellier den ersten Preis, nach wie vor aber hat er auf dem Gebiete der Eyrik, der erzählenden Dichtung und des Dramas Bedeutendes geleistet. Seine Fruchtbarkeit ähnelt der Paul Heyses, sie ist so gross, dass er fast ganz allein die rumänischen Bühnen mit Dramen versieht. Doch ist zu bemerken, dass die letzteren gleich denen Heyses durchaus nicht tadellos ausfallen, wie es uns denn überhaupt bedünken will, als ob Drama, Roman und Novelle diejenigen Felder der jungen rumänischen Literatur seien, deren Aufblühen noch in der Zukunft liegt. Den deutschen Leser dürfte es interessiren, zu erfahren, dass der rühmlichst bekannte Jacob Negruzzi viele Schiller-sche Dramen in vorzüglichster Weise übersetzt hat. So bereits vor zwanzig Jahren die Räuber, Fiesco, Cabale und Liebe; in letzterer Zeit: Don Carlos, Die Jungfrau von Orleans und Maria Stuart. Die Jungfrau von Orleans gelangte im Jahre t885 auf die Bucurescier Bühne und erntete grossen Beifall, Maria Stuart und Don Carlos sollen 1887 zur Aufführung kommen. Falls es der Gesundheitszustand des Uebersetzers erlaubt, hofft derselbe sein grosses Unterfangen glücklich zu vollenden, das heisst, sämmtliche Schillersche Schriften seinen Landsleuten zugänglich zu machen. J. C. Negruzzi nimmt in der rumänischen literarischen Welt als Beiter der Zeitschrift ,,Couvorbiri literare" eine führende Stellung ein. Dieses Organ der rumänischen Intelligenz wurde von ihm vor zwanzig Jahren als i4tägiges Journal gegründet, 1872 in eine Monatsschrift verwandelt, bis 1885 in Jasi herausgegeben und seitdem in verändertem Format und verschönerter Ausstattung seinen Lesern übermittelt. Neunzehn Jahre lang brachte der Eigenthümer vergebens alle Opfer, ohne dass das Blatt die Kosten der Ilerstellung gedeckt hätte, und erst seit der Bucurescier Uebersiedelung sieht Negruzzi seine Mühe belohnt. Im Ganzen erscheinen in der Hauptstadt allein gegen vierzig Jourmtle, von denen die „Vointa Nationale" unter der tüchtigen Beitung des Siebenbürgers Fräncu, „Telegrafulü", „LTndependance romaine" und „Alonitorulü Ohcialü" die gelesensten sind. Den deutschen Interessen dient das „Bukarester Tageblatt", den magyarischen „Irado"; eine Ueber-sicht der neuesten literarischen Erscheinungen Rumäniens bietet Alexander Degenmann, der bewährte Geschäftsführer von Socecü & T., in seiner Bibliograha romäna. Verschiedene Arbeiten, die Degenmann in den Jahren 1871 bis 1878 ausführte, liessen ihn zu der Gewissheit gelangen, dass er, gestützt auf das reichste Material, berufen sei, die Rumänen auf ihre geistigen Schätze aufmerksam zu machen und dieselben entsprechend zu beschreiben. Demgemäss gründete er 1879 das Monatsjournal „Bibliograha romäna", sich anderen deutschen Buchhändlern an die Seite stellend, die in ausserdeutschen Bändern schon vor ihm Bibliographien für fremde Sprachen und Biteraturen geschaffen. Jahrelang rang Degenmann mit allerlei Schwierigkeiten, bedeutende Summen zusetzend, und erst seit 1884, wo die Vereinigung mit dem Organ der juninisten stattfand, ist der thätige Mann in der Bage, Ruhm ohne Sorge zu ernten. 7. Ackerbau, Obstcultur und Viehzucht. Rumänien ist in der Hauptsache ein Band des Ackerbaus und der Viehzucht; die Natur hat die beiden ehemaligen Fürstenthümer thatsächlich hierzu bestimmt. Die herrliche Lage der Felder und Wiesen, der Ueberffuss an Quellen, die humusreiche Tiefebene, das Alles bietet noch vielen Geschlechtern reichlichen Lohn für geringe Mühe. Um so auffallender erscheint es, dass gerade Ackerbau und Viehzucht bisher in Rumänien mehr als Anderes vernachlässigt wurden, dass man noch immer Beide mit derselben geistigen Beschränktheit wie früher behandelt. Auf keinem Gebiete wären Reformen nöthiger als auf diesem, unablässig sollte man die altvererbten Vorurtheile des con-servativ denkenden Bandmannes seitens der Bojaren und der Regierung bekämpfen und gediegene Ackerbauschulen gründen. Einer der grössten Uebelstände ist der, dass die reichen Bojaren und griechischen Financiers meistens ihre Güter gegen möglichst hohe Summen an Pächter abgeben. Die Pächter haben oft kein eigenes Capital, sie müssen dem Bauer gegen geringes Entgelt Wiesen und E/elder vermiethen und zugleich selbst den Boden gehörig ausnützen, um den Bojaren sowohl, als auch den gierigen, lauernden Getreideabnehmer zu befriedigen. Auf diese Weise entsteht jener unheilvolle Raubbau, der nicht genug gegeisselt werden kann. Dabei nimmt man auf den ersten Blick wahr, wie unendlich mangelhaft die Bodencultur betrieben wird. Wohl werden neuerdings eiserne Pflüge aus dem Deutschen Reiche eingetührt, allein ihre Anzahl ist verschwindend, und so kommt es, dass man fast überall mit ansehen muss, wie ein hölzerner Pflug, plump wie zu den Zeiten Irajans, das Erdreich unregelmässig aufreisst. Eggen kennt man nicht, statt ihrer paradiren hölzerne Machwerke, stark mit Dornen besetzt. Die Dornen ritzen höchstens die Oberfläche auf, vermögen jedoch nicht im entferntesten die Erdschollen zu zertheilen. Auf den also bearbeiteten Boden streut man den Samen, hierhin viel, dorthin wenig, meistens so leicht, dass ein heftiger Wind die Decke abhebt und die Keime davonträgt. Weizen sowohl wie Kukuruz wächst in rührender Gemeinschaft mit allerhand Unkraut heran, welches oft so zahlreich ist, dass man sich fragt, ob das Unkraut unter dem Weizen oder der Weizen unter dem Unkraut steht. Geackert oder bewachsen, immer bieten die rumänischen Felder einen betrübenden Anblick dar; wie anders dagegen die des Banates und des ungarischen Tieflandes! Wahrlich, in dieser Hinsicht sollten sich doch die Rumänen ein Beispiel an ihren westlichen Nachbarn, selbst an den Kernmagyaren nehmen! Als Folge von alledem ergibt sich, dass die Qualität keinen grossen Werth besitzt, besonders da die Düngung noch immer fast im ganzen Bande unbekannt. Dünger und Stroh wird einfach verbrannt; ist die Ernte vorüber, so dient der Boden als Weide. Von einer Stallfütterung will man im Bande nichts wissen; an den wenigsten Orten trifft man Ställe, in der Regel bleibt das arme Vieh den g'anzen langen, eisigen, strengen Winter über im Freien. Seine Nahrung besteht währenddem aus im Sommer zusammengerafftem oder zusammengekauftem Kukuruzstroh; ist dasselbe aufgezehrt, dann mag es nur getrost den Schnee wegscharren und sich kümmerliche Nahrung suchen, wozu hat es dennFüsse! Bleibt ja einmal Stroh und Bleu übrig, so wird es bei eintretendem Frühjahre — vielleicht gar wegen Mangel an Platz, so werden uns die Rumänen sagen — einfach verbrannt. Die Wirkung eines derartigen Verfahrens ist leicht einsehbar: jährlich verhungern und erfrieren nicht nur junge Schafe, sondern auch alte, sowie Hornviehstücke, alleRacen aber sind degenerirt, und das rumänische Vieh läuft mithin Gefahr, gänzlich werthlos zu werden. Mit der Grausamkeit paart sich die Gewissenlosigkeit. Ein Grundbesitzer an der unteren Donau liess beispielsweise trotz der bevorstehenden Erühjahrsüberschwemmungen der Stromniederungen sein Vieh nicht von dort wegtreiben; das Resultat bestand darin, dass 5oo Stück Hornvieh in den Fluten umkamen. Für alle diese kläglichen Zustände wissen die Rumänen hinlängliche Entschuldigungen. Vom Bauer, der da meint, er brauche keine eisernen Pflüge, weil sein Grossvater nur hölzerne besessen, kann hier nicht die Rede sein, sondern nur von der Intelligenz. Man hat uns entgegnet, man könne das Unkraut nicht vertilgen, es mangle an Arbeits- kraft; nun wohl, die geringe Bevölkerungsdichtigkeit bestätigt das letztere, allein man bebaue nur die Hälfte der .Flächen und diese vorschriftsmässig, und man wird alsdann von einem Hektar ohne Unkraut so viel ernten, wie von vier Hektaren mit Unkraut. Weiter hat man uns bedeutet, das Düngen sei nicht nöthig, da der Boden überall zu üppig sei und er das Düngen weder benöthige noch vertrage. Dies mag noch stellenweise zutreffen, im Ganzen und Grossen aber ist der Boden heute schon ziemlich ausgenützt, so dass das Düngen nothwendig erscheint. Den Beweis hiefür liefert der geringe Ertrag der Felder. In Bmgland betrug die Getreideproduction pro Hektar 40 Hektoliter, in Belgien und Preussen 19, in Frankreich 14, in Rumänien nur 7 Hektoliter. Autonome Zolltarife helfen da nicht, besonders wenn durch sie das österreichischungarische Absatzgebiet verloren geht und durch England, 1 )eutschland und Italien ersetzt werden soll. Vorstellungen wegen der Pflege — oder vielmehr fehlenden Pflege der Thierc beantworten einige mit Achselzucken und dem Bedeuten, die Heerden seien so zahlreich, dass man Riesenställe für sie bauen müsste, und übrigens errichte man ja für die Schafe Schutzhürden; andere rechnen mit Lebhaftigkeit vor, ein Ochse werde nach vierjähriger Zucht höchstens für 200 Lei verkauft, er dürfe also nicht mehr als 160 Lei Kosten verursachen, dafür könne man ihm keine Stallfütterung bieten, endlich mache er im Freien Bewegung und fresse daher mehr. Ja, wenn er doch nur etwas zu fressen hätte! Beiden sei entgegnet, dass der vierte Ineil der Eleerden bei Stallcultur sicher den jetzigen Ertragliefern würde, dass es nicht nöthig ist, die Ställe aus Marmor zu construiren, die citirten Schutzhürden aber nichts sind, als schräg errichtete kleine Planken, an denen sich die Schafe vergebens behufs Erwärmung reiben; nach oben hin bieten sie keinen Schutz, der Himmel vermag ungestört Schnee, Regen und eisige Stürme auf die armen d niere zu entladen. Das Angeführte mag vielleicht in Rumänien bezweifelt werden, wird aber auch jener Gutsbesitzer dar- über lächeln, dem 5oo Stück Hornvieh erfroren und ertranken? I [and in Hand mit Abschaffung- dieser Missstände hätten segensreiche Neuerungen zu gehen. Das Waschen der Frucht muss durch entsprechende Manipulationen mit Fruchtmaschinen ersetzt werden, und das Aufbewahren der Endresultate müsste statt in Erdgruben, wie man es selbst bei Bojaren sieht und das an die Weinerdgruben erinnert, fortan in Scheunen vollzogen werden. Es gilt, solche Maissorten einzubürgern, die rasch eingreifen; das noch immer auf kleinen Gehöften zu beobachtende Dreschen mit Pferden völlig zu ertödten und an seine Stelle die seit zwanzig Jahren schon eingeführten, siegreich um sich greifenden landwirthschaftlichen Maschinen endgiltig zur Herrschaft zu führen, endlich die Volksnahrung zu verbessern, denn die heutige Wissenschaft lehrt nun einmal unerschütterlich, nur dasjenige Volk sei wirklich culturfähig-, dessen Ernährung entsprechend ist und die nöthige Menge Fleischeiweiss besitzt. Geschieht alles das, dann wird man im. Stande sein, trotz des beständigen Niederganges der Getreidepreise und der überseeischen Concurrenz die Bodencultur zu einer sehr lohnenden zu machen. Tritt dann eine beachtens-werthe Milch- und Käsewirthschaft hinzu, so kann nicht ausbleiben, dass, wie in Westeuropa, der Bauer behaglich auf seinem Eigenen sitzt und mit Plilfe von Fleisch, Butter, Getreide und Kartoffeln sogar einen jährlichen Ueberschuss erzielt. Unerhört ist es, dass die Rumänen als landwirth-schaftliches Volk bisher nicht einmal den Gemüsebau betrieben haben, und man mithin im nächsten Jahre im ganzen Lande keinen Salat, keine Möhre finden würde, wenn die Bulgaren plötzlich ausblieben. Und das wohlgemerkt in einem Lande, wo der Spargel und der Spinat wild wachsen und das Klima allen Unternehmungen, nur nicht dem Ueber-wintern der Hausthiere, zulächelt. Magyarische Autoren haben mit Recht darauf verwiesen, wie gefährlich eine rumänische Getreideconcurrenz sei, Rumänien sei der natürlichen Beschaffenheit und Lage nach berufen, im ameri- 24* kanischen »Style zu produciren und zu exportiren, man könne von jeder Wirthschaft aus bei geringen Kosten schnell und sicher einen der neunzehn Ilafenplätze des Landes erreichen. Rumänien habe 1882 nach England 358,38 Millionen Kilogramm, nach Oester reich-Ungarn 203,82, nach E"rankreich 40,19, nach Deutschland 12,68, nach Italien 11,7 Millionen Kilogramm Mais ausgeführt; Gerste wurde nach England 319,93, nach Oesterreich-Ungarn 35,10, nach Frankreich 18,89, nach der Türkei 16,45 Millionen Kilogramm, Weizen nach Oesterreich-Ungarn 126,61, nach England 126,10, nach Frankreich 67,11 Millionen Kilogramm gebracht. Dass der Jude sich noch heute nicht auf dem Lande niederlassen darf, besitzt durchaus unsere Billigung; wie bei allen Professionen würde er sich auch hierin als Pfuscher erweisen und Schleuderarbeit liefern; leider weiss er wie überall das Gesetz zu umgehen, indem er Christen als Pächter von Gütern und Schänken einsetzt. Beide Objecte leiden darunter, bei den ersteren zeigt sich der Israelit als geborner Raubbauer, in den letzteren giesst er alles Mög--liche, sogar Vitriol, unter den Branntwein. Die Obstbaumzucht gedieh früher sehr gut, und durch die rationelle Ermunterung des landeskundigen Fürsten Michael Gregorius Stourdza kam sogar eine grössere Hinneigung und Liebe zu Pflanzungen auf, deren E'olgen selbst heute noch in den übrig gebliebenen, ruinirten Anlagen sichtbar sind; die ästhetische und nützliche Beschäftigung wurde, mit der Bepflanzung der Bandstrassen angefangen, bis herauf zu den grossen, wirklich schönen parkähnlichen Obstanlagen betrieben. Beider ist dieser ganze Beschäftigungszweig beinahe vollkommen untergegangen, und man hackt jeden noch übrig gebliebenen unbewachten Baum ab. Edle Geister aber glauben in den noch sprechenden Resten Spuren einer besseren, ästhetischeren Zeit erkennen zu sollen. Die Domnester-Aepfel, deren Handel von grosser Bedeutung war, da sie in ungeheuren Mengen bis nach Lemberg, Krakau, Warschau und nach Siebenbürgen ge- führt wurden, sind beinahe ganz eingegangen; nur noch vereinzelte Exemplare von alten, verknorpelten Bäumen erhalten die ursprüngliche Apfelsorte. Es ist eine der Moldau eigenthümliche Art, welche im übrigen Europa nicht vorkommt. Die ästhetische Gartencultur war gleichfalls sehr ffo-rirend; grosse, kostspielige Anlagen, deren ruinenartiges Ansehen ein sprechender Beweis für das Zurückgehen des Grosscapitals, können als Belege gelten. Auch die Leincultur ist ganz eingegangen. Der Bein verlangt stets frischen Boden, und dieser wird durch das Ueberhandnehmen der Bevölkerung immer seltener. Bis gegen 1820 wurde er auf grossen Strecken angebaut, jetzt hat er der Weizencultur den Platz 'geräumt. Den Weinertrag gibt Elamms Weinbuch (Leipzig 1886) entgegen Aurelianü auf 1200000 hl an. Hamm behauptet, der District Tecuciü erzeuge auf 3260 ha 115 842 hl Weisswein und 52 520 hl Rothwein, Rämnicü - Säratü producire bei 6384 ha 153631 hl, Putna bei 7907 ha 155 642 hl. 1882 habe Rumänien für 1269699 Bei Wein ein-, für 172 133 Lei ausgeführt, beides hauptsächlich von und nach Oesterreich-Ungarn. Gut gehaltene Moldavaweine sind stark gesucht, sie gehen über Bräila, Galati und Sulina, auch nach Russland. Als vorzüglichstes Gewächs gilt der äusserst starke dunkel-goldgelbe Cotnarü aus dem Botosanier District, er ähnelt dem Tokayer, ist jedoch weniger süss. Als Rothwein steht neben ihm der Nebouna, rubinroth, trocken und herb gleicht er dem besten Santorinwein, besitzt jedoch mehr Stärke. Der Piatraer Wein, ebenfalls tokayerartig, kommt dem Cotnarü nicht gleich. Mangel an Pflege und Gefässen haben den durch nordische, schützende Gebirge begünstigten Weinbau bisher noch immer nicht zur Entwickelung kommen lassen; die Angabe Elamms, dass zu früh geerntet werde, trifft dagegen nicht zu. Eine günstige Emtwickelung scheint leider durch die schreckliche Reblaus in Frage gestellt, gegen welche die rumänische Phylloxera-Commission ebensowenig geeignete Mittel' gefunden, als die Weinbaukenner anderer Länder. Im Prahovaer District fand man ioooo ha inficirt, ebenso constatirte man das Vorhandensein des schädlichen Thieres im District Buzeü, was uns um so betrübender dünkt, als gerade dieses Gebiet die weinbauende Moldau mit der Walachei verbindet, und somit die Rebencultur der Moldau arg gefährdet erscheint. Die Behandlung der kranken Weinberge geschieht mittelst Naphthalin. Die bisher erzielten Ergebnisse werden als erfreuliche bezeichnet. Das Naphthalin ist billiger und weniger gefährlich als Schwefelkohlenstoff, allein angesichts der Ueberproduction und der unglaublichen Billigkeit des Weines dürften sich die Kosten dieser Cour zu hoch stellen. Es wird daher schwerlich etwas Anderes erübrigen, als alle Reben in den heimgesuchten Districten auszurotten und andere Bodenerzeugnisse anzubauen. Wie man uns übrigens vertraulich mittheilt, soll die Anti-Phylloxera-Commission ein Mittel gefunden haben, das möglicherweise Errettung zu bringen vermag. Man beabsichtigt, die Reben neu anzubauen, die Wurzeln mit Naphthalin einzulassen und die Reblaus dadurch fernzuhalten. Die darauf bezüglichen Versuche sind noch nicht ganz abgeschlossen, doch erhofft man das denkbar günstigste Resultat. Man hält das Verfahren für ebenso billig wie rationell. Ziemlich traurig steht es um die Bienenzucht, welche uns auf die Viehzucht hinüberleiten soll. Noch immer weiss sich der unwissende Bauer das geringe Quantum seiner zahlreichen, aber schlecht besorgten Bienenstöcke nicht anders als durch Tödtung der Bienen zu verschaffen, wieder eine gen Himmel schreiende That. Der Bienenzucht reih* sich hinsichtlich des Rückganges die ehedem blühende Seidenwurmcultur an. Früher wurden in Italien und Frankreich jährlich für 4 Millionen Lei Eier abgesetzt, jetzt ruht der Handel völlig, angeblich weil nach dem Berichte des belgischen Consuls in Bucuresci die jüdischen Zwischenhändler die Eier mit Raps mischten und so die rumänischen Erzeugnisse discreditirten. Wie es gegenwärtig um den Viehstand Rumäniens beschaffen, kann man sich wohl nach Vorstehendem ausmalen. Die moldauischen Pferde waren noch Anfangs unseres Jahrhunderts ausserordentlich brauchbar, so dass Preussen und Oesterreich jährlich 20000 Stück, das Stück für 13—15 Ducaten, für ihre Cavallerie bezogen; die moldauischen Rosse spielten dementsprechend in allen Kriegen Friedrichs des Grossen und Napoleons I. eine hervorragende Rolle. Das Dumbrovenier Gestüt, Original-Araber, so vollkommen und ausgezeichnet, dass es jedweden Vergleich mit Trakehnen und der edlen Württemberger Zucht aushalten konnte, wurde von Constantin Balsü auf einen sehr hohen Standpunkt gebracht. Ein ähnliches Gestüt, beinahe so vollendet, wurde in der Nähe von Dumbrovent, in Zvo-reste, von Alexander Moruzi errichtet. Damals lautete ein türkisches Sprichwort, es gehe nichts über ein Pferd aus der Moldau. Jetzt sind die kleinen rumänischen Pferde wohl noch lebhaft, unermüdlich und behutsam, sie sind indessen zum Ziehen grösserer Fasten unbrauchbar geworden. Die beiden genannten Stutereien aber verfielen mit dem d^ode ihrer Besitzer und gingen unwiederbringlich verloren. In kleiner Zahl führt man Pferde nach Siebenbürgen aus, in stärkeren Gattungen aus Russland ein. Die hiesige Ochsensorte, eine wegen ihrer Schönheit und Ausdauer berühmte, geht von Jahr zu Jahr mehr zurück, so dass man 1873 eine Verminderung von 864170 Stück Rindvieh gegen den Viehstand von 1860 constatirte, welchen Rückgang man freilich geneigt ist, nur der Viehseuche zuzuschieben, eine Einseitigkeit, da offenbar schlechte Pflege, Parcellirung der Wiesen und Bebauung der früheren grossen Weideplätze mitwirken, wozu selbstverständlich noch das Einwirken des Österreich-ungarisch-rumänischen Zollkrieges tritt. Infolge dieses letzteren Ereignisses sahen sich die Bauern gezwungen, ihr Vieh um einen Spottpreis dem Edeischer zu übergeben; so hat man beispielsweise im August 1886 in Dragäsani für einen Ochsen 28 Lei gezahlt! Schöne Heerden findet man nach wie vor in den Bezirken Dorohoiü, Botosani und Falciu, kurz in den Pruthniederungen, wo das üppigste, saftigste Gras den Rindern bis an den Bauch reicht. Das Schwein ist eine Art kleines Wildschwein, sein Fleisch kann ausgezeichnet genannt werden, ebenso das des Hammels. Besonders liefert die Tsigay-Rasse so vorzüglichen Braten, dass die Sultane nur von ihr leben wollten; vom Federvieh fallen besonders die stattlichen und zahlreichen Truthühner auf. Der mit vollem Rechte im ganzen Bande hochgeschätzte Aurelianü gibt den Thierbestand für 1882 folgendermassen an: 2557381 Stück Hornvieh (219411 Stiere, 990353 Ochsen, 768806 Kühe, 448898 Stück Jungvieh, 111 913 Büffel), 1053403 Schweine, 4759366 Hammel und Ziegen. Nach ihm beschränkte sich der Export auf 275062 Schweine und Eiammel im Werthe von 10 Millionen Lei und auf 6 Millionen Lei Wolle. 300 000 Bienenstöcke lieferten 600 000 Oka Honig und 60000 Oka Wachs, 100000 ha Weinland 65oooo hl Wein. Von den 12 Millionen Hektaren des Bandes waren etwa 5708945 von Ackerbau und Weide, 2 Millionen von Wäldern in Anspruch genommen, der Rest lag nicht wegen Unfruchtbarkeit, sondern wegen Mangel an Bevölkerung unbenutzt. Eine Tabelle der Elauptacker-bauerzeugnisse stellte sich damals wie folgt: Haup tack erb au er Zeugnisse. Behautes Land in ha Ernte in Tonnen Werth in Mill. Lei Export 1882 in Tonnen Werth in Mill. Lei Weizen 55956o «95257 221,7 400035 72,0 Roggen 110773 110162 18,1 78111 9>3 Gerste 226964 366899 46,8 413665 37,2 Hafer 129930 282()24 0,8 19178 i.5 Mais 1034755 1885029 149,2 636831 63,6 Die bäuerlichen Verhältnisse in Rumänien waren so eigenartig und sind noch jetzt so wichtig und zugleich Reform erheischend, dass es unumgänglich nöthig erscheint, sie hier zu berühren. Die Bage des rumänischen Bauern machte mehrere Phasen durch. Es gilt als gewiss, dass man zur Zeit der römischen Besitznahme in Dacien gleich wie in Italien selbst und den übrigen Colonien des Weltreiches nur Grossgrundbesitzer kannte, der kleine Grundbesitz spielte eine verschwindende Rolle. Die Barbarenstürme stürzten alles in Trümmer, und erst nachdem ihre Kraft gänzlich gebrochen, kehrten die Rumänen aus den Bergen zurück und gründeten neue Gehöfte. Man bezeichnete sie als Mosii und in der Moldau als Räzäsii. Da nun aber die Bevölkerung nicht zahlreich war, so blieb viel Boden übrig, er wurde als freies Staatsgut von den Wojwoden an tapfere Krieger vertheilt, worin der Ursprung des Grossgrundbesitzes erblickt werden muss. Die Grossgrundbesitzer besassen natürlich weder Eust noch Fähigkeit, mit ihren Dienern die gewaltigen Bändereien selbst zu bewirthschaften, sie lockten also von den angrenzenden Gebieten allerlei Beute und ausserdem benachbarte Bauern herbei, den Boden in drei Theile scheidend; zwei derselben sollten den Colonisten den Bebensunterhalt gewähren, ein Theil aber für die Bojaren bearbeitet werden. Ein derartiges Arrangement war nicht übel, allein es hielt nicht lange an, denn mit der Bereicherung der Bojaren wuchs ihr Uebermuth, und zugleich verringerten sich die Rechte der Bauern. Am Emde des 16. Jahrhunderts bestätigten Regierungserlasse die grausamen Neuerungen, und die eigentliche Robot trat ein. Der Bauer ging der Freiheit, seinen Wohnsitz nach eigenem Ermessen zu ändern, verlustig, ebenso wurde ihm jeder Anspruch auf Grund und Boden verweigert, kurz, der Bojare besass fortan Alles, der Bauer nichts. Einzig und allein Ackergeräthschaften, Viehstücke und Beben sollte der unumschränkten Herrschaft des Bojaren als entrückt gelten. Dies das Schicksal der Colonisten. Den Mosierü und Räzäsii blieb ein ähnliches Boos nicht erspart. Sie verloren ihre Grundstücke durch die Willkür der Grossen 'oder wurden zum Verkauf derselben gezwungen, und so kam es, dass auch sie auf ihrem ehemals eigenen Boden zur Robot gelangten. Im 17. und 18. Jahrhundert gestaltete sich die Lage der Bauern immer entsetzlicher. Sie wurden thatsächlich zu Schaven der Bojaren, und die beständigen russisch-türkischen Kriege verwüsteten das Land. Diese traurigen Begebenheiten erklären hinlänglich, warum der rumänische Landmann keine Neigung verspürte, an Stelle seiner elenden Hütten stattliche Biäuser zu setzen, sie erzeugten einen gewissen stoischen Sinn und das Streben, nie mehr zu arbeiten als verlangt wurde oder als die Seinen bedurften. Sie haben zweifelsohne auch bewirkt, dass der rumänische Bauer sich noch heute nicht ganz von dem Zustande der Betäubung- losgelöst hat und deshalb als träge verschrieen ist, im allgemeinen nicht mit Unrecht, doch müssen wir ganz energisch das Vorhandensein von löblichen Ausnahmen constatiren. Beispielsweise haben wir von einem schlichten Bauer vernommen, der weder lesen noch schreiben kann, sich aber durch Eleiss, Intelligenz und Glück ein Vermögen von einer Million Bei erworben hat. Während der Phanariotenwirthschaft wurden die Verhältnisse nur noch trauriger, anerkennenswerth erscheint jedoch, dass der Phanariote Constantin Mavrocordat die Bage der Robotpflichtigen zu bessern suchte. Das organisirte Reglement von 1832 bestimmte, der Bauer dürfe seinen Wohnsitz verlassen, dies indessen auch nur dann, wenn er seine Abgaben für fünf Jahre im Voraus bezahlt und Haus und Hof dem Bojaren ohne Entschädigung überlassen. Claca, die Verpflichtung für den Bojaren zu arbeiten, weil man auf seinem Grunde wohnte, wurde aufrecht erhalten; 24 Tage des Jahres sollte der Bauer für den Bojaren schaffen, allein das ihm aufgebürdete Pensum konnte in der Regel kaum in 60 d'agen erledigt werden. Alle Staatsabgaben lasteten nach wie vor nur auf den Schultern der Bauern, die Bojaren gingen nicht nur frei aus, sondern sie hatten auch sämmtliche Staatsämter inne und wurden somit indirect von den Bauern bezahlt. Infolge dessen verliessen trotz der Bestimmung, laut der die Bojaren die Bauern nicht mehr mit dem Grund und Boden sollten verkaufen können, viele Landleute ihre Heimat und flohen nach Bulgarien und Serbien. Die Revolution von 1848 gewährte nur vorübergehende Erleichterung', ebenso vermochten die Gesetze vom 23. April 1851 und vom Jahre 1854 nur wenig zu befriedigen, erst die Pariser Convention von i856 löste alle Rechte der Bojaren auf und stellte den Bauer hinsichtlich der Abgaben, der Amtserwerbung-und der Staatsehren auf gleiche Stufe mit den Bojaren. Im Jahre 1864 traten die neuen Verordnungen in Kraft; sie besagten, der Bauer solle frei sein und Eigenthümer des von ihm bewirthschafteteh Bodens werden. Unmittelbar darauf erhielten dementsprechend 406898 Familien 2993014 Pogon, ungefähr den achten Theil des Bandes, als Eigenthum, 13987765 Lei waren dafür in i5 Annuitäten von ihnen an die bisherigen Besitzer zu entrichten. Diese sogenannte „Ablösung" oder „Eänancipation" geschah wie folgt. Der Bauer ohne Hornvieh oder mit nur einer Kuh erhielt 4 Pogon und 17 Braschin Band, derjenige mit 2 Ochsen 7 Pogon und 17 Braschin, der mit 4 Ochsen 11 Pogon, jede Kirche 17 Pogon. Der mit einer Kuh sollte dem Bojaren jährlich 7 1 alte Piaster, der Besitzer von 2 Ochsen 100 Piaster, der von 4 Ochsen 130 Piaster zahlen. Bauer sowohl als Bojar bewirthschafteten die E eider in Zukunft ein Jeder für sich. Grund und Boden des Bauern wurde für die nächsten 30 Jahre als unveräusserlich erklärt. Ein solches Ruralgesetz mag recht edel und human erscheinen, allein trotzdem wird der Fremde in Rumänien schon nach kurzer Zeit wahrnehmen, dass der Bauer noch heutigentags eigentlich bis zu einem gewissen Grade vielfach als Sclave des Grossgrundbesitzers fungirt und von dessen Baune abhängt. Wohl ist es richtig, dass gegenwärtig Bauern im gesetzgebenden Körper sitzen, dass ihre Söhne als Officiere in der Armee dienen, und dass einige von ihnen, vom Glück begünstigt gleich dem vorstehend Erwähnten, Grossgrundbesitzer und Millionäre geworden, der grossen Masse aber sind die Hände gebunden; die humane Bage ist besser geworden, die materielle nur wenig. Ehemals mussten Staat, Kloster oder Bojar dem frohn-pflichtigen Bauer das Recht g-ewähren, Weide und Wald zu benützen. Heutigentags mangelt ihnen beides, infolge dessen müssen sie das nöthige Holz vom Bojaren kaufen und für die Weide ebenfalls einen Betrag entrichten. Dazu tritt, dass ihre geringen Kenntnisse der Bodencultur es nicht ermöglichen, aus dem ihnen gewährten Grund den nöthigen Ertrag zu ziehen, sie sehen sich mithin gezwungen, vom Bojaren weitere Felder in Pacht zu nehmen. Diese drei Thatsachen liefern den Bauern in di'e Hand des Bojaren. Er muss für die Weidebenützung einer Kuh beispielsweise um Dragäsani jährlich 6 Bei entrichten oder 6 Tage für den Bojaren arbeiten, ein gepachteter Pogon erheischt 18 Bei oder 18 Tage, An der Donau sind die Sätze wieder andere, dort pachtet der Bandmann fünf Pogon und bearbeitet als Entgelt im Interesse des Grundbesitzers den sechsten, oder auch er liefert den fünften Theil des Ertrages von dem cultivirten Band als Pacht ab. Edir den Winter kauft er zwei Klafter Holz, ausserdem vielleicht etwas Heu, und so kommt es, dass er weder Zeit noch Lust besitzt, seine eigenen Eeider, geschweige denn die des Gutsbesitzers sorgfältig- zu bewirthschaften. Die rumänischen Bauern sind mithin sehr arm und erübrigen selten etwas, nur ein Drittel von ihnen hat bisher ihre Schuld an die Grossgrundbesitzer abzutragen vermocht. Trotzdem kennt man anarchistische und socialistische Umtriebe nicht, einerseits ein Beweis für das schwache industrielle Beben, andererseits ein untrügliches Zeichen für die Gutmüthigkeit und Geduld eines begabten Bauernstandes, der sehr wohl verdiente, dass man Alles aufböte, um seiner humanen Emancipation auch eine materielle an-zuschliessen. Die Lage der Bauern bildet zunächst die Achillesferse Rumäniens. Ungarn und Rumänien waren bisher das Eddorado des Grossgrundbesitzes, der seine Ueberschüsse leicht und gern verbraucht, während in Serbien und Bulgarien der Kleinbesitz vorherrscht, sich langsamer, aber sicherer entwickelnd. ( 38l 8. Bergbau, Forstwirthschaft, Jagd und Fischerei. Der natürliche Bodenreichthum Rumäniens ist ein sehr bedeutender, aber auch seine Ausbeutung scheint erst der nächsten Generation vorbehalten zu sein. Warum das bisher noch nicht geschehen, warum die heutigen Rumänen nicht in die Fusstapfen der Agathyrsen, Dacier und Römer getreten, das weiss man nicht anzugeben. Das Vorhandensein reicher Gold- und Silberspuren, Kupfer-, Eisen-, Blei-und Cobaltlager wird blos als gewiss angenommen; selbst die goldhaltigen Flüsse Oltü und Argesü werden nur wenig ihres Gehaltes beraubt. Einzig und allein die Russen machten 1811, als sie sich im Besitz des Bandes befanden, ernstliche Anstrengungen zur Bearbeitung der Karpathen, indessen der Friede wurde proclamirt, die Moskowiter zogen ab, und die Bergwerke verfielen; an der Regierung wäre es, sich in dieser Angelegenheit an den Slaven ein Beispiel zu nehmen und die Ausbeutung der Erze ins Werk zu setzen, zu befördern und zu begünstigen. Der Regierung selbst gehören die Salzgruben des Landes, von denen Doftana, Slänicü, Tärgulü-Ocna und Salinele-Mare hervorragen. Ihre Ausbeute betrug in Kilogramm: Doftana Slänicü Tärgulü-Ocna Salinele-Mare Total 1881/82 1882/83 1883/84 1884/85 35 204599 41 026391 39 409977 29 958076 23 548814 17 302068 21 161561 21 350598 10 197832 3 860862 8 033989 9072175 10078315 16 564904 18 039201 10 027269 79 029560 "8 754225 86 644728 70 408118 H5 599043 83 36304I 31 164858 54 709689 314 836631 Ein derartiger reichlicher Gewinn setzte das Land nicht nur in den Stand, von 1881/85 22 186297 Lei 30 Bani an Gebrauchs- und Exportsteuer zu lösen und seine Bedürfnisse mit 214512 153 kg selbst zu decken, sondern ausserdem auch 95 5* r58o kg an das Ausland zu verkaufen. Russland bezog in der genannten Zeit 7555782 kg, das salzlose Serbien 32263640 kg und das ebenfalls salzlose Bulgarien 55 5q2i58 kg, Zahlen, die wohl geeignet sind, das Herz eines jeden Rumänen mit Stolz zu erfüllen und ihm die Entwickelung seines Bandes klar zu beweisen. Rumänien zerfällt seiner Bodenbeschaffenheit nach in drei Regionen. Die des Donaubeckens besteht aus drei Bagen, aus Erde von zerfallenen Steinen gemischt mit fossilen Thieren, aus gelber Erde von kieselhaltigem Thon, 5o Meter und mehr im Durchmesser, und aus schwarzer oder Humuserde, gleichfalls von Thon und von verwesten Organismen gebildet. Diese Quartärformationen geben ein fruchtbares Band. Die Hügelregion umfasst tertiären Boden, die Karpathenregion secundäres und primäres d^errain, in dem Schiefer, Glimmer, Gneis, Kalk und alle nur erdenklichen Erdreichthümer, ausgenommen Kohlenlager von gewaltiger Mächtigkeit, vorherrschen. Wdr möchten sagen, dass man bisher nur nach Eaune, d. h. gelegentlich und ruckweise, in grösseren Mengen die vorhandenen Gaben des Gebirges behoben. So hat man sich dienstbar gemacht Kalksteine zur Bereitung des Mörtels, Mühlsteine von vorzüglicher Güte bei Elerleu im District Botosani und im District Muscelü, Bausteine bei Cinta im District Dämbovita, die Kalksteine von Petroasa im District Buzeü und von Comania — der letztere entspricht dem hydraulischen Kalk —, Granit für Strassenpflasterungen im Prahovathal und bei Tarcau, District Neamfu. Schwefel gewinnt man in Välcea, Prahova und Buzeü, Steinkohlen hebt man in Mehedinft, Dämbovifa, Bäcäu, Kupfer in MehedintB Bernstein in Buzeü, farbigen Marmor in Olanesci, Gyps in Prahova, Muscelü, Suceava, Ambra von einer Farbe zwischen hellbraun und schwarzgrün im District Buzeü. — Eine Forstwirthschaft im strengen Sinne des Wortes kennt man in Rumänien noch immer nicht. Die Wälder in der Nähe der Strassen und Flüsse sind unbarmherzig niedergeschlagen worden, die Urwälder am Kamm der Karpathen stehen noch immer zum 1 ddeil unangetastet. Dort liegen die Leichen der stärksten .Stämme unbemerkt, Bergbau, Fotistwitthschaft, Jagd und Fischerei. ^8^ dem Vermodern preisgegeben, in io—15jährigen Waldungen dagegen weiden bereits die Hirten ihre Heerden. Es ist höchste Zeit, einem solchen Treiben Einhalt zu thun, da man sonst wirklich Gefahr läuft, in nicht allzu ferner Zeit seinen Holzbedarf vom Ausland zu beziehen, hguriren doch schon jetzt auf den Importlisten für r 5 Millionen Holz und Holzwaaren! Das Forstpersonal Rumäniens recrutirt sich aus aller Herren Ländern, meistens jedoch aus solchen Leuten, die anderswo nicht gut thaten; das niedere Personal umfasst einfache Bauern. Solche Missstände müssen zu allererst abgeschafft werden, es gilt, einige tüchtige Forst-gelehrte des Auslandes zu berufen, forstwirthschaftliche Pläne aufzustellen und zu befolgen und einige Forstakademien zu gründen. Die im Tieflande abgeschlagenen Waldungen wären durch Akazienpflanzungen zu ersetzen. In der Eiergregion begegnet man den denkbar schönsten, stattlichsten Wäldern, sie begreifen Tannen, Eichten und Kiefern; in der Hügelregion herrscht die Buche, Birke1, Rotheiche oder Ahornbaum, Vogelbeerbaum, Birn-, Apfel-und Nussbaum vor; in der Ebene die Korkeiche, Syko-more, EEagebuche, Ulme, Esche, Linde, 1 Eiselstaude, Hagedorn, der Pflaumenbaum und Kastanienbaum. Unter den forstwirthschaftlichen Gesellschaften nimmt die Actien-Gesellschaft für Elolzgewinnung und Dampfsägebetrieb, früher Goetz & Comp., die erste Stelle ein. Sie versendet jährlich 6 Millionen Kubikfuss Schnittmaterial, unterhält in verschiedenen Bändern Depots und verschickt ihre Erzeugnisse nach Edankreich, Italien, ja sogar nach Australien und dem Panamacanal. 0er rumänische Staat exportirt nichts, weil er keine Holzindustrie treibt; die Grossgrundbesitzer ahmen ihm nach, indem sie ihr Holz am Stock an Unternehmer abtreten, die wiederum meist den inländischen Bedarf decken. Der daraus entspringende Lohn der ungezählten Holzfäller beträgt für den Tag 2—4 Lei, der des Edössers ^—5 bei. Ein tüchtiger Förster steht sich monatlich incl. der Naturalien (Quartier, Holz, Wiesen, Weide) auf 200 bis 300 Lei, ein Heger verdient 40—70 Bei. Der Jäger findet in Rumänien sein Paradies, die daselbst übliche Jagdfreiheit dürfte ihresgleichen suchen und in Anbetracht des bisherigen herrlichen Wildstandes eines der schönsten Güter des in Rumänien Wohnenden bilden. Daher auch das Geschrei, welches von den zahllosen Nim-roden jedesmal erhoben wird, wenn der Kammer ein Jagdgesetz zur Erörterung vorliegt. Zur Schande der Humanität muss gesagt werden, dass ein eigentliches Jagdgesetz noch immer nicht gegeben wurde. Schonzeit ist unbekannt, Waffen- und Jagdscheine existiren nicht, wer ein Gewehr besitzt, der strolcht in Feld und Wald herum und nennt sich einen Jäger. Niemand hindert seine blutdürstigen ddiäten, es sei denn, dass ein vernünftiger oder auch menschenfeindlicher Gutsbesitzer Verordnungen anschlägt, laut denen auf seinem Grund und Boden nicht gejagt werden darf, sonst pirscht Bauer, Professionist, Lehrer und Officier gleich ungenirt herum. Nun hat aber leider Alles seine zwei Seiten, hier ist das Geschenk der Freiheit mit bedenklicher Wildleere in vielen Karpathentheilen bezahlt worden, in den meisten freilich trifft der Jäger das Wildschwein, den Hirsch, das Reh, den Fuchs, den Dachs, die Wildkatze, den Hasen und nur zu oft Bären und Wölfe noch in grösserer Zahl und Wildheit als ihm lieb ist, — hat es sich doch schon ereignet, dass bei einem Trieb 16 Bären zum Vorschein gekommen! Ihnen secundiren Adler, Falken und Geier. Im Hügelland sowie in der Tiefebene und in den Donauniederungen gewähren Rebhuhn; Wachtel, Schnepfe, Lerchen, Krammetsvögel, wilde d?auben, Enten, Gänse, sowie Trappen, Becassinen, Reiher und Birkhühner gutes Ziel und anregende Jagdbeute. Wie lange ein solches süsses Freischützenthum noch währt, ist freilich eine andere Frage, das Parlament wird dem Vergnügen steuern, wenn auch nur massig, da der letzte Gesetzentwurf mit November bis Februar als Schonzeit für Hirsche und Hirschkühe, October bis Januar als Schonzeit für Gemsen und Rehe schon zu streng erschien. Trotz alledem kann den Nimroden Deutschlands und Oesterreichs, denen es auf eine zweitägige Eisenbahn- Industrie. 385 fahrt nicht ankommt, eine Jagdreise nach den Karpathen empfohlen Averden, sie dürften dort ausser Bären und Wölfen gastfreundliche Bojaren kennen lernen. Als vorbereitendes Studium wäre ein Dutzend fesselnder Artikel in der „Neuen deutschen Jagdzeitung" von Carl Schröder, einem seit 20 Jahren in Rumänien lebenden Preussen, namhaft zu machen. Der Genannte versteht Bärenkämpfe, Treibjagden und Baltajagden sehr anschaulich zu schildern. Wahrhaft classische Darstellungen bietet Jos. de Sterca Siulutiü in den mehrbändigen Memoiren seiner Familie. Das auf Jagdwesen und Karpathenlandschaften Bezügliche hat P. Brosteanü in Resicza unter dem Titel „Der Rumäne als Jäger" übersetzt. Das kleine Büchlein bildet das fesselndste und werthvollste rumänische literarische Brzeug-niss, welches uns in deutscher Uebersetzung bekannt geworden. Einen ebenso reichen Ertrag wie die Jagd liefert in Rumänien die Eischerei, wobei in Betracht kommt, dass besondere Fischereigesetze gleichfalls fehlen. In dem klaren Wasser der (iebirgcsbäche und Flüsschen schlängelt sich überall die geschmeidige Forelle dahin, in den Flüssen sind, die Barben und die Schleiften die werthvollsten Bewohner. Die Donau versorgt das Band weit und breit mit Fleisch. In ihr tummeln sich ungewöhnlich grosse und schöne Karpfen, Stockfische, Störe, Aale, Makrelen und eine Menge von in Westeuropa kaum gekannten Fischen. Vorzugsweise reich erscheint die Donau an Hausen und Stören, deren Caviar sehr geschätzt wird, er ist milder und wohlfeiler als der Orsovaer und bedeutend besser als der vom Hecht gewonnene, welcher bekanntlich als rother Caviar in den Handel kommt. g. Industrie. Ueber die Schaffung einer rumänischen Industrie hat man oft und viel debattirt. Es ist wahr, ein reges Fabriks- Bergner, Rumänien. 25 leben kennt man in. Rumänien noch immer nicht, allein es ist in den letzten Jahren doch Manches geschehen, um wenigstens den Grundstein zu einem solchen zu legen. Freilich sind solche Versuche meist von Ausländern ausgegangen. Der Grundstock der rumänischen Bevölkerungverhält sich noch immer gegen Alles, was Ackerbau und Viehzucht nicht berührt, äusserst gleichgiltig und miss-trauisch, und dieses conservative Benehmen wird so lange bestehen, bis das Land beginnt genügend bevölkert zu sein. Die Sprösslinge der besseren Kreise aber füllen die Gymnasien in bedenklicher Weise, jeder strebt nach Staatsämtern, dem medicinischen oder juridischen Doctorgrad, und mit dem tüchtigen rumänischen Mittelstand mangeln auch rumänische Industrielle. Um dem abzuhelfen, sollte man industrielle nationale Unternehmungen noch mehr als bisher begünstigen, Handels- und Gewerbeschulen sorgfältig pflegen. Und das Alles muss so lange energisch fortgesetzt werden, bis man nicht mehr hört, dass Mehl aus Budapest, Wein aus Ungarn und Frankreich, Butter und Fleisch aus Siebenbürgen, Käse aus der Schweiz und Paris, Bier aus Oesterreich, Petroleum aus Amerika eingeführt ward. Bs gilt zunächst, die primitiveren Handelsartikel im Bande zu erzeugen, Tuche, Beder, Teppiche u. s. w. herzustellen, die Buxusartikel aber einstweilen nach wie vor aus der Fremde zu beziehen. Selbst die Anwendung ausländischer Arbeit wird sich im Anfange nicht vermeiden lassen, indessen soll man versuchen, sie langsam durch rumänische zu ersetzen. Volle Anerkennung verdient das bisherige Streben der Regierung, wie in Budapest und Belgrad der nationalen Arbeit Vorschub zu leisten, ihr sogar Opfer zu bringen, indem Zollfreiheit für Maschinen, Hilfsstoffe, Bevorzugung bei öffentlichen Bieferungen und entsprechender Schutzzoll eingetreten sind. An industriellen Etablissements existirten 1886 im Bande über 30 Bierbrauereien, trotz welcher noch immer für mehr als 300 000 Bei Steinbrucher und Pilsener jährlich eingeführt wurden, die grossen Tabaksfäbriken der Re- Industrie. 3 8 / gierung, sodann Seifen- und Kerzenfabriken, von denen besonders die Bucurescier und die Botosanfer hervorragen, einige Zuckerfabriken, eine Zündholzfabrik in Bucuresci, eine Tuchfabrik in Neamfu und eine ebensolche in Piatra, die das Tuch für die rumänische Armee liefern. Jn Bäcau wurde mit einem Anlagecapital von 3 Millionen Bei eine grosse Actienpapierfabrik gegründet und ihr die Beschaffung des gesammten Papierbedarfes für elie amtlichen Bandesbehörden gesichert, auf dem Gebiete des Königs zu Sinaia errichtete man eine Fabrik für feine d^öpferwaaren. Hohes Verdienst um die industrielle Thätigkeit hat sich endlich Ihre Majestät die Königin erworben, indem sie seit Jahren bestrebt gewesen, die schöne nationale Hausindustrie zu fördern, zu heben und zu schützen. Die Errungenschaften des letzten Jahres sind recht erfreuliche. E. F. Dreseler in Turnu-Severinü hat eine Destilliranstalt ins Beben gerufen, um in Zukunft Kaufleute, Floteliers und Cafetiers mit Idqueuren, Cognac, Rum u, s. w. zollfrei zu versehen, welche Artikel bisher alle vom Auslande bezogen wurden. Klobund und Wolter aus Deutschland haben mit der Primarie von Bräila einen Vertrag-geschlossen, laut wadehem sie auf dreissig Jahre Grund und Boden zum Bau einer Porzellanwaarenfabrik erlangen, eine Wiener Beinwandfabrik und eine Kronstädter Fabrik-für Elaneile und Wollwaaren beabsichtigten je eine rumänische Edliale zu gründen, in Mehedinfi wurde ein vorzüglicher Cement entdeckt; die Gebrüder Axerio haben in Slänicü, District Prahova, die erste rumänische Gypsfabrik geschaffen, um fortan Rumänien mit diesem Artikel genügend zu versorgen. Die Fabrik ist nach modernen Begriffen eingerichtet und fähig, das beste Material in jedem Quantum prompter und billiger als das Ausland zu liefern; endlich hat die Gerberei von Einhorn & Co. einen derartigen Aufschwung genommen, dass sie bei Dampfbetrieb 60 Arbeiter beschäftigt und bedeutende Sohlensendungen nach Bulgarien abgehen lässt. Von grossem Erfolg gekrönt würde zweifelsohne die Gründung von Exportschlächtereien, ebenso von Edeisch-conservenfabriken sein. Die der Viehausfuhr nach Oesterreich-Ungarn in den Weg gelegten, schier unübersteig-lichen Hindernisse, der Mangel an sonstigen Ausfuhrwegen haben zu dem Versuch geführt, Schlachtvieh aus der Moldau nach Italien zu bringen. Allein die Rumänen erhielten den sehr niedrigen Preis von 35 Bani per Kilo der gemästeten Thiere, den Italienern entstanden bedeutende Kosten und grosses Risico infolge der Seereise, und mithin leuchtet selbst dieser Ausweg in wenig- rosigem Eichte. Conserven-fabriken würden es ermöglichen, das Eleisch in frischem, gesalzenem, geräuchertem, in conservirtem Zustande in Dosen zu verschicken; bei gutem Betrieb, fachmännisch organi-sirten Agenden im Auslande wäre dann eine erfolgreiche Concurrenz mit Amerika wohl zu erzielen. 10. Handel, Verkehr und Verkehrsmittel. Der Handel Rumäniens ist nach wie vor entschieden blühend zu nennen, freilich liegt er zumeist in den Händen von Engländern, Franzosen, Griechen, Juden und Armeniern, die sich auf die Donauhafenstädte und die Orte des Binnenlandes vertheilen. Früher gravitirte Rumäniens Verkehr entschieden nach dem Schwarzen Meere, die meisten Güter gingen über Galafi und Bräila nach England und Frankreich, die wenigsten mittelst desselben Umweges nach Deutschland. Heute hat sich dies infolge der bedeutenden Erachtermässigungen der Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft und vor Allem durch den Ausbau des rumänischen Schienennetzes geändert, schon 1882 verkehrten, abgesehen von Bucuresci als Hauptstapelplatz, über die zwei Seestädte Gala^i und Bräila Güter im Werthe von u'21f2 Millionen Lei, über Itzkani von 47,2 Millionen, über Verciorova von 28,1 Millionen, über Predealü von 27,3 Millionen Bei. Die Absicht der Russen, Reni an Stelle der eingegangenen beiden rumänischen Freihäfen zum Freihandelsplatz zu erheben, ist rumänischerseits nicht zu fürchten, da nöthigenfalls Constanta als Gegengewicht dienen könnte. .Ein Netz von guten Landstrassen unterstützt jetzt im Gegensatz zu früher den Binnenhandel, für die Personenbeförderung aber bestehen mehr als vierzig Diligencerouten, auf denen der Reisende für i5 Bani im offenen, für 20 Bani im geschlossenen Wagen den Kilometer zurücklegen kann. Chausseegeld wird nirgends entrichtet. 1885 standen über 200 Telegraphenbureaux mit 5 2 11, Kilometer Bange in Betrieb. Seitdem am 1. November 186g die erste Eisenbahnlinie Bucuresci-Giurgiu eröffnet worden, erfreut sich das Easen-bahnnetz einer beständigen Emtwickelung. Vor zehn Jahren noch auf 1237 Kilometer beschränkt, umfasst es gegenwärtig über 2000 Kilometer, es wird, wenn der Ausbau aller projectirten Einien ungestört vor sich gehen kann, in längstens zwei Jahren alle bedeutenden Städte Rumäniens mit einander verbinden. CälärasT, Turnu-Mägurele, Slobozia, Tärgulü-Jiulm, Vaslui, Rämnicü-Välcea, Caracalü und JAolti-ceni werden alsdann des Segens einer bequemen directen Verbindung mit Bucuresci und den übrigen Bandestheilen theilhaft werden. Im Jahre 1886 standen folgende Linien in Staatsbetrieb: Bucuresci-Buzeü-Bräila (incl. Blafenb.) Galaf! (incl. Elafenb.) Barbosi-Berladü-Vaslui-Tecuciü, Märä- Kilom. sesci-Romanü............. 5q5,2 68 Chitila-Pitesct-Verciorova (incl. Hafenbahn) . . . 372,525 Bucuresci-Giurgiu-Smärdanü........ 76,160 Ploesct-Sinaia-Predealü.......... 84,495 Buzeü-Märäsesci............. 88,588 Cämpina-Doftana............ 5,054 Buda-Slänicü.............. 34.636 Titu-Tergoviste . ,........... 3B73o Adjudü-Tärgulü-Ocna........... 5o,2to Bäcäu-Piatra-Neamtu........... 57,900 Bucuresct-Cälärasi (incl. Hafenbahn)..... C>9>309 Kilom. Fäurei-Tänderei.....•........ 57,140 Piatra-Dragäsani ............ 33.779 Jasi-Ungheni.............. 21,419 Cernavoda-Constanta........... 64,000 Industriebahnen......... 4>24° 1716,513 Am 1. Januar 1887 wurde die Linie Costesci- Rosiori dem öffentlichen Verkehr übergeben . . 64,100 Im Bau begriffen waren: Filiasi-Tärgulü-Jiului........... 68,900 Dragäsant-Ocna-le-Mare-Rämnicü-Välcea .... 59,450 Piatra-Corabia (incl. Hafenbahn)....... 74,608 Rosiori-Turnu-Mägurele.......... 47>9°° Golesci-Cämpulungü........... 54,961 Ciulnita-Slobozia............. i6,65o Ciulnita-Fetesci............. 37.2Ö3 Tänderei-Fetesci............. 3°.72° Crasna-Dobrina............. 26,980 Dolhasca-Folticenl............ 24,160 Leorda-Dorohoiü ............ 21,450 463,042 Projectirt waren: Craiova-Calafatü............. 102,00 Tergoviste-Baile Pucioasa......... 20,80 Focsant-Odobescl ............ 11,00 Fetesci-Cernavoda............ 22,91 Vaslui-Jasi............... 72.°° Dobrina-Husl-Prut............ 19,0° Dorohoiü-Jasi.............. 170,00 PitescPCurtea de Arge.sü......... 37,00 Targulü-Ocna-Moinescl.......... 28,00 Piatra-(Neamtu-)Tarcau.......... 2 5,00 Buzeü-Pätärlagi............ 60,00 56.7,71 Der Fahrpreis per Kilometer und Person stellt sich auf den Staatsbahnen wie folgt: I. Classe II. Classe III. Classe IV. Classe Filzug: 14,4 Bani 10,8 Bani 7,2 Bani Personenzug: 12,0 „ 9,0 „ 6,0 ,, 3,0 Bani Die Zahl der 1885 beförderten Personen betrug 1479440; an Gepäck wurde expedirt 7179 Tonnen, an Eilgut 9140 Tonnen, an EYachtgut 1 588 619 Tonnen, an Dienstgut 284916 Tonnen. Angestellt waren als Beamte 1063, als Arbeiter 3033 Personen, Unfälle kamen insgesammt 203 vor. Die Betriebsergebnisse wiesen gegen das Vorjahr eine Verschlechterung hinsichtlich der Einnahmen des Personenverkehrs, hingegen eine Erhöhung der E>equenz desselben, sowie eine Verbesserung sämmtlicher übrigen Verkehrsarten auf. Die Zunahme bei Ersterem betrug 89861 Reisende, die Abnahme 252872 Bei. Die Mehrverfrachtung der Güter belief sich auf 357 55o Tonnen, mit einem Einnahmeplus von 1 933 138 Bei, die Gesammteinnahme ergab i885 23466099 Bei, gegen 22 169927 Bei des Vorjahres. Das Mehrerträgniss von 1 296 172 Lei repräsentirt 5,8°/0 der Gesammteinnahme von 1885, was um so beachtens-werther, als die Tarife mehrfach herabgesetzt wurden. Das Steigen des Frachtenverkehrs ist, wie aus den folgenden Daten hervorgeht, enorm. Es wurden befördert: Im Jahre 1880 783057 Tonnen 1881 962060 1882 1 12 1 708 1883 1 268 553 1884 1 231 069 1885 1 588 619 Der Personenverkehr weist folgende Resultate auf: Einnahmen: Anzahl der Reisenden: 1882 7 2 11 391 07 1 163 507 1883 8 283 008 34 1 422 264 1884 8 225 460 98 1 389 579 1885 7 972 588 29 1 479 44° Ein derartiges erfreuliches Ergebniss ist in erster Linie dem allgemeinen Aufschwung der wirthschaftlichen Verhältnisse zu verdanken, bedeutendes Verdienst hat sich jedoch auch unstreitig der überaus umsichtige General-director der rumänischen Staatsbahnen envorben. In der Person des Herrn Cantacuzino besitzt Rumänien den richtigen Mann; der Genannte verfügt über vielseitige, bedeutende Kenntnisse, über eine enorme Arbeitskraft, Ordnungssinn und eisernen Willen, er bietet die beste Gewehr für eine gedeihliche Weiterentwickelung des Verkehrs. Nicht in Staatshänden befindlich sind die Linien der Lemberg-Czernowitz-Jassyer Gesellschaft: Romanü-Itzkam . . . 102,94 Kilometer Pascani-Jasi .... 76,60 ,, Veresci-Botosani . . . 44,53 ,, zusammen 2 2 1,07 Kilometer Die Schifffcthrt hat sich nicht minder gehoben. 1875 liefen in Giurgiu 876 Schiffe mit 15842 t d?onnen ein, 872 Schiffe mit 10694t Tonnen aus, in Bräila 3933 Schiffe mit 501954 Tonnen ein, 3455 Schiffe mit 631 541 Tonnen aus, in Galati 3266 Schiffe mit 469094 Tonnen ein, 3264 Schiffe mit 459856 donnen aus; einschliesslich der jetzt russischen Häfen der Donaumündungen ergab die Eiste 11 977 Schiffe mit 1 464946 d^onnen als eingefahren, 11 408 Schiffe mit 1 582 182 d'onnen als ausgelaufen. 1884 dagegen trafen in den Donauhäfen 20478 Schiffe mit 3711 143 Tonnen ein und gingen 2o65o Schiffe mit 3678849 Tonnen ;tb. Der Gesammthandel stellte sich also: 1885 11 1884 Differenz Import: 268539150 Lei 294986273 Lei — 26447123 Lei Export: 247968201 Lei 184 115542 Lei 4- 63852659 Lei Auf einzelne Länder vertheilt: W) O O so ose CT> so v© 00 00 l>« —• sc ro oo O m O i-i "oc — OO M * (J\ im i— n m co O i k ? il c^» co O f^n o * m t^sC o m n O Cv ^f m rO m ro n um Bf ro Bf" m in CS m ro C^CO r^H r^O sC * m n Tt- o O 00 O <-> O + nMoornnmB cC o n * m QS Bj-vO lo Bf Bj~ in rO bb hH bh in rO N Bf bh (M « CSsO l- m p-r-O ph O Os m O ro im io ro i - CO cs "1 K i>*£ Bf vo sc O lOCO -fCO l-~ 4^ SC ro Cs bh Hl 0O bh ro Os ro Bf t^. 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TS oo ts) osoi O CO CO - 1 im im B OJ OJ o M Lei tm im im h-* Os sO oi oi oi 4i Os O H •sl Oj O CO O oi ^ o O P Os 004* Os Oj O O sO M Ol +i O Das Verhältniss zwischen Deutschland und Rumänien, weder durch politische noch durch wirthschaftliche Differenzen getrübt, hat sich zu einem höchst erfreulichen gestaltet. Besonders ist es die deutsche Eisenindustrie, welche in Südosteuropa ein Absatzgebiet gefunden und sogar die englische Einfuhr theilweise verdrängt hat. Die oberschle-sischen Werke haben seit Jahren die Moldau beschickt, und da später auch die Walachei gewonnen wurde, kann man getrost die Einfuhr deutschen Eisens auf i o ooo Tonnen jährlich veranschlagen. Ausser ihnen spielen deutsche Wollhüte, deutsches Paraffin, deutsche Pelzwaaren, Möbel aus Schlesien und Posen, Uhren, Gold- und Silberwaaren aus 1 fanau und Pforzheim eine bedeutende Rolle. An Bijouterien erwies sich Deutschland bereits 1882 mit 1 116000 Bei, der Schweiz mit 17000, Oesterreich -Ungarn mit 807000 und EYankreich mit 145000 Lei überlegen. Beider sind einige Uebelstände unterlaufen, es fehlt an grossen deutsehen Exportgeschäften, die österreichischen und schweizerischen Zwischenhändler täuschen oft das in sie gesetzte Vertrauen, und die Engländer importiren noch heute gute deutsche W'aare unter englischer, schlechte englische Waare unter deutscher Elagge, dadurch die deutsche Arbeit discreditirend. Die E>achtverhältnisse waren bisher leider ungünstig, 100 Kilogramm Manufacturwaaren kosteten von Beipzig nach Bucuresci per Donau 2 1 Lei, von Wien nach Bucuresci i5 Lei, von Paris nach Bucuresci 10 Lei, von Manchester gar nur 8 Lei. Recht unerfreulicher Art waren, wie allseitig bekannt, 1886 die Verwickelungen mit der österreichisch-ungarischen Monarchie, welche in dem sogenannten ,.Zollkrieg" ihren Höhepunkt erreichten und um so peinlicher berührten, als ja zwischen beiden Reichen in politischer Hinsicht das beste Einvernehmen herrscht. Die bis 1886 vorfallenden handelspolitischen und verkehrswirthschaftlichen Reibungen waren weder zahlreich, noch bedeutend, sie wurden erst bedenklich, als man die Sperrung der österreichisch-ungarischen Grenze gegen rumänisches Vieh und thierische Producte vollzog. Daran anknüpfend erhob Oesterreich-Ungarn endlose Beschwerden über angeblich willkürliche Auslegung der Handelsconvention durch die rumänischen Zollbeamten betreffs der österreichischen Industrieerzeugnisse, Klagen, die um so weniger glaubwürdig erscheinen, als Oesterreich-Ungarn vorher ähnliche nie vorgebracht, kein anderer vStaat bisher seinem Beispiel gefolgt ist, und kein einziger Staat besser als Oesterreich-Ungarn begünstigt war. Mit dem 31. Mai 1886, d. h. mit dem Ablauf der zehnjährigen Elandelsconvention, trat der Zollkrieg ein. An Stelle der vernunftgemässen Zollsätze kamen autonome, die, oft um mehrere hundert Procente höher als jene, den Verkehr fast völlig brach legten. Selbst der Laie muss begreifen, wie verderblich und beklagenswerth ein solcher Zustand ist, es fehlt hier an Raum, um seine Natur tiefer zu ergründen, es sei jedoch darauf hingewiesen, welche Verlegenheiten er speciell in Wien hervorgerufen. In der Donaumetropole beschäftigt die Genossenschaft der Kleidermacher 7000 Menschen, welche mit ihren Familien gewiss 30000 Seelen repräsentiren. Bin grosser Theil des Exportes dieser Industrie geht nach Rumänien, von Band-, Posamentier- und Knopfwaaren entfallen 35% auf die unteren Donauländer, von feinen Bederwaaren 7O°/0, vom Wirkwaarenexport 2o"/(1. Man kann daraus leicht ermessen, welchen Schaden für die Wiener Bevölkerung der Zollkrieg zur Eolge gehabt hat, ebenso schwer leidet natürlich Rumänien darunter, wo schon im Monat Juli in allen Bandestheilen lebhafte Klagen laut wurden. Das Jasier Consulat berichtete beispielsweise, dass nach Odessa in einem Monate achtzig Waggonladungen Mais und ebensoviel mit Raps, nach Oesterreich-Ungarn zwei Waggonladungen mit Mais abgegangen. Und von diesen verkehrspolitischen Miseren wurden direct nicht nur Güter, sondern auch Personen betroffen. Um eine Einfuhr österreichisch-ungarischer Wagen und Pferde mit Umgehung des autonomen Zolltarifes zu verhindern, ordnete die rumänische Regierung an, dass Grenz-überschreiter fortan für Pferde eine Caution von 60, für Lastwagen eine solche von 200, für Kutschirwagen eine solche von 400 Lei erlegen sollten. Wer also Rumänien mit Pferd und Wagen betrat, war gezwungen, es auf demselben Wege zu verlassen, andernfalls ging er der Caution verlustig. Nachdem nun bereits einmal die behufs einer Einigung zusammengetretenen beiderseitigen Enterhändler resultatlos auseinandergegangen, begrüsste man' Anfang Januar 1887 die Nachricht, dass in Wien zum zweiten Male Verhandlungen stattfinden würden, allseitig mit Freude. Rumä-nischerseits conferirten Minister Stourdza als Führer der [ )elegirten, sowie die Herren Protopepscu, Director der Monopole, Cantacuzino, Generaldirector der Eisenbahnen, und als Mediciner Oberst Kolben, österreichischerseits die beiden Handelsminister Marquis Bacquehem und Graf Sze-chenyi, sowie Graf Kalnoky und andere bedeutende Männer. Betreffs der Vieheinfuhr wurden österreichischerseits keine erheblichen Bedenken erhoben, dagegen freie Einfuhr des Holzes aus Galizien und der Bukowina gefordert. Dem letzteren Verlangen widerstanden die Interessen des rumänischen Kronärars, auch wünschten die rumänischen Unterhändler die Ausscheidung von 14 Artikeln, darunter Beinen-und Wollwaaren, Wachs, Glas, Papier und Mehl aus dem Vertragstarif, weil deren Herstellung beim Schaffen einer rumänischen Industrie infolge ihrer grossen Verwandtschaft mit der Urproduction am leichtesten erscheint. Die mehrtägigen, anstrengenden Verhandlungen scheiterten, wie man im lieben alten Oesterreich meint, hauptsächlich an der Starrhalsigkeit der rumänischen Unterhändler, in Wahrheit aber vor Allem, weil man jenen unter keiner Bedingung die bisherige freie Getreideeinfuhr zugestehen wollte. I )er Pferdefuss der ungarischen Agrarpolitik kommt dabei deutlich wieder einmal zum Vorschein, ebenso die ungünstigen österreichisch-ungarischen 1 EindelsVerhältnisse! Diese sind wenig erfreulich; es wurden nämlich in den Monaten August bis October an Getreide: Im Jahre eingeführt ausgeführt mehr ausgeführt Metercentner 1 1881 1882 1883 1884 i885 1886 I i14164 942961 I 068122 95o339 826112 398787 2 2 7 1519 4 748645 1893805 1786026 2 386125 1 793178 i l57355 3 8o5684 825683 835687 1 560013 1 394391 Summe 5 300485 14 879298 9578813 pro Jahr 883414 2 479883 1 596409 Die Mehlausfuhr steht gleichfalls sehr schlecht; sie; hatte 1886 seit sechs Jahren den tiefsten Stand erreicht — Momentan lässt sich leider der Zeitpunkt einer endgültigen Beilegung des in Rede stehenden Conflictes nicht bestimmen, was um so fataler ist, als die Wiener Confectionäre nicht wissen, wie sie dazu, kommen, zu Gunsten der ungarischen Grossgetreideproducenten auf das rumänische Absatzgebiet zu verzichten, die siebenbürgischen bäuerlichen Hersteller von Hausindustrieartikeln gleichfalls mit Ungeduld harren, und die Rumänen darauf bedacht sein müssen, ihre diesjährige Ernte nicht wie die vorjährige in eine Aera des Zollkrieges fallen zu lassen. Der Handel wird gegenwärtig durch eine Anzahl hervorragender Bankinstitute unterstützt. 1873 entstand nach dem Vorbilde der preussischen Bandschaftscassen ein Boden-creditverein, der in zehn Jahren für 90 Millionen Bei Pfandbriefe emittirte. Agricolbanken wuchsen empor, 1882 mit einem Actiencapital von 30 Millionen Bei die rumänische Nationalbank. An ihr ist der Staat mit 10 Millionen Bei betheiligt. Die Bank hat in Bräila, Galati, Jasi und Craiova ihre Eilialen, discontirt zu 4 "/„ und zahlte 1883 12% Dividende. In demselben Jahre bildeten sich auch in Jasi, Galafi, Bräila und Bucuresci die ersten rumänischen Börsen , an denen freilich anfangs bedenkliche Speculationen Platz griffen, welchen jedoch durch eine Verschärfung der Tabellen. 399 Börsengesetzgebung gesteuert wurde. Auch gegen jüdische gewissenlose Umtriebe, die nicht allzu selten seitens der Juden auf deutsche Rechnung gesetzt werden und das deutsche Ansehen im Orient schädigen, traten neue Gesetze in Kraft, vor Allem die gegen die Wanderlager und die in Wien beliebten Ausverkäufe; das Hausiren mit ausländischen Waaren in rumänischen Städten wurde untersagt. Ebenso steuerte man den betrügerischen Bankerotten der Israeliten, bei denen so gern falsche Gläubiger auftauchen. Ausser den schon genannten Geldinstituten verdienen noch erwähnt zu werden: die Rumänische Bank, Be credit mo-bilier Roumain, La societe Roumaine de constructions et de travaux publics und die Bank Prevederea; von Versicherungsgesellschaften: Däcia-Romänia, Capital 4 Millionen Lei in 20000 Actien ä 200 Lei, Nationalä, Capital 6 Millionen Lei in 30000 Actien ä 200 Lei, Unireä und Societe de reassurance. Fast alle diese Gesellschaften verdanken ihre Existenz den Franzosen, welche ferner die Compagnie du Gaz, die Societe des basaltes artificielles und die Fabrique de produits hydrofuges ins Leben gerufen haben. Die Regulirung der Dämbovrga, die Canali-sations- und Wasserleitungsarbeiten von Bucuresci, die Verdrängung des englischen und deutschen Cements durch französisches Erzeugniss, die Ausführung von zahlreichen Brückenbauten, die Gründung mehrerer industrieller Etablissements, Alles das sind sowohl sprechende Beweise für die Rührigkeit des französischen Elements, wie auch für sein noch immer bedeutendes Ansehen in Rumänien. 11. Tabellen. Glücklicherweise ist auch in Rumänien das metrische System bereits seit einer Reihe von Jahren eingeführt, ebenso sind die unzähligen verschiedenen fremden Münzsorten auf den Aussterbeetat gesetzt. Immerhin ist es der Mühe werth, dem Vergangenen einige Worte zu widmen, andererseits die Masse und Gewichte zu charakterisiren, da es sich ereignen kann, dass ihrer noch heute Erwähnung geschieht. Vor einigen Decennien konnte man mehr als 40 verschiedene Münzsorten durch die Hand rollen lassen; da zeigten sich allerlei Arten von österreichischen Kreuzerstücken, die russischen Kopeken, der österreichische Gulden, der russische Rubel, der goldene Jermelik, der preussische Thaler, der spanische Colonat, das polnische Zehn-Guldenstück, der österreichische, holländische und der türkische Ducaten, der türkische Doppel-Ducaten, der preussische Friedrichsd'or und als Scheidemünze die türkischen Paras. Heutigentags regieren unumschränkt rumänische Münzen mit dem Kopfe Karls I. zu 20 Lei in Gold, zu 5, 2, 1 Lei und zu 5o Bani in Silber und zu 10, 5 und ■ Bani in Kupfer. Die Banknoten gelten 1000, 5oo, 100, 5o, 20, 10 und 5 Bei. Ein Beu besitzt 100 Bani und gilt etwa 44 Kreuzer nach österreichischer, 80 Pfennige nach deutscher Währung. Im gewöhnlichen Verkehr ist der Uebel-stand eingerissen, dass man je 10 Bani kurzweg als einen Banü bezeichnet. Mass und Gewicht war für beide Fürstenthümer verschieden. Man beachtete im 1 landel: j. Hohlmasse für trockene Waareri: Moldau Walachei Vadra: 1.5,20 Biter 12,88 Biter Oca: 1,52 ,, 1,282 ,, Eitra: 0,263 >> °»310 >> Dramma: 0,0038,, 0,0032,, Kila: 41(1 Eiter 675 Eiter Banffa: 20,8 „ 33,75 „ 2. Hohlmasse für Flüssigkeiten: Moldau "Walachei Oca: 1,282 Kilogramm 1,272 Kilogramm Tabellen. 401 Längenmasse: Moldau Walachei 1,96 Meter Stingene 2,02 Meter Palma 0,28 Dedjette 0,02 Linea 0,002 o,2 5 0,03 0,003 1 Oca hatte 4 Eitra oder 400 Dramma, ein Kila 40 Ocar i Vadra 10 Oca, 1 Pogonü 1296 Quadrat-Stingene. Die moldauische Falcie (1,41 Hektar) enthielt 2880 Quadrat-Klafter, die moldauische Klafter war um 1/s grösser als die deutsche. Der Pogonü der Walachei galt 0,499 1 lektar. Eine Meile betrug 4000 Stingene, also 7848 Meter, eine Post 8000 Stingene oder 15696 Meter. Die kleine Elle hiess rumänisch Cotü, türkisch Endasch, und war gleich 0,662 Meter, die grosse hiess türkisch Halebi und galt 0,701 Meter. Die erstere diente beim Handel mit Leinwand, die zweite für Seidenwaaren. Last jeder grössere Ort hatte für Münzen und Gewichte abweichende Werthe, wodurch die allgemeine Verwirrung eine wirklich entsetzliche wurde. So galt der Piaster in Galat;i etwa 21 Pfennige, in Bräila schon 24 Pfennige. Bergner, Rumänien. 26 Anhang. Bibliographie über Rumänien. Zusammengestellt von Alexander Degenmann. Alecsandri, Vasile, Am bandusischen Quell. Uebersetzt v. Edgar v. Her/,. Wien 1885. —, Rumänische Volkspoesie. Uebersetzt von Kotzcbuc. Berlin 1857. Allan, (icorge (Pseudonym für Mite Kremnitz), Aus der rumänischen Gesellschaft. Zwei Romane. Leipzig 1882. Anagnosti, La Valachie et la Moldavie. Paris 1837. Aurelian, P. 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Band: Durch die Jahrhunderte. Bonn 188". —, Contes du Pelech. Paris j 884. —, Povestiile Pclesului. Bucuresci 1880. —, Rumänische Dichtungen. Bonn 1886. Carra, M., Istoria Moldavei si. a Ronunii. Bucuresci 1857. Colson, L'Etat present de la Moldavie et de la Valachie. Paris 1839. Correspdtvdence respecting the navigation of the Danube. London 1883. Dahn, Felix, Eine Lanze für Rumänien. Leipzig 1883. Dapontes, C, Ephemerides Daces. Histoire de la guerre entre les Turcs et les Russes 1736—1738. Paris 1880. Degenmann, Alex., Illustrirter Führer durch Bucarcst und dessen nächste Umgebung. Bucarcst 1887. Dehn, Paul, Deutschland und Orient. München 1886. —, Orient und Occident. München 1884. Dcmidoff, Prince M. A., Voyagc 2. 182. 198. 232. 240. 288. 291. 387. Erdbeben. 29. Erziehungsmethoden. 219. Fabriken. 37. 45. 202. 232. 386. Fasten. 338. Felix, Dr. 176. 343. 350. Fieber. 125. 130. 134. 146. Filaretu (Ort). 20. - (BischoO- 232. Eilaretüer Bahnhof. 165. 215. Finanzen. 283. Fische. 97. 141. 165. 385. Flottenfest. 134. Focsani. 48. 308. Folticeni. 197- 310-Forstwirtschaft. 382. Franzosen. 22. 23. 399. Friedhöfe. 71. 146. 161. 345. Fruchthändler. 19. 46. 72. 140. T96. 225. Galati. 113. 258. 260. 306. 320 Gastfreundschaft. 99. 108. 187. Gemälde. 59. Geologisches. 382. Georgscanal. T30. 136. 260. G epäckträger. 159. 165. Gesandtscha ften. 2 9 5. Gesetzgebung. 26. 77. 87. 298. Gesundheitszustände. 343. Gewerbeschulen. 60. 298. 305. Giurgiu. 159- 20<). 212. 215. 276. 310. Gora Humora. 84. Gorgova. 133. Gouvernanten. 220. Griechen. 22. 116. 119. 132. 136. 138. 139. 141. 305. Hafen. 118. 121. 134. 137. 141. 159. 213- 3°5-Handel. 120. 381. 388. Hangulü. 99. Hausindustrie. 164. 196. 223. 240. Heeresorganisation. 151. 250. 315. Henke, Vorwort. 115. 116. Ii 9. 122. 403-Herästreü. 307. Herta. 311. Hirten. 105. 154. 180. Hochzeitsbräuche. 359. Höhenmessungen. 257. Hohlmasse. 400. Holz. 27. 85.92. 132. 142. 146. 153. 170. 197. 383-Hotels. 21. 58. 60. 74. in. 116. 123. 138. 160. 193. 207. 231. Hurmuzaki. 55. 403. Husi. 307. IliesescT. 83. Ingenieure. 15. 22. 192. Isaktscha. 117. 128. Israeliten, siehe Juden. Italiener. 22. 152. [99. 245. 306. Jacoben! 91. Jagd. 384-Jagdgesetze. 384. Jahrmärkte. 197. 240. | Jalomi^a. 259. Jasi. 57. 242. 273. 274. 277. 307. 320. 342. Jiulü. 199. 258. ' Juden. 24. 46. 50. 57. 62. 68. 72. 82. 87. 97. 101. 115. 128. 167. 194. 201. 207. 223. 245. 249. 305. 347- 349- 372. 374-i Jüdisches Bad. 72. 258. | — Theater. 62. Judengeschichten. 75. Judenverfolgungen. 115. 168. 403. Kadettenschulen. 321. Kaffeehäuser. 33. 60. 116. 121. 129. 140. Kamcele. 149. Kammer und Senat. 230. 296. Kanarakiöj. 148. Karamurat. 149. 152. 352. Karl I. siehe Carolü. Käse. 19. 27. 97. 154. 371. ; Katholiken. 51. 152. 195. 228. 305. 352. Kimpolung. 86. Kirchen. 6l. 72. 139. 178. 195. 206. 225- 3°5- 339-Klima. 166. 184. 261. Klöster. 4. 6. 41. 56. 105. 173. 200. 234- 339-j Kohle. 26. : Kohlenhändler. 20. I j. £ Kot/.ebue. 49. 403. Krankenhäuser. 233. 305. 346. Kriegsoperationen. 1 17. 124. 128. 157. 158. 161. 205. 209. 213. 265. 306. Kriegsschiffe. 118. 141. 161.213. 320. 4io Krondomänen. 96. 314. Kronstadt. 3. 178. 257. Krönungserlass. 290. Krum. 268. Lacu säratü. 123. 260. 263. Landesfarben. 293. Landseen. 200. Landwirtschaft. 48. 85. 153. Lazarü. 234. Lippvener. 17. 129. 133. 305. 345. Lloyddampfer. 125. Lom Palanka. 211. Magyaren. 351. Magyarischer Chauvinismus. 25. 152. 184. Maiorescu. 297- 328. Mämäligä. 356. Manole. 179. Märäsesci. 48. Marktplätze. 116. 164. 187. 196. 207. 220. Marmaros. 78. 272. Medschidsche. 117. 157. Melonen. 18. 122. 140. Meteorologische Stationen. 262. Michael der Tapfere. 212. 234. 271, Micläuseni. 55. Miethwagen. 16. 34. Mihaileni. 311. Milcovü. 48. 256. 260. Militär, bulgarisches. 160. 210. 212. — rumänisches. 5. 7. 11. 30. 39. 99. 151. 186. 200. 203. 219. 231. 315. Militärmusik. 40. 116. 135. 143. 172. 206. Mircesci. 55-Mizilü. 45. 310. Mokanen. 154. Moklovathal. 85. Mönche. 105. 236. Moscheen. 129. 139. 161. 164. 210. Münzsorten. 400. NamaescT. 173. Nationaltänze, siehe Tänze. Neagoe. 179. XeamUi. 41. 102. Negruzzi. 220. 297. 365. Neigebauer, Vorwort. 261. 403. Neujahrsfest. 361. Nikopolis. 212. 270. 289. Nonnen. 109. Obrenowitsch, Marie. 285. Obstbau. 372. Ocna. 49. 257. 310. Odobcsci. 48. 310. OlteniLa. J59. 281. Orden. 293. Orthographie, Vorwort. 362. Ostrovü. 261. 311. Ovid. 136. 140. Parkanlagen. 35. 6t. 114. 116. 124. 196. 205. 234. 305. Pascani. III. Passübergänge. 4. 178. 257. Patrick O'Brien. 119. 122. 258. 404. Pelcsü. 7. Pellagra. 348. Petroleum. 45. Pferde. 16. 45. 55. 154. T96. 212. 242- 375-Pferdebahn. 244. Pllasterung. 18. 59. 119. 160. 196. 229. Phylloxcra. 5. 373. Piatä. 220. Piatra (Moldau), ioi. 257. 308. — (Walachei) 184. 192. Pitesci. 46. 167. 182. 259. 305. Ploesci. 10. 15. 44. 288. 308. Politische Parteien. 296. Polizei. 20. 28. 33. 118. Pompiers. 318. 326. Popen. 39. 62. 174. 330. 334. Postkarut/.en. 168. Prahovafluss. 8. 259. Predealü. 5. 263. Professionisten. 22. 230. 247. Protestanten. 153. 175. 195. 228.305. 352- Pruth. 70. 127. 260. Radu Negru. 269. Rahagiü. 21. Rahova. 2 II. 212. 289. Rämnicü-Säratü. 47. 308. Rämnicü-Välcea. 310. Rathschlag©. 220. Räubergeschichten. 52. 176. Regenmenge. 262. Reni. 127. Restaurants. 27. 111. 194. 231. Rindviehzucht, 375. Rodna« 10. Romanü. 18. 54. 308. Römer und ihre Hinteriassensch 124. 128. 146. 158. 204. 212. Römerschanzen; 124. Römische Traditionen. 358. Rosetti, Helene. 232. 285. Rothenthurmpass. 4. 257. 271. Rucärü. 173. Rudolf, Kronprinz. Vorwort. 21 Russisches. 17.68. 127. 144. 210. 333- 3«i-Rustschuk. 159. 213. Sacagiü. 19. 58. 139. [46, Salepü. 21. Salz. 11. 203. 381. Sänger. 236. Schatz von Petroasa. 236. Schauspieler. 236. Sihit la Jalomifa. 4. Schlachthaus. 243. Schminken. 33. Schulwesen. 152. 195. 221.233. 305. 328. Schwarzes Meer. 132. 135. 261. Sclaverei. 24. 52. 378. Seidenwurmcultur. 374. Serben. 2 2. 202. Serbien. 209. 255. Seretü. 259. Seretüthal. 124. Siebenbürger Rumänen. 17. 25. 149. 195. 240. 246. 298. 334. Silistria. 158. 255. 282. Sinaia. 6. 263. iften. 266. 234- 1 10. 337- Sistowa. 213. 259. Skopzen. 17. Slänicü (Salzwerk), jo. 381. — (Curort). 49. 263. Slatina. 184. 268. 308. Smärdanü. 159. 289. Speisen, nationale. 27. Staatssparcasse. 313. Stadttheile- von Bucuresci. 29. 244. Statuen. 59. 234. Stefanü der Grosse. 51. 59. 273. Steuern. 311, Stourdza, Elise. 53. - Demeter. 182. 250. 292. 294. 328. 397- — Gcorgius Alexander. 35. 220. Strada LipscanT. 194. 251. Sträflinge. 11. 177. 200. 342. Strassenwirthshäuser. ui. 171. Strousberg. 43. Suczawa. 81. Sulina. 135. 258. Sulinacanal. 130. Syphilis. 344. Szekler. 23. 51, Tagelohn. 12. 192. 202. 383. Tärgu de afarä. 196. Tärgulii-Cucului. 37. Tärgulü -Erumosü. 57. Tärgulü-Jiuliü. 27. 307. Tänze. 356. Tartaren. 139. 148. 305. 345. Tartarische Frauen. 148. Taufceremonien. 358. Tecuciü. 3 1 o. Temperatur. 29. 30. 261. Tergoviste. 178. 268. 306. Theater. 8. 62. 196. 231. 237. Thronfolge. 292. Toiletten. 31. 74. Tömöser Pass. 4. 257. Todtencultus, siehe Begräbnisscere- monien, Friedhöfe, Kirchen. Trajan. 204. 26h. Trinkwasser. 19. 71. Tulcea. 129. 152. 310. Türken. 21. [25. 129. 132. 136. 141. 159. 164. 210. 214. 305. 345. Türkische Frauen. 128. 136. 141. 164. 215. Turnu-Mägurele. 209. 213. 259. 310. Turnu-Severinü. 204. 258. 308. Turnverein. 238. Ungheni. 67. Universitäten. 60. 237. Unsittlichkcit. 23. 32. Urechia. 239. 291. 364. Väcäresci. 229. 244. Varaticü. 108. Vasile Lupü. 274- Vaslui. 310. Verbrechen. 51. 52. 201. Verkaufsläden. 22. 30. 114. 118. 140. 160. 162. 20^. Verkehrsstatistik. 389. Viehmarkt. 67. Viehzucht. 154. 170. Vladimircscu. 278. Volkstrachten, rumänische. 47. 84. 86. 92. 93. 182. 188. 259. 353. — sonstige. 16. 21. 51. 64. Volkszählungen. 57. 242. 302. 348. Wappen. 293. Wasserleitung. 346. Weihnachtsfest. 361. Weinbau. 162. 184. 186. 189. 373. Widdin. 209. 212. Windmühlen. 128. 129. 143. Wrohlthätigkeit. 171. 225. 232. Wölfe. 218. 384. Wucher. 25. Ypsilanti. 278. Zigeuner. 20. 23. 51. 52. 88. 105. in. 160. 169. 177. 180. 197. 239. 35i- Zigeunergeschichten. 90. Zipser. 85. Zimnifa. 289. Zollbeamte. 5. 93. 138. Zölle. 311. Zollkrieg. 375. 395. Zukunft. 250. Berichtigungen. Seite 19 » 49 » *39 » 147 „ 176 » 1/7 ,i 232 „ 286 „ 288 Zeile 13 von unten und Folge lies: Cascavalü st 12 17 io 6 oben im fen und Folge und Folee oben „ Trotusü , Sacagii , Bordee ,, Dömne ,, Däniboviciöra ,, Cuza ,, Ioanü Bratianu „ Maiorcscu ,, jndete itt Cascavalü. Trotus. Sagacii. Bordeh. Domine. Dämbovi(.ora. fCnsa. Joanü oder Juonü Bratianu. Majorescu. judetc. Buchdruckerei Julius Klinkhardt, Leipzig. Zu Bergner's Rumänien. RUMÄNIEN Breslau, J.U. Kerns Verlag (Max Müller). Ml Ö.L.v.I'V Sopok«i 1 • ,;• Hb u ■Wut r ,...........> ■ 7f/Ää--.rV, ......te^v<.....- r^Tf fiCiraMirwan SiiijljiA Run» KütLndthr (Gmstant*) 't'l ■Ii ' MimMtfHr | , ...... (Kali..!;«' i3 Si 4V vi, ,v/.iV>MV/a,.»/('.' tl.[,. 23 v. (ircenw. «1 O.L.v.Pnris 1 ______.-»l- J;*^»'»m U^r'Y'i' Www*» A'lsenJittArwn, im Bei rieb. EbseriboJirusrh inv Bau, begriffav. Verhältnis i= 1700000, „ Kütimtur. Lithogra.plvie u. Druck von C.Fleiuiuiiig in Ologau.